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ST:A:R_23

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Nr. <strong>23</strong>/2009 Buch VI - Vasko + Partner<br />

43<br />

Wiener Dachgeschoßausbau<br />

Neuen Wohnraum dort zu schaffen, wo gewachsene<br />

Infrastruktur, öffentlicher Verkehr, Kultur-<br />

und Bildungseinrichtungen, etc. bereits<br />

vorhanden sind, ist nicht nur sehr gefragt son-dern<br />

auch im Sinne einer funktionierenden Stadt der kurzen<br />

Wege energieeffizient und um-weltschonend.<br />

Wie kaum eine andere Metropole, hat Wien mit seiner<br />

alten Gründerzeitbebauung und den vielen noch unausgebauten<br />

Dachböden ein großes Potential, genau<br />

solch attraktiven Wohn-raum bereitzustellen.<br />

Ein neuer EU-weit eingeführter Stand der Technik<br />

hinsichtlich Erdbebensicherheit bietet je-doch schon<br />

seit längerer Zeit immer wieder Zündstoff für mitunter<br />

hitzige Diskussionen unter Planern, Wissenschaft<br />

und Behörde.<br />

In Österreich wurden nun sämtliche alten und gewohnten<br />

Ö-Normen zurückgezogen und durch die für<br />

die Tragwerksplanung eines Neubaus zugrundezulegenden<br />

Eurocodes ersetzt.<br />

Der Eurocode 8, Teil 3 behandelt die Beurteilung und<br />

Ertüchtigung von bestehenden Ge-bäuden unter Erdbebeneinwirkung.<br />

Gegenüber alten Normen (bis etwa<br />

Mitte der 90er Jahre gültig) hat sich aufgrund des Ansatzes<br />

geringerer Versagenswahrscheinlichkeiten die<br />

norm-gemäße Erdbebenbeanspruchung in etwa vervierfacht.<br />

Wie man nun im Falle von geplanten Umbauten vorzugehen<br />

hat, ist in Wien zusätzlich in einem Merkblatt<br />

zusammengefasst. Hier wird in wesentliche und<br />

unwesentliche Abänderun-gen der bestehenden Substanz<br />

unterschieden, wobei hier eher die Grenzen<br />

durch geometri-sche Festlegungen (Nutzflächen, DG-<br />

Volumen,...) dominieren. Ist eine Umbaumaßnahme<br />

als wesentlich zu beurteilen, so muss das Gebäude<br />

nach dem Eingriff die Qualität eines Neubaus haben.<br />

Bei unwesentlichen Änderungen darf das bestehende<br />

Tragwerk zumindest nicht verschlech-tert werden.<br />

In seismischer Hinsicht wird ein Tragwerk sicher dann<br />

nicht schlechter, wenn die in Schwin-gung versetzte<br />

Masse die einzelnen Bauteile nicht früher kollabieren<br />

lässt, als es vor dem Eingriff der Fall gewesen wäre.<br />

Dies kann bedeuten:<br />

1. die Gesamtmasse darf nach dem Umbau nicht größer<br />

und der resultierende Mas-senmittelpunkt (Angriffspunkt<br />

der resultierenden Erdbebenkraft) nicht<br />

höher liegen.<br />

2. die Masse wird größer und/oder der Angriffspunkt<br />

verschiebt sich hinauf, aber die in-neren Kräfte werden<br />

durch bauliche Maßnahmen (z.B. schubsteife Ausbildung<br />

der obersten Geschoßdecke) umverteilt, sodass<br />

Bauteile die überbeansprucht sind, ent-lastet werden.<br />

3. die Gesamtmasse wird reduziert, der Angriffspunkt<br />

wird aber ungünstiger. Das Mo-ment um die Erdgeschoßfuge<br />

darf sich dann nicht erhöhen.<br />

Da man bei den in Frage kommenden Gebäudetypen<br />

