ST:A:R_11
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64 Nr. <strong>11</strong>/2006<br />
Buch VIII - Galerie Brunnhofer<br />
<strong>ST</strong>/A/R<br />
Anton Petz<br />
„Demo”, Öl auf Leinwand 240 x 205 cm<br />
Die Genauigkeit malerischer Unschärfe<br />
Zur Malerei von Anton Petz als Gegenentwurf zur TV-Realität<br />
In einer Wirklichkeit, in der die Suche nach dem eigenen Standort im Hagel massenmedial vermittelter<br />
Bilder und Botschaften, problematisch und schwierig geworden ist, stellt sich auch für den bildenden<br />
Künstler die Frage nach dem realistischen Bild neu. Die klassische Position der Moderne, eine Gegenwelt<br />
zur gesellschaftlichen Realität aufzubauen, funktioniert in ihrer reinen Oppositionshaltung nicht mehr. Die<br />
Frage nach dem Darstellungsgegenstand und die Umsetzung mit bildlichen Mitteln muss neu angegangen<br />
werden. Wenn die Wahrnehmung und das Bewusstsein von Wirklichkeit massgeblich von der Dominanz<br />
massenmedialer Bilder geprägt sind, dann liegt es nahe, den Prozess des Bildermachens selbst, die Frage<br />
nach dem Realismusgehalt von Bildern ins Zentrum künstlerischer Aufmerksamkeit zu rücken.<br />
Die Herausforderung liegt darin, das vorhandene Material der Wirklichkeit, all diese Bilder, die uns täglich<br />
ins Wohnzimmer gebracht werden, und all diese vermeintlichen Fakten und Nachrichten, die uns täglich ein<br />
Gefühl der Informiertheit suggerieren, direkt in die Kunst einfließen zu lassen. Durch den künstlerischen<br />
Zugriff darauf wird es transparent, und somit zur Reflexion geeignet und porös gemacht.<br />
Anton Petz konzentriert sich dabei auf die Bedeutung und Wirkung von massenmedial, vor allem durch<br />
das Fernsehen verbreiteter Bilder, und er verfolgt damit eine der wichtigsten Bedingungen unserer<br />
Realitätswahrnehmung.<br />
Im Zentrum seiner Bestandsaufnahme stehen verschiedene Darstellungen von Menschenmengen. Es<br />
geht dabei nicht um konkrete Ereignisse in der Weltgeschichte oder um politisch nachvollziehbare und<br />
einzuordnende Vorgänge und Zusammenhänge, aber jeder Betrachter, der jene Arbeiten von Anton<br />
Petz sieht, wird unweigerlich an Nachrichtenbilder des UN-Sicherheitsrates, der Börse, an Bilder von<br />
Großdemonstrationen oder an Aufnahmen überfüllter Flüchtlingsschiffe erinnert. Die gemalten Bilder<br />
beabsichtigen keine nähere Kennzeichnung der Einzelpersonen. Die gestisch und schnell gesetzten<br />
Pinselstriche erschaffen eine farbmächtige Welt aus Waagrechten, Senkrechten und Diagonalen, aus<br />
vereinzelt runden und kreisförmigen Elementen, die mit beeindruckendem Schwung zielsicher und<br />
ganzflächig gesetzt sind. Geht man nahe an die Leinwand heran, lässt sich kein mimetisches Abbild mehr<br />
finden, der Betrachter befindet sich in einem Farb- und Formenraum, der die Wahrnehmung vollständig<br />
umgreift. Tritt er aber zurück von der Leinwand, so setzt der Wiedererkennungseffekt dieser uns zwar<br />
vertraut anmutenden Bilder ein, deren Farben und formale Gestaltung jedoch deutlich von der Überschärfe<br />
des gepixelten Fernsehbildes abweichen.<br />
Kompositorisch variiert Anton Petz bei seinen großformatigen Leinwandbildern zwischen zwei<br />
Herangehensweisen. Die erste Herangehensweise besteht darin, eine raumgreifende und ganzflächige, an<br />
das All-over eines Jackson Pollock erinnernde Ausgestaltung der Leinwand vorzunehmen, wie zum Beispiel<br />
