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Blogtexte2022_1-Halbjahr

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Blog 2022

Meine Blogtexte auf johnbassiner.de | 10. Januar bis 12. Jun 2022

1. Halbjahr


Blogtexte 2022, 1. Halbjahr / Inhaltsverzeichnis - Datum, Titel der Publikation auf https://johnbassiner.de

# Seite

Jun ........................................................................................................................................................................................................................

16, 2022 - Inhalt: Blogtexte vom 10. Januar bis zum 12. Jun 2022

2

Jan ........................................................................................................................................................................................................................

10, 2022 - Bald ist Frühling!

4

Jan ........................................................................................................................................................................................................................

16, 2022 - Neue Variante

5

Jan ........................................................................................................................................................................................................................

18, 2022 - Positivleugner

6

Jan ........................................................................................................................................................................................................................

25, 2022 - Sinn des Lebens

7

Jan ........................................................................................................................................................................................................................

28, 2022 - Es ist immer Mai

8

Jan ........................................................................................................................................................................................................................

29, 2022 - Bridget

9

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

3, 2022 - Keine Feinde, keine Kekse

10

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

5, 2022 - Zeit zu verschenken

11

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

8, 2022 - Was sagt Onkel Gerd dazu?

12

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

9, 2022 - Schade

13

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

10, 2022 - Das elfte Gebot

14

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

11, 2022 - Klappe

15

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

13, 2022 - Elche oder welche?

17

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

18, 2022 - Vieh

19

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

19, 2022 - Mutationen

20

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

21, 2022 -„Go for that!“

22

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

23, 2022 - Neue Grenzen

23

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

23, 2022 - Schicksal

24

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

25, 2022 - Wir brauchen Angeklagte

25

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

27, 2022 - Neue Weltordnung

26

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

27, 2022 - Hornblower

27

Feb ........................................................................................................................................................................................................................

27, 2022 - Historisch

29

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

2, 2022 - Schuss überhört?

30

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

3, 2022 - Wiederholung

31

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

4, 2022 - John Lennon gewinnt noch

32

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

4, 2022 - Lawrow, Schröder, Putin

33

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

6, 2022 - Schöne Zeit!

34

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

8, 2022 - Schwachsinn

38

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

10, 2022 - Weltaufmerksamkeitstag

39

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

12, 2022 -„Einige Ergebnisse wurden (...) entfernt“

40

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

10, 2022 -„Bassi“ wäre neunzig heute

43

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

17, 2022 - Rad ab?

45

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

19, 2022 - Wertschätzung auf Russisch

48

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

20, 2022 - Aleksandra* kennen wir nicht

49

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

19, 2022 - Material

50

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

19, 2022 - Unsere tägliche Kunst gebt uns heute

54

Mrz ........................................................................................................................................................................................................................

27, 2022 - Der letzte Tag

55

Apr ........................................................................................................................................................................................................................

1, 2022 - Orbit

56

Apr 3, 2022 - Die Windmühle am Weinberg des Herrn

57

Blogtexte 2022, 1. Halbjahr / Inhaltsverzeichnis - Datum, Titel der Publikation auf https://johnbassiner.de 2 [Seite 2 bis 3 ]


Blogtexte 2022, 1. Halbjahr / Inhaltsverzeichnis - Datum, Titel der Publikation auf https://johnbassiner.de

# Seite

Apr ........................................................................................................................................................................................................................

8, 2022 - Alle sind Putin

60

Apr ........................................................................................................................................................................................................................

9, 2022 - Hassprediger haben Zukunft!

61

Apr ........................................................................................................................................................................................................................

12, 2022 - Gegen Demos

62

Apr ........................................................................................................................................................................................................................

13, 2022 - Wir spielen

63

Apr ........................................................................................................................................................................................................................

16, 2022 - Was hast du schon davon?

64

Apr ........................................................................................................................................................................................................................

19, 2022 - Erledigt sich von selbst

66

Apr ........................................................................................................................................................................................................................

23, 2022 - Wir lehren, wollen den Wahnsinn?

67

Mai ........................................................................................................................................................................................................................

1, 2022 - Durch die Blume geschaut

69

Mai ........................................................................................................................................................................................................................

4, 2022 - Unverschämt!

72

Mai ........................................................................................................................................................................................................................

5, 2022 -„Das Ohr zur Welt“

73

Mai ........................................................................................................................................................................................................................

8, 2022 - Muttertag

76

Mai ........................................................................................................................................................................................................................

10, 2022 - Hundert Prozent Wunschdenken, sechzehn real

78

Mai ........................................................................................................................................................................................................................

11, 2022 - Wer ist gesund?

79

Mai ........................................................................................................................................................................................................................

12, 2022 - Wer ist Thomas Losse-Müller?

80

Mai ........................................................................................................................................................................................................................

15, 2022 - Dumm sind wir

82

Mai ........................................................................................................................................................................................................................

21, 2022 - Ich sehe Wald und keine Bäume

83

Jun ........................................................................................................................................................................................................................

8, 2022 - Kurz Malheur

88

Jun 12, 2022 - Lippenbekenntnisse und ein Impfstoff, der nicht wirkt

89

Blogtexte 2022, 1. Halbjahr / Inhaltsverzeichnis - Datum, Titel der Publikation auf https://johnbassiner.de 3 [Seite 2 bis 3 ]


Ich habe meinen Bart leicht gestutzt, und

meine Frau schimpft weniger. „Gut siehst du

aus, Großer!“, grüßt mich fröhlich Nachbar

Pavlos.

„Der verarscht dich bloß“, heißt es

abfällig, als ich zu Hause davon

berichte.

# Ich lass’ nichts an mich ran

Kein Arzt, kein Frisör: Ich gehe

nicht zum Impfen, mache einen

Bogen um die Testzentren. Bloß

nicht hingehen, wo die Idioten sich

tummeln, ist meine Devise. Auch

zu Hause, jeder hat sein Zimmer,

und ich male im Atelier. Ich gehe

kaum vor die Tür: „Spaziergänge“

genieße ich allein. Ich schreibe

nie Mails, ich bekomme keine. Ich

habe Freunde. Mit Hilfe von Oomke,

Bernd und Heike wurde die Jolle wieder

richtig herum gedreht, nachdem ich den Boden

malte und die Außenhaut lackierte. Routine

wie in jedem Jahr. Weihnachten hat

Niels angerufen! Es gelang, mit Susanne

zu klönen.

# Ein Russe schert sich nicht darum, was

morgen ist

Manche leben übermorgen noch, andere

nicht. Von den Flüchtlingen, die Lukaschenko

als Pfand nützten, ist nicht mehr die Rede?

Es ist Winter geworden. In Polen findet der

noch statt. Es sollte dort ungemütlicher sein

als Anfang Dezember. Eigentlich war das ein

humanitäres Thema auf dem Spitzenplatz. Im

Internet findet man wenig, aber im Wald an

der Grenze gibt es noch Probleme, glaube ich.

Oder die Lage hat sich entspannt? Da habe

ich was nicht mitbekommen: Wahrscheinlich

hat Olaf die Armen einfach (heimlich) zu sich

nach Hause genommen und irgendwem Geld

gegeben, damit nicht noch mehr kommen?

Man merkelt weiter. So regelt sich alles, und

bald ist ja auch Frühling!

Ach ja: „Pushback“ ist das Unwort des Jahres

2021.

Alles geregelt.

:(

Ich habe Karten bekommen, wenige verschickt,

mailte Montse ein Foto: „… failed

to send the card.“

Und dto. kam die Antwort aus

Terrassa.

Weihnachten ist erledigt!

Ich bin nirgends im Netzwerk

und schon gar nicht verschworen

quer. Ich freue mich über jede

Chaosnachricht im Fernsehen.

Unruhen in Kasachstan gelten als

furchtbar, den Sturm auf das Kapitol

habe Trump verschuldet, heißt

es zum Jahrestag. Biden sei der

gute Präsident und bessere Gutmensch,

meint er von sich selbst,

und die hiesigen Demos wären

von rechts unterlaufen, sagen die,

die es wissen müssen.

Bald ist Frühling!

Jan 10, 2022

Bald ist Frühling, ich freue mich darauf! Meinetwegen

kann dieser Winter gern ausfallen;

man hat sich daran gewöhnt, dass es nichts

mehr ist mit Schnee, zugefrorener Elbe, Alster.

Wie früher Schlittschuhlaufen möchte ich

mit meinem lädierten Knie ohnehin nicht.

Passt schon, diese Klimakatastrophe. Omikron

nervt, wirkt aber überschaubar, und dass die

Impfpflicht beschlossen wird, ist nur bedingt

wahrscheinlich. Der Kanzler:in ist klug wie

die alte und sagt schnell nichts, Respekt!

So hat jeder seine Propaganda.

Bei uns gelten die Demonstranten als verrückt

und gewaltbereit, das sei gefährlich.

Die Kasachen wären Helden und würden

erschossen, meint man im Fernsehen. Die

Krim wurde von den Russen annektiert. Die

Ukraine von der Nato?

Das ist die Polentorte

der Gegenwart. Kunstfreund

Wladi malt rote

Linien. Immer was los

in Asien. In Deutschland

sorgen sich alle

wegen der Zukunft.

Jetzt müssten nur noch einige Wochen überstanden

werden, und dann kommt das Boot

zu Wasser. Natürlich, ich könnte mich infizieren.

In meinem Alter steht eine schlechte

Prognose wie’s verläuft im Raum. In einem

Geschäft, das ich regelmäßig aufsuche, hat

sich die gesamte Belegschaft angesteckt.

Zwei Wochen lang fehlte das Stammpersonal.

Auf Nachfrage, was mit den anderen sei,

meinte die Aushilfe: „Corona.“ Inzwischen

sind alle zurück: „Wie Erkältung“, untertrieben

klingt das nicht.

Jan 10, 2022 - Bald ist Frühling! 4 [Seite 4 bis 4 ]


Neue Variante entdeckt

Jan 16, 2022

# Der „Präsident des Bundesverfassungsschutzes

Haldenwang sieht bei den Corona-

Demos eine neue Szene von Staatsfeinden.

Diese hätten keine gemeinsame Ideologie,

sondern würden den Rechtsstaat als solchen

und dessen Repräsentanten grundlegend

ablehnen, so Haldenwang in der Frankfurter

Allgemeinen Sonntagszeitung“, berichtet

Moderatorin Jana Pareigis in der Heute-

Sendung um 19 Uhr.

Das war gestern, am 15. Januar, und heute ist

Sonntag. Man kann die Sendung in der Mediathek

abrufen, das habe ich getan. In der

Überschrift, die vor dem Gesicht von Thomas

Haldenwang eingeblendet ist, steht der

Begriff „Staatsfeinde“, aber nicht, dass es sich

um Feinde des Rechtsstaates handelt. Bürger

und Bürgerinnen haben ein Problem mit

dem Staat? Niemand hat etwas gegen das

Recht, solange der einzelne glaubt, seines

bekommen zu können. Wir – und für uns das

scharfe Auge von Thomas Haldenwang – erkennen

also Menschen, denen das Vertrauen

in den Staat abhanden gekommen ist.

Recht bekommen möchten alle. Die deutsche

Demokratie ist nach dem Zweiten Weltkrieg

auf ein stabiles Fundament gestellt worden,

nachdem es in der Weimarer Republik nicht

so gut funktionierte. Jede neue Generation

übernimmt von der vorherigen die Aufgabe,

den Staat gemeinsam zu bilden. Wir kennen

die Not des Krieges im eigenen Land nicht

mehr. Das macht schwieriger, zu begreifen,

dass unser Recht nicht einfach so existiert,

wie wir an Gut und Böse glauben. Das Recht

ist nicht mit dem Gutsein gleichzusetzen,

wie Unrecht nicht einfach Verbrechen

bedeutet. Wir benötigten die vier verschiedenen

Begriffe nicht, wenn wir kein Problem

damit hätten. Wir wissen nämlich gar nicht,

was gut und was böse ist; das ist eine Einzelfallentscheidung.

Wir wissen, dass der Schlag auf den Kopf

weh tut, töten kann. Uns ist das Gebot

bekannt, Gewalt zu vermeiden. Eine Welt

ohne schmerzhafte Attacken ist aber nicht

vorstellbar. Verbale Gewalt tut ebenfalls weh,

und jedes Gesetz schränkt an irgendeiner

Stelle Bürger ein. Das ist staatliche Gewalt.

Wir akzeptieren den Rahmen, wie bei rot

das Auto zum Stillstand zu bringen oder den

Müll korrekt zu entsorgen. Menschen, die

Herr Haldenwang entdeckt haben will wie

eine neue Variante der Zersetzung, züchtet

sich die Gesellschaft selbst heran. Eine

Wechselwirkung des Mehrheitsempfindens,

die sich durch Medien und Reaktionen der

Politik hochschaukelt, bringt Tempo

in die Reglementierungen, wie wir

das vor Corona nicht kannten. Und

wenn sich eine starke Mehrheit

bildet, die schnell Recht bekommt,

formt sich genauso schnell eine

Minderheit, die das Ganze als

Unrecht begreift. Wenn diese

Minderheit nicht verschwindend

klein ist, wird es problematisch. Der

Rechtsstaat wird nur so lange einer

sein, wie er die neuen Feinde – wie

Haldenwang sie nennt – integrieren

kann. Die Alternative ist der

Nährboden für einen Bürgerkrieg.

Es gibt keine Feinde des Rechtsstaates, wohl

aber gibt es weltweit Widerstand gegen

staatliche Gewalt. Es ist die Aufgabe der

Gesellschaft, einen Rechtsstaat zu erhalten

oder einen zu schaffen, wo noch keiner ist.

Wir brandmarken andere Länder, erheben

uns über Diktaturen und die gelenkten Demokratien

der Bösen: Die Behauptung vom

Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes,

Deutschland wäre ein Rechtsstaat und

innerhalb der Gesellschaft befänden sich

Feinde der staatlichen Struktur, geht

davon aus, dass der Staat wüsste, was

(ihm) Recht bedeutet. Das beinhaltet

die Erkenntnis und einzugestehen,

dass sich ein erkennbarer Anteil der

Gesellschaft davon abgekoppelt sieht

und somit das Wort vom Recht nicht

mehr als die Staatsmeinung plus der

Bürgermehrheit darstellt. Darin liegt

eine mindestens genauso große Gefahr,

wie im Vorhandensein der latent

Gewaltbereiten. Das Recht muss die

Mitte abbilden, und diese Mitte muss

so breit sein wie es nur geht.

Es heißt, Deutschland sei als das

Land typisch zu verstehen, welches

sich für Minderheiten einbringe. Ein

Bauer, den das einzelne Windrad

nahe seiner Wiese (des zu errichtenden

Parks mit hundert Stück) stört,

bekäme das Recht, die Anlage zu verhindern.

Die Dänen bauten längst am Tunnel,

während hier noch Verfahren gegen die

Beltquerung liefen und nicht zuletzt Corona

zeige, dass eine Minderheit gefährdeter

Senioren das Land in die Pflicht nähme, meinen

welche. Jetzt fordert eine gewaltbereite

Szene Freiheit vom Rechtsstaat, eine weitere

Minderheit, die wir integrieren müssten? Ich

denke, ja.

Es ist schwer einzusehen, dass Gerichte vor

allem das Recht der Täter wahren. Hätten

wir Lynchjustiz, gäbe es kein Pardon für

böse Menschen. Dass wir uns so viel Mühe

geben, der Verteidigung Raum geben, ist

das Kennzeichen der Zivilisation. Ein Gesetz,

das schließlich zu aufwendig wäre, möchte

niemand. Wir haben das bereits?

Das Argument, wir sollten solidarisch

mit den Krankenhäusern und der Not der

Schwachen sein, uns deswegen impfen lassen,

verfängt bei so vielen nicht, dass diese

Minderheit groß ist. Viele der Geimpften entscheiden

sich nicht aus einer solidarischen

Haltung heraus. Sie möchten weiter am

gewohnten Leben teilhaben, oder müssen

sich impfen lassen, um arbeiten zu können.

In der Folge reden sie sich die Lage in ihrem

Sinne positiv. Das verbindet die Trotzigen

um so mehr. Wenn sie Möglichkeiten finden,

ungeimpft weiterzumachen, werden sie diese

nutzen. Es gibt noch zahlreiche Argumente

gegen eine allgemeine Impfpflicht: Diese

werden zurückgewiesen werden, ist meine

Prognose.

# Aber …

… schon immer haben Menschen Regeln

gebrochen, keinen Gurt im Auto angelegt,

das Handy am Steuer genutzt, ihren Müll

achtlos irgendwohin geworfen. Eine lebhafte

Szene rund um gefälschte Impfpässe ist

bereits erwachsen, und der Anteil der neuen

Verdrossenen ist nicht klein. Schauen wir

mal, was Deutschland aushält.

:)

Jan 16, 2022 - Neue Variante entdeckt 5 [Seite 5 bis 5 ]


Positivleugner

Jan 18, 2022

Wurde Anne Frank verraten? Neue Recherchen

beschäftigen die Öffentlichkeit. Verrat

ist das zentrale Ereignis im Evangelium, so

kam es zur Auslieferung Jesu an die Römer.

Bis heute empören wir uns, und weiter geschieht

es: Menschen verraten einander. Nur

die Bewertung wechselt. Mal war es böse,

jemanden anzuschwärzen – die arme Anne

Frank, Sophie Scholl usw. – dann ist es wieder

Zivilcourage, wenn ein Täter beobachtet

und angezeigt wurde.

Ein guter Witz, als wahre Geschichte angekündigt,

ist aktuell. Ein Besucher erkennt

den Kollegen (Mitarbeiter im Gesundheitsdienst,

was genau, tut hier nichts zur Sache)

im Einkaufszentrum. Der dürfte gar nicht

dort sein. Der Kunde begreift, der andere

müsste in Quarantäne zu Hause sitzen,

wurde kürzlich positiv auf das Virus getestet.

Der Mann versteckt sich hinter einer Werbetafel

und marschiert anschließend zur Info.

Die Mitarbeiter starten einen Aufruf, es befände

sich widerrechtlich ein Coronapositiver

im Gebäude; Personalien bekannt. Dieser

werde

gebeten,

umgehend

zur

Information

zu

kommen.

Andernfalls

verriegelte

man die

Ausgänge

und

kontrolliere

jeden

einzelnen

Besucher. Die Polizei würde alarmiert,

und der Betroffene habe den Einsatz zu

zahlen, droht das Center in seiner Durchsage.

Wir ahnen, wie das ausgeht. Sage und

schreibe siebzehn Personen melden sich

verschämt bei den Kollegen vom Sicherheitsdienst.

Eine wahre Geschichte?

Es kommt darauf an, von wo aus wir schauen.

Wir mögen Asterix, die Querulanten im

gallischen Dorf sind liebenswert. Wir sind

keine Römer und amüsieren uns gern. Gar

nicht lustig: Die Proteste auf dem Maidan

wurden blutig niedergeschlagen.

Nicht nur in der

Ukraine oder gerade

in Kasachstan, auch

bei uns gibt es

Widerstand gegen

den Mainstream.

Minderheiten bilden

Gruppen. Die Aktivisten

im Hambacher

Forst retten das

Klima? Querdenker

wären gefährliche

Spinner, sagt

die Mehrheit. Die

Demokratie toleriert

Demonstrationen,

aber friedlich sollen

sie sein. Regelbrecher

können erkannt,

verraten und gemaßregelt werden.

Einigen fällt es leichter, sich an die Gesetze

zu halten. Manche laufen leicht mit, andere

gegenan, und einige mogeln sich durch. Der

gute Widerstand, der böse Gesetzesbrecher,

was denn nun? Das Gute am geschichtlichen

wie allgegenwärtigen Verrat ist die Erkenntnis:

Die Amerikaner waren tatsächlich auf

dem Mond! Ein Fake von diesem Ausmaß

wäre aufgeflogen. Verschwörungen sind Teil

der Welt. Mobbing ist vom Verrat bedroht.

Das ist gut. Wahrheit und Lüge kämpfen

gegeneinander, meint man, aber niemand ist

immer nur ehrlich. Ein Hochstapler müsse

vor allem überzeugen, heißt es. Da komme

es weniger auf die Qualität seiner gefälschten

Papiere als auf die Fähigkeit an, andere

charmant zu manipulieren.

Eine neue Spezies ist unterwegs.

Nicht nur das Virus, der

unkorrekte Mensch hat eine

weitere Variante gebildet. Er

gendert nicht? Schlimmer sind

gewaltbereite Staatsfeinde. Coronaleugner

und Coronaleugnerinnen

werden zu Demonstrantinnen

und Demonstranten, die

als Querdenker und Querdenkerinnen

spinnen.

# Das ist eine Gefahr für

uns alle

Das Faszinierende an diesem Wort,

das den Vorfahre im Holocaustleugner

haben mag, ist wohl, dass Corona eine

Tatsache bedeutet wie etwa das Wetter.

Das Vorhandensein von meteorologischen

Geschehnissen kann nicht

bestritten werden. Jemand der sagt, er

wäre nicht im Raum, sondern gerade

draußen unterwegs gewesen, kann der

Lüge überführt werden, wenn Zeugen

plausibel gegen ihn reden. Hier wird

eine Grauzone deutlich, denn diese

Aussagen können gekaufte sein. Es gibt

nur noch wenige Zeitzeugen der Kriegsjahre,

und Hitler ist eine Figur der Geschichte wie

Anne Frank. Corona, was immer das meint,

ist weltweit problematisch und deswegen

ein Fakt wie das Wettergeschehen oder die

Tatsache, dass es nachts dunkel ist.

Die Pandemie ist ein mediales Ereignis, und

für einige ist die Intensivstation der Ort an

dem sie mit der Diagnose „Covid“ sterben.

Das kann nicht negiert werden, was auch

immer jemand behauptet. Eine medizinische

Bewertung, woran jemand leidet, ist

kein hingeworfenes Wort. Zu lügen oder

die Wahrheit zu kennen,

ist komplizierter. Als

medizinischer Laie muss

ich zugeben, ein wie

auch immer geartetes

Virus nicht erkennen zu

können. Ich kann das

Wort „Corona“ lesen,

aussprechen und verbal

verbreiten. Ob und wie

ich eine Krankheit, die

symptomfrei sein kann,

wie es heißt, in mir trage

und möglicherweise weitergebe,

bestimme ich

mit einem Test. Das ist

ein Produkt der Industrie.

Seine Zuverlässigkeit ist

kaum nachzuprüfen, nur

durch die Annahme, dass

unzählige andere damit umgehen und eine

Art Schwarmintelligenz die Qualität sichert

– wie die Wahrheit der Mondlandung oder

die des Holocaust durch breite Kontrolle der

Menschheit belegt ist.

Zu einem Arzt oder medizinischen Helfer

gehen und sich ein Medikament verabreichen

lassen, eine Spritze zu tolerieren, die

dieser in meinen Arm setzt, bedeutet, dem

Vorgang das Vertrauen auszusprechen und

seine Sinnhaftigkeit nicht nur anzuerkennen,

sondern individuell zu wollen. Andernfalls

ist es eine Vergewaltigung. Ein Mann dringt

in eine Frau ein, die das nicht will, weil der

Staat die Pflicht zur Kindszeugung anordnet,

so fühlt sich Impfpflicht an.

Das wird noch Ärger geben.

Am Besten wäre

wohl, das Virus gibt

auf.

Das bedeutete

eine Wahrheit, die

sämtliche Virologen

wieder in die

dunklen Löcher

ohne Kamera verbannen

würde, die

sie bislang als ihren

zentralen Aufenthalt kannten. Und Karl Lauterbach

könnte mal entspannt ausschlafen.

:)

Jan 18, 2022 - Positivleugner 6 [Seite 6 bis 6 ]


Sinn des

Lebens

Jan 25, 2022

Jeder meint

zu wissen,

was Gefühle

sind. Aber so

einfach ist es

nicht. Emotionen haben ihre Namen, und es

sind wohl die Eltern, die uns damit vertraut

machen wie etwas heißt. Das ist „der Stuhl“,

jetzt kommt gleich Oma oder: „Du bist

traurig.“ Oma und den Stuhl können wir

anfassen; viele Begriffe sind Erklärungen,

die nur mit dem Intellekt verstanden werden

können. Ich benötige meinen Verstand, um

dem Wort von

der Traurigkeit

das entsprechende

Gefühl

zuzuordnen,

bei mir und bei

anderen. Es ist

ein Lernprozess

wie das Sprechenlernen

selbst. Denken,

mithilfe von

Worten, kann

mit dem

Erlernen

einer fremden

Sprache verglichen werden. Man kann wohl

annehmen, dass wir auch innerlich still,

ohne Worte zu verwenden, denken. Manche

nehmen diese Möglichkeit aktiv wahr,

entwickeln ein Gespür dafür. Albert Einstein

dachte in Bildern, sagt man.

Wenn es die Eltern sind, die uns die Welt

erklären, kommt es darauf an, inwieweit

diese zulassen, dass wir eigene Rückschlüsse

ziehen. Wenn es nicht gefällt, dass ein Kind

unglücklich ist oder brüllt, entscheiden die

Regelmäßigkeit und die Entschiedenheit

und nicht zuletzt die verwendeten Mittel

der Grenzziehung, wie das Kind Emotionen

versteht.

Als der Film „Gandhi“ mit Ben Kingsley im

Fernsehen gezeigt wurde, habe ich das gesehen,

weil mein Vater uns darauf aufmerksam

machte. Wir saßen also alle vor dem

Fernseher und sahen, wie Gandhi mit nur

einem Cent ausgestattet in seine Mission

startet. Vor einigen Tagen gab es ein Zitat im

Tageblatt: Wo Liebe wächst, gedeiht Leben

– wo Hass aufkommt droht Untergang.“

Darunter stand: Mahatma Gandhi, Politischer

Führer. Bemerkenswert daran finde ich die

Darstellung der wachsenden Liebe, ein

Vergleich mit der Pflanze, die sich im Vergleich

zum Menschen und Tier eher passiv

verhält und die Bewertung im Wort

„aufkommen“ beim Hass. Das ist wie

ein böses Wetter, das aufzieht, eine

Art übergriffige Macht, weniger der

„böse Mann“ der kommt. Der Hass

kommt über den Menschen, und

dann – so etwa.

Nolde wäre ein „schlechter Mensch“,

hieß es im selben Tageblatt vor

nicht allzu langer Zeit. Tatsächlich,

es könnte stimmen. Nicht wegen

der Nazis: „Ein großer Frauenhasser“,

meinte mal einer zu mir (im

Vertrauen), der im selben Dorf lebte

wie der Maler und noch familiär

bekannt war mit dem Kreativen.

Der muss es wissen. Das Schlechte

lebt, und die Frauen sind sowieso

an allem schuld. Oder die Männer?

Die Maler.

Gerade ist es die katholische

Kirche, wo die Bösen unterschlüpfen.

Ich glaube das nicht: Mir fällt

es ganz leicht, größer zu denken.

Das Böse als ein Teil der Welt, daran will

ich nicht allein schuld sein. Ginge es nach

der breiten Gesellschaft, bekäme jeder

„Lebenslang“, und wir wären im Mittelalter

geblieben. Die Menschen müssen ihre

Gesetze erst erlernen, und die Gebote sind

keine Verbote, sondern ein Angebot an den,

der sie ernst nimmt. Du „kannst“ nicht töten,

müssten wir erfahren, aber die

Bibelübersetzer waren dumm (wie

die Polizei). Der Täter würde sich

zum Opfer umdarstellen, heißt es

oft voller Zorn von denen, die selbst

nicht schuld dran sein wollen,

wenn sie angegriffen wurden?

Das hilft kaum. Ein Gefühl

sollte eine Kleidung sein, ein

Pullover, den man mal trägt

und keine Zwangsjacke, die

andere festzurren.

Kindern stopft man mit Sinnsprüchen

das Maul, habe ich

gelesen. Manche Erwachsene

reflektieren nicht wie’s ihnen geschieht

und fahren damit fort, Sprüche zu plakatieren,

als könnten sie sich dahinter

verstecken. Wer nicht gelernt hat, Hass in

sich zu bemerken und andere zu schlagen

oder beleidigen – die provozierten, denn so

kommt ja Wut erst auf – die Konsequenzen

tragen musste, wird die Kräfte seines Ärgers

gegen die eigene Person anwenden. Und

selbst daran

erkranken. Damit

kommt ein

Prozess in Gang,

der im Spruch

„die linke Hand

wüsste nicht,

was die rechte

tut“ ein Bild hat.

So wird unkontrollierter

Hass

beschrieben,

eine Motivation,

bei der niemand

voraussagen

kann, in welche

Richtung sich

das entwickelt:

nach innen oder

irrational gegen

andere.

# Dummheit regt zur Bosheit an

„Oh, wie blöd ist der? Schaut mal, wie einfach

wir ihn vorführen und verarschen können“,

das ist immer der Anfang. Dann kapiert

der Doofe irgendwann; anschließend gibt es

Haue. Einer war noch dümmer, noch frecher

und wird verbeult. Es scheint so einfach, ist

es aber nicht. In diesem Spiel kann keiner

gewinnen.

Der Sinnspruch macht nur Sinn, wenn Hass

als etwas begriffen wird, das zum Leben

gehört wie das Wetter. Wir können einen

Schirm aufspannen. Mit dem Schirm haben

wir Schutz gegen den Regen, eine Waffe

möglicherweise, um einen Räuber zu schlagen

– aber das Gewitter am Himmel können

wir nicht verprügeln. Wut im Bauch, Hass

im eigenen Leib? Das gehört dazu. Gewalt

ist eines der Mittel, sich Luft zu verschaffen.

Alternativ: Das Spiel vom „Schwarzen Peter“

regt zur Geschicklichkeit an, diesen weiterzugeben.

So zu leben

macht mehr

Sinn als zu

ermahnen.

:)

Jan 25, 2022 - Sinn des Lebens 7 [Seite 7 bis 7 ]


Es ist immer Mai

Jan 28, 2022

Da sind keine Träume, die ich noch ernsthaft

verwirklichen möchte und keine Ziele zu erreichen,

die nötigerweise in eine bestimmte

Richtung deuten. Mir ist jeder Glaube an das

Gelingen vertrauter Wünsche und was ich

früher hoffte, schaffen zu können, abhanden

gekommen. Eine bittere Pille, die ich mit

jedem Wachwerden schlucke, heute wird

wie gestern sein. Es gibt laufende Projekte,

als hätte ich Kühe zu füttern und müsste

melken, weil sie eben da sind. Andernfalls

würden meine Tiere brüllen, verwahrlosen

und sterben. Eine Kunst, die von „nicht

anders können“ kommt. Die Bilder sind

Kinder, denen gegenüber ich verantwortlich

bin. Ein Teil vom System wie Familie, Haus

und meine Jolle, die im Winter geschliffen,

gemalt und lackiert wird. Da wären

andernfalls „Bergprobleme“, Pflichten, die

sich auftürmten wie nichtbezahlte Rechnungen,

ein Fenster im Dachgeschoss, das ohne

Konservierung gammelte, der Müll,

den man rausträgt, solche Sachen.

Natürlich, irgendwann startet ein Maler

mit einem Bild, und dann scheint

ja ein Ziel ins Auge gefasst zu sein, es

auch zu beenden? Das ist unwichtig

geworden. Es wird sowieso fertig.

Man stirbt nicht so einfach, dafür bin

ich zu jung.

Natürlich war früher alles anders. Ich

beschreibe es nur, weil es auch geht,

ohne dieses Unternehmerdenken

kreativ zu sein. Die modernen Schlagwörter

von der „Innovation“, dass man

erreichen könne, was man nur wolle,

nach vorn schauen müsste? Das

mache ich nicht. Mein Leben ist das

eines Baumes, der seine Wurzeln dort

schlug, wo das Leben ihn hinpflanzte.

Ich treibe noch weiter aus. Dazu

muss ich nicht wohin schauen.

Ich gehe nie fort, laufe nicht weg

und möchte nichts anderes sein,

ein Vogel oder sonst wie ein

neues Leben beginnen. Jeder Tag

erscheint mir neu, bietet einige

Wege und die, die ich nicht gehen

kann, scheinen noch wieder fester

zugenagelt. Ich füge mich in mein

Baumsein.

Die letzten

Jahre waren

von Kummer

geprägt. Noch

immer wirkt

nach, wie viel

besser sich das

jetzt anfühlt, hier zu sein.

Die zu Tage tretenden

Details, was andere

machten, um ihre Ziele

über meine hinweg zu

erreichen, und wie mich

das beschädigte, ich mich

wehrte? Ein Kampf gegen

einen nicht fassbaren

Feind von wechselnder

Größe, der in verschiedenen

Gruppen agiert, vermutlich mit unterschiedlichem

Motiv unterwegs, trotzdem

summiert – diese Opposition? Das

interessiert mich nicht mehr.

# Unkraut

Ich schlage reale Gegner, bin der

Baum im Mai, und wenn man mich

für einen Don Quijote hält, egal.

Paranoia unterscheidet sich vom

erkannten Feind, weil der Flügel einer

Mühle Widerstand bietet. Moby

Dick ist ein Wal, und du kannst eine

Harpune hinein bohren. Untergang,

absaufen und nebenbei zu

Ertrinken, sind durchaus erwünscht.

Eine Fata Morgana kann keiner angreifen,

Schattenboxen in der Dunkelheit ist für

kleine Mädchen. Ich bin eine Provokation,

allein durch mein Hiersein. Saatgut aus dem

Nachbarort, leicht anzupinkeln? Teeren, federn,

den spinnerten Künstler mal eben vom

schönen Feld zu jagen, klappte nicht.

Man muss völlig skrupellos sein, zu verletzen

und anschließend keinerlei Reue

zu empfinden? Genau so ist es heute bei

mir. Ich habe keine Empathie für andere.

Ich kann zutreten ohne Reue. Das ist nur in

Form von Selbstmitleid belastend, dumm,

es nicht vermieden zu haben. Dazu kommt

das Gefühl von Verlust. Es gab eine Zeit, die

emotional reicher war. Ich armes Opfer der

bösen Welt: Früher glaubte ich an Werte,

hatte Mitleid mit Hilfsbedürftigen, habe

Freundlichkeit und Liebe empfinden können.

Nie wieder kommt etwas an mich ran! Ich

erwürge meine Beziehungen und drücke mir

die Luft zum Atmen ab, statt Interesse für

andere zuzulassen. Jemand malt? Wie schön.

Mir doch egal. Mich inspiriert niemand, weil

ich es nicht will, kreise, bis es Herumtraben

in der eigenen Zelle ist, ich müde bin und

wieder eine Nacht beginnt. Morgen kommt

dann ein Tag, der

genauso ist. Mit

Spott grinse ich

zurück, wenn eines

der Honigkuchenpferde

am

Wegesrand steht.

Ich habe meine

Bilder und bin

stolz darauf.

:)

Jan 28, 2022 - Es ist immer Mai 8 [Seite 8 bis 8 ]


Bridget

Jan 29, 2022

Bridget Fonda, Erinnerungen an früher.

Sieben Monate vor mir, am 27. Januar 1964,

wurde Bridget geboren. Die schönste Frau

überhaupt, fand ich, als Anfang der Neunziger

„Weiblich, ledig, jung sucht …“ im Kino

kam. In „Singles“ aus dem selben Jahr sah sie

aus wie Uli. Ich war durchaus normal und

musste keiner Schülerin hinterher gaffen,

weil diese so viel jünger gewesen wäre. Ich

hatte gerade mein Studium

beendet, war 27 Jahre alt,

als ich im Herbst nach Chicago

flog. Au-pair Besuch

(eigentlich: Blankenese). Ich

zeichnete Barrett Deems,

immerhin, aber mit der Liebe

war es nichts. Uli hat am

17. August Geburtstag, das

vergesse ich nie. Es ist die

Generation von Piet, Niels,

Tascha oder Kocki, enge

Freunde vom Segeln, ein

wenig nach mir geboren.

# Schockbild

Nachdem gestern dieses

Foto von Bridget Fonda

in den Nachrichten kam, habe ich heute

Morgen zwei Dinge festgehalten. Eine Skizze

davon – im Menü „Köpfe“ eingestellt – und

ein Selfie von mir, ein wenig coronamäßig

verzottelt. Auch ich werde 58 Jahre alt. Das

fotografierte ich vor meinem aktuellen Bild

im Atelier. Ich bin nicht krank, denke ich. In

das Mädchen aus dem Film würde ich mich

sofort wieder verlieben.

:)

Jan 29, 2022 - Bridget 9 [Seite 9 bis 9 ]


# Charakter?

Feinde, Streit, das ist ein Teil

der Welt. Abwehr nach außen,

Angriff gegen einen Feind,

verbale Auseinandersetzungen

einzelner und Nachbarschaftsstreitigkeiten

kennzeichnen

unser Dasein, nicht zuletzt der

Krieg ist menschlich. Kampf

innen, im eigenen Leib gegen

den Krebs oder innerhalb der

Ehe, sich zu streiten, ein Bürgerkrieg

im eigenen Land, sind

Realität unserer von Beziehungen geprägten,

sozialen Struktur. Druck und Abgrenzung

sind typisch für Systeme überhaupt.

Jeder hat Feinde.

Der Charakter entwickelt

sich in der Haltung dazu.

Nichts merken wollen,

kann nur Ärger geben. Über

jedes Stöckchen springen

auch. Die individuelle

Lösung ist das Entwickeln

von Persönlichkeit.

:)

Scheidung! Sie hätten sich nie gestritten,

und das sei ihr erst nach der Trennung

aufgefallen, meint eine Bekannte, die ich

wiedergetroffen habe. Sich streiten können,

gilt als Qualität. Gerät es aber

regelmäßig zu heftig, ist es auch

ein Trennungsgrund. Zu zweit

gewinnt der Mensch Stärke (in

einer Partnerschaft),

und das ist einer der

Gründe, warum wir

heiraten. Gestern

war ein beliebter Tag

dafür. Das Datum,

der zweite Februar

in der Kombination

mit dem Jahr, regt

einige dazu an. Die

statistisch erfasste

Wahrscheinlichkeit,

dass an einem

derartigen Supertag

geschlossene Ehen

häufiger geschieden

werden, schreckt

viele nicht ab.

Keine Feinde, keine Kekse

Feb 3, 2022

„Hast du keine Feinde, dann hast du keinen

Charakter.“ Paul Newman, Schauspieler –

Zitat des Tages, Schenefelder Tageblatt vom

Dienstag, 1. Februar 2022.

Was ist ein Feind?

Zwei Polizisten wurden erschossen. Schock

nach „Hinrichtung“ lautet die Schlagzeile

vom selben Tag auf der Titelseite. Die

Polizei findet ihren natürlichen Feind im

Kriminellen. Man kann die Rechtsstaatlichkeit

nicht verteidigen, ohne auf Gegner zu

stoßen. Auch der normale Bürger tritt für

Rechte ein, seine eigenen, und gelegentlich

definiert er, was insgesamt richtig wäre und

handelt im Glaube, für alle zu sprechen.

Zivilcourage oder Selbstjustiz können dabei

herauskommen. Nach der Tat ist vor der Tat;

die Gewaltspirale endet nur durch bewussten

Verzicht auf Rache. Die Bandbreite der

Feindseligkeit reicht vom kritischen Blick bis

zum harten Angriff, der zum Tod führen kann,

und vielfältig erscheint uns der menschliche

Charakter. Ein Wort, was soll das heißen?

Wenn also Streit, Kritik und

Widerstand, Auseinandersetzungen

ganz normal für uns sind,

banale Abgrenzungen im Alltag

unerlässlich für das Selbstbewusstsein, warum

gilt es als Qualität, Feinde zu haben? Es

gibt charakterlose Menschen, farblose oder

finstere Typen, die unscheinbar wie unangenehm

daherkommen und keine Beachtung

finden. Diese scheinen eine Einstellung zur

Umgebung entwickeln, die ihnen ermöglicht

nicht anzuecken. Das könnten Mitläufer sein:

„Das finde ich auch“, sagen sie meistens oder

unauffällige Kriminelle, die lernten, ihr Ding

ohne viel Aufhebens zu machen. Schäbig

und schleimig, aalglatt sind die

Gesichtslosen. Kantig sollten

echte Charaktere sein!

# YouTube hat den Like- und

Dislikedaumen kastriert, eine gute

Idee?

Empört:

„Wir wurden noch nie verprügelt!“,

beteuern die beiden Alten vor

Gericht. Das hat die Richterin

nicht beeindruckt. Leicht belustigt ist ihre

Reaktion sogar. Sie bleibt kalt. Hat sie

es nicht geglaubt? Es ist die unfreiwillig

komische Rechtfertigung, eine Anzeige und

ein Verfahren anzustreben, zeigt es doch

den dümmlichen Ansatz, damit imponieren

zu wollen, noch nicht verhauen worden zu

sein? So rechtschaffen sind wir!

Feb 3, 2022 - Keine Feinde, keine Kekse 10 [Seite 10 bis 10 ]


Zeit zu verschenken

Feb 5, 2022

Das Trauma, sich vor anderen zu fürchten,

ist weit verbreitet. Es schafft Mitläufer und

psychisch kranke Menschen. Dazu kann

angenommen werden, dass nicht wenige

körperliche Beschwerden ihre Ursache darin

finden, Angst zu haben. Angst gilt aber nicht

als eine mechanische Beeinträchtigung,

sondern wir verstehen sie als Gefühl. Was

ist eine Emotion? Sich zu fürchten, hat

unterschiedliche Gründe, ist individuell und

überlebenswichtig. Nehmen wir an, jemand

erkrankt wiederholt psychisch und irgendeine

Diagnose gibt diesem zugehörigen

Verhalten seinen Namen, so wird noch Angst

dazukommen, das Problem entwickelt zu haben

und sich auch davor zu fürchten. Prinzipiell

ist jede soziale Störung angesiedelt, wo

die Umgebung das Denken eines Menschen

kontrolliert und gedeihen kann wie ein

hineingesätes Virus. Andere probieren, über

uns hinweg zu bestimmen und fordern uns

zu manchem auf. Unsere Persönlichkeit ist in

ihrer Individualität dort zu finden, wo wir die

Wahl behalten, nein zu sagen oder delegieren

können. „Ich mache es später“, antwortet

ein freier Geist abgrenzend und vielleicht

bleibt noch die Alternative, Geschwister,

Kollegen oder Fremde zu finden, die sich

gern einbringen und sei es bezahlt.

Unsichere Menschen, die deswegen vermutlich

die verschiedensten Störungen und

Krankheiten bei sich begünstigen, könnten

lernen, ihre traumatischen

Befürchtungen in den Griff zu

bekommen. Der Anfang kann

nur sein, Furcht als das allem

zu Grunde liegende Problem

überhaupt zu bemerken. Und die

Lösung, wenn jemand versteht,

sich zukünftig abzugrenzen, wo

es bislang beinahe unbemerkt

weh getan hat, zu gehorchen,

ohne das zu müssen, wird neue

Probleme auf den Plan rufen. Das

ist ein ohnmächtiges Begreifen

der eigenen Unbedeutsamkeit

in dieser großen Realität und

totaler Vertrauensverlust. Mit

dem Verstehen, sich abgrenzen

zu müssen und Wege dafür

gefunden zu haben, beginnt die

Einsicht wie ein Himmelskörper

dem andauernden Beschuss von

Meteoriten ausgesetzt zu

sein. Bis ein Mensch die

Sportlichkeit anderer erlernt, Anwürfe

und Forderungen wie einen Ball

zu fangen oder zurückzuschlagen,

braucht es Zeit.

Mit dem Begreifen unserer Individualität

geht eine neue Definition von

Vertrauen einher. Fremden folgen,

bei ihren Ansichten mitzugehen,

wird zukünftig dem eigenen Ziel

untergeordnet. Nützt mir dieses

Gegenüber, habe ich gerade Zeit,

zuzuhören, schenke ich jemandem

Vertrauen? Dann aber unter der

Prämisse, es niemals blind und vollständig

zu tun. Ein gesunder Mensch

behält die Oberhand über seine

Furcht und findet in dieses Verhalten

zurück, wenn Stress verhindert, entsprechend

gereifter Einsicht zu handeln.

Erziehung sollte sich zum Ziel

nehmen, diese Prozesse als eine sportliche

Einstellung zum Leben frühzeitig zu festigen,

bei denen, die uns anvertraut sind. So auch

im großen Rahmen des Staates, wo die

Bürger und Bürgerinnen sich der Verwaltung

des Gemeinwesens anvertrauen (müssen).

Nicht wenige werden derzeit als spätpubertierende

Querulanten dargestellt. Ein

gefährlicher Denkfehler, diese Menschen zur

vermeintlichen Klugheit

zwingen zu wollen, weil

man als erwachsener

Mitbürger begriffen

habe, was selbstverständlich

sei. Die große

europäische Freiheit zu

verspielen, wäre fatal.

Unsere Werte höhlen

wir von innen aus, wenn

der Anteil Blockierender

eine Dimension erreicht,

die der voran machende

Teil nicht länger mitnehmen

kann oder will.

Eine Grenze um Europa

herum zu definieren,

bedeutet unbedingt und notwendigerweise,

den europäischen Bürger zu allererst

als solchen sichtbar zu machen. Wie sieht

europäische Vielfalt aus, die sich mit all

ihren Stimmen als selbstbestimmte Einheit

empfindet? Das wäre zunächst eine Arbeit

nach innen hin, die getan werden muss; Integration

abweichender Ansichten ist besser,

als unnötige Fliehkräfte anzufeuern. Die

osteuropäischen

Staaten

werden

ebenso

Identität

benötigen

wie der Kern

von Europa,

der sogar

damit hadert,

wie es mit

den Briten

zu halten sei.

Da macht es

keinen Sinn,

dem Bestreben

amerikanischer

Interessen

nachzuplappern.

Deutschland

sollte sich

auf die Freiheit des Einzelnen konzentrieren

und seine Einheit in integrierter Vielfalt

finden. Da kann doch jeder quer, diagonal

und geradeaus oder anderweitig kreativ

mithelfen. Ein neues Vertrauen in eine neue

Welt benötigt Zeit. Muße zu verschenken, ist

des Künstlers liebste Beschäftigung.

:)

Feb 5, 2022 - Zeit zu verschenken 11 [Seite 11 bis 11 ]


Was sagt Onkel Gerd dazu?

Feb 8, 2022

Mehr als tausend Worte wären in einem Bild

verborgen, heißt es. „Biden droht mit Aus für

Nord Stream 2“, lautet die Schlagzeile heute

Morgen. Dazu zeigt die Tagesschau unseren

Kanzler wie einen schlappen Dackel. Der

hält hilflos den Kopf gesenkt, wirkt bedröppelt

mit Hängeohren neben dem aalglatten

Amerikaner. „Wuff“, macht der deutsche

Dümmling gerade, denkt man – schietert

in die Büx? Nimmt man Biden auf

dem Bild die Akte aus der Hand, fällt

es leicht, dort einen Revolver zu sehen.

Und man weiß, wie leicht diese Dinger

versehentlich losgehen im Land der

unbegrenzten Möglichkeiten. Liest der

geneigte Betrachter dieser Szene, was

unter dem Bild steht, schaut auf die

Körpersprache … bleibt wohl nur die

Frage: Wem droht er denn, der Biden?

Das wird Onkel Gerd gar nicht gefallen,

mag Klein-Olaf denken.

:(

Feb 8, 2022 - Was sagt Onkel Gerd dazu? 12 [Seite 12 bis 12 ]


Schade

Feb 9, 2022

„Muss krank sein, gefährlich womöglich?“,

es gibt Menschen, die mit diesem Filter

auf andere sehen. Sie hoffen, die Abartigen

nicht nur aufzuspüren, sondern Belege und

Fakten aufzeigen zu können, und das scheint

ja gute Polizeiarbeit zu sein. In der Doku

über einen Vermisstenfall, welcher letztlich

mehrere kapitale Verbrechen zu Tage

brachte – der Hartnäckigkeit ehemaliger

Ermittler geschuldet, die nicht locker ließen

– berichtet einer, er habe dem Täter in die

Augen gesehen: „Kühlschrank.“ Das möchte

der Kopf einer selbsternannten Bürgerwehr

in irgendeinem Kaff gern erleben?

# Und dann Held sein

Eine Bürgerwehr hat keinen Kopf. Das ist

das Erste. Das ist eine mobbende Truppe

möchtegeiler Arschlöcher in wechselnder

Formation. Der zweite Fehler dieser Haufen

besteht darin, dass sie das Böse zunächst

provozieren müssen, um als

Retter glänzen zu können.

Ich habe nicht wenige Menschen

(und zahlreiche Details

ihrer traurigen Lebenswege) in

psychiatrischen Einrichtungen

kennengelernt. Natalie, 32 Jahre

alt, die deutlich jünger wirkt:

„Ich habe dem Polizisten auf den

Fuß getreten.“ „Da hattest du

hoffentlich Stöckelschuhe an“,

sage ich.

„Pantoffeln. Ich war im Bademantel.“

Mein Freund hat Suizid begangen,

nachdem er, auch etwa in

diesem Alter (erneut unglücklich

verliebt), abgewiesen wurde. Dem waren

bereits viele latent schizophrene Jahre vorausgegangen.

Einer dieser bedauernswerten

Menschen, die, nachdem sie erkrankten, den

Ausgang in die Normalität nicht wiederfinden.

Glücklicher dran mögen welche sein,

deren Psychosen kurz und heftig ausfallen.

Dann wirkt das typische Medikament regelmäßig

gut.

Das Mädchen, die Naive aus meinem

Bekanntenkreis, die seinerzeit nicht recht

wusste, wie umgehen mit ihm, ist heute erwachsene

Frau und selbst schwer erkrankt.

Was Normale halt so haben, die Volkskrankheit

mit dem „K“; sie rede offen darüber,

meint sie. Das fällt wohl vergleichsweise

leicht, denke ich (und sage es nicht). Auf die

Vergangenheit angesprochen lapidar: „Ich

kannte ihn nur kurz, und dann hat er sich ja

auch gleich umgebracht.“ (Haha).

Mir tut das weh, aber ich lasse es mir

normalerweise nicht anmerken.

Ich bin nicht in Pantoffeln, wenn ich

zutrete. Und durchaus bei Verstand;

ich weiß, wen ich verhaue

und warum. Tatsächlich fühle ich

mich grundsätzlich frei von Angst

heute. Ich habe auf alle wesentlichen

Fragen, die ich mir in den vergangenen

Jahren stellte, meine Antwort

bekommen. Ich bin fertig damit, die

anderen nicht? Unsere (wie ich meine

nicht selten konstruierten Zufälle des

Zusammentreffens) Begegnungen, die

ich erlebe, oft auf der selben Strecke,

sind albern wie was: Marianne, Gerd,

Helmut und der arme Willy – was wollt ihr?

„Immer in die Fresse!“, so etwa hat es Andrea

Nahles ja einmal vorgegeben, hier aber (erwartungsvoll)

andersherum, um dann „seht

ihr’s!“ sagen zu können, glaube ich.

Und es stimmt, das ist der Stil dieser Partei:

Diese Sprache versteht der einfache Arbeiter?

# Sozial

Der Mensch sei gut und hilfreich denken

viele, böse sind nur unsere digitale Marktplätze.

Sie müssten in die Pflicht genommen

werden. Die asozialen Medien wären schuld,

sagen nicht wenige: Es gibt Menschen, die

schreiben Hassmails? Das habe ich noch nie

getan. Leute verabreden sich auf „Telegram“?

Ich kenne diese Plattform und alle anderen

nur aus der Presse. Meine Freunde telefonieren

mit mir, ganz altmodisch. Es gibt Stalker,

die schreiben hunderte

Mails täglich an die Ex

– das machte ich noch

nie. Ich schrieb eine

gute Handvoll E-mail,

die nicht beantwortet

wurden. Ich fragte

Willy, Kalle, was ist los?

Ich war ihr Hanswurst

plötzlich, ach so.

Kreativ, „Malen hilft“,

das ist ein Bild.

Dann malte ich also

meinen Gewaltporno

und stellte ihn online.

Unter den Augen meiner

Frau und denen meines heranwachsenden

Sohnes malte ich drei Wochen lang die

tolle junge Frau, die einige Male zu Besuch

war, mir viel schrieb und ich ihr, und der man

riet, auf Abstand zu gehen.

Das hat eine Blase zum Platzen gebracht.

Das hat meine Ehe belastet.

Noch mehr Schuld habe ich auf mich geladen,

auf dem Parkplatz vom Supermarkt. Ich

kann das zugeben. „Er sprang über eine Hecke

aus dem Nichts“, steht (mich) belastend

in der Akte. Da ist nicht nur kein Nichts, es

gibt auch diese Hecke nicht. Ein Marktleiter

musste gehen, ein Mitarbeiter noch dazu

und der Lügner dreht feist auf: Da steht so

viel Scheiß, dass diejenigen die’s zu Papier

brachten, sich schämen sollten. Davon merke

ich nichts. Ich habe meine Strafe freudig

hingenommen, das dazu. „Ich gehe offen

damit um“, sage (frech) auch ich und bin

nicht krank.

Ich bin zufrieden.

Längst erledigt, Jahre sind vergangen.

Meine Erinnerung ist detailreich und muss

nicht aufgebauscht werden. Der Gute in diesem

Spiel (wenn es überhaupt einen gibt),

das bin ich, nicht andersherum. Ich schäme

mich nie wieder für gar nichts, so weit ist

es gekommen. Wenn so viele Menschen

so frech lügen müssen, um das gute Opfer

darstellen zu können, verdient der dümmste

Kopf von ihnen seine Kloppe, finde ich. Aber

der Fisch stinke vom Kopf, heißt es ja. So

nützt es wenig,

dem auf den

Schwanz zu treten,

auch wenn

dieser die Form

eines Kopfes

hat. Meine

Grenze; ich trat

drüber – und

kam nicht weit

genug.

# Schade

Ich färbe meine

Haare nicht,

war früher rothaarig

und bin

es noch. Das

ist ein Kalauer,

den einige

verstehen, die

ich Freunde

nenne …

:)

Feb 9, 2022 - Schade 13 [Seite 13 bis 13 ]


Das elfte Gebot

Feb 10, 2022

Kreative Visionen: Achtung (!) – Satire. Die

Fleischtheke ist infiziert. Der fette Schlachtersmann

humpelt schlecht im eigenen

Theater. Fröhlich! Dem glaubt man nichts

mehr. Solche kommen noch in die Wurst,

denke ich und improvisiere ein elftes Gebot:

„Du darfst unfreundlich sein.“ Wozu benötigt

Schenefeld einen Stadtkern, fragt man sich,

bei der armseligen Einfalt? Das ist nicht

Edeka, zweimal Wurst ist unsere

Vielfalt. Wir haben schon ein

Stadtzentrum, aber das sind

blecherne Buchstaben an einer

verwaisten Shopping-Mall. Nicht

mehr als eine Behauptung also.

Die Kirche bleibt im Dorf dahinten.

Stephan (Namensgeber und

gesteinigter Märtyrer) lehrt uns,

kritisch hinzuschauen. Paul hat

im Norden gesiedelt, und der

neue Stadtkern für Schenefeld

ist allenfalls eine Behauptung

zwei Punkt null. Wenn alles

fertig ist, haben Investoren

Wohnblöcke rundherum aufgestellt.

Schlossallee, Monopoly.

Die Ereigniskarte sagt es voraus,

mein Orakel warnt mich: Gehe nicht über

Los, ziehe nicht 4.000,- ein. Geh’ direkt in das

Gefängnis und bleibe gern. Ich sehe es in der

Kugel, Christiane wird von der heimischen

Spezialistin für Nichtflachwerke, Ingrid, monumental

in Beton gegossen und an Stelle

der Luninezbrücke in den neuen Grünstreifen

der LSE platziert. Überdimensional und

eventuell vergoldet muss das Monument

schon sein.

Ha – ha.

:)

Feb 10, 2022 - Das elfte Gebot 14 [Seite 14 bis 14 ]


Klappe!

Feb 11, 2022

Aus der Zeit als mein Sohn noch kleiner war,

aber schon so groß, mit mir ein Steak unter

Männern zu essen, erinnere ich einen Abend

am Tresen in Othmarschen. Das Block House

ist am Bahnhof. Es war recht voll. Unser Besuch

dort ist lang vor dem nun alles bestimmenden

Virus gewesen. Wir bekamen einen

Platz ganz rechts am gebogenen Rand einer

Theke, wo man auf Barhockern nebeneinander

Platz nimmt. Links von mir, ich erinnere

es noch, waren ein oder zwei Plätze belegt,

rechts saß mein Großer, und dann blieb wohl

eines der extra höheren Stühlchen leer. Der

Fußboden ist stufig angehoben, je weiter

man in diese Ecke kommt. Das erweckt mit

kleinen Fenstern nach draußen

den Eindruck, im Séparée

zu dinieren – obschon

einige Gäste unterkommen.

Eine größere Kapitänskajüte,

der Bereich für Unangemeldete

oder Stammgäste, wo

immer mindestens ein Platz

frei ist. Die gute alte Zeit vor

der Pandemie: Es gab noch

keine Aerosole. Dicht an

dicht lebten wir Fleischfresser

früher. In der Ecke hatte

eine alte Dame scheinbar

ihren Stammplatz. Eingenistet,

aber nicht eingemottet:

Ein frisches Inventar, aufgetakelt wie ein

besonderes Gewächs, gab sie eine gealterte

Diva. Die lebhafte Seniorin unterhielt den

gesamten Bereich mit

fröhlicher Selbstdarstellung.

Rundherum war

alles dicht besetzt;

Tische gedrängt in

Nischen, und Menschen

drängten

sich in den Ecken

des gemütlichen

Restaurants.

Beschreibung: An

der Wand hängen

Jacken, Mäntel,

eine kleine Garderobe

steht auch

noch dazwischen.

Es ist Schmuddelwetter

draußen.

Kleine Lampen

verbreiten warmes Kneipenlicht, aber

gehoben ist das Ambiente; schön

dekoriert. Gäste gehen, andere kommen

und Biergläser glänzen, goldig

gefüllt. Werbung, Speisekarte, alles

folgt dem Konzept moderner Verkaufsstrategie.

An jedem Platz liegt

ein bunt bedruckter Papierbogen, auf

dem das Essen platziert wird. Die

Steaks haben grobkörnigen Pfeffer

drauf, der bekannte Salat; wer diese

Restaurants mag, kommt hier voll auf

seine Kosten. Dem Gast wird serviert,

was der typische Kunde denkt, genau

hier zu erleben. Maßgeschneiderte,

auf die Zielgruppe konzentrierte Abspeisung

– in flottem Tempo versteht

sich. In einem Block House habe ich

noch nie schlecht gegessen, wurde

immer und ausnahmslos freundlich

und humorvoll bedient. Das ist nicht

als verdeckte Werbung hingeschrieben.

Mir gefällt als Sohn eines Einzelhändlers

die gelungene Präsentation in

zahlreichen Dependancen. Das dürfte nicht

ganz einfach sein.

So war das, wie gesagt vor Corona, und ich

gehe schon lang nicht mehr ins Restaurant,

bin weder zwei, noch drei, sondern nur

„Gar-kein-G“. Noch hat mich das Virus nicht

erwischt. Oder doch? Dann war ich krank,

ja vielleicht bin ich es gerade und weiß es

nicht. Jeden Tag, wenn ich am Testzentrum

vorbeigehe, stehen Menschen an. Manchmal

ist die Schlange auf der Hühnerleiter vorm

Staddi so lang, dass Leute in Schulklassenstärke

draußen auf der Treppe auf den Test

warten. Sie wollen wissen, ob sie krank sind?

Das muss ja eine schlimme Seuche sein, die

uns von der Arbeit befreit, und dass noch auf

Anweisung von oben. Man merkt nix, aber

das Gerät

beweist,

wie nötig

alles ist,

was wir

tun.

Mein Spott

ist unsolidarisch,

natürlich.

Ich bin zudem

noch

penetrant,

rede, bis

andere

genug davon haben. Ich weiß das. Dazu

kommt, ich schneide einige Mitschenefelder

komplett, sage hier nun wieder gar nichts,

nicht einmal guten

Tag und wechsle

die Straßenseite,

um ihre blöden

Fressen nicht

anschauen zu

müssen. Hassbeziehung:

Ich ätze,

bin Spinner und

gehe einigen auf

die Nerven, verärgere

nicht wenige

– und rege wieder

andere an, sich

weidlich darüber

zu amüsieren, mich

verarschen zu können.

Das ist mein

Spiel. Das habe ich

mir ausgedacht.

Die alte Dame im Block House hat mitgeholfen,

diese Strukturen zu kreieren, in denen

ich mich heute auskenne. Der Mensch konstruiert

sich seine Umgebung, die zunächst

ein Chaos darstellt. Er suchte Höhlen, die

ihm Schutz gegen das Wetter geben konnten

und verfeinerte diese bis hin zum modernen

Restaurant mit Service. So ist es auch

mit unserer Erwartung von dem, was uns

draußen erwartet. Wir informieren uns über

die Wetterlage, und wir versuchen herauszubekommen,

was andere über uns denken.

Das hilft, sich zurecht zu finden. Letztlich

weiß keiner, warum unser Hiersein auf dem

blauen Planeten nötig ist oder doch?

Heute Morgen stand ein heller Lichtpunkt

über dem Dach im Südosten, als ich früh

zur Zeit bereits beginnender Dämmerung

ins Atelier kam. So hell habe ich die Venus

noch nie gesehen. Es war leicht zu googeln.

Tatsächlich, morgen, am zwölften Februar,

erreicht dieser Planet seine größte Helligkeit

in dieser aktuellen Phase. Ich hatte mich

nicht getäuscht, das ist die Venus, die ich

sah. Oder nicht? Ich verlasse mich auf die

Suchmaschine, die Webseite der Sternwarte

Bochum, die zufälligerweise oben in der Liste

der Ergebnisse informiert, was im Februar

am Himmel passiert. Es wird wohl stimmen.

Ich habe diesen schönen Morgenstern schon

oft beobachtet. Ich weiß ihn auch am Abend

zu erkennen. Mehr Licht geht nicht. Die

anderen können nicht mithalten, wenn die

Venus erstrahlt. Dabei ist dieser Planet nur

als Sichel unterwegs, weil der aufregende

Wandelstern innen zur Sonne seine Bahnen

nimmt. Hell wie ein Flieger im Landeanflug

auf Fuhlsbüttel, mehr sogar. Wenn man

nicht informiert ist, bleibt diese Angst, es

könnte auch etwas anderes sein, das droben

aufleuchtet, und vielleicht droht Gefahr?

Ein schnell näher kommender Meteor, der

in wenigen Stunden alles Leben auslöschen

könnte, das müsste ähnlich aussehen. Habe

ich gedacht, heute Morgen. Google beruhigt

irgendwie. Du stellst eine Frage und weißt

gleich mehr.

Manche sind so klug und halten immer die

Klappe. Sie machen alles mit sich selbst aus.

Andere schweigen dickfellig, lassen dich

hängen wie Kalle, wenn die größte Not zum

Fragen zwingt. Und ich schweige erst heute,

weil ich das scheinbar später gelernt habe

als andere, die Schotten dicht zu machen.

Mit Christiane rede ich kein Wort mehr, und

sie tut es mir gleich. Ihr letzter Versuch

(verzagt und probeweise) „… hallo John“

zu sagen – das liegt Jahre zurück. Ich bin

Feb 11, 2022 - Klappe! 15 [Seite 15 bis 16 ]


einfach wortlos abgebogen, durch die offene

Kirchentür, und habe sie auflaufen lassen.

Was für ein Genuss, zu registrieren, wie sich

diese Ziege auf die Lippen beißt. Mit Kalle

und Guddi habe ich es auch so gemacht;

und Irakli brachte uns den Wein und ihnen

den ihren am Nachbartisch. Funkstille. Den

Kunstkreis blamiere ich, wo ich kann, aber

die Tanten sind zu doof, es zu verstehen. Sie

werden denken, John sei krank. Das finden

manche, und ich denke es von ihnen.

Das ist schon ein Gefühl von Verlust.

Mir hat gefallen, viele zu kennen und

freundliche Beziehungen zu pflegen. Gesünder

ist es heute. „Zwei Falsche weg“, heißt es

im Fifty-fifty bei Jauch, und ich entwickelte

meine Methode, Menschen aus der inneren

Adresskartei zu kicken. Ich quatsche drauflos,

bis mir klar wird, woran ich mir beim

Gegenüber bin. Das klappt viel besser, als

schweigend stark wirken zu wollen.

Ich will nicht

wirken, das ist

mir egal. Als

Politikerin musst

du wirken wollen.

Als Künstler

müsse man

„können“, heißt

es, nicht wollen.

Ich mache

keinen Wullst.

Der Wullstbug

ihrer Einbildung

ist der

Schutz derer, die

Politik aushalten

müssen. Darum

wurde Kohl fett

(und Schröder).

Angela zitterte

schließlich, sie

hat nie genug

gefressen? Habeck ist auf dem besten Weg,

ein guter Grünkohl zu werden. Und vielleicht

ist die Schöne aus Schenefeld stolz

darauf, schlank zu bleiben? Unbedeutende

Menschen können auch leichterdings (ein

schönes Wort an dieser Stelle, finde ich)

dünner bleiben als zum Beispiel Kanzler und

-rinnen.

ladene Formulierung vermieden. Der Mann

sagte: „Rotterdam wurde von Rotterdamern

aus den Trümmern gebaut … usw.“ Nicht

nur, dass ich stutzte, weil ich begriff, man

schreibt es mit nur einem „m“, nein, schon

ganz automatisch hörte ich mich innerlich

(in guter, neuer Nachrichtensprache)

voraustexten

„Rotterdam wurde von

Rotterdamern und Rotterdamerinnen

gebaut.

Oder umgekehrt? Frauen

und Kinder zuerst!

Mit doppeltem „m“

donnerte es noch besser

durch.

Die alte Dame im Block

House hatte Geburtstag

an diesem Tag. Das

Personal wusste davon

und überraschte die

Neunzigjährige

mit einem Extramenü,

das sie

gratis bekam.

Vielleicht war sie auch (erst) zehn

Jahre jünger an diesem Tag (?) –

egal, das muss ich nicht belegen.

Ihren Namen habe ich vergessen,

obwohl wir sie gefragt haben. Die

war nämlich putzmunter und geradezu

ein Star an diesem Tresen.

Sie schien oft zu kommen.

„Wer nicht redet, erfährt auch

nichts“, meinte sie (direkt und

fröhlich, unverblümt wie hingezwinkert)

zu mir.

Dafür bin ich ihr bis heute dankbar!

:)

# Schauen wir mal, was Olaf auf die Waage

bringt

Ich habe einen aus der Partei vor Ort

getroffen und war überrascht. Der

war immer dünn wie ein Windhund

gewesen. Kantiges Gesicht, Kinnlade

eckig, sarkastische Lachfalten mit

Ecken, hart, ohne weiche Halbtöne ins

Gesicht gezogen, so kennt man den

Mann. Grader Rücken wie ein Brett,

scheinbar ohne Hals unterwegs. Da

hatte sich erkennbar was geändert,

hinten noch Brett, ja, aber vorne:

„Fett geworden?“, ich bin frech wie

gewohnt. Die Antwort überrascht.

„Ist auch nicht immer alles so ganz

einfach …“

Ach so. Einfach ist gar nichts. Gestern

hat sich unser Schenefelder Tageblatt

wieder einen modernen Fehler geleistet. Aus

möglicherweise kluger Überlegung wurde

auf das Gendern verzichtet. Ein Niederländer

wird zitiert, und da hat das Blatt eine über-

Feb 11, 2022 - Klappe! 16 [Seite 15 bis 16 ]


Elche oder welche?

Feb 13, 2022

„Ein kleiner Krieg in Europa“, das fände(n)

sie in Kalifornien gar nicht schlecht, meinte

meine Tante auf Besuch! Das war aber damals,

als Jimmy Carter (oder Ronald Reagan)

Präsident gewesen ist. Unruhige Zeiten

auch aktuell. Mit der neuen amerikanischen

Führung ist das Risiko einer Eskalation nicht

geringer als zu Zeiten von Donald Trump.

Das mag einige erstaunen. Das gegenseitige

Misstrauen wird spürbar, wenn es zum

Beispiel heißt, der Tisch, an dem Emmanuel

Macron und Wladimir Putin verhandelten,

wäre dermaßen lang gewesen, weil der

Franzose keinen russischen Test auf das

Corona-Virus akzeptiert habe. Macron hätte

Bedenken gehabt, die Russen kämen dabei

an seine DNA – was auch immer ihm das

bedeuten mag. Wenn also der französische

Präsident vorhaben sollte, in Russland ein

Kapitalverbrechen zu begehen, könnte die

Polizei sofort gegen ihn ermitteln, wenn sich

am Tatort entsprechende Spuren fänden?

Das wird es kaum gewesen sein, was den

Franzosen ängstigt.

Dies darf aber jeder von uns fürchten (der

schon polizeibekannt geführt wird), dass

versierte Kollegen an entsprechende Daten

gelangen, wenn man in ein Testzentrum

spaziert – oder nicht?

Es geht weniger darum,

wovor wir uns fürchten

dürfen, sondern ob es

reichlich Menschen für ein

handfestes Problem gibt,

das der Staat mit ihnen

hat; welche, die quer

denken, blockieren, nicht

arbeiten, krank sind oder

Terror verbreiten.

Impf- Staats- und Mehrheitsmeinung

sind das

erstrittene Recht der

Demokratie. Die anderen

fügen sich, haben das zu

tun. Wie geschieht das?

Einsichtig, deprimiert oder

wütend, wie viele müssen

nachgeben; das ist ein Faktor, den der Demokrat

bedenken muss.

# Mehrheit versus Minderheit?

Wer sich fürchtet, deswegen gar zornig wird

bei kollektivem Druck, sei ein Leugner der

Vernunft, ist die mehrheitliche Meinung.

Wer nicht dran glaubt und macht, was

„wir“ sagen, lügt und bestreitet so unsere

Intelligenz, meint die Masse; gefährlich! Wir

kennen die Wahrheit, und „deine“ verschworenen

Idiotie bedeutet zu lügen, sagen mehr

und mehr Menschen über weniger von ihnen.

Das ist pauschal

bedenklich. Es rüttelt

am Glauben, an der

Realität, verpasst

nicht wenigen den

Tritt, den man einem

dummen Köter gibt.

Man kann keine

Pflicht zur Klugheit

anordnen und

Menschen durch ein

Gesetz zur Vernunft

zwingen. Ziel muss

sein, den Anteil der Querulanten im Land locker

und klein zu halten. Es bedeutet, ihnen

Perspektiven aufzuzeigen. Druck verkleinert

diese Gruppe, komprimiert aber die verschworene

Haltung bis zur grundsätzlichen

Gewaltbereitschaft. „Mir ist ohnehin egal,

wie es weitergeht“, dürfte das Motiv sein und

muss also weder religiös noch rechts oder

links verordnet werden. Das ist pauschaler

Frust, scheinbar nicht bekommen zu können,

was die anderen haben, kombiniert mit

finsterem Misstrauen, krank. Beobachten,

verurteilen und sie einzusperren, macht diese

Menschen nicht gesund. Wollen wir das?

Niemand findet den Ausgang aus einem

Irrgarten, wenn andere die Türen noch von

außen vernageln.

Der Glaube an das grundsätzlich rechtmäßige

Tun unserer Polizei ist dem

Staatsbürger nicht selten

abhanden gekommen. Der

eigene Rückzugsraum,

unsere Wohnung, kann von

beinahe jedermann mit

entsprechenden Kenntnissen

observiert werden.

Transparenz mit all ihren

Konsequenzen ist Alltag

und sicher ein Grund dafür,

dass eine latent verstörte

Szene größer wird.

Der Trucker in Kanada,

ein handfester Typ, Teil

dieser skurrilen Blockade

gegen die Impfpflicht, die

an Rubber-Duck (Convoy,

1978) erinnert, sagt

mit Überzeugung: „Der

Impfstoff enthalte einen

Microchip“ – konstruiert,

Menschen abhängig zu

gängeln. Das hörte ich

in den Nachrichten. Ich

bin schon Lkw gefahren.

Da sind wohl einige, die

nicht damit klarkämen,

ein derartiges Gefährt

sicher zu lenken. Ein

Idiot schafft es jedenfalls

nicht. Kreativ sich

ausmalen, was alles

gegen uns unternommen werden könnte,

gilt nicht selten als paranoid? Macron und

dieser Lastwagenfahrer sind nicht verrückt.

Sie haben dieselben Befindlichkeiten, wenn

es um ihre individuellen Befürchtungen

geht – aber gegenteilige Positionen, wenn

Macron derjenige Präsident wäre, der über

den (kanadischen) Trucker bestimmte in

Frankreich. Macron möchte die Franzosen

zur Impfung zwingen, sein Land mit Energie

zügig aus der Pandemie führen.

Aber der mächtigste Franzose misstraut dem

russischen Präsidenten in dem Moment, wo

er Frankreich verlässt und fremde Mächte

sein Schicksal bestimmen könnten. Der

Mensch ist nur Mensch, und jeder empfindet

Furcht, wenn der eigene Einfluss schwindet.

# Ich habe in einen Terra-X-Beitrag hineingezappt

Es ging um Wälder, wie sie einmal waren

und den modernen Forst. Im natürlichen

Wald wären alle Pflanzen systemisch

verbunden, sagte der Sprecher. Das ließe

egomanisches Verhalten der Bäume (und

da stutzte ich schon, die machen das auch?)

nicht zu. Pflanzen sind zunächst einmal

teamfähig. Es wurde skizziert, wie ein

natürlich entstehender Wald zur starken und

gesunden Mischung findet. Das ist keine

Häufung einzelner Gewächse, sondern ein

vernetztes Ganzes. Ein Wald verstünde sich

als zusammenhaltendes Gebilde und regelte

die Größe, Dichte und Mischung seiner Teile

wie eine gute Gesellschaft zum Ganzen hin.

Die reihenweise zerstörten Monokulturen,

wenn ein Orkan die dichtgepflanzten „Baumsoldaten“

niederlegte oder die Anfälligkeit

dieser Nutzwälder, gegen Schädlinge hilflos

zu sein, wurde als Negativbeispiel künstlicher

Strukturen gewertet.

Auf menschliches Funktionieren übertragen

heißt es, dass die neuen Bedrohungen nur

aufgefangen werden können, wenn freies

Denken großzügig erlaubt bleibt. In der Konsequenz:

Meinungsäußerungen

stünden

wie bisher über dem

Schutz der Persönlichkeit

und nicht

umgekehrt. Ein bedenkliches

Thema. Wir

Spinner, die wir nicht

an die Gesetzeshüter

glauben, dürften uns

fürchten, aber auf das

Recht hoffen, wenn wir

straffällig wurden. Nie

Feb 13, 2022 - Elche oder welche? 17 [Seite 17 bis 18 ]


war die Chance auf gute Verteidigung besser

als heute! Es ist nicht naiv, dem Rechtsstaat

zu vertrauen. Es ist naiv, dem Polizisten an

sich zu trauen. Der einzelne kann schlecht

sein, der Versuchung erliegen, wenn er sich

einen Vorteil davon verspricht, anderen zu

schaden. Das nimmt sich nichts, im Vergleich

mit dem Straftäter, dem bösen Menschen.

Der Unterschied besteht in der Struktur, worin

sich eine Ordnungskraft bewegt und der

Umgebung, die Kriminelle sich suchen.

# Hoffnung

„Fürchte dich nicht“,

plakatieren einige Kirchen

zur Zeit der Pandemie. Ein

guter Rat. Gott hat das Fühlen

und Fürchten aber nicht

verboten, das wird gern

vergessen. Auf Hass und

Gewalt zu verzichten, ist

nicht mehr als ein Angebot.

Der Allmächtige, und wenn

nicht er, sondern die Natur

wie manche das ausdrücken

installierte keinen

Schalter am Lebewesen,

welchen dieses nach Belieben

betätigen könnte, um

nach Gutdünken negative

Emotionen und bedrohliche Visionen auszublenden

oder gar Suizid zu begehen nach

Wunsch. Ohne innere Auseinandersetzungen

mit unangenehmen Gedanken kommt keiner

davon.

Da ist niemand gut, auch die nicht, die es

von sich meinen. Wir erleiden einen dynamischen

Prozess. Zu leben, ist ein Lernfeld.

Was gut getan ist, bleibt. Fehler machen alle.

Eine Gesellschaft, die natürlich empfindet

nach dem Motto: „Kritiker der Elche

sind selbst welche“ (bemerkten sie’s)

wird sich regulieren. Automaten in

Gruppenstärke sind ein Problem, fallen

innerhalb kritischer Umgebung

um wie Dominosteine, denen ein

kleiner Fehler zum Verhängnis wird.

Rechts, unterdrücken ihre Emotionen, um

die Härte des selbstgewählten Kampfes zu

ertragen. Sie sind so nicht selten das Virus

dieser Erde. Geballte Macht ist typischerweise

die Krankheit gemeinsamer Vernichtung

in jeder einzelnen Person, seltener die

stabilisierende Ordnung. Der geradeaus

marschierende Pulk, es sind Mitläufer, die

sich kollektiv einer überzeugten Gruppe

anschließen. Ein Übel, das jede Menschlichkeit

vernichtet.

Manche alliierte Truppe

mag dem Bösen Widerstand

bieten, aber was ist

gut, was böse? Russen und

Amerikaner sind in ihrer

traditionellen Selbstverständlichkeit

so unterschiedlich

wie Türken und

Deutsche. Das sollten wir

zunächst begreifen. Auch

wenn die individuelle Freiheit

auf den ersten Blick

weltweit dasselbe sein

sollte, heißt es noch nicht,

andere wirklich zu verstehen

– aus der Perspektive,

die wir gewohnt sind. Niemand

hat eine Lösung parat (und

die Macht sie umzusetzen)

für Frieden in Nahost. Krieg ist unvermeidlich

wie Gewalt, deswegen darf diese Kraft

keinen einheitlichen Block bilden, dem nicht

mindestens genau so viel an Einfallsreichtum

gegenübersteht.

:)

# Krieg

Wenn ganze Staaten zu Idioten werden,

besteht die Gefahr für den Planeten,

dass kreative, unserem System

verantwortungsvoll angepasste

Wesen in die Defensive geraten.

Da wären die Menschen zum Krebs

mutiert, der weiter gesunde Zellen

frisst, bis alles kollabiert. Das ist

wahrscheinlicher, als dass wir noch

den Mars besiedeln und dergleichen. Kein

Grund, sich nicht fröhlich um das eigene Ego

zu kümmern. Kümmern bedeutet, Wege zu

finden, nicht Einfluss „über andere hinweg“

auszuüben, weil man das gerade gut kann.

Eine überhebliche Politik ist das letzte, was

wir brauchen, wenn die Grundhaltung im

Land bereits Neid und Aggression begünstigt.

Eine exponentiell dynamische Entwicklung

des Weltgeschehens durch Digitalisierung,

Globalisierung und Flüchtlingsströme,

kombiniert mit der Angst, das die Zukunft

durch Krieg und Umweltprobleme gefährdet

ist, sollte langsamer gemacht werden.

Auf sich selbst zurückgeworfen ist der Einzelne

das Immunsystem, der Anwalt unserer

gemeinschaftlichen Natürlichkeit. Soldaten

und Polizisten sind bloß die Roboter ihrer

Offiziere. Sie halten sich für die Kräfte des

Feb 13, 2022 - Elche oder welche? 18 [Seite 17 bis 18 ]


Vieh

Feb 18, 2022

Es wurde schon

einiges über Kunst

gesagt, sie käme

von Können und

solche Sachen.

Wenn ein Wort

so viel abdecken

muss, kann es für

manches herhalten.

Ich hatte einen guten Lehrer, an den ich

noch oft denke, Otto Ruths. Das war mein

Professor, ein Hamburger Maler. Das gute an

Otto und seinen Hinweisen ist, dass sie noch

immer nachgeprüft werden können von mir

bei meiner Arbeit. Ob etwas stimmt, was

ein Lehrer sagt oder ob Schüler es einfach

glauben, macht einen Unterschied. Einmal

zog mein alter Professor einen Hopper-Band

hervor und meinte zum Titel – da war diese

Frau abgebildet, die allein in der Lobby sitzt

und aus dem Fenster in die Nacht schaut –

was der Maler alles weggelassen habe, wie

einfach das Bild gehalten sei.

# So etwas kann einem schon den Wind aus

den Segeln nehmen

Ist nur gut, wie Edward Hopper

malte? Gerade ist Ali Mitgutsch

gestorben, der Vater der Wimmelbilderbücher.

Und daran denke

ich, wenn es darum geht, etwas

wegzulassen oder nicht. Ratschläge:

Malen, das Maul besser halten

– muss man so arbeiten, dass es

dem Lehrer gefällt? Irgendwann

sind wir ja alt und dem Unterricht

entwachsen.

„In deinem Alter!“

So spottet der schockierte Jüngling,

nachdem ich bekunde, er könne

noch „in die Fresse“ haben und

reichlich dazu. Das war heute

Morgen. Mir passiert so was ständig. Nicht

ausgeschlossen, dass ich schwächlicher Pinselopa

handgreiflich werde. Ich bin

immer froh, wenn keine Vorladung

im Briefkasten liegt, nachdem Cäsar

durch ist.

Mein Freund der Briefträger.

Er habe keine Angst vor mir, meint

der Pole. Warum auch? Cäsar ist

immer zu Späßen bereit wie ich.

Ich raste aus, wenn ich bedrängt

oder böswillig übervorteilt werde.

Der Grund ist, ich habe es mir

rund fünfzig Jahre lang gefallen

lassen, gelegentliche Kränkungen

scheinbar nicht bemerkt. Das macht

krank. Damit scheint es irgendwie

vorbei zu sein, und nun werde ich ausfallend

und haue, trete; aber ohne Geschick. „Das“,

mache man des Nachts, wenn einen keiner

sieht, findet die liebste Melli von allen. Die

gute Post.

Was soll’s, diese Menschen, egal wie alt, die

andere zum eigenen Vorteil missbrauchen,

werden nicht weniger. Sie scheinen das

Glück zu haben,

nie um Hilfe bitten

zu müssen. Viele

verdienen gut,

sehen ansprechend

aus, machen

Sport, genießen ihr

Vorankommen und

schauen auf Spinner

und Langsame

herab. Der Erfolg

gibt ihnen recht.

# Kunst!

Ich habe nachträglich

drei Kühe ins

Bild skizziert. Das ist wieder so eine Idee,

die nicht umgesetzt worden wäre, wenn ich

noch wie ein Student denken würde. Um sie

zukünftig wegzulassen, weil damit der Wert

des möglichen Kunstwerkes steigen könnte,

dürfte die kleine Herde nicht schwierig zu

übermalen sein. Mir gefallen sie aber schon

jetzt, obwohl die neuen Renner nur locker

angedeutet sind. Ich habe mehr als zwei

Stunden mit flüchtenden Viechern in Photoshop

probiert, wo die hinsollen.

Meine Planung ist dahingehend, das Licht

vom Überspannblitz zu nutzen, um sowohl

dieses Leuchten transparent erscheinen

zu lassen, als auch die Färbung der Rinder

mehr oder weniger deutlich hervortreten

zu lassen. So

wird es gelingen,

das bisherige

Bild nicht zu

überladen, wenn

die Kühe teils

überstrahlt oder

im Dunkel der

Nacht verschluckt,

farblich

zurückgenommen

werden. Das

ist wie ein Boot

trimmen, mithilfe

der Strecker

im Segel, dem

Schotzug oder

Mastfall, bis das

alles perfekt

läuft. Malen ist eine Sache von Erfahrung,

ein Spiel, wenn es gelingt, der Fantasie

einen Anstoß zu geben und sich ein wenig

Geschick eingestellt hat.

Die vergangenen Tage verbrachte ich damit,

die Person links zu konkretisieren.

Man muss etwas ändern wollen. Es macht

keinen Sinn, sich vorzunehmen dieses oder

jenes fertigzustellen. Das Bild ist groß.

Man benötigt Ausdauer, Erfahrung, auch

Kenntnisse über die eigenen Fähigkeiten,

um damit klarzukommen. Oft steht eine

unfertige Leinwand rum. Dann macht ein

Maler etwas anderes, bis es wieder Not tut,

sich selbst damit zu beschenken, einige

Dinge voranbringen zu können! Irgendetwas

muss genügend stören, und man könnte eine

Idee entwickeln, was genau hier zu tun ist?

Das ist der Beginn von Kreativität, ein Motiv

geistig entwerfen, eine Tätigkeit planen,

nachdenken, ob die Sache zu schaffen ist.

Ich änderte die Hand, das Gesicht, und die

Beine passte ich farblich an.

Es gibt kein Foto davon.

Ich habe unzählige Bilder gesammelt,

Gesichter, Beine, Knie mit Licht von rechts,

runtergezogene Unterhose, das wahre Vergnügen

diese Suche. Ich kann genug können,

um mir Dinge zu schaffen, die ich nie kaufen

würde.

:)

Feb 18, 2022 - Vieh 19 [Seite 19 bis 19 ]


Mutationen

Feb 19, 2022

Im November 2019

kam es zu einem

Gewaltakt in London.

Die britische

Polizei erschoss

einen Mann, der

mehrere Menschen

attackierte. Das ist ein vorzeitig entlassener

Straftäter gewesen, der sich bereit erklärt

hatte, eine elektronische Fußfessel zu tragen.

Nach dem Besuch einer Veranstaltung

zum Thema „Resozialisierung“ begann der

Mann, Passanten zu attackieren auf seinem

Weg durch die Stadt. Es hieß, der Täter

wurde schnell überwältigt und erschossen,

weil sich zufällig (!) ein verdeckter Ermittler

in seiner Nähe aufgehalten habe. Solche

Berichte regen die Fantasie an. Es zeigt die

Grenzen auf, welche eine moderne Gesellschaft

akzeptieren muss, bei dem Versuch,

Sicherheit zu garantieren. Eine elektronische

Fußfessel und ein Profi, der dem Entlassenem

auf Schritt und Tritt folgt, konnten die

Gewalttat nicht verhindern. Das gefällt mir!

Es ist wahrscheinlich, dass der junge Mann

den Sozialen im Gefängnis nicht alles

preisgegeben hat, was ihm so durch den

Kopf gegangen ist? Gut möglich, dass seine

„gute Führung“ darauf abzielte, nach der

Entlassung weiterzumachen, wo er vor der

inzwischen verbüßten Haft aufhören musste.

Die Verkürzung dieser Strafe kostete ihn den

Preis einer Dauerüberwachung. Als Erfolg

zu werten, dass der Gewalttäter deswegen

schnell überwältigt wurde und erschossen,

wäre mehr als makaber.

Das beglückt nur Söldner, die es drauf

anlegen, derartige Vorfälle zu provozieren.

„Spinner abknallen“, ist ihr Motto? Davon

gibt es immer genug im Staat. Wir sollten

über Manipulation nachdenken und zu einer

modernen These kommen, die bisheriges

Handeln der Behörden in Frage stellt.

Wenn eine Gesellschaft klug wäre, kämen

Verantwortliche darauf, dass derartige

Ereignisse in den Medien Verbreitung finden

und die Fantasie anregen. Der Fehler eines

Teams, das zu entscheiden hat, wie moderne

Strafen umgesetzt werden, scheint in dem

Moment durch, wo wir begreifen, dass die

Verantwortlichen die Intelligenz eines Täters

unterschätzt haben. Das wird aber anders

gesehen. Man kommt zu der Ansicht, dass

die Gefährlichkeit eines Täters unterschätzt

wird. Der Unterschied liegt in der Zuweisung

des Motivs. Gefährlichkeit ist ein Erklärungsprinzip

wie Intelligenz. Gefährlichkeit

definiert sich in der Bereitschaft zu einer

Aktivität, und Intelligenz genauso, aber der

Unterschied ist, dass intelligente Handlungen

dort gesehen werden, wo einer zu

seinem Vorteil aktiv ist.

Was ist ein Vorteil für wen; das Kaputtmachen

befriedigt welche und warum? Wir

sollten begreifen, dass, wer annehmen kann,

unter Bewachung zu stehen, finstere Wut

empfindet. Da ist ganz gleich, was derjenige

verbalisiert.

Einmal weit

ausgeholt, mit

einem kreativen

Umweg beschrieben,

ob ich in

einer Castingshow

ausscheide, weil

Dieter Bohlen

„Scheiße!“ sagt

oder ein smartes

Team freundliche

Zurückweisung bekundet;

das wird

frustrierend sein:

„Du warst schon

toll und ich hatte

echt Gänsehaut bei deinem Auftritt, aber so

ganz gereicht hat es eben doch nicht dieses

Mal. Vielleicht magst du einfach in ein paar

Jahren wiederkommen und es noch einmal

probieren?“ Eine Abstrafung ist in jedem Fall

Wut auslösend.

Ob ich als der Staat eine Strafe in einer

forensischen Klappse stattfinden lasse,

die volle Härte im Knast anordne oder die

bedingte Freiheit mit einer elektronischen

Fußfessel – es wird denjenigen,

der diese Strafe zu tragen hat,

demütigen.

Da wir als Gesellschaft nicht in eine

Zeit ohne elektronische, digitale

Medien zurück können (mit ihren

unsichtbaren Kanälen), hilft nur

einzusehen, dass böse und kranke

Täter genauso Menschen sind und

nicht etwa gefährlich, sondern mehr

oder weniger einfallsreich. Vom

„Gefährder“ zu sprechen und nach

einer Beobachtung die Beurteilung,

derjenige sei „abgekühlt“ abzugeben, wirft

Fragen auf beim Leser entsprechender

Artikel. Hier wird mit Worten gespielt, die

der Fantasie des Naiven auf die Sprünge

helfen, wir hätten es mit Vulkanen zu tun? Es

tut weh, zu begreifen, wie die Psychologen

andere begutachten, die doch Menschen

sind wie sie selbst.

# Theater mit Sprengkraft

Fantasie der Paranoiden. Die Vorstellung,

eine psychiatrische Gutachterin oder

Psychologe könnten, in Zusammenarbeit

mit Staatsanwaltschaft und Polizei unseren

Alltag mit Statisten manipulieren, und diese

Bullenschweine würden verdeckt Macht

ausüben, genügt, um jeden Staat der Welt

abzulehnen. Derartige Sprache entwickelt,

wessen Freund und Helfer einmal der

„Schutzmann“ war. Das sind nicht meine

Ausdrücke, sie existieren ohnehin.

Wenigstens, wenn wir zuhause sind, möchten

wir Worte voller Hass gebrauchen und

alle Wut rauslassen? Das macht sogar die

Bürgermeisterin, wenn sie mal für sich allein

ist. (Ich habe gelegentlich eine gefragt, die

ich kannte). Ungefährlich ist sie so normal

wie der Regen, ein langweiliger Tag oder der

muffige Geruch im Hof mit Küchenabfällen.

Was wäre, wenn der Kommissar mithört? „So

wichtig sei man nicht“, meinte sie.

Fantasie ist die Quelle von Kreativität, aber

gleichwohl der Nährboden schlafloser Nächte.

Die Zeit, in der wir bunte Kinderbücher

gelesen haben und Mama ein Schlaflied

sang, sind vorbei. Eine neue Furcht packt

den Erwachsenen, der annehmen kann,

nicht recht normal zu sein? Vielleicht sind

Menschen unterwegs, welche lieber bekannte

Fälle gängeln, als in der Lage wären,

irgendwo potentielle Täter zu bemerken?

Das ist bedenklich. Wenn der Staat Einfluss

auf alle nimmt, die annehmen könnten, das

gern gefundene Objekt der Begierde im

Raster zu sein, muss es im Einzelfall gar

nicht geschehen.

Aber wir stellen es uns vor.

Wir vergrößern auf diese Weise die Gruppe

der Menschen in unserer Gesellschaft,

welche ein böses Spiel mit Staatsverdrossenheit

beantworten. Das bindet Extreme

zum trotzigen Brei, den die Fleißigen, die

strebsamen Bürger wie es früher hieß, mitnehmen

müssen. So werden auch die Braven

wütend. Einfach gestrickte, willfähriger Helfer

schließen gern die Lücke im Gesetz, wo

der Polizist nicht darf, die Politik nicht weiß,

aber der Ehrenamtler mal was kacken kann.

Der Glaube der Sicherheitskräfte im Staat,

sie wären gut, weil sie der Stabilität nützten,

verhindert einzusehen, dass auch Straftäter

„gute“ Gründe

für ihre Attacken

finden.

Das Wort vom

Gutsein ist

nicht mehr

belastbar, wenn

das Motiv des

Einzelnen

daraufhin

abgeklopft

wird, was es

ihm bedeuten

soll. Meint es

das Allgemeinwohl, und was ist das, oder

sprechen wir von der Erfüllung der Fantasie

einzelner Menschen? Welche Träume und

Erwartungen haben die Individuen? Das

können doch nicht dieselben sein, die alle

gut finden. Eine pseudoindividualisierte

Gesellschaft bewegt sich tatsächlich in diese

Richtung, weil kommerzielle Aspekte uns

dahin bringen, wie die Mehrheit zu empfinden.

Das spaltet die Minderheit (aber einen

größer werdenden Teil) vom Block der Menschen

ab, die sich als normal wahrnehmen.

Betrachten wir Normale als die am Höchsten

geschätzten Mitglieder unserer Gesellschaft,

welche Perspektiven erkennen und sich im

Leben entwickeln wie Pflanzen auf gutem

Boden, bedeutet „gut sein“ das Gewöhnliche

als erwünschtes Gegenmodell zum

Straftäter. Das ist ein theoretischer Ansatz,

beinahe hilfloser Versuch von früher (als wir

noch einen Kaiser hatten). Diese bemühte

Satzkonstruktion mag verdeutlichen, dass

mit dem Begriff „Motivation“ eher beschrieben

würde, was uns in der Gemeinschaft

umtreibt.

Feb 19, 2022 - Mutationen 20 [Seite 20 bis 21 ]


Ein Blick nach China hilft. Die sind anders,

durchaus funktionell, aber ist dieser Staat

gut, und wollen wir das selbst so machen?

Im Modell haben wir auf der einen Seite

die Ordnung sichernde, in der Mitte die zu

schützenden und auf der anderen Seite die

zerstörenden Kräfte. Alle drei Parteien halten

sich für jeweils gut in dem Sinne, ihrem

jeweiligen Motiv zuzuarbeiten.

Verantwortliche des staatliche Gewaltmonopols

täten gut daran, zersetzungsfreudige

Zeitgenossen wieder ins Boot zu holen und

in die Mitte zu integrieren. Dabei sollte der

Begriff der Intelligenz ins Spiel kommen.

Klugheit müsste das Saatgut fürs Staatsgut

sein. So gesehen, könnten unsere vielfältigen

Motivationen als raffinierte Kraft begriffen

werden. Gewalt und motivierter Antrieb

sind identisch. Die Treibstoffmenge entscheidet,

ob wir eine Rakete zünden oder im

Auto der Straße folgen. Gewalt grundsätzlich

vermeiden wollen und potentielle Opfer

vollkommen zu schützen, ist Quatsch. Man

probierte besser, die Energien zu nutzen, als

Täter und Opfer zu

benennen wie Äpfel

und Birnen. Dynamische

Entwicklung

ist die wahrscheinlichste

Realität.

Mutiger Umgang

mit Extremen wäre

gesünder, statt sie

als unberechenbare

Zeitbomben

einzuschätzen, zu

der diese Menschen

erst werden, wenn

wir ihnen diesen

Stempel aufdrücken.

# Mutationen

Der Mensch ist wie das Coronavirus ein

Element der Natur und passt sich an. In

einem Bericht über verstrahlte Inseln (nach

den atomaren Testzündungen früher), wurde

deutlich, dass auf diesen für uns nicht

bewohnbaren Eilanden weiterhin Pflanzen

gedeihen. Einige Tiere werden nicht krank

von der Strahlung, die bei Menschen Krebs

hervorruft. Diese Lebewesen, eine Landkrabbe

wurde gezeigt, ernähren sich von der

Vegetation. Andere, größere Tiere fressen

anschließend diese Krabben. Das könnte

Folgen haben. Unterwasser filmte das

Team einen meterlangen Hai mit nur einer

Rückenflosse, einer Sorte, die für gewöhnlich

zwei habe, meinte der Wissenschaftler. Das

macht Angst? Denken wir weiter, begreifen

wir hier, dass Mutationen unausweichlich

sind und die Natur sich neue Wege sucht.

Die künstlichen Eingriffe des Menschen

erschaffen eine neue Natur. Die modernen

Gesellschaften genauso; sie schaffen

neue Verhaltensweisen. Der digitalisierte

Mensch passt sich an eine neue Umwelt an.

Wollen wir Monster züchten oder gesunde

Anpassung?

# Wir begünstigen, dass mehr Menschen das

Haus bewaffnet verlassen

Ich jedenfalls gehöre zu diesen, die zumindest

emotional aufgerüstet spazieren.

Wenn auch allein. Meine Wutbomben sind

festes Inventar im Gehirnkasten. Ich komme

gut klar damit, weil meine Motivation eine

Anpassung bedeutet. Ich bin ja nicht schuld

dran. So einfach ist es. Meine Perspektive

einer angenehmen Zukunft, die ich selbst

gestalten könnte, ist demütig dem Unabänderlichen

gewichen. Frust! Mich beherrscht

die Erkenntnis finsterer Möglichkeiten,

allenfalls dem momentanen Ego genügen zu

können, weniger meine Existenz zu sichern.

Ich lebe, koste es, was es wolle.

Die perverse Malerei war nie das Ziel meiner

Selbstverwirklichung als Künstler. Sie

spiegelt eine perverse Umgebung, die das

nicht wahrhaben will und doch transparent

um mich herum ihre Blödheit zur Schau

stellt. In meinen Augen ist alles anders und

wie viele meinen verkehrt herum. Die Politik

im Dorf, ihre Verwaltung, ist so scheiße wie

die großen Vorbilder in Übersee, denke ich

böse (nach persönlichen Erfahrungen). Es

amüsiert mich, noch zum giftigsten Spaltpilz

werden zu können.

Meine Vorbilder finde ich überall. Donald

Trump wartet, und ich freue mich schon auf

diese Rückkehr des Bösen. Aktuell gibt es

jede Menge Anregungen, die Welt und das

Leben von der falschen Seite zu betrachten.

Ich sehe einen hölzernen, böse herum

stochernden Demokraten im weißen Haus.

Seine großartige Vizepräsidentin, auf die

manche hofften, scheint verkrampft, geschrumpft.

Die Verwirrten der Ukraine: Diese

Leute werden verarscht. Und, tatsächlich,

ich freue mich über den vitalen russischen

Präsidenten, der heute mit seinem Partner

Lukaschenko Raketentests nahe der Ukraine

anschaut, wie es gestern hieß, während unser

neues Mädchen Annalena mahnt, droht

und Werte beschwört.

Krieg in Europa droht, und ich spotte noch.

Wie gesagt, ich schaue in einen Zerrspiegel

und weiß das. So gesehen gefällt mir, dass

Prinz Andrew gelang, sich vom unangenehmen

Prozess freizukaufen! Es amüsiert mich,

dass Epstein schaffte, Suizid zu begehen. Mir

gefällt, dass Wettermoderator Kachelmann

wieder weiter wettern darf, und vieles mehr

inspiriert mich, kreativ zu bleiben.

Ich bin mutiert.

Woraus gewinnt jemand Stärke? Wohl aus

der Fähigkeit, die man beherrscht und aus

der Anerkennung. Beides mag ein Faktor

sein. Ein Integrierter findet genügend

andere, die ihn bestärken und sieht darin

Motivation. Erst ausgegrenzt und gefährdet

zu vereinsamen – dann Gefährder? Mich

bekommt die Gesellschaft nicht zurück. Ich

habe meine Kunst, das genügt. Aber das ist

ja nicht normal. In Deckung bleiben, nicht

den Kopf aus der Masse ragen lassen ist

zu empfehlen. Jeder schaut dir unter die

Unterhose, auch der Staat, und doch werden

die Gesichter der zufällig ins Bild laufenden

Passanten unscharf gemacht. Politisch

korrekt schlittert Europa in den Krieg. Wir

schützen Persönlichkeitsrechte und Boostern

uns gegen alles. Unsere Sprache ist mutiert,

verachtet die Menschenwürde, schafft unberechenbare

Monster. Ein auffällig Gewordener,

der berechtigte Ängste haben kann, vom

Staat auf seine Gefährlichkeit hin getestet

zu werden, um als abgekühlt oder heiß

eingeschätzt, geführt zu werden; das denke

man einmal zu Ende, wie viele Paranoide wir

heranzüchten – gefährlich.

:(

Feb 19, 2022 - Mutationen 21 [Seite 20 bis 21 ]


„Go for that!“

Feb 21, 2022

Worte kann man missverstehen, darum

wird ja auch gemalt. Unsere Köpfe sind

voller Begriffe. Eine bunte Kiste! Es mag

womöglich ein Nachteil sein, in Worten zu

denken? Da kann der Mensch sich selbst was

vorplappern und auf andere hereinfallen,

die gar nicht da sind. Die eigenen Gedanken

sind nicht bei allen gleichermaßen frei.

Darum denken manche, die lernten darauf

zu achten, alternativ in Bildern. Das geht

ja auch schneller. Wenn ich einen Satz mit

sagen wir zehn Elementen denke, schaffe ich

in der gleichen Zeit bei nur einem Bild mehr

als tausend Wörter durchzudenken. Dass

tatsächlich alle, auch diejenigen, die es eher

selten an sich bemerken, genauso in Bildern

denken wie Künstler oder der berühmte

Albert Einstein kann zum Problem werden.

Einstein, der szenisch beschrieb, wie ihm

die Relativitätstheorie eingefallen ist, sollte

unser Vorbild sein.

Aufmerksamkeit ist eine gute Sache. Bilder

im Kopf, auch mit Ton unterlegt, der zu einer

Erinnerung dazugehört, werden für manche

fatal, wenn ihr Gehirn sie quasi rechts auf

der Standspur überholt mit einem unbewussten

Filmchen. Einige wären besser dran

mit einem blinden Gehirn, das meine ich.

# Angst und Motivation

Ohne zu denken, sich also bewusst zu sein,

in welchem Zustand man ist und wohin

motiviert, kann niemand existieren. Schon

Babys können intelligente Bewegungen und

das nötige Geschrei im rechten Moment

zuwege bringen. Obgleich Kinder anfangs

nicht sprechen können, denken sie und demnach

anders als Erwachsene. Denken findet

auf mindestens zwei Arten statt, verbal und

nonverbal, und wenn man ein wenig darüber

nachsinnt, wird es noch schwieriger zu

beschreiben, wie’s abläuft. Man kann üben,

sich selbst dabei zu erleben, wie man Dinge

eigentlich tut. Da sind Handlungen, welche

ein Mensch im Weiteren zu verantworten

hätte. Unbewusst und gewohnheitsmäßig

übersieht man leicht, dass Tätigkeiten auch

anders gemacht werden könnten. Weil

jemand allein im Raum alles verschuldet,

das er wörtlich anschiebt, auf den Weg

bringt, hilft ihm Bewusstheit, neurotisches

vom gewünschten Verhalten zu trennen

und verstehen. Die Umgebung beschuldigt

uns ständig. Auf sich selbst bezogen zu

denken, bedeutet Schuld nicht grundsätzlich

anzunehmen, sondern seine Fehler aus dem

Kontext zu bewerten, den man individuell

für sich begreift, nicht aus Sicht von Mutter

oder anderen.

„Das war nicht ich. Das hat mein Popo ganz

allein gemacht, den

Pups, Oma“, sagt das

Enkelkind. Eine gute

Methode, zu bemerken

wie entspannt man

momentan arbeitet,

ist wie dieses Kind zu

reagieren und konsequent

alle Schuld von

sich zu weisen. Das

Brötchen habe selbst

die Schuld gehabt, vom

Tisch zu fallen, der blöde

Schlüssel wolle nicht

passen und der dumme

Regen sei schuld, dass

mein Fahrzeug auf der

Straße rutscht; so kann

man sich freikaufen von jeder Verantwortung.

Das wird Ärger geben, sofort. Wer das

mitbekommt, schießt unverzüglich dagegen:

„Quatsch, was du da sagst. Natürlich bist du

selbst dran schuld!“

Während der Jahre, in denen ich mit meiner

Kunstfreundin, so sage ich mal, korrespondierte,

mich traf und einiges unternahm, kam

es parallel zu unerfreulichen Erlebnissen, die

eine Beschreibung dessen sein könnten, was

ich meine, mit Bildern, die sich aufdrängen,

gedacht zu werden. Bestimmte Sachen

macht man ja nur zu Hause, wenn man sich

allein wähnt. Fluchen zum Beispiel. Auch

geht niemanden etwas an, was ich mit mir

anstelle, während ich einen Porno schaue.

Das ist meine Meinung jedenfalls. Streit in

der Familie oder Blähungen, die man mit

sich allein verfurzt, sollten nicht zum Spaß

der Nachbarn werden. Das ist heute anders?

Jeder kann ein Mäuschen sein, welches

geschickt die Mikrofone manipuliert. Es

lohnt sich nachzudenken, ob wir gerade Teil

der größten Spionageaffäre von Schenefeld

geworden sind – wenn diese Möglichkeit

gegeben ist. Moderne Zeiten für alle. Die

digitale Welt macht es eben möglich, das ist

ein Fakt. Die Frage ist eher, wie interessant

jemand (für wen) ist, ob es sich lohnt und

wie viele aktive Zuschauer der Unwissende

zusammen bringt.

Nicht davon zu wissen, ausspioniert und

vorgeführt zu werden, bedeutet nicht, man

wüsste es geschehe nicht. „Ist doch egal“,

wäre eine Einstellung, die es zunächst zu

erforschen gilt. Ein gutes Beispiel, sich in

die Problematik hineinzudenken bieten

Mädchen vor der Webcam entsprechender

Plattformen mit dem freizügigen Angebot.

Sie sollten mit sich im Reinen sein, wenn

sie dem Nachbarn begegnen und dieser

verschämt beiseite sieht. Wer sich vor der

Kamera nackig macht, weiß in der Regel davon.

Bleiben die Dummen, die nichts wissen,

aber Fantasie aufbringen, es könnte so sein?

Das Problem der Kriminellen war schon

immer, das mit der Anerkennung hinzubekommen.

Man möchte mit seinen Taten

renommieren. Das begünstigt Leckagen im

Netz der heimlichen Mitwisser, einigen ist

das Unterfangen peinlich. Solche teilen ihre

Geheimnisse mit dem Opfer eines Cyberangriffs.

Selbst wenn das alles gar nicht

wahr ist: Ein geübter Fantast schafft es, sich

vorzustellen, dass Fremde augenzwinkernd

durchblicken lassen, sie wüssten was. Das

heißt unter Fachleuten Paranoia, was dabei

herauskommen kann, wenn man glaubt, die

anderen reden über einen selbst und wüssten

von Dingen, die sie nichts angingen.

# Meine neuen Freunde

Es kann auch helfen. Bei konkreten Hinweisen

wird jedem klar, dass etwas wirklich

geschieht und anderes nur Einbildung ist.

Daraus kann sogar eine Methode werden.

Die Idee dahinter ist, eigene Freiheiten

gegenüber der Umgebung auszubauen,

Beziehungen neu zu bewerten. Künstler und

andere mit einer ausreichenden Öffentlichkeit

machen diese Erfahrung und lernen

dazu. Vielleicht ein Grund, kreativ zu sein,

wer weiß?

Eine Beschreibung und angedeutet, was

mich weiter antreibt, zum Schluss. Mancher

Schuss geht nach hinten los. Insofern hat

meine Kunstfreundin die volle Breitseite

eines Bumerangs an den Hinterkopf bekommen,

den wer auch immer warf. Einige reden

ja, und ich, mit mir redet niemand mehr drüber.

Das ist nicht lustig, hilft aber, die Welt

ein wenig besser zu verstehen, wenn man

sich lustig macht über früher in Wort und

Bild. Unsere Geschichte, da wird es schwer,

den (ersten) Schuldigen zu benennen. Ich

nehme es gern auf mich und spotte doch

darüber.

# Der Schuldige, letztlich bin das immer ich

Ich war und bin interessant genug. Und blöd

scheinbar? Das gefällt mir, verspottet zu

werden, weil ich weiß, was ich kann. Ich bin

fröhlich, gebe mich gern unschuldig, hielt

mich doch an das Gebot „wer ohne Schuld

sei, werfe den ersten Stein“ und malte, bis

es knallte. Das war nicht ich, das hat mein

Popo ganz allein gemacht, so eine Scheiße

rauszudrücken. Und ab dafür.

:)

Feb 21, 2022 - „Go for that!“ 22 [Seite 22 bis 22 ]


Neue Grenzen

Feb 23, 2022

Dem unbedeutenden Blog steht nicht gut

zu Gesicht, aktuelle Weltpolitik zu beleuchten.

Leserbriefe in der Dorfzeitung sind das

Niveau, auf dem wir Armseligen unsere

Wortbeiträge zum Besten geben. Wir ändern

nichts. Das ermöglicht nur, Ohnmacht zu

thematisieren, über die Treppenstufen nach

oben zur Macht nachzudenken.

Die Naivität, sich bei den Lehrern beliebt zu

machen, einen attraktiven Aufsatz schreiben

und einen Preis einheimsen? So etwas mag

der Anfang sein, Nähe zu denen suchen, die

Einfluss haben. Lehrer, Eltern und Familienmitglieder

können vieles bestimmen, das wir

hinnehmen müssen, solange wir Kinder in

einer Schulklasse sind.

Zwei Lager sind typisch für Pubertierende.

Die einen bilden den Block der Schüler und

Schülerinnen, die untereinander zusammenhalten.

Auf der anderen Seite sind wenige,

die freudig jedes Thema aufgreifen, das

gelernt werden soll. Es sind nicht unbedingt

die Klassenbesten. Da sind welche gemeint,

die stets ja sagen zum Unterricht, wer auch

immer vorn am Pult steht. Jeder kennt isolierte

Klassensprecher, die nicht wahrnehmen,

was so ein Sockel auf dem sie stehen

mit ihnen macht. Die allgemeine Aufmerksamkeit,

die dem Exponierten geschieht,

verhindert sensible Zwischentöne zu spüren.

Es befördert stattdessen eine wachsende

Neurose.

# Darauf hoffen, gemocht zu werden

Wird man so zum grünen, sozialen oder alternativen,

jedenfalls hochmotivierten Politiker,

strebt danach, die Arbeit im Staatsdienst

oder Polizei zum Wohle aller im Land mitzugestalten?

Das möchte ich nicht bewerten,

bin vom geraden Weg durch Krankheit

abgekommen. Mein Leben fand nie statt. Ich

blieb fremdbestimmt und musste anderen

hinterherlaufen. Streber, aber ohne wirklich

gut zu sein (wie ich einer war), sind Kinder,

die vergleichsweise unbedarft in das Problem

geraten, einen eigenen Kurs im Leben

zu finden. Einige lernen nur allmählich, sich

durchzusetzen, später als diejenigen, die

bereits im Unterricht effektive Opposition zu

den Lehrkräften üben. Den Schulterschluss

mit den anderen suchen, hilft in der Gemeinschaft

klarzukommen. Manche Schüler

verstehen bald, eigene Netze zu weben und

lernen das soziale Gefüge mit den Gleichaltrigen

bereits vor dem Abschluss kennen.

Sie sind eindeutig bevorteilt, was die eigene

Entwicklung betrifft. Die Noten stehen

dem tatsächlich Intelligenten weniger im

Vordergrund, sondern neugierig zu sein

und erste, eigene

Erfahrungen zu

machen. Lebhafter

Austausch mit

ihresgleichen wird

einen Vorsprung

bedeuten, wenn

das Leben nach

der Schule beginnt.

Ab diesem

Zeitpunkt erwartet

die Gesellschaft

eigenverantwortliches

Handeln von

jungen Menschen.

Zunächst aber

scheinen diese

Schüler mit dem Hang, den Lehrer nachzuahmen,

besser abzugehen, weil sie Gespür

für das Empfinden der Erwachsenen haben,

welche die Welt aktuell gestalten, in die es

hineinzukommen gilt.

Das Thema kann nicht pauschalisiert werden,

ohne grobe Vernachlässigung einzelner

Schicksale. Die Welt möchte nicht

von mir erklärt oder belehrt werden.

Eine übergreifende Erfahrung;

Dinge, die mich viel zu spät geändert

haben, zu dem, der ich heute

bin. Man ist ja nicht, sondern wird

immer weiter Mensch, weil wir

nicht statisch verstanden werden

können als Lebewesen. Ich begriff

erst allmählich, unsere Bundesrepublik

Deutschland als stabile

Heimat wertzuschätzen. Ich bin

damals eines von diesen politisch

interessierten Kindern in der Schule

gewesen. Der Wunsch, Leitende

zu kennen, blieb. Meine Nähe zur

Schenefelder Dorfpolitik endete

bekanntermaßen krachend, und

heute tue ich mir als spottender

Rufer in der Wüste keinen Gefallen.

# Na und?

Was macht das schon; dem Kreativen ist die

Lust eine andere, bessere, finde ich sogar, als

Eitelkeiten einer Handlungsträgerin ausleben

zu müssen, die das eigene wie egoistische

Sozialverständnis tatkräftig anbefiehlt

und dessen Umsetzung hinbekommt. Das

wäre das Ziel der Politik oder Verwaltung im

Staat: Bedürfnisse der Menschen wahrzunehmen,

deren Bestrebungen zu respektieren

und den vielschichtigen Motivationen

gute Lenkung anzubieten. Was ich also mag

an unserem Land, ist der Rahmen, den es

uns gibt.

Ich mag die anderen Menschen nicht. Das ist

die bittere Kehrseite dieser Erfahrung. Mir

gefällt, dass Beziehungen unsere Freiheit

begrenzen. Der Schock meines Lebens

besteht in der Erfahrung, dass ich wie jeder

andere nicht wenig Macht in den Gliedern

habe und manche Angst vor mir. Der Mensch

kann töten, auch sich selbst. Viele scheinen’s

nicht als ihnen gegebene Möglichkeit

begriffen zu haben. Der böse Mensch oder

Präsident irgendwo, das könnte jeder von

uns sein, glaube ich.

:)

Feb 23, 2022 - Neue Grenzen 23 [Seite 23 bis 23 ]


Schicksal

Feb 23, 2022

# Zitat

Jungfrauen sind zwar eher

rational (…). Das Erdzeichen

verliebt sich gern Hals über

Kopf. Hat es eine Jungfrau einmal

total erwischt, ist sie fest

davon überzeugt, die große

Liebe gefunden zu haben und

setzt alle Hebel in Bewegung, mit dieser

Person zusammen zu kommen.

Leider achten sie dabei nicht auf die Gefühle

ihres Gegenübers und lassen sich viel zu oft

blenden.

Nicht selten kommt es vor, dass Jungfrauen

ausgenutzt werden. Ihnen fällt es einfach

unglaublich schwer, ihre Gefühle zu kontrollieren.

(Gala, Astrologie, Sternzeichen, die

sich ständig in die falsche Person verlieben,

Februar 2022).

Da fällt mir nichts mehr zu ein.

:(

Feb 23, 2022 - Schicksal 24 [Seite 24 bis 24 ]


Wir brauchen Angeklagte

25 Feb, 2022

Vielen ist noch nicht aufgefallen, oder sie

sehen darüber hinweg, dass Angeklagte die

Angewohnheit haben, sich zu verteidigen.

Was fällt denen ein! Natürlich gibt es auch

Kluge, die schweigen. Verstockte, Blöde und

Kranke haben wir, aber für gewöhnlich bezieht

ein Beschuldigter Stellung. Das macht

alles noch schlimmer. In der Regel urteilen

Gericht und Nebenkläger fassungslos. Von

kruden Erklärungen des Täters spricht die

Presse. Eine leichte Sache für sie. Ist es denn

zu fassen? Ein Verbrechen wurde begangen.

Darf nicht sein. Dafür gäbe es keinen Grund,

eine Rechtfertigung sei abwegig wie nur

was, meinen Leute seit es Menschen gibt.

# Grund genug!

Was mag den Siegeszug der christlichen

Religion begünstigt haben? Das Neue daran

war die Idee des Gewaltverzichts. So etwas

kannten die Menschen noch nicht. Beinahe

automatisch erfolgt unser Zurückschlagen

nach einem Angriff, aus der Furcht heraus,

andernfalls in die Defensive zu geraten.

Deswegen ist der Verzicht auf die gegebene

Macht, anderen nun auch wehtun zu können,

das Schwierigste für einen Menschen. Freiheit

vom zwanghaften Gegenangriff, unserem

nicht selten pathologischen Bestreben,

den eigenen Einfluss auszuweiten, Machterhalt

und Unterdrückung anzustreben,

bedeutet diesen Reflex immer wieder neu

hemmen zu müssen. Wer sich nicht wehren

kann, ist möglicherweise krank. Zwanghaft

wider die anderen handeln, täuscht

Stärke nur vor. Freiheit bedeutet die Wahl,

nachgeben zu können und je nach Situation

auf Einflussnahme zu verzichten, eine neue

Richtung zuzulassen.

Kritiker weisen auf Fanatiker hin und die

Kreuzzüge, den Missbrauch: Natürlich

glaubt nicht jeder, dass wir eine Kirche oder

Religion überhaupt bräuchten, die Worte

in unserer Bibel oder Schriften anderer

Religionen benötigen. Das ändert aber nicht,

dass Glaube und manche These unsere Vergangenheit

prägen, auch in Zukunft Einfluss

nehmen werden. Nur wenige Menschen

denken konsequent atheistisch. Viele eiern

irgendwo dazwischen rum. Wenn ihnen

etwas Tolles widerfährt, das sie nicht verstehen

können, war es Gott. Wenn Schlimmes

passiert, schimpfen sie wieder wie gewohnt.

Es ist die dumme Masse, und niemand sollte

sich ihre Blödheit zum Vorbild nehmen.

Entweder ist alles Gott oder gar

nichts, dazu ringe man sich durch.

Meine kleine Laune, heute mal

begeistert zu sein, weil die Dinge

gut laufen, bedeutet nicht die ganze

Welt. Da können wir verzeihen.

Es akzeptiert so gesehen der

Allmächtige den Diktator auf Erden

als nötigen Teil des geschaffenen

Universums. Mächtige verstehen

einander besser als Ohnmächtige,

die nicht nachvollziehen können,

was sie selbst am Schalthebel täten.

Das Ganze um uns herum stellt eine

Macht dar. Was wäre, wenn Gott seine

Urgewalt missbräuchlich gegen

uns richtete?

# Der Mensch ist sein eigenes

Problem

Wir haben wie die Jugend begriffen, es gibt

nur diesen Planeten. Wie wir diesen Rahmen

nennen, spielt keine Rolle. Alle müssen sich

fügen. Ein vielarmiges Monster, ein Krake ist

diese Menschheit. Wir halten eine Welt im

Griff. Was am Ende eines Armes geschieht,

wie der einzelne handeln wird, bestimmt

mitnichten der kleine Finger des Ganzen.

Das kann die Spitze sein, die dir ein Auge

aussticht, und sie ist nicht selbstständig

unterwegs zu töten.

Der Mensch kann die Erde

nicht verlassen wie eine Stadt,

die gerade bombardiert wird.

Macht und Gewalt sind unabänderliche

Dinge und insofern

gewollt. Man wirft Gott vor, den

Holocaust nicht verhindert zu

haben? Zu kurz gedacht, wie

zu glauben, das wäre ja früher

gewesen. So gesehen gibt mir

das Böse ein Problem, mich damit

herumschlagen zu müssen.

Nicht nur außerhalb der eigenen

Person, bei anderen eben,

wie es gern gesehen wird.

Ich fliehe aus Kiew? Weil ich ein

Auto habe und Bomben fallen.

Das stelle man sich in Schenefeld

vor! Natürlich ist mir in

so einem Fall klar, wer gegen

mich aggressiv ist. Solange Gas

meine Heizung versorgt, sehe

ich’s entspannt. Mir hilft nicht,

den wahnsinnigen Russen zu

beschimpfen. Ich kann nachvollziehen,

warum jemand sich zum

Despoten entwickelt. Hexenkessel,

die Lunte brennt! Wie

entschärft man eine Atombombe

im Küchenhof der Hölle?

Man überlege, wie Gerd Schröder

(endlich) in Moskau eintrifft.

Er sagt:

„Wladi, so geht das nicht!“

# Jeder an seinem Platz

Die Pathologie einer Machtstruktur liegt

in der zwanghaften Furcht, nachgeben zu

müssen. Die anderen wären die Bösen, und

ich eben guter Mensch: So gehen nicht wenige

in die Kirche, und die haben das Ganze

nicht verstanden. Sie spalten nach wie vor

ab, was sie nicht begreifen möchten. Eine

völlig verdrehte Sicht, die Ukraine „bedrohe

das mächtige Russland“, heißt es. Keinesfalls

erlauben wir uns anzunehmen, Mächtige

wären in die Enge Getriebene, unter Druck,

sich als ausgegrenzt zu empfinden wie der

russische Präsident.

Das ist schließlich der Täter.

Nicht so weit denken.

Vor allem will niemand derjenige sein,

der vor aller Augen Leid verursacht und

dazu eine Erklärung abgibt, die allgemein

Fassungslosigkeit und Kopfschütteln auslöst,

Sanktionen provoziert, die Einschnitte sämtlich

bedeuten. Wer möchte heute Wladimir

Putin sein? Diese Frage stellt sich niemand.

:(

Feb 25, 2022 - Wir brauchen Angeklagte 25 [Seite 25 bis 25 ]


Neue Weltordnung

27 Feb, 2022

Unsere Leben sind endlich, auch die Präsidentschaft

von Wladimir Putin wird nicht

ewig dauern. Von einer neuen Weltordnung

ist die Rede nach dem Angriff auf die

Ukraine. Plötzlich glauben einige, dass der

russische Präsident am Ende ist. Das ist neu.

Jeder, den es angeht und wer wichtig genug

ist, konsultierte den aktuell Gefährlichsten,

um das Schlimmste zu verhindern. Putin trat

immer stark auf. Gute Haltung, Festigkeit

und Vitalität sind sein Markenzeichen

gewesen. Vorbei ist es mit seiner souveränen

Ansprache. Wirre Rhetorik voller Hass.

Züge, die manche bereits früher bemerkt

haben wollen, treten offen zutage. Fachleute

rätseln, und alle fragen sich, was

kommt, wo geht das hin? Das macht

Angst. Wir begreifen, da fühlt sich

jemand nicht ernst genommen und ist

bereit, seinen Machtapparat gegen ein

ganzes Land loszulassen, tut das tatsächlich.

Der unvorstellbare Krieg ist

wieder da. Was für ein blöder Grund

anzufangen für einen Intelligenten,

als den man den mächtigen Russen

gekannt hat, und nur für Narzissten

nachvollziehbar. Immer mehr rücken

ab vom Präsidenten. Was tun seine

Oligarchen?

Man darf sich fragen, ob Wladimir

Putin im pathologischen Sinn krank

ist, kann darüber nachsinnen, ob die Nato

und der Westen besser auf die Befindlichkeiten

Russlands geachtet hätten. Was jetzt

geschieht, ist eine Katastrophe für alle. Es

werden Helden geboren, das ist die gute

Nachricht. Russland wird ein weiteres Mal

wie nach dem Zerfall der Sowjetunion von

der Wahrheit heimgesucht. Die russischen

Soldaten stoßen in der Ukraine nicht auf

ein Naziregime, da sind keine Menschen zu

befreien. Die Armee sei mit erbittertem Widerstand

konfrontiert, heißt es. Da kämpfen

welche, die, da hatte Putin nicht Unrecht,

wie Brüder der Russen sind, gegen die

Soldaten, denen ihr Präsident ein Feindbild

geschaffen hat, das nicht real ist. Wieder ein

Krieg, der nicht gewonnen werden kann. Der

Lichtstreifen am Horizont ist das Einsickern

der Wirklichkeit in ganz Russland, kann noch

der furchtbare Blitz einer großen Bombe

sein, die schließlich zündet. Jede auch für

eine Zeit unangefochten scheinende Macht

kommt schließlich zum Ende.

:)

Feb 27, 2022 - Neue Weltordnung 26 [Seite 26 bis 26 ]


Hornblower

27 Feb, 2022

Wieder kommt mir Hornblower in den Sinn.

Schon einmal habe ich diesen Bezug zur

Gegenwart gesehen, und zwar als Donald

Trump zum Präsidenten der Vereinigten

Staaten von Amerika gewählt wurde. Schnell

kam die Frage auf, was mit dem los sei? So

etwas „hatten wir noch nicht“ und „der Mann

spinnt“, waren bekanntlich die ersten Reaktionen.

Bald kamen Psychiater zusammen, den

Amerikaner – ohne ihn zu treffen versteht

sich – allein aus der Beobachtung der Medien,

analytisch zu bewerten. Verschiedene

Geisteskrankheiten und Verhaltensauffälligkeiten

attestierte man dem Populisten.

Exponiert ist Trump allemal, und auffallen

muss man als Präsident. Andernfalls wird

man keiner.

So absurd sich dieser Mann an der Spitze

der USA auch gegeben hat, klar ist, dass diese

extrovertierte Persönlichkeit genügend

Verstand besitzt, weiter mitzumischen, auch

wenn er die Wiederwahl vermasselte, was

drüben selten ist. Eine der faszinierendsten

Regeln der amerikanischen Demokratie

lautet, dass man nur zwei Mal Präsident sein

darf. So etwas wie den langjährigen Kanzler

Helmut Kohl bei uns oder das ihm nachfolgende,

von den Deutschen so geliebte

„Mädchen Angela“ mit ihren überlangen

Kanzlerschaften, kann es in den Vereinigten

Staaten nicht geben, weil nach zwei gewonnenen

und durchregierten Perioden ein

anderer aufgestellt werden muss. Wladimir

Putin könnte sich dort nicht wie ein Zar

einnisten und bleiben. Dass es in Russland

möglich geworden ist, besorgt manche nicht

erst seit der Eskalation in der Ukraine. Wir

haben uns gern täuschen lassen, wenn wir

den starken Politiker in den Medien gesehen

haben. Immerhin sei der frühere Bundeskanzler

Gerhard Schröder mit ihm befreundet,

heißt es.

Wladimir Putin äußerte sich angeblich

über Trump, der sei „in echt“ ganz anders

als im Fernsehen. Zwei, die sich mögen?

Der französische Obelix ist ja auch so einer,

der gern den Russen besucht hat, und mit

Schröder finden wir noch einen extrovertierten

Freund im Bund. Passt doch, mögen

einige gedacht haben. Ich jedenfalls gehöre

zu denen, die Gefallen dran finden, wenn

laute, kraftvolle

und authentische

Menschen

sich gegenseitig

Respekt erweisen.

Das schien mir hier

der Fall zu sein. Ich

blieb gern blind auf

einem Auge, wenn

die Demokratie in

Russland missachtet

wurde, sogar die

Annexion der Krim

hat mich kalt gelassen.

Das „war immer

unser“, meinte eine

liebe Bekannte zu

mir. Natascha ist

aus der Gegend

von Omsk oder

so (kaltes Sibirien

jedenfalls), und sie ist wirklich klug. Eine

starke Frau. Viele Russen vertrauen ihrem

Präsidenten mit dieser ihnen eigenen Blindheit,

über manches hinwegzusehen, das bei

uns undenkbar funktionierte. Jetzt hat sich

daran etwas geändert. Während ich nach

wie vor an den Verstand von Donald Trump

glaube, der ganz offensichtlich den menschenverachtenden

Sturm auf das Kapitol

anschob, teile ich die Befürchtungen einiger,

die bemerkt haben wollen, dass mit Putin

etwas nicht stimme.

# Das macht Angst

Ich denke an Adolf Hitler, seinen sogenannten

Nero-Befehl, verbrannte Erde

zurückzulassen. Das beschreibt diesen Wahn,

wenn der erhoffte und anvisierte Endsieg

nicht hinzubekommen sei, hinterlasse man

dem Feind nur Schutt und Asche. War der

deutsche Diktator, schlimmer als Napoleon

oder Mussolini, krankhaft bösartig? Das

deuten Fachleute an. Neulich kam etwas im

Fernsehen. Eine Doku ging der Überlegung

nach, inwieweit Hitler eine vorbelastete Persönlichkeit

gewesen ist. Man führte Inzucht

in der Familie an, und es ließen sich Belege

dafür finden. Der Vater war jähzornig und

trank, so dass man annehmen könne, Sohn

Adolf hätte eine traumatische Vorgeschichte

gehabt, hieß es. Dann gab es als ein weiteres

Detail, was sich gut in eine verstörende

Biografie einreihen ließ, die wenigen Belege

dafür, dass der junge Hitler sexuell gedemütigt

worden wäre. Und zwar von seinen

Kameraden zur Zeit des Ersten Weltkrieges,

den der spätere Führer als einfacher Soldat

erlebte. Die Doku probierte aufzuzeigen, der

Führer habe ein operativ nicht verschließbares

Leck „untenrum“ gehabt, sei inkontinent

gewesen. Das, und die frustrierende Zurückweisung

an einer Kunstschule, auf die der

junge Mann gern gegangen wäre, zusammen

mit der Familiengeschichte, mochte dem

Historiker eine These geben, Hitler hätte

gute Gründe gehabt, die Welt als nicht

normal anzusehen und berechtigten Hass

pflegen können. Die Unabänderlichkeit der

erfahrenen Kränkungen nagten am Führer

und nährten narzisstische Ideen.

Mir hat das gefallen zu hören: Zeigt es doch,

dass Wahnsinn nicht von ungefähr kommt.

Ich empfinde meine Mitmenschen nur zu oft

als verletzend. Als noch schlimmer nehme

ich wahr, dass nicht wenige sich selbstgerecht,

geradezu unbeeindruckt stumpf und

unbewusst ihrer Gemeinheiten breit machen.

Das stützt meine Ansicht, die Umgebung

kränkt nicht wenige,

begünstigt traumatische

Lebensläufe.

Andere mögen

ähnlich empfinden.

Das lässt als Schluss

nur zu, dass wir alle

nicht selten fies und

herzlos über unsere

Nächsten hinweggehen.

Mit dem

Unterschied, dass

manche sich selbst

weniger verletzen

lassen und andere

extrem vulnerabel

reagieren. Der Ansatz

zu helfen muss also

sein, Menschen davon

abzubringen, dem

Rat zur Nächstenliebe

auf eine Weise zu folgen, die sie krank

macht. Andernfalls wird der Wunsch, sich

schließlich einmal zur Wehr zu setzen, auf

zerstörende Weise frei. Gedemütigte müssten

lernen, ihre Kräfte in motivische Bahnen

zu lenken, die ihrem Umfeld nützen wie

ihnen selbst.

Man muss kein Facharzt sein, um diese

furchtbare Zeit des Zweiten Weltkrieges und

das Gebaren des Führers als bösartig und

krank zu bewerten. Vor Ort und damals war

die Masse jedoch kollektiv davon überzeugt.

Viele geschichtliche Dokumente und Filmmaterial

zeigen, dass der deutsche Führer

die Menschen begeistert hat. Selbst welche,

die Hitler als Person infrage stellten, waren

überzeugt, dass Deutschland nach dem verlorenen

ersten Krieg mit einem zweiten zu

verdienter Größe zurückfinden müsse. Auch

nachdem dieser zweite Krieg verloren war,

blieben nicht wenige dem bösen Denken

treu. Sie sahen ihre Zeit keinesfalls aus der

Perspektive, die wir gewohnt sind. Heute erstaunt

die Einschätzung nicht weniger, die in

ihrer zertrümmerten Heimat Berlin von den

Amerikanern und Briten gefragt wurden, wie

das mit Hitler gewesen wäre? Als es wieder

aufwärts ging und der Schuttberg kleiner

wurde, es guten Kaffee gab, amerikanische

Feb 27, 2022 - Hornblower 27 [Seite 27 bis 29 ]


Zigaretten und manche Freiheiten, die den

furchtbaren Krieg schon bald ein wenig vergessen

ließen, antworteten die Deutschen

nicht selten: „Der Nationalsozialismus wäre

an sich eine gute Sache gewesen, nur eben

schlecht durchgeführt.“ Dieses, wie ich finde

schockierende Zitat, habe ich vor kurzem in

einem Bericht über die Zeit vor dem Mauerbau

in Berlin aufgeschnappt. Wir sollten

vorsichtig sein mit unserer abwertenden

Bewertung heute, wären wir doch dieselben

vielleicht, die so dächten, hätten wir damals

gelebt.

Möglicherweise hat der russische Führer

noch Erfolg? Friedensverhandlungen sind

gerade wieder im Gespräch. Sein „Endsieg“

bestünde drin, die ukrainische Führung

mit einigen, wenigen bösen Angriffen nun

schnell einzuschüchtern und emotional zu

brechen, auf Linie zu bringen: „Vergesst das

mit der Nato. Die Amerikaner gängeln euch

nur“, mag der gute Wladimir beschwören.

Wenn das möglich würde, könnte dieses

Land sich wie Belarus und Kasachstan auf

die gewünschte Weise anpassen? Es fällt

mehr als schwer, daran zu glauben, dass es

noch so in etwa geschieht. War die militärische

Idee anfangs, ohne den jetzt begonnenen

Angriff, allein aufgrund der bedrohlichen

Situation des vorherigen Manövers,

eine erzwungene Aufgabe der Scharmützel

im Osten zu erreichen? Da hätte eine

Befriedung des Gebietes unter Anpassung

an Russland nicht wenigen imponiert. Es

hätte nicht unerhebliche Eigenbewegungen

in Richtung freier Demokratie erstickt und

in dieser Hinsicht schlecht Informierte (wie

zum Beispiel mich) weiter an die russische

Version der lupenreinen, gelenkten

Demokratie glauben lassen. Man muss sich

schämen, es zuzugeben? Ich wäre vielleicht

noch einmal darauf hereingefallen, dass mir

der starke Mann im Kreml irgendwie gefällt.

Das ist vorbei. Es wird mir spät klar, dass

man nicht sagen kann, wir greifen nicht an,

es tut und sagt: Selenskyj sei ein Nazi. Der

wirkt gar nicht wie Adolf. Was für eine Art

Faschismus meint der russische Präsident?

Der blindeste Kunstmaler aus Schenefeld

muss im Komiker Selenskyj den mutigsten

aller kreativen Kollegen sehen, und ein

Zerrbild wurde aus dem, den ich irgendwie

mochte – Putin.

Angenommen, krankes Verhalten ist so

selten nicht? Es spricht viel dafür, und die

Schuld liegt sicher nicht nur in der Vorbelastung

missratener Gene – sondern unsere

Umgebung zeigt sich als unfreundliche

Sozialität, die das nicht wahrhaben möchte –

dann können auch Führungskräfte psychisch

krank werden? Möglich ist eine Entwicklung

zum Schlechten. Kein Idiot bekommt eine

führende Position. Heute wird gern vom

Burnout geredet. Aber das ist nur ein neues

Wort, das den Zusammenbruch einer Karriere

kennzeichnet, die es den Betroffenen

ermöglicht, anschließend weiterzumachen.

Würde man diese Erkrankung stigmatisierend

bewerten, bedeutete sie das Aus für zu

viele, die vor dem Kollaps gute Arbeit geleistet

haben. Das macht deutlich, das wir auf

dem guten Weg sind, psychische Krankheiten

als integriert anzunehmen. Da können

wir noch besser werden. Schwieriger als der

weinende Chef, unvergleichlich gefährlich

geradezu, ist ein Amokläufer, und denkbar ist

auch eine psychisch kranke Führungskraft,

die nicht weint, sondern immer bösartiger

wird und schließlich irrational handelt.

Es könnte krankhafte Entwicklungen geben,

die erst allmählich zu einem handfesten

Problem werden. Der erhängte Epstein mag

ein Beispiel dafür sein, wie abartiges und

krankes, gegen andere gerichtetes Verhalten

den Verbrecher nicht hinderten, rational

sein Vermögen zu erwirtschaften. Dieser

Mann wäre als Sexualstraftäter schuldig

gesprochen worden. Entsprechend auffällige

Gymnasiallehrer oder Betreuer in einer Kita,

die sich an die ihnen anvertrauten Kinder

heranmachen, therapieren wir als krank. Das

hängt sicher mit den Millionen zusammen,

die man nur mit entsprechendem Verstand

zusammenbekommt. Wer „nur“ Pfleger

irgendwo ist, muss krank sein, wenn dieser

Kinder missbraucht, meint die Gesellschaft.

Wladimir Putin könne nicht krank sein, ist

schließlich Präsident? Wir sollten es ins

Auge fassen als unglaubliche Gefahr.

Der von C. S. Forester erdachte Leutnant

Hornblower ist ein literarisches Vorbild, das

mir in den Sinn kommt, wenn es darum geht,

im Krieg selbstständig zu handeln. Wer die

Reise mit dem verrückten Kapitän Sawyer

erinnert, kann wie jeder andere Leser

des Romans ins Grübeln kommen, wie das

damals gewesen sein mag, als der Kommandant

in den Niedergang stürzte? Dieser

Despot war immerhin der Kapitän eines

beachtlichen Zweideckers und bestimmte

über das Leben zahlreicher Männer an Bord.

Die können ja nicht weg auf See.

Auch die Meuterei auf der Bounty liefert

eine wahre Geschichte, die Ähnliches

erzählt. Die unglaubliche Fahrt in einem

kleinen offenen Boot, die der abgesetzte

Bligh erfolgreich meisterte, um sich und

einige Offiziere zu retten, nachdem Fletcher

Christian die Bounty übernahm, hat der

abgesetzte Kapitän in Schriftform festgehalten.

Das habe ich gelesen. Bligh war ein hervorragender

Nautiker und hat es mit großer

Disziplin vermocht, seinen winzigen Kutter

weit über See zu navigieren, schlussendlich

heil anzukommen. Eine seemännische

Meisterleistung. Nichtsdestotrotz meuterte

seine Mannschaft auf der legendären

Bounty. Das kann nicht nur an den Verlockungen

der Südsee gelegen haben? Bligh

muss fies gewesen sein und hat in Christian

seinen mutigen Widerpart gefunden. War der

Kapitän aber krank? So genau weiß man das

ja nicht. Der fiktive Kapitän Sawyer (auf der

Renown) ist krank. Wir dürfen mutmaßen,

dass der genauso ängstliche wie bekanntermaßen

mutige, junge Leutnant Hornblower

das Problem in seinem Sinne angepackt hat.

:)

Feb 27, 2022 - Hornblower 28 [Seite 27 bis 29 ]


Historisch

28 Feb, 2022

Historisch, diese Tagesschau. Tina

Hassel macht deutlich: „Ausgerechnet

ein sozialdemokratischer

Kanzler bricht dabei mit vielen

Gewissheiten, die für SPD und Grüne

lange Jahre zur DNA gehörten. Das

2% Ziel bei Rüstungsausgaben soll

nun Jahr für Jahr nicht nur umgesetzt, sondern

sogar übererfüllt werden.“ Davon, dass

es eine Vorgabe ist, die von Donald Trump

angemahnt wurde, spricht niemand. Das war

eine Sendung, die eher von einer möglichen

Wehrpflicht berichtet hätte als über die

geplante Impfpflicht. Unglaublich: Es gab

in dieser 20 Uhr Tagesschau kein Corona.

Das kam gar nicht vor. Keine Inzidenzen

oder neue, gefährliche Varianten, kein Karl

Lauterbach und die Kumpels aus der Gefahrenabteilung

Virus. Null Prozent Pandemie,

aber zwei Prozent Rüstung, und das heißt

hundert Prozent Krieg. Die Krebsvorsorge

hat niemand überhaupt ins Sendegebäude

gelassen. Lauterbachs Klopfen an der Tür

zu Judith musste die Security verhindern, im

Stream für die Zuschauer unhörbar filtern. Es

gibt noch echte Gefahren, eine Atombombe

regiert Russland. Chemische Kampfstoffe

und Hyperschall wollen probiert werden.

Vielleicht sollten Gasmasken angeschafft

werden anstelle FFP-zwei? Überlegt das

mal.

:)

Feb 28, 2022 - Historisch 29 [Seite 29 bis 29 ]


Schuss überhört?

Mrz 2, 2022

Borussia Dortmund / Gerhard Schröder

# Aus dem Internet kopiert: Der BV. Borussia

09 e. V. Dortmund entzieht Gerhard Schröder

mit sofortiger Wirkung die Ehrenmitgliedschaft.

Über einen entsprechenden und

einstimmig getroffenen Präsidiumsbeschluss

unterrichtete Vereinspräsident Dr. Reinhard

Rauball den Bundeskanzler a.D. am heutigen

Vormittag in einem persönlichen Gespräch.

(…). Die Übernahme von Führungspositionen

in russischen Staatskonzernen (…) ist vor

dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges

auf die Ukraine und des damit einhergehenden

gravierenden Verstoßes gegen

geltendes Völkerrecht nicht akzeptabel.

Schröder fungiert aktuell unter anderem als

Aufsichtsratschef des russischen Mineralölunternehmens

Rosneft. (BVB-Webseite am 2.

März 2022).

:(

Mrz 2, 2022 - Schuss überhört? 30 [Seite 30 bis 30 ]


Wiederholung

Mrz 3, 2022

# Das kam auch noch: Hannover 96 prüft

Vereinsausschluss von Altkanzler Schröder.

Nach dem Deutschen Fußball-Bund (DFB)

plant auch Zweitligist Hannover 96 Maßnahmen

gegen (…) den Altkanzler wird

ein Vereinsausschluss geprüft. Borussia

Dortmund hat dem 77-Jährigen bereits

die Ehrenmitgliedschaft entzogen.

(NDR, 2. März 2022).

:( :(

Mrz 3, 2022 - Wiederholung 31 [Seite 31 bis 31 ]


John Lennon gewinnt noch

Mrz 4, 2022

Im Kleinen wie im Großen, wenn jemand

ausrastet, bildet sich Widerstand. Russland

mit seinem eigenen Weg der Selbstfindung

wurde geduldet, jetzt nicht mehr. Das gibt

uns aktuell die Gelegenheit, die Entwicklung

von Sanktionen besser zu verstehen. Ein beispielloser

Vorgang deswegen, weil so viele

mitmachen und dem Land geradezu

die Luft abgedrückt wird. Das ist Gruppendynamik

im globalen wie kleinen

Dorf oder in der Schule. Ein Mitschüler,

der durchknallt, wird niedergerungen

und ein Attentäter eingesperrt,

entwaffnet. Ein Land das rumballert

kann heute nicht mehr gewinnen, soll

die Botschaft sein. Die Probe aufs Exempel,

dass unsere Zivilisation eine ist.

Die westlichen Demokratien begreifen

die Schwäche, die sie damit haben,

nicht mit Waffengewalt (man muss

sagen: gewinnbringend) antworten zu

können. „Macht doch euer Geschäft mit

dem Frieden“, hatte John Lennon gefordert,

und genau das passiert jetzt, indem

jedes wirtschaftliche Handeln unmöglich

gemacht wird – außer es gibt Waffenruhe

und schließlich Frieden.

:)

Mrz 4, 2022 - John Lennon gewinnt noch 32 [Seite 32 bis 32 ]


Lawrow, Schröder,

Putin

Mrz 4, 2022

Verrückte haben heute Rechte, und zwar

deswegen, weil sie Möglichkeiten eigener

Entwicklung nutzen können, die es früher

nicht gab. Was ein Geisteskranker sei, ist

nur für die einfach zu bestimmen, die selbst

einfachen Geistes, sprich: dumm sind. Die

verschiedensten Diagnosen in diesem

Gebiet zeigen, wie viele Gesichter das

Verrücktsein hat. In der normalen Bevölkerung

gibt es weiter eigentlich unhaltbare

Ansichten dazu, die aber ins Wanken geraten

wie jede Form von Fake News. Die Realität,

welche dem Verrückten nicht verfügbar

scheint, grenzt nicht nur ihn ein, sondern bestimmt

auch die Aktivitäten der Umgebung.

Menschen, die bislang nicht mit psychischen

Auffälligkeiten zu tun hatten, meinen sich

Überheblichkeit leisten zu können? Das ist

insofern riskant, weil es in jeder Familie

oder der nahen Bekanntschaft derartige

Kranke gibt. Da kann niemand wegschauen.

Auch an sich emotional Gefestigte können

psychisch krank werden. Wer also das Maul

zu weit aufreißt, Bescheuerte zu mobben,

könnte Ärger bekommen und Angst, selbst in

Behandlung zu müssen.

Es mag stark wirken, ist aber ein Bumerang:

Dumme können andere beschuldigen. Das

hilft nur denen, die als verrückt und gefährlich

gebrandmarkt werden. Sie können

begreifen, was ihnen Schwierigkeiten bereitet

und warum sie gekränkt sind. Einfältige

Menschen kommen klar, weil ihre Umgebung

sich nicht an ihnen stört, im Gegenteil,

man nutzt sie als billige Mitstreiter. Ihre

geistige Gesundheit verdanken manche nur

der Integration. Klugheit ist nicht nur so da,

sie gewinnt an Realität, wenn viele mitmachen.

Schildbürger sind einig und stark darin,

einander Mut zuzusprechen, sich gegenseitig

Intelligenz zu bezeugen. Man hüte sich davor

zu glauben, die Wahrheit eines richtigen

Handelns mal so eben schnell erkennen zu

können. Nicht selten bringen spätere Perspektiven

andere Realitäten hervor.

Psychisch Kranke machen dumme Sachen,

und zunächst scheint es dasselbe zu sein.

Der Isolierte kann aber an Boden gut

machen, wenn dieser andere findet, die sein

Handeln nachvollziehen können. Damit

bestätigt sich für einen Kranken, dass eine

in seinem Sinne intelligente Entwicklung

hinter dem eigenen Problem steht. Ein

dummer Mensch kann leicht Druck ausüben,

weil dieser nicht übersieht, was das auslöst.

Er schlägt den Gewalttäter zurück und hält

sich für eine rechtmäßige Ordnungskraft.

Das kann stimmen, aber oft ist der Polizist

nicht mehr als ein Automat, während der

Durchgeknallte dazulernt und seine Motivation

versteht. Demütigend für einen Machtlosen

ist es, die anerkannten Werte nicht

einfordern zu können.

Bestes Beispiel ist

ein Land, dessen

Wehrkräfte schlapp

sind oder ein Spinner,

der zwar das Richtige

verlangt, aber vom

Mob ignoriert wird.

Dann ist der Gute der

Dumme.

Ein als krank Definierter

kann schließlich

aufzeigen, dass seine

Gewalt nötig gewesen

ist und er als Gekränkter handelte. Aus einer

Not die Befreiung zu suchen wird in dem

Moment glaubwürdig, wo ein Aggressor sich

erfolgreich als Opfer darstellen kann. Klappt

es nicht, wird die Wut der Beschädigten ihre

Anstrengungen stärker machen. Der nun

offiziell Bescheuerte muss gleichermaßen

dumm wie krank draufzahlen. Es läuft auf

eine Mehrheitsentscheidung hinaus, was

richtig, gesund und klug ist. Deswegen

entwickeln sich Regeln, gibt es angepasste

Gesetze, und das Recht kann erstritten

werden. Es steht nicht fest. Auch was das

Völkerrecht angeht, muss ein Bruch durch

richterlichen Spruch entschieden werden

und vor allem spürbar Konsequenzen haben,

schließlich eine Situation schaffen, die allen

nützt und Geschädigte stärkt. Symbolische

Entscheidungen mit dekorativem Charakter

zeigen nur, wo die wahren Realitäten sind.

# Grund genug für Russland anzugreifen?

Russland im Krieg mit der Ukraine, das war

vor kurzem undenkbar. Davon kann und wird

die Gesellschaft viel lernen. Die unglaubliche

Solidarität, die derzeit die Ukraine

erfährt, kann den russischen Druck brechen,

wenn das Ganze nicht lange dauert, Putin

irrational handelt. Sind die Beweggründe

der russischen Führung weniger absurd,

für genügend Menschen im Land und auch

außerhalb in anderen Staaten nachvollziehbar,

bleibt der Despot fest im Sattel, so

unglaublich wir Europäer und andere im

Westen das fänden. Die aktuellen Einlassungen

vom russischen Außenminister sind mitnichten

verrückt, wenngleich sein Präsident

einen bösartigen und krankhaften Duktus in

jede weitere Botschaft bringt, beschwörend

geradezu Rechtfertigungen formuliert, die

angesichts der Bilder vom Krieg schockieren.

Was Lawrow anführt, der Krieg in der

Ostukraine würde seit Jahren vom Westen

ignoriert, lässt sich nicht von der Hand

weisen. Der Westen ist ein Nutznießer der

Unruhen. Die Russen wiederum können,

besonders nach der Annexion der Krim nicht

mal so aufhören, und es bringt gar nichts zu

sagen, die hätten ja angefangen. Wenn es so

einfach wäre. Die Angriffe auf Kiew und weitere

große Städte kann niemand ignorieren.

Insofern steckt in der für uns nicht nachvollziehbaren

Aggression der Wunsch nach

Provokation. Wenn die Ziele dieses Krieges

aus russischer Sicht erreichbar sind, muss

der Westen mit einer Niederlage rechnen,

wenn das Ziel des Westens darin bestünde,

die bisherige Ukraine so wie wir sie

definieren, zu erhalten. Das Land ist bereits

jetzt kaputtgeschossen. Damit hat Russland

de facto gewonnen, wenngleich zum hohen

Preis. Das Verhalten unseres Altkanzlers

Schröder zeigt das auch. Gerd Schröder ist

nicht verrückt. Und Lawrow genauso wenig.

Hier wird das brutale Kalkül der Mächtigen

gesehen, bewusst in eine verlustreiche

Schlacht zu ziehen, aber es ist mehr. Es muss

etwas dran sein an der verletzten russischen

Seele nicht nur der ihres Präsidenten,

sondern auch insgesamt. Wir sollten die

Möglichkeit, dass schließlich eine Weltordnung

dabei herauskommt, die wahrhaftiger

ist als der blinde Fleck, den sich der Westen

an seiner Ostgrenze erlaubte zu haben, nicht

ausschließen.

:)

Mrz 4, 2022 - Lawrow, Schröder, Putin 33 [Seite 33 bis 33 ]


Schöne Zeit

6 Mrz, 2022

Viele Namen in dieser Geschichte und einige

Umwege, das bekannte Thema neu zu skizzieren.

Wie allgemein sollte, wie persönlich

darf ein Kreativer werden? Übergriffig ist

der Mensch als banaler Nachbar um die

Ecke oder als ganzer Staat, der den Krieg

beginnt. In dieser Konsequenz verstehe ich

unsere Welt und glaube nicht an dauerhaften

Frieden. Gewalt ist eine Realität des

menschlichen Daseins. „Die Sanktionen kämen

einer Kriegserklärung gleich“, befindet

Wladimir Putin heute. „Du hast angefangen“,

mag man im Westen kontern. Der Russe

verweist rückwärtsgewandt auf die Epoche,

wo Ukraine und Russland eins gewesen

wären. Wer Recht hat, was macht das schon

in einem taktischen Spiel der Egomanen?

Die Grenzen zwischen bösartigem Machtstreben

und krankhaft motiviertem Terror

verwischen. Das zeigt einmal mehr, dass es

nicht auf Definitionen ankommt oder wer

Schuld habe, sondern nötig ist, individuelle

Lösungen für mehr Frieden zu finden.

Wir sind ja die Guten, und die Russen faken

die Wahrheit? Leugne das nicht! Wir lassen

uns einiges einfallen, deutlich zu machen

wie sauber wir reden. Aber je besser

wir werden, um so schmutziger kommt

scheinbar die Antwort. Vermeidung jeglicher

Inkorrektheit wird konterkariert von einer

Schwemme des Bösen aus der Feder der Hater.

Flüchtlinge sind neuerdings nur Männer,

und wir verletzen uns an diesem Wort? Das

Schenefelder Tageblatt schreibt ausschließlich

von Geflüchteten, die wir zu erwarten

hätten. Mit Samthandschuhen verfasste

Textstellen verstören nicht weniger als die

Fake News der Bösen. Sprache ändert sich:

Bis vor kurzem waren Soldaten, Feuerwehrleute

und Studenten wie Flüchtlinge, nicht

zuletzt Verbraucher und normale Bürger

normal.

George Orwell sagte uns in seinem Roman

„1984“ eine neue Sprache voraus. Das könnte

wahr geworden sein? Journalisten eifern

und überschlagen sich geradezu, so korrekt

wie möglich zu schreiben: „Einige die Flammen

Studierende schauten Feuerlöschenden

zu, während tatkräftige, das Wasser Verbrauchende

sich noch um die vor dem Brand

Geflüchteten und die von Rauchenden entzündeten,

rauchenden Trümmer kümmerten.“

Ein Krieg der Worte macht den Anfang und

anschließend beginnt der „Krieg der Welten“

– das könnte sein. Danach werden Schweigende

uns den ewigen Frieden geben.

# Klappe!

Es scheint, wer aktuell in Russland das Falsche

berichtet, bekomme nach Putins neuem

Gesetz bis zu fünfzehn Jahre Haft? Schlimm.

Aber wer sich bei uns nicht die Finger

auf der Tastatur bricht, ist

Genderleugner. Dazu passt ein

aktueller Bericht im Internet.

Man habe mit vier Menschen

in Moskau gesprochen. Drei

von denen heißen in etwa

Michail, Irina oder Natascha

mit Sternchen*. Dazu schreibt

die Seite, zum Schutz ihrer Persönlichkeit

wären die Namen

geändert worden. Das sind

diejenigen, die sich besorgt

über den Krieg in der Ukraine

äußern. Die heimlich über

Telegram informiert sind, was

dort wirklich passiert, Krieg.

Sie geben an, die Staatsmedien täuschten

ihre Landsleute. Dann kommt ein Igor, Juri,

Leonid oder so ohne Sternchen (es muss immer

russisch klingen) als glühender Verehrer

Putins, rechtfertigt den Angriff. Das kann

man gepflegt in Hamburg am Schreibtisch

verfassen, ohne ein einziges Mal Russland

besucht zu haben.

In der Ostukraine war bereits jahrelang

Krieg vor der aktuellen Eskalation. Ein

Problem vieler Brandherde weltweit deutet

sich an. Im Gazastreifen besteht jeden Tag

die Gefahr einer Attacke. Und in den ersten

Tagen des Angriffs auf die Ukraine sagte

Donald Trump tatsächlich bewundernd: „Das

sollten wir mit denen im Süden genauso

machen“ – unglaublich? Nicht für den vorherigen

Präsidenten der Vereinigten Staaten.

Die wahrscheinlichste, zukünftige Entwicklung

in der Ukraine ist mit der andauernden

Gewalt etwa in Palästina vorgezeichnet. Und

mehr noch, auch zwischen „denen im Süden“

und der USA könnten ständige Kämpfe wie

dann rund um Europa zum Alltag werden?

Flüchtlingsbewegungen und Grenzschutz

auf Kosten der Menschen in diesen Regionen

sind unsere Zukunft. Echte Gefahren,

welche die vertraute Existenz und das

Überleben selbst gefährden könnten, kippen

die Vorstellung, wir hätten noch eine Komfortzone

als Puffer, bis es wirklich schlimm

kommt. Das Geschäft zu machen, wird über

alle Moral siegen. Die gewinnbringenden,

gegenseitigen Transaktionen mit Gas, dem

Öl und Weizen aus Russland müssen und

werden weitergehen.

# Schröder

Die Politik „der ruhigen Hand“ war sein

Slogan. Das wird passieren, Gerd Schröder

sitzt diese Zeit der Eskalation einfach aus.

Der Altkanzler wartet, geliebt von seiner

schönen Frau und bei einem guten Glas Rotwein,

bis ihm die Sanktionen zu unterlaufen

gelingt.

Nicht einmal diese Zukunft ist eine grundsätzlich

böse und die Aggressoren wären

Schuldige. So denken nur welche, die mit

moralisierten Ansichten die eigene Person

aufwerten möchten. Unsere Telefone und

Waschmaschinen gehen früher kaputt, davon

lebt die Wirtschaft. Wir alle profitieren vom

Wachstum. Das Geschäft mit der Angst ist

auch eines, wie die Notwendigkeit, Kriegsgerät

im Einsatz zu verbrauchen, damit

neues fabriziert werden kann. Wahlwirksame

Begriffe verblassen dagegen: „Klimaziele“,

ist zunächst nur ein Wort wie „Pandemie“.

Jedenfalls immer dann, wenn es andere

Mrz 6, 2022 - Schöne Zeit! 34 [Seite 34 bis 37 ]


betrifft. Jetzt zeigt sich, wie schnell neue Realitäten

kommen. Auch mein kleines Leben

bedeutet gezwungenermaßen einen Kampf

gegen andere führen zu müssen, mindestens

aber stopp zu sagen. Mit „allen in Frieden

leben“, ist nichts weiter als billige Propaganda

von Menschen, die andernfalls nichts zu

melden hätten. Sie kämpfen genauso um Anerkennung:

Sonst bleibt dir keine Identität.

Ich glaube an das

Geschick der gelungenen

Abgrenzung.

Wie im Judo, wo der

kluge Verteidiger

den Angriff ins Leere

laufen lässt. Putin,

der Sportsmann,

ein guter Kämpfer

eigentlich, wurde

vom Verband

ausgeschlossen. Das

ist nur folgerichtig.

Kämpfe sind normal.

Es kommt darauf

an, wie sie geführt

werden. Auch der

Barmherzige hatte fortwährend Streit und

wurde schließlich als Aufrührer festgesetzt

und gekreuzigt. Warum ist das eine Religion?

Das Geschick besteht darin, dem eigenen

Tod durch Ausweichen lang genug von

der Klinge zu springen, das Ableben durch

Flucht zu vermeiden, Angreifer stolpern zu

lassen oder frech genug den Tod wie der

Sohn Gottes einfach zu überleben.

Der Ukraine-Konflikt kann nicht verdrängt

werden. Jeder ist angespannt. Wir rücken auf

den Kern der vertrauten Familie zusammen,

diskutieren (während wir gute Sachen essen),

was es heißt, Flüchtling zu sein. Unser

Haus ist überschaubar, Darlehen sind beinahe

bezahlt. Könnten wir fremde Menschen

aufnehmen, sollten wir? Kein Gedanke daran

im Moment, zugegeben. Wir blenden aus,

was geht, noch. Kein Krieg und kein Corona

westlich von Hamburg! Uns, mir geht’s prima.

Das war nicht immer so. Ich habe oft Hilfe

angenommen und bin dankbar dafür, sie

bekommen zu haben. Heute denke ich streitlustig

über manches, und das versteht nicht

jeder. Einige Erinnerungen und Beispiele

mögen das Individuelle einer besonderen

Perspektive verdeutlichen. Kreative schauen

anders auf diese Welt. Sozialer Druck macht

etwas mit uns. Das ist ein kleiner Krieg vor

der eigenen Haustür. Er geht so unauffällig

vonstatten. Es tut mir weh und anderen, die

dafür sensibel sind.

Den Anfang macht Schenefeld heute. Hier

läuft ein Stefan rum, ein Obdachloser. Das

weiß ich von Sibylle, den Namen, meine ich.

Bekanntschaften, man begegnet einander,

redet. Früher

hätte der

noch Sport

gemacht, erzählte

sie. Der

Verwahrloste

redet mit sich

selbst. Ein

vernünftiges

Gespräch

scheint

ausgeschlossen.

Er ist Teil

meiner Umgebung

wie

Bäume am

Straßenrand, Hundeködel und die Bürgermeisterin.

Mit der wiederum rede ich nicht

und habe meinen guten Grund. Ich kann

durchaus kommunizieren. Unser Dorf wird

mir allmählich vertrauter. Ich bin zugezogen,

komme aus Wedel an der Elbe.

# Hier geht es um echte Menschen

Was bedeutet das:

Russland, ist dieses Land

etwa Putin, sein Reich,

Krieg, warum nur? Die*

(die ich mal kannte) aus

St. Petersburg: „Mutig

gegen Extremismus“,

bekam einen Preis für

ihren Text. Dinge beim

Namen nennen, forderte

ich, es fehle in der

liebevoll verbändselten

Buntstiftgeschichte

eigentlich das Persönliche.

Dabei ist so toll,

was sie gemacht hat.

Ihr Ansatz wäre, ein

prominentes Thema und

deswegen geeignet, Aufmerksamkeit zu bekommen,

nur allgemein zu skizzieren, merkte

ich an. Ein Unterfangen wie ein gutes Drehbuch,

das es geben müsste, aber ohne die

individuelle Wahrheit vom speziellen Drama

dahinter. Berufen zum Guten unterwegs, sich

irgendeine Familie auszudenken mit einem

schwarzen Schaf; mein Bruder, der Nazi. Und

den gibt es dann gar nicht. Ein fiktiver Bruder

reiche nicht für eine wichtige Botschaft.

Habe ich gesagt. Das überzeuge nur Lehrer;

Kunst müsse aus echtem Fleisch und Blut

sein – und dann ist uns alles entglitten, wie

jeder hier weiß. Es tut weiter weh. Wer ist

an der Wirklichkeit gescheitert? Das bin in

erster Linie ich selbst.

Die Person, dem Menschen zu begegnen,

mit dem sich alles ändert, bedeutet in der

Realität anzukommen, mit dem eigenen Ego

zu kollidieren.

Mir ist

das passiert,

Gott sei Dank.

Wir suchen

danach. Die

eigenen Probleme

zeigen

sich in der Beziehung

zum

Gegenüber.

Auch wenn

wir scheitern:

„Unterschätze

nie deine Möglichkeiten“, schrieb meine

Kunstfreundin auf englisch unter eine

fotografierte Wolke. So etwas wird gern geliked.

Aber das ist mehr als eine Phrase, sie

kann töten. Beim richtigen Namen nennen:

Persönlichkeitsrechte sind was für Juristen.

Böswillig verletzen ist das eine, die Wahrheit

zu suchen und reflektieren ist eine Not der

Kunst.

Beim Segeln kennen sich alle, und jahrelang

waren viele von uns im Januar auch im Wald

unterwegs, boßeln. Ich weiß noch, das Gespräch

kommt drauf, und Klaus fragt mich:

„Wie hieß noch mal der andere?“ „Morten“,

antworte ich ganz unbedarft, aber es gibt

mir einen Stich. Der andere ist Morton, und

ich bin eben der von zweien, der nicht der

andere ist.

# Verrückte

Dann wäre noch an Björn zu erinnern. Das

erledige ich (an diesem Tag im Wald) gleich

mit. Stille Post? Klaus will es wissen und

Daniel auch, beim Boßeln damals. Björn (der

verstorben ist) hat noch einen Bruder, der

ebenfalls segelt, eine Schwester. Man redet

nicht über früher. Ich muss dieses Pferd

einer Geschichte von hinten aufzäumen: Das

Boot (von Heuer noch geplankt gebaut) ist

in der Familie verblieben. Björn also tauchte

spontan auf, mit dieser Jolle, er wäre Mechaniker,

meinte er, repariere Autos. Das war

Ende 1986, zu der Zeit, als ich meine Jolle

von Dieter kaufte.

Viele Namen, das habe ich ja schon gesagt.

Keine Sternchen, es sind richtige Sterne an

meinem Himmel, die ich mit einem Raumschiff

der Fantasie besuchen kann. Anders

könnte diese Geschichte authentisch kaum

erzählt werden als gerade so. Dieter, noch

so einer? Das ist kein Umweg, ich schweife

nicht ab, keineswegs. Das gehört alles dazu.

Was hier notiert ist meint nicht alle Segler

wären verrückt. Menschen sind so, auch

wenn sie kein Boot haben. Wir könnten nicht

besser leben als mit unseren Fehlern. Dieter

also hatte gerade ein Loch in seinen Wohnzimmerfußboden

gebuddelt, nachdem er

den Zement durchbrochen hatte. Ein Haufen

gelber Sand lag auf dem Teppich, als wir

redeten. Der Grund blieb mir unklar.

# Reise zum Mittelpunkt der Erde

Egal, wir verhandelten, und es war ganz einfach.

Ich interessierte mich für das Boot und

traf auf offene Ohren. „Hatten wir ja gesagt,

dass du die Jolle zurückkaufst, wenn du in

dem Alter bist“, meinte er. Das bezog sich auf

den denkwürdigen Tag der Übergabe sechzehn

Jahre zuvor. Ich erinnere die Tausendmarkscheine

und unseren Wohnzimmertisch

im alten Haus.

Ich war nun groß. Dieter hatte

sich verändert. Es hieß, er wäre

gelegentlich nackt am Strand herumgelaufen,

habe ja seine Arbeit

verloren, sei bescheuert geworden.

Ich bekam das Boot etwa

zu dem Preis, den meine Eltern

forderten, als wir verkauften und

den Jollenkreuzer bekamen. Kaum

mehr als dreitausend Mark, die

Summe, die mein Vater 1955 Feltz

für den Neubau von seinem Lohn

bei Wischebrink abstotterte. Zu

wenig? Ich bot wohl viertausend;

ganz genau weiß ich’s nicht mehr, müsste

im Vertrag nachsehen. Die ungepflegte Jolle,

die im Juni ausgetrocknet an Land gelegen

hatte, wurde anschließend bei Knief saniert.

Das kostete noch einmal so viel. Eine

Versicherung war nicht bereit gewesen, das

Boot aufzunehmen, nachdem der Gutachter

Kielplanken und Schwertkasten inspiziert

hatte.

Dieter fing sich, begann wieder zu arbeiten.

Sein Bruder begegnet mir reserviert. Der war

nämlich Mitbesitzer, vermute ich inzwischen.

Gesprochen wurde nie darüber. Dieter hatte

ihn möglicherweise nicht gefragt, die ,Millionen‘

für den „Peter Panter“ allein eingesackt?

Bei mir wurde über den Umweg „Antares“

schließlich der „Globetrotter“ daraus, wie

man diese Jolle kennt.

Mrz 6, 2022 - Schöne Zeit! 35 [Seite 34 bis 37 ]


# Dieser Text?

Namen wie verpixelte Gesichter in den

Nachrichten: Die Wahrheit ist tatsächlich

dahinter. Es wurden keine Schauspieler engagiert.

Nicht wenige Menschen, die es wirklich

gibt, sind oder werden psychisch krank.

Das sollte nicht verdrängt werden. Wir wollen

es nicht, das geschieht, ist menschlich.

Manche tun bloß so erwachsen. In Schenefeld

gibt es ja junge Leute wie früher in

Wedel oder Osdorf, wo meine Freunde Piet,

Niels, Tascha und Kocki aufgewachsen sind.

„Was ist denn aus den ,Tollen‘ geworden?“

fragte Piet mal und zählte auf, wer in der

Schule gut und beliebt

gewesen war. Absturz

unerwartet? Einiges

ändert sich, wenn die

Schule aus ist, und das

sei jungen Menschen

angeraten, aufmerksam

zu bemerken.

Ich glaube nicht, dass

psychisch Kranke zwingend

in die Obdachlosigkeit

rutschen. Es ist

aber bekannt, dass manche

latent psychotisch

oder manisch werden, und diese haben es

schwer. Selbst der Psychiater äußerte sich

abfällig über meinen Freund (den anderen)

mir gegenüber. Im Nachhinein fies, finde

ich. „Bei Ihnen ist es nicht so, Herr Bassiner“,

meinte der Arzt. Der unterhielt sich eben

gern über Kunst. Der Psychiater malte auch

ein wenig und spielte im Orchester die

Geige hobbymäßig. Während der Therapie,

die ein lockeres Plaudern bedeutete, riefen

immer wieder Patienten in der Praxis an,

und man stellte die Gespräche durch. „Gehen

Sie mal um den Block, Frau Soundso“, meinte

mein Doktor, „das beruhigt“ und probierte,

diese Patienten aus unserer Sitzung herauszuhalten.

Das heißt Therapie? Es hat mich

nicht gesund gemacht, und vielleicht bin

ich noch immer krank? Weiß ich ja nicht. Ich

gehe nie zum Arzt, vertraue auch anderen

Spezialisten nicht, nachdem mir einer unter

dem Vorwand „Darmkrebs“ einige Zentimeter

rausschneiden wollte. Das ist nur ein Geschäft

– und mit denen, die irgendwann mal

in der Klappse waren, könne man’s machen,

denken nicht wenige?

# Mir geht’s gut, und Björn ist tot

Das waren einige wenige Jahre, ich bin noch

Student gewesen, die ich diesen Freund

hatte. Ich fing im Sommer 1985 an der

Armgartstraße an, schloss ’91 mit Diplom

ab. Björn segelte mit uns, mit seinem Boot

und auch als Vorschoter bei mir, wir machten

viel zusammen. Einmal war reichlich Wind,

als wir beide vor Brokdorf beschlossen, dass

wir den Spinnaker wohl tragen könnten.

Wir donnerten damit die ganze Elbe rauf

bis zum Yachthafen in Wedel. „Jonni, der

Schwerwettersegler“, anerkannte Piet das.

Mich bestärkte Björn darin, es zu können.

Ich sah auf den Mast, und der bog sich nach

vorn in jeder Bö. Die Jolle begann ständig zu

rutschen. Wir kamen aus dem Gleiten kaum

einmal raus. Fontänen standen seitlich, und

ich hatte noch nicht gelernt, etwas mehr

Schwert zu geben. Das Boot geriet dauernd

ins Geigen. Mich überzeugte der ruhige

Björn. Wir glichen also entspannt aus und

sausten wie eine Rakete heimwärts. Mein

Mitsegler schien an diesem Tag keinerlei

Angst zu kennen. Er sagte auf der ganzen

Heimreise vielleicht zwei, drei Sätze. Die

drückten nur aus, wie selbstbewusst und gelassen

er wäre. Ich habe das geglaubt. Björn

wird es an diesem Tag genauso empfunden

haben, wie er sich gab. Er war ja ein wenig

älter, ein Mann eben – und ich nur Student.

Einmal rundeten wir an einem schönen Tag

Hanskalb. Diesmal ist es ganz flau gewesen.

Als wir vor Blankenese um den Sand abbogen,

knatterte ein großer Militärhubschrauber

über uns südöstlich durch. Das sei sein

Vater, der „überwache uns und wäre beim

BND“, meinte Björn so überzeugend, dass ich

mir nicht viel dabei

gedacht habe.

Dieser Vater war in

einigen Vereinen,

glaube ich, auch

beim DSV mischte er

gewichtig mit. Man

muss ihn sich als

Respekt heischend

denken, jedenfalls

ein dünner Hänfling

und Malschüler an

einer Kunstschule

wie ich empfand

das so. Die Mutter erinnere ich lieb, und bei

Morten ist diese Konstellation genauso, das

nur nebenbei.

Eltern spielen eine Rolle, wenn die Kinder

seltsam werden. Heino, der Sänger, hatte

eine Tochter, die sich umbrachte, heißt es.

Bei dem Fußballreporter Waldemar Hartmann

wäre ein Sohn krank, las ich einmal,

und das hat mir immer geholfen: Ich möchte

nicht das Kind von einem dieser Prominenten

sein, das spürte ich. Sie erinnern mich

zu sehr an die Väter von Morten oder Björn.

Natürlich gibt sich der bekannte Schlagersänger

anders als der prominente Sportreporter.

Worin habe ich die Gemeinsamkeit

von vier Männern gesehen, die ich mehr

oder weniger beobachten konnte und die

Kinder dazu?

Schwer zu

sagen, jeder

mache sich

selbst ein

Bild von „starken“

Vätern

mit psychisch

kranken

Kindern. Mein

Erich ist ganz

anders zu

erinnern, aber meine Mutter manipulierte.

Vielleicht lebe ich deswegen noch? Greta

glaubte, Björn habe einen „Bornavirus“ gehabt,

das käme von Pferden und mich damit

angesteckt. Da ist sie die Einzige gewesen,

die das meinte. Sie las ein Buch und sagte,

es wäre von einem, der hieße Gottesmann,

ein Fachmann für psychische Krankheiten.

Das war der Beitrag meiner Mutter, und sie

kümmerte sich, wenn es mir schlecht ging.

Mein Vater hat sich nicht ein einziges Mal

überwinden können, meine Probleme, die

scheinbar mein gesamtes Leben und jegliche

Zukunftsplanung zerschossen hatten,

ernsthaft zu besprechen. Ich habe die Alten

gepflegt, ihr Sterben begleitet, ja buchstäblich

organisiert. Ich lernte, unser Geld zu

verwalten, Miete nach Köln zu verfüttern,

Verträge auf den Weg bringen. Der Blöde

bin ich gewesen, gutgläubig eben. Meine

Schwester meint, ich hätte meine Eltern

gehasst. Das sagte sie mal. Tatsächlich

verachte ich sie und unsere, mir verbliebene

Familie in der Idemöllerstraße, Blankenese,

Oberursel und Köln, aber meine Eltern? Man

hat ja nur diese und sucht sich’s nicht aus.

Ich rede kein Wort mit ihnen, denen es nur

ums Geld und perverse Eitelkeiten ging.

Ihre Leben dürften gesünder verlaufen in

mindestens einer Armeslänge Abstand von

mir. Es gibt keinen Kontakt, und das bleibt

so; unbelehrbar stolz bin ich auf alles, was

ich gelernt habe wegzuhauen aus meinem

Leben.

# Sweet Charity Hope Valentine

„Daddy started out in San Francisco, tootin’

on his trumpet loud and mean“, aber es ist

das Rauchen gemeint: Einmal waren Imke

und ich mit Björn zum Jazz. Das war zu der

Zeit, wo „Musical-Projekt“ an Fahrt gewann.

Wir suchten eine Band. Die Merrytale spielte

arrangiert nach Noten mit zwei Trompeten.

Nicht das gewöhnliche Getute der Amateure.

Vielleicht ließen sich hier Musiker für

„Sweet Charity“ finden, das wir bereits im

Amerika-Haus mit Coach Eric Emmanuele

probten? Wir sind in der „Fabrik“ und mancher

Location unterwegs gewesen. Trompeter

Jochen war scharf auf meine Freundin?

„Kommt doch mal in den Cotton Club“,

schlug er vor. So bekamen wir mit, wie der

renovierte Keller fertig wurde, der Container

auf dem Großneumarkt ausgedient hatte.

Was macht die Amerikanerin?“, fragte er

später regelmäßig, wenn ich allein kam. Er

hat sie auch bei Eric im Shop besucht, aber

es wurde nichts draus, glaube ich. Jochen ist

älter gewesen, deutlich, und Imke ging mit

Rick nach Kalifornien, heiratete aber Ingo,

ließ sich scheiden von ihm und ist wirklich

Amerikanerin heute.

Mit Jochen, Björn und Imke erinnere ich,

wie wir im Cotton-Club sind. In den Pausen

und auch noch zum Schluss weit nach

Mitternacht. Wir saßen am Ende der langen

Holztheke, die den Gang

an der Wand gegen den

unteren Bereich mit den Tischen

begrenzt, dem Platz

für die Band. Jochen stand

die Stufe tief, und die Ecke

besetzten wir drei mit ganz

unterschiedlichen Ambitionen,

glaube ich. Björn war

gar nicht ernst zu nehmen.

Der fingerte wie ein Kind

an Jochens Trompete rum,

ein Spielzeug? Der Musiker

ließ ihn gewähren und hatte nur Augen für

Imke. Ich dachte, wir hätten hier das Ziel,

eine Kapelle für die Aufführung zu finden?

Als Björn probierte, in das Instrument zu

blasen, nahm der Trompeter unspektakulär,

ohne ihn ernst zu nehmen, das Mundstück

ab und steckte es in die Tasche. Zum Schluss

waren alle Absichten klar: Jochen kam bei

Imke nicht voran, wir fanden in den alten

Männern kein Orchester für unser Projekt,

und Björn würde nicht was tuten dürfen, nie.

Wir fuhren gemeinsam zu dritt mit meinem

roten Passat nach Hause. Björn redete

die ganze Zeit dummes Zeug. Imke und er

kannten sich gar nicht. Das war gekommen,

wie sich Menschen eben aus verschiedenen

Bekanntschaften für nur einen Abend verabreden.

Nächtliche Heimreise über die Elbchaussee,

oben am Fluss entlang. Unterwegs in

Mrz 6, 2022 - Schöne Zeit! 36 [Seite 34 bis 37 ]


meinem ersten Auto. Wir sausten mit Blick

auf das von den Scheinwerfern der Industrie

am Hafen glänzende Wasser, schließlich

durch Blankenese und weiter nach

Westen bis Wedel. Ich fuhr und

war deswegen nüchtern geblieben,

hatte in der gesamten Zeit allenfalls

ein einziges Bier getrunken.

Wir sollten ihn in der Altstadt absetzen.

Ich glaube heute, der Vater

finanzierte die kleine Wohnung.

Wir parkten am Roland, etwa vor

dem Hotel von Imkes Opa. (Frauke

möge mir diese Details verzeihen).

Das ist so lang her. Nachdem es

schon zu fortgeschrittener Zeit

gewesen war, so drei Uhr morgens,

probierten meine (beste) Freundin

und ich, den Verwirrten (endlich)

zum Aussteigen zu bewegen. Dies

zog sich wohl beinahe eine Stunde

hin. Der brabbelte die ganze

Zeit, und heute würde ich sagen,

vollpsychotisches Gerede ohne

Sinn. Das kannten wir noch nicht.

Liebevoll wie hartnäckig versuchten wir, seine

Launen, neue Themen anzuschneiden, die

noch gesagt werden müssten, dahingehend

zu beeinflussen, endlich aus dem Auto zu

klettern. Wir schafften das dann. Wir sahen

ihm nach, als er ins Dunkle verschwand,

womöglich in seine Bude schlafen ging. Das

war uns nun sehr egal. Vollkommen irritiert

und müde sind wir anschließend in die

Bahnhofstraße gefahren. Wir wohnten bei

unseren Eltern in unmittelbarer Nachbarschaft.

Eine schöne Zeit!

:)

Mrz 6, 2022 - Schöne Zeit! 37 [Seite 34 bis 37 ]


Damals erschien diese Zeitung bereits im

kleinen Format, und einige Jahre haben wir

sie gelesen. Als kleine Schwester der Bildzeitung

ist es unnötig, sie noch zu kaufen.

Es steht nichts mehr drin, was annähernd

dem individuellen Witz einer Hamburger

Spezialität entspricht. Vielleicht doch? Ich

kaufe keine Mopo mehr und bekomme es

nicht mit.

Schwachsinn

8 Mrz, 2022

Das Schicksal liebt mich.

Wenigstens das aus dem

Tageblatt, davon bin ich

überzeugt. Als ich im

zarten Alter von Mitte

zwanzig meine Leidenschaft

für Kreuzworträtsel

entdeckte, war es

weniger die Begeisterung, diese zu lösen als

eigene zu entwerfen. Es gab ja noch nicht

das Internet, und so lasen Menschen Zeitungen

aus Papier. In jeder Zeitschrift, die etwas

auf sich hält, finden sich Horoskop, Rätsel

und ein paar Comics. Meine Eltern kannten

noch „Dankwart“ (in der Morgenpost) und

zitierten manches.

So etwa Freundinnen über ihre Männer:

„Heute muss ich noch mit zum Fussball.“

„Wieso ,heute’?“

„Nächste Woche sind wir verheiratet.“

Nach dem Studium bin ich jahrelang freier

Mitarbeiter der Zeitschrift „Yacht“ gewesen.

Ich bot denen auch einmal ein eigenes

maritimes Rätsel an, stieß aber nicht auf

Interesse. Dann habe ich deswegen, mich

zu erkundigen wie man es macht, bei einer

Hamburger Redaktion angerufen. Früher

hätten alle noch einen beschäftigt, der die

Rätsel entwickelt, sagte man mir. Heute

montierten sie lediglich vom Computer

errechnete Layouts. Man müsse so eine

Datei schon auf dem neuesten Stand halten,

meinte der freundliche Redakteur. Das hieße

immer mal neue Wörter und interessante

Begriffe einzupflegen, wie er das nannte. Das

Programm enthielt also einen Stammwortschatz,

und die Zeitung konnte die äußere

Form dem Zeitungslayout einer Rätselecke

anpassen, erläuterte er.

Wir hatten bis vor einigen Jahren Sonntagszeitungen,

die sich lohnten. Das einzig

verbliebene Blatt ist die BamS, und die kaufe

ich tatsächlich. Ich schäme mich nicht! Die

anderen, inklusive unseres Tageblatts, sind

bereits am Sonnabend für das Wochenende

komplett. Mehr ist nicht wirtschaftlich. Eine

traurige Entwicklung. Unser Tageblatt, welches

seit je her inhaltlich in weiten Teilen

mit anderen Zeitungen der Redaktion in

Pinneberg übereinstimmt, ist der armseligste

Rest Schenefelder Berichterstattung, den

sich ein Leser nur

denken kann.

Ich erlebte Vitt,

Katy Krause,

Christian und Tanja,

dann noch die

hilflosen Versuche

von Cindy Ahrens,

und nun ist es ganz

aus. Verschiedene

schreiben einige

banale Spalten

vorne links, und wer ist Ann-Kathrin Just?

Das ist kein Schenefelder Tageblatt, es ist

ein Witz. Das Horoskop ist noch das Beste

dran. Natürlich gibt es insgesamt weiter

gute Berichte in dieser Zeitung aus unserem

Kreis. Sie zu lesen bedeutet mir wenigstens,

auf dem Laufenden zu sein, was in

Schleswig-Holstein und vor allem

rund um Pinneberg geschieht. Ich

mag Papier zum Frühstück. Das ist

die absolute Luxuszeitung beim

Bäcker. (Ich kaufe sie jeden Tag).

Schwachsinn, es weiter zu bezahlen,

das Tageblatt – für diesen

Preis. Aber schwachsinnig bin ich

ja ganz gern.

:)

Die Kombinationen? Darüber zerbrach sich

kein Mensch noch den Kopf wie ich. Bei den

Horoskopen wird es ähnlich laufen. Unsere

Sternzeichen mit der Tagesvoraussage, die

meine Frau und ich am Tag unserer Hochzeit

in der Mopo vorfanden, war so geistreich,

dass wir das ausgeschnitten haben. Es hängt

gerahmt in der Küche bis heute bei uns.

Mrz 8, 2022 - Schwachsinn 38 [Seite 38 bis 38 ]


Weltaufmerksamkeitstag

10 Mrz, 2022

Sie können einem leid tun,

diese Frauen. Sie meinen, mit sechzig eimerweise

rote Farbe ins Haar kippen zu müssen

oder probieren, mit einer albernen Weste

ihre verblasste Wichtigkeit in den Vordergrund

zu drängen. Sie fordern: „Atomkraft

schaffen ohne Waffen“, „Freiheit für alle“ und

bewirken nichts als Spott. Friedenswerkstatt,

Kulturwerft, Genderfabrik, das ist so

wichtig. Von allein würden sie keine „von der

Leyen“, ist es das? Da hätten die verkorksten

Schabracken früher anfangen müssen,

an sich zu arbeiten. Neid ist kein guter

Ratgeber, das müssen auch Männer lernen.

Wir haben früh begonnen, die Welt nach

unserem Bilde zu formen. Der Vorsprung

macht es. Dem internationalen Frauentag

folgt einer für den Mann: Im Wettstreit der

Geschlechter kann niemand gewinnen. Tag

„des Betens oder -Unkrautjätens“, es dürfte

schwer werden, noch Termine zu finden für

ein Event. Wer sich benachteiligt fühlt und

eigene Wichtigkeit betonen möchte, suche

sich einen Weltaufmerksamkeitstag.

# Die eigene Krankheit

erfinden

Junge Frauen stehen vor der Herausforderung,

einfach zu leben oder riesigen Zinnober

mit sich anzustellen. Schöner waren sie

nie als heutzutage. Man kann es natürlich

übertreiben. Auch mit dem um Aufmerksamkeit

buhlen. Erwachsene passen auf. Wenn

etwas schief geht, keine Angst! An den Falschen

geraten? Dann kommt eine Marianne*

und rettet dich. Alte Tanten, die gegen das

Böse und den Schmutz der Welt angehen.

Leider übersehen diese Emma’ angesagte

Plattformen. Sie glotzten

nie am Zaun einer

Schule wie die Onkel? Es

dürfte schwierig werden,

unsere Welt noch zu

retten. Sie ist einfach zu

hübsch, um überleben

zu können. Jedenfalls

solange sie jung ist, die

Weiblichkeit.

(Name* zum Schutz

der Person mit Stern

versehen).

:)

Mrz 10, 2022 - Weltaufmerksamkeitstag 39 [Seite 39 bis 39 ]


„Einige Ergebnisse wurden

möglicherweise aufgrund

der Bestimmungen des

europäischen Datenschutzrechts

entfernt“

Mrz 12, 2022

Zensur ist überall. Auch

bei uns. Es gibt keine

vollkommen freie Freiheit.

Selbst YouTube ist moderner

geworden: „Mag

ich nicht“, Daumen runter!

Wir können das klicken, sichtbar für den,

der online gegangen ist mit seinem Scheiß;

die anderen vielen sehen die Abstrafung

nicht mehr. Zweifel am Stil der Menschen im

digitalen Umgang miteinander, an der Qualität

von Aussagen und öffentlicher Druck,

mögen der Anlass gewesen sein zu handeln.

Die digitale Wahrheit ist ohnehin eine Lüge.

Fake-News für alle sind Realität geworden.

Wir fragen uns, ob jemand seine Follower

kauft? Wir zweifeln, ob eine Veröffentlichung

aus trivialem Neid absichtlich mies gemacht

und unerlaubte Technik eingesetzt worden

wäre, um das Werk niederzumachen.

Soziale Medien werden als böser Tand der

Moderne kritisiert, nicht zuletzt Telegram.

Auch über das schnöde WhatsApp rotten

sich die Horden zum „Spaziergang“

zusammen. Das möchte man unterbinden.

Manchmal aber würde sogar Gutes bewirkt,

wenn wir der Freiheit nur ihren Lauf ließen,

heißt es. Als Trump-Gegner mehrheitlich die

Karten für eine Veranstaltung kauften, um

gerade dort nicht hinzugehen, kam das gut

an. Donald allein im Stadion, Ha-ha.

YouTube für Bessere ist smart? Die böse

Hand mit dem abwärts gerichteten Daumen,

den schon die alten Römer kannten, wurde

amputiert. Das ist eine elektronische Handfessel,

moderne Kastration, entsprechend

der am Fuß unserer Straftäter draußen,

denen man einiges zumutet. Jetzt dürfte das

Bild auf verborgene Weise verbogen sein.

Niemand disliked, wenn nur der Autor das

sieht. Insofern weiß auch keiner, wie etwas

bei freier Meinungsäußerung reflektiert

würde. Wer Schwachsinn verbreitet, dürfte

sich nun bestärkt sehen weiterzumachen. Ich

kann mich einfühlen: Meine Texte dürften

auf einer öffentlichen Plattform scheitern.

Ich schreibe weniger als Leserbriefe an eine

Zeitung, bin der totalen Nichtbeachtung

anheimgegeben mit dem eigenen Fenster

ins Nichts.

Die eigene Meinung für sich allein haben,

wie viele Dislikes ein Video bekommt,

verbirgt man: Das verstümmelte Medium,

denke ich, die Weltretter haben gesiegt. Die

Zensur von ihrer besten Seite, so menschlich

fair. Immerhin können wir noch erkennen,

ob sich Millionen für einen Film interessieren

oder nur einige hundert. Könnte man

verbieten. Diffamiert diese Zahl nicht etwa

Schwächere, weil Menschen nun unbekanntere

Videos ignorieren? Man könnte fordern,

auch diesen Hinweis aus Fairness gegenüber

gering aufgerufenen Darstellungen zu

verbergen; soziale Soße ertränkt das Böse

nicht.

# Kommentare

deaktiviert

Stille ist besser.

Auch ich rede

gern und möchte

unwidersprochen

vortragen.

Trotzdem werden

täglich neue

Ideen geboren.

Einfälle sprießen

wie Kraut in die

Zivilisation. Menschen

haben den

Gurt im Auto,

die Energiesparlampe

oder

den Helm für das Fahrradfahren erfunden.

Unermüdliche konnten den Brandmelder an

der Decke, den Airbag (sogar an den Seiten

vom Auto) und manches andere zu unserem

Schutz installieren. Vollständig geimpft

zu sein, hieß anfangs zweimal „Biontech“.

Das reicht längst nicht mehr. Gärtner der

neuen Zeit haben einen schwächelnden

Wirtschaftszweig mit bis dato unbekannter

Produktion belebt und zum starken Ast

einer beachtlichen Sicherheitsindustrie

anwachsen lassen. Kreativ bleiben! Das

Rauchen im Pkw müsste man grundsätzlich

verbieten. Beim Anschauen von Pornos

zuhause, könnten wir dem Konsumenten

vorschreiben (um ihn selbst vor Voyeurismus

und Erpressung zu schützen), eine Maske zu

tragen. Auf einen Gurt, sich anzuschnallen

wie im Auto, dürfte der Masturbierende

zunächst verzichten. Das befiehlt der Staat

erst in einem späteren Schritt, um Alte, die

im selbstgerubbelten Orgasmus vom Stuhl

fallen könnten, zu schützen. Das ist doch

keine Satire! Unfreiwillige Mitschnitte am

Strand oder in der Umkleide stehen bereits

auf dem Index. Da hier in erster Linie Frauen

die Opfer sind, sollte Spannern geholfen

werden, die im privaten Wohnzimmer wichsen.

Der Staat muss natürlich weiter große

Lausch- und Glotzangriffe hinbekommen.

Eine schwierige juristische wie technische

Gratwanderung.

# Wir schaffen das

Du schaffst es! Jeder kann es schaffen.

Längst Geschichte ist der amerikanische

Traum, ein Tellerwäscher könne noch Erfolg

haben. Diese fantastische Vision besiegte

Sowjetrussland. Ich wurde damit gefüttert,

wie großartig etwa Kennedy und die Amerikaner

überhaupt alles machten für uns.

Wir dummen Deutschen lernten, allerbeste

Demokraten zu werden. Das sollten diese

aggressiven Putinrussen heute mal nachmachen.

Die Freiheit des Einzelnen gab der

westlichen Welt insgesamt Kraft, nach dem

Motto, etwas ist so stark wie die einzelnen

Teile darin. Wir sind sauber heute. Sogar ein

Star meiner Jugend, Heidi Kabel, ist jetzt

als böse erkannt worden und wird posthum

entnazifitziert. Wenn nach ihr eine Straße

benannt wurde, muss nun ein Gegendenkmal

aufgestellt werden oder mindestens

ein Schild, dass den Kindern erklärt, wie

verlogen das Ohnsorg-Theater damals war,

dieses Monster auftreten zu lassen.

Freie Kräfte werden eingefangen, statt dass

sie noch etwas Gutes sind. Die Demokratie

wankt. Inzwischen sind aus den vielen

Kräftigen reichlich Aggressive geworden.

Das wird zum inneren Problem und hat

anderswo zur Idee einer „gelenkten Demokratie“

geführt, die gezügelt probiert, so

zu tun als ob. Jetzt scheint es, als wäre das

moderne Russland am Ende und wieder genau

dort, wo die Sowjetunion gescheitert ist.

Jede Freiheit findet ihre Grenzen. Auch der

Einzelne im Staat bei uns. Wir haben Regeln

wie alle Gesellschaften. Und Russland, das

unfreie Land, erkennt eben die Freigeister

der Ukraine als Nazivirus. Verkehrte Welt ist

das mitnichten. Der alte Kampf zwischen Gut

und Böse beinhaltet zunächst die Definition,

was gut oder schlecht ist.

Meine persönliche Meinung ist die Voraussage,

dass „ein größerer Frieden“ als der

aktuelle Krieg erreichbar ist. Die russische

Führung etabliert alternative Begriffe als

erlaubte Form der Berichterstattung. Eine

Militäroperation würde durchgeführt, ein

Konflikt bestünde. Das darf man sagen. Das

klingt doch moderat. Wir werden dergleichen

kopieren, bin ich mir sicher. Bei uns

werden bislang nur Leichen unscharf verpixelt,

ein Anfang zum smarteren Fernsehen

mit gelenkter Information? Da könnten ja

Kinder verstört werden bei diesem Anblick.

Wir sind eingebildet: Niemand kann so tun,

als gäbe es, reduziert um Moskau herum,

eine territoriale Insel. Ein quasi amputiertes

Russland (im weit ausgedehnten Asien)

dürfe gern Putins Land bleiben, und wir

drumherum gängelten den Verwirrten? Eine

idiotische Idee. Die größere Realität wird

gewinnen, aber das ist nur meine Meinung

als nebensächlichster Autor. Wir werden die

Kernversorgung aus Gas, Öl und Weizen, die

uns die Ukraine wie Russland und andere

bislang sicherstellten, nicht ersetzen

können. Nicht sofort und genauso wenig in

einigen Jahren. Das zwingt uns insgesamt

zum Frieden, und das wird einer sein, in dem

weniger geschossen wird als jetzt. Wenn der

russische Präsident das innere Opfer seines

eigenen Systems werden sollte, folgt ohnehin

ein symmetrischer Nachfolger.

Mit derselben Blindheit wie Blödheit,

anderen das Gutsein aufzwingen zu wollen,

gehen Menschen im Kleinen miteinander

um.

# Achtung Satire, jetzt wirklich!

Wir sind eine gute Demokratie mit dem

korrektesten Staat der Welt. Zwischen

Deutschland und Russland liegen Lichtjahre.

Darum ist ein Krieg in Europa auch verboten

worden. Wir sind so achtbar, dass unsere

Mrz 12, 2022 - „Einige Ergebnisse wurden möglicherweise (...) entfernt“ 40 [Seite 40 bis 42 ]


Soldaten keine einsatzfähigen Waffen

benötigen. Dafür haben wir im Inneren ein

System, das sollte sich Herr Putin einmal

anschauen, damit er das lernt mit der Vielfalt,

der Korrektheit und bunten Diversität

bei uns. Einiges geht auch unserem Staat zu

weit? Das darf man nun wirklich nirgendwo

gar nicht schreiben: Zum etablierten

Scheißbullen und alltäglichen Denunzianten

gesellt sich eine moderne Kuh (wie Ziege)

der Psychologie, als eierlegende Wollmilchsau

der modernen Kriegführung, welche

eine Deutungshoheit beansprucht, wenn

das Verbrechen nicht recht herauskommen

mag. Ihre Aufgabe besteht darin, Beute zu

machen für den Staat, und Täter zu schaffen,

die erst welche werden könnten. Wir haben

dafür den Begriff „Gefährder“ erfunden. Das

Wort müsste doch genderbar sein? Wie

ungerecht, dass bislang nicht berücksichtigt

wurde, wie gefährlich Frauen als solche sind.

Oft kommen diese (glücklicherweise) nicht

effektiv zum finalen Schuss; das mag ein

Grund sein? Ihre Motivation ist unredlicher

Natur. Der Wunsch zu bestrafen, Opfer, wo

noch keine sind, zunächst zu kreieren, führt

zur Jagd auf ausschließlich Männer und eine

konstruierte Beweislage, die vor Gericht selten

Bestand hat. Die Anwälte der Angeklagten

haben inzwischen ja auch aufgerüstet.

Meine Meinung, und hoffentlich erlaubt:

Polizisten scheitern grundsätzlich. Das sind

die Doofen, die schon in der Schule die

anderen Kinder verpetzten. Das Problem

des Aufpassers ist, er weiß nicht, was dem

Aggressor als nächstes einfällt. Der Polizist

ist ein Automat. Ein Täter ist kreativ wie

jeder Unternehmer. Dasselbe zeigt sich in

der Politik. Eine sozial dominante Politik

ruiniert das Land. Der Kreative gewinnt, der

vermeintliche Umverteiler zum Guten hin ist

mitnichten der beste Robin Hood, sondern

ein Idiot. Gutmenschen bringen noch eine

nationale, denunziantische Polizeigesellschaft

hervor, in welcher auch der linkste Sozialdemokrat

nicht leben möchte. Rot, wenn

es zu viel möchte, scheitert schließlich – und

schafft braun.

Der besiegt geglaubte Kommunismus ist in

Russland zurück an der Macht. Und so eine

Macht wie die in Moskau ist offensichtlich

braun, wenn das die Farbe der Diktatur

bedeutet. Die Ukraine müsse entnazifiziert

werden, sagte Außenminister Lawrow – wer

glaubt das denn von so einem? Wenn Selenskyj

und seine Klitschkos nicht so sympathisch

wären, hätte Putin leichtes Spiel. Wer

sagt: „Ich brauche keine Ausreisegelegenheit.

Ich brauche Munition“, gewinnt Herzen.

Ein Lehrstück sozialen wie menschlichen,

kämpferisch kreativen Verhaltens ist der brutale

Kampf um die Ukraine. Aber nur so lange

er sich nicht ausweitet und auch bei uns

Bomben fallen. Morgendliche Betrachtungen

im Bademantel aus dem geheizten Atelier

sind einfach und gefallen mir. Ich mag es zu

schreiben und Skizzen zu zeichnen. Ich habe

eine Tastatur und ein Fenster zur Welt mit

meiner Webseite. Ich bekomme keine Dislikes

oder dergleichen. Ich treffe Menschen

auf der Straße, und das geht mal so, mal so.

Die Interpretation ist individuell. Ein Kampf

der Mimik, und manche haben mehr Angst.

Auch insgesamt in der Weltpolitik bleibt die

Lage unübersichtlich. Wir dürfen natürlich

besorgt sein. Wahrscheinlichkeit hilft, wie in

der Pandemie. Es ist weniger wahrscheinlich,

schwer an Covid zu erkranken, als die

Nachrichten suggerieren. Und ein dritter

Weltkrieg ist unwahrscheinlicher, als ein

allmähliches Zurückfahren der Kampfhandlungen.

Die Attacken werden unauffälliger,

und wir gewöhnen uns. So bitter das klingen

mag. Wir stumpfen ab, und wer Wege findet,

wird sich dahin flüchten, wo es besser geht.

Man glaubt es ja nicht: Nicht wenige ziehen

extra ins Kampfgebiet aus aller Welt! Nicht

um Frieden zu stiften. Sie wollen mitballern.

# Legionen

Er ist noch nicht zu Ende gekämpft, dieser

Freiheitskampf der Ukraine, und es ist

zugleich die Freiheit Russlands, eine innere

wie äußere Stärke, die keine auf einen bösen

Präsidenten reduzierte Wahrheit bedeutet.

Vom Löschen der Nachrichten wird berichtet

und wie gelenkte Information die Staatsmacht

Putins stütze. Das ist eine einfache

Wahrheit für uns Demokraten, und sie mag

im einfachen Sinne stimmen. Wir sind viele

und äußern uns ungezügelter, werden nicht

vom Staat

beschnitten,

sondern von

denen, die

wir nebenan

verletzten. Wir

können uns

entfalten, und

die Russen

nur im engen

Rahmen der

Treue zur Regierung.

Unsere

Politiker werden gewählt, das kann nicht

bestritten werden, nicht einmal von denen,

die eine Lügenpresse bemerkt haben wollen.

Diese extremen, als quer und verschworen

gebrandmarkten Außenseiter haben aber

nicht deswegen so viel Aufmerksamkeit

und Zulauf gewinnen können, weil sie eben

Bescheuerte wären, sondern weil sie etwas

bemerkten, dass als Thema relevant ist. Die

Entdeckung, dass ein vorhandener Mainstream

nicht wenige an den Rand drängt,

hat Fahrt aufgenommen.

Dass sich Parteien bilden, also Gruppen

zusammenfinden für oder gegen etwas, ist

nicht neu und keine Erfindung der digitalen

Medien. Neu ist die fixierte Kommunikation.

Schreiben statt reden hat unsere verbale

Welt geschaffen, die mit einer Dynamik

aufwarten kann, die dem Rumgeballer im

wilden Westen nahekommt. Worte töten. Wir

reden ja nicht ins Leere des Äther, sondern

verewigen jeden Satz. Das Geschrei um die

Zulässigkeit der Bodycam bei der Polizei

war groß. Es ist ein Wettrüsten um die

Belegbarkeit des Vergangenen, anschließend

die Schuldkanone laden und abfeuern zu

können. Der juristische Streit um diesen

Videobeweis im Alltag ist bereits Geschichte

wie der idealisierte (oben zitierte) amerikanische

Traum, welcher uns ein Monster

wie Donald Trump herangezüchtet hat. Es

bedeutet die Mutation vom skrupellosen

Geschäftsmann zum Geisteskranken, der

weiß was er tut. Ein Psychopath im Anzug an

der Spitze. Wer glaubt, zwischen Trump, Joe

Biden oder Putin wären moralisch differenzierte

Unterschiede, die beim Wahlgang zu

bemerken nützte, könnte sich geirrt haben.

Die modernen Staaten stehen im wirtschaftlichen

Konkurrenzkampf wie sie voneinander

abhängig sind. Weicheier oder zu offene

und sympathische wie ehrliche Menschen

scheitern an der Spitze einer Regierung und

im kleinen Dorf.

Die hohe Zahl der Suizide aufgrund von

Anfeindungen, die oft anonym geschehen,

sind ein modernes Problem. Eine Begegnung

von Angesicht zu Angesicht mit der

vollständigen Palette unserer menschlichen

Ausdrucksformen wäre die natürlichste Weise,

sich die Meinung zu sagen. So wie das

Gewehr als eine Weiterentwicklung von Pfeil

und Bogen die Indianer besiegte, die den

steinzeitlichen Vorfahren unterdrückt haben

(und die Urmenschen welche, die mit der

bloßen Faust kämpften), erleben wir heute

das verbale Aufrüsten.

Während ich früher noch gern ins Kino

gegangen bin und Filme im Fernsehen

angeschaut habe, zappe ich heute durch.

Scheinbar unmöglich, mich auf eine Handlung

einzulassen, sehe ich nur Minuten zu,

bis ich den Inhalt begreife. Kürzlich kam

die Geschichte des Gefechts am O.K.-Corral.

Das hatte ich noch nie verfilmt gesehen. Ich

benötigte nicht lang, in Kirk Douglas

den Doc Holliday zu erkennen. Etwa,

als Morgan beschließt, seinem Bruder

zu helfen und der Lungenkranke eine

Mitfahrgelegenheit findet, schaute ich

ins Drama rein. Dann habe ich mich

schnell verpisst, durch andere Kanäle

gezappt, bis ich auch das aufgegeben

habe. Viele Jüngere schauen kein

Fernsehen, vernünftig. Die Story um

Wyatt Earp ist mir bekannt. Das habe

ich als Jugendbuch gelesen. Es war

als Dokumentation für größere Kinder

nett verfasst. Wir sollten lernen, zwischen

Fiktion und Geschichte Unterschiede zu

begreifen. Die Schießerei ist soweit, als das

Ganze tatsächlich passierte, wahr.

Aus der Vergangenheit eine Geschichte zu

formen ist menschlich seitdem wir sprechen.

Mit der Schrift ging der Mensch seinen

Weg in eine künstliche Welt wie er Häuser

gebaut hat und Schienen verlegte, Straßen

pflasterte, Pferd und Wagen modernisierte.

Der Film entwickelte sich und heute

das einfache Video für alle. Ein Fehler der

modernen Weltretter besteht darin, im

Medium selbst das Böse zu erkennen und

deswegen eine Zensur zu fordern. Es werden

dieselben, vermeintlich besseren Menschen

sein, die in Russland oder China staatliche

Eingriffe in die Informationen brandmarken.

Das Problem ist kaum die Technik, sondern

zunächst der Mensch an sich, nämlich der

Ärger, den der Einzelne mit der Gesellschaft

hat. Die kleine Welt drumherum zu pflegen,

ist besser, als im Vorgarten vom Nachbarn

die Pflanzen zu vergiften. Eine kreative

Blume züchten und das eigene Leben

fruchtbar machen, hilft. Andere beschuldigen,

vor ihnen wegzulaufen, die digitale

Vergangenheit löschen, bedeutet fixiert auf

damals abzuhauen. Auf Früheres aufbauen

ist das Gegenteil vom rückwärtsgewandten

„nach vorn schauen“, das man immer lauter

beschreien muss. Unter die Vergangenheit

ein Strich ist nicht mehr als das. Eine Linie

macht noch kein Bild.

# Ein persönliches Beispiel zum Schluss

Die erzwungene Illusion und gegenseitiges

Versteckspiel aus verschiedenen Motiven

haben mich korrigiert, an vieles noch zu

glauben. Danke dafür. Meine kurze Ewigkeit

ist in ein Bild gemauert, und das habe ich

weggeschenkt in den Müll der Kripo von

Pinneberg – glaube ich. Gemalt ist festge-

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halten, was flüchtig bleiben sollte. So künstlich

ist der Mensch. Man sagt etwas so dahin,

will nur nett sein. Geschrieben bleibt es für

immer: „Ich möchte, dass du weißt, dass ich

für dich da bin“, erweist sich als Floskel wie

„einen schönen Tag wünsche ich dir“, wenngleich

eine persönliche Mail tiefer geht und

man es beim hingeworfenen Abschiedswort

nicht wichtig nimmt. Wir können’s nicht

allen recht machen! Einen Schluss zu finden,

wird um so schwieriger, je weiter wir von

uns selbst entfernt sind. Jemanden dazu

ermuntern, über sich hinauszuwachsen, kann

bedeuten, eine Person über die Umlaufbahn

hinweg zu verlieren, von der ein Mensch die

heimatliche Erde noch erreichen kann.

Mein Vater starb, nachdem meine Mutter

vom Krebs gefressen wurde, ich den Verstand

verlor. Am letzten normalen Tag mit

(der, dessen Name nicht genannt wird) liefen

wir beide durch Blankenese zum Strand. Da

war nichts mehr normal zwischen uns. Die

gegenseitig zur Schau gestellten Fassaden

waren durchsichtiger als je zuvor. Meine

gefakte Freundin wollte nur noch weg, es

hinter sich bringen. Bitter. Manches bleibt

hängen. Ich fragte: „Die Zahlen in deiner Adresse

sind das Geburtsjahr?“ Sie bestätigte

und meinte, es müsse auch noch weg. Alle

privaten Hinweise müssten verschwinden.

Dann weg, in das schottische Schattenreich,

weiter und nie zurück: Die Ausbildung zum,

ja ich frage mich: für was eigentlich?

„Mein Vater hält ja auch nichts von der

Polizei, wegen der Sowjetunion und der

Verfolgung dort damals.“

Ein gruseliger Tag, und der Anfang unendlicher

Auseinandersetzungen mit den

sogenannten Erwachsenen aus Schenefeld.

Das sind tumbe Helfer, mögliche Spuren zu

verwischen, die dümmsten Trampel in einem

anspruchsvollen Geschäft. Sie machen sich

bis heute lächerlich. Diesen Weg gehe ich

nicht mit, habe ich gedacht. Ich halte fest

dagegen mit all meiner Kreativität! Ich gehe

genau in die andere Richtung. Ich schaue

direkt in dein schönes Gesicht. In Russland

muss man zu lügen nicht üben. Ich sehe auf

diesen Grund, und es ist der Blick in einen

Spiegel: Du glaubst, du trennst dich, aber ich

gehe nur den Weg weiter, den ich sowieso

gehe. Das habe ich gedacht und kann es

nicht vergessen.

:)

Mrz 12, 2022 - „Einige Ergebnisse wurden möglicherweise (...) entfernt“ 42 [Seite 40 bis 42 ]


„Bassi“ wäre neunzig

heute

Mrz 15, 2022

Was macht krank,

warum geht es mir

heute gut? Ich kann das beantworten. Besser

noch, als dass ich gesund bin, ist dieses Wissen.

Was kann ein Mensch tun, der ja nicht

irgendwer ist; ich konnte mich optimieren,

wie andere ihren Rennwagen oder das Boot

für eine Wettfahrt. Im Leben bestehen, auf

der Bahn. Nicht aus den Schienen fliegen,

wenn Fremde scheinbar die Macht über das

Tempo haben. Es bedeutet, das Fahrzeug

selbst zu lenken. Ich habe schon viele Regatten

gesegelt und einige gewonnen. Es hilft,

darüber nachzudenken, wie es beim Segeln

ist, wenn Dinge nicht funktionieren und

Ratgeber versagen.

Zu einer guten Regatta gehören die Regeln,

wie diese zu segeln ist. Man vergleicht sich

in einem abgesteckten Revier mit ganz

bestimmten Booten. Da segeln nicht große

Yachten gegen kleine Jollen, ohne dass ein

Kenner wüsste, solche Vergleiche machen

wenig Sinn. Gegen einen Großsegler wie die

„Gorch Fock“ unter vollen Segeln, mit schönem,

achterlichen Wind unterwegs, kann ein

kleines Segelboot nie gewinnen. Die Bark

wird über den Atlantik segeln, wir fallen zurück

und müssen bereits in der Elbmündung

aufgeben, schaffen es nicht einmal heil über

die Nordsee auf den Atlantik raus. Dabei ist

alles unzureichend, um mithalten zu können.

Wir haben nicht genügend Proviant, können

dem Seegang auf dem Meer nicht standhalten

und das Tempo, das unsere mickrigen

kleinen Segel an Vortrieb erzeugen, reicht

nicht. Wir können bei diesem Kräftemessen

nie gewinnen. Die Zeiten, als große

Segelschiffe unterwegs waren, kenne ich

aus Beschreibungen meines Großvaters. Die

„Pamir“ wäre ein 13-Knoten-Schiff gewesen,

sagte er etwa, oder von der „Passat“ hätte

es geheißen, sie habe bei Flaute noch ein

Flappen ihrer Segel (in der Dünung) nutzen

können, wäre einem Konkurrenten davon

gesegelt. So im Leben: Der Mensch vergleicht

sich mit anderen. Für manche steht

die Anerkennung und nicht das verdiente

Geld an erster Stelle. Wir möchten nicht von

Elefanten bewundert werden, sondern einen

Platz in der menschlichen Gesellschaft erringen.

Auch welche, die meinen, das sei gar

nicht so wichtig, ertappt man dabei, auf den

Applaus zu schielen.

Ich weiß noch, wie es Piet gelang, dauerhaft

schneller zu werden. Anfangs waren mein

Mitsegler Henning und ich ihm überlegen,

aber auf einer Jahresauftaktregatta schaffte

Peter nach etlichen Anläufen einen Durchbruch

in Lee. Wir hatten vom

Start weg auf ihn gesegelt,

da wir nur mit zwei H-Jollen

angetreten waren in einer

Wettfahrt, die eine bunte

Mischung verschiedener

Bootstypen darstellte. Mit

welchen Großen wir zusammen

starteten, interessierte

nicht. Wir beide mit unseren

Jollen umkreisten einander

schon vor dem Start wie die

Gegner im America’s-Cup.

Es ging elbab bis irgendwo

Pagen und dann zurück.

Keine anspruchsvolle Sache

in der Meisterschaft, einfach

nettes Regattasegeln und

ganz früh in der neuen Saison.

Wir lagen mit unserem

Boot gleich vorn, hatten den

Start am Yachthafen besser

hinbekommen, aber Piet

war auf Rufweite bei uns. Wir kreuzten dicht

zusammen Schlag um Schlag gegen leichten

westlichen Wind an der Nord. Mit meiner

neuen Clownfock liefen wir gut, Henning

schotete, wenn der Wind nachließ aus der

Hand, und Peter griff zwar an, blieb aber

ohne wirkliche Chance. Weiter elbab kamen

wir sogar deutlich weg von ihm und waren

übermütig, guter Laune. Das Jahr schien gut

anzufangen.

Die letzte Saison war erfolgreich verlaufen.

Wir erwarteten, daran anzuknüpfen. Piet

ist ein wenig jünger als ich, und zunächst

konnte ich ihn leicht schlagen mit meiner

Erfahrung aus dem Pirat. Wir haben beide

das Boot unserer Väter jeweils zum eigenen

machen können. Bassi, der am heutigen Tag,

wo ich diese Zeilen tippe, neunzig geworden

wäre, hat sich seine Jolle 1955 bei Feltz

bauen lassen und später verkauft, als meine

Schwester geboren wurde. Ich holte unser

Boot mit dem Kauf also wie zurück in die

Familie, und Peter hat anfangs bei seinem

Vater mitgesegelt, sein Schiff daraus gemacht,

als er alt genug gewesen ist und Adje

gern kürzer getreten ist für seinen Sohn.

Diese Auftakt-Regatta irgendwann, bedeutete

für Piet, mich von diesem Tag an immer

wieder schlagen zu können. Er gewann diese

eine, kleine Wettfahrt schließlich. Danach

kam er auch in der Meisterschaft nach ganz

vorn. Mein Stern sank, im Alltag scheiterte

ich auch. Das Segeln verbindet Peter und

mich wie damals. Ein gutes Beispiel, finde

ich, dass Siege zu erkämpfen oder eben

nicht, im Sport anderes bedeuten als die Demütigung,

sich selbst zu schaden (und nicht

zu wissen wie) im Leben an sich. Wir fingen

gemeinsam in der Klasse an, und anfangs

war ich besser gewesen. Diese eigentlich

unbedeutende Regatta, von der ich schreibe,

wurde ein Wendepunkt in mancherlei

Hinsicht. Es hat sich gezeigt, dass der Sport

das eine ist, das Leben anderes; und ich

habe einen Freund behalten, nachdem mein

Leben insgesamt scheiterte. Regatten konnte

ich nicht mehr siegreich abschließen. Es

geriet zur gleichen Zeit alles daneben und

zerstörte viele Träume.

Nachdem wir irgendwas bei Pagensand

(oder vor Bielenberg) gerundet hatten, liefen

wir wohl mit einem nördlichen Wind elbauf.

Doch ungefähr am Kleinen Kohn gelang es

Peter, uns im geringen Abstand in Lee zu

überholen. Da war nichts mehr zu machen.

Er ist einfach schneller gewesen. Es ging

geradeaus, und die Kunst für ihn hatte darin

bestanden, den Anschluss nicht zu verlieren,

nie aufzugeben. In einem Moment, wo

ich mir die Frechheit auf ihn abzufallen

nicht erlauben durfte und vielleicht mürbe

geworden bin, brach er einfach durch. Ich

weiß noch, wie klar wurde, dass seine Fock

freien Wind vor unserem Bug bekam, er

leicht hochziehen konnte und die sichere

Leestellung, wie Curry es nennt, zu wirken

begann. Er wurde nun deutlich schneller

und zog beharrlich weiter leicht, ja kaum

merklich hoch. Die Jolle raste wie doof

nach vorn! Ich erinnere seinen Ausruf in

diesem Moment, ein triumphierendes: „Ja!“

oder ähnlich – und das war’s nicht nur für

diese Wettfahrt. Er schien nun mit jedem

Meter schneller zu werden. Schon unter den

Hochspannungsmasten hatte die „Herz Jung“

eine beträchtliche Entfernung rausgesegelt.

Wir fielen immer mehr zurück. Das hatte

gar nichts mit irgendwelcher Taktik noch

zu tun. Ich steuerte einfach schlecht – und

hatte mich aufgegeben. Wir kamen eine gute

Meile zurück liegend nach ihm an.

Das war nicht nur das Segeln, auch der Beginn

dieser Jahre, in denen mein Leben insgesamt

jeden Kurs verlor und ich von nun an

krank gewesen bin. Auf dem Wasser konnte

ich nur im Ausnahmefall noch gut Regatta

segeln, jedenfalls blieben Henning und ich

beinahe immer hinter Peter zurück. Unsere

Freundschaft hält bis heute, muss dazu

gesagt werden. Peter ist einer der Menschen,

die sehr viel Geld verdienen. Er beantwortet

übrigens jede E-Mail umgehend, mein

Freund; das nur als Hinweis für welche, die

eingebildet sind. Davon gibt es ja einige.

Viele denken, jemand habe ein schnelles

Boot, wenn ein Sieger die Regatta gewonnen

hat, aber ein Schiff zu trimmen, dass es läuft,

ist das eine, schließlich entscheidet Taktik

über das Ergebnis im Ziel. Ich fragte Piet

später einmal, warum das Boot, das unter

Adje nie den Ruf hatte, ungewöhnlich zu

laufen, nun so rast. Sein Vater hatte die Jolle

besonders auf der Alster, durch legendäre

Mrz 15, 2022 - „Bassi“ wäre neunzig heute 43 [Seite 43 bis 44 ]


Weise, intelligent die verzwickten Winde

dort zu nutzen, bekannt gemacht, damit

weniger den Eindruck erzeugt, ein schnelleres

Schiff zu besitzen, sondern galt als

raffinierter Könner. Das soll meinen Freund

nicht abwerten. Es hilft nicht, Dinge schön

zu reden: Er segelt besser als ich.

Piet meinte auf die Frage: „Weißt du Jonni,

ich glaube, es sind ganz viele Dinge, nicht

das Eine, Einzige.“ Dann zählte er auf, was er

alles am Boot änderte. Lauter Kleinigkeiten,

die jedem Regattasegler bekannte Trimmtricks

bedeuten, hatte er gemacht. Ich musste

begreifen, dass ich vorher „einfach so“

schnell gewesen war und kaum benennen

konnte, wieso. Das hatte irgendwann nicht

mehr gereicht. Als ich das Boot kaufte, war

die Jolle im schlechten Zustand. Natürlich

erneuerte ich vieles. Ich gestaltete etliches

moderner. Und dann fuhren wir schnell, die

ersten Jahre jedenfalls. Wir gaben Peter

den besten Sparringspartner, sein Tempo zu

messen. Wir haben immer zusammen mit

unseren Booten gesegelt, jedes Wochenende

und den langen Sommer in Dänemark.

Piet, ich sage mal, mein Hauptfreund, konnte

aus seinem Leben einen Erfolg machen wie

auf dem Wasser und mir ist das nicht gelungen.

Was ist ein Lebenserfolg? Ein schwieriger

Begriff, das weiß ich, und beeile mich,

Wir sind in den Sechzigern geboren, meine

Schwester Anfang der Siebziger Jahre und so

ist es mit meinen Freunden. Klaus ist älter,

Piet etwas jünger, und einige sind erst Mitte

der Siebziger geboren. Wenn jetzt Krieg in

der Ukraine herrscht, fällt das allgemeine

Entsetzen auf, dass diese Gefahr so nahe an

Deutschland ihre ungewisse Entwicklung

nimmt? Das meine ich mit Erfolg; Peter und

andere Freunde konnten eine wirtschaftlich

stabile Zeit nutzen, sich normal entwickeln.

Wir Leute mussten nicht in einen Weltkrieg,

während unser Dasein angebahnt, der rote

Teppich für Königskinder auf der Sonnenseite

des Lebens ausgerollt wurde und die

Allermeisten sichere Wege in gesunder Umgebung

beschreiten durften. In Deutschland

sind es gute Jahre ohne Hunger und Krieg

gewesen. Wir kommen aus stabilen Verhältnissen

im Westen von Hamburg. Das sind

die Wohnviertel von Gutsituierten. Unsere

Eltern erlebten das Wirtschaftswunder und

nutzten die Jahre. Sie boten ihren Kindern

einiges, das andere nicht leisten konnten, als

quasi Rampe in die Zukunft. Warum gelang

meinen Freunden eine normale Karriere und

mir nicht?

Ich kann diese Frage beantworten wie Peter

die, warum seine „Herz-Jung“ schnell wurde.

Was ich meine, hat nichts mit dem Segeln

zu tun. Menschlich ist dieses Problem,

meins eben, und überall und zu allen Zeiten

passiert es weiter, dass Menschen wie in

einem Irrgarten leben, mit Fenster zum Hof,

und scheinbar ohne Ausgang. Wir müssen

uns selbst helfen, und manche halten uns

noch Knüppel in den Weg. Der Grund? Für

mich wurde eine Detektivgeschichte draus.

Ich habe scheinbar blöde Fragen gestellt

und doofe Antworten bekommen. Mir hat es

schließlich gefallen, mich anlügen zu lassen.

Ich wollte mich und die anderen dabei

beobachten, lernen. Mir wurde klar, dass die

Doppelbödigkeit des Drumherum problematisch

ist. Ich dachte mir, Schwierigkeiten zu

provozieren, könne nützen, und

beinahe wurde ein Spiel daraus.

Die Erfahrungen des Segelns ins

Dorf zu übertragen, konnte eine

Bühne schaffen.

# Das ist die Kunst

die Sache zumindest im Ansatz deutlich zu

machen. Neid ist negativ besetzt. Darum

geht es hier nicht in dem Sinne, wie einige

meinen. Es ist komplizierter, das Wort vom

Lebenserfolg auf dem Boden der Realität

anzupflanzen. Deswegen habe ich von unserem

großen Segelschulschiff „Gorch Fock“

geschrieben. Das mag darüber nachdenken

lassen, ob wir einen Motor benötigen in einem

Spiel, wo die Regel zu segeln heißt, ob

diese Vergleiche überhaupt Sinn machen. Ich

bin sehr zufrieden mit dem Erreichten heute.

Wir stellen die Umgebung dar,

schaffen ein Bild. Ein Modell

der Realität bietet offenbar die

Möglichkeit, für Vergangenes

die eigene Plattform hinzustellen,

noch einmal scheitern

dürfen und fast wie unser Herr

Jesus nach Hause zu spazieren.

Denkbar, es anderen wie gemalt

anschaulich werden zu lassen,

eine fröhliche Hilfe abzugeben?

Da lebe ich im Bewusstsein, fertig

zu sein mit einem Problem,

das viele Jahre ruinierte. Die

Besten meines Lebens. Das können einige

nicht nachvollziehen? Ich lese Todesanzeigen,

warte einfach.

:)

Mrz 15, 2022 - „Bassi“ wäre neunzig heute 44 [Seite 43 bis 44 ]


Rad ab?

Mrz 17, 2022

Der Mensch ist das Schlimmste, was die

Evolution hervorgebracht hat. Während die

Dinosaurier durch einen Meteoriteneinschlag

ausgestorben sind, für den sie nichts

konnten, ruiniert unsereiner alles selbst,

schafft vermutlich in nicht allzu ferner Zeit

eine lebensfeindliche Umgebung. Gut möglich,

dass menschliches Leben selbst dann

fortbesteht, irgendwie weitergeht, vielleicht

sogar hier (und nicht auf dem Mars), aber

bestimmt anders, als wir es gewohnt sind.

Wir können bereits künstliche Dinge kaufen,

die angeblich wie Ei oder Wurst schmecken.

Das dürfte unsere zukünftige Ernährung

sein, auch ohne vorhandenes Huhn und

Schwein. Man wird dafür werben. Als vegan

bezeichnet, heißt es einschmeichelnd Bio,

auch wenn eine Maschine in Wahrheit nur

chemischen Pamp zusammenklebt. Das Zeug

gilt schließlich als besser und zeitgemäß.

Werbung erzeugt eine neue Welt. Früh

warb eine bekannte Nussnougatcreme mit

gesunder Milch, die darin verbaut wäre. „Gibt

es auch kranke Milch?“ Man dürfe „nicht mit

Selbstverständlichkeiten werben“, monierte

Onkel Hans-Jürgen spöttisch, (nur ein Nennonkel

für mich, aber) ein kapitaler Geschäftsmann

aus der Lebensmittelindustrie mit

entsprechenden Kenntnissen.

Hunde bekommen ihr Kennerfleisch: Da sagt

ein Slogan, dieses sei mit jeder Menge an

natürlichem Fleisch etwas Gutes. Was bitte

ist unnatürliches Fleisch? Wir Menschen

werden morgen dieser Hund von heute sein.

Wir kaufen selbst, das ist der Unterschied,

und stopfen den Quatsch in uns hinein.

Wenn’s zwickt, kleben wir halt ein medizinisches

Kennerpflaster um dem gereizten

Darm, planbar über Nacht. „Guter Schiss ist

so wichtig“, kommt mir in den Sinn, wenn

mein Gehirn automatisch zu persiflieren

beginnt, was schwer erträglich zu überhören

ist.

Manche schauen kein Fernsehen, sind besser

dran, derartige Blödheiten nicht mitzubekommen.

Schon jetzt werden omnipräsent

Produkte „mit medizinischen Inhaltsstoffen“

oder so angepriesen, dass etwas gesund sei,

behauptet die Industrie. Nicht ausgeschlossen,

dass viele daran glauben,

wie etwa die Russen an

die Sinnhaftigkeit ihrer kleinen

„Militäroperation“. Bei

denen nennen wir es Fake,

hier predigt man unsere

Wahrheit. Die Wiederholung

der moralisierenden

Phrasen täuscht. Sie lässt

uns über die menschliche

Perversität im Unklaren,

wenn wir uns gern einlullen

lassen.

Wir vernichten täglich

Arten. Wir führen Krieg. Wir versiegeln

und vergiften die Natur. Wir ändern den

Planeten, bis nichts mehr natürlich ist

außer wir selbst. Bereits heute verspeisen

wir Mikroplastik mit viel natürlichem

Fisch kombiniert. Wir tragen medizinische

Alltagsmasken, haben uns damit abgefunden

und werden zukünftig einen kompletten

Atemschutz benötigen wie der Darth Vader

im Film. Jede neue Generation akzeptiert

und gestaltet die vorhandene Umgebung

anders. Der Mensch passt sich an. Anpassung

heißt, intelligente Wege finden, zu überleben

und Befriedigung erlangen gemäß

der eigenen Natur. Das bedeutet in einem

zweiten Schritt, die Umgebung sympathisch

zu verformen, sozial zu sein oder schützende

Gebäude zu errichten, zunächst aber

die eigene Versorgung sicherzustellen.

Erst ich, dann ihr anderen, ist unser

menschlichstes Verhalten. Auch, wenn

das Gegenteil beschworen wird. Dinge

anders darzustellen, ist Prinzip.

Wenn ich Fernsehen schaue, sind es die

Nachrichten, Dokumentationen. Zum

Denken gehört für mich, Querverbindungen

zuzulassen und nicht zuletzt

daraus entstehende Ideen aufzuschreiben.

Die eigene Bude voller Zorn zu

verlassen, birgt eine reelle Chance,

positiv überrascht zu werden von lauter

Freundlichkeit draußen! Geht man naiv

im Taumel der Selbstzufriedenheit los,

weil wir halt gute Laune haben, fährt

uns wahrscheinlich jemand in die

Parade unseres Glücks. Im besten Sinne

ichbezogen, der gerade deswegen andere im

Blick behält, lebt ein Mensch nicht schlecht.

Das heißt wohl, sich als Wesen voller Fehler

zu akzeptieren und auskennen lernen, wer

man ist, werden möchte oder meint zu sein.

Was kann ich tun mit meiner Faust, wenn

meine Hand eine Waffe führt, und wie wäre

möglich, Zorn auszuleben als unumgängliche

Emotion?

Wozu es führt, sich vollkommen zu isolieren

und die eigenen Ideen durchzukämpfen,

zeigt gerade der russische Präsident. Dabei

gewinnt niemand. Das ist, was ich am

Rechtsstaat mag. Jeder bei uns liefe Gefahr,

zum Despoten zu werden, wenn die Gelegenheit

zu derartigen Eitelkeiten bestünde.

Der Rechtsstaat wurde nicht erfunden, weil

wir großartig sind, sondern Menschen fies

und unserem Treiben nur innerhalb von

Grenzen Freiheit gelingt. Empathische

Gesten und entspannte Nachbarschaftlichkeit

sind das Begreifen eines Rahmens, weil

unser Wunsch, zum eigenen Nutzen Vorteile

zu scheffeln, erst dann fruchtbar wirkt, wenn

auch das Drumherum gewinnt. Selbst wenn

Putins Logik noch Anhänger findet, der

Druck des Westens reale Spaltkraft ausgeübt

haben mag – was wir nun erleben, ist dumm,

menschenverachtend und hat eine Dynamik

bekommen, die schwerlich Chancen aufzeigt.

So vieles wurde zerstört, das Jahre benötigte,

aufgebaut zu werden.

Das verfehlte Ideal, ein Gewinn bringender

Narzisst zu sein, wird zur Katastrophe, wenn

niemand es stoppt. Die umgekehrte Idee,

besonders freundlich zu sein, weil es sich

gehöre und überhaupt das Beste, zerstört

den Menschen, der dieser Logik folgt direkt

und umgehend auf noch kürzerem Wege.

So jemand Gutes benötigt die Grenzen, die

ihm andere setzen, nicht und macht sich

im vorauseilenden Gehorsam allein fertig.

Wie man auch beginnt, eine Erklärung

zurechtzuschustern; gesundes Funktionieren

nimmt seinen Anfang, wo jemand sich

Luft verschaffen kann für eigenes und die

Umgebung berücksichtigt, es genauso zu

halten. So leben Paare, gestalten wir unsere

Nachbarschaft. In einem vielstöckigen Hochhaus

gelten andere Gebräuche untereinander

als in einer Reihenhaussiedlung, aber

der Konsens verträglicher Kommunikation

ist derselbe.

Zwei bemerkenswerte Sätze fielen von

Menschen in unterschiedlichen Dokumentationen,

die ich registrierte und im neuen

Zusammenhang kombinieren möchte. Das

Erste liegt einige Jahre zurück. Ein Unikum

von einer fahrenden Maschine zur Ernte

von Schilf kommt zum Einsatz. Das war

irgendwo, ich kann mich nicht erinnern.

Dieser Trecker und Ernteapparat in einem,

war jedenfalls keine Serienproduktion vom

Erntemaschinenbauer der Gegenwart um die

Ecke. Kein Mercedes, den man beliebig mit

Ersatzteilen auf Stand halten kann, sollte

mal etwas kaputtgehen. Dieses eigenartige

Gefährt war uralt, und es ging ständig kaputt.

Dann verzögerte sich die Ernte, bis ein

Kenner in Eigenhilfe die Lösung bastelte.

Mrz 17, 2022 - Rad ab? 45 [Seite 45 bis 47 ]


Wir verstehen die moderne Wartung am

Flugzeug. Diese sympathischen Schilfschnitter

hatten (aus ihrer Not heraus) die gegenteilige

Einstellung dazu: Wenn ein Flugzeug

auf Herz und Nieren geprüft wird, kann man

sicher sein, dass es schließlich fliegt. Die

Wartung der Einzelteile erfolgt nach einem

Plan, der dem extremen Anspruch an die

Sicherheit genügt, die der moderne Mensch

erwartet. Manche reden vom „learning by

doing“, und genau das wollen wir beim

Fliegen nicht. Die Zeiten nach dem Motto

„hoffentlich kommen wir an“ sind vorbei. Ein

Flugzeug wird geprüft, und dann fliegt es.

Stürzt es trotzdem ab, war es ein Pilotenfehler.

Konstruktive Mängel sind die absolute

Ausnahme, Wartungsfehler kommen fast

nie vor.

Anders diese Maschine, die vermutlich ein

Eigenbau gewesen ist, auf der Basis eines

anderen Fahrzeuges, das es so heute nicht

mehr gibt. Die Arbeit kann nur geschehen,

wenn Schilf geerntet werden kann. Es wäre

durchaus schilferntefreie Zeit für eine

gründliche Wartung. Ich kenne mich ein wenig

aus, zwar verstehe ich vom Reet nichts

als Dachdecker, aber ich kann schreiben und

zeichnen mit dem schönen Material. Von

meinem lieben Professor Martin Andersch

lernte ich: „Rohrfedern schneidet man von

November bis März.“ Das ist vermutlich die

Zeit, in der unerschrockene Mannen durch

das Matschland ackern, ihre Stängel zu

ernten. Die übrige Zeit steht der seltsame

Apparat im Schuppen. Da würde er auch

inspiziert, meinte der Schilfbauer fröhlich

und gegebenenfalls repariert.

„Maschine geht nur kaputt beim Fahren.“

Ein schöner Satz, aus dem Munde von einem,

der gerade sein Leben genauestens kennt.

Das andere Geschehen, das ich kürzlich sah,

diese Doku befasste sich mit dem Nutzen

von Atemtechniken. Ich möchte also etwas

erzählen, das so jedenfalls nicht zusammen

berichtet im Fernsehen kam. Dort hatte das

Eine mit dem Anderen nichts zu tun.

Das Apnoetauchen wurde gezeigt.

Hier weniger, um das Unterwassererlebnis

zu schildern. Es ging um die Gesundheit,

wie gesagt die menschliche Atmung, als ein

Lernfeld, Besserung für manches Leiden. Des

Weiteren wurde im Film eine Lungenklinik

und ein Sanatorium besucht, wo früher

einmal luftkurortliche Heilung durchgeführt

wurde und ähnliches an Therapie heute wieder

stattfindet, das dort schon im beginnenden

zwanzigsten Jahrhundert geübt wurde.

Es bedeutete unter anderem, Asthmatikern

das Alphornblasen beizubringen, weniger

die Musik; junge Menschen sollten spielerisch

zu atmen lernen (auf einer Almwiese).

Beim Unterwassergeschehen meinte eine

Frau, die es nun gut konnte mit dem Apnoetauchen,

die früher anderweitig in Behandlung

gewesen war:

„Wer depressiv ist, kann nicht tauchen.“

Mir fällt jetzt einiges dazu ein.

Das moderne U-Boot unserer Kriegsmarine

entspricht dem Flugzeug, was den Standard

der Wartung betrifft. Geschieht ein Unglück,

war es ein Fehler der Bedienung. Bevor wir

uns an Bord unserer hochtechnisierten Konstruktionen

der Luft oder dem Wasser anvertrauen,

sind Menschen in der Lage, Bedingungen

zu schaffen, in denen diese Reisen

sicher stattfinden. Eine Bewegung durch die

Luft oder unter dem Meer ist das Fahren im

besonderen Medium und speziellen Modus

der Apparatur wie auch eine zeitliche Vorwärtsbewegung.

Wir starten irgendwo, und

nach einiger Zeit kommen wir im Hafen oder

am Flugplatz an. Währenddessen müssen

wir uns auf eine Weise verhalten, die noch

zusätzlich dazu, dass wir ein funktionelles

Flug- oder Tauchgerät nutzen, Sicherheit

gewährleistet. Das bedeutet, nur mit einem

ausgebildeten Kapitän oder Piloten, der eine

ganze Reihe von Verhaltenspflichten befolgt,

kommt das (vor dem Start per Checkliste

geprüfte) Fortbewegungsmittel sicher an.

Zusammengefasst: Ein gewartetes und

deswegen funktionelles System wird nach

den Regeln dieser Kunst, es zu führen, in

eine teilweise planbare Zukunft geführt. So

sollte auch der Einzelne sein menschliches

Dasein begreifen und sich ins Morgen vor

die Haustür begeben. Dazu müsste gelehrt

werden oder mit der Muttermilch anerzogen,

wie das individuell funktioniert. Hier könnten

Menschen noch besser werden. Viele

verstehen sich gut genug, um als Mercedes

zu gelten, der kleinere Blessuren leicht korrigiert.

Nicht wenige gehen durch ihr Leben,

ohne zu wissen wie und sind zufrieden. Ein

Teil aber kommt nicht klar. Im Sinne der

undurchführbaren Wartung an der ominösen

Erntemaschine leben viele nach dem Motto

„geht nur kaputt

beim Fahren“ und

das heißt wohl in

etwa: „Wer sich

selbst nicht kennt,

hat die Vorsorge

verpennt.“

Wenn ein Flugzeug

damit fertig

ist zu fliegen,

die Passagiere

an den Bestimmungsort

brachte,

verlassen auch

der Pilot und das

Personal die Maschine. Danach steht der

Flieger aber nicht einfach rum bis nächste

Woche Dienstag, um dann wieder von den

Menschen benutzt zu werden für einen Flug

nach Denver oder so. Unser Auto sind wir

gewohnt abzustellen, und vergessen den

Wagen einige Zeit in der Garage oder dort,

wo das Fahrzeug eben parkt. Manchmal ist

der TÜV dran, und eine Inspektion sollten

wir gelegentlich durchführen. Beim Fliegen

sind die Anforderungen höher. Ist das

Fluggerät am Boden, kommen die kleinen

Heinzelmännchen der Wartung, bildlich

anzuschauen ähnlich den Liliputanern, die

rund um den am Boden liegenden Gulliver

krabbeln und auf den gefangenen Riesen

mittels Leitern steigen, nachdem sie ihn

angebunden haben. Werden Flugzeuge

festgebunden, damit sie nicht von selbst zu

starten beginnen und davonfliegen, wenn

sie eigentlich schlafen sollten wie andere

Leute? Boote im Hafen binden wir Segler an.

Gulliver wurde von den kleinen Bewohnern

der seltsamen Welt gefesselt. Manchen

Menschen würde gut tun, festgehalten zu

sein, wenn sie des Nachts oder sonst, wenn

eigentlich gar nichts zu tun ist, keine Ruhe

finden.

Eigentlich eine gute Zeit, sich mit dem

Nichtstun zu beschäftigen.

Manche können sich nicht entspannen.

Muskel- und überhaupt Körpermasse zu

Boden sinken lassen, wenn wir still auf dem

Rücken liegen und eigentlich alles, was für

diese Nichttätigkeit des Liegens unnötig ist,

der Schwerkraft noch entgegenzustemmen,

kann man üben. Menschen könnten lernen,

darauf zu achten wie die Luft in die Bronchien

ein- und wieder hinausströmt, wenn

gerade nichts Wichtigeres zu tun ist. Unser

Apparat fliegt zwar nicht, aber das System

bleibt auch in Ruhepausen aktiv und wartet

sich quasi selbst. Die Liliputaner sind nicht

außen dran und binden uns. Wir können

aber behaupten, dass weiter Tätigkeiten im

Leib, den Gliedern und im Gehirn vorgehen,

wenn wir gerade keiner Aktion das Ziel

vorgegeben haben. Insofern rennen kleinste

Mannen durch innere Kanäle und sind mit

dauerhafter Pflege beschäftigt. Alles was

nützt, nehmen wir gern hin.

Raumgewinnende Zellveränderung erkennen

wir hingegen als Krankheit und nennen sie

Krebs. Die entzündlichen Vorgänge der Multiplen

Sklerose sind wie schubweise aufbrechende

Brandherde, innere Kriege, die totes

Terrain zurücklassen. Dann merken welche,

dass etwas nicht stimmt. Das meiste im System

sind erwünschte Arbeiten, die unauffällig

und autonom ablaufen. Wir schlucken das

Essen runter und achten kaum darauf, was

rund um die Speiseröhre geschieht dafür.

Wir verdauen, und das macht der Mensch so

nebenbei. Wir merken es erst, wenn wir auf

das Klo müssen. Manche nehmen sich kaum

die nötige Zeit, genüsslich abzudrücken und

den Hintern zu säubern. Vieles läuft immer

weiter: Die Atmung schalten wir nicht ab.

Unser Herz schlägt, und noch viel mehr

geschieht, wovon wir wenig Ahnung haben.

Es wird von Vorsorge geredet, man ginge

zum Arzt wegen dem Krebs oder so. Das

meine ich gar nicht. Was vielen zu lernen

nützte, wäre ihr ganz individuelles

Seelenkostüm als Haut des Apparats zu

begreifen, dessen Ausbuchtungen sehr wohl

im persönlichen Einflussbereich liegen. Die

Muskulatur in der alltäglichen Bewegung

bewusst zu gebrauchen, könnte helfen, sich

besser zu verstehen. Darum ging es ja auch

in der Atemdoku.

Ein weiteres Beispiel: Mit ganz einfachen

Mitteln kann ein Mensch ohne große Hilfsmittel

fliegen oder tauchen. Es gibt Gleiter,

die Geübte wie Ikarus zu Tal segeln lassen.

Kaum mehr als dünne Flügel, denen man

sich bedient, beinahe wie ein Vogel durch

die Luft zu sausen. Tauchen und lange die

Luft anzuhalten, ist eine Technik, die ein

Mensch mit sich selbst benutzt. Insofern

fliegt und taucht er wie sein eigener Apparat

(wenn auch zeitlich begrenzt) in einem Medium,

das dem Gewöhnlichen fremd bleibt.

Bevor ein Schüler das wagt, wird man ihm

eine Ausbildung geben. Vor dem Tauchgang

ist es nötig, die Atmung korrekt einzustellen,

sich selbst in mancher Hinsicht einzuüben,

um lange die Luft anhalten zu können oder

eben die vorgeschriebenen Dinge zu tun, damit

wir sicher einen ultraleichten Gleitflug

hinbekommen. Das entspricht der Wartung

des Systems Mensch wie sonst bei einem U-

Boot oder Flugzeug als größerem Konstrukt.

Einfach mal so, kann keiner sicher tauchen

Mrz 17, 2022 - Rad ab? 46 [Seite 45 bis 47 ]


oder fliegen. Wir bereiten uns vor. Handelten

wir nach dem Prinzip „geht nur schief, wenn

man’s probiert“, möchten wir dennoch überleben

und werden einiges dafür anstellen.

Ein Fallschirmspringer ist klug, seine Tüte

selbst zusammenzulegen und wird sich

gewissenhaft drum kümmern.

Jetzt stellt sich die Frage, inwieweit wir

junge Menschen auf das Leben vorbereiten,

etwa wie ein Adler gehalten wäre, die Brut

zu schulen, welche ihr Leben gleich mit einem

ersten Flug beginnt? Dem Vogel wurde

von Seiten der Natur einiges mitgegeben,

das Mama Adler nicht unterrichten müsste.

Ein menschliches Baby lernt manches, sich

zunächst umzudrehen, krabbeln und schließlich

gehen, dann folgen Schule und Ausbildung.

Eine Gämse ist schneller fertig, im

Gelände klarzukommen. Der Spielraum, den

die Natur (oder Gott) dem Menschen lässt,

seine Selbstbenutzung zu erlernen, bedeutet

den Vorteil größerer Anpassung. Ein Gehirn,

das vieles erst zu lernen hat, wird keinen

Automaten steuern, sondern ein intelligentes

Wesen. So wie wir unsere Kleinen ins

Leben geleiten, kommt nicht selten erlernte

Dummheit oder Krankheit dabei raus.

Wir gehen als Erwachsene gern in eine

Tauchschule oder besuchen den Kurs fürs

Gleitfliegen. Wir schicken junge Menschen

in Schule und Ausbildung. Aber wir könnten

einiges besser machen, uns und einander im

Alltag (auf der gewöhnlichen Straße) selbst

intelligenter zu verstehen. „Maschine geht

nur kaputt beim Fahren“ oder „Depressive

können nicht tauchen“ heißt in diesem

Zusammenhang, wir erleben Schwierigkeiten,

wenn wir das Haus verlassen,

in die Umgebung eintauchen wie

bei der Apnoe unter Wasser, wo

ein nicht funktionelles System

scheitern muss. Das Problem mit

dem Asthma, dass manche haben,

kann durch das Erlernen des

Alphornblasens gebessert werden?

Dazu ließe sich anmerken,

das Asthma hatte offenbar doch

seinen ihm ganz eigenen Sinn

für den Kranken. Falls das eine

funktionelle Angewohnheit ist,

die mit dem Erlernen besseren Atmens

verschwindet, wofür nutzen

Menschen diese Verklemmung, die

sich so einer selbst beibringt, wenn leichter

zu atmen doch einfacher wäre? Darüber

nachzudenken, gehörte für mich unbedingt

dazu, damit die Mechanik des Menschen

eine natürliche Basis bekommt, zwischen

Ängsten und Risiken, das Selbst zu leiten.

Die Frauenselbsthilfegruppe eifert dem Chi

nach oder dem Guru:in (das müsste doch

genderbar sein). Es gäbe größeren Nutzen

mit weniger Esoterik. Wir fahren durch unser

Leben wie das Boot auf dem Meer, Luftschiff

am Himmel und könnten funktionell denken.

Psyche und Mechanik dienen demselben

Zweck, das Individuum nach vorn zu bringen.

Aber wir Modernen, die Menschen im Alltag

wie die Psychologen, beharren auf der Idee

von der Seele oder Psyche, jedenfalls dem

geheimnisvollen, unstofflichem, angeblich

nicht Anfassbaren, während andere

gezwungen sind, den Weg nur irgendwie

allein zu gehen. Ich rede von Menschen, die

schließlich wie aus einem schrottigen Panzer

ihre individuelle Erntemaschine basteln

und (bitter geprüft) praktische Erfahrungen,

dünne Erfolge im Leben als karge Beute

mühsam einfahren, bis etwas klappt, das

anderen einfach so gelingt.

Individualisten schrauben dran, wie an sich

herum im laufenden Betrieb und wundern

sich über Probleme.

Von „emotionaler“ Intelligenz zu reden, nützt

wenig. Es ist notwendig zu begreifen, dass

niemand, der Gefühle und entsprechende

Körperspannungen ignoriert, effizient und

überhaupt intelligent handelt. Es nützt dem

Belesenen das Wissen nichts, wenn dieser

es in seiner Welt mangels Durchsetzungsfähigkeit

nicht anwenden kann. Zusammen

könnten Körper und Geist verstanden werden,

heißt es schon lange. Das sollte man

Kindern in der Schule beibringen.

:)

# Bewusstes Funktionieren könnte helfen …

… wir verstünden manche Notwendigkeit,

auch für schädliche Angewohnheiten,

sogar die, den Atem abzuschnüren, um

anschließend Gewinn daraus zu ziehen. Was

könnte der Sinn sein, den Brustkorb flach zu

machen, wenn nicht, Angst zu unterdrücken?

Ich habe einiges gelesen, probiert, kann kreativ

zum Thema mitreden. Im Film gezeigt:

Die Depression fand ihr Ende, als die Schülerin

verstand, auf spezielle Weise zu atmen,

beziehungsweise die Luft lange anzuhalten.

Dazu erfuhren die Zuschauer einiges, das

hier weggelassen ist. Es heißt, dass ein Asthmatiker

funktionell beeinträchtigt und nicht

froh darüber ist, wie umgekehrt mit (guter)

Absicht etwas tut, sich ins flüssige Atmen

einzumischen. Man sieht sie am Wegesrand:

Mrz 17, 2022 - Rad ab? 47 [Seite 45 bis 47 ]


Wertschätzung auf

russisch

Mrz 19, 2022

Wir erinnern uns an

Zeiten, wo kriegerischer

Widerstand eine lustige Sammlung

von Zeichnungen auf richtigem Papier

bedeutete: Die Meinungen über sein Talent,

geteilt. Er selbst fände sich genial, alle anderen

ihn unbeschreiblich. So heißt es über

den Barden Troubadix im bekannten Comic.

„Doch wenn er schweigt, ist er ein fröhlicher

Geselle und hochbeliebt.“ Mich haben diese

Hefte geprägt. Ich bin ein Mensch aus dem

vorigen Jahrhundert, heute, und früher wäre

das zu sagen ein Witz gewesen, abwertend.

Wer sei denn noch vor dem Ersten Weltkrieg

geboren, meinte man. Der Humor von Großeltern

macht doppelt alt.

Natürlich bin (auch) ich genial.

Unbeschreiblich? Ich kann schließlich

zeichnen. Mir genügt es, an mich zu glauben!

Geld allein macht nicht glücklich. Wir

möchten Wertschätzung. Nicht nur Geld,

sondern Empathie und gar Liebe mögen uns

begegnen. Dafür rufen wir nett in den Wald

unsere lockenden Rufe und hoffen auf ein

freundliches Echo. Soweit so gut; besser als

gegen die Bäume zu treten jedenfalls. Wer

reichlich Fische möchte, setzt welche in den

Teich, wo der eigene Verein Pächter ist, fischt

im Herbst mit Freunden ab. Menschen finden

ihren Wald als Glück bringendes Orakel mit

seinem wohlwollenden Echo.

YouTube bietet genügend Bäume. Auch

andere Provider stellen ihre Dienste für den

sozialen Austausch bereit. Dabei müssen

Regeln beachtet werden. Es gibt zu akzeptierende

Bedingungen. Schon früher, vor dem

Segen eines weltweiten Internet, kannten

wir unausgesprochene Gebote, an die sich

Menschen halten sollten. Sonst wirft uns die

Gesellschaft raus.

Seitdem ich „Selfexecuties“ male, zeigt mir

YouTube alle möglichen Vorschläge zum

Thema Bahn. Das hat sich entwickelt, weil

ich suchte, was für den Entwurf nötig wurde.

Ich schaue inzwischen gern alte Dampflokomotiven

an, Modellbahnvideos

erscheinen

in der Galerie. Die

gefallen mir.

Natürlich sehe ich nicht

nur im Fernsehen Berichte

über den Krieg in

der Ukraine. Ich nutze

auch Videos, mich zu informieren.

Sie kommen

in der Vorauswahl.

Wenn ich Pinterest

öffne, gibt es ebenfalls Vorschauen, die mein

Suchverhalten reflektieren. Für Beine mit

Kniedarstellungen im benötigten Winkel

und Lichteinfall für das Mädchen links,

schaute ich bereits etliche Bilder an. Hier

gibt es keine Nacktheit

aber viel Haut zu sehen,

und auf unzähligen

Pornoseiten bin ich

unterwegs, nicht nur

wegen dem Gemälde.

Es ist ein Teil unserer

Welt.

Da amüsiert es mich

inzwischen, wie fein

säuberlich getrennt

alles nebeneinander

geschieht.

Was dem Modellbahnfreund ein Schock

an mangelnder Wertschätzung bedeutet,

jemand hat für eine Sammlung alter Fleischmann-Lokomotiven

wenig Geld bekommen,

passiert synchron zum Krieg in Kiew.

Dort hat man andere Probleme. Ich

wage zu behaupten, dass „Long-Covid“

in der Ukraine kein Thema ist. Und

Porno ist Alltag auf der ganzen Welt.

Ich sehe dieses: Zwei Mädels sitzen

nackig auf einem Tisch, und eine pinkelt

dem Betrunkenen auf den Kopf

irgendwo. Das konsumiere ich bei

einem Glas Rotwein, und eine Bombe

fällt gerade nicht auf Schenefeld. Fein,

mir geht es gut, und niemand liest,

was ich hier schreibe, glaube ich.

# Kryptische Texte?

Ich bekomme reichlich Anerkennung

von denen, die ich mag. Da benötige

ich das soziale Medium nicht. Mich

würde man nirgends dulden, es sei denn

im Rotlichtbereich. Auf derartige Likes lege

ich keinen Wert. Mir gefallen die Mädels

in Schenefeld auf der Straße. Man kennt

mich teilweise und spottet: „Oh! Er hat mich

angesehen.“ Vor mir warnen Erwachsene und

ältere Mitschüler – offensichtlich.

Schön herausgeputzt. Sie starren auf ihre

Geräte, während ich die Bushaltestelle passiere.

„Genial!“, schnappe ich auf. Bin tatsächlich

ich gemeint, etwas auf der Seite? „Da

bekommen wir bestimmt eine Belohnung“,

tauschen sich die zwei vierzehnjährigen

Schönheiten verstohlen aus, und ich gehe so

normal wie möglich vorbei. Das bilde ich mir

nicht ein, aber ich beziehe es auf mich, und

das kann falsch sein.

Ich mache nichts mit Gruppen digital. Es

wird nicht getwittert. Ich habe kein Insta,

LinkedIn oder Facebook, WhatsApp und dergleichen.

Es gibt keine Resonanz. Wir nutzen

Festnetz. Ein Freund

ruft an: „Kannst

du mir sagen, wie

ich Piet erreichen

kann?“, fragt der. Ich

suche die Nummer

von Verena raus.

„Ich war auf deiner

Webseite. Schöne

Bilder.“

Meine Eltern besaßen

ein Haus. Mein

Vater ärgerte sich über Graffiti. Er hatte sich

angewöhnt, Gekritzel sofort zu übermalen.

„Die“ möchten sich sehen, warnten Freunde.

Kenne ich.

Ich google meinen Namen regelmäßig:

Egosurfen nennt man das, ich kann es zugeben.

Nach beinahe einem Jahr ist eine zarte

Wolke (Flickr) verschwunden, und das konnte

ich provozieren? Nicht mein Foto. Aber mein

trotziger Kommentar damals. Taucht nicht

mehr auf, in Zusammenhang mit meinem

Namen. Vermutlich kein Zufall. Immerhin, ich

bilde mir das ein, bin ein Teil der Welt hier in

Schenefeld. Ich fühle mich wahrgenommen,

es gibt auch Angenehmes. Besser, als im Rathaus

auszustellen und in der Zeitung eine

halbe Seite bekommen. Da wäre ich bloß

der Fleischmannonkel mit seinen vierzigtausend

Freunden. Solche kann man getrost

vergessen. Ich denke: Probleme einfach

löschen wie Putin, das ist so russisch.

:)

Mrz 19, 2022 - Wertschätzung auf Russisch 48 [Seite 48 bis 48 ]


Aleksandra* kennen wir

nicht

20 Mrz, 2022

Den Kommunismus

hätten wir besiegt,

hieß es Anfang der

Neunzigerjahre. Ich war

Student, als die Mauer

fiel. Die Bundeswehr

verlor an gesellschaftlicher

Bedeutung, die

Aufregung um die

Wiederbewaffnung: Geschichte. Wir wären

in Europa „von Freunden umzingelt“, meinte

mein Professor Waldschuß* (zum Schutz

der Persönlichkeit habe ich alle Namen in

diesem Text geändert).

Despotin, hiermit ist ein aktueller Präsident

einer großen Nation in Asien gemeint, dessen

Namen ich konsequenterweise auch mit

dem Schleier dieser Kunstfertigkeit bedecke,

um ihn vor meiner Leserschaft zu schützen –

er macht eine schwere Zeit durch und hat an

Beliebtheit im Westen eingebüßt – ist nicht

unser Freund. Insofern hat sich seit dem

Mauerfall erneut etwas geändert.

Deutschrussische Freundschaften sind

gerade schwierig.

Manches ändert sich, eine Ewigkeit nicht.

Gleichbleibend sind meine Begegnungen

mit dieser traurigen Person hier vor Ort,

das muss man sagen. Ich bin auch traurig,

das ist es wohl. Bockmist wie den unseren

kann niemand verkraften, geschweige denn

verstehen, denke ich ein ums andere Mal.

Wir gehen so wortlos wie möglich aneinander

vorbei. Ein unscheinbarer Mann. Er wirkt

ganz anders als der böse Präsident. Wir treffen

uns regelmäßig „achter de Schnellstrot“

oder beim Bus. Er schlurft vorbei. Ein Gangbild,

so persönlich, das könnte ich kopieren.

Der Russe zieht ein Bein nach und macht

eine Hüftbewegung, um es hinzubekommen.

Er ist klein, geht unsagbar gebeugt. Einen

Hackenporsche verwendet der Alte, das

Fahrrad mag kaputt sein, keine Ahnung. Er

trägt eine Mütze im Winter und einen Mantel

wie Columbo. Das Gesicht entspricht dem

von Harald Lesch. Der Erkläronkel aus dem

Fernsehen. Die Größe stimmt auch. Der Physiker

müsste aber reichlich zusammensacken

in der oberen Wirbelsäule, um als lebhafter

Erklärbär stattdessen einen russischen Papa

abzugeben. Hier im Dorf wird nichts erklärt.

Wir schweigen, verhalten uns freundlich. Ein

kurzer Blick. Wir reden nicht, weil unfassbar

ist was geschah. Das bleibt gleich.

Es gibt Kriege, und sie sind furchtbar. Wir

sehen in Farbe, wie die Ukraine zerbombt

wird. Mit Farbe kämpft auch die Kunst um

Anerkennung. Die kleinen Auseinandersetzungen

unter Nachbarn schmerzen wie große.

Unsere Geschichte: Wer Schuld ist, bleibt

Ansichtssache. Meine Perspektive ist, der

Russe war diesmal ich und habe alles kaputt

gemacht. Vertauschte Rollen vielleicht. Wir

reden nicht, und insofern bleibt Ansichtssache

was wirklich geschah.

# Dorfgeschichten

Das Tageblatt hat

sich verändert.

Es berichtet nur

noch sparsam über

dieses Städtchen,

dessen Namen es

im Titel trägt. Es

besteht weitestgehend

aus dem

allgemeinen der

Kreisstadt, dem

man eine Seite zugeschlagen hat, wo sich

wenige Spalten mit Bezug zu Dorf und

Siedlung finden. Die Wochenendausgabe

bringt Neuigkeiten. Cord Hanschrei, der ehrenamtlichste

von allen, bekommt das Wort:

Fünfzig Jahre Stadtrechte! Ein Urgestein der

bekannten Partei, die auch in der Bundespolitik

mitmischt, um nicht zu sagen einiges

anrührt, Teil der Pampelkoalition ist. Diesen

Begriff ändere ich vorsichtshalber ebenfalls.

Man muss aufpassen, was man sagt in Sch …*.

Das weiß auch der Wichtigste. Hanschrei

hält schon mal die Klappe. Eigentlich ist er

ein Grüßonkel. Alle kennen diese Stimme:

„Schönen guten Tag!“, wenn man ihm begegnet.

Zwei Herzen schlagen in seiner Brust.

Das eine ganz weit links und das andere für

seinen Verein. Wenn der Gewichtigste auf

dem Tiefeinsteiger anrollt, denkt man kaum

an Sport? Dabei ist nicht das Fahrrad sein

Steckenpferd, sondern der Fußball im Verein.

Cord ist täglich im Wald unterwegs, die

Pfunde niederzukämpfen.

Gerade großes Thema, der Sportverein

bekommt seine Halle nicht. Knapp wurde

unsere Bürgermeisterin

zitiert,

die sich schlussendlich

auf die

Seite der Anwohner

geschlagen

hat. Davon gibt es

reichlich, denen

das Sportzentrum

zu wuchtig ist, der

Verkehr dorthin zu

laut, das Flutlicht

drumherum zu

hell und überhaupt.

Sport

findet inzwischen

zuhause vor der

Konsole statt. Bei

einer Mehrheitsentscheidung,

wie

viele Wählerstimmen

es womöglich

kostete, hat Christa

Kesselhoch, unsere

Verwaltungschefin,

die Reißleine gezogen

und die Halle vom Reißbrett gerissen.

Der örtliche Sportverein ist zerknirscht,

aber was Cord Hanschrei, der ehemaligste

Obersportler (und früherer Maurergeselle

der Arbeiterklasse) dazu meint, stand nicht

im Käseblatt. Oder habe ich es überlesen?

Dabei wäre der volksnahe prädestiniert

zum Stuhlgang dazwischen (wie der große

Altkanzler derselben, größten Arbeiterpartei

bei Despotin) für eine Vermittlung in

Sachen Sport und Politik. Darüber spricht

der Dorferklärer möglicherweise nur auf der

Straße mit jedermann (und Frau)?

In der Politik wird heute durchgegendert.

Sonst ist man weg vom Fenster. Desgleichen

in der Kunstmalerei. Aufpassen, was

du schreibst oder hinmalst! Christa, die

Politchefin, war unvorsichtig, hat gelernt;

nun sind bessere Märchen willkommen. Cord

genießt Bestandschutz. Der große alte Mann

der Espede oder so, jedenfalls hier bei uns.

Ansonsten zurückgezogen auf Döntjes, vermutlich

in Konkurrenz mit Geschichtenonkel

Fritz Blauberg „und seinen alten Hütten“.

Da zieht man als Grafiker den Hut, zollt

dem Fotografen Respekt in Anbetracht der

Schönheit, die Blauberg mancher Immobilie

entlockt. Bewegend mobil wie die Geschichten

dahinter, sauber. (Mari-Anne macht die

Drecksarbeit).

Cord Hanschrei kommt groß raus!

Fünfzig Jahre Stadt, toll. Die ganze halbe

Seite im Tageblatt vorn, und sein Foto füllt

allein zwei Drittel davon, breit wie Obelix.

(Um den es still geworden ist). Der französische

ist nicht gemeint. Wir haben einen

eigenen, den ich allerdings lieber friedlich

im neuen Friedwald sähe, den Christa

erwägt zu pflanzen. Das kam vor Kurzem.

Der Boden unserer schönen Felder ist nur

für Beete gut und nicht für Tote. Ein Wald

müsste helfen, findet die Bürgermeisterin im

bereits erwähnten Blatt. Da fällt mir was ein:

Ich könnte nach dem kleinen weißen Hund

von Frau Lappenmesser fragen. Schmerzlich

vermisst. Sie ist jetzt im Heim. Dazu musste

sie ihren Liebling abgeben. Ich würde ihn in

Idefix umtaufen, und wir könnten Obelix an

den Baum pinkeln, gemeinsam, versteht sich,

wenn er drunter vergraben liegt und hoffentlich

bald. Das sind so Fantasien. Meine

Texte sind unmöglich, ich weiß. Das hier zum

Beispiel ist nicht gerade, was

Hanschrei erwartet? Cord

möchte schöne Jubiläumsgeschichten

sammeln von den

Sch*… und -rinnen.

Das Tageblatt bringt seinen

Aufruf mitzumachen.

Das wären vermutlich

Geschichten in der Art wie

Ernst Meisengeschnatter,

Name geändert, welche

wüsste: „In diesem Haus fünf

wohnt (…), die ist über hundert!

Stell dir vor. Sie war die

erste, die einen Ausländer

geheiratet hat.“ Dann macht

der ehemalige Vorsitzende

des Seniorenbeirates eine

bedeutungsschwere Pause.

„Der kam aus Bayern.“

Ha ha, und so werden die

Texte sein, die Fritz Blauberg,

Cord Hanschrei und andere mögen, für die

Christa Kesselhoch einen Preis vergibt. Sch*-

Geschichten! Ich bin Quiddje, zugezogen und

nicht beliebt. Ein Kuckucksei mit unerwartet

bösem Ruf für einige. Ich war „unser Künstler“,

das ist vorbei. Diese Geschichten, meine

Worte passen nicht dazu, bin ich mir sicher.

Hässliche Menschen treffen wir überall. Darüber

spricht man nur hinter vorgehaltener

Hand. Das schreib ich doch nicht.

Klappe.

:(

Mrz 20, 2022 - Aleksandra* kennen wir nicht 49 [Seite 49 bis 49 ]


Material

Mrz 23, 2022

Ein Befreiungsschlag abwärts in dunkle

Abgründe der Menschheit oder das Abschütteln

von Schmeißfliegen, eine Attacke mit

dem Ziel der Verbesserung, ein endgültiger

Absturz; wer hat und behält Recht, Macht

über die Deutungshoheit?

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert.

Manchen ist alles egal: Das Ansehen

von Wladimir Putin als respektierter Staatsmann

ruiniert der russische Präsident gerade

selbst. Die Bilder seines brutalen Angriffs,

der zudem nur schleppend vorankommt

und die bösartigen Ansprachen des Russen

verursachen Fassungslosigkeit. Bislang galt

der seit vielen Jahren an der Spitze seines

Landes stehende Putin als Machtpolitiker,

aber rational im Handeln und zielorientiert.

Der Präsident ließ andere gern warten?

# Aus den Nachrichten zitiert: Dass Wladimir

Putin seine Macht gerne zur Schau stellt,

ist längst bekannt. Nun hat das auch Recep

Tayyip Erdogan am eigenen Leib erfahren.

Erdogan und seine Entourage mussten

minutenlang vor Putins Tür warten. Im

russischen TV wurde das Psycho-Spielchen

anschließend veröffentlicht / Angela Merkel:

mehr als vier Stunden. Der Papst: eine

Stunde. Die Queen: 14 Minuten. Wladimir

Putin ist nicht für seine Pünktlichkeit berühmt

- eine Übersicht über die Zeit, die der

russische Präsident Staats- und Regierungschefs

warten ließ.(…). (Stern, 10.03.2020 /

05.01.2017).

Die Macht haben, ein Machthaber sein;

wer wartet, nimmt Unfreiheit in Kauf, um

etwas zu bekommen. Diese Frage als Lineal

angelegt, hilft auch, die andere Seite zu

verstehen. Machtlosigkeit, Abhängigkeit,

Beziehungen; wenn Menschen auf andere

angewiesen sind: Ein Gefangener bekommt

sein Essen zur vorgegebenen

Zeit. Ein freier Mensch

geht einkaufen, um sich

eine Mahlzeit zu beschaffen

oder ins Restaurant. Eine

gewisse Geduld muss auch

der Mächtigste aufbringen.

Menschen stehen an für Eis,

ein Tennismatch. Oder umgekehrt,

jemanden warten

lassen: Wir sehen, wie Boris

Becker mit anderen in einer

Schlange vor dem Gericht

steht. Aber nicht, um einen

schönen Tag beim Tennis

zu erleben. Der Ausnahmesportler

muss auf den

Einlass zum eigenen Prozess

als Beschuldigter warten, bis

er in das Gerichtsgebäude darf. Dort droht

ihm sogar Haft, falls er im Verfahren um verschleierte

Summen bei Insolvenz schuldig

gesprochen wird.

Staatsmacht können wir nicht ignorieren.

„Mir doch egal, dafür steh’ ich nicht an“ zu

sagen, hilft nur dem, der sich das erlauben

kann. Einer Vorladung müssen wir nicht

zwingend folgen, aber wenn uns der Prozess

gemacht wird, gehen wir hin. Sonst würden

die Probleme größer. „Wird per Haftbefehl

gesucht“, hieße es bald darauf. Davor läuft

man nicht weg, und wie sollte ein Prominenter

abhauen, ohne seine öffentliche Existenz

aufzugeben? Boris Becker, das kann nur wie

im Fall von Uli Hoeneß ablaufen. Der Tennisstar

plädiert auf Freispruch. Erst einmal

kommt der Moment, den Vorwürfen Rede

und Antwort zu stehen. Die Gesellschaft wird

akzeptieren, dass ein Prominenter anschließend

einer Strafe wieder dort anknüpft, wo

seiner Existenz ein empfindlicher Dämpfer

beigebracht worden ist, aber nur bei Aufrichtigkeit

und Bereitschaft, sich dem Recht zu

beugen.

Im Falle von Putin und

Selenskyj ist immer von

erhofften Ergebnissen in

Friedensverhandlungen ohne

Gesichtsverlust die Rede,

die ausgehandelt werden

müssten für den jeweiligen

Präsidenten. Das britische

Gericht verliert sein Gesicht

kaum einmal, es sei denn bei

einem Urteil, das sich später

als falsch herausstellt. Boris

Becker ist sichtlich angeschlagen.

Er nutzt Anwälte,

um so viel wie möglich von

den Anschuldigungen zurückzuweisen. Der

russische Präsident präsentiert anderen

Macht mit seiner Gewalt, einen Krieg vom

Zaun zu brechen, der britische Staat zeigt

dem Sportler Boris eine Grenze auf. Diese

Beispiele machen deutlich, wie unterschiedlich

die Auswirkungen von Verhalten

und Reaktion Ergebnisse schaffen. Der

Tennisstar unterliegt dem Gesetz und wird

es akzeptieren. Anwälte unterstützen den

heutigen Sportkommentator und Trainer.

Gegen die Attacken von Wladimir Putin fällt

es der Weltgemeinschaft schwer, effektiv

vorzugehen. Die Sanktionen schaden auch

dem Westen. Wir müssten eine gegenseitige

Abhängigkeit begreifen. Bei normalen Angeklagten

wirkt eine Beziehung, in der sich

ein Staat und beispielsweise Boris Becker

befinden, auf moderate Weise. Beobachter

gehen davon aus, dass ein zähes Ringen um

verschiedene Anklagepunkte auf zivilisierte

Weise ausgetragen wird. Der Beschuldigte

wird im Falle einer Verurteilung eine

Geldstrafe, Haft oder Bewährungsstrafe

akzeptieren oder in einem weitern Verfahren

anfechten, Revision einfordern. Dergleichen

an Wiedergutmachung können die Alliierten

gegenüber Russland keinesfalls in vergleichbarer

Weise zivilisiert einklagen.

Es scheint, dass Boris Becker zielgerichtet in

seine Verteidigung geht. Bei dem Weltverbrechen

eines Krieges, den die Atommacht

Russland führt, streiten die Verantwortlichen

das Geschehen schon vom Namen her ab,

nivellieren es auf eine nötige Militäroperation.

Und wir können nichts tun, das uns

nicht selbst in Bedrängnis bringt. Gibt es ein

erreichbares Ziel für Russland, für das sich

diese Attacke bald als lohnende Militäraktion

herausstellen wird? Andere könnten den

Verstand des Präsidenten anzweifeln und

die Sinnhaftigkeit der Aktion. Wenn genügend

Russen in der Führung und auch in der

ausführenden Truppe, sogar im russischen

Volk, der breiten Masse davon überzeugt

sind, das Ganze sei nötig, wird dieser Krieg

andauern. Ganz offensichtlich war die

bisherige Wirklichkeit einer sich zunehmend

in westliche Richtung bewegenden Ukraine

nicht das Positive, was wir darin gesehen

haben für den Osten. Wen das noch wundert,

sollte lernen, seinen Anteil daran zu haben,

dass jetzt Krieg ist. Unsere Freiheit können

wir einer andern kaum aufzwingen. China,

Russland oder andere Staaten sind nicht per

se Gefängnisse, weil wir ihnen vorgaukeln,

es ginge noch (mal so eben) mit mehr an

Diversität. Es ist insofern bedeutsam, weil

es hilft, sich von idealisierten Vorstellungen

zu verabschieden. Wir tun gut daran, die

Realität zu akzeptieren. Ich verstehe diese

so, dass wir das Böse nicht durch Schuldzuweisung

besiegen. Wir benötigen Macht,

eine Grenze zu ziehen, die mehr ist als eine

rote Linie der

Fantasie.

Unser Dorf im

Kleinen ist mir

das Modell und

eigene Übungsfeld.

Ich kenne

mein eigenes

Fehlverhalten,

bin bereit

wahrzunehmen,

wo ich versagte.

Das hilft wiederum,

anderen

eine wirksame

Grenze zu setzen, wenn diese mich mit

ihren Anschuldigungen angreifen. Meine

Kreativität besteht darin, eine farbige Linie

tatsächlich hinzumalen, nicht nur daran zu

glauben, sondern etwas zu schaffen, das

mehr als Kritzeln bedeutet. Ich erlebe, wie

meine Ansichten, die ich gestalten lernte,

wirksam sind. Mir nutzt zu malen und schreiben

in vielerlei Hinsicht. Und sei es, das

eigene Denken zu schleifen, nicht zuletzt an

den Schenefeldern.

Mrz 23, 2022 - Material 50 [Seite 50 bis 54 ]


Die Macht, einen

Despoten zu

stoppen, wirklich

zu haben oder nur

so zu tun, als hätte

man begriffen, dass

ein Verbrecher

irgendwo Böses tut

und sich zu ereifern,

findet ihre reale

Grenze, wenn wir

selbst in Gefahr

geraten und die

Einbildung, bei den

Guten zu sein, nicht

hilft.

Meine Kunst ist nicht erwünscht.

Die Leute taten freundlich, waren es aber

nicht zu mir. Ich kam nicht weiter voran,

nachdem es zunächst gut angelaufen ist

mit den Bildern. Erst cancel culture, wo

ich probierte auszustellen, dann folgte

die persönliche Abgrenzung mancher, die

stillschweigend auf Distanz gingen zu mir,

durch penetranten Rufmord angeschoben?

Das kann man nur vermuten. Jahrelange

Vorgänge, die ich nicht begreifen konnte,

haben mich allmählich irritiert, schließlich

neurotisch und psychotisch werden lassen.

Ich wäre gefährlich, wurde gegen mich

vorgebracht. Es stimmt für Provokateure.

Die Gefahren, in die ich selbst geriet, durch

meine Dummheit, Aggression und eigenes

Fehlverhalten, konnte ich meistern und

denen, die noch einen draufsetzen wollten,

nachzutreten, biete ich nun auf bunte Weise

Paroli.

Ich gewöhne mich daran, dass die anderen

über meine Bilder nicht sprechen können.

Sie sind unreif, weil sie normal sind. Sie

möchten in einer Schublade leben, weil sie

die eigenen Ängste nicht ertragen. Ich stehe

vor ihrer Kommode und ziehe nach Belieben

Schubladen raus. Sie sind Liliputaner, ich bin

groß geworden. Ihre Ansichten binden mich

heute nicht mehr, ich gehe wohin ich will

mit meinem Pinsel.

# Das Steinerne Meer ist ein verkarsteter Gebirgsstock

mit ausgeprägten Hochflächenbildungen

in den Nördlichen Kalkalpen. Als

eines der neun Teilgebirge der Berchtesgadener

Alpen gehört das Steinerne Meer teils

zu Bayern teils zu Salzburg. Seine größten

Höhen erreicht es in seinen südlichen Randgipfeln

Selbhorn, 2655 m und Schönfeldspitze,

2653 m. (Wikipedia).

Und das bringt mich weiter in diesen Text

hinein, bei dem es nicht ums Wandern geht

und voran im Zorn, aus dem ich ein Bild mit

Worten formen kann. Das habe ich gelernt.

Im Steinernen Meer fängt der Angler keine

Fische. Steine beißen nicht an. Hier zu

angeln, entspricht einen Polizisten am Feldrand

zu treffen, der behauptet Kaufhausdiebe

auszuspähen. Um Ladendiebe festzusetzen,

geht die Polizei zum Laden hin, wie der

Angler ans Wasser, wo die Fische sind.

Ich habe ganz eigene Erfahrungen mit

der Polizei gemacht und eine individuelle

Wut entwickelt, in erster Linie wohl auf

mich selbst. Meine Naivität entsprach dem

Grundvertrauen eines Kindes, aber als

Erwachsener ist das nicht angebracht. Ein

aktuelles Beispiel: Wir müssen begreifen,

dass es auf die Schnelle nichts bedeutet, Putin

als Kriegsverbrecher

anzuklagen, wenn das

nur eine Phrase bedeutet

und den Despoten nicht

stoppt. Einfacher dürfte

es sein, dort voranzugehen,

wo Menschen

dingfest gemacht werden

können und ihnen

Strafbares nachzuweisen

ist. Es geht nicht um

das Verbrechen. Es geht

darum, einen Beweis

gegen jemanden herbeizuschaffen,

mit dem die

Staatsanwaltschaft bei Gericht gewinnen

kann. Unser Glaube an die gute Polizei, die

uns schützt, ist pauschal naiv. Natürlich tut

sie das insgesamt, aber wir sind ja nicht Herr

Insgesamt oder so. Für den Einzelnen, der

auf die spezielle Kommissarin trifft, läuft die

Begegnung auf den Sonderfall des Individuums

hinaus.

So interpretiere ich einen Bericht, den ich

auf der Webseite der „Tagesschau“ gefunden

habe. Meiner Auffassung nach, probiert

die Polizei nicht vorrangig Verbrechen zu

bekämpfen, Kinder davor zu schützen missbraucht

zu werden. Die Beamten konzentrieren

sich auf ihre Möglichkeiten, strafbare

Handlungen zu beweisen. Einige Zeilen

mögen als Zitat genügen, in das Thema

einzuführen.

# Das Bundeskriminalamt steht in der Kritik,

weil es Aufnahmen von Kindesmissbrauch

nicht aus dem Netz entfernen lässt. Die

Bundesregierung rechtfertigt das nun. Opposition

und Kinderschutzorganisationen sind

empört.

Wenn ein

Ermittler (…)

auf Bilder von

Kindesmissbrauch

stößt,

darf er sie

nicht löschen

lassen - selbst

wenn dies

einfach

und schnell

möglich wäre.

Diese erstaunliche

Aussage

trifft die Bundesregierung in einer Antwort

auf eine Anfrage der Linksfraktion (…) Demnach

habe das BKA keine Rechtsgrundlage

für eine Löschung auf eigene Initiative.

Mit der Stellungnahme verteidigt die

Bundesregierung das BKA gegen Kritik,

der sich die Polizeibehörde seit Monaten

ausgesetzt sieht. Auslöser waren Recherchen

(…) die gezeigt hatten, dass im aktuell

größten pädokriminellen Darknet-Forum der

Welt riesige Mengen an Fotos und Videos

entfernt werden könnten. Dazu müssen die

Inhalte, die bei Speicherdiensten im Netz

liegen, lediglich gemeldet werden, um sie

löschen zu lassen. Das BKA jedoch unternimmt

diesen Schritt nicht. (…).

Seehofer hielt Löschungen noch für „unverzichtbar“,

dass das Bundesinnenministerium,

welches die Kleine Anfrage der Linksfraktion

beantwortet hat, dem BKA so deutlich eine

Kompetenz abspricht beim Thema Löschungen

von „Kinderpornografie“, ist politisch

bemerkenswert. Noch im November hatte

der damalige Innenminister Horst Seehofer

auf der Herbsttagung des BKA gesagt, die

Löschung der Aufnahmen sei „unverzichtbar“:

„Das Bild- und Videomaterial darf auf

keinen Fall dauerhaft online abrufbar sein.

Die Betroffenen werden sonst immer wieder

zum Opfer. Und zwar ein Leben lang.“

Nachfolgerin Nancy Faeser hingegen äußerte

sich bisher noch nicht öffentlich wahrnehmbar

zum Thema Kinderschutz. Auch

eine Panorama-Anfrage, ob sie dem BKA die

fehlende Rechtsgrundlage verschaffen wolle,

ließ das Bundesinnenministerium bisher

unbeantwortet.

(Tagesschau 21. März 20022, Daniel Moßbrucker,

NDR).

Ende des Zitats. Ich bin Maler und möchte

Stellung beziehen. Unser früherer Innenminister

war – als ein alter und erfahrener

Politiker – Dickbrettbohrer. Auch zum

Thema der Obergrenze von Flüchtlingen,

die Deutschland bereit wäre aufzunehmen,

hatte Seehofer seine Position. Unpopuläre

Themen sind diese! Ich erinnere mich,

die frühere Ministerin für Familie, Frauen

und Kinder wechselte in das Ministerium

für Arbeit etwa zu der Zeit, wo sie sich an

erstgenannter Position für eine Löschung,

beziehungsweise für den Einsatz einer Art

Bremse, in Form des vorangestellten Stoppschildes

der Skandinavischen Länder ausgesprochen

hatte. Männer sollten begreifen,

wohin sie am Surfen waren, wenn der Kurs

in die Abgründe vom Netz ginge. Das war,

als der Begriff „Darknet“ dem Nutzer noch

fremd gewesen ist und das Aufblitzen einer

entsprechenden Webseite – die der Wichsende

in seinem Rausch nicht

einmal erwarten kann, nachdem

er ein Vorschaubildchen klickte,

ohne zu wissen, was genau das

ergibt – bereits zu Verurteilungen

führte. Davon schrieb unser

Tageblatt nicht selten in den

Jahren nach der Jahrtausendwende.

Ein Lehrer in Hamburg

wäre verurteilt worden, obwohl

er ein Bild nachweislich sofort

weggeklickt hatte. Die digitale

Spur bewies, der Mann habe für

eine Sekunde kinderpornografisches

Material besessen. Mir

kam es sogar einmal vor, als

könnte ich einen Schenefelder als Person

herauslesen, im Artikel, dem zum Verhängnis

wurde, im Arbeitsumfeld mit Jugendlichen

seine Neigung nicht in den Griff bekommen

zu haben.

# Mein eigener Weg

Zu dieser Zeit begann ich bereits, mich kreativ

auszuleben und stellte das Bild „Fenster“

in einem Café aus. Ich schrieb (im Suff)

einen mehrseitigen Scheiß zusammen. Ich

probierte darauf hinzuweisen, was Frau von

der Leyen forderte, wäre richtig. Ich wolle

nicht alleingelassen vor dem Rechner dafür

bestraft werden, das Falsche zu klicken,

sondern erwartete vom Staat die Mitarbeit,

nach dem Motto, in den Siebzigern hätte

ich einen verbotenen Porno allenfalls „unter

dem Ladentisch gehandelt“ kaufen können.

Das brachte ich so etwa zu Papier. Die

Menschen hatten sich gerade erst an das

Internet gewöhnt, und das schien hell für

alle zu sein. Der kreative Wichser: Ich hoffte

scheinbar, einen Untergrund zu erfinden,

Mrz 23, 2022 - Material 51 [Seite 50 bis 54 ]


für den mir selbst die kriminelle Energie

abgehen würde, diesen aufzusuchen. Ich

verlangte einen Keller, und den sollte mir

die Polizei (mit festem Erdgeschoss drüber)

schaffen und abgeschlossener Luke nach

drunten für welche, die das bräuchten. Für

mich erwiese sich das neue Netz mit seiner

Freizügigkeit als bodenlos. Ich schwafelte

handschriftlich auf einigen Seiten Papier,

es könne nicht sein, dass Kinderpornografie

frei verfügbar wäre, trank nachts dabei eine

Flasche Rotwein allein aus (Strohwitwer für

eine Woche; so etwas kommt vor in einer

guten Ehe). Das habe ich, als den Wunsch,

mit der Polizei diskutieren zu wollen, an

das LKA geschickt – nüchtern am folgenden

Morgen.

Vielleicht ein Fehler.

Die Polizei diskutiert nicht. Die Polizei ermittelt,

wo es leicht gelingt. Man löscht ungern,

es ist aufwändig. Dazu kommt, die Polizei

benötigt das bereits als strafbar bekannte

Material im Netz. Zu locken ist die Denkweise

des Anglers mit dem Köder. Hat man

mich ausgespäht? Das kann nur ohne Erfolg

geblieben sein. Dergleichen Bilder habe

ich nicht, klicke ich nicht – und breche das

Surfen ab, wenn entsprechende Vorschauen

reizen. Ich möchte lernen, in der neuen Welt

zu leben und meine Meinung entwickeln. Ich

bin keinesfalls das Opfer eines Triebs. Wie in

das Darknet zu gelangen ist, weiß ich nicht.

Ich kann auch keine Computer verschlüsseln,

weil ich nicht verstehe, wie man es

macht. Es interessiert mich nicht. Ich kenne

niemanden, dubiose Freunde etwa, für ein

Netzwerk. Junge Frauen sehen besser aus als

ältere. Ich schaue mir keine fünfzigjährige

nackt an im Internet.

Die Polizei hat gelernt, Böses mit Bösem zu

bekämpfen.

Ich denke, das Netz ist das der Polizei, weit

über die behördlichen

Maschen hinaus

gestrickt. Es bezieht die

bereits verrenteten Beamten

und Ehrenamtlichen

der Dorfpolitik mit

ein und wird munter

über verspinnerte

Künstler und dergleichen

ausgeworfen.

Die Polizei benötigt

einen Anfangsverdacht.

Wer Nackte malt, wirren

Kram zusammenschreibt,

ist verdächtig:

Damit könnte ich

gemeint sein? Ich kann

zugeben, dass ich nach dem Studium in

psychiatrischer Behandlung war. Ich habe

mich in das Leben zurückgekämpft. Ich bin

kein Täter, sondern Opfer einer Erkrankung

und habe keinesfalls den Wunsch, straffällig

zu werden. Dass ich jemanden verprügelte,

spricht sich rum? Das bedeutete mir, dem

alltäglichen Rufmord ein Ende oder zumindest

Zeichen entgegen zu setzen. Ich bin

bestimmt nicht gewalttätig krank.

Es gab damals eine Vorladung auf den

quergedachten Brief, ein Ermittlungsverfahren

würde geführt, schrieb mir die Behörde.

Keine Einladung zur Diskussion auf Augenhöhe,

sondern eine Machtdemonstration des

deutschen Staates (Abteilung Pinneberg).

Die Kommissarin:

„Sie sehen gar nicht aus wie …“

„Ein Spinner, was haben Sie denn gedacht?“

Naiv, da hinzugehen, war ich.

Von polizeilicher und offizieller Seite blieb

das ein schließlich humoriges Plaudern mit

Frau Kriminaloberkommissarin.

Aber seltsame Dinge passierten bald, fand

ich.

Zufällige Begegnungen mit Personen, die

Interesse hatten an mir, aber so richtig eben

doch nicht.

„Wir schauen uns ,solche wie Sie’ gern

mal an“, hatte die Beamtin gemeint und:

„Vielleicht schickt Ihnen der Staatsanwalt

noch ein Schreiben,

dass das Verfahren

eingestellt wird.“

Das kam nie. Aber

etwas hat die

Behörde erreicht,

ich mache keinerlei

Aussagen bei der

Polizei, egal was

gefragt wird oder

zukünftig würde.

Nach den Erfahrungen

mit der in alles

verstrickten Politik

und Verwaltung

hier im Dorf gehe ich auch zu keiner Wahl.

Dauerhafte Blockade aller staatlichen

Wünsche an mich als Bürger. Man hat mich

nicht als solchen wahrgenommen: „Solche

wie Sie“, krank? Und heute bin ich zu allem

bereit, nur um jedem Staat der Welt sagen

zu können:

„Nicht mit mir, Leute!“

Die Angst vor der

Erkrankung durch

Corona ist geringer, als

der Wunsch, zu denen

gehören zu können, die

unsolidarisch sind. Ich

gehe nicht zum Impfen,

weil der Staat es von

mir möchte, nicht zum

Frisör, weil es einen Test

bräuchte, habe mich

verändert. Ich gehe

nie zum Arzt, weil das

jemand ist, der sonst

was behaupten könnte.

Ich ertrage lieber die

Unbill einer Beschwerde. Vielleicht geht es

von selbst weg? Vorsorge fällt mir nicht ein.

Unter Schmerzen hingetragen, ja – ansonsten

gern gleich auf der Bahre entsorgt. Mir

weint niemand eine Träne nach! Schreddert

meine Bilder gern. Die Polizei braucht

vielleicht meine Hilfe als Zeuge irgendwo?

Darauf freue ich mich bereits. Ich sage,

gegebenenfalls um Unterstützung gebeten:

„Ob ich etwas bemerkt habe, heute Nacht,

Herr Kommissar? Tut mir leid, da habe ich

geschlafen.“ Politik gestalten, die Demokratie

verteidigen, ich möchte den Landtag wählen,

bitte? „Nein danke, wählt euch selbst.“ Ich

müsste eine Umfrage, eine Volkszählung

oder dergleichen mitmachen? „Heute habe

ich keine Zeit dafür. Und morgen bin ich

nicht da. Und wenn du mich übermorgen

ein weiteres Mal fragst, Deutschland, dann

schlag ich dich tot.“ Ich bin nicht länger der

Stoff, den du handeln und verkaufen, verarschen

kannst, Christiane – oder wie auch

immer der Staat als Person sich nennt. Geh

kacken, verpiss dich, Deutschland.

Moderner Sklavenhandel wird beklagt.

Selbst aktuell, in der größten Not der

Geflüchteten aus der Ukraine, werden

Menschen ausgenutzt. Bereits am Bahnhof

probieren Männer, junge Frauen abzufangen.

Sie locken mit einer Unterkunft für diese

Mädchen und das ist der direkte Weg in

die Prostitution. Menschen sind in unserer

Konsumgesellschaft eine Ware wie alles

andere auch. Sie können gehandelt werden,

wenn jemand die Macht dazu hat und keine

Skrupel. Und ein Foto von einem Menschen

ist dasselbe, ein Material mit dem welche

verdienen, die es dafür verwenden können.

Menschen sind, wie die Bilder

von ihnen, ein käufliches und zu

handelndes Erzeugnis. Die Realität

verwischt zwischen dem lebenden

oder gefilmten Wesen.

Das bedeutet, dass die Polizei

dabei keinen Unterschied machen

kann, Menschen wie ihre Bilder

nach dem Wert zu beurteilen,

den diese für ein Netz darstellen.

Schlussendlich ist die Kriminalität

eine Organisation, und die Polizei

ist die andere Organisation, wie

zwei Firmen in einem harten Ringen

um die Vormachtstellung am

Markt. Und wir Unbedarften sind die Ware,

als Konsument, als zu beschuldigender Täter,

die wir die Menschen hinter dem Porno nie

kennenlernten oder eben als ein Kind, sind

wir vor allem gefährdet, missbraucht zu

werden. Da dürfe die Polizei nicht zimperlich

sein und ein Kind (und sein missbräuchliches

Abbild als Mensch) mit Würde

behandeln, wenn die Chance besteht, damit

einen Händler oder Kunden festzusetzen,

meint man wohl. Aus Menschen wird nur ein

Kram, ein Zeugs, ein Stoff – so wie eine Tüte

Rauschgift, die den, der es besitzt belastet.

Man kann handeln damit.

# Material

Was ich vermute ist dies: Die Polizei

benötigt eine Masse verbotener Bilder, die

deswegen nicht gelöscht werden: Das ist

ihr Kaufhaus, den Ladendieb festzusetzen.

Die Beamten möchten einen Rahmen, in

dem sie sich auskennen. Sind die Bilder

bereits da, fehlt noch der Mann, dem sich

dafür zu interessieren zuzutrauen ist. Die

Polizei möchte jagen und Beute machen. Ich

behaupte, Kinder sind der Polizei egal. Es ist

nicht ihre primäre Aufgabe, sie zu schützen.

Im Gegenteil, sie werden zum Anlocken als

unverzichtbares Material gehandelt. Kinder

können sich nicht wehren. Die Polizei beschäftigt

sich mit Tätern. Gesunde Erwachsene

verteidigen sich gegebenenfalls mit dem

Rechtsanwalt. Sie sind ein harter Brocken für

Ermittler. Psychisch Kranke können sich nur

unzureichend wehren, schlecht gegen ihre

Emotionen, innere Gelüste und keinesfalls

effektiv gegen die Strafverfolgung. Sie sind

ebenfalls eine Ware für Ärzte, Gutachter und

die Polizei. Pornos sind eine Ware für alle.

Menschen stehen dafür ein und dahinter.

Hier geht es um Geschäft und Gegengeschäft.

Mrz 23, 2022 - Material 52 [Seite 50 bis 54 ]


Mir hat nicht geschadet, nachzudenken und

Ideen zu Papier zu bringen. Ich schreibe heute

besser. Neben der Illustration den Weg

in die freie Malerei einzuschlagen war das

Beste überhaupt für mich. Ich konnte nicht

wissen, wohin es führen würde. Kreativität

beginnt einfach, führt aber dazu, nachzudenken

was uns motiviert.

Denken macht gesund.

Mir geht es gut. Ich liebe Porno und weiß

um das böse Geschäft dahinter. Nicht mein

Arbeitsfeld und Problem. Wir haben heute

den von mir gewünschten Keller im Netz.

Mir ist das vollkommen wurscht. Ich schaue

von der Höhe meiner Reife auf die Armen,

die sich weiter ereifern. Ich bin arrogant

geworden. Aus der Distanz

gesehen, würde ich heute

sagen, ja, Eltern müssten

sich zunächst selbst kümmern.

Man weiß, dass im

Sportverein oder in der Kirche

Missbrauch geschieht.

Es hilft nicht, (optisch

beknackt erscheinenden)

Priestern in naiver Weise

das eigene Kind anzuvertrauen

und der Kirche die

Menschlichkeit abzusprechen. Niemand kann

aus der Allmacht der Welt, entsprechend

Gott, austreten, wie auch immer ein Gläubiger

oder Atheist es nennt. Natürlich sollte

die Strafverfolgung über die Kirche gestellt

sein, und ich hätte angenommen, dass es so

ist. Es ist weniger die Schuld eines Bischofs,

wenn sein Pfarrer Kinder missbraucht, sondern

das Versagen besteht darin, denjenigen

von Seiten der Behörden nicht konsequent

zu stoppen. Eine Anzeige ist möglich, man

weiß, dass Befindlichkeiten wie Scham und

Angst den Sieg davontragen können und

Menschen ein Leben lang schweigen. Daran

ist weniger die Kirche schuld. Hier verursacht

ein verkorkstes Bild vom Glauben die

gruselige Gemengelage. Auch für Katholiken

gilt das Gesetz als wirksame Hilfe. Nach

abgeschlossener Strafverfolgung aber, sollte

ein Pfarrer frei sein.

Ich finde es befremdlich, wenn Opfer

„Lebenslang“ fordern und entsprechendes

Berufsverbot, während ein Gericht differenziert

abwägt. Warum wird nicht das Gesetz

als unzureichend kritisiert und stattdessen

verlangt, dass die Kirche jemanden

anschließend einer Bestrafung hinaus wirft?

Ganz offensichtlich hat die breite Masse den

Eindruck, dass, wer einmal sexuell Bockmist

baute es immer wieder tut. Wenn das

stimmt, sollte es nachzuweisen sein. Dann

könnten wir sämtlich die Therapien als

Quatsch einstellen, mit dem eingesparten

Geld größere forensische Klappsen, Knäste

mit Sicherungsverwahrung für alle Sexualstraftäter

bauen.

Hier liegt ein

grundsätzliches

Problem vor. Die

unterschiedliche

Schwere der

Fälle wird sinngemäß

bestraft.

Außerdem können

individuelle

Fehleinschätzungen,

wie

sich Pädophile zukünftig verhalten werden

nie ausgeschlossen werden. Es bleibt die

Aufgabe derer, die sich zuständig fühlen, die

Welt zu verbessern. Der Kinderschutzbund

bringt naturgemäß mehr Einsatz auf, und

die Medien machen Druck. Wir haben alle

unseren Teil zu leisten: Der Bäcker backt das

Brot, und der Angler angelt.

Ich bin noch da und male, schreibe.

Frau von der Leyen sei doof, meinte die

Kommissarin. Was wir löschen, stellt derjenige

eine Minute später unter anderem Label

neu ein; Realität eben.

So haben wir bis heute Realpolitik.

:(

Mrz 23, 2022 - Material 53 [Seite 50 bis 54 ]


Alte, schwabbelige oder verkorkste Frauen

sind massenweise in Einrichtungen unterwegs,

wo Quatsch in Gruppen stattfindet. Im

Kunstkreis zeigen sie Arbeiten. Sie wollen

damit sagen, dass es was Richtiges ist?

Was sollen sie sonst auch machen.

Unsere tägliche

Kunst gebt uns

heute

Mrz 26, 2022

Brot wird ja bald

teurer, wegen

der Ukrainekrise.

Gut, dass ich viel gelernt habe und richtig

was kann, da macht es nichts. Ich kann’s mir

leisten. Ein Künstler wollte ich nicht werden.

Meine Eltern meinten, malen könne man

auch nebenbei. Junge Leute erlernten besser

einen richtigen Beruf, fand auch mein Onkel

Hermann, spottete:

„Du hast ja Talent, John. Wir anderen müssen

arbeiten.“

Es hieß, im Hobby könne man kreativ sein,

das andere ginge nicht. Warum? Ich traute

mich nicht zu fragen. „Wir“ könnten kein

Fußball spielen, wusste mein Vater. Das läge

an unseren dünnen Gelenken. Er bezog mich

gleich mit ein. Es stimmte irgendwie. Ich war

schlecht darin. „Wir“ könnten nicht mit Bällen

umgehen, meinte er. Als sei es erblich, nicht

fangen zu können. „Wir“ würden schlecht

werfen, wären beim Kegeln oder Boßeln

kaum zu gebrauchen. Das stimmte auch.

Mein Vater hat Recht behalten.

Viele Spätberufene malen und stellen aus.

Es gibt in jedem Kuhdorf einen Kunstverein.

Corona macht es den Leuten schwer, Besucher

für die Vernissage zu gewinnen. Unser

Käseblatt berichtet: Nötig sei diese Kunst,

Skulpturen stellten einen Wald dar, und

„der Wald habe eine politische Botschaft“,

schreibt die Zeitung.

Zwei der komischen Pflanzen sind auch

abgebildet.

Der Mensch möchte ein Gegenüber.

Die Energie, mit der wir

eine Sache ausführen, benötigt

Reflexion. Darum arbeiten die

Erwachsenen: Sie dürfen noch

nicht sterben und haben Angst, es

könne ungemütlich sein, einfach

abzuwarten. Hunger könnte Probleme

bereiten, das ist einer der

Gründe, warum wir eine Existenz

gestalten. Deswegen ist die Kunst

ungeeignet, sie ist bekanntermaßen brotlos.

Alte können noch schlechter auf den Tod

warten als junge Menschen, die mit der Einbildung

herumspazieren, reichlich Zeit übrig

zu haben. Alte sind desillusioniert. Frauen

haben es besonders schwer, weil sie ein Leben

lang am Herd versauert sind. Sie lernten

nicht, sich zu beschäftigen. Sie machten nur

sauber. Während ein Alter seine Harley putzt

oder das Boot auf Vordermann

bringt, um in die Saison zu starten,

können die Muttis sich nur schwer

zügeln, Kuchen in sich hinein zu

stopfen.

Sie tüddeln mit dem Enkelkind

rum.

Sie führen einen Köter aus, oder

basteln eben einen Kunstwald.

Den wollen sie dann zeigen. Wenn

bald eine neue Corona-Variante

aufkommt, weil wir keinen Bock mehr auf

das Ukraine-Gemetzel haben, werden die

komischen Pflanzen vollkommen vertrocknen

ohne Vernissage …

Wobei, maskiert sehen die klar besser aus,

bei den Falten.

Jetzt kommt ja erstmal der Sommer.

:)

Es besteht kaum Interesse an der Ausstellung,

trotz reichlicher Werbung. Wen wundert

das? So wichtig ist es grad nicht für welche,

die richtige Sachen arbeiten. Rentnerinnen

haben es nötig, Torf auf Pappe zu kleben. Ein

starker Drang, schrottigen Kram auszuleuchten

und anzupreisen gehört dazu. Selten

verirrt sich ein teetrinkender Mann in den

Kunstkreis oder ist irgendwie schwul. Typ

Lauterbach etwa, nichts Halbes oder Ganzes,

mehr dazwischen. Es ist wie in der Kirche.

Die ist auch in Frauenhand, wenn man nicht

gerade bei den Katholschen schaut. Auch

diese Yogatanten, die hinter dem verödeten

Sportrestaurant auf einem Bein turnen. Ein

seniler Opa, der Rest vertrocknete Gewächse,

wie die vom Kunstkreis eben.

Manche sind auch dick.

Mrz 26, 2022 - Unsere tägliche Kunst gebt uns heute 54 [Seite 54 bis 54 ]


Der letzte Tag

Mrz 27, 2022

Es gibt Menschen,

die stets das

Schöne sehen. Ich

gehöre nicht dazu.

Darum male ich.

So kann ich meine

Farben für die eigene Welt bestimmen.

Das lehrt mich hinzusehen und Reizvolles

wahrzunehmen. Für gewöhnlich ärgere ich

mich über das Drumherum. Frust ist mein

Antrieb. Damit bin ich schnell unterwegs wie

viele andere auch. Mir fällt oft schwer, die

besseren Alternativen zu bemerken, kurz abzuwarten

und erst dann auszuwählen, wohin

die Reise geht. Es bleibt ein Lernfeld.

Das Leben ist so scheiße, weil es im Ganzen

alternativlos ist. Nicht leben, ist keine

Alternative. Wir haben nicht diese Wahl,

etwas anderes zu tun, als hier zu sein. Ein

Trugschluss, zu denken, wir könnten frei handeln.

Obwohl es theoretisch möglich wäre,

ganz vieles zu machen, werden wir doch nur

eine schmale Auswahl unserer Möglichkeiten

in Betracht ziehen. Suizid, sich also dafür

zu entscheiden, nicht weiter zu leben, ist

bestimmt nicht feige oder so mal eben eine

durchführbare Sache. Wir nehmen einiges

an Kummer hin und suchen oft verzweifelt

nach einem Weg aus der Einsamkeit unseres

Daseins.

Der Mensch weiß nicht, warum er lebt.

Diejenigen, die keine Automaten sein

möchten und nur gehorchen, suchen nach

dem eigenen Sinn. Wer unglücklich ist, hört

nicht einfach auf zu jammern. Davon, dass

es verboten würde, traurig zu sein, wird der

Trübsinn kaum enden. Wem es an Geschick

mangelt, den Tag mit Leben zu füllen, bleibt

nur scheinbar die Flucht. Dafür benötigt es

eine besonders verzwickte Fähigkeit. Wir

müssen bleiben, auch wenn es uns nicht

gefällt zu leben. Wer probierte zu gehen,

weiß wie viel Schwierigkeiten sich dem in

den Weg stellen, der nur noch weg möchte.

Man muss es nicht selbst versuchen: Zahlreiche

Filme zeigen Menschen, die es mit dem

Suizid nicht hinbekommen und mit ihrem

Schicksal im letzten Moment zu hadern

beginnen. Darüber nachzudenken macht

deutlich, warum es ungemütlich auf der Erde

ist. Unser Dasein ist mitnichten eine tolle

Sache, eben weil es ein Zwang ist. Es ist wie

mit einem Geschenk, das wir gezwungen

sind gut zu finden. Ein Pullover, den wir tragen

müssen, obwohl dieser kratzt: „Der steht

dir aber gut!“, sagt Tante Helga noch. Und

Mutter freut sich, wenn du ein fröhliches

Gesicht machst.

Keine Alternative zu haben, bedrückt und

macht Angst. „Davor brauchst du keine Angst

zu haben“, hört man immer wieder Eltern

sagen. Wenn zu leben ohne Alternative ist,

weil unser Organismus alles tun wird, was

an Automatismen hineinkonstruiert wurde

– allein die Atmung oder der Herzschlag

sind nicht abstellbar – bleibt nur die Erkenntnis,

dass Angst

unser Antrieb ist. Die

sollten Eltern nicht

verbieten. Der Angst

kann ich mit dreierlei

begegnen: Aushalten,

weglaufen oder die

Gefahr aggressiv

bekämpfen sind bekannte

Möglichkeiten.

Nun bedeutet unser

Alltag nicht, Soldat

zu sein. Abweisungen

unangenehmer Dinge

meistert der Mensch

sportlich. Angriff: Eine

kurze Floskel stellt einen

nervigen Bekannten

so weit zufrieden, dass wir weitergehen

können. Aushalten: Kurz die Luft anhalten

und den Frust unterdrücken, wenn man sich

übervorteilt fühlt. Flucht: Schnell vorüberhuschen

und „er hat mich nicht gesehen“

denken, das war’s. Soweit normal.

Natürlich gibt es gute Tage. Die interessieren

ja nicht. Sie kommen und gehen wieder.

Wir werden nicht umhin kommen, über die

dunklen Momente nachzusinnen. Die gewinnen

schließlich an Bedeutung; dass wir einmal

sterben müssen, macht Angst, besonders

denjenigen, die schnell sterben wollen. Das

ist paradox. Diese Schwerstbehinderten, die

ein Recht auf rechtzeitigen Suizid einklagen

möchten, zeigen es überspitzt: Das Problem

liegt scheinbar darin, die Zukunft gestalten

zu wollen, es angeblich nie zu spät sei für

irgendwas, die Zeit aber möglicherweise

knapp wird. Die Umgebung bestimmt um so

mehr über uns, je abhängiger wir von anderen

Menschen werden, im Rollstuhl sitzen

oder sonst wie gebunden sind. Deswegen

alternativlos: Der Mensch will nicht, sondern

muss leben und das bedeutet, dieses Dasein

zu gestalten. Abwarten auf das natürliche

Dahinfaulen genügt nicht, um die Sache

gut aushalten oder gar stundenweise

wenigstens genießen zu können. Nichtstun

als Beschäftigung will gelernt sein! Unser

Dasein als Möglichkeit begreifen, obwohl

es irgendwann für beinahe alles zu spät ist,

wird zu einer Herausforderung; das Alter

beginnt jetzt. Mit beinharter Logik zu leben,

wird angenehm wie den kratzenden Pullover

nur dann zu tragen, wenn Mama und Tante

Helga im Raum sind. Gott sieht alles, aber

Mutter nicht, ist die Erkenntnis zu der ein

gesundes Kind kommt.

Schlimm, wenn Mutter das verhindert (zu

denken). Da kann’s dauern, bis ein Kind frei

wird und den eigenen Weg geht. Dann ist es

für vieles zu spät. Immerhin kristallisiert sich

raus: Die anderen lügen immer. Von Scheiße

umgeben, bedeutet in Schenefeld zu sein.

In der Ukraine im Krieg ist es schlimmer.

Eine schöne Sache mit dem „edel sei der

Mensch, hilfreich und gut“ und geradezu

eine Verpflichtung, wenn klar wird, dass zu

leben ohne Alternative ist. Maulen oder dem

Selbstmord auf Raten mittels Alkohol zu frönen

ist überlegenswert. Der Nutzen will abgewogen

werden, ob diese Benebelung eine

Verbesserung ist oder wir tun sollten, was

der Doktor rät? Nun hilft es nicht, die Menschen

zu suchen, denen wir vertrauen können.

Es gibt sie nicht. Umgekehrt macht die

Sache Sinn. Selbstvertrauen zu entwickeln,

ist besser. Eine gute Einschätzung der Lage

hilft. Schwäche wird ausgenutzt. Passen wir

uns der Tante an und reden der Mama nach

dem Munde, werden wir schnell auf einen

Bekannten treffen: „Sieht scheiße aus dein

Pullover. Kratzt der gar nicht?“ Schweigen,

weglaufen oder sagen: „Das ist ein Geschenk

meiner Mutter und kratzt nicht. Ich mag die

Farben“, sind so Möglichkeiten.

Da schließt sich der Kreis. Wir sind erwachsen

geworden und lügen wie die anderen

– in dem Moment, wo unsere Wahrheit darin

besteht, die persönliche Grenze setzen zu

müssen.

Mein Onkel Hermann, der zur Tante Helga

gehörende, starb mit ungefähr neunzig. Das

hat mich genau gar nicht interessiert. Ich

bin nicht zur Beerdigung gegangen. Eine

unglaublich lange Zeit war er dement und

wusste kaum, ein Onkel zu sein. Er redete

nur noch Blödsinn. Mein dazugehörender

Vetter ist der Grund, den Rest meiner

Verwandtschaft zu meiden. Je mehr bekannt

wird, zeigt sich, fett ist nur der Nippel oben,

die Spitze. Ich will sagen, nur ein Siebtel

vom Eisberg schaut aus dem Wasser. Falschheit

gewinnt, weil man das Motiv nicht sieht.

Eis ist hartes Wasser nur für eine gewisse

Zeit.

Die sind mindestens so eklig, wie andere

hier. Familie ist in meinem Fall auszusortieren,

um zufrieden zu sein. Das Problem

ist, der Mensch kann die Gebote einhalten,

muss es aber nicht. Menschen nutzen es aus,

über andere bestimmen zu können, wenn sie

meinen es sei einfach, brächte Vorteile. Ich

habe spät gelernt zu beleidigen, bin mitnichten

ein guter Mensch. Ich lege keinen Wert

darauf zu sein, wie man soll. Unschuld war

früher. Jahrelang wusste ich nicht, dass ich

andere verletzte wie alle es tun. Für einen

genussvollen Rest an Lebenszeit, meine eigene

Gestaltung des Ganzen, reicht es nicht:

Ich fege Trümmer zusammen. Die Zeiten,

in denen wir Gewohnheiten durchbrechen

können und die Wahl einer Alternative

erkennen, machen frei. Darauf kann man

achten bis zum letzten Tag.

:)

Mrz 27, 2022 - Der letzte Tag 55 [Seite 55 bis 55 ]


Orbit

Apr 1, 2022

Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit

haben ihre eigene Wahrheit. Die Wahrheit

der Vergangenheit ist Gegenstand von

Ermittlungen und führt gegebenenfalls zum

Gerichtsprozess. Dort wird die Wahrheitsfindung

nach den Regeln der juristischen Kunst

betrieben. Das Wort sagt es schon, man muss

suchen und diskutieren für ein stimmiges

Bild. Im Zweifel für den Angeklagten, ist

die Leitlinie im ordentlichen Verfahren. Die

Wahrheit der Gegenwart ist unmittelbar zu

spüren. Druck und Gegendruck durch die

Schwerkraft sind unsere Wahrheit, niemand

schwebt herum, die Erde bindet uns an. Daraus

resultiert einiges, wenn nicht alles an

Aktivitäten. Niemand ignoriert die Schwerkraft,

ist eine grundsätzliche Wahrheit,

weil das die Basis unseres Lebens ist. Dazu

kommen etliche, individuelle Motive unserer

Bewegung, denn auf die Gegenwart folgt

sofort das Erreichen einer speziellen Zukunft

für den Einzelnen. So können wir durch

unsere jetziges Geschehen auf die Zukunft

Einfluss nehmen und im Nachhinein erinnern,

wie es eben gewesen ist. Die Wahrheit

einer Ereigniskette ist also eine Bewegung

in der Schwerkraft durch die Zeit. Diese Betrachtung

schließt unabdingbar mit ein, dass

etwas im Raum ist, zum Beispiel ein Auto

fährt, ein Mensch läuft wohin; ohne ein Ding

macht Bewegung keinen Sinn. „Das Auto fuhr

schnell in die Kurve und krachte gegen den

Baum“, könnte eine Schilderung lauten.

Damit wäre dies eine (wahre) Geschichte des

Unfalls, dem ich mit einem Satz zitiert ein

Bild gebe. Jeder stellt sich was drunter vor.

War das eine Linkskurve? Da beginnt bereits

die Frage meiner Perspektive, die entscheidend

sein kann, denn was ist links? Befinden

wir uns nun am Steuer des Fahrzeuges, und

das Geschehen läuft aktuell ab, lenken wir

ein Fahrzeug durch die Wahrheit unserer

Gegenwart, gestalten die unserer Zukunft,

welche an diesem Baum ein Ende findet –

oder eben nicht.

Was werde ich heute tun? Für manche stellt

sich die Frage weniger, denn sie wissen, was

zu tun ist. Menschen im Arbeitsverhältnis

sind an viele Verpflichtungen gewöhnt. Sie

gehen etwa ganz automatisch zur Bushaltestelle,

nachdem sie ein alltägliches Frühstück

hatten, um zur Arbeit zu fahren.

Als ich noch am Anfang meines Illustratorenlebens

stand, gleich nach dem Studium,

war in Wedel bereits der neue S-Bahnhof

fertig geworden. Dort schauen Wohnungen

direkt auf die Gleise mit dem Bahnsteig. Ich

malte mir aus, ein Kinderbuch zu machen.

Vermutlich würden mit den jeweiligen Morgenzügen

alle zehn Minuten Tag für Tag die

selben Leute fahren. Ich begann mit Skizzen,

konnte nicht in diese Position gelangen, es

genauso zu sehen und fand eine Stelle im

Ärztehaus auf der anderen Seite. Dort schaut

man vom Treppenhaus hin.

Vor kurzem wurde mir eine Wohnung zum

Kauf als Geldanlage angeboten, diese nun

wiederum im Ausfahrtsbereich gegenüber.

Von der kleinen Terrasse aus schauten wir

direkt zum Bahnsteig. Der Abstand zu den

Wartenden ist gering, ein Zuruf dürfte gehört

werden, und es besteht Blickkontakt bis

hinein in das Wohnzimmer. Da erinnerte ich

mich wieder an diese Geschichte, das Buch

zu machen.

Mal davon abgesehen, dass daraus nie etwas

geworden ist, bleibt doch diese Erkenntnis,

dass ein Bild grundsätzlich ein Stück der

Wahrheit sein kann. Besonders in einer

realistischen Malerei versucht man ja, diese

Illusion von Wirklichkeit hinzubekommen.

Heute, am ersten April, wird gern mit der

Wahrheit gescherzt. Aber es gibt auch

bittere Wahrheiten, wie den Krieg in der Ukraine.

Gestern kam in den Nachrichten, dass

Gil Ofarim sich verantworten muss. Viele

werden den Fall erinnern. Der Sänger hatte

Hotelmitarbeiter beschuldigt und steht

nun überraschend selbst vor Gericht wegen

Verleumdung.

An diesem Morgen finde ich auf einem Portal

auch die Schilderung einer Begegnung

mit William Shatner aus der Sicht eines

Schauspielkollegen. Darin schildert der, wie

er als junger Mann am Set auf sein großes

Vorbild getroffen ist. Bei diesem ersten

Gespräch hätte der Berühmte herablassend

und abwertend reagiert, erst später versöhnte

man sich. Der junge Mann solle sich nicht

grämen, tröstete seinerzeit eine Maskenbildnerin.

Alle wüssten, Shatner sei „ein Idiot“.

Später gewann die Beziehung an Freundlichkeit,

schreibt der heute selbst bekannte

Darsteller und schließt die Episode mit den

Worten ab, eine wahre Geschichte, die gut

sei, müsse erzählt werden.

# Wil Wheaton erinnert sich, Monate später

habe er Shatner gefragt: „Sind wir cool, oder

was? Ich dachte immer, du magst mich nicht,

aber ich habe die Zeit mit dir bei ,Weakest

Link‘ genossen. Also sind wir cool oder war

das nur eine Spielstrategie?“ Shatner habe

geantwortet: „Wir sind so cool, wir sind mehr

als cool. Wir sind im Orbit, Mann.“ In den

vergangenen Jahren habe er viel Zeit mit

Shatner, den er „Bill“ nennt, verbracht. Er sei

„jedes Mal freundlich“ gewesen, „nie gemein

oder abweisend“. Sie seien „keine Freunde,

aber freundlich zueinander“. Er habe sich

dennoch dazu entschieden, die Geschichte

zu veröffentlichen, da sie „eine gute

Geschichte“ sei, die „unterhaltsam, wahr und

lustig zu erzählen ist“. (Yahoo, April 2022).

Direkt aus dem Orbit und wahr.

Unten in Schenefeld passiert ja auch so einiges,

denke ich – und hoffe, heute am Boden

geblieben, weiter auf morgen.

:)

Apr 1, 2022 - Orbit 56 [Seite 56 bis 56 ]


Die Windmühle

am Weinberg

des Herrn

Apr 3, 2022

Als ich klein

war, bastelte

ich viele

Jahre an meiner

Modelleisenbahn

im Keller

herum. Später

wurde aus der

Fläche eine

große Werkbank

mit unserem

Schraubstock

vorn an der

Ecke. Im Regal

darüber fanden

sich Gläser

randvoll mit

Nägeln, Muttern

und Schrauben.

Die hatte mein Vater aus dem Laden

genommen und zweckentfremdet. Kapern

waren drin gewesen. Ausgestattet mit einem

soliden, roten Deckel, ursprünglich zum

Verkauf für Lebensmittel auf dem Großmarkt

hergestellt, taugt ihre stabile Qualität für

eine Ewigkeit zur Lagerung. Ich verwende

sie noch heute. Handwerksgerät hing nun an

der Wand, wo mein Gemälde mit blauduftigen

Bergen den Hintergrund der Bahn

gebildet hatte. Die Lokomotiven und Wagen

verkaufte ich im Geschäft meiner Eltern. Der

Erlös verstärkte Konfirmationsgeschenke,

floss in die Summe ein, die nötig war, mein

erstes Boot zu bezahlen.

Einige Schienenstränge der Erinnerung, Bahnen

von Menschen im jeweiligen Lebenswägelchen

skizziert: Das aktuelle Bild auf der

Staffelei regt dazu an. Leben beschreibt eine

Spur durch die Zeit, ist aber typischerweise

keine Eisenbahngeschichte. Unser Dasein

kennt nur eine Richtung, bindet uns an die

Zeitschiene. Wir können nicht umdrehen,

nicht einmal zurücksetzen. Selbst wenn es

uns manchmal so vorkommt, ein neues Leben

zu beginnen, nach einem Umzug, einer

durchgestandenen Erkrankung oder wenn

die größte Liebe anklopft.

# Die gebahnte Schiene

verlassen und eigene

Wege einschlagen

Mit dem Verkauf der Anlage

endete für mich eine

Form von Kindheit. Wann

ein Kind zu sein aufhört,

man sich zum Jugendlichen

wandelt, schließlich

erwachsen ist, bestimmen

wir nur zum Teil selbst.

Einige scheinen ihre

Kindheit vergessen zu

wollen, manche verklären ihre Jugend, und

wieder andere scheinen gar nicht erwachsen

zu werden. Genau das ist ein ums andere

Mal mein Thema. Ein Hamsterrad zu treten,

bedeutet darin gefangen zu sein. Freiwillig

dieselbe Aufgabe anzugehen, die andere

nur müde belächeln, scheint ähnlich. Man

kommt nicht weg, obschon man läuft. Ein

Sturm weht, treibt das Schiff im Kreis. Die

Windmühle dreht sich, schleudert mich

täglich weiter nach vorn. Die Erinnerung an

früher gibt mir den Tritt in meine Zukunft.

Immer kindlich zu bleiben, ist das

böse Verharren in einer Angst,

deren Wurzeln Betroffene nicht

spüren. Einige Menschen gelangen

infantil bis ins Alter und zahlen

spät den üblicherweise zu entrichtenden

Preis, um in die Welt der

aktiv gestaltenden Erwachsenen zu

gelangen. Das Geld bestimmt den

Wert des Menschen scheinbar. Es

kann ein Irrgarten sein. Wege, die

Risikobereitschaft verlangen und

enge Kanäle, die kein Links oder

Rechts zulassen, bilden unsere

Wirklichkeit, die ihre eigenen

Lohngesetze kennt und entsprechend

dem gegebenen Einsatz

verzinst. Das allerspäteste Begreifen,

nicht gehandelt zu haben als

die Zeit dafür war, geschieht wohl

am Tag, an dem wir sterben.

Wedel ist Geschichte, das Haus

verkauft. Wer nur bewahren

möchte, ohne eine Veränderung zuzulassen,

wird auch das verlieren, was er verteidigen

möchte; und so ist es mir geschehen. Unfähig

zu einer progressiven Gestaltung, bin ich

definitiv gescheitert. Ich erkenne nur Intrige

und versage mir jegliche Einsicht in die

notwendige Lösung. Es zeichnete sich kein

Weg zu teilen, wie gleichermaßen das Erbe

zu bewahren ab. Die eigene Familie zu hassen,

ist zur alltäglichen und unvermeidbaren

Beschäftigung geworden. Der Keller, wo

einmal diese kleine Eisenbahn fuhr, später

gewerkelt wurde, ist nicht mehr auffindbar,

den Schraubstock habe ich nach Schenefeld

mitgenommen.

Die brutale Zertrümmerung

der Arbeitsplatte

und überhaupt alles da

unten, was Habibi mit

wuchtigen Hammerschlägen

zerlegt –

während seine schöne

Freundin leichten

Schrott die Treppe

hochschafft, die Männer

und ich schwere Teile,

unsere Waschmaschine

zum Anhänger schleppen

– unvergesslich.

# Viele sind zum

Glaube zu feige, zum

Atheismus zu dumm,

bleiben unsicher

dazwischen

Einen Strich unter

die Vergangenheit

ziehen, bedeutet

fertig zu sein mit

etwas. Das Begreifen,

ein Ziel erreicht

zu haben oder die

Unmöglichkeit einsehen, noch ankommen

zu können heißt das. Einen Lebensabschnitt

ad acta legen, kann sogar enttäuschen, auch

wenn das anvisierte Ziel gemeistert wurde.

Mit dem roten Pinsel erledigt: Ein solcher

Strich bleibt eine Linie, ist insofern Teil einer

abstrakten Zeichnung, nur die Definition,

aber nicht unsere gelebte Realität und

ändert nie, was war. Es ist nur eine intellektuelle

Übung. Manchmal hilft das, und an

schlechten Tagen nützt es weniger.

In den Achtzigerjahren hatte ich eine

unternehmungslustige Freundin. Dank ihrer

Initiative kam einiges zustande. Es blieb

eine beste Freundin, aber heute ist der Kontakt

abgerissen. Sie lebt inzwischen in den

Vereinigten Staaten und ist amerikanische

Staatsbürgererin; ein Prozess mit Hindernissen,

das schließlich zu schaffen. An dem

Tag, wo die letzten Formalitäten nach einer

andauernden Episode der bloßen Duldung

ihr Ende fanden, und zwar in Deutschland

bei einer Behörde, fuhren wir zusammen mit

der S-Bahn hier in Hamburg und sprachen

ausführlich darüber. Unvergesslich ist dieser

Tag auch für mich, weil sie so verdattert war,

nicht glücklich zu sein.

Das Loch, welches sich auftut, wenn nach

heftigen Anstrengungen keine weitere Not

dafür besteht und die bekannten Ängste und

Handlungen, die eine lange Zeit den Alltag

bestimmten, keinen Sinn mehr machen, trübt

die Freude angekommen zu sein. So war das

bei ihr. Ein weiterer Fall kommt mir in den

Sinn, mein Vater fand problematisch, frühzeitig

nicht mehr arbeiten zu müssen, weil

meine Eltern genug erwirtschaftet hatten

und meinten, es ginge nun mittels Geldanlage

und von Vermietung zu leben. Auch bei

diesem emotionalen Konstrukt war der Gedanke,

alles würde gut, nachdem geschafft

worden wäre anzukommen. Ich gehe mal

davon aus, dass meine Freundin nicht lange

überrascht blieb, sich nicht freuen zu können

mit dem endgültigen Dokument in Händen

und zufrieden in der neuen Welt lebt. Wir

haben uns seltener gesehen, die Beschreibungen

ihres Dortseins gelangen über

Verwandte zu mir, die ich gelegentlich treffe.

Mein Vater fand nur schwer ins Rentnerglück

und wurde zunächst depressiv.

Eine Behandlung

war unumgänglich. Der

Neurologe gestaltete den

Begriff Rentnerloch dafür,

in das Erich gefallen

sei; offenbar ist es ein

bekanntes Problem. Die

Therapie verfolgte das

Ziel, den Rentner aus

diesem Loch zu holen,

zurück zum alten Leben

zu finden. Mein Vater hat

daran geglaubt.

Apr 3, 2022 - Die Windmühle am Weinberg des Herrn 57 [Seite 57 bis 59 ]


Es nützt nichts, zurück zu

wollen. Das geht ja nicht.

Den eigenen Frieden mit

früher machen, ist besser,

als in die Zukunft zu rennen

und nicht zurückzusehen.

Den Schmerz wahrnehmen

hilft, wenn auf dem Gipfel

umzukehren ist und zudem nichts gefunden

wurde zum Mitnehmen, als nur die

Erinnerung, die anderen müde applaudieren

oder sogar noch spotten, sind so meine

Erfahrungen. Eine Abrechnung mit damals

macht nicht froh. Nur, dass etwas vorbei

ist, das furchtbar anstrengend gewesen

ist, erleichtert. Mir geht es am Ziel meiner

„Doktorarbeit“ (darüber habe ich bereits

geschrieben) nicht weniger seltsam, weil ich

begreifen muss, die früheren Überlegungen

verlieren an Bedeutung. Texte zu ersinnen,

hat geholfen. Eine wissenschaftliche Abhandlung

ist das aber nicht. Eine Studie über

menschliches Verhalten zu schreiben, wäre

möglich, könnte bislang so vermutlich nicht

publizierte Zusammenhänge von Körper,

Geist und Umgebung beleuchten, die mehr

sind als kreative Skizzen. Mein Interesse

daran ist gering. In unregelmäßigen Abständen

Gedanken festzuhalten, macht weiter

Spaß. Ich amüsiere mich zunehmend über

einige und habe Wege gefunden, das kreativ

auszudrücken.

Was das zu Erreichende für jemanden ist,

mag anderen nicht klar werden, die dazu

neigen, abfällig zu denken. Während nicht

wenige Menschen ihre Schadenfreude als

Selbstbefriedigung nutzen, durchblicken

lassen, über was weiß ich Bescheid zu wissen,

verfolge ich anderes. Ich kann mich für

Jazz begeistern. Als Amy Winehouse bekannt

wurde, hat sie mich fasziniert. Chet Baker

war ein wunderbarer Musiker, und wie Amy,

hat Chet sein Leben nicht entsprechend

der Regeln gelebt, die uns der Doktor rät,

warum? Es hat mir einiges gegeben, darüber

nachzudenken

und

schließlich

zu bemerken,

wie

ich nicht

leben

möchte

und darüber

hinaus

zu begreifen,

worin

meine Entscheidungsfreiheit in dieser Sache

besteht und was ich auf der anderen Seite

nicht bestimmen kann bei bester Vorsorge.

Gesundheit wie ich sie definiere, heißt

nicht in einer Schlange anzustehen und

die Befreiung von beispielsweise Corona

durch einen Test zu belegen. Ich möchte

wirklich merken, nicht nur einen Beleg für

die Berechtigung erlangen, ins Restaurant

oder arbeiten gehen zu dürfen. Ich habe

mich nicht mit eingebildeter Krankheit oder

einem schnöden Blutkrebs rumschlagen

müssen wie viele. Für meine Sorgen gab es

keine allgemeine Hilfe, die mich zufrieden

machte. Mein Problem ist auch nicht

die kriminalistische Lösung eines Rätsels

gewesen, einen Täter, der gegen mich aktiv

ist, draußen irgendwo zu finden, möglicherweise

auszuschalten. Selbst wenn das den

persönlichen Frieden bedeutete, einen Arsch

loszuwerden. Der interessiert mich wenig,

da ich Menschen

kenne, die mir

zur Seite stehen

konnten und es

nicht getan haben.

Sie genügen

als Mauer zum

Gegenanrennen.

Ich möchte mich nicht einfach als Opfer

darstellen, sondern diese Rolle mit Leben

füllen, dass es mir, ohne Gewissensbisse zu

haben, leicht fällt. Ich weiß, dass die Weiche

in die verkehrte Richtung stand, als ich

nur auf Schienen rollte wie alle Kinder, die

abhängig sind aufgrund ihres Alters. Nur

dumme Menschen glauben daran, alles wäre

allen möglich wenn man nur wolle, und die

Verantwortung läge bei uns selbst allein.

Natürlich können nur wir selbst uns wirklich

ändern. Aber wir

müssen die Mittel

dazu nicht nur

kennen, sondern

auch die Fähigkeit

erlernen, sie

anzuwenden.

# Einer Person

zu begegnen, die

alles ändert ist

möglich

Wer anderen die

Schuld erfolgreich

zuweisen kann, wird respektiert. Nicht selten

bedeutet das, einen Patt anzustreben, beiderseitig

das Gesicht zu wahren. Aufzufallen,

ruft Neid auf den Plan und wird schmutzige

Saubermänner heranzüchten. Aber gezielt

mit Dreck zu werfen, kann bedeuten, reflexive

von einem Stein getroffen zu werden.

Niemand darf lange Polizist sein, wenn es

für ihn nötig ist zu provozieren. Das ist wie

beim Feuerwehrmann, der den Brand legt,

als Retter glänzen möchte. Die Deutungshoheit

behält man, wenn es gelingt, den

Fokus zu korrigieren und vor allem den

Scheinwerfer der anderen neu zu justieren.

Mein Zorn gilt falschen Freunden,

nicht meinen Feinden (falls ich anonyme

habe). Mir gelingt, auf Freundschaften

und Anerkennung zu verzichten. Das ist

mir extrem schwer gefallen. Ich möchte

die Erkenntnis ertragen, dass Existenz

ohne Anfeindungen unmöglich ist.

Angekommen sein bedeutet für mich, in

dauerhafter Enttäuschung zu leben.

Falls dies verfehlt klingt, eine Definition

mag helfen: Das Ziel mancher scheint darin

zu bestehen, grundsätzlich keine Angst mehr

zu haben, glücklich zu sein und mehr davon.

Das ist ein nicht erreichbares und schlimm

für diejenigen, die das unangenehme Gefühl

nicht selektiv wahrnehmen. Ein diffuses

Unwohlsein, das so in Fleisch und Blut

übergegangen ist, dass Betroffene daran

gewöhnt sind und das all ihre Aktivitäten

beeinflusst, scheint nicht ungewöhnlich.

Viele halten es einfach aus und gehen

gelegentlich zu verschiedenen Ärzten mit

unterschiedlichen Befunden. Sie sind zufrieden,

wenn man ihnen sagt, was sie „haben“.

Diese Menschen müssen nicht suchen, um

Besserung zu erlangen, sie erdulden ihre

Probleme, weil ihnen nicht bekannt ist, dass

diese selbstverursacht sind und nehmen

das Übel hin. Ein Großteil der Bevölkerung

läuft so mit und scheint zufrieden zu sein, es

ginge wie’s sei.

Meine Erfahrung ist grundsätzlich anders.

Mir hilft nicht, danach zu streben, was ich

habe oder nicht, eine bunte Jacke, dickes

Auto oder attraktive Freundin. Welche

Krankheit auf der anderen Seite mein Problem

sei, wie Krebs, Corona oder Diabetes,

sondern das Verstehen wer ich bin, war und

sein könnte. Ein Mensch ist viel mehr als ein

Stuhl, über dessen Lehne jemand eine Weste

hängt. Wir sind bestenfalls eine Sammlung

von Möglichkeiten unter kreativer Leitung.

Das ist etwas ganz anderes und für einen

Künstler unbedingter Kram, sich genau zu

erforschen auf den nackten Leib hinunter

ohne Schickimicki drumherum. Der Theaterdonner

ist nur für die anderen.

Gegen undifferenzierte Schwierigkeiten

anzurennen, in der Hoffnung, den Punkt zu

finden an dem alles gut ist, verkennt die

Dynamik des Lebens, die als feststehender

Halt mit dem Tod endet. Das Näherkommen

unseres Endes beflügelt die absurde Vorstellung,

wie mit der Bahn unterwegs, möglichst

noch rechtzeitig eine Haltestelle vor dem

Zielbahnhof zu erreichen, einen bestimmten

Ort, ab dem das Glück mitfährt. Das wird mit

der statischen Idee vom Ichsein genährt, die

es erlaubt, an einen gleichermaßen fixen

Raum zu denken, eine Ewigkeit voller Zufriedenheit

und ohne jegliche Entwicklung oder

Ungewissheit mit neuen Risiken, die unsere

Leben in Wirklichkeit kennzeichnet. Der

Denkfehler findet sich in der Vereinfachung

des Ganzen, wir bewegten uns, erreichten

eine Marke wie einen Dorfplatz oder einen

Hügel, Bahnhof was weiß ich, aber uns

selbst sehen wir als ein klar definiertes und

unveränderliches Element. Ein schnelles

Auto ohne Eigenleben, fast nur ein Ding,

gekennzeichnet durch das modische ich bin

ich. So heißt es wohl.

Kein flüchtendes oder etwa gar vergängliches

Pferd steht dabei Modell, zu denken,

wir, der Mensch mit all seinen Verhaltensmustern

und Unwägbarkeiten der Zukunft,

kämen wohin zum Glück. Ein egoistischer

und materialistischer Gedanke ist hinter

dem käuflichen Glück der Optimisten, die

vor allem schnell entscheiden. So soll der

eigentlich rasende Waggon eines Zuges

uns allein gehören und eine feste Insel des

Glücks werden. Wir schauen nach draußen in

die vorbeisausende Landschaft. Das bekannte

„suche Frieden und jage ihm nach“ nährt

diese Idee noch. Damit bekommt die Sache

einen ganz netten Anstrich. Farbe für Hobbymaler,

geboren aus der Ratgeberliteratur.

Heimwerker zimmern sich eine handfeste

Esoterik mit Erfolgsgarantie: Wir rennen

hinterher, springen auf, und dann werden wir

so mitgenommen, dass umgekehrt nun das

Drumherum vorbeizufliegen scheint.

Mein Bild, für das ich lange arbeiten musste

und das mich immerhin zufrieden stellt, ist

ein wenig abweichend: Ich stehe wie nackt

neben diesem Zug der anderen und laufe

dem Frieden nicht nach.

Apr 3, 2022 - Die Windmühle am Weinberg des Herrn 58 [Seite 57 bis 59 ]


Die Illusion einer schützenden Hülle in Form

einer Waggonverkleidung kann den Aufprall

am Ende nicht verhindern. Aller Wahrscheinlichkeit

nach, bleibt diese Einbildung auch

zu schwach gegen schlussendlich tödliche

Verletzungen. Mein Gesundsein

schließt Beschwerden mit ein. Ich

möchte gar nicht vollkommen gesichert

sein. Wäre ich noch Raucher,

müsste ich mit dem Bewusstsein

leben, ungesund im Sinne der Doktoren

zu handeln. Das war früher

ganz normal. Viele wussten um die

vielfältigen Gefahren, kannten den

Krieg, und wenn nicht selbst, dann

aus den Beschreibungen in der Familie.

Sich rückzubesinnen, dass es

eine Zeit mit allgemein akzeptierten

Unsicherheiten gegeben hat, hilft.

Ein ewigliches Leben in irgendeinem Himmel,

ist von hier unten aus gesehen absurd.

Davon kann niemand ein Bild malen, das

nachzuprüfen wäre. Damit verschwenden

nur die ihre Zeit, die es auf Erden nicht gut

aushalten und ihre Bibel und Glaubenssätze

wortwörtlich nehmen. Wir könnten größer

und freiheitlich denken, ohne die Allmacht

des Ganzen über unser kleines Selbst zu

verleugnen. Niemand müsste aus einer

Glaubensgemeinschaft austreten, um wie

begriffen mit dem Fuß aufzustampfen, deutlich

zu machen wie schlimm diese Kirchen

sind, wenn klar wäre, dass man dabei nur

von einem Verein zum nächsten wechselt.

Aus Gott tritt niemand aus. Sein Bodenpersonal

wäre verfehlt, meinen einige und

kommen sich schlau vor. Wohin wollen sie

denn, wenn das Menschenvolk doch überall

dasselbe ist?

# Du kannst in dieser Kirche sein oder in

einer anderen

Das Tempo unseres Eilens mit einer Kiste

zu verkleiden, heißt auszublenden, dass die

Erde unsere Heimat ist. Der Planet selbst ist

bereits schnell im Weltall. Nicht änderbar,

mit ihm zu sausen. Warum noch zusätzlich

Gas geben und so tun, als hätten wir eine

Karosserie zum Schutz mit sämtlichen

Airbags dran, wenn sich das Ganze nur zu oft

als Pappmaché erweist? Mir liegt nichts am

vollendeten Frieden; das ist eine Illusion,

glaube ich, wie die Liebe oder unsere

Ewigkeit. Das hat es nie gegeben. Es sind

Kirchenworte und die Ratschläge von Psychologen,

hilflose Schwüre, Vergängliches

festhalten zu wollen.

Ich schlage gern gegen die Flügel meiner

Windmühle und bin’s nicht müde weiterzumachen.

:)

Apr 3, 2022 - Die Windmühle am Weinberg des Herrn 59 [Seite 57 bis 59 ]


Alle sind Putin

Apr 8, 2022

Putin gleich Politik, Polizei. Das ist alles dasselbe

überall. Der russische Präsident ist im

Großen das, was der kleine Dorfpolizist oder

die Bürgermeisterin im armseligsten Kaff

noch sein möchte. Getrieben vom Wunsch,

über andere zu bestimmen, eitel sind die

Menschen im Staat. Sie dienen nie dem Volk.

Das sagen Politiker nur.

Jetzt ist Krieg. Der Despot hat seine

Möglichkeiten genutzt, weil das politisch

brachliegende Russland ihm den Platz dafür

gelassen hat. Aber Olaf Scholz ist kein besserer

Mensch als jener, der die Bomben wirft.

Unser lieber Olaf ist im Rechtsstaat aufgewachsen

und kennt es nur so, wie es hier ist.

Der deutsche Kanzler fühlt sich wohl, weil er

die Werte verteidigen darf, die seine Eltern

erstritten haben. Eine leichte Übung, das

Geld auszugeben, das die anderen ranschleppten.

Unser moralisches Gesäusel ist

symmetrisch zur Propaganda Russlands, und

wir fallen gern darauf herein. Der einzelne

hat viel mehr Komfort und Sicherheit hier.

Der scheinbar unnötige Krieg (wo endlich

dem blöden Virus die Luft ausgegangen ist)

kommt zur Unzeit? Wir würden alle ärmer,

sagte unser Finanzminister Lindner. Das

stimmt. Mir fällt dazu ein, dass dieser Krieg

unvermeidlich

ist und

die Menschheit

bloß

auf ihre

Armseligkeit

insgesamt

runterstuft.

Wir alle

zahlen

den Preis.

Wir waren

schon vorher

ärmer,

als wir

glaubten es

zu sein.

So viel wurde nun zerstört und unglaubliches

Leid verursacht. Böse ist aber nicht der

Präsident, böse kann jeder sein. Der Mensch

versteht zu lügen, weil es eine Möglichkeit

bedeutet, Macht auszuüben. Die Kirche bläst

in das Horn der Sozialverbände, aber eigentlich

bietet der Glaube uns

die Möglichkeit, einen Weg

zwischen den Abgründen

zu finden. Wir müssten

die Welt aufräumen, denkt

mancher? Es genügt, den

Rufmördern keine Wahrheiten

zu liefern für ihr

übles Treiben. Stell dir vor,

es ist Krieg. „Und niemand

geht hin“, hieß es noch, als

ich jung war. Heute wird

wieder aufgerüstet. Es ist

müßig, die Welt besser zu

machen. Der Mensch ist

durch und durch böse und wird es immer

sein. Nur der Einzelne kann sein Glück darin

finden, auf Eitelkeit und Einflussnahme zu

verzichten.

Der Mensch drängt zur Macht, wenn ihm der

Sinn danach steht, andere zu gängeln und

nutzt die Lüge, sein Handeln zum Wohle

der Menschheit darzustellen. Wenn es keine

Regeln gäbe, hätten wir keine Gesetzesbrecher,

weil nichts zu brechen wäre. Menschenrechte

sind nur ein Wort.

Wäre jeder von uns wehrhaft

und wüsste sich selbst allein

abzugrenzen, benötigten wir

die Hüter des Gesetzes nicht.

Zunächst so eine feine Sache,

die Menschen hätten alle

verschiedene Talente, heißt es.

Die einen arbeiteten dies und

andere anderes. So erzählen

wir’s den Kindern. Es gäbe

Schwache, Alte, Frauen und

Kinder etwa, und die benötigten

unsere Hilfe, Schutz. Und

im Weiteren wären dort böse

Menschen, und deswegen

hätten wir Polizisten, so wird

es erklärt. Politik kümmere

sich um das Land und die

Bürgermeisterin ums Dorf; Zivilisation

bedeutet Spezifikation der Produkte und

maßgeschneiderte Konsumenten. Ein

Mosaik, besser als die Natur, ein perfektes

Sozialsystem.

Das schöne Bild der Wirklichkeit.

Als Künstler, Maler oder Schriftsteller

schauen wir dahinter. Kreativität bedeutet,

Erlebnisse ästhetisch zu transportieren. Eine

Textstelle fällt mir ein: „Jemand hat eine

Erfahrung gemacht, wo ist die Geschichte

dazu?“ Es ist aus einem Roman von Max

Frisch. „Mein Name sei …“. Ein Buch, das

ich als Jugendlicher las und heute besser

verstehe.

# Meine Geschichte

Ich musste den Bäcker wechseln und nun

den Fischmann – wegen dieser Hexe in

schwarz, die ich totschlagen möchte jeden

Tag.

:(

Apr 8, 2022 - Alle sind Putin 60 [Seite 60 bis 60 ]


Hassprediger haben

Zukunft

Apr 9, 2022

Der deutsche Staat ist

wieder gescheitert. Es

wird keine Impfpflicht

geben. Das gefällt

mir. Bahnknoten

Stuttgart-21, der Flughafen

in Berlin, die

Elbphilharmonie, der Tunnel unter dem Belt,

die Küstenautobahn-20 und vieles mehr

kommen erst nach Jahren zum Abschluss.

Wenn überhaupt. Die Elbvertiefung dauerte,

die Überhangmandate bleiben hartnäckig,

unsere Politik sieht sich zähen Auseinandersetzungen

gegenüber und akzeptiert

ein ums andere Mal eine neue Realität. Auf

die wendende Angela folgt der windige

Olaf. Angela ist in

Hamburg an der

Elbe geboren und

unser Kanzler kennt

den frischen Wind

der Hansestadt,

wuchs in Rahlstedt

auf. Segler wissen,

was es bedeutet

aufzukreuzen. Links,

rechts, in der Mitte

hochsticheln, ist

eine mögliche Taktik

beim Regattasegeln.

„Fahr erst hier

mit, dann bei den

anderen“, wird geraten: Man verlängerte die

Laufzeiten der Atomkraftwerke, stieg nach

Fukushima aus und möglicherweise bald

wieder ein, verlängert erneut.

Der Frieden ist nicht mehr in Gefahr, wir sind

bereits mittendrin, im, wie es bei uns heißen

muss, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Die

verzottelten Trutschen mancher wichtigen

Friedenswerkstatt, wie sich eingebildete

Menschen bezeichnen, die nicht wissen, mit

ihrer Zeit was Gescheites anzufangen, verhinderten

die neue Weltordnung nicht.

# Das ist

Krieg

Waffen kaputt

zu machen,

indem

man damit

rumballert,

um neue anfertigen

zu

können, ist

die moderne

Wirtschaftsmacht,

für

die sich der

amerikanische und der russische Präsident

erfolgreich einsetzen. Wir kaufen nun vieles

mehr als bisher in Amerika ein. Wir schippern

das Gas um die Welt. Statt die letzten

Jahre genutzt zu haben, Russland zum festen

Block zu formen, den wir in Asien an unserer

Seite gebraucht hätten, macht sich Habeck

zum Hampelmann in Sachen Wirtschaftsgas

von überall.

Der lustige Kasper im Gesundheitsamt

versteigt sich dazu, Altkanzler Schröder

zur Witzfigur abzustrafen, als den er den

Gescheiterten heute sieht und glaubt

selbst daran. Das freut den alten Joe, und

Wladimir kann endlich

mal wieder rumbomben

und allen zeigen, wie

abhängig wir von ihm

bleiben. Daran ändert

auch eine Plakattante

im Kuhdorf westlich von

Lurup und im Einflussbereich

der Pinneberger

Provinz nichts: Christiane

Küchenhof,

unsere

Bürgermeisterin, sei im Verein

Mayors for Peace Mitglied, setze

sich für die Abschaffung der

Atomkraftwerke weltweit ein, und

den Frieden sowieso, hieß es vor

nicht so langer Zeit, aber doch

deutlich vor dem Militärkonflikt

in der Ukraine. Mal davon abgesehen,

dass das eine reine Werbebotschaft

ohne Inhalt

war (was

schert es ein

Land irgendwo

auf der

Welt, was Christiane im

Schenefelder Tageblatt

behauptet?), wird auch

unsere Verwaltungschefin,

die ich zugegebenermaßen

nicht

leiden kann, sich neuen

Realitäten stellen

müssen. Das müssen

wir alle, aber manche

Menschen schaffen Ordnung an ihrem

Platz, sind Gestalter. Die anderen laufen der

Mehrheit nach.

Der Staat ist dumm, böse – und schwach,

warum? Man kann nur neurotisch werden

in der Politik. Das ist das Ergebnis unserer

zivilen Demokratie. Bald wird wieder gewählt

im Norden. Ein Loser-Müller, mit dem

einschleimenden Konterfei eines Kaufmanns

vom Milch-Kiosk um die Ecke oder die

hilflosen Bildchen vom Amtsinhaber Günther

mit Maurerhelm lappern von mancher

Laterne. Kai Vogel schreibt meinem Sohn

Werbepost, weil er Jungwähler gewinnen

will, penetrant ist diese Partei. Die Fotos der

krampfigen Monika Heinold, die probiert für

die Kamera zu lachen oder das verstörende

Abbild einer huschigen, zugespachtelten

Karin Prien bestätigen nur, wie groß der

Druck auf diese Menschen ist, öffentlich gut

auszusehen.

Das feiste und eklige, wie ich finde, freche

Grinsen eines Elon Musk können diese

Mädels nicht kopieren. Den bewundert mancher

junge Mann und sieht ein Vorbild drin.

Mark Zuckerberg betreibt die Megafirma, die

alle nutzen: Diese Geldleute sind widerlich,

unsere Politik erscheint mir verstörend

schwach. Sie machen

die ganze Zeit Werbung

in eigener Sache und

düpieren immer dort,

wo man meint, dass es

keiner sieht, den Gegner.

Das ist ein Muss

für Demokraten. Seine

unangefochtene Macht

hat der gewählte Volksvertreter

nie sicher.

Darum gibt es diese

Orbans, sie wollen

dahin, wo Putin ist.

# Was für ein dummes Pack

Die moderne Frau schafft den Trampolinhüpfer

in das Außenamt. Der Schriftsteller

ohne Bestseller wird Wirtschaftsminister

und amüsiert den Emir. Eitel sein und Phrasen

blähen, ist nicht dem Allgemeinwohl

dienlich, allenfalls eine kurzfristige Egomanie,

die alternden Frauen kaum die verlorene

Attraktivität

zurückgibt,

die das

Einzige ist,

was einen

Mann

scheinbar

an der

Weiblichkeit

interessiert.

Männer

verlassen

ihre Mädels

und

fangen mit

einer Jüngeren was an? Das ist keine neue

Erkenntnis. Da hilft auch keine Quote für

mehr talentierte Frauen in der Politik oder

die vollständige Impfung. Es gibt (noch) keinen

Jungbrunnen von Biontech zu kaufen für

alte Tanten, um Fachkenntnisse im Ressort,

geschweige denn Intelligenz im Labor zu

züchten und diese den hilflosen Schabracken

zu spritzen, wenn sie ihre Pferde in

den Modder einer Jahrhundertflut lenken.

Fett absaugen hilft dem Möchtegernmodel

für die zeitgemäße Party auf Mallorca, aber

nicht der Ursula zur Unzeit fernab vom

Ahrtal.

Ein neues Logo und Motto für Schenefeld

soll gestaltet werden? Das hätte mich

interessiert als Grafiker. Inzwischen kann ich

mich für wirklich gar nichts mehr begeistern,

das diese Welt schöner macht. Ich möchte

zerstören, verspotten und ätzen gegen

den Staat und blockiere, wo es geht, die

Gesellschaft. Ich fahre so langsam Auto, wie

es möglich und erlaubt ist. Das ärgert nicht

wenige. Ich trenne keinen Müll, gehe nicht

zur Wahl, nicht zum Arzt und meide den

Frisör, sehe aus wie ein verzotteltes Walross,

na und? Ich verspotte Frauen und Rentner,

tue alles, was man nicht macht. Ich schlage

gegebenenfalls mit der Faust zu und trete

nach. Das alles lernte ich vom Staat, der

mich provozierte und verarscht hat wie der

Westen Putin. Solche wie wir gehen unter

mit ihrem weißen Wal Moby Dick. Es hat

gedauert, bis ich anerkennen lernte, wie gut

wir es gerade in Deutschland haben, weil

unser Staat schwach ist. Das bedeutet, dass

der Einzelne erfolgreich sein kann. Und das

ist weniger der Kanzler, sondern der kleine

Dussel wie du und ich mit einem lustvollen

Rechtsanwalt an seiner

Seite. Ich hasse

also fröhlich weiter,

bis ich endlich tot

bin.

:)

Apr 9, 2022 - Hassprediger haben Zukunft! 61 [Seite 61 bis 61 ]


Gegen Demos

Apr 12, 2022

Es gibt Gegendemonstranten. Nein, nicht die

aktuellen meine ich. Grundsätzlich, Gegendemonstranten

sind immer da. Sie warten

nur darauf, dass demonstriert wird. Es kann

doch nicht sein, dass die Polizei alleingelassen

wird bei ihrer schweren Arbeit. Der

Gegendemonstrant ist so etwas wie das

Korrektiv der Aufbegehrenden. Er benötigt

die Demo, damit er aktiv werden kann, und

theoretisch kann man gegen jede Couleur

zu Felde ziehen. Man darf gegen Rechts sein.

Man wird zu Ansehen kommen, wenn man

verschworenen Querdenkern etwas entgegensetzt.

Jetzt bietet sich wieder eine gute

Gelegenheit. Es gibt Demos, die Russland

insgesamt und die militärische Spezialoperation

in der Ukraine verteidigen. Obwohl

doch bekannt ist, dass man so nicht denken

darf. Dagegen kann man doch gut sein,

denkt sich der Gegendemonstrant, vielleicht

komme ich sogar ins Fernsehen. So wechselt

der Geradeausdenker zum Russenabstrafer.

Schwierig dürfte die Sache mit der Atomkraft

werden. Wenn die deutsche Politik sich

der französischen anschließen sollte und

die Kraftwerke länger laufen lassen möchte

oder neue bauen will, gibt es Demonstrationen

der Anti-Atomkraft-Szene. Die gibt

es immer. Diese Leute wissen, was sie nicht

wollen. Die Nazis wissen, was sie wollen. Die

Russen wissen, dass Putin weiß, was gut ist.

Die Querdenker wissen mehr als Bill Gates.

Sie wissen das von Q-Anon. Und der weiß

Bescheid.

Gegendemonstranten sind anders. Sie

müssen keine eigene Überzeugung haben.

Sie sind gewohnt, schneller mit dem Strom

zu schwimmen als der Mainstream. Dessen

Richtung ist so ungewöhnlich nicht. Es ist

leicht, zu drei oder vier Themen gleichermaßen

zu stehen und dem Guten eine Flagge

zu halten. Früh liefen erste Hollywoodstars

mit einem blaugelben Wimpel auf die Bühne.

Da begreift der Follower, wo es hingeht.

Ganz einfach: Die Bösen sind Nazis, Querdenker,

Kinderschänder und Russen. Wen die

prorussischen Demonstranten noch überrascht

haben, dürfte sich über zukünftige

prohomophobe Aufmärsche nicht wundern.

Das wären Gegendemos der anderen Art und

könnten bald zum festen Bestandteil unserer

Meinungsvielfalt gehören. „Für“ einen hinterhältig

vom Zaun gebrochenen Krieg zu laufen,

schockiert eine einfache Mehrheit, die

auf bekannte Themen trainiert ist. Das darf

man nicht. Bislang strömte die Masse breit,

das könnte sich ändern. Gezeitenwechsel

dürfte einige überfordern: Da wird sich mancher

in Deutschland überwinden müssen,

gegen die zu sein, die gegen die Atomkraft

sind. Das braucht dann ein wenig Zeit.

:)

Apr 12, 2022 - Gegen Demos 62 [Seite 62 bis 62 ]


Wir spielen

Apr 13, 2022

Wir spielen

gegeneinander,

diese Frau

und ich. Das

geht schon jahrelang. Sie verkackt es immer.

Sie macht das Spielzeug kaputt. Man kennt

diese Leute, die nicht verlieren können.

Das sind welche, die, wenn die Partie einen

schlechten Verlauf nimmt, das Spielbrett

umkippen und die Figuren durch den Raum

werfen. Es sind Spielerinnen, die ihre Spielkarten

wegschmeißen, knicken, beißen oder

durchreißen, wenn sie verlieren. Diese Frau

macht Mädchen kaputt. Damit spielen wir

nämlich, keine schöne Sache, ich gebe es zu.

Und diese Frau trampelt jede Marke um; ein

ums andere Mal zerstört sie das Frollein. Die

sind hin- und hergerissen und schließlich

emotional zerschlissen, wenn unser Spiel

abgebrochen wird.

Ich glaube, die Alte spielt gar nicht. Für sie

ist es ein Krieg der Eitelkeiten, eine militärische

Spezialaktion in Westschenefeld. Ein

paar Unterstützer auf beiden Seiten sind

erkennbar. Der springende Punkt und die

unterschiedlichen Achillesfersen der Kontrahenten,

also meine Schwäche und die von

meiner Widersacherin, verhinderten bislang

einen eindeutigen Sieg. Das hieße ein gerettetes

Mädchen am Schluss, eine Verliererin

oder siegreiche Jägerin; beziehungsweise

mein Ende als Mensch hier im Ort. Der Böse

bin nämlich ich oder soll es werden.

Das Problem: Mir liegt was an den Mädels,

und so kann ich nicht gewinnen. Sie möchte

mich fertig machen, und das Mädchen ist

nur Mittel zum

Zweck. Sie ist

eifersüchtig auf

die Schönheit der

Jugend. Ihr Problem

ist das eigene

Image. Meins ist

bereits ruiniert.

Deswegen gehen

immer die Mädels

kaputt. Mir ist manches

egal. Diese

Frau muss ihre

Fassade wahren.

In der Konsequenz

können wir nicht

gewinnen. Wenn

die neue Lütte jeweils kollabiert, hören wir

auf. Dann kann sie mir die Schuld geben,

und ich sage, sie war es. Für mehr hat es nie

gereicht als nur Gerede zu meinem Nachteil:

Ich bin kein Täter oder so.

Ich habe (…) verkloppt, ja.

Manche haben es mitbekommen. Das ist der

Freund von dieser Frau. Inszenierte Scheiße

ist der Stil dieser Leute. Das Arrangement

bestimmen ihre Soldaten. Sie ist naiv genug,

die Schirmherrin einer Rufmordkampagne

zu geben. Ich werde platziert

wie ein Spielball auf dem

Feld, den alle treten möchten.

Gut, dass wir einen Rechtsstaat

haben. Das hilft mir. Die

Wahrheit gewinnt jeweils zum

Schluss. Ich habe Ausdauer

und wenig zu verlieren, mich

treibt ein Ideal, nicht zuletzt

die Kunst zu malen, schreiben.

Das kann sie nicht.

# Galionsfigur

Ihr Amt wollte niemand haben, nur ein Spinner

ist mal angetreten, es zu übernehmen.

Der war so doof, dass er nach Hamburg verzogen

ist, anschließend seiner Niederlage.

Diese Frau ist toll! Und schön (gewesen). Sie

ist die Gehetzte auf dem Gipfel einer öffentlichen

Spitze. Der Turm von Schenefeld. Aber

der wird ja irgendwann abgerissen. Wenn

der neue Stadtkern kommt, wenn.

Ich bin schon lange verheiratet übrigens

und bringe meiner Frau den Kaffee ans

Bett. Wir können Blöde nicht leiden, haben

besseres zu tun, als anderen das Leben zu

versauen. Warum ich überhaupt mitmache?

Mir gefällt, rechtzeitig aufzuhören und mich

an dummen Gesichtern zu weiden. Einige

laufen heute rum wie Falschgeld, wenn ich

auftauche. Das dürften mehr werden. Ein

scheinbar Bescheuerter, der nach Belieben

vernünftig reagiert, vergnügt ist und scherzt,

übersteigt ihre Fantasie. Mein kreativer Einsatz

ist ein persönliches Motiv. Wiedergutmachung

für einen, der nichts mehr sagen

kann, weil er von (solchen) Gutmenschen

erledigt wurde vor vielen Jahren. Dafür gebe

ich mein Leben!

:)

Apr 13, 2022 - Wir spielen 63 [Seite 63 bis 63 ]


Was hast du schon

davon?

Apr 16, 2022

Im Keller war ein

Buch mit jüdischen

Witzen. Das müsste

von meinem Opa

gewesen sein. Bei der

Entrümpelung kam es

vermutlich mit anderen

Sachen in den Müll und ist inzwischen

verloren gegangen. Ich erinnere dies: Ein

Sohn klagt seinem Vater, nur mit Fräulein S.

könne er glücklich werden. Der aber antwortet:

„Glück, was hast du schon davon?“ Vielleicht

irre ich mich, und es war keine Zote

aus Großvaters Sammlung. Gut möglich, dass

dieser Witz in einem Buch von Watzlawick

zitiert wird und ich die Geschichte daher

kenne. Manches erinnert man ungefähr.

Genauso eine Anekdote von einem Lehrer,

der Schülern zu Aufgabe macht, Texte auf

das Wesentliche zusammenzukürzen. Da

kann es sein, dass ich das bei Böll gelesen

habe oder wiederum mein Opa es selbst

erlebte. Dann wäre es eine wahre Geschichte

und steht nicht irgendwo im Roman. Der

Lehrer gab ihnen Hitler-Reden, die mussten

sie straffen, um das Kürzen von Texten zu

lernen. Wenig blieb nach, wenn der Gröfaz

schrie. Inhaltlich dürr ist möglicherweise

auch „Mein Kampf“; deswegen fand ich

unten gleich zwei Exemplare? Meine Eltern

hatten ausgemusterte Bücher in verschiedenen

Regalen untergebracht. Neben den

beiden Hitlerbüchern stand die dicke Bibel

von Oma Lina (in altdeutscher Schrift). Die

wirkte womöglich ausgleichend auf den

Nazischeiß. Alles wurde weggeworfen. Unser

Haus ist verkauft. Keine Ahnung, wie diese

Räume heute genutzt werden.

Der Witz macht Sinn. Nicht, weil hier

angedeutet würde, den Juden ginge es ums

Geld. Es geht auch nichtjüdischen Eltern

darum, Einfluss auszuüben, wenn die Kinder

erwachsen werden. Wir dürften selbstkritisch

bemerken, dass die Wahl, jemanden zu lieben,

nur scheinbar eine freie Entscheidung

ist. Dazu kommt, dass erst etwas daraus wird,

wenn beide einander lieben und das Ganze

kein Luftschloss ist; die nicht erwiderte

Anbetung. Manche haben es leicht. Einige

Menschen werden stärker begehrt als andere

und können wählen. Viele wählen nicht.

Sie nehmen, was übrig bleibt und reden die

Verbindung schön. Nicht wenige Menschen

bleiben schon deswegen zusammen, weil

ihnen klar ist, nach einer Trennung allein

bleiben zu müssen. Sie haben keinerlei Vertrauen

in ihre Ausstrahlung, glauben nicht

daran, sich neu verlieben zu können oder

noch einmal ein Gegenüber zu treffen, das

sie attraktiv findet und umgekehrt die glückliche

gemeinsame Zukunft bedeuten könnte.

Diese Menschen haben wenig Auswahl, ihr

Glück zu gestalten und stehen sich womöglich

selbst im Weg, ohne davon zu wissen.

Anderen die Attraktivität zu neiden oder der

Gedanke, jetzt sei es zu

spät für einen Neuanfang,

könnte verbreitetes

Grübeln sein.

Das Verlieben beginnt

zur Schulzeit. Im Alter

der Pubertät denkt man

weniger in Ewigkeiten.

Wenn sich Dreißigjährige

verlieben, schon. Eine

Ewigkeit heißt die Dauer

des Zusammenseins mit

Hochzeit, Kind und Haus

zu füllen und zu wissen,

dass es Großeltern geben

wird, schließlich deren

Ableben geschieht und

wir selbst alte Leute werden.

Glücklich zusammen

bis zum Tod irgendwann.

Und die ganze Zeit passieren diese Dinge

wie Familie, Karriere, das Zusammenhalten

in guten und schlechten Zeiten. Das ist ein

typischer Wunsch des zivilisierten Zeitgenossen

und seiner Liebsten, die symmetrisch

empfinden möge.

Die Menschen lassen sich nicht beirren,

an diesem Traum festzuhalten, obwohl

derartige Dinge nur selten wahr werden.

Viele gehen die Hochzeit im mittleren Alter

beherzt mit einer großen Feier an. Recht

junge Leute heiraten nicht so oft. Wir probieren

das Leben erst einmal aus. Eine gute

Sache, ganz bestimmt ein gesellschaftlicher

Fortschritt. Grundsätzliche Probleme sind

aber geblieben. Ich meine die Fehleinschätzung,

worauf wir uns einlassen – nicht nur

die Schwierigkeit, eine kleine Ewigkeit wie

im Märchen hinzubekommen – sondern den

falschen Partner zu lieben. Nach einiger Zeit

werden ziemliche Macken deutlich, die so

nicht absehbar gewesen sind. Das wurmt

auch diejenigen, die oft genug verschmäht

wurden, wenn diese Mädels, die sie damals

abgewiesen haben, einen Idioten heiraten.

Sieht man doch gleich. Liebe macht blind, na

klar. Aber warum wurde ich nicht gesehen

als der entwicklungsfähige, kreative

Supermann, der ich heute bin? Ich schließe

mich da mit ein: Klageruf eines verschmähten

Künstlers. Das meine ich

so ernst nicht und habe eine

Antwort darauf. Es hat lang

gedauert einzusehen, dass ich

mich selbst, wäre ich eines

dieser Mädchen gewesen, auch

nicht genommen bzw. geliebt

hätte. Selbstreflexion bleibt ein

Lernfeld.

Es ist ganz einfach. Nur wer

sich selbst mag, strahlt auch

Attraktivität aus. Ich habe mich

tagtäglich fertig gemacht. Das

merken alle, nur man selbst

spürt es gar nicht. Daran sind

eindeutig die Eltern schuld.

Unreife und dabei leistungsorientierte

Menschen zerstören unwissentlich

ihre Kinder. Dafür, dass Eltern so dämlich

sind, können sie nichts. Ihre eigenen Eltern

oder der Zweite Weltkrieg sind der Grund.

Schuld ist eine Ahnenkette. Sich mit der

Lösung, den anderen alles in die Schuhe zu

schieben, herumzuschlagen ist gut; aber das

korrekte Ergebnis, dass es so ist, hilft wenig.

Das wird einem nicht gedankt. Ein aktuelles

Beispiel? Gerade musste „dieser Zahnarzt“

ins Gefängnis. In einer beispiellosen Attacke

hatte er die Ex und weitere Menschen getötet.

Die wären schuld an seinen Problemen,

argumentierte der Mann im Prozess. Der

Zahnarzt aus Schleswig-Holstein stellte es

jedenfalls so dar. Er war unzufrieden mit der

Ehe gewesen und fremdgegangen. Die Ehefrau

hatte es gemerkt und ihn verlassen. Da

kam es zum Gewaltexzess, denn nun war der

Gehörnte der Auffassung, einer Kränkung die

entsprechende Bestrafung folgen lassen zu

müssen. Schuld am neuen Problem wäre der

neue Lover. So ähnlich erinnere ich einen

Bericht. Ich habe das nur überflogen. Brutal

und bescheuert (der Eindruck bleibt) war

diese isolierte Borniertheit. Er geht fremd,

die Frau verlässt ihn deswegen. Und damit

ist sie selbst schuld, getötet zu werden; das

wird niemand verstehen.

Warum ging der Mann fremd? Ganz offensichtlich

wurde er nicht genügend geliebt

oder nicht auf die Weise, die er erwartet

hatte. Bis zu diesem Moment ist die Sache

noch einigermaßen normal. In vielen Ehen

gehen Partner irgendwann fremd. Natürlich

hat ein psychiatrischer Gutachter feststellen

müssen, inwieweit der Mann schuldfähig

wäre. Dabei kam meines Wissens heraus,

dass die Tat als überlegt eingestuft wurde.

Er war mit Waffen ausgerüstet losgefahren.

Seine Behauptung eines spontanen

Geschehens vor Ort konnte der Täter nicht

glaubwürdig darstellen, und insgesamt ging

das Gericht von einer Wahnsinnstat aus,

aber nicht von einem Kranken, der im Wahn

agierte. Demzufolge verpasste man dem

Doktor Lebenslänglich.

Das ist unter den Umständen die unumgängliche

Antwort eines Staates, dessen

Verantwortung bei einer so eindeutigen

Gewalttat darin liegt, die Gesetze anzuwenden.

Besser schafft es keine Gesellschaft der

Welt, als mit Gefängnis oder sogar dem Tod

zu strafen, wenn einzelne die Regeln massiv

verletzen. Schon mit den zehn Geboten

lernen wir bis heute die Grundregeln sozialer

Gemeinschaft kennen. Ob nun Gott das

schrieb oder Moses selbst die Zeilen eigenhändig

in den Stein hämmerte, was macht

das schon? Es ist Ostern; genauso Jesus. Ob

der Allmächtige tatsächlich den Tod überwand

oder Helfer ihn

rechtzeitig abgeborgen

haben vom Kreuz,

ist für einen stabilen

Glauben vollkommen

unwichtig.

Aber es gibt Menschen,

die glauben

nicht oder können

dem Gesetz nicht folgen,

das alle kennen.

Zehn einfache Fakten

bis heute, nicht töten,

ehebrechen, klauen;

allein drei Gesetze

fallen jedem sofort

ein, und die machen

Apr 16, 2022 - Was hast du schon davon? 64 [Seite 64 bis 65 ]


wohl überall Sinn. Diese Idee, ob jemand

krank wäre und deswegen eine Regel bricht,

ist modern. Da schwingt gleich das Problem

mit, warum überhaupt jemand Mist baut?

Die Antwort ist scheinbar einfach. Wir

fragen uns, ob eine Tat nützlich sein könnte,

wenn sie nicht aufgeklärt würde, der Täter

also zum eigenen Vorteil handelte? Die

Gesellschaft nimmt eine Krankheit an, wenn

das nicht der Fall ist, und so entstehen die

Grenzfälle, wo ein Gutachter die Entscheidung

erleichtert. Eine wirkliche Antwort

ist es nicht, egal wie das Urteil ausfällt. Bei

häufig vorbestraften Gelegenheitstätern

scheint es so, dass diese ihr Leben nicht im

Griff haben. Da darf man schon fragen, worin

denn der Vorteil besteht, wenn diese Menschen

so weitermachen und immer wieder

in kleineren Delikten schuldig gesprochen

werden, ob das nicht doch eine krankhafte

Störung ihres normalen Funktionierens in

einer gesunden Gesellschaft ist? Handelt es

sich um kapitale Räuber, die buchstäblich

auch bereit sind, über Leichen zu gehen, findet

man es leichter, von Schuld zu sprechen.

Ganz offensichtlich gibt es Kriminelle, die

ihr Leben bewusst auf diese Weise gestalten

können. Der Vorteil besteht für sie darin, die

Regeln zu brechen und die Tat geschickt zu

verbergen. Die Grenze zum erfolgreichen

Geschäftsmann verwischt schon. Damit wird

deutlich, wie schwierig ein Leben sein dürfte,

das vollkommen redlich ist. Ein Mensch, der

überhaupt keine Regel bricht und dennoch

eine individuelle Persönlichkeit ist, dürfte

recht selten sein.

Unser Augenmerk müsste also

darauf liegen, warum Menschen

bescheuert werden und gegen

sich selbst handeln. Da könnten

wir leicht bemerken, dass der

Rahmen unserer Regeln viele

fertig macht, die unreif sind.

Kindern gewähren wir das

Recht auf Unselbständigkeit.

Das Problem ist bei denen, die

quasi nicht erwachsen werden,

obschon man keine Krankheit

erkennt. Das sind viele. Einige

von diesen Menschen erkranken

später tatsächlich. Ihre unrealistische

Einschätzung vom Drumherum bringt sie

dazu, zu viel zu essen, zu viel zu leisten oder

auf eine verstörende Weise psychisch zu

kollabieren. Man muss nicht alles aufzählen.

Aus dieser Not, das moderne Problem in den

Griff zu bekommen, wurde die psychosomatische

Sparte der Medizin definiert. Würden

wir den Anteil der Attraktiven in der Pubertät

erhöhen, bräuchten wir weniger Medizin

und könnten unsere Gefängnisse kleiner

halten. Wir probieren weiter, höhere Leistung

und bessere Schulnoten bei mehr Kindern

zu erzielen. Das ist der falsche Weg, solange

dabei übersehen wird, wie viele Menschen

naturgemäß nicht mithalten können und

es immer Bessere geben wird. Attraktivität

zu erhöhen, bedeutet nicht, die Leistung zu

verbessern, sondern Menschen zu helfen,

sich selbst anzunehmen. Einige werden immer

höher springen, schneller laufen, besser

rechnen oder geistreicher denken.

Bei uns in Deutschland und anderen Zivilgesellschaften

voller Wohlstand, im Vergleich

zu den armen Ländern des Planeten, ist das

Problem nicht, allen Zugang zu angemessener

Ausbildung zu gewähren wie es immer

heißt, sondern Menschen heranzubilden, die

überhaupt lernen können. Eine emotional

gefestigte Basis ist die Voraussetzung einer

guten Entwicklung. Wir haben zu viele Erwachsene,

die glauben, dass alles, was ihnen

zur Verfügung steht, aufgrund ihrer persönlichen

Leistung in ihrem Einflussbereich

liegt. Viele leben in der irrigen Annahme, sie

hätten die Karriere selbst allein geschafft.

Das stimmt schon deswegen nicht, weil sie

zu einer bestimmten Zeit an einem individuellen

Ort zur Welt gekommen sind. Die

zahlenmäßig eher kleinere Gruppe von Menschen,

die erst nach einer Flucht aus dem

Heimatland sesshaft wurden, kann schon

eher für sich in Anspruch nehmen, Dinge für

sich getan zu haben als welche, die in einer

guten Umgebung gestartet sind.

Man muss es nicht detailreich beschreiben,

um diesem Gedanken eine Basis zu

verleihen, dass wir immer Abhängige sind

und bleiben werden. Wir können nur lernen,

die Beziehungen zu wechseln, zu anderen,

die besser zu uns passen. Wir tun nichts

allein, sondern stets aus dem Umfeld heraus,

in dem wir uns befinden und getragen von

unserer eigenen Geschichte, die uns dorthin

führte, wo wir heute agieren. Da verwundert

es, dass viele aus einer gerade mal stabilen

Höhe auf andere Menschen hinabsehen, sie

wären eben ganz allein schuld am eigenen

Problem und sich das auch noch zu Nutze

machen, diese zu gängeln. Niemand tut

sich einen Gefallen damit. Der Ärger kommt

dann, wenn sich die Dinge anders entwickeln

als gedacht und der vermeintliche

Idiot sich wandelt

wie das Chamäleon,

fälschlich

als farblos oder

feige übersehen,

schließlich doch

obenauf brilliert

oder geschickt

unsichtbar wird

in der Natur und

uns verarscht.

Genauso der

hässliche Frosch,

der als verzauberter

Königssohn

aus sich zu uns

herausspringt. Daran sollte man immer

denken, wenn es leicht scheint, eine lästige

Kröte zu beseitigen, einen unnötigen Krieg

zu beginnen. Chancen werden zerstört, von

denen alle profitieren könnten. Ich gebe

es zu, diese Kröte gewesen sein zu wollen

und sehe auf den Staat als eine böse Macht,

Mitglieder der Gesellschaft abzustempeln,

statt diesen zu einer guten Entwicklung zu

verhelfen.

Soziale Institutionen und Ordnungskräfte

nutzen die intellektuellen Schubladen, die

der Mensch sich als Struktur geschaffen

hat, ohne aus diesen Kisten eine Treppe

mit Geländer zu zimmern. So werden nicht

wenige zu Gefangenen. Das sind die Denkweisen

einer Gesellschaft insgesamt. Wer

sich diese zu eigen macht, muss erst lernen,

Mauern zu überwinden, die für andere mit

langen Beinen der Weg nach oben sind. Für

unsereinen bedeuten sie nicht abgesenkte

Kantsteine, die unseren Rollstuhl stoppen.

Die Beine wurden uns früh so nebenbei

abgeschlagen. Ohne Gehhilfe im Gehirn

kommt der Mensch, dem es schwer fällt, sich

im Wohlstand zurechtzufinden, nicht weit.

Das jemanden erklären wollen, scheint ein

Ding der Unmöglichkeit. „Was hast du denn?

Dir geht es doch gut“, wird unser Gegenüber

sagen. Menschen sind Blinde. Sie sehen

Beine voller Muskeln wie ihre eigenen,

wo tatsächlich nur eine Hose mit Fantasie

gefüllt wurde, damit zu gehen. Zeigen wir

anderen, dass es nur ein Trick ist, verstehen

welche, die einfach so herumspazieren, es

nie. Einem Marsmenschen zu erklären, wie

wir atmen und warum es nötig sei, dürfte

ähnlich sein.

Darum bleiben (wir) Künstler immer allein,

selbst in der Gesellschaft der anderen. Läuft

es nicht so gut mit dem Erklären unserer

Darstellungen, stoßen wir dermaßen an die

Grenzen der Masse, dass wir von ihnen eine

Zelle bekommen, deren Mauern unüberwindbar

sind. „Red Bull verleiht Flügel“, ruft

der Knacki im Film und startet in die Freiheit?

Nähme ich die Flügel der Morgenröte

und baute mir eine Wohnung am äußersten

Meer! Einsam ist der freie Mensch, weil die

anderen so borniert sind und sich den Käfig

suchen und verstärken, wenn sie bereits

darin sind, viele überreden mitzumachen

und alles mit Brettern vernageln. So kommt

es mir vor.

# Meine kleine Welt

Um im Bild zu bleiben: Für einen (erwachsenen)

Künstler ist es nötig, einen Käfig

dabeizuhaben, den die anderen nicht sehen

können. „Wenn die anderen zuschauen, kann

ich es nicht“, mag ein Kind sagen, das gerade

ein Kunststück erlernt. Auf die Einleitung

zum „West End Blues“ angesprochen, sagt

Trompeter Norbert: „Im Keller zuhause geht

es.“ Ich erinnere mich an frühere Zustände,

die leider bis heute Teil meiner Gegenwart

sind und mit dem Wort Störung nur unzureichend

beschrieben sind; es ist, wenn mich

Dinge ärgern. Gegenstände scheinen ein

Eigenleben zu entwickeln an manchen Tagen

oder stundenweise. „Das war nicht ich!“,

sage ich dann wie ein Kind, und manchmal

schreie ich das vor Wut. Die Kunst besteht

darin, diese Zeiten irriger Realitätsumkehr zu

akzeptieren, ihre Dauer aber zu beherrschen

und normales Verhalten darauf folgen zu

lassen und entspannt zu schaffen.

:)

Apr 16, 2022 - Was hast du schon davon? 65 [Seite 64 bis 65 ]


Erledigt sich von selbst

Apr 19, 2022

Drei Frauen kenne ich,

die massiv Stalking

erleben oder damit

konfrontiert waren.

Jeder weiß, was das

bedeutet, aber nur,

wer es selbst erlebt,

begreift, was es mit uns

macht. Niemand möchte bedrängt werden.

Weniger bekannt ist die andere Seite. Nicht

nur die Opfer sind welche und leiden. Die

scheinbar potentiell als Täter geeigneten

Männer bedeuten für die Polizei ein formbares

Material. Die Kommissarin provoziert

ihre Beute. Gefährder werden geschaffen, wo

vermeintlich Spinner erkannt wurden, denen

man aufzeigt, wie lächerlich sie wären.

Das schafft ein Gewaltpotential, welches

man zu lenken versteht, bis es knallt – und

die Retter gerade noch rechtzeitig auftauchen

wie im Film. So auch im Bereich der

Sexualdelikte. Frustrierte Beamte sind sich

nicht zu schade, einen Mob anzuheuern, der

sich außerhalb der juristischen Fesseln einer

Behörde frei entfalten kann. Es ist wie beim

Angeln oder auf der hohen See mit dem

Fabrikschiff: Man fischt Rotbarsch mit dem

tiefen Netz, wo dieser schwimmt, fängt die

Forelle mit einer Fliege am Gebirgsbach.

Genauso macht es der Staat, rekrutiert naive

Mädels als Lockvogel in einem miesen Spiel.

Mich hat eine bis dato mit

mir befreundete Frau, die

(ich sage mal) ein gehobenes

Amt bekleidet, angezeigt

und sich ihre gesellschaftliche

Position zu Nutze

gemacht. Sie probierte dabei,

es mit der Wahrheit nicht so

genau zu nehmen. Das sollte wohl helfen,

um eine aussagestarke Botschaft formulieren

zu können für einen Denkzettel: „Schau

her, was ich kann“, (von hier oben).

Wie Alice Schwarzer mischte sich meine vermeintliche

Freundin ein, die sich zur Rettung

der jungen Weiblichkeit nicht entblödete,

gewichtig Position zu beziehen. Das blieb

vor einigen Jahren vergleichsweise erfolglos.

Die Provokationen der Gescheiterten dauern

trotzdem an. Meine Kunst reflektiert ihre

Versuche, mich zu diskreditieren. Die Polizei

gab der Staatsanwaltschaft mit auf den

Weg, die Anklage nicht zu erheben. Diese

habe keine Aussicht auf Erfolg. Die kreative,

künstlerische Freiheit ist in Deutschland ein

hohes Gut.

# Das böse Gemälde

Das Bild mit dem Titel „Malen hilft“ provoziert

jede Frau, ein primitiver Angriff auf die

Weiblichkeit, und ich habe es online gestellt.

Eine Blase sollte platzen. Das prompt eintrudelnde

Schreiben der Behörde verfolgte

indes nicht das Ziel, der Gewaltpornografie

einen Riegel vorzuschieben. Das wäre

auch weniger als ein Riegelchen gewesen,

angesichts dessen, was es im Netz zu sehen

gibt. Es ging gegen mich und nicht etwa für

die gute Sache. Zwei Punkte gaben den Ausschlag.

Wer so malt, kann nicht im Rathaus

ausstellen. Wer eine Person bloßstellt, die

kein glaubwürdiges Motiv haben könnte an

seiner Seite gewesen zu sein, wirft unbequeme

Fragen auf.

Mir hatte es gefallen,

mit einer Studentin

Zeit zu verbringen.

Es schickt sich nicht:

„Die ist doch viel zu

jung für dich.“ Fachleute

erklärten ihr

das, meinten mich zu

hörnen. „Ich wäre ja

auch verheiratet“, erkannte

die Scheinheilige

plötzlich. Man hatte ihr nach Jahren, in

denen das Wort Liebe nicht fiel, geraten, auf

Abstand zu gehen. Sie wolle „ganz weit weg“,

sagte sie mir. Das musste

als Abschied herhalten. So

weit reicht kein Internet,

hieß das wohl. Eine Spionin

empfiehlt sich auf französisch.

Und das Dorf albert

im Chor. Da habe ich’s

aufgegeben, nachzufragen.

Ich habe nicht gemailt,

sondern gemalt. Nach einer

Handvoll nicht beantworteter

Email begriff ich. Ich

schreibe nicht fünfzig am

Tag wie diese Idioten.

Ich habe die Akte ausgedruckt: Beschämend

zu lesen, was Menschen, die mir nahestanden,

zu Papier gegeben haben. Das Ganze ist

so was von nach hinten losgegangen und

hat Leid verursacht bei vielen. Rufmord, um

gesellschaftliches Versagen zu kaschieren,

scheitert bei uns. Wir leben nicht in Russland,

und ich bin nicht Nawalny. Schenefeld

ist die Pinneberger Provinz. Unser Überwachungsstaat

ist desinformiert und kann dem

großen Bruder das Wasser nicht reichen.

Die Kunst ist noch am Leben und bezieht

Stellung.

# Stalking, wie bitte?

Wenn der böse Mann es nur sein soll und

nicht angeklagt werden kann, weil das

Ganze harmlos blieb, ist es nicht Stalking.

Ein blödes Bild ist nur eine

Bagatelle. Es bedeutet für

die Hetzer, eine Kampagne

als konstruierten Rohrkrepierer

zu erleben. Das heißt,

einen Bärendienst an der

guten Sache zu inszenieren.

Es gibt viele Verlierer in

diesem Spiel. Das macht

mich jeden Tag kreativ! Was

ist ein Dorf? Ich kann das

beantworten. Eine Erfahrung

und ein Schatz, damit

zu arbeiten – jeden Tag.

Stalking bewirkt, dass die

Frauen krank werden. Beispiele?

Meine liebe Freundin,

die ich normalerweise

als stark und selbstständig

erlebe, ist an einen Mann

geraten, der heute im Gefängnis

sitzt. Nicht einfach.

Ein besonders schwerer Fall.

Nach Ende der Haft Sicherungsverwahrung.

Ich kenne

etliche, intime Details eines

deutschlandweit bekannten

Dramas. Eine zweite liebe

Bekannte, die mir von ihrem

Problem erzählte, hat sich

eine längere Auszeit in einer

psychosomatischen Einrichtung genommen.

Sie hat ihr Lachen verloren, so viel kann ich

als guter Beobachter sagen. Das tut weh.

Dieser Mann ist womöglich weiter aktiv, und

man wird um einige Konstruktionen, sie zu

schützen, von Seiten der Behörden nicht

drumherumkommen. Die dritte Frau, von der

ich weiß, steht erst am Anfang ihrer Probleme.

Sie hat in einem ersten Schritt einen

Rechtsanwalt eingeschaltet. Er bewertet die

täglich eintreffenden Mails, um Möglichkeiten

aufzuzeigen, mit der Polizei zusammen

einen Personenschutz aufzubauen, indem

er die juristische Qualität deutlich macht,

die diese Attacken haben. Sie hat dem Mann

gesagt, dass sie

diesen Schritt

gegangen ist,

und er bitte aufhören

möge zu

mailen. Die Frau

hat einen extra

Ordner angelegt

und probiert,

nicht zu lesen,

was kommt. Der

Mann schreibt

viel. Immer an

dieselbe Mailadresse,

und sie antwortet ihm nicht. Er hört

nicht auf damit, sie zu bedrängen.

Ich attackiere niemanden. Ich betreibe eine

Webseite und schreibe einen Blog, der nicht

kommentiert wird. Ich laufe zum Einkaufen

durch dieses Dorf und rede mit Hinz und

Kunz. Ich schreibe keine Mails, außer an

Piet, wenn es ums Segeln geht oder an Lisa,

wenn ich ein Lektorat benötige. Das sind

drei Mails in einer Woche.

Offen gesagt:

„Ich mochte Alexandra mehr als dich, Christiane.

Es hilft dir nicht und anderen, was ihr

organisiert.“

Früher wählte ich die demokratischen

Parteien. Heute sympathisiere ich mit den

Querulanten

und schreibe,

was immer die

Meinungsfreiheit

hergibt. Ich

kann auch ohne

Öffentlichkeit

im Netz arbeiten

und dem Staat

Grenzen zeigen.

Das ist mein Job.

Ich kenne mich

aus, will ich

hier sagen und

wünsche denen,

die mich in diese

Ecke stellten „so

ein Mann zu sein“

noch viel Glück

bezüglich ihres

eigenen Nervenkostüms.

Sie werden es

brauchen.

:)

Apr 19, 2022 - Erledigt sich von selbst 66 [Seite 66 bis 66 ]


Wir lehren, wollen den Wahnsinn?

Apr 23, 2022

Drei tote Frauen, eine im Rollstuhl. Eine

Nachricht zum Amoklauf in Würzburg,

der Prozessauftakt gegen einen Somalier

gestern im Fernsehen. Dazu fällt mir Ungewöhnliches

ein. Mein Thema ist (wie immer)

unser Wortsalat, das vermeintlich Richtige

zu denken und die harte Realität auf der

anderen Seite. Ein Messer kann eine Waffe

sein, aber ein Wort kann dazu führen, es als

solche zu verwenden. Vor dem gesprochenen

Wort befindet sich noch der gewalttätige

Gedanke. Manche möchten bereits hier

ansetzen, das Übel im Hirn verbieten, bevor

es überhaupt gedacht würde?

Mit einigen Umwegen finde ich mir die

Worte für diesen Text zusammen; zunächst

Beispiele: Ein „weißer Schimmel“ gilt als

Stilblüte. Das Pferd ist bereits als weiß

erklärt, wenn es ein Schimmel ist. Ein Rappe

ist schwarz, so etwas lernen wir als Kind. Der

Lehrer wird dergleichen doppelte Formulierungen

dem Schüler ankreiden. Das ist eine

Logikschule und entsprechend sinnvoll, jungen

Menschen Sprachunsinn auszutreiben.

Ausdrucksfehler sind eine eigene Kategorie

im Unterricht: „Er schüttelte sie so lange, bis

etwas Silbernes im Grase glänzte“, fabulierte

seinerzeit ein Mitschüler. Falsch, meinte unser

Deutschlehrer, so schreibt man nicht. Wir

lernten, dass man Menschen schütteln kann,

bis ihnen schlecht wird, aber nicht, bis etwas

Silbernes im Gras glänzt. Bis zu diesem

Moment fanden wir die Story ganz gelungen

erzählt. Ein kriminalistisches Detail war, dass

ein Metallgegenstand zu Tage kam, und das

passierte in dieser Rangelei. Was sollte an

diesem Satz nicht richtig sein?

Vor kurzem schaute ich eine Nachrichtensendung.

Der Sprecher betonte, dass jemand

wissentlich gelogen habe. Zweimal fiel

dieser Satz, jedes Mal schaute ich in das

naseweise Gesicht dieses Redners, der die

Lüge als solche noch steigern wollte? Andere

Beispiele kommen mir dazu in den Sinn.

Den Holocaust zu leugnen, ist bei uns nicht

erwünscht. Das wäre wohl eine wissentliche

Lüge. Alle wissen, wie schlimm es war, selbst

die, die damals nicht gelebt haben. Es wird

uns ja immer gesagt und mit Bildern gezeigt

und bedeutet eine deutsche Wahrheit. Der

Coronaleugner folgt dem Erstgenannten auf

dem Fuße, aber nichtsdestotrotz wird hier

ein verbales Druckmittel angewendet nach

dem Motto: Das musst du glauben!

Zu lügen heißt wissentlich Sachverhalte

verschleiern.

Kein Tag vergeht, in dem wir nicht vom

Angriffskrieg der Russen hören, der dort

im Land selbst nicht Krieg heißen darf. In

Russland ist es eine Militärische Spezialaktion.

Einen Krieg zwischen der Ukraine und

Russland nennt es jedoch niemand mehr. Bei

uns ist es der völkerrechtswidrige Angriffskrieg,

nicht einfach so nur ein Krieg. Nun

hat es auch der letzte begriffen, dass Putin

seinen Krieg führt. Wer sich in Deutschland

nicht auf die richtige Seite stellt, bekommt

zunehmend Probleme.

Die Bewertung muss bei uns Teil der Berichterstattung

sein wie in Russland.

Kein so anderes Thema: Gestern wurde vom

Prozessauftakt in Bayern berichtet. Das ist

der Krieg im Inneren. Ein gesellschaftswidriger

Amoklauf. Ein Mann aus Somalia

habe eine Messerattacke in Würzburg

gegen zufällig ausgewählte Opfer geführt.

Drei Frauen sind tot. Mehrere Menschen

wurden verletzt. Eine Frau so schwer, dass

sie dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen

sein wird. Zweimal fragte Charlotte Maihoff

rhetorisch, wie man jemanden bestrafen

solle, der offensichtlich als psychisch krank

gilt? Stimmen hätten ihm befohlen, Rache

zu üben. Es war demzufolge umgekehrt. Die

Strafe war ja bereits erfolgt. Dieser Mann

hat erfolgreich Deutschland bestraft. Das

sagte Charlotte nicht.

Der Tod bedeutet, unumkehrbar fertig zu

sein.

Der Mensch verzettelt sich in der eigenen

Wirklichkeit von Sprachkonstruktionen.

Papier sei geduldig hieß es früher und sollte

wohl heißen, dass man Unsinn hinschreiben

könne, der deswegen nicht wahr würde, weil

er derart verewigt sei, dass jemand ihn festgehalten

habe. Das war vor dem Siegeszug

der digitalen Kommunikation. Wir reden mit

den Fingern auf der Tastatur.

# Ich bin nicht wahnsinnig

Stetige Provokationen verschieben unsere

moralische Grundhaltung zum Bösen. Noch

normal; ich kenne mehrere Menschen, die

auf einen Rollstuhl angewiesen sind und

fühle entsprechend mit. Amok in Würzburg,

man stellt sich’s vor: Ein Mann wird gezeigt,

der sich dem Angreifer mit einem Stuhl entgegengestellt

hatte. Um Haaresbreite wäre

das schief gegangen. Der Mutige stürzte

rücklings über eine Bordsteinkante, nachdem

ihm zunächst gelungen war, den Täter

gleichermaßen auf sich zu fokussieren und

erfolgreich im Schach der vorgespreizten

Stuhlbeine zu führen. Andere kamen ihm zu

Hilfe und überwältigten den Wahnsinnigen.

Ich könnte dieser Mann mit dem Stuhl gewesen

sein, der couragiert eingegriffen hat!

Oder doch nicht? Vielleicht hätte ich mich

feige versteckt? Eventuell könnte ich auch,

wie jeder von uns, der Täter gewesen sein.

Es sind viel mehr Menschen latent psychisch

krank, als man für gewöhnlich annimmt.

Ein Prozent der Gesellschaft wird mindestens

einmal im Leben schizophren. Einer von

hundert. Die Pandemie hilft, diesen Faktor

einzuordnen. Bei uns in Deutschland leben

83 Millionen. Wenn sich 830.000 Menschen

täglich mit dem Coronavirus anstecken

würden, also ein Vielfaches der höchsten

Werte zu Zeiten der Omikron-Variante, hieße

das wohl, pro hundert Menschen einem Infizierten

zu begegnen. Ganz schön viele. Psychotisch

zu werden, ist keine Erbkrankheit.

Es gibt kein Gen dafür. Der Anteil der Kinder,

die erkranken, wenn die Eltern es haben, ist

nur geringfügig höher. Ein direkter Nachweis

der Erblichkeit von Schizophrenie ist bislang

nicht nachgewiesen worden. Schizophrenie

ist zudem nicht ansteckend. In der Konsequenz

ist die wahrscheinlichste Erklärung,

dass wir einander gegenseitig krank machen

durch den sozialen Druck, den Menschen auf

andere ausüben.

Der verrückteste Täter weiß dennoch, dass er

sein eigenes Leben zerstört, wenn er einen

erweiterten Suizid oder Amoklauf beginnt.

So einer kann nicht mehr. Trotzdem hört

die Gesellschaft nicht auf, Druck auf bereits

verstörte Menschen auszuüben und diese

noch zu provozieren. Der russische Präsident

gibt das beste Beispiel dafür, wie gefährlich

so etwas ist. Dem Despoten ist die

wirtschaftliche Beschädigung im Land durch

das erzürnte Ausland und die Zerstörung

des Territoriums seiner ukrainischen Brüder,

als die er den Gegner Russland zugehörig

erkennt, nebensächlich. Das Russland von

Wladimir Putin wurde bereits viele Jahre

lang mit Sanktionen belegt, die aktuellen

bedeuten eine weitere Verschärfung

bestehender Druckmittel des Westens. Der

Präsident gibt an, es hätten Verabredungen

bestanden, die NATO nicht in Richtung Osten

zu erweitern. Der Westen bestreitet das.

Putin bezeichnet die Ukraine als Bedrohung,

der Westen kann hingegen den Angriff

Russlands belegen und diese Behauptung

ad absurdum führen. Wir im Westen brüsten

uns damit, unsere Rechtmäßigkeit herauszustreichen

und prangern den Druck der

falschen Informationen an, mit denen die

russische Regierung die Bürger im eigenen

Land auf Linie bringt. Der aktuelle Krieg ist

weitaus heftiger, als die vergleichsweise

smarte Annexion der Krim. Wladimir Putin

zieht seine Militäraktion durch, so weit wie

er kommt. Bliebe diese dauerhaft stecken im

hartnäckigen Widerstand, wird der russische

Präsident mit zunächst gezielten Atomschlägen

probieren, den Widerstand zu brechen.

Er wird diese Barbarei gegen die, wie er

sagt, eigentlich russischen Brüder in der

Ukraine rechtfertigen mit dem Vergleich, die

Amerikaner hätten Hiroshima aus ähnlichen

Motiven angegriffen. Ein dritter Weltkrieg ist

möglich geworden, weil sich Putin provoziert

fühlt und der Westen das nicht ändern

kann durch seine Sanktionen. Die Macht,

alles zu zerstören ist auf der russischen

Seite. Das sieht auch jeder, wenn auch geisteskranke,

Amokläufer irgendwann visionär;

ein Einzelner kann sehr viel Leid verursachen,

bis er dingfest gemacht oder getötet

wird. Dem russischen Präsidenten ist das

Wohlergehen seines Landes egal. Es geht

ihm ums Ego, den Beweis zu führen, dass

die jahrelange Gängelung des Westens (die

dieser zwar als nötige Reaktion darstellt)

und seine Drohungen, was er tun könnte,

nicht leere Worte bedeuten.

Genauso im Kleinen unter Nachbarn im Dorf.

Die Ohnmacht des Westens in der jetzigen

Situation ist vergleichbar mit der bei einem

Amoklauf. Man kann den Somalier nun in

eine forensische Psychiatrie einweisen. Möglicherweise

gelingt es irgendwann, den russischen

Präsidenten vor ein internationales

Gericht zu stellen? Den nächsten, einzelnen

Täter, der seinen Hass ja bereits irgendwo

nährt und eine Wunde der Gesellschaft

bedeutet, die unterbewusst schwärt, werden

wir mit einer Attacke hinnehmen müssen.

Die Gewalt als solche und die Umkehr der

Sichtweise, was Gut und Böse bedeuten,

bleibt eine Möglichkeit der Interpretation

einer Situation. Die Menschen wären

besser dran, dies als einen Teil der Realität

anzuerkennen, als gutmenschliche Phrasen

zu dreschen oder mit Waffenlieferungen

irgendwo aufzurüsten, als könnte das Böse

selbst damit wirksam bezwungen werden.

Apr 23, 2022 - Wir lehren, wollen den Wahnsinn? 67 [Seite 67 bis 71 ]


# Selnskyj ist besonders

Natürlich, es könnte klappen. Niemand hat

mit dem starken ukrainischen Gegenspieler

und seinem Charisma gerechnet, andere für

die gute Sache der Freiheit zu gewinnen.

Der Sieg der Alliierten gegen Nazideutschland

steht Modell für eine gelungene Aktion

gegen das Böse. Eine starke Polizei bedeutet

eine stabile Ordnung für eine Gesellschaft.

Auf der anderen Seite stehen zahlreiche

Fehlschläge im Namen einer guten Sache,

bei denen es nicht gelungen ist, Despoten

auszuschalten. Der unbequeme Grund ist,

dass wir alle unter Druck Dinge tun, die

wir ansonsten nicht machen würden. Eine

Eskalation scheint schließlich nur mit

erheblichen Anstrengungen eingegrenzt

werden zu können. Die Gesellschaft täte gut

daran, ihren einzelnen Mitgliedern dezente

Abgrenzung jeglicher Vereinnahmung zu

lehren. Dann benötigte das System weniger

Energie gegen geringere Anteile von Gewalt

in der Masse. Zur Zeit bewegt sich aber alles

in die andere Richtung. Eine immer größere

Menge lehnt den Staat auf diffuse Weise ab.

Ein nicht erwarteter Krieg bedroht unsere

Stabilität. Die Klimakatastrophe wird

greifbar mit jeder Dürre, Überschwemmung,

Hungersnot oder Sturm. Die weltweite Pandemie

zeigt die Verletzlichkeit des Ganzen

durch Krankheiten. Mit diesen Realitäten

leben zu können, bedeutet dem Einzelnen

mehr denn je, die eigene Angst zu bemerken

und Möglichkeiten auszuloten, diejenigen

in ihre Schranken zu weisen, die bedrängen,

maßregeln möchten. Möglich wäre, in den

Staatsfeinden welche zu erkennen, die als

Erste die Zukunft bemerkt haben und nicht

verschworenen Spinner zu brandmarken, die

andernfalls der Mob von Morgen sein werden.

Wer zu hassen lernt, was schmerzt, kann,

geschieht es auf eine kluge Weise, fröhlich

dem Feind Paroli bieten. Wer nur mitläuft,

weiß seine Befürchtungen höchstens diffus

zu kanalisieren in einer Masse Gleichgesinnter.

Die Angst vor einer ungewissen Zukunft

ist greifbarer geworden. Damit sind diejenigen,

die quer denken, welche, die etwas merken.

Die kleiner werdende Mehrheit plappert

nur, was bisher galt. Die Klugen haben den

Schuss nicht gehört und zeigen mit dem

Finger auf Ungeimpfte, Putinversteher u.v.m.

bis es richtig laut knallt.

Ich kann heute nachvollziehen, wissentlich

Feinde zu haben und diese zu hassen. Ein

neues Gefühl, aber nicht schlecht für mich.

Mein Profil stört einige. Ich habe mich kreativ

mit meiner Malerei, den Zeichnungen und

Texten zu einer Persönlichkeit entwickelt,

die polarisiert. Zu spät lernte ich, sportlich

auf die nicht ausbleibende Bewertung meines

Tuns zu reagieren. Inzwischen gelingt

es besser.

Ich bin beinahe sechzig Jahre alt. Etwa

fünfzig Jahre lang empfand ich keine

Feindseligkeit gegen mich persönlich, so gut

wie nie jedenfalls. Angst und Wut spüren zu

können, ist ein neues Wahrnehmen für mich.

Das hält mich geistig frisch und bei guter

Gesundheit! Hätte man mich das gelehrt, als

die Zeit dafür war, wäre mein Leben gesünder

verlaufen. Mich hat man gedrängt, dem

sozialen Druck nachzugeben und Plattitüden

weiterzugeben. Ich habe geglaubt, was man

mir gesagt hat. Das heißt, grundsätzlich

den anderen Menschen zu vertrauen, aber

nicht der eigenen Urteilskraft. Sich selbst

zu vertrauen ist ganz einfach, gelegentlich

nein zu sagen. Das bedeutet keinen Krieg.

Es ist die gewöhnliche Abgrenzung. Extrem

reagieren Menschen nur dann, wenn sie

zu spät merken, wie weit sie bereits in die

Irre geführt wurden. Hass ist normal, und

das nicht spüren zu können, bedeutet das

Falsche gelernt zu haben – sich soweit an

die anderen anzupassen, bis man sich selbst

nicht mehr merkt.

# Tatsächlich, ich denke böse

Drei Frauen hier im Dorf fallen mir sofort

ein, um die es nicht schade wäre (das ist

meine Meinung heute), bei einer derartigen

Attacke wie in Würzburg zu versterben.

So sehr habe ich mich verändert. Darum

schreibe ich das hin, dass ich eine ohnmächtige

Wut nachempfinden kann, ebenfalls

Rache zu nehmen an der Gesellschaft (hier

in Schenefeld). Es beruhigt irgendwie, als Erkenntnis,

dass meine Hand ein Schwert führen

könnte, eine Axt oder ich mit einem Auto

andere plattmachen

könnte, vor allem, wenn

ich mir die Konsequenzen

vor Auge führe, die

so etwas haben würde.

Wer keine Perspektive

mehr sieht, darf töten.

Das hat Gott oder die

Natur insofern erlaubt,

beziehungsweise

niemand, auch kein

Staat, kann Amokläufe verhindern, weil es

die extremste Form ist, die eigene Freiheit

durchzusetzen. Für den Moment, wird

mancher einwenden. Anschließend käme

das Gefängnis oder der Tod; Täter werden

von der Polizei nicht selten erschossen. Ganz

offensichtlich schreckt die Androhung einer

lebenslangen Freiheitsstrafe diejenigen, die

sich am Ende sehen, nicht ab. Einen Rahmen

zu schaffen, der so eng ist, der Menschen

jegliche Gewalt unmöglich macht, bedeutet

eine Zwangsjacke für alle. Wollte man

Verbrechen grundsätzlich ausschließen,

müssten wir in einer Gesellschaft leben, die

jede vitale Aktivität maßregelt. Die Alternative,

mehr Freiheit wagen!

Perspektiven schaffen, kollektiven Druck

wegnehmen und dem Einzelnen die Kraft

geben, selbst gegen den Mainstream zu drücken,

ist noch möglich. Es gibt weiter diese

fiesen Hasspostings. Gut so. Sie zeigen, wie

wir wirklich sind. Ein neues Gesetz dagegen

kommt gerade. Es wird scheitern, wie alle

vorherigen Versuche, nur gute und folgsame

Menschen zu dulden. Das Denken zu verbieten,

scheint unmöglich, aber Gefühle zu

äußern, kann bereits bestraft werden, wenn

gezielter Hass und damit ein Bedrohungsszenario

nachgewiesen werden kann oder

Rassismus. Es bedeutet immer ein Risiko,

zu sagen oder gar aufzuschreiben, was man

empfindet. Nicht zu bemerken, wie es mir

geht, könnte allerdings schlimmer sein. Das

hieße das Risiko zuzulassen, wie zwanghaft

loszulegen mit einer Abwehrbewegung gegen

eine vermeintliche Bedrohung, die man

nur unterbewusst spürt. Insofern erleben

wir eine eindeutige Relation aus Gehorsam

und psychisch irrationalem Verhalten: Immer

mehr Menschen erleben den sozialen Druck,

lassen sich etwa gegen Corona impfen, nur

als ein Beispiel, weil sie sonst nicht arbeiten

dürften und nicht, weil sie von Solidarität

mit Alten und Schwachen angetrieben handeln

oder der Überzeugung anhängen, diese

Medizin tue ihnen gut. Je mehr machen,

was ihnen geraten wird, weil sie andernfalls

scheinbar eine ganze Gesellschaft gegen

sich aufbringen, desto mehr werden sich’s

einreden, zu fühlen wie jedermann. Damit

nimmt der Anteil der Gestörten, die nichts

mehr merken zu. Darum sehen wir einen

wachsenden Teil der Gesellschaft wegdriften

und sind als System folgerichtig selbst

schuld an den zahlenmäßig anwachsenden

Verrückten, die uns bestrafen, weil sie’s

spontan überkommt.

:(

# Postskriptum

Andere und alles züchtigen, maßregeln bis

zum endgültigen Sieg über das Böse: Daran

arbeiten viele mit Eifer, und so könnte die

tote Gesellschaft schneller Realität werden,

als wir denken. Ein Atomkrieg wäre das,

und er erscheint erreichbar, wenn wir zügig

machten, was etwa Herr Hofreiter oder Frau

Strack-Zimmermann wollen. Waffen

der „richtigen“ Seite zu geben

und das vollständige Wirtschaftsembargo

gegen Russland verlangen

welche, die bislang nicht

genügend Rampenlicht bekommen

haben? Es sind Menschen, die, und

das scheinen sie von sich selbst

nicht bemerkt zu haben, schon

wegen des verstörenden, optischen

Eindrucks, den sie machen, dem

Drang zu reden, wenn eine Kamera auf sie

gerichtet ist, niemand zum Bundeskanzler

wählen würde. Man muss sich diese Politiker

aus der zweiten Reihe nur kurz anschauen,

wenig mitbekommen, um sofort abzuschalten.

Das fühlt sich gleich besser an. Die

Vorstellung mit derartigen Menschen, wie

sie nicht selten öffentlich gezeigt werden,

derweil sie ihre Ansichten präsentieren, zwei

Wochen gezwungenermaßen Urlaub machen

zu müssen, ist unerträglich. Ich hätte nicht

gedacht, dass ich mal Olaf Scholz als besonnen

schätzen würde.

Apr 23, 2022 - Wir lehren, wollen den Wahnsinn? 68 [Seite 67 bis 71 ]


Durch die Blume geschaut

Mai 1, 2022

Google, Mountain View, Kalifornien; der

Gigant hat ein Zuhause. Es gibt andere Suchmaschinen,

aber wer etwas wissen möchte,

googelt. Das Wort macht den Marktführer.

Was ist ein Algorithmus? Das ist ein Wort

wie „Google“, für die meisten nicht mehr als

ein Erklärungsprinzip. Genauso der Staat, die

Polizei, Ärzte; es sind Sammelbegriffe. Menschen

stehen dahinter. Unsere rechtsstaatliche

Demokratie ist ein geregeltes System.

Wie jede Behörde oder Unternehmen:

Menschen arbeiten dort. Sie gestalten die

Funktionalität entsprechend der gewünschten

Struktur. Eine Internetsuchmaschine

muss suchen, die Polizei muss Regelverletzungen

aufspüren, und die Politik soll das

Gemeinwohl vertreten. Soweit die Theorie.

Das Ganze ist glaubwürdig, schafft Vertrauen.

Viele sind davon überzeugt, sich selbst

im Rahmen einer guten Struktur verwirklichen

zu können. Die Mehrheit bestimmt, wie

es sein soll bei uns. Wo es Mehrheiten gibt

– und wenn viele die Demokratie gestalten,

sind diese ein größerer Block, der sich engagiert

– gibt es auch einen kleineren Rest der

anderen, die damit nicht klarkommen, wie

es ist. Diese wollen nicht mitmachen oder

können es nicht und sind unfähig, ein alternatives

System auf die Beine zu stellen. Auf

der anderen Seite wächst Frust. Ein Teil der

Gesellschaft fühlt sich nicht mitgenommen.

# Wir brauchen Künstler

Querdenker zu sein, galt den Menschen als

kritische Würdigung, bis dieser Begriff in

Verruf geraten ist. Man übersieht, dass schöne

Worte nicht genügen. Unsere Gesellschaft

lebt vom Konsum. So lernen wir alles, was

es gibt, über Namen kennen, die bereits eine

Werbung dafür bedeuten und überhöhen

jedes Ding und Aktivität mit einem Begriff.

Es gibt scheinbar das Tierwohl oder den

ökologischen Fußabdruck. Worte machen

Druck. Folge und kaufe mich! Um dabei zu

sein, wenn eine Mode aufkommt gingen die

Leute schon immer mit. Manipulation bedeutet,

Menschen in einen Kanal zu schleusen

und ihnen Beine zu machen. Manche

sind bereit, die Langsamen totzutreten. Der

Follower ist das Vieh, das

gerne zum Schlachthof

rennt. Überspitzt gesagt,

meint man zu bemerken,

dass wir Lemminge an

unserer Seite haben,

mitreißende Mitreisende

der aktuellen Strömung

und nicht die mündige

Gesellschaft, die sich den

Rahmen wählt, in dem

sie sein möchte. Vom

Verkäufer der aktuellen

Idee geködert, ist diese

Herde noch glücklich,

sich für denjenigen zu

opfern, der sie treibt.

Uraltes menschliches Sozialverhalten

kann nach

dieser Methode als Mittel

genutzt werden, perfektioniert

wie alles heute im

Wandel der Zeit.

Bezeichnungen mutieren zu Platzhaltern,

deformieren die Person zu einem Fußball,

den die Masse nach Belieben tritt. Ein Ventil

für diejenigen, die selbst nicht sportlich

sind. Unsere Kanzler haben kein eigenes

Profil mehr, es wird gemerkelt. Man wartet,

bis die Leute scheinbar von selbst eine

Richtung bekommen und setzt sich lenkend

an ihre Spitze. Gerhard Schröder bedeutete

uns Kanzler, dann Altkanzler, schließlich

Lobbyist, und nun ist der Unbeirrte einfach

nur noch eine Unperson, auf der jedermann

herumhackt. „Aus der Zeit gefallen“, sagen

die heute Schlaueren. Der Trend bestimmt,

was richtig ist.

Eine gefährliche Entwicklung.

Viele merken es nicht. Bei der Mehrheit zu

sein, genügt ihnen. Wer kein Profil hat und

das eigene Denken auch nicht vermisst,

bedient sich im Baukasten der Individuen

und verwirklicht sich nach dem Franchise-

Prinzip. Das läuft so eine Zeit lang ganz gut.

Bis dann die große Leere im Leben kommt.

Man kann leicht nachvollziehen, dass

manche spät aufbrechen, etwas Eigenes zu

beginnen. Ich habe bereits im Kindergarten

gezeichnet, dass alle nur so staunten. Ich

muss nichts Neues anfangen. Nur meine

soziale Integration musste angepasst und an

den Schenefelder Gebräuchen ausgerichtet

werden. Klappt ganz gut inzwischen. Das ist

ein Dorf wie das globale auch, ein kleiner,

blöder Globus westlich von Hamburg, im

Osten Pinneberg zugeteilt. Das lernt man.

Ich wollte mich einbringen! Meine Motivation

ist die Mitgestaltung der Gesellschaft

gewesen. Ich konnte einfach so fröhlich

sein und mitmachen für eine gute Sache.

Das geht nicht mehr. Naivität schadet der

Gesundheit. In einem Prozess von mehreren

Jahren habe ich meine Haltung zum Staat

geändert. Es hat sich gezeigt, dass, wer Profil

entwickelt, die Kanten ausbildet, die andere

brechen möchten. Immerhin: Meine sind zu

hart dafür. Ich bin zu einem Stein im Getriebe

der Zahnräder geworden. Ich treibe keine

Motoren für andere mehr an. Ich breche den

Lauf der Maschine durch mein Blockieren.

Mein Vertrauen in den Apparat ist dahin. Ich

sei wohl selbst daran schuld, könnte man

annehmen? Das ist nicht von Bedeutung.

Schuld zu sein, ist nicht relevant im Lebensentwurf

oder vermeidlich zum Glücklichsein,

finde ich. Wer schuldig ist, wird bestraft, das

ist bekannt. Das kann man auch größer als

juristisch sehen. Dann erkennt derjenige, der

Probleme hat, ein Prinzip.

# Der andere ist immer gegen dich

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst,

gebietet die Religion. Das begreife ich als

Angebot. Eine Pflicht, deren Umsetzung es

erst einmal zu erlernen gilt. Ein gelungener

Gedanke, der deswegen bis heute anregt,

ausprobiert zu werden. Wenn das einfach

wäre, hätte niemand so gedacht oder diesen

Rat ausgesprochen. Nicht einmal Gott selbst

hätte uns damit beauftragt. „Schäle die

Kartoffeln besser unter dem Wasserhahn“, ist

einfach; das meine ich. Unser Nächster wird

gegen uns sein, davon dürfen wir ausgehen.

Neid, Missgunst, was weiß ich. Unsere Entscheidung

kann dagegen sein oder mit, im

dritten Fall noch auszuweichen und neutral

bleiben.

Vor kurzem bin ich am Bahnhof-Altona

herumgelaufen. Ich hatte eine knappe halbe

Stunde zu warten. Meine Aufgabe war, jemanden

abzuholen. Der Zug erschien pünktlich

auf der Anzeigetafel, aber ich hatte mir

eine Reserve einberechnet, falls es mit der

Suche nach einem guten Parkplatz dauern

würde und fuhr absichtlich ein wenig zu

früh dorthin. Ich habe keine Lust auf eines

der Parkhäuser. Ich wollte lieber seitlich der

Autoreisezüge in der kleinen Straße parken,

in die man nach dem Lessingtunnel einbiegt,

beziehungsweise in der Verlängerung der

Hartkortstraße, wenn man Boesner passiert

hat. Das war auch leicht hinzubekommen.

Ich fand meine Haltebucht links, direkt am

Parkscheinautomat vornan. Drei Euro für

eine Stunde wurde verlangt. Das habe ich

bezahlt, um dann ein wenig den Berg rauf

zu bemerken, dass es nur einige Parkplätze

dichter zum Bahnhof mit Parkscheibe für

zwei Stunden kostenlos gewesen wäre. Es

ist eine Einbahnstraße. Man hätte sich auskennen

müssen, und ein wenig Glück gehört

dazu. Sonst hieße der Fehlversuch, einmal

den ganzen Block zu runden. So ist es oft,

auch anderswo im Leben. Wer etwas nicht

weiß, zahlt einfach den verlangten Preis und

freut sich dabei über eine gelungene Aktion.

Ich sah die günstigere Gelegenheit erst, als

Mai 1, 2022 - Durch die Blume geschaut 69 [Seite 69 bis 71 ]


ich den Parkschein bereits teuer erworben,

das Auto verriegelt und abgestellt hatte,

zu Fuß am Schild vorüberging. Es wäre vor

einem Hotel noch was frei gewesen. Selbst

schuld?

Ich bin nicht klug. Das wird mir immer

wieder klar, jedenfalls nicht klug genug für

diese Welt. Unsere Bürgermeisterin ist es,

und einige hier im Dorf genauso. Sie lassen

sich nicht herumstoßen, sie stoßen selbst.

Das ist klug. Einige Schlaue möchten andere

manipulieren, bewegen, und das bedeutet,

manche gehen zum Staatsdienst, um andere

umzutreten. Elegant, versteht sich. Ich bin

selbst noch auf meine eigenen Füße angewiesen

und habe es ausprobiert. Ich kann

jemandem in das Gesicht treten, der bereits

am Boden liegt. So wütend war ich schon.

Das ist gefährliche Körperverletzung. Meine

Strafe ist längst erledigt. Das ist in Deutschland

nicht schlimm. Unter zweihundert Euro

war die Beteiligung an den Verfahrenskosten.

Die Gefängnisstrafe von acht Monaten

zur Bewährung blieb ohne Auflagen. Ich war

nicht im Knast. Ich bin einfach weiter zu

Hause gewesen, bewährte mich demzufolge

und bin nun vorbestraft wie so viele andere

auch, falls ich noch einmal dergleichen

mache. Ich hätte einen Umzug der Polizei

melden müssen? Ich ziehe doch nicht weg.

Zwei Jahre Bewährung sind längst vergessen,

und der Idiot läuft noch rum. Ich laufe

auch noch durch das Dorf, und nun darf der

Leser und die Leserin dieser Zeilen spekulieren,

wer als der Doofe von uns gemeint

ist? Eine Beleidigungsklage fehlt grad noch.

Zivilgerichtlich war es teuer. Na und? Ich bin

schuldig und zufrieden. Andere respektieren

mich heute sichtlich und die, die ich früher

mochte; wir gehen uns aus dem Weg.

Mit der Politik bin ich fertig, immerhin. In

einer Woche ist die Wahl zum Landtag von

Schleswig-Holstein. Da gehe ich wieder

nicht wählen. Meine Haltung ist die der

totalen Verweigerung. Steuern muss man

zahlen, sonst gibt es wirklich Ärger. Das

mache ich, ich zahle. Sogar Kirchensteuer

drücke ich gern ab.

# Mir ist da was aufgefallen

Egosurfen macht Spaß, schon wenn du

semi-bekannt bist. Meine Bilder sind mehr

als normal, sie lohnen die Aufmerksamkeit

angeschaut zu werden? Im Laufe der Zeit

ist einiges zusammengekommen. Aber

nicht alles erscheint gerade so, wie es vom

Algorithmus aus dem vorhandenen Angebot

gefiltert wird. Da wird nachgeschärft. Nicht

nur vom Bürger, der meldet, was seiner

Meinung nach nicht gezeigt werden sollte.

Es gibt Bürger wie mich, und sie finden ihre

Meisterinnen. Malen macht frei. Aber nur innerhalb

der Grenzen, die dir gesetzt werden.

Du darfst die Wände deiner Zelle bekritzeln.

Man glaubt, die Macht habe derjenige, der

einen Brei nicht einfach isst, sondern selbst

zubereiten kann und anderen zum Genuss

anbietet? Der Weg von der Küche zum Teller

kann das Problem sein, wenn der Laden

nicht läuft. Der Ober kocht nicht selbst, will

ich sagen und genauso ist es auch bei uns in

der Kunst. Viele benötigen den Katalysator

zum Betrachter wie jeder Produzierende

einen Vertrieb der Ware auf die Beine stellen

muss. Aussteller sind keine Künstler, weil

sie Bilder auswählen. Das sind im Grunde

genommen Neider. Menschen, die vom Werk

anderer profitieren möchten. Eine Realität,

mit der wir Kreativen leben müssen. Manche

verkaufen besser, andere stellen Dinge her,

wie das überall gleich ist in der Wirtschaft

und unserer Gesellschaft überhaupt. Macher

und Dienstleister, Stürmer und Verteidiger

im Sport; welche bereiten die Tore vor,

und der ganz vorn schließt ab. Da ist kein

isoliertes Leben ohne Beziehungen, das

lohnend wäre. Dein Gönner stellt dich auf

einen Sockel, wohin du mit deinem Werk als

Künstler gehörst. Er stößt dich wieder runter,

wenn es ihm gefällt. Man muss nicht einmal

Galerist sein, um mit fremden Werken zu

renommieren oder Künstler rauszuwerfen,

kann von außen Einfluss auf den Anbieter

nehmen, der Bilder bereitstellt. Das ist die

Realität, wie wir sie immer wieder erleben,

nicht erst seit den Nationalsozialisten. Das

gibt es in den besten Gesellschaften.

Die digitale Wahrheit ist nicht einfach zu

überprüfen. Es ist anzunehmen, dass eine

Webseite überall gleich dargestellt wird?

Sicher sein sollte sich der produzierende

Künstler dessen nicht. Was zeigt die Suchmaschine

von denen, die im Netz aktiv sind?

Das bestimmt eine Firma, die für uns die

Suche organisiert. Diese Struktur unterliegt

dem Einfluss einiger. Das kann der Einzelne

noch weniger kontrollieren, der möchte, dass

ganz bestimmte Ergebnisse veröffentlicht

werden. Wir probieren, Missbrauch unserer

Darstellung zu begrenzen. Manche erleben,

dass umgekehrt auch dort manipuliert wird,

wo das Versprechen die Vielfalt unserer

Kreativität ist, aber das Ergebnis die Zensur

bedeutet, angeblich gemäß von Richtlinien,

welche nun jedoch von denen gebogen

werden, die dazu die Macht haben (und ein

persönliches Interesse).

Google ist auch ein Staat. Eine Macht, weil

alle das brauchen. Wie die katholische Kirche,

die Mafia oder Russland. Aber bei Google

arbeiten, wie gesagt, Menschen. Damit

ist das nicht die Suchmaschine, sondern ein

Ameisenhaufen von kleinen Arbeiterinnen,

die machen, was ihnen gesagt wird. Kommt

eine Königin in die Straße, werden die

kleinen Krabbeltiere parieren (unter ihren

Anweisungen). Man stelle sich die Sache

nicht isoliert vor. Netzwerke bilden sich

immer grenzüberschreitend. Da darf eine

gern aus einem anderen Haufen kommen.

Hauptsache, sie ist als die Obere kenntlich.

Dann spuren die blöden Mitläufer:innen und

löschen im Namen der guten Sache. Gut ist,

was man am Hofe will. Ich bin gern nicht

klug und schuldig sowieso. Aber ich wähle

doch nicht diese Arschlöcher selbst im Mai.

Schönen Tag auch!

Drei Euro für eine Stunde Altona. Als ich

so neben dem Parkscheinautomaten stehe,

finde ich zwei Zwei-Euro-Münzen in meinem

Portemonnaie. „Automat wechselt nicht“,

lese ich, bitte passend zahlen. Just in diesem

Moment, wie ich unschlüssig des vernünftigen

Handelns überlege, was nun zu tun sei

(Kartenzahlung scheint auch noch möglich),

erblicke ich die mögliche Lösung meines

Problems. Nicht die Beste? Hätte ich gewusst,

dass es nur kleine fünfzig Meter näher

zum Ziel einfach die blaue Parkscheibe

gebraucht hätte, die in meinem Handschuhfach

liegt, für die doppelte Parkzeit von zwei

Stunden – es zuzugeben, beweist, wie dumm

ich wirklich bin – nein, das war es nicht. Es

kommen gerade zwei Frauen den Gehweg

hinab und in meine unmittelbare Nähe, sie

leichthin anzusprechen. Das gelingt wie von

selbst. Ich zeige ihnen mein freundlichstes

Lächeln und die zwei Münzen in meiner

Hand. Wir treffen uns in diesem Moment

direkt am Parkscheinautomat, neben dem

mein Wagen mit geöffneter Tür steht, und

ich strahle diese Mädels an: „Man mag ja

gar nicht fragen“, beginne ich mit einer

Entschuldigung meines Hierseins, probiere,

zwei einzelne Euro zu bekommen.

Sie lachen. Wir mögen uns. Während wir

fröhlich plaudern, suchen die beiden

jeweils in ihrem Portemonnaie nach dem

Geld. Das bekomme ich, und meine neuen

Freundinnen gehen scherzend ihres Weges,

während ich das Parkticket gut sichtbar

über das Lenkrad meines Wagens hinter die

Frontscheibe lege. Ich ziehe noch meine

Socken aus, lasse die Jeansjacke im Auto,

weil es doch recht warm ist und gehe hoch

zum Bahnhof. Ich schreibe alles detailliert

auf, damit meine Leserinnen verstehen, wie

diese gefährlichen Straftäter wirklich sind.

Im Gebäude begreife ich, dass mein Zug

pünktlich kommen wird und noch gut zwanzig

Minuten zu verdatteln sind.

Ich kann alles, was ich erlebt habe, ganz

genau wiedergeben. Das habe ich gelernt.

Malen, zeichnen, schreiben; ich muss nie lügen,

um einem Beamten was weiszumachen.

Diese Attacke hatte ihren Grund. Ich stehe

dazu und weiß, was es war, dass ich Rache

nahm. Reue empfinde ich nicht. Ich könnte

mich artikulieren und habe doch geschwiegen.

„Er sprang über eine Hecke aus dem

Nichts“, würde ich nie zu Protokoll zu geben,

um meine Opferrolle zu betonen. Warum

lügen? Ich lebe nicht im Nichts und kann

Schenefeld ein Gesicht geben. Ich habe auch

noch nie jemanden angezeigt. Würde ich mit

dem, was ich in den vergangenen Jahren innerlich

meines Denkapparates protokollierte

und an Schriftstücken zusammengefunden

habe, losmarschieren, dürfte es einige Male

empfindlich rumpeln im Schenefelder Filz.

Das schreibe ich hier, damit deutlich wird,

was für ein in Wirklichkeit wunderbarer,

guter Mensch ich bin – mit den eigentlich

besten Absichten.

Wenn man mich nicht provoziert.

Ich schlendere also durch den Bahnhof,

in genau diesen besten Absichten, die

mein friedliches Wesen so kennzeichnen

und staune, wie schön sonnig und normal

der Vorplatz am Mercado daliegt. Corona

scheint vorbei. Die Menschen sind gelassen

unterwegs und wuseln so herum. Gelegentlich

rollt ganz langsam ein Bus heran. Mit

einer freundlichen Geste werden Fußgänger

durchgewunken vom Fahrer. Die kleine

Straße ist extra schmal, damit niemand auf

die Idee kommen kann, Passanten, die hier

reichlich quer zum Bahnhof oder umgekehrt

in die Fußgängerzone möchten, in Gefahr zu

bringen. Die nutzen das aus. Der Busfahrer

stoppt ein zweites Mal. Eine kleine Familie

kommt. Der Mann gebietet per Handzeichen,

man habe Vorrang als Mensch vor der Maschine.

Geduldig wartet der lange Gelenkbus

wieder, und der Busfahrer setzt ein betont

höfliches Gesicht auf. Der kennt sich aus,

denke ich. Militante Radfahrer sausen durch,

so scheint es mir, und der Fahrer vom Linienbus

wird seine Meinung dazu haben. Ein

buntes Treiben. Die Sonne scheint bereits

warm. Das war vor wenigen Tagen.

Mai 1, 2022 - Durch die Blume geschaut 70 [Seite 69 bis 71 ]


Ich probiere verschiedene Standplätze aus

und hätte noch Zeit, einmal langsam um das

Gebäude herumzugehen. Zunächst vertreibe

ich mir die Zeit in Sichtweite der großen

Uhr vor Bok und Schweinske, stehe an einer

Litfaßsäule. Hier störe ich nicht. Das ist

durchaus bedeutsam, wenn man hier wartet.

Die anderen wollen alle wohin. Es gibt einen

Radweg durch diese Fläche, die ansonsten

den Fußgängern gehört. Radfahrer fahren,

Fußgänger gehen, und der Bus rollt in seiner

schmalen Spur. Dann kommen noch welche

von unten die Treppe rauf, von den Gleisen

der S-Bahn, und andere wollen hinunter.

Taxi und Polizei parken startbereit. Das ist

Altona. Wenn du hier nur rumstehen willst,

ist es nötig, eine passende Stelle zu finden.

Nun fällt es ja nie leicht, zwanzig Minuten in

einem kleinen Areal von wenigen Metern zu

bleiben. Man beginnt automatisch loszuschlendern.

Das will überlegt sein. Andere

schlendern nicht! Ich habe, nachdem ich

in den vergangenen zwei Jahren nur wenig

außerhalb vom Dorf unterwegs war, gar

nicht mehr gewusst, wie sich das in solcher

Geschäftigkeit anfühlt, einfach nur dort zu

sein.

Diese Gesichter: Alle haben einen individuellen

Ausdruck, den sie zur Schau tragen.

Das ist die persönliche Haltung, sich den

eigenen Weg zu bahnen, unverkennbar.

Wenn man die Muße hat (und zu beobachten

gewohnt ist), bedeutet das ein Faszinosum,

zu erkennen, wie blöde fixiert ein jeder

und jede dem eigenen Ziel nachjagt. Selbst

die Langsamen, eher gelassen wirkenden

Passanten – eine Frau stoppt ihr Rad, weil

sie angerufen wird – alle wollen etwas. Da

wird immer vor Trickbetrügern gewarnt. Ich

denke daran, wie leicht ich meine Münzen

wechseln konnte und wie gern die beiden

Frauen ihren Spaziergang (oder was es war)

unterbrochen haben, mit mir plauderten,

bereitwillig nach Geld kramten.

Einen schönen Tag!

:)

Mai 1, 2022 - Durch die Blume geschaut 71 [Seite 69 bis 71 ]


Unverschämt!

Mai 4, 2022

Alle paar Jahre schneidet die Stadt ihre

Sträucher deutlich zurück. Einige Bäume

stehen plötzlich frei, die längere Zeit gar

nicht zugänglich waren. Der Weg an der

Düpenau wird hübsch ordentlich gemacht

und auch die weniger populären Ecken, die

kaum für einen Sonntagsspaziergang taugen,

müssen gepflegt werden. Ein oranges

Auto der Stadt oder ein anderes des beauftragten

Gärtners kommt

zur passenden Jahreszeit

angefahren. Dann muss

manches Unterholz weichen.

Eine Stelle passiere ich oft,

wo mir das auffällt, ob viel

oder wenig Bewuchs ist.

Da steht ein mir bekannter

Baum, sage ich mal, den ich

alle paar Jahre zur Gänze

sehen kann. Dann wächst

er unten wieder zu. Zeit für

den Baumfrisör, denke ich

und sinne darüber nach,

wie lange ich hier schon

laufe, diese Strecke – Tag für

Tag. Kein Durchkommen heute Nachmittag,

als ich das Foto mache. Ich bin extra von

zuhause ein zweites Mal hingegangen, habe

meine kleine Taschenkamera mitgenommen

und bin noch einmal zurückgelaufen. Das

Licht ist so schön.

Ohne Smartphone ist man ein behinderter

Exot. Ich kann nicht mal eben was fotografieren,

und dass als Maler und Grafiker,

der ich bin. Armselig, wo heute jedermann

Bilder macht. Früher war es eine Aufgabe für

Profis. Man musste zeichnen können. Menzel

verspottete Kollegen, die so blöd wären,

das eigene Haus zu verlassen, etwa für eine

Besorgung, ohne wenigstens ein winziges

Skizzenbuch in irgendeiner Jackentasche

dabeizuhaben. Er ließ sich vom Schneider

zahlreiche Extrataschen in den Ausgehmantel

hineinnähen. Ich sollte mich schämen! Es

ist wieder Frühling, Mai, die Bäume schlagen

aus. So auch das Dickicht. Es hat ordentlich

zugelegt in den vergangenen Jahren. Da ist

kein freier oder einfacher Weg zu diesem

Baum hier. Wahrscheinlich nicht einmal die

Hunde pinkeln dran.

:)

Mai 4, 2022 - Unverschämt! 72 [Seite 72 bis 72 ]


„Das Ohr zur Welt“

Mai 5, 2022

Schenefeld ist nichts besonderes. Ein paar

Häuser stehen rum. Es fängt an, wo Lurup

aufhört. Lurup ist ein langweiliger Stadtteil,

ganz am Rand von Hamburg. Wir gehören

zum Kreis Pinneberg, sind in Schleswig-Holstein

angesiedelt. Ein besseres Kaff. Das ist

die Provinz: Blankenese geht anders. Niedrige

Wohnblöcke, Reihenhäuser und eine freie

Tankstelle „Kattner“ prägen die Gegend. Ein

schmales Rinnsal erweitert

sich an einem

Staubecken, das mit

Kraut zugewachsen

wenig Eindruck macht;

die Düpenau sucht

noch das Meer. Der

Charkter dieses nicht

so schönen Schenefeldes

will nicht recht

sichtbar werden. Immerhin,

wir haben eine

ansprechende, kleine

Kirche im Dorf.

Im Norden heißt die Gemeinde schlicht

Siedlung. Nicht weit entfernt, über einen

Kreisel, erreicht man die Autobahn in

Richtung Nordsee, Sylt, die Insel der Schönen

und Reichen, schließlich Dänemark.

Das freie Wasser erstreckt sich über den

Atlantik bis nach New York. Das sollte man

schon hinschreiben. Gut angebunden an

die weite Welt ist dieses Ende schon. Da

oben, in der Siedlung von Schenefeld, wo

es ein China-Restaurant gibt und einen

Aldi, ist eine weitere Kirche. Sie hat den

Charme einer Fabrikhalle aus Beton. Wenigstens

ein nettes Türmchen haben die

Leute in einiger Entfernung hingestellt.

Das ist, damit man die architektonische

Armseligkeit (zu der die Siedler nach dem

Krieg, Vertriebene aus dem Osten, gerade

mal fähig waren) nicht bemerken soll?

Schenefeld! Im Zentrum durchschneidet

uns eine Straße nach Pinneberg, auf der

man hundert fahren darf. In der durch die

Rasenden zweigeteilten Mitte befindet sich

tatsächlich das „Stadtzentrum“.

Das ist aber keines, sondern

diese Blechbuchstaben sind

der Name eines Einkaufszentrums.

Es hat größtenteils

Leerstand. Es gibt

einen Supermarkt, das

Fitnesszentrum und

die Haspa. Man darf

sich eine Hose kaufen

und Mittagstisch essen,

Eis. Im Tabakladen

des Einkaufstempels

– die hochtrabende

Bezeichnung im

Tageblatt amüsiert

– kannst du deine Briefe abgeben.

Der Discounter unter den Shoppingcentern

regt nicht zum Verweilen an.

Es gibt nichts, das von kaufgeilen

Wohlstandsdeutschen verzückt angebetet

würde. Ein Tempel ist es nur

für Konsumenten, welche das „Elbe“ mangels

Liquidität meiden.

Alternativ läuft man auf die alte Landstraße

bis ins Dorf zu „Timmse und die Hörspiele“.

Die nehmen auch Briefe und Pakete an. Sie

verkaufen Briefmarken. Das ist ursprünglich

ein Krämerladen gewesen, der (vermutlich

zur Existenzsicherung) sein Angebot erweitert

hat. Es gibt gebrauchte Kompaktkassetten

aus den Achtzigern, Spiele, und einiges

Zeugs von früher liegt im Schaufenster. Titel

meiner Kindheit: Hui-Buh, das Schlossgespenst,

TKKG und die drei Fragezeichen

erweitern das verstaubte Interieur einer

vergessenen Zeit. Bandsalat war gestern?

Nicht bei „Timmse“. Peng! Elektro, Kommissar

Bikloppski brennt durch; so was in der Art

möchte noch gekauft werden. Die richtige

Post, die wir einmal am Rathaus kannten, hat

dauerhaft dichtgemacht.

Da werden

Altkleider gelagert

vom „Glücksgriff“,

ein Second-Hand-

Geschäft. Wir sind

gar keine Stadt im

eigentlichen Sinne

mehr. Wie gesagt,

nur ein paar Häuser,

und die Menschen

fahren nach Hamburg

zur Arbeit. Es

gibt eine Busverbindung.

Im Dorf gehen einige auch zu Fuß. Ich

laufe hier täglich rum. Dieses Plakat, man

könnte es bemerken: Bei „Timmse“ hängt der

Aufruf, ein neues Logo samt Motto für die

Gemeinde zu gestalten. Die Bürgermeisterin

unterstreicht unsere Wichtigkeit (und ihre

eigene) gern. Ein zünftiger Schnack, das

wär’s doch. „Schenefeld, die Stadt am Stadtrand“

oder so? Dazu das Wappen in grün mit

den bekannten Schmuckelementen, Spaten

und Rad. Dazwischen eiert die Düpenau

durch oder die Landstraße-Schenefeld-

Elmshorn eben, die über Pinneberg hinaus

nie fertig gebaut wurde, Elmshorn tatsächlich

zu erreichen. Wie du das interpretieren

willst? Hammer und Sichel lassen grüßen.

Ein Logo zu entwerfen, ist eine interessante

Aufgabe. Das kam in meiner grafischen Laufbahn

einige Male vor, dass ich mich daran

versucht habe.

# Hamburg, das Tor zur Welt!

Erinnerungen

gewinnen an

Wichtigkeit

mit zunehmenden

Alter. Anfang

der Achtzigerjahre

war ich bei

Schlotfeldt

Praktikant,

eine

seinerzeit

bekannte

Werbeagentur

in der Hansastraße, Ecke Mittelweg

(beim Stadion). Gleich zu Beginn meiner

Ausbildung hatten wir „Winschermann“ zu

betreuen, die fuhren Heizöl in Tanklastwagen

zum Kunden, bekamen einen orangen

Strich auf weiß. Wir verwendeten Helvetica,

das war modern.

Das eigene Motto, unverwechselbare Zeichen,

ein Logo, Farben, ausgesuchte Formen

des Designs, bestimmte Schriften einem

Unternehmen an die Seite stellen: Corporate

Identity zu definieren, bedeutet das

gewünschte Erscheinungsbild eines Systems

oder Firma zu erschaffen. Ein Konzept, das

mittels der Werbung kommuniziert wird.

Die Stadt ist auch Auftraggeber gewesen.

Die Hamburg-Werbung kannte man mit roter

Burg in HKS 13, begleitet von Mottosätzen

„Hamburg ist Alster“ (und ähnlich) auf Blau

41. Es gab immer neue Aktionen. Einmal

machten wir ein Plakat mit Nummernschildern,

die an den Wagen auf den Straßen der

Weltstadt irgendwo fotografiert waren. So

an die zwanzig verschiedene hatten wir be-

Mai 5, 2022 - „Das Ohr zur Welt“ 73 [Seite 73 bis 75 ]


reits, die taugten

für diese Idee.

Es wäre doch

schön, einen

Segeberger mit

„x“ dabeizuhaben

oder in der Kombination

„se-xy“,

fand jemand. Wir

durften am Wochenende

privat

auf die Suche

gehen, immer

mit der Kamera

schussbereit. Vor

dem „Atlantik“ oder „Vierjahreszeiten“ wurde

ich tatsächlich fündig. Ein weißer BMW,

ein kleines Cabrio hatte das gewünschte

Kennzeichen. Und ich habe dieses Fahrzeug

fotografiert. Das wurde genommen. Ich

war siebzehn, noch Schüler und konnte am

Montag damit punkten, die Jagdbeute erlegt

zu haben.

Nicht nur die Alster und ihre Flaniermeile

hatten wir im Visier. Werbung sollte

Hamburg attraktiver machen, auch dort, wo

hässlich gebuddelt wurde, Baustellenlärm,

Bagger, Stau und Staub die Menschen behinderten.

Der Hauptbahnhof bekam einen

Bauzaun rundherum. Das war unvermeidlich:

Dieser Zaun stand mehr als ein Jahr. Was

tun? Wir haben ihn in Dunkelblau streichen

lassen. Darauf kam in regelmäßigen

Abständen von einigen Metern die Burg,

dazwischen die „Istmen“, Hamburg ist Mors

Mors, Hamburg ist Zuhause, Hamburg ist

Elbtunnel usw.

# 1.000 Euro sind zu gewinnen

Und du kannst dabei noch was für uns alle

tun! Den Wettbewerb in Schenefeld werden

fleißige Mädels im Kunstkurs abarbeiten. Ich

ärgere mich nur,

wenn ich dieses

Plakat an der

Poststelle sehe

oder ein Foto

der einschleimend

grinsenden

Bürgermeisterin

im Tageblatt,

die möchte, dass

motivierte Schülerinnen

womöglich

für nass ein wenig

rummalen. Nicht,

dass es mir ums

Geld ginge, aber

im Beruf, wenn

ein Grafiker damit

beauftragt würde,

müsste die Stadt zahlen. Ich kann Christiane

Küchenhof, unsere Verwaltungschefin, ganz

persönlich nicht leiden. Das ist bekannt?

Für mich kommt es nicht in Frage, der Stadt

was anzubieten. Das würde auch niemand

wollen. Weder als Auftrag, noch als Gefälligkeit.

Für immer verstört. Persona non grata

bis über den Tod hinaus beiderseits. Ärger

motiviert, den Abstand einzuhalten und gar

nichts zu ignorieren.

Und die jungen Künstlerinnen (Jungs

beteiligen sich nicht. Sie wollen Manager

werden), nicht alle sind vorn mit dabei: „Dein

Entwurf hat uns gut gefallen, aber leider

haben wir uns anders entschieden.“ Das

könnte dabei herauskommen. Tausend Euro

Preisgeld, zehn Arbeitsstunden sind sportlich

bei der zu erwartenden Kritik, was alles

bitteschön noch geändert werden müsste.

Auftraggeber können in der Regel selbst

nichts malen. Christiane, die Talentlose

oben vom Stadtturm, jedenfalls, ist

vollkommen unfähig, überhaupt Ansätze

einer Gestaltung zu begreifen. Sie kann

Klee nicht unterscheiden von Bereuter. Sie

malt selbst nur in schwarz. Die Eitle zieht

den Lidstrich ins Altmädelsgesicht und

fragt den Spiegel ein ums andere Mal:

„Wer ist die Schönste im ganzen Land?“

Das kann sie. Die Zwerge im schottischen

Hochland und anderswo verstummen, ob

ihrer Bosheit, vergiftete Äpfel unter das

Volk zu bringen. Ein Talentwettbewerb ist

eine schöne Sache. Da sieht man nicht auf

den Lohn. Es winkt der Ruhm! Aber

wenn einige draufschauen, was du

gemacht hast, wollen diese Leute

sagen, was ihnen „nicht“ daran

gefällt. (Man hat eine Helmut-

Schmidt-Gedenkmünze irgendwo

in Auftrag gegeben. Der Grafiker

musste die Zigarette aus der Hand

des Altkanzlers entfernen. Nun hält

Helmut zwei leere Finger in die

Luft auf dem Ding. So ist Grafik. Nur

solche wie Picasso können darüber

bestimmen, was sie entwerfen bis

zum fertigen Produkt). An zwei

Arbeitstagen schafft niemand ein

Logo fertig zum Druck.

Immerhin, das mache ich: Im

Moment entwickelt sich in meinem

Atelier eine Konstruktion für die

Stephanskirche. Eine Bank wird zur

Plauderecke mit Daniel oder Rinja

auf einem Gartenfest im Sommer.

Dafür benötigen wir ein Schild. Die

Kirche ist freundlich. Für jede Taufe fertige

ich ein neues Blatt aus grünem Filz für unseren

Lebensbaum. Den Trecker für Erntedank

habe ich mit einer neuen Tafel versehen.

Das sind die letzten verbliebenen Aufträge

mit regulärer Grafik, auf die ich mich

eingelassen habe. Ein Logo für einen

baltischen Chor zu gestalten oder Radtouren

darzustellen, einige Korrekturen

für „Bark“, alles liegt schon Jahre zurück,

und nun habe ich meinen

Steuerberater gebeten, eine

Geschäftsaufgabe vorzubereiten.

Dann bin ich nur noch

Maler meiner unverkäuflichen

Bilder. Ich könnte die

Webseite löschen.

Für die Gesellschaft empfinde

ich in erster Linie Spott,

weil die meisten nur mitlaufen

und oft unehrlich sind,

auch zu sich selbst. Es tut weh,

mit anderen zusammenzutreffen,

weil viele borniert, bösartig

und dumm auftreten, denen

man nebenbei begegnet. Ich

gehe Menschen pauschal aus

dem Weg. Einsamkeit ist scheiße,

aber die anonyme Bosheit

derer, die freundlich getan haben, um mich

dann doch erkennbar als Beute anderswo zu

verkaufen, das hat mich verändert. Mit Alex

im Cotton-Club (am Abend vor der Beerdigung

meiner Mutter) die Lieblingsmusik

Jazz zu hören, ist mehr als verstörend (aus

heutiger Sicht), wie das offenbar gelaufen ist

mit penibler Vorbereitung, dabei Mäuschen

zu sein, der anderen, um meine „Freundin“

drumherum.

Nie wieder Empathie.

Ich hasse Frauen, tatsächlich, einige. Das war

anders. Ich habe mich verändert. Ein wenig

reden ja, Geschichten sind das. Mein Herz

hängt nicht dran, wenn ich mich unterhalte.

Ich vermeide Beziehungen zu pflegen oder

neue einzugehen. Nur was unbedingt nötig

ist. Die Beziehung zum Markt; Leben ist

Geld. Meine Existenz: Wenn die Inflation

schlimmer wird oder der Krieg sich ausweitet,

werde ich betteln um irgendeine Arbeit

wie der letzte Dussel ohne Ausbildung. Das

ist mir scheißegal.

# Hass ist ein guter Ratgeber!

Wer sich

vorstellen

kann, wozu

ein Mensch

fähig ist, lebt

in der Realität.

Man kann

sich leichter

zurückhalten,

wenn man

um die Gefahr

weiß, was

alles kaputt

gehen kann.

Wenn andere

ausrasten

und sogar

töten im

Zorn, denken

nicht wenige,

bei ihnen

selbst wäre

es anders?

Die sind naiv. Meine Einstellung ist, keine

Erwartungen an die Zukunft zu haben, außer

zunehmende Schwierigkeiten anzunehmen.

Je älter man wird, um so mehr Beschwerden

kommen. Das ganz Tolle jedenfalls, für mich

wird es ausbleiben. Wir treten auf Afrika rum,

den armen Ländern. Corona und der Krieg

um die Ukraine demolieren unsere Illusion

eines gerechten Lebens. Nicht zuletzt die

Klimaentgleisung, die wir nicht aufhalten

werden durch schöne

Worte, wird uns

den Garaus machen.

Es gefällt mir, miese

Zeiten am Horizont

drohen zu sehen.

Ich bin als ein

Mensch durch die

besten Jahre meines

Lebens gegangen,

ohne sie spüren zu

können. Um mich

herum haben die

anderen Karriere

gemacht, geheiratet,

Kinder bekommen,

Häuser gebaut, große

Schiffe gekauft

und sind in den

Urlaub geflogen. Ich bin dem nachgelaufen

und habe mir vom Psychiater das Gelaber

angehört, das niemand gesund macht und

die empfohlenen Pillen gefressen. Bis ich

damit aufgehört habe, es zu tun. Das liegt

lange zurück, aber danach ist klarzukommen

in Scheißschenefeld nicht einfacher. Der

Versuch, noch zu leben (zum Schluss). Mehr

ist das nicht. Eine fiese Wut treibt mich, und

wenn es dumm kommt, ende ich bei den

Mai 5, 2022 - „Das Ohr zur Welt“ 74 [Seite 73 bis 75 ]


Forensischen für immer. Es fällt

mir schwer, die Contenance zu

bewahren ein ums andere Mal,

weil mir die jahrelange Übung

der Normalgesunden fehlt, die

seit der Schule daran gearbeitet

haben, eine individuelle Fresse

zu ziehen. Da fängt es schon an:

Man muss „Fassade“ sagen, das

ist eleganter. Ich bin entartet,

und das könnte bereits ein verbotenes

Wort sein? Das Unkraut,

keine Zierpflanze für das schöne Feld und

bestimmt nicht der Gestalter, welcher uns

das neue Motto vorgibt.

Die Düpenaustadt im Osten von Pinneberg,

Ha ha.

:)

Mai 5, 2022 - „Das Ohr zur Welt“ 75 [Seite 73 bis 75 ]


Muttertag

Mai 8, 2022

Warum gibt es das Angebot, eine Verhaltenstherapie

zu machen für psychisch kranke

Menschen? Gesunde nehmen offenbar an,

dass die Kranken, würden sie anders handeln,

gesund wären wie die Normalen. Wenn

das stimmt, dann müsste es gesundes und

damit richtiges Verhalten geben, das in einer

Therapie gelehrt würde. Damit könnten

psychische Erkrankungen auf fehlerhafte

Verhaltensweisen heruntergebrochen werden,

die durch angepasste Formen integrierten

Handelns gebessert würden. Dann

wären diese Krankheiten welche, deren Leid

selbstverursacht ist, und die Gesundung

könnte der Betroffene durch lernen selbst

herbeiführen. So denkt der Anbieter einer

Gesundheitsschule, die noch den Haken hat,

dass Eigenverantwortliches nicht vom Therapeuten

motiviert getan werden kann.

Dazu kommt die Not, die der Psychiater

damit hat, Medikamente einsetzen zu

müssen und die vielfältigen Spielarten

dieser Erkrankung, die gerade nicht nur im

Kopf stattfindet. Der psychisch Kranke läuft

außerhalb vom Sprechzimmer durch sein

eigenes Leben. Das ist kein herum rollender,

loser Kopf auf Abwegen, sondern ein ganzer

Mensch, der mit Körper und Gliedmaßen

Blödheiten macht, die ihn schließlich in

Not bringen, dass ein Arzt aufgesucht wird.

Das absurde Verhalten kommt mehr oder

weniger schlimm ausgeprägt zu Tage, dass

nun je nach Fall Angehörige, Freunde oder

tatsächlich noch so weit klar, der Kranke

selbst eine Praxis aufsucht, nach dem Motto,

mit mir stimmt was nicht.

Wie die Sache weitergeht, das Leben

zukünftig verlaufen wird, hängt letztlich

auch von der Qualität der Therapie ab. Wer

im Dorf x seine Auffälligkeit entwickelt und

dem Arzt um die Ecke in die Praxis gerät,

könnte eine schlechtere Prognose haben als

andere, die irgendwie und aus Gründen des

Zufalls besser therapiert werden. Da gibt es

einen signifikanten Unterschied zu normalen

Beschwerden. Wer eine Hüft- oder Augenoperation

plant, wird sich gezielt auf die

Suche machen und Bewertungen der Spezialisten

einsehen, bevor er jemanden ranlässt

für eine Behandlung. Der normale Kranke

entscheidet eigenverantwortlich, wer zum

Doktor für ihn werden soll. Der psychisch

Kranke kann nicht eigenverantwortlich handeln.

Das genau ist der Kern jeder

psychischen Erkrankung. Es handelt

sich um soziale Störungen. Das

heißt, wollte man eine pauschale

Definition probieren, käme man

bei allen verschiedenen Formen

dieser Krankheiten nicht umhin,

den gemeinsamen Nenner darin zu

definieren, dass die Kranken sich

selbst in Beziehungen hineinmanövrieren,

die scheitern.

Kinder mit psychischen Störungen

sind in der Beziehung zu ihren

Eltern, darin besteht das Problem.

Sie können nicht weg. Erwachsene,

die psychisch krank sind, können nicht

normal arbeiten für ihre Existenzsicherung.

Sie haben Beziehungsprobleme mit allen für

sie lebenswichtigen Menschen im Umfeld.

Zusammengefasst heißt das, ein gesunder

Mensch kann sich seine Beziehungen wählen

und merken, ob sie auf nützliche Weise

(und gegenseitig) finanziellen wie emotionalen

Gewinn bringen, eine Zukunft perspektivisch

aufzeigen. Der psychisch Kranke wählt

nicht, wohin er geht und mit wem er dort

lebt, liebt, arbeitet. Dem Kranken geschieht

das Leben unter dem Zwang, welcher sich

aus den Forderungen der Umgebung und

seiner eigenen Unfähigkeit ergibt, daraus

eine individuelle Lösung zu entwerfen, die

gut tut. Dem Zwang zu unterliegen und nicht

zu bemerken, dass Alternativen möglich sind,

ist das Problem.

Der gesunde Mensch passt seine Emotionen

entsprechend der Situation an. Wenn wir

unter Stress geraten, macht das wenig aus,

wenn anschließend die Erholung möglich

ist. Ohne Arzt zu sein, kann man sich

vorstellen, dass im Gehirn entsprechend

Aufruhr ist, wenn es im Job hoch her geht

und Ruhe auch zwischen den Gehirnzellen

zurückkehren wird, in der Nacht, wenn der

Mensch schläft. Welches Medikament auch

immer erfunden würde; das Problem bleibt,

dass die Pille nicht weiß, wie stark sie entsprechend

der Situation benötigt wird. Eine

Behandlung, mit welcher Dosis auch immer,

ist statische Hilfe. Das Leben ist hingegen

dynamisch.

In der Folge dieser Realität, nehmen die

Verläufe von psychischen Krankheiten und

entsprechend die Lebenskarrieren der Behandelten

zwei grundsätzliche Richtungen.

Die einen steigen immer weiter ab in der

Gesellschaft, trotzdem oder gerade weil ihnen

geholfen wird und wenige befreien sich,

bis sie eigenverantwortlich klarkommen.

Sie haben es doppelt schwer. Die sich so

verstehenden Erkrankten müssen sich gegen

die anderen behaupten, mit ihnen Beziehungen

eingehen wie alle in der Gesellschaft.

Dazu müssten sie ihre Helfer loswerden, um

eigenverantwortlich zu sein, wie die Gesunden.

Da sind nicht wenige Ärzte, die fachlich

zu schlecht sind, das zu verstehen und die

unter Umständen mit einer unlösbaren Aufgabe

konfrontiert sind, weil die Krankheitssituation

das Ziel vollständiger Gesundheit

von vornherein ausschließt. Diese Menschen

können nicht erreicht werden, etwas zu lernen.

So werden wir als Gesellschaft weiter

akzeptieren müssen, dass einem großen Teil

der Kranken nicht wirklich geholfen werden

kann. Ein trauriges Bild. Gerade dann, wenn

man im Einzelfall erkennt, dass mit gutem

Willen viel mehr ginge und eine bessere

Struktur der Hilfe, gleich einem Training,

schaffbar wäre, anstelle der stigmatisierenden

Methode, Menschen geradezu krank zu

halten wie eine andere Sorte oder Rasse

von uns.

Würden wir nicht von Normalen und Kranken

reden, was problematisch ist, denn was

ist „normal“, könnten wir uns leichter auf

selbstbewusste Menschen fokussieren und

ihre Qualität weniger als nachahmenswert

anerkennen, sondern als nützliches Lernfeld.

Es gibt bereits genügend Follower, die ihre

jeweiligen Helden bewundern. Nur ganz

wenige lernen, so zu werden wie Menschen,

denen viele nachlaufen, indem sie im Netz

fleißig ein Häkchen setzen dabeizusein.

Man ist nicht krank, wenn man Elon Musk

die Gefolgschaft zeigt, man ist wohl mehr

als normal. Gesund ist das keinesfalls. Es ist

blöd. Warum nimmt sich die Medizin, die wir

dazu für befugt halten, psychisch Kranke zu

betreuen, das Normale als Ziel zum Vorbild,

wenn dieses normalgesunde Verhalten

das der blöden Menschen ist, die anderen

hinterherrennen?

Die Psychiatrie macht beinahe alles falsch.

Sie hat keine belastbare Theorie, die nachprüfbar

wäre, mit der die Ärzte arbeiten.

Diese Fakultät doktert weiter nur herum.

Das sind deswegen menschenverachtende

Weißkittel. Sie glauben tatsächlich, Gutes zu

tun. Der Grund dieser Probleme liegt darin,

dass die Leistung des Psychiaters nicht

nachprüfbar ist, von einer Gesellschaft, der

wiederum der Maßstab dafür fehlt, ihn an

die Fachärzte anzulegen, weil die breite

Masse sich vor Gestörten fürchtet und gar

nicht wissen möchte, was diese so stört und

verstört. Im Zweifelsfall ist es nur feiste

Einbildung, die sogenannte Normale zum

dicken Fell schützend über ihre unsensible

Seele hängen, damit sie selbst klarkommen.

Wie lange denn? Wären wir ehrlich zu uns

als Gesellschaft, könnten wir leicht bemerken,

dass auch Menschen erkranken, denen

wir bislang nicht angesehen haben, wie

nahe sie am Grat zur Klappse wanderten.

Dafür hat die Moderne den Begriff Burnout

kreiert. Das haben welche, die schon weit

gekommen sind und erst spät zusammenbrechen.

Wir bemerken vermehrt auch Kinder

mit Depression und Suizidgedanken, ein

Phänomen das neu zu sein scheint. Wären

wir hier auch ehrlich, könnten wir zugeben,

dass keine neuen Krankheiten auftreten,

sondern mehr diagnostiziert wird. Und zwar

bei Jüngeren, die in den Fokus geraten sind,

als behandelbar, wie bei Leistungsträgern,

die wir gern als solche zurückgewinnen

möchten. Es liegt uns dran, diese beiden

Gruppen, die Jugendlichen und die Burnout-

Manager, in der Gesellschaft zu halten.

Mai 8, 2022 - Muttertag 76 [Seite 76 bis 77 ]


Warum die Masse der seit langem bekannten

typischen Geisteskranken aufgeben? Das

sind die Schizophrenen, die Manischen, die

Depressiven, die es schon immer gab, die

weltweit in allen Gesellschaften einen nicht

unerheblichen Teil der Menschheit abbilden,

der sozial nicht wirklich integrierbar scheint.

Die dröhnen wir zu mit was. Wir schicken sie

hierhin und dorthin. Und die armen Tröpfe

lassen es mit sich machen. Wir kümmern uns

um Gewalttäter mit „einem Hau“. Nicht etwa,

dass uns deren Gesundheit am Herzen liegt.

Wir probieren, sie als Gefährder mit einer Art

Kennzeichnung abzustempeln, besonders

im Bereich der Sexualdelikte, überwachen

verdeckt, denn wir möchten die Gesundheit

derer schützen, die angegriffen werden

könnten.

Die geistige Gesundheit dieser latent gewalttätigen

Sonderlinge selbst, ist uns in der

Regel wurscht. Dabei wäre das genauso ein

möglicher Ansatz. Wir könnten eine handfeste

Theorie erdenken, die im Kopf kranke

Menschen erklärt, wie etwa die Schwerkraft

unsere Bodenhaftung in der Physik. Dann

wäre es denkbar, statt immer mehr Menschen

nach immer neuen Diagnosen und

Gutachten, was sie möglicherweise anstellen

würden, zu behandeln, die armen Würmer

dauerhaft gesund zu machen. Wir sehen in

ihnen Monster, die uns bedrohen. Wir trauen

uns nicht ran, denn wenn wir bei unserer

Hilfe versagen, werden wir als Arzt selbst

belangt und die Verantwortung für eine Tat

schlägt durch auf den Betreuer.

Greta Thunberg hat der Jugend einen Weckruf

gegeben. Sie hat vor allem ihre eigenen

Ängste sichtbar machen können und damit

die vieler anderer. Sie hat gezeigt, dass wir

wirklich ein Problem haben. Das größere

Problem für alle ist, dass unsere Erde kaputt

geht. Ihr persönliches, das allerkleinste

Problem aus der Sicht der ganzen Menschheit

– denn ob eine Schülerin in Schweden

Asperger hat oder nicht, hätten wir nicht

bemerkt – wurde zum Motor, uns alle wachzurütteln.

Danke dafür, Greta. Denn ganz nebenbei,

bist du zu einem Vorbild geworden,

dem nachzulaufen auch bedeuten kann, kein

Umweltaktivist zu sein. Man kann von dir

lernen, Angst wahrzunehmen und diese zur

ganz eigenen Motivation umwandeln. Heute

ist Muttertag. Meine Mutter ist leider schon

gestorben. Greta war ein ganz normaler

Vorname 1941 und ist es heute wieder.

:)

Damit könnte ein Maßnahmenkatalog definiert

werden, was wir neben dem Tierwohl,

der Friedenssicherung in der Ukraine und

bei der Klimakatastrophe bräuchten, eine

Beschreibung, wie die Psychiatrie nützlicher

würde. Wir benötigten eine Theorie,

die wegkommt von der Normalgesundheit

als zu diffus für ein erstrebenswertes Ziel,

nachdem wir behandeln. Stattdessen eine,

die dem selbstbewussten Tun der Erfolgreichen

eine wissenschaftliche Erklärung

zur Seite stellt, die durch Beobachtung und

Training verifiziert ist. Dann müssten die

Einflüsse der Pharmazie kritisch bewertet

werden. Es ist verständlich, dass Auffällige

ruhigzustellen einen gewissen Erfolg

bedeutet, wenn Patienten dummes Zeug

machen. Dauerhaft angewendet, führt jede

Medikation in diesem Fachbereich in eine

die Eigenverantwortlichkeit zerstörende

Abhängigkeit. Das geschieht auch bei den

Medikamenten, die keine Gewöhnung im

medizinischen Sinne hervorrufen, weil sie zu

einem Werkzeug werden, ohne dass der Betroffene

nicht mehr gewohnt ist zu handeln.

Nun wäre es nötig, ein Ranking zu formulieren.

Der genaue Zusammenhang zwischen

dem, was getan wird, um alles zu bessern

und einer erfolgreichen Lebenskurve, die

allmählich wieder aufsteigt, was das emotionale

Gesamtbild, die finanzielle Existenz

und die Beziehungsfähigkeit betrifft, müsste

dem zugeschrieben werden, der sich um uns

bemüht. Gut möglich, dass diese Strukturen

in einzelnen Einrichtungen bereits gut

ausgebildet sind. In anderen aber nicht, und

deswegen fehlt noch die Navigationshilfe

für diejenigen, die ihren Sextant verlegt haben

oder nie lernten, ihr Schiff zu navigieren.

Wie kommt verlässliche Medizin – die hilft,

wie ein guter Trainer dem schlechten Verein

– zu denen, die das brauchen, aber nicht

wissen, wohin?

Mai 8, 2022 - Muttertag 77 [Seite 76 bis 77 ]


Hundert Prozent Wunschdenken, sechzehn

real

Mai 10, 2022

Wieder hatte die SPD einen Kandidaten

aufgestellt, der seine Wahl nicht gewinnen

konnte. Das ist mein Eindruck der Landtagswahl.

Hundert Prozent! Martin Schulz

lässt grüßen. Wer in das verdutzte Gesicht

von Thomas-Losse – boshaft: dem „Loser“

– Müller schaute, erlebte am Abend der

Wahlschlappe ein Déjà-vu.

Natürlich, auch die CDU hat Wahlen verloren:

Um den Bundestag, das große Ding

verkackt. Der trockene Olaf ist so nebenbei

durchmarschiert. Ich habe ihn nicht gewählt.

Man muss zugeben, dass es nicht anders

kommen konnte und wer überrascht war, wie

ich zum Beispiel, einfach nicht genau hingeschaut

hat – vorher, sollte es einsehen. Mein

Fehler. Unvergessen (ist noch) der glücklose

Armin Laschet, der dem zukünftigen Wähler

aber schon bald so unbekannt sein wird,

wie der damalige Kanzleranwärter Schulz

es inzwischen geworden ist. Die Versenkung

hat sich geöffnet!

Für mich liegt der Fokus auf dem kleineren

Schleswig-Holstein, mein Zuhause, und den

Fehlschlägen bei den Sozialdemokraten der

näheren Vergangenheit, weil diese noch so

präsent ist und mich persönlich berührt.

Verschluckt vom Schicksal wurden Heide

Simonis, später Torsten Albig. „Der Eindruck

war ein anderer“, sagte der fassungslose

Albig immer wieder, noch berauscht vom

warmen Regen inmitten der Genossen auf

den Wahlveranstaltungen, die doch in die

kalte Dusche seiner krachenden Niederlage

führten. Der Ablöser Daniel Günther war erst

kurz vor der Wahl einer breiteren Öffentlichkeit

bekannt geworden. Das entspricht in

etwa dem, was die Sozialdemokraten jetzt

bejammern, man habe nicht genügend Zeit

gehabt, den Kandidaten Losse-Müller vorzustellen.

Insofern ist es keine gute Erklärung

der Wahlniederlage.

Das Abtreten von Albig, verstockt in meiner

Erinnerung, wie das verbissene Festhaltenwollen

an der Macht von „Pattex-Heide“.

Auch der Kandidat Ralf Stegner, der es nie

ins Amt schaffte, hat dieses Auftreten vom

unsouveränen Wadenbeißer. Heide Simonis

fiel einer anonymen Enthaltung in einer

Kampfabstimmung zum Opfer. Manche

werden sich erinnern. Albig gelang die Wiederwahl

nicht. Einzig Ralf Stegner kämpft

verbissen um seine Karriere. Er tauchte am

Wahlabend auch vor den Kameras auf, spendete

dem geschockten Losse-Müller und

seinen Mannen Trost in Kiel. Das habe ich im

Fernsehen verfolgt.

# Ich interessiere mich für Politik

Es liegt mir fern, eine qualifizierte Bewertung

zu versuchen, woran der Kandidat

scheiterte. Ich begeistere mich für die

Realität als eine harte Wahrheit und auf der

anderen Seite unser Wunschdenken in mancher

Lage, das ja nicht nur ein politisches

Trauma werden kann, sondern Menschen allgemein

betrifft, die auf einen Gewinn hoffen,

ein Ziel ansteuern und welches zwingend

zur Enttäuschung führen muss. Der gescheiterte

Kandidat wird es bald schwer haben

in seiner Partei. Was doch wundert, ist seine

so offensichtliche Überraschung, eine totale

Niederlage eingefahren zu haben, nachdem

die Prognosen recht deutlich genau

dies voraussagten. Die Enttäuschung war

schmerzlich mitanzusehen. Losse-Müller ist

dem Augenschein nach ein sympathischer

Kandidat. Da fühlt man mit, wenn etwas

nicht gelingt.

Ich schaute kurz in einen Ausschnitt des

Wahlkampfes: Nebeneinander haben links

Daniel Günther, der amtierende Ministerpräsident,

in der Mitte der Herausforderer

Thomas Losse-Müller und ganz rechts die

Kandidatin der Grünen, Monika Heinold,

die in diesem Moment selbst dafür wirbt,

Regierungschefin werden zu wollen, ein Pult

bekommen, sich zu präsentieren. Das TV-

Triell. Losse-Müller beschreibt seine Vision

kostenfreier Kitas für alle.

In diesem Moment zappe ich in die Sendung.

Köstlich trocken und kameradschaftlich ist

diese Reaktion der beiden anderen. Heinold

hakt gleich ein, als der Sozialdemokrat die

Wundertüte ausschüttet, das Füllhorn seiner

zukünftigen Regierung würde endlich die

gebührenfreie Betreuung unserer Lütten

möglich machen. Sie merkt an, dafür wären

keine Mittel vorhanden.

Monika Heinold von den Grünen ist schon

unter der Regierung Albig Finanzministerin

gewesen, das ist bekannt.

Drollig demzufolge und besonders unaufgeregt,

denn eigentlich sollten hier drei

Anwärter um die Spitze kämpfen, springt

Günther der Grünen bei. Die beiden teilen

sich ein Büro? Das sind jedenfalls Partner

einer gut funktionierenden Jamaika-

Koalition und arbeiten nahezu reibungslos

Hand in Hand. Das merkt man als Wähler

schon. Norddeutsch unspektakulär sagt der

Ministerpräsident in etwa zu Losse-Müller,

sie nehmen den Armen so nebenbei in die

Zange: „Kita gebührenfrei? Das geht nicht.

Monika Heinold und ich kennen den Haushalt.

Anschließend der Corona-Hilfen und

den daraus resultierenden neuen Schulden,

sowie der ungewissen, wirtschaftlichen Situation

durch Krieg und Flüchtlinge, ist das

nicht drin.“ Er tritt (locker) nach:

„Dieses Geld ist schlicht nicht da.“

„Dann machen wir es eben nicht …“,

… scheint der Herausforderer zu sagen; rein

von der Körpersprache, knickt der Arme

buchstäblich ein.

Dabei ist es sein zentrales Thema. Er

probiert den einen oder anderen schlappen

Satz. So hat das ausgesehen, richtig zugehört

habe ich nicht mehr …

Der optische Eindruck war vernichtend.

Etwa so: Drei Kumpels einer Firma stehen

zusammen. Der neue Mitarbeiter stellt seine

Idee vor, die langjährige Angestellte und der

freundliche Chef reflektieren. „Lassen Sie’s

mal gut sein, Müller“, nette Idee. So kam mir

das vor, und dann habe ich den Sender in

diesem Moment wieder gewechselt.

:)

Mai 10, 2022 - Hundert Prozent Wunschdenken, sechzehn real 78 [Seite 78 bis 79 ]


Wer ist gesund?

Mai 11, 2022

Die Geschichte der Psychiatrie findet sich

wie vieles als Beitrag auf Wikipedia. Psychische

Krankheiten werden als eigenständiges

Problem erkannt und das ist so neu nicht.

Eine umfangreiche Behandlungsstruktur mit

entsprechenden Ärzten, Medikamenten und

Einrichtungen, die zunächst den Gefängnissen

ähnliche Versuchs- und Verwahranstalten

sind, hat sich mit der weltweiten

Bevölkerungszunahme entwickelt. Man

begriff, dass im Gehirn der Auffälligen der

Unterschied zur gesunden Bevölkerung

wäre, denn ein Mensch steuert seine Wege

offenbar nicht von den Füßen her, sondern

vom Kopf aus. Also nimmt diese Fakultät an,

dass es eine normale und auf der anderen

Seite die kranke Funktion gäbe, welche vom

Gehirn gelenkt, dort behandelt werden müsse.

So weit so richtig, sieht sich der Behandler

einer Vielzahl von Problemen gegenüber,

die weiter wenig befriedigende Lösungen

gefunden haben für eine Not, mit der die

Menschheit um so mehr zu tun bekommt,

je voller der Planet ist. Warum ist das so?

Die Antwort kann nur darin liegen, dass der

Angst als einer notwendigen Eigenschaft

des Menschen die entscheidende Bedeutung

zukommt, will man sich an einer Erklärung

der verschiedenen psychischen Erkrankungen

versuchen. Die Angst des nur vereinzelt

aufkommenden Lebewesen richtet sich an

den natürlichen Gefahren der Umgebung

aus. Die Angst unserer Moderne ist sozial. Es

gibt gute Gründe, die anderen zu fürchten,

wenn sie überall sind.

Trotzdem kommt die normale Breite der

Bevölkerung klar mit den gesellschaftlichen

Rahmenbedingungen. Das sind wohl

diejenigen, die von Beginn ihres Lebens

an den Lernprozess der Anpassung gut

hinbekommen haben. Sie hatten entweder

das Glück eines stabilen Elternhauses oder

die individuelle Einstellung zum instabilen

Rahmen, die ihnen geholfen hat. Wenn eine

liebevolle Familie nicht der Ursprung ihrer

Entwicklung gewesen ist, gelang es diesen

Kindern früher als den behüteten, einen

ganz eigenen Weg einzuschlagen, trotz widriger

Bedingungen, emotionale Freiräume zu

finden für ihre Bedürfnisse unter Umständen,

die andere zerbrochen hätten. Da es eine

Vielzahl von Anpassungen gibt, sollten wir

zunächst anerkennen, dass die Normalität so

individuell ist, wie es Menschen gibt.

Würde die Wissenschaft der Psychiatrie auf

einer belastbaren Theorie menschlicher Gesundheit

versus Krankheit agieren, könnten

diese Ärzte Erfolge messen und schlecht

helfende Kollegen müssten sich dem Kodex

anpassen, der in der Qualität der Behandlung

definiert wäre. Nach wie vor verzetteln

sich Ärzte in Diagnosen und der Schwierigkeit,

Unselbständige an sich zu binden und

damit Ewigkeiten zu schaffen, die gerade

nicht das Ziel sein dürften, wenn wir Gesunde

und Selbstständige möchten. Nehmen

wir also an, dass die Erziehung der Kranken

nicht gelang, dürfte der Therapeut nicht zum

lebenslangen Begleiter werden und schlechte

Eltern durch eine Bindung an eine Art

Lebenskrücke, den Arzt und seine Medizin,

ersetzen. In vielen Fällen ist das Realität.

Die Aufgabe einer kritischen Einstellung

zur modernen Behandlung sehe ich darin,

den Anteil der ein Leben lang geführten

Patienten kleiner zu machen. Wir könnten

bei besseren Methoden mehr Menschen auf

einen guten Weg bringen, den gestörten Prozess

ihrer Entwicklung zu einem Abschluss

bringen, dass diese allein zurechtkommen

und für eine individuelle Lebensgestaltung

Wege finden, die weniger normal, sondern

als gesund zu bezeichnen wären.

Das hieße zunächst mit dem Begriff der

Normalität anzufangen. Wir benötigen ein

Ziel und kein Wort, wo wir hin möchten. Der

kranke Kopf ist ein Fakt. Wäre das nicht so,

könnte man keine Psychose medikamentös

beenden. Das können die Ärzte aber sehr

wohl in vielen Fällen. Genauso die Depression.

Moderne Antidepressiva sind nachweislich

wirksam. Allein durch gutes Zureden

beendet man schwere Verläufe kaum.

Warum wird dennoch Verhaltenstherapie

angeboten? Wir erkennen, dass Menschen

nicht nur, wenn sie sich in einem extremen

Lebensabschnitt befinden, Hilfe nötig

haben, sondern auch dann, wenn sie latent

gefährdet auf dem Grat wandeln, der zwischen

dem stabilen und weniger gesunden

Dasein verläuft. Wir möchten Labile stärker

machen. Deswegen reden wir mit ihnen

und hören zu, als Helfende, besonders wenn

wir nicht aus Liebe oder Freundschaft dazu

angetreten sind, sondern beruflich „vom

Fach“ sind. Dann müssten wir uns aber auch

untereinander daran messen können, wie

die Qualität dieser Unterstützung definiert

ist. Das bedeutet, der Krankheit als Fakt, die

Gesundheit als ebensolchen gegenüberzustellen.

Da hapert es erkennbar.

Daran ist nicht zuletzt die Gesellschaft

schuld. Wir können nicht einen Kranken

gesund machen, der selbst kein Bild davon

hat, was das sei. Da fragen Sie mal in

einer Einkaufsstraße die Leute, was einen

Geisteskranken ausmacht, und was dagegen

die anderen kennzeichnet, die nicht krank

im Kopf sind? Normalgesunde wissen in

der Regel nicht, weshalb sie nicht psychisch

krank sind. Einen Bekloppten meinen alle

erkennen zu können. Würde das stimmen,

hätten wir keine Amokläufer, denn man

würde es ja vorher merken, was jemand

ausbrütet. Die Normalität darf deswegen

nicht unser Ziel sein, weil sie einen viel

zu ungenauen Rahmen gegen die kranken

Formen menschlichen Seins aufbaut. Das

ist eine Mauer aus anderen, die nur zufällig

fest steht. Nicht wenige Zeitgenossen fallen

überraschend raus und werden psychisch

krank, obwohl ihre Umgebung sie bislang

als verlässliche Bausteine unserer normalen

Umgebung eingeschätzt hatte.

Könnte die Psychiatrie anstelle dem nicht

krank sein die gesunde Funktion des

Menschen nicht nur erkennen, sondern

herbeiführen, wäre es gut. Tatsächlich ist der

Facharzt dazu bereits ganz gut in der Lage.

In vielen Fällen gelingt es, Krisen abzukürzen.

Menschen können reintegriert in den

Alltag zurück. Was nicht gut funktioniert, ist

die Therapie, die doch Rückfälle verhindern

soll und eine gute Entwicklung ermöglichen.

Wenn wir auch hier wohlwollend bewerten,

könnten wir noch bemerken, dass es sehr

wohl gute und erfolgreiche Behandlungen

auch dort gibt, wo bislang schwere

Lebenskrisen vorherrschten, mit Hilfe von

Kliniken, Ärzten und Tageskliniken gute

Ergebnisse erzielt wurden. Der Zufall spielt

aber weiter in großer Breite eine Rolle, ob

jemand gesund wird. Wir helfen nur denen,

die am richtigen Ort landen und die gut auf

eine Behandlung ansprechen. Wenn eine

theoretische Qualität, was eigentlich die

Gesundheit uns Menschen bedeutet, klarer

formuliert würde, wäre allen geholfen.

:)

Mai 11, 2022 - Wer ist gesund? 79 [Seite 79 bis 79 ]


Wer ist Thomas

Losse-Müller?

Mai 12, 2022

Wer ist das, dieser Kandidat, der die Wahl

verloren hat? Die Zeit wäre knapp gewesen,

den Bewerber bekannt zu machen. So habe

er gegen den beliebtesten Ministerpräsidenten

Deutschlands keine Chance gehabt,

probiert sich die Partei an einer Erklärung.

Ja, Daniel Günther haben die Wähler in

Schleswig-Holstein drauf. Wir wissen, wie

der aussieht, kennen den Klang seiner

Stimme. Unverwechselbar, dieses Rauschen,

wenn irgendwo im Satz ein Wort mit „sch“

vorkommt. „Die Men-sch-en im Land wünsch-en

sich …“, und dazu, wie zum Trichter

vorgeschoben, der Mund des Ministerpräsidenten,

das wirkt wie ein integriertes Megaphon.

Ein kleines Sprachrohr hat der Mann

unter seiner

Nase. Da

spülen die

Worte heraus.

Zwei Schneidezähne

stehen

oben deutlich

sichtbar. Er

kommuniziert

be-sch-wörend

und doch

selbstverständlich,

unaufdringlich.

Eine individuelle Artikulation

und norddeutsch. Das ist Daniel Günther. Er

hat einen schmalen Kopf, eine jungenhafte

Frisur und doch recht eng stehende Augen.

Wir konnten uns ein Bild machen, wie der

Mann wirkt. Der Ministerpräsident hat einen

klaren Stil entwickelt, scheint besonders

teamfähig und eindeutig führend zu sein in

der Regierung.

Monika Heinold kennen die Schleswig-

Holsteiner nicht weniger, man muss sich

nicht sonderlich für Politik interessieren.

Es scheint undenkbar, mit dieser Frau

eine Vertuschungsaffäre zu erleben, eine

ermogelte Doktorarbeit oder Korruption sind

unwahrscheinlich. Die grüne Frontfrau ist

fleißig und anständig, so kommt mir das vor.

Einzig, wenn sie von modern und grün redet,

fragt man sich, ob es nicht ein wenig drollig

klingt, bei einer schon nicht mehr ganz jungen

Buchhalterin, die das spontane Lachen

nicht allzeit bereit im Gesicht trägt, ohne

einen leichten Krampf der Mundwinkel. Soll

ich … oder lieber doch nicht so lachen? Es

gibt bessere Plakate.

# Wahlkampf war gestern

Auf dem Schenefelder Wochenmarkt, nicht

lange vor der Wahl, haben die Grünen einen

Stand: Offensiv schaut

mich dieses Pippi-Langstrumpf-Mädel

an, aber

blond ist sie. Ann-Kathrin

Tranziska möchte mir

einen Flyer in die Hand

drücken, unverkennbar.

Das ist die Grüne wie

fotografiert. „Sie sehen aus

wie auf dem Plakat“, sage

ich und winke ab. Ich alter

Lustmolch lasse mich nicht

einfangen von diesem

lustigen Teenie – so kommt

sie daher – obschon sie nur

zehn Jahre jünger ist. Ich

nehme keine Wahlwerbung

und möchte nur Mathias Schmitz „Guten

Morgen!“ sagen und dann dahinten noch

Käse kaufen. Das mache ich deutlich.

Unnötig sie anzublaffen, dass ich nicht mehr

wählen gehe, wegen der da oben über uns

im Turmzimmer. Ich verkneife es mir.

Die SPD besonders, die wähle ich schon

gar nicht. „Nie wieder!“, denke ich, wenn ich

eine Sendung sehe, Artikel lese oder ein

Wahlplakat wirbt. Nie wieder Politik. Meine

Erfahrungen verbieten jede Unterstützung.

Macht ja nix? Das fällt kaum ins Gewicht.

Unmöglich, die Blöden abzustrafen: Politikern,

die ich kannte, ist es egal, wer ich bin,

was ich möchte oder wichtig nehme. Ich sei

selbst schuld, dumm zu sein, ist ihre Auffassung.

Mir bleibt

gar nichts übrig, es

einzusehen.

Ich kann mich nicht

für meine Fehler entschuldigen,

müsste

mich demütig zeigen,

wo es unmöglich

ist, Reue zuzugeben.

Wir reden nicht,

niemand mit mir,

und ich selbst halte

verbissen die Klappe,

außer dem Spott

hier. Das geht noch.

Bis ich begreife,

mein Œuvre in die

Tonne zu treten, zu

krepieren, den Laden zu verlassen. Wenn ich

endlich tot bin, ist es besser. Dieses festgefahrene

Schachmatt geht auf das Konto

der besten Darsteller in einem absurden

Theater: Politik ist Lüge. Das lernte ich und

verstehe, dass der Wähler sich ausschließlich

selbst schadet durch das Nichtwählen.

Ich bin nicht blöd: Ich bin frustriert.

Ich weiß nicht, was die SPD falsch gemacht

hat mit Losse-Müller. Ich durfte einmal

mit Ralf Stegner und Kai Vogel eine kleine

Kaffeerunde erleben. Der erweiterte Wintergarten

einer Seniorenresidenz im Dorf, Frank

Grünberg erzählte Döntjes, bis der im Stau

steckende

Stegner

kam. Vogel

und Stegner

erwiesen

sich aus der

Nähe als

humorvoll

und kämpferisch

für

ihre Partei.

Sie konnten

gut zuhören und fachkundig antworten. Gerd

Manthei, unser Schenefelder Urgestein der

roten Partei, hatte mich eingeladen: „Willst

du mal Stegner kennenlernen?“

Das war vor der letzten Landtagswahl, die

Albig schließlich komplett versemmelt hat.

Tatsächlich habe auch ich Günther gewählt.