stets davon ausgehen kann, dass die aus der Norm ermittelte<br />

Erdbebenbeanspruchung ein Maximum ist<br />

(Plateaubereich im Ant-wortspektrum) ist eine Untersuchung<br />

des Antwortverhaltens (Eigenfrequenzermittlung)<br />

i.a. nicht notwendig.<br />

Für regelmäßige, typische Wiener Gründerzeithäuser<br />

mit Holzbalkendecken lässt sich ein DG-Ausbau<br />

in Leichtbauweise (=unwesentliche Änderung) relativ<br />

einfach nachweisen („720kg-Regel“). Das Problem:<br />

so ein typisches Haus gibt es nur selten! Mal sind es<br />

Kriegs-schäden, die den Einbau von Betondecken notwendig<br />

machten, mal ist es ein Eckhaus, mal fehlen<br />

sämtliche Zwischenwände und mal handelt es sich<br />

überhaupt um ein Haus aus den 60er Jahren.<br />

Um hier aber trotzdem einen DG-Ausbau in Leichtbauweise<br />

planen zu können, kann man sich mit einer<br />

Kapazitätsuntersuchung behelfen.<br />

Der Bestand darf bekanntlich nicht verschlechtert werden,<br />

d.h. das Haus darf gegenüber einer Erdbebenbeanspruchung<br />

nicht früher kollabieren, als vor dem<br />

Ausbau.<br />

Berechnet man also „wie viel Erdbeben“ das Gebäude<br />

vor dem Eingriff aushält und gelingt ein Nachweis,<br />

dass auch nach einem DG-Ausbau das Haus mindestens<br />

gleich viel Erdbe-benbeanspruchung übersteht,<br />

(wie oben beschrieben z.B. durch Massenreduktion<br />

aufgrund Abbruch alter Kamine, oder durch gezielte<br />

Verstärkung von einzelnen Bauteilen,...) dann hat<br />

man den Zustand eines Gebäudes zumindest nicht<br />

verschlechtert.<br />

Es sei aber hier besonders darauf hingewiesen, dass ein<br />

Haus auch schon in derart schlech-tem Zustand sein<br />

kann, dass es nicht einmal die normgemäße Windlast<br />

gesichert abtragen kann. Hier wäre dann von jeglichen<br />

Um- und Ausbaumaßnahmen zunächst Abstand zu<br />

nehmen und zuvor eine Ertüchtigung des gesamten<br />

Gebäudes vorzunehmen.<br />

1. Ebene, Herstellung einer neuen tragsicheren<br />

Deckenkonstruktion<br />

Einbau des Trägerrost für die neue, schubsteife Decke<br />

Herstellung des biegesteifen Rahmentragwerkes<br />

Einbau des Trägerrost für die neue, schubsteife Decke<br />

Fazit:<br />

DG-Ausbauten sind in Wien immer noch möglich, nur sollte man sich vorher gut ansehen auf welchen Bestand man das Penthouse setzen möchte. Denn auch ein technisch<br />

„alle Stü-ckeln spielendes“ Domizil mit Fernblick, gebaut mit modernsten Baustoffen, macht sich auf einem alten Vorstadt-Zinshaus, an dessen Mauerwerk nur<br />

allzu sehr der Zahn der Zeit nagte und das eventuell schon mehrere Umbauten erleiden musste, nicht immer sonderlich gut. Eine vorhergehende, genaue Bestandsuntersuchung<br />

muss Grundlage und Ausgangsbasis für weitere Überlegungen sein.<br />

Nichtsdestotrotz sollte man aber auch nicht davor zurückschrecken, DG-Ausbauten weiter zu forcieren. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass sie die Bestandsicherheit im<br />

Allgemeinen nicht nur nicht verschlechtern, sondern aufgrund der Durchleuchtung des gesamten Objekts oftmals deutlich verbessern.<br />

Alexander Krakora,<br />

Projektleiter

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