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ST:A:R_11

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14 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch II - Arnulf Rainer<br />

Nr. <strong>11</strong>/2006<br />

A.R.: Ja, immer die Aufnahmsprüfung<br />

gemacht, den Betrieb ein bisschen gesehen<br />

und schon wieder weg, weil das habe ich<br />

nicht ausgehalten dort.<br />

T.R.: Also war sozusagen auch in der<br />

Angewandten eine Situation, die für Sie<br />

nicht befruchtend war, oder dieses ganze<br />

System.<br />

A.R.: Ja, ich habe schon meine ersten<br />

Schriftentwürfe gemacht dort, und der<br />

Dozent, der hat das überhaupt nicht verstanden<br />

und gewürdigt. Wenn der gewusst<br />

hätte, dass ich einmal eine Ausstellung im<br />

MAK habe, hätte er vielleicht die Ohren<br />

gespitzt. Und da habe ich gesagt: Wenn der<br />

kein Verständnis dafür hat, dann habe ich<br />

da nichts zu suchen, weil ich liefere mich<br />

solchen Sachen nicht aus.<br />

Übermalung, 1961, Öl auf Rolloleinwand, 96 x 58 cm<br />

T.R.: Also es war ein akademischer<br />

Manierismus, der dort geherrscht hat?<br />

A.R.: Nein, das war kein Manierismus, so<br />

kann man es nicht nennen. Es war so ein<br />

bisschen, wie halt in der Nachkriegszeit der<br />

ganze Betrieb war, so eine abgestandene<br />

Moderne.<br />

T.R.: Um in die Jetzt-Zeit zu gehen. Jetzt<br />

gibt es eine Strömung von, ich würde<br />

sagen, neofigurativer Malerei, das geht<br />

von Hubert Schmalix, Alex Katz bis zur<br />

Leipziger Schule, die sehr illustrativ ist.<br />

Wie sehen Sie diese Strömung, dieses neue<br />

Aufkommen des Figurativen?<br />

A.R.: Schauen Sie, die Vielfältigkeit in der<br />

Kunst hat wahnsinnig zugenommen. Es<br />

gibt keine dominierenden Strömungen<br />

mehr, und weil es etwa 100 Mal so viele Maler<br />

gibt als nach dem Krieg, müssen sie sich<br />

natürlich aufteilen. Der eine macht das, der<br />

andere macht das, und das wird dann sofort<br />

eine Strömung. Aber große Philosophie darf<br />

man daraus nicht machen. Das ist eine reine<br />

Stilrichtung. Der eine bevorzugt das, der<br />

andere das. Genauso wie es Sammler gibt,<br />

die etwas Bestimmtes bevorzugen, oder es<br />

gibt welche, die alles quer durch sammeln,<br />

das ist verschieden. Und Galerien gibt es<br />

auch, die alles quer durch machen. Ich habe<br />

gehört, die Figurativen verkaufen besser<br />

und leichter als die Nicht-Figurativen, und<br />

die technischen Medien-Künstler müssen<br />

hauptsächlich von Stipendien leben. Gut,<br />

so ist es halt, und das sind ja die äußeren<br />

Umstände.<br />

T.R.: Ich sehe es persönlich als redundant,<br />

dieses Neuaufflammen des<br />

Illustrativen, Figurativen, das teilweise ins<br />

Kabarettistische geht von den Motiven her.<br />

A.R.: Ja, sicher ist da Ironie dabei und ein<br />

bisschen absichtliche Willkür als Stil, ein<br />

bisschen trashig. Da gibt es die verschiedenen<br />

Stile, aber das darf man nicht als<br />

Hauptströmung der Zeit betrachten.<br />

T.R.: Wir sind jetzt in einem Pluralismus,<br />

wo die verschiedensten Dinge parallel passieren.<br />

Zurückkommend auf Ihre Arbeit:<br />

Woran arbeiten Sie aktuell?<br />

