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Blogtexte2020

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Corona?

Mrz 30, 2020

„Kunst kommt von Können“, manche beißen

sich an diesem Satz fest. In einer Doku, die

ich vor einigen Jahren sah, wurde ein etablierter

amerikanischer Maler vorgestellt. An

seinen Namen erinnere ich mich nicht mehr.

Er erzählte, dass er vor längerer Zeit den

Durchbruch in die Szene der Sammler erzielt

hatte. Irgendwie habe seine Art, Porträts vor

flächigem Hintergrund zu malen, eingeschlagen.

Seitdem würde es laufen. Zum Verkauf

gefragt, antwortete er: „Die Galeristen halten

mir die Leute vom Hals.“ Eine Art Pufferzone,

er wolle in Ruhe arbeiten. Was ein junger

Mensch tun müsse, um Künstler zu werden?

Er antwortete als Maler: Er sagte zum einen,

dass er den Erfolg den er habe, nicht genau

erklären könne. Schließlich meinte er, ein Interessierter

solle erst einmal fünf, sechs Jahre

malen und die Anerkennung nicht so wichtig

nehmen. Er sagte es mit einer Spur Humor.

Das hieß nämlich: Nachdem du mehrere Jahre

gemalt hast, bist du Maler. Die anderen

hören vorher wieder auf.

Dieser Künstler mochte für sich bleiben. Die

Galeristen halten ihm die Leute vom Hals,

und das gefällt ihm. Die Menschen sind

verschieden: Wer hingegen in eine Musik-

Casting-Show geht, sucht das Publikum. Dem

gegenüber steht die Liebe zum Material, das

eigene Werk, die andere Seite der Kreativität.

Fünf, sechs Jahre arbeiten, dann wüsste man

schon – die Beschäftigung mit Farbe, was

kann ich machen? Mit den Tönen der Farbe

spielen; wie in der Musik.

Kunst, Können? Nicht mehr anders können.

Wen es zur Kunst hinzieht, fragt sich, warum

bei ihm das Normale nicht gut funktioniert

oder schließt es gleich von Beginn aus. Dafür

gibt es verschiedenen Gründe. Die größere

Freiheit ist ein Grund. Ein eigenes Werk. Ein

Aspekt ist Unabhängigkeit und zwar auch in

der Form der Beschäftigung, nicht nur finanziell.

Dagegen steht die ernüchternde Realität,

dass dieses Ziel oft nicht erreicht wird,

auch nicht nach fünf, sechs Jahren malen.

Anerkennung: Für Musiker ist die Bewunderung

des Publikums ein Teil der Arbeit. Maler

oder Schriftsteller können dagegen zurückgezogen

schaffen. Deswegen bedeutet die

Suche nach Kreativität, sich die Frage nach

dem Platz in der Gesellschaft zu stellen. Die

eigene Identität. Was mich ausmacht (und

was ich nicht mag) beschreibt, was zu mir

passt. Ob es noch zu mir gehört und damit

auch meine Grenze: Was ich nicht leiden

kann oder nicht hinbekomme, bleibt draußen.

Was ich also kann und was nicht. Kunst, Können?

Das ist die exakte Kenntnis der eigenen

Fähigkeit und weniger, ob man eine Blumenvase,

ein Still-Leben oder Figur wie ein alter

Meister malen kann.

Maler entwickeln Themen. Über meinen Professor

Flurschütz schrieb jemand: Die Beschäftigung

„mit dem Weiß“ sei es bei ihm.

David Hockney mahnt hinzuschauen: Ist, was

ein Künstler über seine Bilder sagt, wirklich

Teil des Werks? Ich bin nicht gerade Maler

von Grenzlinien, wie als wären da Länder

auf meinem Bild kartengleich beschnitten,

dennoch: Mir ist erst nach und nach klar geworden,

dass mir die Definition der eigenen

Grenze das wesentliche Element meiner Arbeit

ist.

# Kunst zeigt mir die Grenze

Ein Virus zeigt uns allen die Grenze.

Die Menschheit macht eine Pause.

März 2020 – Wir bleiben zuhause. Wie

weit reicht das Licht unserer Welt?

Kein neues Wort: Die Korona (lat. Corona

= Kranz, Krone) der Sonne. Sie ist

für das menschliche Auge nur bei einer

Sonnenfinsternis zu sehen, da sie

sonst von der restlichen Sonne überstrahlt

wird.

Wie weit reicht das Ich? Mit dem Aufbruch

in das freie Malen, bin ich meinem

Ursprung wieder näher gekommen. Der

Anfang meiner Persönlichkeit: eine Erinnerung.

