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Quastlmayers außergewöhnliche Sammelleidenschaft
Eine der wahrscheinlich schillerndsten Persönlichkeiten, die in Niederpöcking lebte, war Carl Heinrich
Otto Joseph Anton Ritter und Edler Mayer von Mayerfels.
Die Vorfahren von Carl Heinrich Otto Joseph Anton Ritter und Edler
Mayer von Mayerfels hießen nur Mayer, stammten aus Tirol und
handelten mit Getreide. Sie brachten es durch selbstlosen Einsatz
in Hungerszeiten zu beträchtlichem Wohlstand. 1808 verlieh der
Bayerische König Maximilian I. dem Großvater den erblichen Adelstitel.
Carl wurde am 18. November 1825 in München als Sohn des Bankiers
und Fabrikbesitzer Josef Ritter von Mayer und Anna von Reichenbach
geboren.
Nach dem Studium der Genealogie (Stammbaumforschung) und
Heraldik (Wappenkunde) wurde von Mayer zum gefragten und geschätzten
Kenner des Mittelalters, Kunsthistoriker und Altertumsforscher.
Bereits als Student trat er den verschiedensten Verbindungen bei
und begann Quasten von Corps-Studenten zu sammeln, was ihm den
Spitznamen „Quastlmayer“ einbrachte. Am 23. Mai 1849 heiratete er
Regina Menges, die Tochter eines Steuerrevisors. Sie schenkte ihm im
Laufe der Ehe sieben Kinder, wovon nur vier Mädchen die ersten Jahre
überlebten.
1857 veröffentlichte er sein Hauptwerk „Heraldisches ABC - Wesen
und Begriff der wissenschaftlichen Heraldik, ihre Geschichte,
Literatur, Theorie und Praxis“, was ihm den philosophischen
Doktortitel der Universität Freiburg einbrachte. Zahlreiche europäische
Auszeichnungen sowie eine stattliche Anzahl dekorativer Orden von
deutschen sowie ausländischen Machthabern und Herrschern wurden
ihm im Laufe der nächsten Jahre verliehen, u.a. den Ritterorden vom
Heiligen Grab zu Jerusalem, Großkreuz; die Württembergische goldene
Medaille für Kunst und Wissenschaft; den Marianer des Deutschen
Ritterordens; den Nischan el Iftikhar - Verdienstorden aus Tunesien;
den Ritterorden von San Marino; den Christusorden aus Portugal;
den Orden vom heiligen Michael; die Ludwigsmedaille usw., sowie
die Ernennung zum königlich bayerischen Kammerherren. Ebenfalls
war er längere Zeit Gemeinde-Bevollmächtigter der Stadt München,
Landwehr-Oberstleutnant und Inspektor des ersten Landwehrbezirkes
von Oberbayern.
Er bat den Bayerischen König Maximilian II. um Erlaubnis, seinem
Namen künftig in Anlehnung eines ausgestorbenen Familienzweiges
den Zusatz „von Mayerfels“ anzufügen, was ihm auch genehmigt
wurde. Die Sucht, seinem Namen möglichst viele Titel hinzuzufügen,
steigerte sich im Ankauf alter Burgen, Schlösser und anderer
Besitzungen, die er meist umbaute, instand setzte und dann wieder
veräußerte.
1860 kaufte der Ritter das Landhaus Riederer in Niederpöcking, südlich
angrenzend zum Anwesen der Familie von Miller. Durch Anbauten,
Türmchen und Zusatzbauten verwandelte der Mittelalterkenner das
Landhaus in eine „Burg“ und verlieh ihr den Namen „Waldeck“ (Eck/
Egg ist eine alte Bezeichnung für Burg). Drei Jahre später ließ er am
höchsten Punkt des Grundstücks, nach Plänen von Arnold Zenetti,
eine Kapelle im neugotischen Stil errichten. Im Untergeschoss war der
Weinkeller untergebracht, was den humorvollen Hausherrn zur Aussage
„wenn ich einmal gestorben bin, möchte ich in der Unterkirche beigesetzt
werden“, hinreißen ließ. Da die Kapelle für alle Niederpöckinger,
die am sonntäglichen Gottesdienst teilnehmen wollten, zu klein war,
wurde gegenüber der Kapelle ein Betsaal mit Altane erbaut. Die Tür
zur Kapelle wurde geöffnet und die Gottesdienstbesucher konnten
die Messe im Betsaal mitfeiern. In der weitläufigen Parkanlage entstand
eine Gedenkstätte mit Büsten seiner verstorbenen Eltern und
seines, im Alter von einem Jahr an der Cholera verstorbenen Sohnes
Carl, ein neugotischer Wappen-Bildstock, eine Blockhaus-Klause, ein
Ziehbrunnen sowie ein - durch eine Mole geschützter - kleiner Hafen
am See mit Boots- und Badehaus.
