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ST:A:R_10

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90 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch XII – Economy Class<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

2 3 4<br />

1 check in :: 2 chill out :: 3 student artwork, buru buru art institute :: 4 street factory :: 5 in patrick mubays<br />

studio, godown art center :: 6 arttalk, kenyatta university, department of fi ne arts :: 7 on chinese street from<br />

mombasa to nairobi :: 8 view from presidents offi ce, kcc tower :: 9 aufbau der ausstellung, alliance francaise ::<br />

<strong>10</strong> führung durch die economy class ausstellung :: 11 exhibition, ground fl oor :: 12 künstlerkataloge, dvds und<br />

videos von economy class wurden an die mediathek des godown art center übergeben :: 13 sarafi nas day<br />

photos :: barbara husar, simon häfele, michael lampert<br />

ines agostinelli, jesper james alvaer, bella angora, roman spiess, pia arnström atzgerei, alfredo barsuglia, alexandra baumgartner, lutz<br />

bielefeldt,eric binder, gustav böhm, alexander brenner / barbara schurz, bernhard cella, eva chytilek,emanuel danesch, ines doujak,<br />

tina van duyne, angela dorrer, christian eisenberger, ella esque, equaleyes, christian falsnaes, clemens fürtler, judith fegerl, karin frank,<br />

1<br />

patrizia gapp, birgit graschopf, michael gumhold, mario grubisic, stefan hafner, cornelia hefel, fl orian herzog, christoph holzeis, katherina<br />

hofer, siggi hofer,barbara husar, regina hügli, thomas jelinek, luisa kasalicky, moussa kone, landschaftsdesign, michael lampert, jan lauth<br />

/ alex gelny, anita land / gerald zahn, lena lee, edgar leissing, bianca lingg, constantin luser, d.max, kazimir malevich, medienkunstlabor,<br />

bady minck, esther moises, monochrom, lukas moosmann, netznetz, alexander nikolic, ekaterina obermair, markus oberndorfer, ocelle<br />

ruhm/bachmann/kuthan ocpa buechel & buechel, olfactory, tanja ostojic, pooool, poolbar, bella prinz, lumplecker und steidl, fl orian pumhösl, bernhard rappold, christian reder, alexandra reill, david<br />

rych, angelo roventa/garnitschnig/wulz, anja salamonowitz, stylianos schicho, angelika schuster / tristan sindelgruber, deborah sengl, sonance,julia starsky, st/a/r, supercamp, robert svoboda, mario<br />

terzic, grischinka teufl , übermorgen, octavian trauttmansdorff, peter wehinger, harald wilde, michael wilhelm, david wiltschek, niki witoszynskyj, jan von wegen, franz rudolf, franz und hella wostry,<br />

yuval, otto zitko, daniela zeilinger, +error, <strong>ST</strong>/A/R<br />

initiation and coordination: barbara husar / michael lampert / alexander nikolic / lukas pusch economyclass@eroticunion.org<br />

credits: alliance francaise , nairobi :: the godown art center, nairobi :: österreichische botschaft, nairobi :: bundesministerium für auswärtige angelegenheiten, wien<br />

universität für angewandte kunst, wien / www.dieangewandte.at :: akademie der bildende künste, wien / www.akbild.ac.at :: land vorarlberg, kultur abteilung / www.vorarlberg.at<br />

kunsthalle wien, project space / www.kunsthallewien.at :: foto leutner / www.leutner.at :: ratioform / www.ratioform.at :: sonance artistic network / www.sonance.net :: <strong>ST</strong>/A/R<br />

