Blogtexte2020
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So wie es war
Jun 14, 2020
„Die Summe unseres Lebens sind die Stunden,
in denen wir liebten.“ Wilhelm Busch,
deutscher Dichter. So steht es im Tageblatt.
Der Spruch des Tages. Ich denke an Dürrenmatt:
„Was gedacht wurde, kann nicht zurück
genommen werden.“ Festgehalten bedeutet
für immer: Physiker sind gnadenlos und konsequent
logisch. Und die Kunst? Der Schriftsteller
hat das geschrieben, nicht etwa einer
der Wissenschaftler.
Zusammengezählt: Es gibt keine Liebe, denke
ich heute – das ist nur ein Wort. Früher glaubte
ich daran, und diese Zeit ist
ein Schatz der Erinnerung? Ein
Lernfeld, das zu üben. „Es war
doch immer klar, dass wir uns
nicht geliebt haben“, sagt der
Ex einer Freundin, wohl als Begründung,
warum er geht. Sie
schluckt nur – antwortet ihm
nichts. Sie hat es mir gesagt:
zwölf wunderbare Jahre – alles
weggewischt, mit diesem Satz.
Wegwischen kann man etwas,
Schmutz? Aber manche Dinge
kommen hartnäckig wieder zurück.
Und die Liebe, der Glaube
daran? Die saubere Liebe.
Verletzt zu werden, tut weh. Wir
können aushalten, weglaufen, uns wehren.
Wir können die Justiz anrufen. Nach der Trennung
die vergangene Zeit neu bewerten? Das
macht aus unseren früheren Gefühlen eine
Schublade mit Argumenten. Bewertung in
Zahlen: „Wir sehen uns einmal die Woche.“
(Du nimmst die Kinder vierzehntägig. Ich
zahle dir soundso viel). Richter: „Sie gehen
für drei Jahre in das Gefängnis, weil.“ Abrechnung
in Zahlen.
Ich liebte dich drei Stunden.
Geliebt zu werden, schenkt Zeit, die vor Angriffen
schützt. Empörte probieren, das Böse
insgesamt abzuschaffen, den Schmutz, Dreck,
den Abschaum des Lebens – und so viele
Menschen nehmen an, dass sie gute Menschen
sind, aber das stimmt nicht.
Wir haben Gesetze gemacht und die „Straftat“
erfunden, um Ordnung zu schaffen – aber
ob das nützt? Strafen ist der hilflose Versuch,
nachträglich in etwas einzugreifen, das rekonstruiert
nur mehr oder weniger wahr ist.
Die anschließende Bewertung: zwölf Jahre
geliebt oder nur ausgehalten? Ein paar Worte
zum Machtgewinn: Das ist ein Urteil.
Im Angesicht des Konflikts ist die direkte Lösung,
auf weitere Reaktionen zu verzichten,
die bessere Alternative. Zwanghaft zurück
schlagen oder über die Freiheit zu verfügen,
es nicht zu tun macht den Unterschied. Nur
durch Lernen können Lebewesen sich positiv
verändern. Eine Strafe ist das schlechteste
Mittel dafür. Der Mensch könnte größer als
in Worten denken. Eine Emotion auf eine
Definition zu reduzieren, bedeutet individuelle
Wahrheit komprimieren. Eine allgemeine
Formel für jedermann.
Liebe als gültigen Begriff
für alle anzusehen,
hieße dann für jeden
von uns, sie auf dieselbe
Art zu empfinden, und so
ist es ja nicht.
Wir kommunizieren oft
unbewusst auch in Gesten.
Bilder bestimmen
unser Tun. Geräusche der
Umgebung haben Einfluss.
Sinneseindrücke
und innere Befindlichkeiten,
Signale, die unser
Körper an das Gehirn
überträgt, beeinflussen
unsere Entscheidungen.
Die Qualität des Lebens
wächst mit zunehmender Freiheit, bewusst
innehalten und wählen zu können. Zu verstehen,
dass zwanghafte Reflexe unumgänglicher
Teil des Lebens sind, fällt uns immer
noch schwer.
Vom freien Willen zu reden oder davon, ein
guter Mensch zu sein und auf die Moral zu
pochen, verrät nur den Eingebildeten, der es
gewohnt ist, auf’s eigene Denken hereinzufallen,
wie bei der Selbstbefriedigung.
Das Leben zu genießen – ist bewusst nur
möglich, wenn wir unsere Überzeugung aufgeben
können: Woran wir glaubten, bis es zu
unserer persönlichen Enttäuschung wurde.
Es bleibt nur die Erinnerung – und ich kann
noch fühlen, wie es einmal war …
:)
Jun 14, 2020 - So wie es war 46 [Seite 46 bis 46]