Blogtexte2022_1-Halbjahr
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Blog 2022
Meine Blogtexte auf johnbassiner.de | 10. Januar bis 12. Jun 2022
1. Halbjahr
Blogtexte 2022, 1. Halbjahr / Inhaltsverzeichnis - Datum, Titel der Publikation auf https://johnbassiner.de
# Seite
Jun ........................................................................................................................................................................................................................
16, 2022 - Inhalt: Blogtexte vom 10. Januar bis zum 12. Jun 2022
2
Jan ........................................................................................................................................................................................................................
10, 2022 - Bald ist Frühling!
4
Jan ........................................................................................................................................................................................................................
16, 2022 - Neue Variante
5
Jan ........................................................................................................................................................................................................................
18, 2022 - Positivleugner
6
Jan ........................................................................................................................................................................................................................
25, 2022 - Sinn des Lebens
7
Jan ........................................................................................................................................................................................................................
28, 2022 - Es ist immer Mai
8
Jan ........................................................................................................................................................................................................................
29, 2022 - Bridget
9
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
3, 2022 - Keine Feinde, keine Kekse
10
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
5, 2022 - Zeit zu verschenken
11
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
8, 2022 - Was sagt Onkel Gerd dazu?
12
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
9, 2022 - Schade
13
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
10, 2022 - Das elfte Gebot
14
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
11, 2022 - Klappe
15
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
13, 2022 - Elche oder welche?
17
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
18, 2022 - Vieh
19
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
19, 2022 - Mutationen
20
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
21, 2022 -„Go for that!“
22
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
23, 2022 - Neue Grenzen
23
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
23, 2022 - Schicksal
24
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
25, 2022 - Wir brauchen Angeklagte
25
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
27, 2022 - Neue Weltordnung
26
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
27, 2022 - Hornblower
27
Feb ........................................................................................................................................................................................................................
27, 2022 - Historisch
29
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
2, 2022 - Schuss überhört?
30
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
3, 2022 - Wiederholung
31
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
4, 2022 - John Lennon gewinnt noch
32
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
4, 2022 - Lawrow, Schröder, Putin
33
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
6, 2022 - Schöne Zeit!
34
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
8, 2022 - Schwachsinn
38
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
10, 2022 - Weltaufmerksamkeitstag
39
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
12, 2022 -„Einige Ergebnisse wurden (...) entfernt“
40
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
10, 2022 -„Bassi“ wäre neunzig heute
43
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
17, 2022 - Rad ab?
45
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
19, 2022 - Wertschätzung auf Russisch
48
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
20, 2022 - Aleksandra* kennen wir nicht
49
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
19, 2022 - Material
50
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
19, 2022 - Unsere tägliche Kunst gebt uns heute
54
Mrz ........................................................................................................................................................................................................................
27, 2022 - Der letzte Tag
55
Apr ........................................................................................................................................................................................................................
1, 2022 - Orbit
56
Apr 3, 2022 - Die Windmühle am Weinberg des Herrn
57
Blogtexte 2022, 1. Halbjahr / Inhaltsverzeichnis - Datum, Titel der Publikation auf https://johnbassiner.de 2 [Seite 2 bis 3 ]
Blogtexte 2022, 1. Halbjahr / Inhaltsverzeichnis - Datum, Titel der Publikation auf https://johnbassiner.de
# Seite
Apr ........................................................................................................................................................................................................................
8, 2022 - Alle sind Putin
60
Apr ........................................................................................................................................................................................................................
9, 2022 - Hassprediger haben Zukunft!
61
Apr ........................................................................................................................................................................................................................
12, 2022 - Gegen Demos
62
Apr ........................................................................................................................................................................................................................
13, 2022 - Wir spielen
63
Apr ........................................................................................................................................................................................................................
16, 2022 - Was hast du schon davon?
64
Apr ........................................................................................................................................................................................................................