bei dem Bild „große Demo“. Aus der Menschenschar, die von verborgenen Verursachern in einen Rhythmus<br />
versetzten wurde, ragen die hochgehaltenen Plakate, Fahnen und Demostrationstransparente wie Akzente<br />
heraus. Darauf sind jedoch keinerlei Schriftzeichen zu entziffern, geschweige denn zu lesen: Das Zeigen<br />
wird thematisiert, nicht der Inhalt. Ähnliches kann beim Bild „Börse I“ auch festgestellt werden, wo Monitore<br />
und von den Menschen in den Händen gehaltene Papiere die Informationsträger darstellen. Aber auch hier<br />
wird die Information lediglich behauptet und nicht tatsächlich vermittelt. Eine vergleichbare Funktion haben<br />
die Schriftstücke im Bild „UN-Sicherheitsrat“.<br />
Die zweite Herangehensweise besteht darin, dass Anton Petz ein Bildzentrum<br />
vorgibt, um welches sich die Menschen gruppieren, dies ist z. B. der Fall bei der<br />
Arbeit „Brunnen“, oder er bildet ein fokussierendes Zentrum, in welchem die<br />
Menschen sich befinden, wie bei der Arbeit „Boatpeople“. Das gemeinschaftliche<br />
Agieren der Massen ist das Thema, kompositorisch und malerisch auf<br />
beeindruckende und überwältigende Weise gelöst. Dabei bleibt das Bezugssystem<br />
immer das Verhältnis von Gesellschaft und Einzelindividuum, das sich formal<br />
zum Beispiel in dem Bild „Brunnen“ durch die Wiederaufnahme der Kreisform<br />
des großen Brunnens in den zahlreichen kleinen Kreisen der Wassergefäße der<br />
Wartenden spiegelt.<br />
Der Raum, den Anton Petz erzeugt, ist nicht statisch, sondern aktiv. Dies ist wenig<br />
überraschend bei den Naturlandschaften, aber um so ungewöhnlicher bei den<br />
Innenräumen, deren Architektur wie bei einem futuristischen Bild ein dynamisches<br />
Eigenleben zu entwickeln scheint. So hat der Betrachter zum Beispiel bei dem Bild<br />
„Börse I“ den Eindruck nach innen stürzender, kippender Monitorwände oder bei<br />
„UN-Sicherheitsrat“ evoziert der runde Tisch eine heftige Kreisbewegung, die wie eine<br />
zentrifugale Kraft direkt auf die im Bild gruppierten Menschen einwirkt. Konzentration<br />
und Diffusion halten sich dabei das Gleichgewicht. Es entsteht ein klar gegliedertes<br />
Kompositionsgerüst, gegen das der gestische Pinselstrich Schläge auszuteilen scheint.<br />
Diese rufen jedoch faktisch die rhythmisierte Struktur und Komposition der Bilder<br />
erst hervor. Die Energie schlägt zwischen der nervösen Einzelbewegung und dem<br />
Eindruck eines ganzflächigen Bildes hin und her. Die Bildidee wird bei Anton Petz<br />
mit der Bildstruktur in eine stimmige Deckung gebracht und die Eigendynamik des<br />
gesamten Bildkonstruktes somit thematisiert. Ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken<br />
daher die die Bilder bestimmenden Kräfte, denen nicht nur die gemalten Bildsubjekte,<br />
sondern auch wir als Betrachter ausgeliefert sind.<br />
Judith Bader / Städtische Galerie Traunstein<br />
Biographie<br />
1962 geboren in Graz, lebt in München<br />
1981-87 Studium an der Akademie der Bildenden Künste, Wien<br />
1987 Würdigungspreis des Bundesministeriums<br />
Akademiefreundepreis<br />
Auslandsstipendium Madrid<br />
1993 - 97 Gastprofessor , Akademie der Bildenden Künste, Wien<br />
1996 Anerkennungspreis, Bauholding Kunstpreis für Malerei,<br />
Klagenfurt<br />
1997 Plakatgestaltung, „Große Kunstausstellung“,<br />
Haus der Kunst München<br />
seit 2001 Mitglied des Beirats, Kunstverein Rosenheim<br />
www.brunnhofer.at/galerie