12<br />

11<br />

<strong>10</strong><br />

Economy Class<br />

Alexander Nikolic spricht mit Katherina<br />

Zakravsky über das Projekt, das im April<br />

2006 mit einer Ausstellung in Nairobi,<br />

Kenia, begann.<br />

Katherina Zakravsky: Seinerzeit machte Catherine<br />

David doch dieses Projekt über „arabische<br />

Repräsentationen“, weil sie der Meinung war,<br />

„Kunst“ sei etwas Westliches, das es in der<br />

arabischen Kultur so nicht gibt. Wie ist das mit<br />

„Afrika“, diesem Namen, der zugleich ein Kontinent<br />

und ein Phantom zu sein scheint?Ich könnte auch<br />

fragen: Wieso heißt ein Projekt, das in Nairobi<br />

stattfand, „economy class“?<br />

Alexander Nikolic: Schau dir mal die homepage an,<br />

economyclass.sonance.net.<br />

Deine erste Frage, könnte ich paradox beantworten,<br />

Kunst in unserer Perspektive gibt es in Afrika nicht.<br />

Afrika ist selten präsent in unserer Rezeption als Ort<br />

der Kunst, eher ein Ort der Gewalt, des Hungers,<br />

der postkolonialen Ausbeutung, der Prostitution,<br />

Aids und des Drogenhandels. Was aus Afrika zu uns<br />

kommt, ist in erster Linie eine Bedrohung.<br />

Ja, Kunst aus Afrika gibt es. Von Masken über<br />

Holzfi guren. Kitsch und Krempel. Die fantastischen<br />

Performances von Kendell Geers, Arbeiten von<br />

Fernando Alvim, und etlichen anderen. Die Biennalen<br />

von Johannesburg und Dakar sind auch bei uns<br />

bekannt, auf die Triennale von Luanda müssen wir<br />

derzeit leider noch warten. Afrika ist vielschichtig.<br />

Zakravsky: Und sicher auch dynamisch. Da fragt<br />

sich, ob Elemente aus afrikanischen Kulturen in<br />

das westliche Kunst-Institut eingeschleust werden<br />

oder umgekehrt Elemente der westlichen Kunst<br />

übernommen werden. Sofern es noch westliche<br />

Kunst ist in Zeiten der Globalisierung.<br />

Nikolic: In unserer Veranstaltung waren ja über<br />

hundert verschiedene Positionen zu sehen.<br />

So gesehen, hatte es schon ein Volumen, das<br />

so manche Biennale übersteigt. Abgesehen<br />

vielleicht von dem Fakt, dass alle Arbeiten<br />

handgepäckstauglich sein mussten. Wir, Barbara<br />

Husar, Michael Lampert, Lukas Pusch und ich<br />

reisten Economy Class nach Nairobi, so wie jeder<br />

andere europäische Tourist.<br />

Zakravsky: Damit hatte der Titel diesen Verweis auf<br />

die normale Verkehrpraxis zwischen dem „Westen“<br />

und Afrika. Aber wie sehen die afrikanischen<br />

Künstler vor Ort diese Besucher? Wie muss man<br />

sich die TeilnehmerInnen vorstellen?<br />

Nikolic: Die Rezeption vor Ort war unterschiedlich.<br />

Erstens gab es neben der Ausstellung, der<br />

Eröffnung, auch Präsentationen an zwei<br />

Universitäten und zwei Präsentationen vor Ort. Die<br />

Alliance Francaise als Ausstellungsort funktioniert<br />

etwa vergleichbar mit dem, was das MAK für Wien<br />

ist. Dort laufen täglich einige hundert Personen<br />

durch, weil dort eine französische Mediathek<br />

beheimatet ist, und auch Sprachkurse stattfi nden...<br />

Innerafrikanische gegenseitige Künstlerbesuche<br />

oder Ausstellungen sind selten und fi nden auf<br />

verschiedenen Ebenen statt. Wer in Ostafrika<br />

international arbeitet, arbeitet schon auf einem<br />

anderen Niveau. Von lokalen Strukturen wie dem<br />

Godown Art Center werden Workshops organisiert,<br />

die auch von wenigen internationalen KünstlerInnen<br />

in Anspruch genommen werden. Das wird jetzt<br />

hoffentlich mehr werden, wobei auch unsere<br />

Homepage und unsere noch zu aktivierende Mailing-<br />

Liste helfen sollen, solche Informationen weiter zu<br />

verbreiten. (derzeit Infos unter economyclass@<br />

eroticunion.org)<br />

Von kenianischen KünstlerkollegInnen gab es viel zu<br />

hören. Viele waren glücklich, endlich wieder andere<br />

Stile als die abstrakte Malerei zu sehen, welche<br />

derzeit das um und auf zu sein scheint. Alles was<br />

nicht abstrakte Malerei ist, lässt sich derzeit in<br />

Nairobi nicht verkaufen.<br />

Was grundsätzlich zu sagen wäre ist, dass wir in der<br />

Kunst offensichtlich einen ganz anderen, offeneren<br />

Umgang mit Sexualität haben. Manche Arbeiten,<br />

wir haben ja nicht kuratiert in dem Sinn, wurden<br />

als Provokation angesehen. Tanja Ostojics Arbeit<br />

mit der EU-Unterhose weckte bei vielen Interesse<br />

und sorgte bei der Eröffnung für lustige Erregung<br />

unter dem anwesenden Diplomatenchor. Und<br />

auch die diskursive Ebene war bestens besucht.<br />

Grundsätzlich muss ich sagen, dass unser Angebot<br />

zu kommunizieren sehr gut angenommen wurde.<br />

Was auch dazu führte, schon im Vorfeld angedachte<br />

Interventionen vor Ort zu schärfen, zu realisieren<br />

