4. März 2018
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- Vom IS verfolgt: Erfolg in Graz bringt Familie in Terrorgefahr
- Aktionstag: Frauen feiern 100 Jahre Wahlrecht
- Olympia 2026: Graz bietet sich dem IOC an
- Taxistand in der Schmiedgasse muss weichen
- NH: Neues Hotel beim Pfauengarten
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<strong>4.</strong> MÄRZ <strong>2018</strong> www.grazer.at<br />
graz 5<br />
➜<br />
TOP<br />
THINKSTOCK, BMI<br />
Graz ist Job-Europameister<br />
Ein EU-weiter Vergleich zeigt: In<br />
Graz ist die Zufriedenheit der Arbeitnehmer<br />
mit ihren Jobs am höchsten.<br />
Bluttaten im Familienkreis<br />
Schockierend: Nach einem Familiendrama<br />
mit zwei Toten in der Vorwoche tötete nun<br />
nahe Graz ein Mann seine Großmutter.<br />
FLOP<br />
➜<br />
Jahren mit Bruder vereint<br />
FLUCHT. Iraker flüchtete<br />
vor IS-Verfolgung<br />
in seiner Heimat, traf in<br />
Graz nach 22 Jahren seinen<br />
Bruder wieder und<br />
fühlt sich „daheim“.<br />
Von Philipp Braunegger<br />
redaktion@grazer.at<br />
Wenn man in die Küche<br />
des neuen „Asia<br />
Minimarkt“ in der Albert-Schweitzer-Gasse<br />
schaut<br />
und Koch Mohammed Karim<br />
gut gelaunt bei der Arbeit sieht,<br />
ahnt man nicht, was der 30-Jährige<br />
durchgemacht hat, um<br />
jetzt in Graz einem sicheren Leben<br />
nachgehen zu können und<br />
gleichzeitig nach 22 Jahren mit<br />
seinem Bruder wieder vereint zu<br />
sein. Mohammed wurde im Irak<br />
verfolgt, Mitglieder des Islamischen<br />
Staates (IS) bzw. weitere<br />
kriminelle Banden bedrohten<br />
ihn mit Entführung. „Es bestand<br />
jeden Tag die Gefahr, dass ich<br />
morgens aus dem Haus gehe und<br />
nicht mehr heimkomme“, erzählt<br />
er. „Gewisse Leute wussten, dass<br />
bei seinem Bruder in Graz was zu<br />
holen sein könnte, wenn man ihn<br />
entführt und für seine Befreiung<br />
Lösegeld verlangt“, sagt Mohammeds<br />
Bruder Jusuf Aubed, der<br />
Besitzer des „Asia Minimarkt“,<br />
der mit eigenem (in den letzten<br />
Jahren immer größer wachsendem)<br />
Betrieb, eigenem Haus etc.<br />
als gemachter Mann gilt. „Auch<br />
im Irak bekommen die Leute<br />
Wind von solchen Infos.“<br />
„Ihr Bruder ist hier“<br />
Mohammed flüchtete schließlich,<br />
kam vor nicht allzu langer<br />
Zeit mit Hilfe von Schleppern<br />
über die Türkei-Balkan-Route<br />
nach Österreich und landete in<br />
Graz. „Dann hat mich die Polizei<br />
vom Hauptbahnhof angerufen,<br />
es sei jemand da, der behauptet,<br />
mein Bruder zu sein, hieß es.“ Jusuf<br />
holte Mohammed ab, es war<br />
tatsächlich sein Bruder, den er<br />
seit 22 Jahren nicht mehr gesehen<br />
hatte „und zu dem ich auch<br />
null Kontakt hatte“, so Jusuf. „Unsere<br />
Eltern hatten sich scheiden<br />
lassen, als ich selbst den Irak als<br />
Kind 1995 verlassen hab. Meine<br />
Mutter blieb mit Mohammed im<br />
Irak, ich kam mit meinem Vater<br />
nach Österreich – es war so, dass<br />
jeder Elternteil mit einem Sohn<br />
ein Team war, das mit dem anderen<br />
aber nichts zu tun hatte, weil<br />
die Eltern komplett zerstritten<br />
waren. Nachdem mein Vater vor<br />
einigen Jahren nach Deutschland<br />
ging, war ich allein in Österreich“,<br />
erzählt Jusuf. Er schuf<br />
sich eine Existenz als erfolgreicher<br />
Geschäftsmann – was eben<br />
auch im Irak nicht unbemerkt<br />
blieb. „Die Leute reden, außerdem<br />
sind IS und Co. auch fit im<br />
Umgang mit Facebook und dergleichen<br />
– die wissen, wer hier<br />
heroben ist und ‚gut‘ erpressbar<br />
ist“, weiß Mohammed.<br />
Vorzeige-Migrant<br />
Er kam schnell zum mehrjährigen<br />
Visum und zu einer Arbeitserlaubnis.<br />
„Ich hab ihn gleich<br />
in der Küche angestellt. Er lernt<br />
emsig Deutsch und sogar Thai,<br />
weil seine Kollegen Thais sind“,<br />
erzählt Jusuf. Mohammed fühlt<br />
sich sicher. „Das Schönste ist,<br />
dass ich hier aus dem Haus ge-<br />
hen kann, ohne Angst zu haben,<br />
dass wie im Irak nach zwei Stunden<br />
wieder der Strom ausfällt,<br />
am Markt eine Bombe hochgeht<br />
oder hinter der nächsten<br />
Ecke wer lauert, der mich verschleppt.“<br />
Das gilt seit kurzem<br />
auch für Mohammeds Familie,<br />
die er nachholen durfte: seine<br />
Frau und zwei Kinder. „Wir lieben<br />
Graz, hier sind wir daheim –<br />
und sicher.“<br />
Entführungen im Irak<br />
Im Irak sind Entführungen seit dem<br />
Ende des zweiten Irak-Kriegs 2003<br />
zum Wirtschaftszweig geworden.<br />
Waren es vorher meist Politiker,<br />
die entführt wurden, bedienen sich<br />
IS, Al Kaida und Co. nun moderner<br />
Medien und Mundpropaganda,<br />
um zu erfahren, welcher Iraker gut<br />
situierte Verwandte im Westen<br />
hat. Sie entführen sie und fordern<br />
von den „reichen“ Verwandten<br />
Geld für die Freilassung. Auch<br />
Ausländer werden immer wieder<br />
Opfer: So wurde unter anderem<br />
der Österreicher Bert Nussbaumer<br />
2006 entführt – und ermordet.