A.R.: Darüber kann ich<br />

nie sprechen, weil sonst<br />

ist es schon aus. Wenn<br />

ich darüber spreche,<br />

dann mag ich es schon<br />

nicht mehr machen.<br />

Verstehen Sie?<br />

T.R.: Es hätte mich<br />

brennend interessiert.<br />

A.R.: Das soll Sie ja<br />

auch brennend interessieren,<br />

aber eben weil<br />

es ein Geheimnis ist.<br />

T.R.: Dann reden wir<br />

über die letzten 5 Jahre.<br />

A.R.: Das hat ja immer<br />

noch mit den heutigen<br />

Sachen zu tun. Also,<br />

ich lasse niemand in<br />

mein Atelier, überhaupt<br />

nie, das ist grundsätzlich<br />

nicht möglich. Es<br />

haben sich schon viele<br />

geärgert oder vor den<br />

Kopf gestoßen gefühlt,<br />

oder auch Verkäufe<br />

haben nicht stattgefunden.<br />

Aber, schauen<br />

Sie, ich mag nicht über<br />

angefangene Bilder, die<br />

da herumstehen, reden,<br />

das ist mir peinlich.<br />

T.R.: Das Atelier ist<br />

sozusagen ein heiliger<br />

Gral.<br />

A.R.: Das ist kein heiliger Gral, sondern<br />

es ist wie in einem Restaurant, da können<br />

Sie auch nicht immer in der Küche herumschnüffeln.<br />

Das ist nicht heilig, sondern<br />

das stört einfach die Arbeit.<br />

T.R.: Nach den Arbeiten, die fast vollständige<br />

Übermalungen waren, großteils in<br />

Schwarz, die einen radikalen Punkt definierten,<br />

hat es wieder eine Entwicklung<br />

gegeben, wo das Bild offener geworden ist.<br />

Hat dieser Moment der fast vollständigen<br />

Übermalung einen Endpunkt fixiert, wo es<br />

eigentlich nicht mehr weiter gegangen ist?<br />

A.R.: Natürlich ja, in gewissem Sinn schon.<br />

Ja, Schwarz in Schwarz, mehr können Sie<br />

nicht machen. Nur ich komme auch immer<br />

wieder oft darauf zurück. Es reißt mich wieder<br />

ins Schwarz hinein, das kann ohne weiteres<br />

sein, oder in eine andere Farbe.<br />

T.R.: Das ist sozusagen eine Konstanz, die<br />

sich quer durch das Werk zieht.<br />

A.R.: Ja, aber auch durch den Kontrast des<br />

Gegenteiligen.<br />

T.R.: Es gibt in Ihrem Oeuvre auch ein<br />

druckgrafisches Werk.<br />

A.R.: Ja, das druckgrafische Werk hat eine<br />

größere Bedeutung für mich als für andere<br />

Künstler, aber nicht die Lithografie, sondern<br />

nur die Radierung.<br />

T.R.: In der Radierung gibt es Werke<br />

bei Ihnen, die sich in verschiedene<br />

Arbeitszyklen einteilen, wo verschiedene<br />

Stadien definiert sind.<br />

A.R.: Also man kann auf einer druckgrafischen<br />

Platte etwas machen, und dann kann<br />

man wieder darüber arbeiten. Das hat diesen<br />

Vorteil - das ewige Überarbeiten, dass<br />

die jeweiligen Zustände sozusagen dokumentierbar<br />

sind durch die Drucke.<br />

T.R.: Aber sind die Zwischenergebnisse<br />

auch als Bild definiert.<br />

A.R.: Ja, sicher sind sie definiert. Es muss<br />

sich aber auch derjenige, der es auf der<br />

Wand hat, bewusst sein, dass es ein zweites<br />

Stadium gibt oder ein Stadium, das<br />

vorher war, und ein Stadium, das nachher<br />

kommt. Das muss ihn in dauernde Unruhe<br />

versetzen. Wie hat das vorher ausgeschaut,<br />

wie sieht das nachher aus? Deswegen kaufen<br />

die Leute bei mir nie eine Druckgrafik,<br />

sondern sie haben dann die Lebensaufgabe,<br />