und auch zu versuchen, nachhaltige Kooperationen<br />

einzugehen.<br />

Zakravsky: Du hast also gemeint, dass sexuelle<br />

Inhalte in Nairobi sozusagen noch als sie selbst,<br />

also leicht provokant und nicht nur als müde formale<br />

Anspielung rüberkamen. Die Reaktion auf die<br />

EU-Hose klingt aber ein wenig so, als ob hier die<br />

Europäer wie Exoten-Freaks belacht würden.<br />

Nikolic: Ich kann nur sagen, dass sie ein Lächeln<br />

in den Gesichtern der Besucher produzierte, und<br />

dass ich bemerkte, dass manche Besucher teilweise<br />

wiederkamen, um ihren Freunden die EU-Unterhose<br />

zu zeigen. Ob ich jetzt deswegen mehr oder weniger<br />

als exotischer europäischer Freak gesehen wurde,<br />

kann ich leider nicht beantworten.<br />

Zakravsky: Mir gefällt dieses Bild von den<br />

Diplomaten, denn dies Bild gibt ihrer Tätigkeit<br />

ja sozusagen ein Logo und vielleicht haben sie<br />

sich dadurch ja eher motiviert gefühlt, die EU zu<br />

vertreten, die sich ihnen sozusagen als doppelte<br />

Allegorie präsentierte – also Anspielung auf<br />

Courbets selbst schon allegorischen Unterleib<br />

„Ursprung der Welt“ und dann nochmals bekleidet<br />

als david-artige Allegorie Europas.<br />

Nikolic: Ich meine, die Art, wie Weiße in Nairobi<br />

nicht exotisch wirken, ist jene als UNO Mitarbeiter,<br />

als NGO Mitarbeiter oder als Sextourist. Also die<br />

weiße Frau in der EU-Unterhose steht dort noch für<br />

mehr.<br />

Zakravsky: Die Diplomaten vor der Unterhose waren<br />

westliche Vertreter in Afrika oder umgekehrt oder<br />

beides?<br />

Nikolic: Europäische und der russische Vertreter<br />

waren anwesend, wenn es schon so wichtig<br />

erscheint.<br />

Zakravsky: Weil ich mich nach der spezifi sch<br />

afrikanischen, wenn es sie gibt, Rezeption des<br />

Bildes frage. Kannst du abgesehen von diesem<br />

Beispiel noch andere Beispiele nennen, wie<br />

afrikanische Künstler auf europäische Kunst<br />

reagierten und umgekehrt?<br />

Nikolic: Grundsätzlich kann ich noch über eine<br />

Arbeit berichten, welche vor Ort entstand, die Arbeit<br />

„Vienna Voodoo“ von Lukas Pusch, die in einer<br />

Kollaboration mit lokalen Künstlern und mir eine<br />

besondere Dimension entwickeln konnte.<br />

Zakravsky: „Vienna Voodoo“ ist ja schon ein<br />

seltsam hybrider Titel, weil er das Wienerische<br />

sozusagen afrikanisiert und das durch einen<br />

synkretistischen Kult, der immer schon jenseits von<br />

Afrika stattfi ndet und besonders viele Projektionen<br />

bei Westlichen auslöst.<br />

Nikolic: Was wir vor Ort machten ist ja nur ein Teil<br />

dieser sich entwickelnden Serie oder Edition. In<br />

Nairobi verständigten wir uns darauf, Lukas bei<br />

seiner Performance zu unterstützen, und daraus<br />

ist ein gewisses Potenzial entstanden. Wenn ich<br />

sage „wir“, meine ich Hopkins, Mwelu, Otieno<br />

und mich. Lukas’ Idee war der Versuch, unsere<br />

Perspektiven, unsere verschiedenen Welten in<br />

einem Photo zu vereinigen. Den weißen Mann<br />

auf Inspektionsrundgang in seiner kolonialen<br />

Hinterlassenschaft. Der weiße Mann, neben<br />

schwarzen Prostituierten, neben AIDS Kranken,<br />

mittendrin in der Scheiße, statt nur dabei...<br />

Zakravsky: Das ist also eine Intervention und eine<br />

Provokation.<br />

Nikolic: Daraus hat sich jetzt eine angehende<br />

Kooperation entwickelt. Julius Mwelu und Fred<br />

Otieno leben im größten Slum von Nairobi, und<br />

dokumentieren seit einigen Jahren das Leben und<br />

Sterben ebendort. Mit<br />

einem Teil des Erlöses von<br />

Lukas’ „Vienna Voodoo<br />

Edition“ wollen wir ein<br />

Projekt unter dem Namen<br />

„Slum TV“ initiieren, wo<br />

wir Videokameras, einen<br />

Schnittcomputer und<br />

einen Projektor für unsere<br />

lokalen Partner erwerben<br />

wollen. Die sollen ihnen<br />

dazu dienen, so etwas wie<br />

ein monatliches lokales<br />

Nachrichtenformat zu<br />

produzieren, und in Mathare<br />

zu zeigen.<br />

Zakravsky: Was genau ist<br />

die Edition, ein Video, ein<br />

einzelnes Foto oder eine<br />

Fotoserie? Und wie wird es<br />

präsentiert?<br />

Nikolic: Es wird aus<br />

mehreren Medien<br />

bestehen. Lukas ist ja<br />

ein ausgezeichneter<br />

Landschaftsmaler, und eine<br />

Fotoserie wird sicher auch<br />

Teil seiner Edition sein.<br />

Gemeinsam planen wir dazu<br />

noch ein Büchlein und ein<br />

Video. Videonachrichten aus<br />

Mathare wird es hoffentlich<br />

ab Herbst/Winter 2006/07<br />

auch geben, im digitalen<br />

Archiv des CAMP Projektes.<br />

http://camp-project.eu<br />

13

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