In einer kleinen Anekdote machte sich der in der Nähe wohnende
Maler Moritz von Schwind über die Orden von von Mayerfels lustig. Als
von Mayerfels einmal im See badete, ruderte Moritz von Schwind im
Boot vorbei und rief: „Kannst du auch im Wasser treten?“, daraufhin
paddelte von Mayerfels aus Leibeskräften mit den Füßen. „Höher, noch
höher“, schrie ihm von Schwind zu. „Warum denn?“ rief der Erschöpfte
zurück. „Damit ich seh, ob’st deine Orden beim Baden auch anhast“,
entgegnete von Schwind trocken.
Während der Burgherr noch mit dem Bau der Kapelle in Niederpöcking
beschäftigt war, erwarb er die Burg Schwaneck in Pullach im Isartal, mit
deren Errichtung sich zwanzig Jahre zuvor Ludwig von Schwanthaler
einen Jugendtraum erfüllte. Die nur aus einem Wohnturm bestehende
Burg wurde von von Mayerfels in gut dreijähriger Bauzeit um eine
Hubertuskapelle mit Empore, einem zweiten Burgfried, einem verdeckten
Wehrgang sowie einer großen Trinkhalle erweitert. Täglich
soll der Bauherr von Niederpöcking nach Pullach geritten sein, um
den Baufortschritt zu überwachen. 1877 ging der Burgenkauf mit der
Burg Karneid bei Bozen weiter. Diese erwarb er nur, dass sie nicht
„in die Hände eines Preußen falle“, wie er Ferdinand von Miller jun.
anvertraute, der
die Burg nach
dem Tod seines
Freundes
erwarb und
restaurierte. Sie
befindet sich
noch immer in
Familienbesitz.
Ebenfalls kaufte
er Schloss
Prösels bei Völs
am Schlern, die
Ruine Stein auf
dem Ritten und
den Kalkturm
bei Hocheppan.
1877 wurde er
auch Besitzer
des Alten
Schlosses
Meersburg am
Bodensee, das
Tochter Ida und
ihr Ehemann,
Alphons von
Miller, Sohn des Erzgießers Ferdinand von Miller dann bewohnten.
Der Schlossherr Carl und seine Frau Regina siedelten ebenfalls nach
Meersburg um und verkauften das Anwesen in Niederpöcking. Bei
seinem Umzug brachte ein Extrazug mit 30 vollgeladenen Waggons
seine Sammlung an mittelalterlichen Waffen, eine ansehnliche Fülle
von Harnischen, Helmen, Schilden, Schwertern und sonstigen kulturhistorischen
Merkwürdigkeiten an den Bodensee.
Im Schloss Meersburg empfing der Schlossherr, ganz im Eisenharnisch,
von hundert bewehrten Knappen und Knechten begleitet, den
Deutschen Kaiser Wilhelm I., welcher von dem Schauspiel und der
altertümlichen Burgeinrichtung sehr beeindruckt war. Oftmals überraschte
von Mayerfels seine Gäste durch ritterliches Spiel mit Turnieren
und Speerbrechen.
Bei einem seiner häufigen Besuche bei Münchner Freunden traf ihn
am 8. Februar 1883 in der Theatinerstraße ein Herzschlag. In einer
Freilandgruft auf dem Alten Südlichen Friedhof in München wurde Carl
Mayer von Mayerfels beigesetzt. Einer letztwilligen Verfügung gemäß,
wurden all seine Sammlungen Stück für Stück in mehreren Auktionen
versteigert. Seine Frau Regina überlebte ihn um 28 Jahre und starb
1911. Im Münchner Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg wurde eine
Straße nach ihm benannt.
Christl Peuker (Gemeindearchiv)
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