dass sie den Vorzuständen und den späteren<br />

Zuständen nachjagen.<br />

T.R.: Das folgt eigentlich einer ähnlichen<br />

Struktur wie bei den Übermalungen, wo es<br />

um ein prozessorientiertes Werk geht.<br />

A.R.: Ja, das ist ein Prozess, orientiert ist es<br />

nicht, aber ein Prozess.<br />

T.R.: Über die aktuellen Arbeiten, gelingt<br />

es mir ja nicht, etwas zu erfahren. Gibt es<br />

in der nächsten Zeit, also 2007, größere<br />

Ausstellungsprojekte?<br />

A.R.: Es gibt heuer noch ein<br />

Ausstellungsprojekt im Burda Museum<br />

in Baden-Baden. Das nächste ist in 2<br />

Wochen in Saragossa, da habe ich den<br />

großen Goya-Preis gewonnen, da findet<br />

auch eine Ausstellung statt. Dann gibt es<br />

in Innsbruck etwas einer Kunsthalle der<br />

Raika, glaube ich. Ja, es ist dauernd was<br />

los, und das Wichtigste ist wahrscheinlich<br />

das Rainer-Museum, das in meinem<br />

Geburtsort Baden entstehen soll. Mitten im<br />

Zentrum steht das sogenannte Frauenbad,<br />

ein klassizistischer Tempel, da haben nur<br />

Frauen baden dürfen, und das habe ich mir<br />

ausgesucht als Rainer-Museum. Aber geboren<br />

bin ich nicht im Frauenbad selbst, sondern<br />

einige Gebäude weiter hat die Kaiserin<br />

Zita damals eine Entbindungsstation für<br />

Künstler errichtet, es war am Ende des 19.<br />

Jahrhunderts, und dort bin ich geboren.<br />

Aber das Gebäude ist, glaube ich, abgerissen,<br />

das gibt es nicht mehr. Deswegen wird<br />

es in diesem klassizistischen Tempel ein<br />

Rainer-Museum geben. Das ist das wichtigste<br />

Projekt, und da wird schon dauernd verhandelt<br />

und es werden Verträge gemacht<br />

und so weiter.<br />

T.R.: Wann ist geplant, dass es eröffnet<br />

wird?<br />

A.R.: Die Verträge sind schon gemacht,<br />

aber das Gebäude muss umgebaut werden.<br />

Ich schätze, dass es in etwa einem<br />

Jahr eröffnet wird. Es ist aber nicht so, dass<br />

sie die Bilder ankaufen, sondern sie leihen<br />

sich jedes Jahr eine neue Serie aus, die dort<br />

dann ein Jahr hängt. Dadurch soll auch der<br />

ganze Fremdenverkehr von Baden einen<br />

ganz neuen Schwung kriegen, und das sind<br />

scheinbar auch die Überlegungen dieser<br />

Gemeinde. Auf jeden Fall eine kunstfreudige<br />

Stadt, die sich darauf beruft, dass große<br />

Künstler dort geboren wurden.<br />

T.R.: Jetzt sind Ihre Lebensorte einerseits<br />

hier im oberösterreichischem Sauwald und<br />

andererseits in Teneriffa. Hier im Sauwald,<br />

der zum Innviertel gehört, ist ein zurückgezogener<br />

Ort, den Sie schon sehr lange<br />

als Ihren Hauptwohnsitz gewählt haben.<br />

Ist das hier ein Rückzugsort und auch ein<br />

Kraftort für Sie?<br />

A.R.: Ein Kraftort ist es nicht. Es ist zwar<br />

ein Granitort, und man muss viel Kraft<br />

haben, dass man die Steine aufhebt.<br />

Eine harte Arbeit, starke Personen diese<br />

Granitbehauer. Schauen Sie, man wird<br />

immer abgelenkt, herausgerissen aus seiner<br />

Arbeit, und jetzt habe ich mir gedacht:<br />

Jetzt setze ich mich dorthin an diesen Ort,<br />

den finden die Wiener nicht so leicht.<br />

T.R.: Verstehe, das ist ein gutes Argument.<br />

A.R.: Jetzt hat sich aber herausgestellt, dass<br />

durch die modernen Ortungssysteme, das<br />