Wir waren eine kleine Familie und ich

das Kind. Unser Boot, die H-Jolle – ein kleines

Schiff aus Mahagoni-Holz, schön glänzend

lackiert. Das war damals modern. Ich erinnere

mich nur, weil mein Vater es immer wieder

erzählt hat, diese Geschichte.

Wie er mein Talent entdeckte.

Meine erste kreative Leistung. Das war keine

Zeichnung, das war – ich kann das nacherzählen:

Ich hatte etwas gesehen. Ein Duckdalben

im Schulauer Hafen. Das ist so ein Gebilde

aus großen, dicken Holzpfählen. Schiffe

machen daran fest. Oder Schlengel werden

davon gehalten, und an den Schlengeln liegen

die Schiffe. Ich war noch ganz klein. Die

Eltern mussten aufpassen, wenn wir über die

wackligen hölzernen Bahnen zum Boot gingen,

dass ich nicht unversehens in den Hafen

fiel. (Einmal wollte ich über das Wasser laufen,

erzählte meine Mutter, weil es so glatt

und ruhig dalag, an einem windstillen Tag).

Und mein Vater: „Das sieht wie ein A aus“, hätte

ich gesagt, einen Dalben beschreibend.

Für meinen stolzen Papa war es die Initialzündung.

Der Beginn einer besonderen

Begabung. Etwas, was von Anfang an in mir

gewesen sei. Das, was man nicht lernen kann.

Meinte jedenfalls mein Vater. Ein Moment der

bewiesen hätte, ich würde sehen, was anderen

gleichgültig sei. Der besondere Blick, das

Talent. Er glaubte daran. Dass ich als Grafiker

Geld verdienen würde, glaubte er nicht. Dennoch

wurde ich auf diesen Pfad gesetzt, denn

eine eigene Meinung dazu hatte ich nicht. Ich

„durfte“ eine Ausbildung zum Grafik-Designer

machen, und deswegen habe ich es gemacht.

Was sollte man mit einem Talent auch sonst

machen? (Natürlich hat es nicht funktioniert).

Aber diese Anfänge, das war schon was! Es

hat sich gut angefühlt. Erst ging gar nichts.

Ich war ganz klein und bekam die ersten

Buntstifte. Mit der ganzen Hand griff ich die,

auch mehrere gleichzeitig wie Mikados, und

hielt sie gebündelt fest in der Faust. Eine

Batterie, eine Gatling-Gun. Diese Welt, was ist

das hier? Rausgehen, den Weg frei machen!

Das Leben schien etwas anzubieten; ein Instrument,

eine Waffe! Das Malgeschütz für ein

Feuerwerk der Farbgewalt: Und dann ging es

los! Mit irrem Druck, das die Spitzen auch mal

brachen und rasend kreisenden Bewegungen,

bekritzelte ich das Papier.

Farbstürme.

Strudel und Ausbrüche in immer neu kombinierten

Farbkaskaden. Meine Oma beschimpfte

dieses Tun, so mache man es

nicht! Ich wäre doof und würde es bleiben,

wenn ich diese Dinger so falsch verwendete.

Sie ereiferte sich: „Du greifst die wie

einen Besenstiel!“, pöbelte sie. Ich lernte

die Stifte auf die „richtige“ Art anzufassen.

Es ist eine Erfahrung: Ein gerader Weg bis

zum Ende des Studiums; ich wurde immer

besser darin zu zeichnen. Und ich wurde

immer dafür gelobt. Anschließend wurde

es schwierig. Ich fand mich nicht zurecht.

Tatsächlich: Ich war ein Info-Grafiker geworden,

immerhin.

Eine Entwicklung. Sich ausprobieren, in ein

neues Terrain vorzustoßen, umkehren müssen,

wenn die Gegend feindselig wird, man

dem fremden Boden nicht gewachsen ist? Es

sind diese Gedanken, die das Malen bringt.

Darum ist der Tipp, eine Zeitlang zu probieren,

nicht schlecht. Es wird sich ein Stil

herausbilden, wenn man einige Jahre malt.

Eine Form zu finden, bedeutet zu definieren

was einem selbst das Malen bedeutet.

Damit schafft die Malerei kreative Identität.

Schließlich, mit einer eigenen Ausdrucksform

befähigt, wird daraus die Kunstfertigkeit, sich

selbst auf diese Art zu verwenden. Das ist

Mrz 30, 2020 - Corona? 24 [Seite 24 bis 28]

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