19, 2022 - Erledigt sich von selbst
66
Apr ........................................................................................................................................................................................................................
23, 2022 - Wir lehren, wollen den Wahnsinn?
67
Mai ........................................................................................................................................................................................................................
1, 2022 - Durch die Blume geschaut
69
Mai ........................................................................................................................................................................................................................
4, 2022 - Unverschämt!
72
Mai ........................................................................................................................................................................................................................
5, 2022 -„Das Ohr zur Welt“
73
Mai ........................................................................................................................................................................................................................
8, 2022 - Muttertag
76
Mai ........................................................................................................................................................................................................................
10, 2022 - Hundert Prozent Wunschdenken, sechzehn real
78
Mai ........................................................................................................................................................................................................................
11, 2022 - Wer ist gesund?
79
Mai ........................................................................................................................................................................................................................
12, 2022 - Wer ist Thomas Losse-Müller?
80
Mai ........................................................................................................................................................................................................................
15, 2022 - Dumm sind wir
82
Mai ........................................................................................................................................................................................................................
21, 2022 - Ich sehe Wald und keine Bäume
83
Jun ........................................................................................................................................................................................................................
8, 2022 - Kurz Malheur
88
Jun 12, 2022 - Lippenbekenntnisse und ein Impfstoff, der nicht wirkt
89
Blogtexte 2022, 1. Halbjahr / Inhaltsverzeichnis - Datum, Titel der Publikation auf https://johnbassiner.de 3 [Seite 2 bis 3 ]
Ich habe meinen Bart leicht gestutzt, und
meine Frau schimpft weniger. „Gut siehst du
aus, Großer!“, grüßt mich fröhlich Nachbar
Pavlos.
„Der verarscht dich bloß“, heißt es
abfällig, als ich zu Hause davon
berichte.
# Ich lass’ nichts an mich ran
Kein Arzt, kein Frisör: Ich gehe
nicht zum Impfen, mache einen
Bogen um die Testzentren. Bloß
nicht hingehen, wo die Idioten sich
tummeln, ist meine Devise. Auch
zu Hause, jeder hat sein Zimmer,
und ich male im Atelier. Ich gehe
kaum vor die Tür: „Spaziergänge“
genieße ich allein. Ich schreibe
nie Mails, ich bekomme keine. Ich
habe Freunde. Mit Hilfe von Oomke,
Bernd und Heike wurde die Jolle wieder
richtig herum gedreht, nachdem ich den Boden
malte und die Außenhaut lackierte. Routine
wie in jedem Jahr. Weihnachten hat
Niels angerufen! Es gelang, mit Susanne
zu klönen.
# Ein Russe schert sich nicht darum, was
morgen ist
Manche leben übermorgen noch, andere
nicht. Von den Flüchtlingen, die Lukaschenko
als Pfand nützten, ist nicht mehr die Rede?
Es ist Winter geworden. In Polen findet der
noch statt. Es sollte dort ungemütlicher sein
als Anfang Dezember. Eigentlich war das ein
humanitäres Thema auf dem Spitzenplatz. Im
Internet findet man wenig, aber im Wald an
der Grenze gibt es noch Probleme, glaube ich.
Oder die Lage hat sich entspannt? Da habe
ich was nicht mitbekommen: Wahrscheinlich
hat Olaf die Armen einfach (heimlich) zu sich
nach Hause genommen und irgendwem Geld
gegeben, damit nicht noch mehr kommen?
Man merkelt weiter. So regelt sich alles, und
bald ist ja auch Frühling!
Ach ja: „Pushback“ ist das Unwort des Jahres
2021.
Alles geregelt.
:(
Ich habe Karten bekommen, wenige verschickt,
mailte Montse ein Foto: „… failed
to send the card.“
Und dto. kam die Antwort aus
Terrassa.
Weihnachten ist erledigt!
Ich bin nirgends im Netzwerk
und schon gar nicht verschworen
quer. