ST:A:R_11
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102 Nr. <strong>11</strong>/2006<br />
Buch XIII - Auto <strong>ST</strong>/A/R<br />
<strong>ST</strong>/A/R<br />
Daimler-Benz McLaren Edition 722<br />
Daheim bei Dennis<br />
In seinem PARAGON, einer Denk-, Test- und Autofabrik auf allerhöchstem Standard,<br />
sorgt Mc-Laren-Chef Ron Dennis für HiTech und saubere Schreibtische.<br />
Mensch sieht immer Proportionen,<br />
auch wenn er es nicht weiß”, sagt<br />
“Der<br />
Ron Dennis, der Eigentümer und<br />
Geschäftsführer von McLaren. Er steht vor einer<br />
auf Himmel, Wiese und Wasseranlage reduzierten<br />
Ideallandschaft, die sich außerhalb der imposanten<br />
Glasfassade befindet und von einer Zufahrtsstraße namens<br />
Ron’s Drive durchmessen wird. Wir befinden uns auf<br />
dem sogenannten Boulevard, der diesen geschwungenen<br />
Weg im Inneren des skelettierten Gebäudes fortsetzt und<br />
zugleich eine Hall of Fame offenbart. Hier stehen einige<br />
der erfolgreichsten CanAm- und Formel1-Renngeräte,<br />
genealogisch zurückreichend bis zu Bruce McLarens<br />
erstem Rennfahrzeug, auf dem der Australier bereits mit<br />
fünfzehn Jahren seine ersten Rennen fuhr.<br />
Zurück zu Ron Dennis. Mit großer finanzieller<br />
Anteilnahme von Mercedes hat er hier in Woking (etwa<br />
eine Chauffeurstunde vom Londoner Zentrum entfernt)<br />
von Norman Foster eine Denk- und HiTech-Fabrik<br />
errichten lassen, die bereits architektonisch das Programm<br />
vorgibt. Das Paragon genannte Gebäude ist nur elf Meter<br />
hoch, aber achtzehn Fingertrakte sorgen für gleichmäßige<br />
Lichtaufnahme. Die gesamte Anlage ist künstlich oder<br />
natürlich taghell, im Zweifel weiß, nur die durchwegs<br />
schlanken Menschen heben sich schwarzgekleidet ab. Alles<br />
ist clean, auf geradezu absurde Weise aufgeräumt, wie für<br />
einen James-Bond-Dreh vorbereitet. Jeder schreibtisch hat<br />
Direktzugang zum Müllschlucker. Angeblich macht Ron<br />
Dennis selber die Schließrunde und schmeißt alles ins<br />
Loch, was liegen geblieben ist.<br />
Nur eine kleine Zelle ist dem Bösen zugeeignet: Wie im<br />
Purgatorium stehen blaßgrün beleuchtete Menschen auf<br />
engstem Raum hinter Glas versperrt, schecklicher Qualm<br />
umhüllt sie, ihre Mundwinkel glühen bei jedem Atemzug:<br />
Raucher. Der diskrete Besucher tut, als hätte man nichts<br />
gesehen.<br />
Die erwähnten Proportionen der flachen, schwungvoll<br />
dahinstrebenden Glas- und Stahlkonstruktion gehen<br />
übrigens vom Maß 1,8 Meter aus, das entspricht der<br />
Länge einer japanischen Tatami-Matte. Alle wesentlichen<br />
Elemente strukturieren sich nach diesem Maß. “No<br />
single thing will jump out on you. That’s partly where the<br />
elegance of the building lies”.<br />
*<br />
Umso deutlicher springt hervor, weshalb wir diesmal<br />
hier eingeladen sind: Der neue Mercedes-Benz SLR<br />
McLaren 722 Edition, ein Evolutionsmodell des vor zwei<br />
Jahren präsentierten Supersportcoupés. Er lauert hier<br />
mit hochgespannter Einstiegstür auf einer Drehscheibe,<br />
während Drinks uns Canapeés gereicht werden.<br />
Der SLR entsteht in Woking unter der Verwendung von<br />
Highend-Komponenten, die bei DaimlerChrysler und<br />
McLaren hergestellt werden: Der 5,5-Liter V8 stammt von<br />
AMG aus Affalterbach, wo er nach dem Grundsatz “One<br />
man one engine” hergestellt wird.<br />
Die Rohkarosserie aus Kohlefaser und<br />
Glasfaserkunststoffen wird bei McLaren Composites in<br />
Portsmouth (Südengland) gebacken. Lackiert und montiert<br />
wird hier in Woking, der Wagen wird buchstäblich mit der<br />
Hand gebaut.<br />
Die Edition 722 ist um geringes stärker ausgelegt,<br />
modellstrategische 26 PS, die den Wert auf jetzt 650<br />
steigern. Die auf 150 Stück limitierte Kleinserie hat ein<br />
dynamischeres Fahrwerk, verbesserte Aerodynamik und<br />
betont sportliche Innenausstattung. Sie ist mit historischer<br />
Konnotation aufgeladen: 7:22 war die Startzeit des<br />
legendären Siegerteams Moss/Jenkinson bei der Mille<br />
Miglia 1955, die sie auf einem Mercedes-Benz 300 SLR<br />
bestritten.<br />
Dieser Namensverpflichtung begegnet man mit Werten<br />
wie 337 km/h Höchstgeschwindigkeit (SLR: 334 km/h) oder<br />
0-100 in 3,6 Sekunden (SLR: 3,8). Erstaunlich, was 26 PS<br />
noch ausrichten können.<br />
Wie ernst man Eventualitäten wie die neue<br />
Fahrwerksabstimmung nimmt, zeigt ein kurzer Blick<br />
ins Allerheiligste: auf einer computergesteuerten<br />
Stempelanlage durchläuft gerade ein Formel1-Chassis die<br />
virtuelle Monza-Strecke. Die Versuchsanordnung erinnert<br />
an einen Boxring. Jedesmal, wenn die virtuellen Curbs<br />
überfahren werden, geht ein massiver Schlag durch den<br />
Wagen. Straffere Federraten und Stoßdämpferkennungen<br />
„Umso deutlicher springt<br />
hervor, weshalb wir diesmal<br />
hier eingeladen sind...<br />
sogen für erhöhte Fahrstabilität. Um zwanzig Prozent<br />
verringerte Wankbewegungen zusammen mit<br />
neuen 19-Zoll-Alu-Schmiede-Rädern ermöglichen<br />
höhere Kurvengeschwindigkeiten. Auch die Bremsen<br />
konnten durch den größeren Durchmesser verstärkt<br />
werden. Die Keramik-Brembos erreichen dramatische<br />
Verzögerungswerte in der 34-Meter-Liga (aus Tempo 100).<br />
Im hauseigenen Windkanal, der Tornados über ein<br />
rasendes Stahlband schickt (in der F1 sind die freistehend<br />
drehenden Räder ein enormer Messfaktor) wurden<br />
Downforce erhöht und cW-Wert gesenkt. Eine markante<br />
Spoilerlippe in der Bugkante (Airsplitter) sorgt für besseren<br />
Airflow, wozu natürlich der völlig glatte Unterboden