Damals ging ich noch hin zur Wahl. Ich hatte

den wie es hieß beliebten Torsten Albig in

mehreren Fernsehauftritten zum Wahlkampf

gesehen. Ich fand den Mann einfach nur

arrogant. Für mich spielten fachliche Themenschwerpunkte

gar keine Rolle mehr.

Vom noch unbekannten Daniel Günther kam

einiges im Fernsehen. In einer Dokumentation

wurde der von seiner Partei aufzubauende

Kandidat über den Alltag bei der

Arbeit begleitet. Die Kamera fokussierte ihn

im Dienstwagen sitzend, wo der Politiker

probierte, auf der Rückbank zu arbeiten und

dazu den Kopf auf Dokumente senken musste

oder den aufgeklappten Laptop im Schoß

nutzte. Dabei kann einem schlecht werden,

wenn man ungeübt ist, während der Fahrt

konzentriert in den Monitor zu blicken oder

juristische Feinheiten zu begreifen, derweil

der Chauffeur durch nordische Dörfer saust.

Solche Sachen kamen zur Sprache, ganz

gewöhnliche Dinge,

die jeder versteht.

Jetzt bin ich, bereits

vom Zorn geprägt,

wie auch bei der

Bundestagswahl,

keinesfalls meine

Stimme noch abzugeben,

durch Schenefeld

spaziert und habe

aktuelle Wahlplakate

registriert. Für einige

Spottbildchen auf

der Webseite sollten

sie wohl nützen?

Ich hatte wirklich

ein Problem damit,

den Kandidaten der

SPD zu skizzieren. Der kam mir vor wie ein

Marktleiter von Edeka. Hellblaues Oberhemd,

das freundliche Lächeln eines Käsehändlers

im Gesicht, kaum rote soziale Farbe

im Hintergrund auf dem einzigen Foto,

das mehrere Plakate im Dorf zeigten. Eine

schlappe, blassblaue Anmutung mit einem

Sonnyboy am Strand, dabei recht bieder.

Der Kaufmann einer Milchtheke, wo es

immer ein wenig käsig riecht.

Mai 12, 2022 - Wer ist Thomas Losse-Müller? 80 [Seite 80 bis 81 ]


Meine Skizze von ihm geriet wie eine von

Thomas Hermanns, dem Moderator vom

Eurovision-Song-Contest. Das gewollte Grinsen.

Mein Sohn erkannte den Politiker nicht.

Ich begriff, dass dieses eine Foto vom Plakat

nicht genügt, sich ein

Bild zu machen. Nicht

schwer, den Mann zu

googeln.

Der sieht ja ganz anders

aus, dachte ich.

Jetzt, wo die Wahl für

die SPD so krachend

verloren ist, wird

man das Dilemma

analysieren. Das möchte ich nicht probieren.

Aber wenigstens kreativ wollte ich mich der

Frage annähern: „Wer ist Thomas Losse-

Müller? Darum habe ich einen weiteren

Versuch gemacht, den Politiker zu zeichnen.

Ich finde das ausgesprochen schwierig und

kann nur hoffen, dass es diesmal ähnlich

erscheint (wenn man den Kandidaten kennt).

Mir gefällt, einen ganz anderen Typ, wie

mir scheint, hinbekommen zu haben. Mein

Eindruck ist nicht, einen spontan breit lächelnden

Mann zu entdecken. Das mag ihm

im Urlaub am Strand oder auf Anweisung

des Fotografen gelingen. Im Wahlkampf

erscheint Losse-Müller, rein auf der Basis

der Fotos, denn ich weiß ja nicht, wie er in

Wirklichkeit rüberkommt, ernsthaft bemüht.

# Kurs halten!

Plakate zeigen den Ministerpräsidenten

Daniel Günther in den verschiedensten,

emotional differenzierten Ausdrücken. Er

hat viele Gesichter. Variationen sieht man, zu

denen der professionelle Politiker offensichtlich

leicht fähig ist, wenn eine Kamera

auf ihn zielt. Das ist ein wesentlicher Teil

der Arbeit, sich gut zu präsentieren. Er hat es

schnell gelernt.

Gut möglich, dass der Herausforderer Losse-

Müller spontan sein Gesicht zeigt, im Alltag

bei der Arbeit – er ist ja, wie Google deutlich

macht, kein unreflektierter oder farbloser

Mensch, sondern schon eine individuelle

Persönlichkeit. Aber eben nicht der Grinsekuchen

von der Käsetheke. Kann ja auch

sein, dass anderswo noch Plakate herumstanden

oder Sendungen anzuschauen mir

möglich gewesen wäre, wenn ich’s gewollt

hätte, die ihn vielseitiger rüberbrachten …

Ich will ja nicht.

:)

Mai 12, 2022 - Wer ist Thomas Losse-Müller? 81 [Seite 80 bis 81 ]


Dumm sind wir

Mai 15, 2022

Wenn Dummheit messbar wäre, könnte

vielen geholfen werden. Wir messen die

Viruslast bei Covid, die Antikörper nach der

Impfung und die Intelligenz mit einem Test.

Dummheit scheint nicht messbar. Warum?

Im Alltag begegnen uns tagtäglich nötigerweise

Probleme, denen wir nicht davonlaufen

können. Die Schwierigkeiten sind individuell.

Selbst genetisch gleiche Zwillinge,

die über den Tag nicht dasselbe tun, erleben

unterschiedliche Anforderungen. Intelligenz

oder das Gegenteil davon können nicht

wirklich gemessen werden, auch wenn es

die Möglichkeit gibt, mittels Test Menschen

zu erkennen, die besser darin sind, Aufgaben

zu bewältigen. Die Schwierigkeit fängt

mit dem Begriff Intelligenz an. Mit einem

einzigen Wort möchte mancher das Leben

beschreiben, eine Zahl dazu, fertig. Ehrlicherweise

sollten wir uns davon nicht blenden

lassen. Man kann eine Fernsehsendung konzipieren

und die Anwärter um einen Gewinn

kämpfen, vor der Kamera Aufgaben machen

lassen. Ein auf das Arbeitsprofil zugeschnittener

Test mag einer Firma scheinbar helfen,

die aus vielen Bewerbern die besseren

finden möchte. Jeder kann sich selbst daran

versuchen, Schwierigkeiten nach Vorgaben

in bestimmter Zeit zu lösen und das als Training

begreifen. Warum nicht: Es lässt sich

dabei nie vermeiden, dass jemand diesen

Test und die darin zu bewältigenden Anforderungen

konzipierte, das Ergebnis vorweg

konstruiert hat und verfälscht – durch diese

individuelle Einmischung in das Leben an

sich, dem eigentlichen Auftraggeber unserer

intelligenten Übungen.

Wir müssen einsehen, dass die Bewertung

anderer eine Einmischung in unser eigenes

Handeln darstellt. Eine soziale Komponente

verzerrt die Messung unserer Leistung. Die

Aktion selbst kann nicht gemessen werden,

wenn das Messgerät, der bewertende

Beobachter, die Antwort von vornherein

manipuliert. Das ist regelmäßig der Fall;

aktuelles Beispiel: Heute Morgen ist die

Nachricht, die Ukraine habe den Eurovision-

Song-Contest gewonnen und Deutschland

läge auf dem letzten Platz. Ein bisschen

Frieden war gestern.

:)

Mai 15, 2022 - Dumm sind wir 82 [Seite 82 bis 82 ]


Ich sehe Wald und keine Bäume

Mai 21, 2022

Wer seine Wünsche nicht kennt, stellt

irgendwann fest, hat sein Leben verpennt.

Natürlich ist es dann zu spät, für einiges

jedenfalls. Es heißt bekanntlich, man könne

sich immer noch ändern und mit der Umsetzung

lang gehegter Träume beginnen. Den

eigenen Bedürfnissen nachspüren, dafür

ist immer Zeit bis zum Schluss. Aber zur

Umsetzung vieler Sachen gibt es eine Zeit

im Leben, wann diese geschehen müssen.

Einige Menschen scheinen besser organisiert,

sind geübt darin, für sich selbst zu

sorgen. Man könnte die Gesundheit am Grad

der Bewusstheit innerer Bedürfnisse messen,

und jeder sollte einen speziellen Zollstock

dafür haben. Narren fühlen nicht, meint ein

hebräisches Sprichwort. Wie bekommen sie

das hin? Das Selbstverständliche misslingt

ihnen.

Viele Beispiele des modernen Alltags

verstören. Man kann leicht erkennen, dass

die Welt nicht ist, wie sie sein sollte. Unser

Leben ist nicht nur zwischen der Ukraine

und Russland in seiner Stabilität bedroht.

Das Coronavirus oder die Klimakatastrophe

gefährden unseren Wohlstand oder die Inflation.

Wir sollten unser Augenmerk darauf

richten, was zwischen uns und den Nachbarn

geschieht, damit wir zu denken vermeiden,

die Gefahren wären irgendwo, am Rand

der Gesellschaft eben. Schuldzuweisungen

prägen das Bild wie die Unfähigkeit, die

Probleme effektiv anzugehen.

Wir gefallen uns darin, eine Art intellektuelle

Brille zu tragen, die unsere Zivilisation als

geordnetes Schema darstellt. Das Gegenteil

dürfte der Wirklichkeit näher sein. Wir bilden

uns nur ein, Dinge zu verstehen, wenn wir

zupackende Begriffe nutzen, um eigentlich

Unfassbares wegzuerklären. Ein Zerrbild

mag uns glauben machen, die sexuellen

Abgründe beispielsweise täten sich im

Darknet auf und das befände sich woanders.

Wiederholt wird berichtet, der Flut von Kinderpornografie

im Netz sei nicht beizukommen.

Extra Software ist bereits im Einsatz.

Diese durchforstet die Daten zunächst, um

mit einer Vorauswahl dem zur Auswertung

unentbehrlichen Menschen nur relevantes

Bildmaterial zuzumuten. Die Jugendlichen

selbst seien immer häufiger auch Täter,

stellt die Polizei fest. Wen wundert das? Wir

belügen uns selbst mit dieser Vorstellung

vom Bösen am Rand der Gesellschaft. Da

ist kein Rand. Wir sind mittendrin, wenn wir

das Unaussprechliche sichtbar machen. Alles

andere wäre nur ein Trugbild.

Sich an verbale Konstruktionen zu klammern,

kennzeichnet den Menschen, seitdem

er sprechen kann, spätestens, seitdem

er schreibt. Wir möchten die Welt in Gut

und Böse aufteilen. Ich glaube nicht, dass

es durch die Gene bestimmt ist, wer zum

schlechten Menschen würde. Insofern hat

man die Möglichkeit, sein Handeln daraufhin

abzuklopfen, wohin die Reise geht. Zusätzlich

sollte es gesellschaftlicher Konsens

sein und dem einzelnen Mitglied unseres

Systems verständlich gemacht werden, dass

nicht allen die Reflexion ihrer Aktivitäten

gelingt. Einigen Menschen scheint ihre perspektivische

Entwicklung weniger wichtig

zu sein als anderen. Fairerweise dürften

wir verstehen, dass innere Wünsche, ja

Bedürfnisse zu bemerken und das Begreifen,

ob diese umsetzbar sind, für manche ein

Problem sein kann.

Wir rüsten verbal auf. Die Überheblichkeit,

wir wären Weltpolizisten in Deutschland,

macht vor dem Einzelnen nicht halt, sich

auch über die Nächsten nebenan zu erheben.

Wir schaffen die verkehrt Dastehenden,

die Homophoben, Nichtgenderer, Sexisten

oder die, die es versäumten, rechtzeitig die

ukrainische Flagge zu hissen, durch die Vorstellung,

das Gutsein begriffen zu haben.

# Wir erschaffen die Bösen und welche, die

nicht wissen, was sie tun, selbst

Leistung, Bildung und Einbildung prägen

unser Menschsein. Wir unterrichten vieles,

aber fühlen zu können, ist unser natürliches

Erbe. Das überträgt sich für gewöhnlich

mit der Muttermilch so nebenbei. Wir üben

es nicht im Kurs mit anderen, konzentrieren

uns auf Wichtigeres. Die Jugend hat

Mathematik, Deutsch und Physik auf dem

Stundenplan. Das Wunder der Evolution

wird gelehrt, aber unsere Emotion sollte

sich von selbst darstellen. Wenn dabei

auch manches schiefgeht, sind doch nicht

wenige eingebildet auf ihre Bildung und

den eigenen Lebenserfolg, als wüssten sie

auch, warum ihnen das Leben gelungen ist.

Es ist meistens nicht der Fall. Eine zufällig

gute Ausgangslage begünstigt das Gefühl

von Stärke. Auf anderen Schultern stehend,

sich über vermeintliche Versager zu erheben,

diese als faul oder krank beiseite zu wischen,

verstärkt die Illusion von Größe. Man meint

zu wissen, was Erfolg kennzeichnet. Eigentlich

sollte niemand ausgegrenzt bleiben

vom Wohlstand und Glück. Es werden viele

Ratgeber geschrieben, und manche lesen,

was drin steht. Das Motto: Einfach nach

vorn schauen, dann klappt das mit dem

Leben! Das Bild stören noch Manager, die bis

gestern als Leistungsträger gefeiert wurden,

sich durch positives Denken hervorgetan haben

und dann im Burnout weg vom Fenster

sind. Macht nichts? Ja, sie kommen zurück.

Menschen mit Lebenserfahrung stehen nach

einem Fehlschlag wieder auf. Auch Jugendliche,

die – in der Schule auffällig – Probleme

machen, können in eine gute Spur gebracht

werden. Man lehrt sie, was die anderen von

Natur aus hinbekommen. Wir sind besser

geworden, natürliche Abläufe zu analysieren

und haben spezielles Training entwickelt,

anderen zu helfen.

Die große Gruppe psychisch kranker Menschen,

die nicht eigenverantwortlich und

integriert leben können, allenfalls betreut

klar kommen, bleibt ein Problem für unsere

Zivilisation. Diese Unglücklichen hatten

zunächst einen unauffälligen Start. Das

sind weder diejenigen, die schon als Kinder

schwierig waren, noch Deprimierte in Midlifecrisis

oder Frauen, welche eine Depression

nach der Schwangerschaft ausleben.

Es sind keine, die mit ihrer Haschpsychose

kämpfen. Auch Patienten mit Delir, die eine

ganze Intensivstation beschäftigen, nach

einer gewöhnlichen Operation, finden leicht

zurück in ihr altes Leben, wie etwa der

Professor, der (noch einmal jung) im Liebeswahn

durchknallt. Auch dieser regeneriert

sich womöglich bald. Wir sollten demütig

vor unserer eigenen Natur bleiben, die das

Leben prägt, dankbar für Gesundheit als

Geschenk. Jedes Gehirn ist unter bestimmten

Umständen anfällig für einen Ausnahmezustand.

Langfristig Kranke jedoch sind anders.

Sie finden scheinbar keinen Ausgang aus

ihrer kleinen Welt voller Probleme. Diese

Bemitleidenswerten wiederholen sich ihr

ganzes Dasein lang. Schubweise eskalierend,

geraten sie in Not oder sind latent psychisch

krank. Sie scheinen ihr Gehirn dauerhaft

kaputtgespielt zu haben? Eine nicht kleine

Gruppe in unserer Gesellschaft entwickelt

ihre psychische Krankheit zu Beginn des Lebens,

aber anschließend der Ausbildung. Das

Bedenkliche ist wohl darin zu sehen, dass

diese Menschen zwar den Anforderungen

der Schule genügten, aber nie selbstständig

geworden sind. Sie werden nicht rechtzeitig

als labil bemerkt, dass ihre Fehler möglicherweise

korrigiert würden. Es sind keine

Menschen, die in ihr altes Leben zurückfinden.

Dort ist nichts. Sie haben quasi nie

gelebt. Jedenfalls nicht eigenverantwortlich.

Als Kind handelt man nicht selbstbestimmt,

lebt bei Eltern, in Obhut. Anders läuft es,

wenn Sternekoch Tim Mälzer seinen Burnout

bekommt. Er ist anschließend bald wieder

am Herd und lässt nichts mehr anbrennen.

# Man schreibt ein Buch, nimmt’s leicht

Überhebliche sollten bedenken, dass ein

Narr zu sein, kein Merkmal vorbestimmter

Gene ist, dieses Schicksal zu erleiden. Erziehung

schließt mit ein, falsches Handeln weiterzugeben

oder den Weg dafür zu bahnen,

Fluchten zu öffnen, die später das Abseits

bedeuten. Fehler im Entwicklungsprozess

sind nicht auf denjenigen beschränkt, der

diese begeht. Ein junger Mensch lernt von

seiner Umgebung und bringt sich zunehmend

selbst das gewünschte Verhalten

bei. Das Ziel, wie sich’s gehöre und unser

Empfinden, was uns gut tut, sollte Kinder im

gesunden Verhältnis wachsen lassen.

Wir sind als Gesellschaft dafür anfällig,

Menschen mit Geld, reichlich Besitz und

entsprechendem Erfolg hohe Wertschätzung

entgegenzubringen. Konsum, Perfektion und

Leistung stehen auf dem Wunschzettel. Wir

laufen deswegen Gefahr (und zusätzlich,

weil wir alles tun, moralische Ansprüche zu

erheben), immer mehr Mitgliedern des Systems

individuelle Bedürfnisse auszureden.

Diese Wünsche, Träume und ganz persönliche

Ansprüche ans Glück können nur mit

Geschick, aber nicht mit Gewalt und schon

gar nicht unerkannt befriedigt werden. Wir

müssen merken, was wir möchten. Ist zu sein

wie die anderen unser Ziel? Manche trauen

sich nicht, diese Frage zu stellen. Deswegen

erschafft eine perfekt erscheinende

Zivilisation wie nebenbei Menschen, denen

der Zugang zum natürlichen Selbst verstellt

ist. Hier geht es weniger um zutreffende

Schuldzuweisungen, die helfen würden,

das Problem lösen zu können, sondern die

Einsicht und Lernfähigkeit der Protagonisten

in einem vertrackten Theater zu beleben.

Emotionale Intelligenz sollte an der Schule

unterrichtet werden.

Mai 21, 2022 - Ich sehe Wald und keine Bäume 83 [Seite 83 bis 87 ]


Es dürfte auch welche treffen, psychisch

krank zu werden, die sich sicher waren, das

Leben begriffen zu haben? Oder das Übel

kommt von hintenrum ins Haus. So kann es

mit dem eigenen Kind passieren, dass dieses

nicht drogensüchtig würde, wofür man als

Eltern bekanntlich wenig belangt wird,

sondern psychotisch. Und dann bist du dran,

als Papa oder Mama. Die Eltern mit einem

behinderten Kind werden bedauert. Hat man

aber eines, das im Kopf krank ist, schlägt der

Tratsch darüber, woran es liegt, voll auf die

Eltern durch.

# Nicht ohne Grund?

Normalerweise lernen junge Menschen,

sich zurechtzufinden. Mit Hilfe der Eltern,

begreifen Kinder Gefahren und angenehme

Momente einzuordnen. Die Straße ist

gefährlich, der Herd ist heiß, im Winter

muss man warme Sachen anziehen, das ist

unbequem. Ein kratzender Pullover, muss

das sein? Eis essen macht Spaß, schaukeln

im Garten ist toll. Fein ist es, zu kuscheln!

Das Kind schmiegt sich gern an die Brust.

Sie duftet nach Mama und ist so weich. Gut

möglich, dass es erbliche Störungen gibt

und manche Kinder nur bedingt aufnahmefähig

sind, aber die Mehrheit entwickelt sich

normal. Das Problem des Erwachsenen ist

weniger ein Mangel an Normalität, sondern

die Bandbreite möglichen Funktionierens in

einer Umgebung, der es genügt, wenn man

nicht stört. Erziehung ähnelt anfangs der

Dressur, wo Tiere in Abhängigkeit gehalten

werden, weil Kinder notwendigerweise Zeit

benötigen, bis sie allein klarkommen. Manche

halten sich einen Hund, aber ein Kind

entwickelt sich. Der Hund wird immer Haustier

bleiben, während wir unseren Sprössling

beim Erwachsenwerden begleiten und

selbst immer mehr zurücktreten.

Die Pubertät ist nicht einfach. Dabei spielt

das unbewusste Hinterfragen der eigenen

Perspektive eine nicht zu unterschätzende

Rolle. Die integrierten Erwachsenen leben

aktuell die Möglichkeiten vor und entwerfen

unser Bild, was kommen wird, fordern

den Nachwuchs. Jugendliche mit psychischen

Auffälligkeiten beobachtet man jetzt

häufiger. Man probiert, ihnen frühzeitig zu

helfen. Je schneller das gelingt, desto besser!

Sonderlinge werden auch ausgegrenzt.

Das bedeutet, wer psychisch krank ist, hat

es doppelt schwer. Hilfe bei normalen

Krankheiten ist selbstverständlich wie die

Anteilnahme. Das soziale Stigma trifft diejenigen,

die wir zwar bedauern, aber gleichwohl

nicht begreifen. Sie verstören uns, wir

fürchten selbst die Kontrolle zu verlieren,

im Umfeld von Menschen, die sich und ihr

Leben nicht im Griff haben. Wir erleben als

Gesellschaft psychische Erkrankungen in

allen Altersstufen.

Bitter erwischt werden Heranwachsende,

die zunächst gut vorankommen und erst

während einer Ausbildung oder kurz darauf

krank werden. Gute Schulnoten und soziale

Bindungen meinte man zu erkennen. Was

sollte schiefgehen? Die Familie, Lehrer in

der Schule und die Freunde haben nicht

damit gerechnet. Es ist gar nicht selten,

dass ein hoffnungsfroh gestartetes Leben

scheinbar überraschend und jäh aus der

Bahn gerät. Die Einweisung in eine Klinik

erfolgt zwingend. Die Ärzte versuchen sich

in Diagnosen, übernehmen die Kontrolle,

während die Eltern hilflos mit ansehen, dass

ihr Kind es allein nicht schafft. Gut möglich,

dass sie selbst es waren, die eine Scheinwelt

aufgebaut haben. Das ändert nicht, dass

solche Eltern nicht verstehen, sich zu ändern,

noch rückgängig machen könnten, wie es

war, als Kind mit ihnen aufzuwachsen. Das

System der Familie scheint insgesamt zu

scheitern. Ihr kranker, aus seiner Lebensbahn

entgleister Sohn oder die Tochter ist nicht

isoliert betroffen. Nachbarn bekommen was

mit. Die jungen Patienten begreifen kaum,

was nun alles geschieht. Da scheint es für

die Gestrauchelten schwierig, noch eine

normale Karriere im Beruf oder emotional

stärkende Partnerschaften hinzubekommen.

Das zu ermöglichen, ist eine Herausforderung

für Helfende. Nicht selten ist der aufgesuchte

Arzt mit dieser Aufgabe überfordert.

Nur die Symptome können gebessert

werden, und man hofft, die Sache wachse

sich noch zurecht mit dem Erwachsenwerden.

Die anderen warten aber nicht darauf,

bis Nachzügler integriert sind.

Die Menschen nehmen andere, wie sie jetzt

sind und nicht so, wie sie sein könnten,

wenn man ihnen eine Chance böte, Defizite

aufzuholen. Die Gesamtheit der anderen

stellt den Einzelnen vor ein Problem, solange

er darin einen Block oder die geschlossene

Mauer begreift. Das ist ein gegenseitiges

Problem. Wenn jemand um Einlass bittet,

wo die Türen bereits weit geöffnet stehen,

werden Fremde misstrauisch und schließen

die Pforte. Normale sind smart. Die Lebensgewandten

rennen weder gegen die Wand,

wenn anderswo das Tor zur Burg geöffnet

ist, die Zugbrücke Händlern, Reisenden den

Weg ebnet, sie gleiten mit hinein, noch

schlagen kluge Menschen unnötigerweise

den Wachmann tot, nur weil dieser grimmig

ausschaut. Ein in der Selbstwahrnehmung

gestörter Mensch ist nicht in der Lage,

andere als Individuen zu erkennen. Ein Wald

besteht aus Bäumen, eine Mauer aus lösbaren

Steinen, sie könnte alternativ umgangen,

überklettert werden. Da müsste eine Brücke

sein, die Gesellschaft hat eine Tür, andere

aufzunehmen? Dafür muss der Einzelne aber

etwas merken und bemerken können, und

Narren fühlen ja nicht.

# Alle, die scheinbar nicht wie die Mehrheit

sind, bekommen das zu spüren

Als die Leute mehrheitlich gegen Corona

geimpft waren, beispielsweise, kippte die

Stimmung im Land. Von diesem Zeitpunkt

an wurde gesellschaftlicher Druck auf

Ungeimpfte spürbar. Nicht erwünscht sind

Menschen, deren Verhalten unerwartet

Probleme macht. Die breite Masse hält sich

für gleich und verlangt, dass andere nicht

nur die Gesetze, sondern auch ungeschriebene

Regeln einhalten. Möglicherweise

Andersartige stempelt der Mainstream ab.

Die moderne Gesellschaft gibt sich gern

weltoffen. Aber unter dem Deckmantel

unseres stabilen Systems brodelt es. Wir

wissen, dass Ausländer unter Anfeindungen

zu leiden haben. Wir haben mitbekommen,

dass homophobe Reaktionen für einige

problematisch sind. Religionszugehörigkeit

ist ebenso ein Thema, das polarisiert. Wer

bereits eine Gefängnisstrafe im Lebenslauf

hat, wird manches schwierig finden, und die

Reintegration solcher Menschen bedeutet

auch für die Gesellschaft eine Aufgabe und

nicht zuletzt ein Problem. Kinder sollten

durch ihr Aufwachsen in Familie, Schule

und Ausbildung übergangslos integriert

sein. Nicht immer klappt es. Oft bleiben

Menschen hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Besondere Schwierigkeiten entstehen, wenn

psychisch Kranke integriert werden müssen.

Unsere Bemühungen in dieser Sache sind

daran ausgerichtet, wer betroffen, wie die

Diagnose und damit die Entwicklung einzuschätzen

ist. Dazu kommt die Eigeninitiative

von Erkrankten als ein schwer kalkulierbarer

Faktor, sowie die unterschiedliche Qualität

der Betreuer, sich um Auffällige zu kümmern.

Unser Netz sollte problematische Menschen

auffangen, tut es oft nicht, sondern fängt

diese nur ein, schafft weitere Probleme und

verewigt das Leid.

# Bloßes Abfischen der Störer …

… bedeutet noch nicht die Integration von

verstörten Menschen. Das wäre nötig, eine

kritische Masse von vornherein klein zu halten

und diese Menschen zu respektieren, als

welche, die von den Gesunden so nebenbei

verstört wurden. Es wäre die Pflicht der Starken,

andere nicht kaputtzumachen, sondern

im Boot mitzunehmen. Viele Gruppen bilden

einen kämpferischen Verband. Das irritiert

diejenigen, die das nicht können. Sie sind

Menschen, die nicht lernten, selbst zu denken.

Sie sind nicht schwul. Sie wollen kein

Recht auf Abtreibung. Es sind nicht rassistisch

angefeindete Ausländer, keine, die sich

leicht mal solidarisch aneinanderbinden. Da

ist keine Religion, der sie vernünftigerweise

anhängen, allenfalls einem Hassprediger

folgen diese Menschen. Der moderne

Staatsfeind ist kein Kommunist. Das ist kein

rechter Nazi, dazu ist der aktuelle Querulant

zu diffus verordnet. Dieser Typus ist gegen

alles, scheinbar faul und ziemlich orientierungslos.

Dieses sozialschwache Unkraut,

wie es dem Nützlichen erscheint, läuft heute

mit den einen, morgen mit anderen – und

ist genaugenommen psychisch krank. Die

diffuse Gruppe Auffälliger wie auch still

Leidender mit ihren verschiedenen Störungen

zusammengenommen, bedeuten einen

anwachsenden Block innerhalb der Gesamtheit

der Leistungsträger, die wir mitnehmen

müssen. Das sind Menschen, denen der

normale Lebensentwurf einerseits zu Recht

suspekt ist und dem sie auf der anderen

Seite neidvoll hinterherlaufen.

Menschen, die einen funktionalen Gegenentwurf

leben und deswegen den Mainstream

ablehnen, sind selten. Ich bin tatsächlich

einer von ihnen. Ich zähle mich zu denen,

die scheiterten und es schließlich noch

schafften, aus dem Schaden zu lernen, mit

vorhandenem Material ein neues Lebensgebäude

zu zimmern. Aber, ich muss mich nicht

neu erfinden. Sprüche sind etwas für Idioten,

die nur so tun als ob. Es bedeutet mir keinen

modischen Einfall, endlich zu Pinsel und

Farbe zu greifen, nachdem ich Verschiedenes

probierte. Ich bin kein Spätberufener.

Mein Lebenswerk kann sich sehen lassen,

ich jedenfalls bin stolz auf ein umfangreiches

Œuvre. Es entspricht keinesfalls der

typischen Sehgewohnheit und ist, was ich

so hinbekomme. Ich bilde mir wenig darauf

ein, einen Platz in der großen Kunst zu

verdienen, weiß jedoch genau, wie viel ich

mich selbst änderte, seitdem ich kreativ bin.

Mein Stolz begründet sich scheinbar, und

ich weiß nicht, ob das anerkannt wird, in

nicht zu bestreitender Individualität. So, wie

ich heute arbeite, konnte ich anfangs nicht

Mai 21, 2022 - Ich sehe Wald und keine Bäume 84 [Seite 83 bis 87 ]


einmal denken, dies in vergleichbarer Weise

zu tun. Meine Kunst ist brotlos! Gut möglich,

dass ich erhebliches Potential verschenke

und weitaus besser sein könnte? Man müsste

die anderen offensiv damit konfrontieren,

um das herauszufinden und würde sich im

Austausch mit Rezipienten unzweifelhaft

steigern. Ich entferne mich von ihnen,

verschenke Tage, werfe mein Leben bewusst

fort, den möglichen Erfolg, um eine künstlerische

Zukunft inklusive Anerkennung vom

Ansatz her zu zerstören. Ich möchte meinen

Zorn behalten. Das ist die Motivation.

Die Bilder, meine Texte, damit verdiene ich

weder Geld, noch bekomme ich Anerkennung.

Ich kann das einfach

nicht. Frustration

treibt mich ins Abseits.

Ich stelle mich schon

durch meine Motivwahl

gegen die Erwartungen,

kümmere mich nicht

um etwaiges Vorankommen.

Ich nehme

mir keine Zeit für Kollegen,

die bewundernswert

arbeiten oder echte

Sammler, Galeristen

mit kreativen Verstand,

obgleich ich überzeugt

bin, dass sie existieren.

Es gibt so aufregende

und faszinierende

Kunst, das bemerke ich

zufällig, wenn ich auf

etwas stoße, das ganz aktuell ist und mich

tief berührt. Ich gehe dann sofort davon weg

und probiere, mich mit anderem zu beschäftigen.

Ich schaue es mir nicht an.

Ich denke an meine „Kunstfreundin“, wie

sie mitgegangen ist bei den Dummen und

empfinde in so einem Moment, dass ich nie

wieder aktiv Teil meiner Träume sein will.

Ich möchte mir einen Schatz der Erinnerung

bewahren. Da gibt es keine Zukunft, die sein

könnte, was ich verpasste, weil ich nichts

merkte. Sie war die mögliche Vergangenheit,

ein Modell davon, um zu verstehen, was

hätte sein können. Eine Vision zu kennen

und die Vernunft zu besitzen, auf diesen

Traum verzichten zu können, ist wohl mehr,

als ein verstörter Mann erwarten kann,

noch zu begreifen. Dafür gibt es keine Pille.

Nur ich selbst weiß, dass ich weit ging, um

dieses Geschenk annehmen zu können. Ich

fühle Frust, und das ist ein Schatz wie für

andere das Geld, die Liebe, was weiß ich?

Ein klebriger Brei konnte alles überfluten,

zutünchen und mit Schmutz bedecken,

woran ich glaubte.

# Da kommt der Cotton-Knüppel!

So meinen Zehnjährige etwa, wenn sie mich

sehen? Das hörte ich. Ich habe es auf mich

bezogen. „Mögen Sie Schwänze?“ fragen sie

mich am Schulgelände, wenn ich mit Einkäufen

dort lang gehe. Das sind Kinder. Ich

gehe nicht mehr zum Jazz. Der Cotton-Club

ist ein Musikkeller in Hamburg und der Ort

vieler Erinnerungen für mich. Gut möglich,

dass es als Begegnungsstätte für einige

taugte, mit mir ganz persönlich ein Theater

zu inszenieren, das meine Bekanntheit über

Schenefeld hinaus auf unliebsame Weise

vergrößert hat. Corona macht es leicht,

auf Kellerromantik zu verzichten. Es gibt

Musikkonserven, ohne dass man eine Platte

kaufen müsste. Keine Livemusik mehr, keine

Party, nie in eine Ausstellung, das ist die

Bedingung und der Preis, den ich zahle für

meine Abgrenzung. Menschen wirken nur zu

oft uniform auf mich oder pseudo-individuell.

Darauf darf man sich nicht einlassen. Ich

sehe den Wald, aber keine Bäume.

Es geht auf und ab. Gute und schlechte Tage,

jeder kennt es. Ich war neurotisch, jahrelang.

Es war nötig zu bemerken, dass andere mich

vorführen, ausspionieren und verarschen

wollten. Ich machte ja auch Fehler im Leben

und biete Angriffsflächen. Sie hatten ihren

Spaß. Falsche Freunde, und meine Familie

war scharf auf das Erbe, nachdem meine

Eltern gestorben sind. Das Geld macht

Menschen widerlich.

Alles kam

zusammen, man

muss nicht paranoid

sein, wenn

es echte Gegner

gibt. Heute ist es

besser. Ich bin

nicht unbekannt

im Dorf, aber vielfach

akzeptiert,

und die Reaktionen

gefallen

mir nicht selten.

Das sollte man

schon schreiben.

Es ist nicht alles

schlecht. Heute

winken mir unbekannte

Menschen

fröhlich zu, wenn ich mit meinem Fisch nach

Haus spaziere. Du kannst nicht zurück im

Leben, aber Frieden schließen mit früher.

Fröhlichkeit lässt sich teilen. Bin ich der Narr

von Schenefeld? Weiß ich ja nicht.

Ich habe Freunde, das genügt; keine Follower.

Und ich laufe bestimmt nicht quer.

Ich halte Kurs. Kein Wunder, dass es immer

wieder Ärger gibt, mit manchen, die sich

für besser halten. Ich wundere mich nicht

darüber, bin in solchen Momenten frustriert

und schöpfe Kraft aus meiner Unfähigkeit,

elegante Integration hinzubekommen. So

habe ich mein Thema gefunden. Echte und

damit individuelle Vielfalt gefällt mir. Ich

möchte meinen eigenen Ideen folgen, mag

nicht verschworen, quer demonstrieren (oder

modisch queer in einer Parade mitlaufen).

Warum solidarische Klumpen formen, Lichterketten

halten, irgendwo mit dabei sein,

nur weil’s scheinbar gut wirkt? Ich fühle

nicht mit und käme mir unehrlich vor. „Not

me!“ statt MeToo, so geht es mir regelmäßig.

# Achtung, Satire!

Es war nötig, Donald Trump bescheuert zu

finden, hauptsächlich, um dabei zu sein,

mitzureden. Keiner fragt heute noch, was

der macht. Und Trump selbst interessiert

nicht, was man in Deutschland von ihm hält.

Jahre zuvor hieß der Böse unserer Medien

noch Berlusconi, ständig regte man sich auf.

Der neue Blödmann ist Gerhard Schröder.

Wichtiger ist die Pandemie. Ein Thema für

alle, aber Corona macht allmählich schlapp,

das ist eine gute Nachricht. Wir werden es

vergessen wie Aids. Die Menschen schimpften

auf Kampfhunde, dann gegen rassistische

Polizeigewalt: „Can’t breathe!“ Man

positionierte sich für oder gegen Greta. Das

hat an Bedeutung verloren. Obwohl diese

Themen noch aktuell sind. Ist die Wirtschaft

von Griechenland und Italien tatsächlich gerettet?

Ich habe es nicht mitbekommen. Eine

Zeitlang wurde nur davon geredet. Hakenkreuze

auf Fahnen sind inzwischen verboten?

In den wenigen Farbfilmen von damals

sieht man, das war mehr als eine Mode. Ein

Meer aus roten Fahnen, und die Masse grölt,

streckt den Arm gerade hoch, fordert den totalen

Krieg. Was haben die Leute Adolf Hitler

bejubelt, unglaublich. Schwule Schwänze

oder Frieden für alle, was sagt uns noch

gleich Regenbogenfahne? Vergessen. Wie

schnell diese blau-gelben Wimpel überall

hingehängt wurden!

Es wird eine Zeit kommen, in der wir nicht

mehr wissen, wie die Farben der Ukraine

sind.

# Ich möchte nicht dazugehören

Unsere Politik gibt sich gern menschlich.

Putin sei böse, wir stehen zusammen und

so was wird gesagt. Im Inneren brodelt es

durchaus. Nur ein bisschen? Wir haben keine

Lügenpresse, aber ein Problem mit vielen,

die das postulieren und davon überzeugt

sind. Natürlich, Belarus ist fies, viel schlimmer

ist diese Regierung dort als unsere.

Das waren keine gefakten Bilder nach der

angeblichen Wiederwahl von Präsident

Lukaschenko, das glaube ich. China und

Russland bilden menschenverachtende

Systeme. Selbstverständlich unterdrückt

Präsident Putin die Meinungsfreiheit. Aber,

das tun unsere Politiker auch. Sie kommen

nur nicht so weit. Das sind hilflose Zuckungen,

Probierbewegungen, im Vergleich zu

dem, was der russische Präsident oder der in

China hinbekommen. Es gibt nirgendwo auf

der Welt gute oder faire Politik. Dies wird

nur behauptet von denen, die unsere Gesellschaft

zu steuern versuchen. Darum haben

wir eine Opposition. Die Polizei, wie sie auf

die Demonstranten einknüppelt, irgendwo in

einem totalitären System, das dazugerufene

Militär, wie wir das im Fernsehen sehen,

das sind Menschen, die gegen ihresgleichen

vorgehen. Und bei uns leben genauso

Menschen; das soll heißen, unsere Polizei

und unsere Soldaten wären nicht besser

unter entsprechenden Bedingungen. Uns

trennt nur die Funktionalität des gesamten

Landes von den Zuständen im Unrechtsstaat.

Die Menschen sind überall gleich. Politiker

pauschal abzustrafen, durch verbalisierte

Blockade des Staates, hilft wenig. Es ist eben

nicht einfach, ein gutes System zu pflegen.

Unser Rechtsstaat ist einer der besten. Wenn

Menschen wie ich zum Beispiel nicht mehr

zur Wahl gehen, schaden sie sich letztlich

selbst, durch ihre scheinbar sinnlose Bockigkeit.

Ich weiß das. Es sind die direkten,

menschlichen Abgründe, aus denen ich

kletterte, und deswegen bin ich frustriert.

Das ist der Grund, warum ich staatsfeindlich

empfinde. Da bin ich nicht der Einzige.

Der Fisch stinkt vom Kopf. Das bedeutet,

die Zentrale trägt die Verantwortung für

das Ganze. In einer Demokratie wählen die

Menschen ihren Fischkopf selbst. Sind sie

dann als Basis schuld, wenn das System in

Schieflage gerät? Ein Schwarzer-Peter-Spiel

nimmt an Fahrt auf. Da ist auf der einen

Seite der Staat und seine Ordnungskräfte,

die eine zunehmende Aggression bemerken.

Die Wütenden sehen die Schuld umgekehrt

in der Gängelung durch unsere Regierung.

Ihre beschnittene Freiheit erkennen viele

als unnötigen Akt von Staatsgewalt. Sie

verweisen mit selbstgedrehten Videos auf

Mai 21, 2022 - Ich sehe Wald und keine Bäume 85 [Seite 83 bis 87 ]


die Brutalität von vermummten Polizisten,

die mit Schlagstöcken oder motorisiert mit

panzerähnlichen Fahrzeugen unterwegs

sind und brutalen Wasserwerfern, die gegen

Demonstranten vorgehen. Die Staatsschützer

und Polizisten zeigen mahnend mit dem

Finger auf Extreme, die längst nicht mehr

ein schmaler Rand sind und rechts oder

links außen der Mitte Ärger machen. Sie

fordern die Ausweitung ihrer Befugnisse, die

der anderen Seite bereits viel zu umfangreich

sind. Wir begreifen, das moderne

Bild vom Chaos bedeutet scheinbar die

Zersetzung von innen heraus. Das Zentrum

ist ein löchriger Käse. Das vertraute Bild

vom Hufeisen mit den extremen, gegensätzlichen

Spitzen täuscht darüber hinweg,

dass der scheinbar starke Bogen unseres

Magneten befallen ist und dort, statt auf die

Pole beschränkt, seine Metastasen züchtet.

Der aktuelle Querkopf hält sich nicht an das

klassische Verständnis Antifa gegen rechts.

Aggressive gibt es überall, auch bei der

Polizei. Im reichen Deutschland zeigt eine

trotzige Masse mit dem Stinkefinger auf die

selbstgewählte Politik als einen dummen

Haufen. Schuldzuweisungen prägen das Bild

einer Gesellschaft, der es im weltweiten Vergleich

einfach nur zu gut geht. Wer Schuld

ist, verliert an Bedeutung, wenn das Land im

Ganzen aus der Kontrolle gerät. Mitlaufen

zur Mehrheit bekommt den Charakter einer

Meute von Passagieren, die wechselseitig

geschlossen von Backbord nach Steuerbord

stürmt, bis der Kahn kentert.

# Neue Ängste rühren auf

Alles könnte teurer werden, das Klima wird

kollabieren, Chaostage dürften die Regel

sein, wenn der Staat nicht gegensteuert

usw. – das droht der Wohlstandsgesellschaft.

Ehrlicherweise könnten wir bemerken, dass

wir, als die Reichen, bereits seit Jahren auf

ärmeren Ländern herumtreten und es auch

innerhalb Deutschlands nicht vermeiden,

Schwache fertigzumachen. Zu Recht weist

der russische Präsident und sein Außenminister

auf die Verlogenheit des Westens hin.

Natürlich wird in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg

geführt. Und ja, unser Altkanzler

Schröder tut gut daran, seine Position

erstmal zu rechtfertigen. Weiche Eier sind

bereits genügend vorhanden. Der Altkanzler

ist bereit, Nachteile in Kauf zu nehmen, geht

eben später vom sinkenden Schiff – oder

gar nicht.

Gutmenschen, die alles besser wissen, sind

mir suspekt. Wir geben uns sozial, sind es oft

nicht. Die Leistung und die gewohnte Perfektion

geben einen hohen Standard vor, den

Einzelne erreichen möchten, wenn sie ihn

noch nicht ihr Eigen nennen, weil sie jung

sind oder der Level gehalten werden muss,

wenn eine bestehende Verbindung Probleme

bekommt. Jede Gesellschaft übt durch den

Konsens mehrheitlicher Werte Druck auf

ihre Mitglieder aus. Wenn wir als Europäer

beispielsweise in China leben möchten,

werden wir manches anders finden, das dort

aber als richtig gilt. Eine steinzeitliche Sippe

müsste ihre Form in bestimmten Gebräuchen

gehabt haben, auch wenn wir darüber

kaum informiert sind. Das Mittelalter kannte

seinen Kodex, wie es richtig gehöre zu sein,

und wir im Westen interpretieren Identität

und freiheitliche Werte auf andere Weise als

die Russen. Jede Familie bildet bereits eine

Gruppe mit ihren typischen Regeln.

Zu lehren wäre, Schwäche zuzugeben. Das

stünde auch Wladimir Putin gut zu Gesicht.

Er könnte sagen: „Ich habe einen Fehler

gemacht. Wir sind zu weit gegangen. Dieser

Krieg ist falsch, dumm, und nun beenden

wir das Ganze – ohne irgendeinen Erfolg.“

Selenskyj könnte gleichwohl kapitulieren

und ebenso Leid beenden. Wir machen es

uns leicht, gerade stark zu empfinden als

Weltpolizist. Wer in der Ukraine lebt und

nicht politisch empfindet, dürfte vollkommene

Machtlosigkeit erleben. Wenn alles

kaputt ist, werden wir eine wahrhaftigere

Welt aufbauen als die jetzige.

# Das einzig Richtige ist vollkommener

Blödsinn?

Niemand glaubt ernsthaft, dass Putin sein

Ziel, in der Ukraine zu siegen aufgibt. Der

russische Präsident definiert das gewünschte

Ergebnis um, falls dieser Sieg zu schmal

wirken sollte. Die prorussischen Gebiete im

Osten zu bekommen, gilt westlichen Beobachtern

als Minimalziel, andernfalls erlebte

Wladimir Putin den politischen Tod. So bewertet

es aktuell ein Nachrichtensender. Das

Interessante daran ist wohl die ambivalente

Stabilität seiner Führungsposition. Während

wir dem demokratisch gewählten Kanzler

Olaf Scholz Führungsschwäche vorwerfen,

stellen wir Russland gern als unmündig in

der Hand seines Präsidenten dar, der allein

schuld ist. Nicht nur der Druck aus dem

Westen, auch Bestrebungen in Russland

selbst, dagegenzuhalten, werden den Angriff

provoziert haben und Putin ist mitnichten

der einzelne Mensch als isolierter Kriegstreiber,

dem es mal so gefällt zu ballern.

Das kann so nicht stimmen, denn erhebliche

wirtschaftliche und menschliche Schicksale

werden berührt, wenn dieses Russland in

seinen Krieg zieht.

Wir können laienhaft kaum beurteilen, wem

letztlich am Wichtigsten ist, hier Krieg zu

führen und worin eigentlich begründet seine

Ziele liegen. (Das sind die Ansichten eines

Künstlers, der bevorzugt Nackte malt). Ich

denke, man darf vorsichtig sein und offizielle

Verlautbarungen aller Positionen kritisch betrachten.

Die Macht des Präsidenten ist sehr

wohl mit dem Erfolg der militärischen Spezialoperation

untrennbar verbunden. Damit

kann man schlussfolgern, dass die Russen

nicht einfach schlecht informiert mitlaufen,

wie das möglicherweise im breiten Volk tatsächlich

geschieht, sondern ein handlungsfähiger

Apparat mit Galionsfigur Putin die

Ukraine attackiert. Nicht nur ein Führungszirkel

wie es gern heißt, sondern umfangreiche

Strukturen dürften ihre Interessen

gelten machen. Der russische Präsident kann

wohl keine Marionette sein und ist doch direkt

an seinen nötigen Erfolg gebunden wie

jeder andere Staatenlenker oder Manager,

der Boss im Clan oder Syndikat. Wir sollten

vorsichtig sein, was die alleinige Verantwortlichkeit

Putins betrifft und dem System

zutrauen, dass auch eine Autokratie nicht

als One-Man-Show daherkommt. Deswegen

und gerade, weil es absolut undenkbar

erscheint, dass die beiden Präsidenten Putin

und Selenskyj morgen oder so im Alleingang

verkündeten, spontan jegliche kriegerische

Handlung zu stoppen, weil nur so ein furchtbar

unnötiges Blutvergießen beendet würde,

darf man sicher sein, als kompletter Narr

dazustehen, verlangte man es (oder glaubte

wirklich dran, es geschähe nächste Woche).

Das tut schon weh, finde ich.

# Die Menschen behaupten nur, gut zu sein

Wir sind gegen Ausgrenzung, lehren, keine

Vorurteile zu hegen. Trotzdem schaffen wir

ein Schubladensystem. Eine Kommode mit

festen Unterteilungen. Und dann wollen

wir doch wieder alles durchmischen und

infizieren das Ganze mit Holzwurm. Die

Ordentlichkeit, mal gepflegt eine Lade rauszuziehen

und hineinzuschauen, lässt sich

niemand gefallen, der unfreiwillig hineingesperrt

wurde. Der verdeckte Informant hat

Hochkonjunktur. Die offene Polizei erlebt

verbreitet nie gekannte, verbale Angriffe,

allein deswegen, weil die Beamten durch

ihre Uniform und Ausstattung kenntlich sind,

scheinbar eine Projektionsfläche darstellen.

Alle, die davon mitbekommen, wenn jemand

austickt, werden den Querulanten, wenn es

etwa ein Nachbar ist, der pöbelt, weiter ausgrenzen.

Es scheint vergnüglich, unnötigerweise

Druck auszuüben und den Anteil der

polizeibekannten Spinner auf diese Weise zu

erhöhen. Hier arbeiten welche (die sich für

klug halten) mit, andere dumm zu machen,

ja böse, die bislang noch als verwirrt gelten

könnten. Eine neue Qualität von Staatsfeinden

ist der Querdenker-Szene erwachsen,

sagen die, die es zu regulieren haben, den

Kopf hinhalten müssen, wenn es zur Eskalation

kommt. Die Polizei beginnt in Teilen, die

Nerven zu verlieren. Einige Beamte schlagen

zu. Manche heimliche Chatgruppe wird

aufgedeckt. Das sind Polizisten, die radikal

denken, für den Erhalt der Ordnung auch

mal den eigenen Rahmen übertreten. Man

beschwichtigt, es mit Einzelfällen zu tun zu

haben.

# Der Narr spricht’s aus, die anderen halten

den Mund

In einer unübersichtlichen Fake-Welt behalten

diejenigen den Durchblick, die von den

Auskennern des Systems belächelt werden.

Kreative dürfen den Ameisenhaufen von

außen darstellen. Die Arbeiter:innen laufen

nur ihre bekannten Straßen rauf und runter.

Ich würde sagen, ein gefährlicher Prozess

innerer Zersetzung nimmt Fahrt auf. Unser

Wohlstand ist in Gefahr, ist der eigentliche

Grund. Unsere Werte können nicht gehalten

werden, wenn welche hinter die Fassade

schauen und die sauberen Westen der Gutmenschen

Dreck verbergen. Der Staat nennt

es Transparenz, sensible Daten habe man im

Blick, ermittelt verdeckt das Böse. Der große

Lauschangriff als Rohrkrepierer, nackte

Kanone. Man kommt nicht offen: „Ich bin

der Kommissar und hätt’ da mal ’ne Frage …“,

lügt uns die Hucke voll. Blindgänger säumen

das Terrain. Das Dorf lauscht mit, will heute

Mäuschen sein – der Kanonenschuss lässt

einen Spatz auffliegen.

Diese Beobachtungen (ich kenne mich

aus) lassen nur den Schluss zu, dass die

Gesellschaft insgesamt ein Problem hat.

Das können auch nur alle gemeinsam lösen.

Nicht wenige organisieren sich, die Vielfalt

macht es möglich, dass jedermanns Freiheit

neue Aggression schafft. Da verlieren welche,

die allein nicht klarkommen und sich in

keine Gruppe integrieren. Das ist die nicht

unerhebliche Masse der Sozialschwachen.

Sie laufen hier mit und da, erbringen sich

selbst kaum Gewinn für einen Lebenserfolg,

was immer das heißt, nutzen nur welchen,

die sie manipulieren können oder Ärzten, bei

denen sie regelmäßig landen. Manche füllen

Mai 21, 2022 - Ich sehe Wald und keine Bäume 86 [Seite 83 bis 87 ]


Klinik oder Knast. Zahlreiche Menschen

fallen der Gesellschaft zur Last. Es werden

mehr? Dann machen wir als Gesamtheit

etwas falsch. Es nützt wenig, Spinner zu

beschuldigen und nicht wahrhaben wollen,

diese selbst wie Unkraut zu ziehen, wo wir

Nutzkräuter möchten. Unsere Bewertung

überfordert nicht wenige. Wir schmeißen sie

nur scheinbar aus dem Garten. Sie wuchern

nicht draußen oder landen im Müll. Es gibt

keinen alternativen Planet für sie.

Ich bin vom Fach. Der Künstler ist ein

Polizist ohne Staatsanwalt, Gericht oder Gefängnis,

wir decken auf und machen unsere

Wahrheit sichtbar. Wir lügen das Blaue nicht

vom Himmel. Wir verwenden Farbe, und

dann sieht man Wetter. Wo andere bislang

nur weiße Leinwand im Laden kauften,

nutzen wir diese. Wenn die Masse streamen

muss, singen wir noch selbst, schreiben uns

frei. Unser Theater ist besser. Wir schauen

hin und machen was daraus. Ich bin nicht

verrückt, stehe aber anders zum Ganzen.

Kunst kann nicht nach dem Motto verschoben

werden: „Ist das Kunst oder kann’s weg?“

Nur Dumme erkennen keine Unterschiede.

Oder eben die Narren, die bekanntlich nichts

fühlen oder merken. Was, wenn es mehr

davon gibt in unserer Gesellschaft, als gemeinhin

bekannt? Das wäre problematisch

für uns. Alle verrückt, wäre ziemlich scheiße.

Wie in Schilda etwa, würde Deutschland sich

selbst als Gemeinschaft verspielen, Geld

verlieren und noch den kollektiven Verstand.

Als Normalerkrankter mit Hexenschuss,

Schnupfen oder internistisch definierten

Problemen, nur als ein Beispiel, fällt das

Stigma, welches psychisch Gestörten anhaftet,

weg. Wir haben uns darauf verständigt,

psychische Krankheiten diagnostisch zu

benennen und verschiedene Einrichtungen

konzipiert, die als Anlaufstelle oder Ort der

Betreuung gesellschaftliche Notwendigkeit

geworden sind, wie viele andere Strukturen

unserer modernen Zivilisation. Die Welt

gestalten alle mit. Wir werden hineingeboren

und müssen die Umgebung zunächst

akzeptieren.

# Der eigene Platz zu leben, wie sieht er

aus?

Der gewöhnliche Mensch nutzt den Arzt,

geht selbst hin, kann im Krankenhaus

behandelt werden. Der psychisch Kranke

wird versorgt, aber nicht immer haben diese

Menschen noch die Fähigkeit, selbst zu

kontrollieren, wie das läuft. Dann greifen

die bekannten Strukturen. Mehr noch als

andere, erfährt der psychisch Kranke, welcher

aufgrund seiner Unfähigkeit, für sich

allein zu sorgen, zum abhängigen geworden,

unselbstständig ist, die Bindung an die

helfende Struktur. Das bedeutet für uns

alle, ein gesellschaftlich nicht ausreichend

begriffenes Problem geschaffen zu haben.

Wir können psychisch Kranke nicht gesund

machen, wenn wir diese führen, begleiten

und medikamentös einstellen, sondern

ihre verstörende Aktivität nur kanalisieren.

Wie aus einem natürlichen Flusslauf eine

künstliche Wasserstraße, formen wir aus den

Abnormen eher ein Material. Es bringt dem

Ganzen noch geringen Nutzen, beschäftigt

Menschen auf Arbeitsplätzen in der Medizin,

dem Gefängnis und anderen Sozialeinrichtungen.

Unsere Förderung erwirkt kaum die

Selbstbestimmung und natürliche Entwicklung

gesunden Lebens. Wir lassen die

auffällig gewordenen Menschen nicht mehr

los. Sie sind als Narren gescheitert, weil

sie nicht zu fühlen lernten, und wir lehren

sie nicht, es nachzuholen. Im Gegenteil, die

Pharmazie ermöglicht den Spezialisten, aus

einer an sich hilfreichen Medizin, die lebenslange

Bindung zu machen, die mancher Arzt

zu schätzen weiß, dem ein Patient anvertraut

wurde oder sich selbst offenbarte,

allein nicht klarzukommen.

Ist so einer zudem noch polizeibekannt, ist

es vorbei mit der respektierten Beziehung

zum Freund und Helfer. Der einfache Geist

der Ordnungshüter versagt in der Grauzone

von Krankheit und Straftat. Der Polizist ist

nicht mehr dein Freund in so einem Fall.

Der Arzt ist gleichwohl nicht der Kumpel,

dem wir uns anvertrauen. Der Arzt steht

zwischen der Gesellschaft und dem Kranken,

ein Freund steht an deiner Seite, das macht

den Unterschied. Es klafft eine Lücke zwischen

der Unmöglichkeit von Familie und

Freunden, Kranken zu helfen, die überfordert

sind, ihre Mitmenschen mitzunehmen und

dem Netz der Profis, welches die Sonderlinge

abfischt und im eigenen Bassin hält. Ein

Helfer ist nicht selten bindend im Anspruch,

die Hilfe auf genau seine Art aufzuzwingen.

Hilfe zur Selbsthilfe kann für den Narren als

solchen nur bedeuten, das Fühlen endlich zu

lernen (wie der erwachsene Analphabet gut

dran tut, sich nicht durchzumogeln, sondern

Lesen und Schreiben zu lernen).

# Narren werden ausgenutzt

Solange der Verrückte nicht gewalttätig ist,

macht er Spaß als unterhaltender Clown,

nicht wissend, einer zu sein. Das ist unsere

Gesellschaft, menschenverachtend. Darum

gibt es Suizide, darum gibt es Amok. Jeder

piesackt die anderen ein wenig, einige trifft

es mehr. Wir sind nicht gut, besser etwa als

im Mittelalter, wo noch Hexen verbrannt

wurden. Der Einzelne wird böse handeln,

wenn sich die Möglichkeit bietet, scheinbar

zu gewinnen. Zu lehren, dass materialistisches

Vorankommen nicht selten eine

existenzielle Seifenblase bedeutet, die

unerwünscht zerplatzt, könnten wir besser

machen. Wir sind nur so gut, wie wir durch

den Rahmen sein können, den das System

bildet. Einbildung macht dumm. Einige

kommen weit damit, besetzen gute Plätze.

Sie nutzen Stärke, ohne anzuerkennen, dass

nur die Umstände günstig waren. Emotional

könnte das Leben reichhaltiger sein, wenn

Menschen ihre Macht weniger missbrauchen

würden, sogar für diese selbst. Geteilte Kraft

dürfte nicht wenige voran bringen, die eifersüchtig

darauf hinwirken, stark zu scheinen.

Die Chance für den Einzelnen besteht darin,

die geistige Gesundheit als ein Geschenk

zu begreifen, weniger als eine Leistung. Das

ist sie nur für diejenigen, die diese bewusst

erbracht haben.

:)

Mai 21, 2022 - Ich sehe Wald und keine Bäume 87 [Seite 83 bis 87 ]


Katastrophe sind wir nackt: Vielleicht bleibt

mein Anliegen, besondere Geschichten zu

erzählen, in der Plattheit eines misslungenen

Versuchs stecken, wie man das bei

Schriftstellern kennt, die Großes wollten

und Billiges machten? Das mögen andere

bewerten.

# Tante Hedwig

Kurz Malheur

Jun 8, 2022

Ich male

noch. Immer

noch an

dem großen

Bild, das

„Selfexecuties“

heißen

wird. Ich bin

seit etwa

einem Jahr

im Thema.

Klar, wenn

man einfach

zu verordnen ist, heißen die Themen Porträt

oder Landschaft. Manche malen abstrakt

und sagen dann, was das bedeuten soll. In

meinem Fall geht das nicht so gut. Das Thema

kann mit einem Begriff gesagt werden

oder man schreibt eine Inhaltsangabe, was

zu sehen ist, um sich dem Ganzen anzunähern.

Könnte man das befriedigend tun, alles

aufschreiben, müsste nicht gemalt werden.

Eine Kurzgeschichte, ein Roman oder ein

Video, das, was einen umtreibt, in einen

Film zu bannen, wären natürlich gleichwohl

Möglichkeiten zu arbeiten.

In unserem Familienstammbaum

findet sich um einige Ecken herum

die noch bekannte Hedwig Courths-

Mahler. Über meine Mutter käme

man nach einigen Verzweigungen

von Tanten und Cousinen bis zu der

Berühmten, hieß es. Sie schrieb erfolgreiche

Schnulzen. Bis zu vierzehn

Romane pro Jahr produzierte die

Fleißige. Der Spott der Literaten traf

insofern, als dass man ihren Namen

verballhornte. „Kurz-Malheur“ nannte

man ihre Liebesromane. Wohin die

Reise geht? Simenon gelang es mit

„Maigret“, den Groschenroman hinter

sich zu lassen und nach einigen

Übungen Weltliteratur zu schaffen.

Ich hoffe dementsprechend noch,

was meine eigenen Farbwunder

betrifft. So wichtig ist das Berühmtsein

nicht.

:)

# Kunst oder weg?

Eine Ballade dichten, ein Lied schreiben; viele

Wege führen nach Rom auch in der Kunst,

wenn es darum geht, sich mit irgend etwas

herumzuschlagen und die passende Umsetzung

zu nutzen, die individuelle Sprache

einer Kunstfertigkeit einzusetzen. Romane

werden oft verfilmt. Es gibt Musicals, die auf

anderem basieren, das bereits erfolgreich

war. Auf gutes Kino, nach der Skizze vom

Drehbuch produziert, folgt der Roman zum

Film. Noch nie hörte ich davon, dass jemand

den „Schrei“ von Munch vertont hätte. Auch

von einem verfilmten Gemälde habe ich

bislang nichts mitbekommen. Eher dürfte

jemand Hopper zum Krimi machen, etwa

„Nighthawks“ oder „Conference at Night“,

als mit Jackson Pollock überzeugend zu behaupten,

eines der abstrakten Großgemälde

in einen Kinofilm verwandelt zu haben. Da

schafft man allenfalls eine Bio des Malers,

könnte wie Disney in „Fantasia“ durch tonalen

Kabelsalat dödeln. Zum Schluss wären

viele enttäuscht, selbst wenn ein toller Film

entstünde: Pollock bleibt unnachahmlich

wie Edward Hopper, glaube ich.

Mich möchten die wenigen die sich trauen,

etwas zu sagen, als Pornomaler begreifen?

Da wäre ich in diesem Genre, das gibt es ja,

kaum konkurrenzfähig. Meine Vorbilder sind

Realisten, die nicht die Realität malen, eine

abstrakte Situation thematisieren. In der

Jun 8 21, 2022 - Kurz Malheur 88 [Seite 88 bis 88 ]


Lippenbekenntnisse

und ein Impfstoff, der

nicht wirkt

Jun 12, 2022

Ein neuer Subtyp

treibt sein Unwesen,

die Zahl der

Erstimpfungen

stagniert. Kaum einer,

der bislang nicht gegen Corona geimpft ist,

fängt jetzt noch an, sich auf den Weg zu

machen für eine vollständige Impfung. Was

soll das denn sein? Der angepasste Impfstoff

wird nicht fertig. Die Firma übt noch. Eine

Sommerwelle käme ungelegen. Die Gesellschaft

begreift zweierlei: Die Impfung

schützt nicht, und ein Test ist kaum mehr, als

der zweite rote Strich. Es hilft nichts, außer

man gehört zu denen, die sich selbst helfen

können. Inzidenz ist nur ein Wort: Menschen

sterben, und sie haben Omikron. Corona war

gestern. Langes Covid ist was für die, die es

brauchen. Manche haben Schnupfen und fragen

nicht viel. Früher gab’s die Mode. Heute

dominieren Viren. Wer was auf sich hält, hat

Affenpocken? Immer was Neues.

# An die militärische Spezialoperation in der

Ukraine gewöhnen wir uns

Wie die Leute in Orwells Roman, Krieg in Eurasien:

Israel macht es vor, irgendwo knallt’s

halt mal. Hier bei uns genauso. Einer hat ein

Auto in die Masse gefahren, eine Lehrerin

ist tot, und der Mann kommt in die Forensik.

Das ist unser Krieg in Berlin und anderswo.

Er lebt auf.

Lippenbekenntnisse formen das Cabaret

der anderen. Das sind Menschen, die uns

alle Tage enttäuschen. So viele Versager

und noch mehr Frauen, die nichts gebacken

kriegen. Da hilft keine Quote. Sie reden,

schimpfen, möchten Papst sein. Diese dummen

Weiber können den Maulschlüssel nicht

vom Haustürschlüssel unterscheiden und

wollen doch anderen die Seele versorgen.

Immer gehetzt, hilft ihnen weder Maske,

Booster noch Fahrradhelm, weil ihr Problem

ist, gemocht werden zu wollen. Sie müssen

dauernd zum Arzt, haben alles und endlich

Krebs. Frauen meckern, fordern, geben keine

Liebe. Sie studieren, managen und haben

das Leben verlernt. Sie sind überfordert, und

wen wundert das? Die Mensch:in ist die

letzte Mutation. Wir werden in Putins finalem

Atomblitz davon befreit, mit ihr auskommen

zu müssen. Solange die Gesellschaft an

sich selbst, dem unreifen Menschen krankt,

werden schmerzhafte Ereignisse folgen.

„Die sind hier alle verrückt!“, sagt der demente

Alte über Mitbewohner im Heim. Ich

bin seiner Meinung. Mein Heim ist Deutschland

und mir geht es gut – noch.

Uvalde ist schon wieder vergessen, das

war der amerikanische Albtraum im Mai.

Die böse Waffenlobby sei schuld, haben

die Leute beschlossen und machen weiter.

Was sollen sie auch tun? Auch

bei uns, hilflos schippern wir

von Tod zu Tod. Alle lügen

immer, manche wissen, dass sie

andere gelegentlich verletzen,

mit ihrem Theater. Die meisten

halten sich für gute Menschen

und wissen es nicht.

A. hat sämtlich die Porträts

vom eigenen Gesicht (oder die,

die es nötig finden, haben alle

Bilder von ihr) im Google gelöscht.

Genauso eine Veränderung

beim Nachfragen meines

Namens. Gibt man „John Bassiner“

ein, ist, was man zu sehen

bekommt, innerhalb weniger

Tage um einiges reduziert

worden. Zufall oder steuert ein

Mensch das bewusst; wem ist wichtig, was

dort sichtbar ist? „Missbrauch melden“, ist

ein Feld, dass der Nutzer auf manchen Webseiten

ankreuzen kann. Der Bürger als Polizist,

das wäre ja gut, oder ist dein Nachbar

als Herr Lynch unterwegs, weil er dich nicht

mag? Dann wäre dieses „melden“ selbst der

Missbrauch. Nicht einfach zu überprüfen.

Eine Suchmaschine ist halbautomatisch wie

ein Fahrzeug, das vom Fahrer gelenkt fährt,

aber den Motor muss man nur starten, und

vieles erledigt das System, ohne dass wir

ständig auf diese Details schauen. Google ist

eine vergleichbare Struktur, von Menschen

gemacht und von ihnen kontrolliert. Jemand

ordnet den Algorithmus, und das ist kein

Fake, das ist Deutschland. So kommt es mir

vor. In anderen Suchmaschinen kommen

andere Bilder. Auch Google mischt mal so,

mal so. Google ist eine Maschine, die von

Menschen manipuliert wird. Die Realität

ist kein Bild, aber wir orientieren uns an

unserer Information. Freiheit ist wählen

können. Könnte man unsere Gehirne direkt

umschreiben auf eine passende Erinnerung

wie gewünscht, würde es bestimmt gemacht.

Vielleicht kommt es noch. Früher war der

Rat, mit der Vergangenheit Frieden zu

schließen. Heute sind wir klüger. Wir löschen

unsere digitalen Spuren, fertig. Oder wir

manipulieren die Bilder und Texte anderer,

wenn wir die Macht dazu haben.

# Ihr Leute hier um mich herum, ihr habt

mich verändert!

Ich finde es schade, tatsächlich, dass der

Mann in Berlin nur eine Person töten konnte,

als er seinen Wagen in die Menge lenkte.

Nicht mehr, als ein verrissener Zufallstreffer.

Zwei oder drei hätte er schaffen können,

wenn er besser gezielt hätte. Die Waffen,

die Deutschland der Ukraine liefert, sind

wirkungsvoller. Die ballern richtig! Nur

eine einzige, überflüssige Lehrerin, da kann

das Ganze kaum als Amoklauf gelten. Kein

islamistischer Terror, nicht einmal Nazi war

der Mann, sagen sie. Diesen Tag in Berlin

werden wir schnell vergessen. Die Angehörigen

löschen noch die WhatsApp der Frau

und was sie gepostet hat irgendwo.

Aus.

:(

© 2022 I John Bassiner, 22869 Schenefeld bei Hamburg

Jun 13 21, 2022 - Lippenbekenntnisse und ein Impfstoff, der nicht wirkt 89 [Seite 89 bis 89 ]

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