Blogtexte2020
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Party bei Greta!
Jun 21, 2020
Sonnenwende mit Greta, alle sind nackt! Zitat
des Tages, Morgenpost am Sonntag: „Die Kaiser
sind nackt, jeder einzelne von ihnen. Es
zeigt sich, dass unsere ganze Gesellschaft nur
eine große Nudistenparty ist.“ Klimaaktivistin
Greta Thunberg über Politik und Wirtschaft in
der Klimakrise.
Worte sind wie Kleidung. Eine Rüstung oder
ein Schmuck, Kommunikation ist mehr oder
weniger manipulativ. Damit
ist das Böse, die Lüge
nämlich, unser allgemeines
Erbgut, eine Fähigkeit
für jeden. Alle lügen, und
es gibt nur böse Menschen,
das heißt es wohl.
Damals, die ersten Nudisten
ziehen sich an, das
Tier wird zum modernen
Neandertaler, dem Cro-
Magnon-Menschen, dem
Homo sapiens – oder wie
auch immer wir das heute
nennen. Wir waren nicht
vor Ort, wissen nicht, wie
die damalige Sprache
klang und kennen die
Namen unsrer Vorfahren
nicht wirklich. Wir stellen
Funde zusammen und rekonstruieren
etwas, das wir
nur bruchstückhaft kennen,
eine beschränkte Wahrheit
wie immer. Felle werden
wärmend umgehängt, Erzählungen
von der Jagd,
sie werden farbig ausgeschmückt
von dem Moment
an, wo der Mensch menschlich
wird.
Wir stellen uns die Anfänge
vor. Eine kleine Siedlung
mit den ersten unserer
Gattung, ein Feuer brennt.
Zelte aus Tierfellen sind
aufgestellt, eine Höhle mit
Vorräten ist im Hintergrund
vom Lagerplatz und einige
mehr oder weniger nackte
Gestalten hocken rum. Kommt ein Jäger aus
dem Wald zurück, die anderen schauen interessiert:
„Humm, humm, keine Beute wir fragen?“
Der Jäger antwortet: „Ähem, hem … nix
Tiere gewesen im Wald.“
Es kommt nicht auf die Grammatik an. Seit
wir kommunizieren, lassen wir weg, stellen
Erlebtes da, wie es unsere Art ist, berichten
nur mehr oder weniger wahr. Zur Wahrheit
gehört so unglaublich viel, und wir kennen
sie ja gar nicht! Nehmen wir an, dass der
Jäger stundenlang nach vorn geschaut hat.
Hinten hat er keine Augen. Zu seiner Wahrheit
im Wald gehört, dass er vom Wald nur
wenig mitbekommt.
Bei den anderen angekommen meint er:
„Ich habe keine Tiere gesehen.“ Dann sagt er
nicht: „Alles war voll mit Bäumen, und das
Licht schien durch die Zweige und meine
Füße versanken im weichen Boden“, weil das
die Hungrigen nicht interessiert.
Heute: Greta hat immer recht, sie ist die Wahrheit
selbst. Das ist ihr Beruf. Die Wahrheit, sie
steht neben dem Jägersmann, sagt den anderen:
„Hinter ihm ist ein großes Wildschwein
durchs Dickicht gebrochen, aber unser Jäger
hat gerade nichts davon mitbekommen, war
anderweitig beschäftigt.“
Greta findet alle bedrohlichen Nachrichten
für uns zusammen, sie mobilisiert uns, weil
wir gerade keine Zeit haben, uns nicht kümmern.
„Wir nehmen einen anderen, aufmerksameren
Jäger“, sagt sich die Sippe, als sie
begreift: „Mit diesem Schnarchzapfen werden
wir immer Hunger leiden!“ Das werden auch
wir heute bald merken, dass wir handeln
müssen. Greta Thunberg sagt nur Wahrheiten
weiter. Einem nerdigen Wissenschaftler hört
man ja nicht zu. Einer nerdigen Schülerin
schon. Sie kehrt ihr Innerstes nach draußen,
wenn sie für uns über das Meer segelt oder
vor Trump ausrastet.
Danke.
Wir müssen Greta verzeihen, sie ist genauso
nackt, und vielleicht weiß sie es nicht – sie ist
gerade erwachsen geworden. Eine gesunde
Gesellschaft ist auf die Jugend angewiesen,
besonders, wenn die Alten ihre Jugendlichen
krank machen. Erwachsene nennen diagnostisch
Störungen, verwenden ein wichtiges
Wort wie eine Waffe gegen ihren eigenen
Nachwuchs. „Autist!“, sagen sie, „Borderline“,
was ihnen gerade recht ist. Sie vergrößern
die Gefängnisse und psychiatrischen Krankenhäuser.
Sie probieren die lebenslange Gehirnwäsche,
sie füttern Medikamente, mehr
als nur ein ganzer Wirtschaftszweig lebt von
anderen Menschen, die sich gängeln lassen.
Wir schaffen unsere Außenseiter selbst, wir
drücken sie jedes Mal wieder raus aus unserer
Mitte, wenn es scheint, dass sie unsere
Jun 21, 2020 - Party bei Greta 48 [Seite 48 bis 49]