Navigationssystem, die Leute mich finden.<br />

Die geben Atelier Rainer ein, und dann werden<br />

sie da hergeführt, aber erst in der letzten<br />

Zeit. Jetzt mache ich das meistens so,<br />

dass ich mich als mein eigener Hausknecht<br />

verkleide und immer mit einer Mistgabel in<br />

der Hand. Unvorbereitete Besuche werden<br />

nur vom Hausknecht empfangen und weitergeschickt,<br />

oder sie müssen etwas arbeiten,<br />

zum Beispiel die Äpfel auflesen, oder<br />

die Bäume gehören gepflegt und gestutzt.<br />

Sie sollten eine Baumschere und eine Säge<br />

mitbringen, anders geht es nicht.<br />

T.R.: Also der Ort der Stille ist schon entdeckt<br />

worden. Und Ihr Winterwohnsitz ist<br />

Teneriffa geworden.<br />

A.R.: Mir ist es hier zu kalt. Wir haben ja 10<br />

Grad weniger als in Wien. Die Kälte setzt<br />

einem zu. Jetzt gehe ich im Winter, wenn<br />

es kalt wird, nach Teneriffa.<br />

T.R.: Inspiriert Sie die Landschaft dort, dieses<br />

Vulkangebiet.<br />

A.R.: Ja sicher, das Vulkangebiet, das<br />

inspiriert, ich habe auch eine Serie darüber<br />

gemacht, und ich habe gerade eine<br />

Ausstellung jetzt auf der Nachbarinsel Gran<br />

Canaria mit diesen Arbeiten.<br />

T.R.: Sind das Malereien oder<br />

Fotoarbeiten?<br />

A.R.: Das sind Fotoarbeiten, ich arbeite jetzt<br />

sehr viel mit Foto und Fotoüberarbeitung,<br />

nicht reine Fotos, sondern Fotoüberarbeitungen.<br />

Ich habe sozusagen die Fotografie<br />

dort unten für mich entdeckt, aber was<br />

ich mache, ist nicht Fotografie, wie sie die<br />

Berufsfotografen machen, sondern die so<br />

genannte Parafotografie, da wird mit Licht<br />

und mit Farbe gestaltet. Dadurch dass man<br />

verschiedene Farblinsen, Farbfolien und<br />

so weiter vor die Kamera hält, kommen<br />

lauter unwirkliche Farben hinein. Das<br />

schaut dann nicht so aus wie die ganzen so<br />

genannten Fotografen fotografieren.<br />

T.R.: Es ist ein Abstraktionsgrad.<br />

A.R.: Es ist so, wie ich male, es schaut aus,<br />

so wie ich male. Ich kann auch gegen das<br />

Licht, gegen die Sonne fotografieren. Alle<br />

Sünden, die die Fotografen peinlichst vermeiden<br />

wollen, das sind meine Stärken<br />

geworden.<br />

T.R.: Ist das ein neues Medium für Sie<br />

geworden, und wann ist das Interesse daran<br />

entstanden?<br />

A.R.: Seit 3, 4 Jahren ist das ein neues Medium<br />

für mich, aber ich habe immer schon in<br />

Kombination mit Malerei und Fotografie,<br />

auch durch diese Selbstdarstellungen, ausgiebig<br />

gearbeitet und die überarbeiteten<br />

Fotografien gemacht. Und jetzt stehe ich<br />

hinter der Kamera und nicht davor, und<br />

das ist mein neues Medium. Außerdem<br />

gehe ich schon fast gegen die 80 zu, und<br />

man muss sich in diesem Alter vorbereiten<br />

auf den Rollstuhl, muss sich der Künstler<br />

vorbereiten auf den Rollstuhl. Der schöpferische<br />

Impuls lässt ja nicht nach, auch<br />

wenn man im Rollstuhl sitzt. Jetzt muss<br />

man eine Technik entwickeln, wie man im<br />

Rollstuhl arbeiten kann. Wie es der Matisse<br />

gemacht hat, vom Bett aus zu malen, mag<br />

ich es nicht machen. Und da gibt es eben

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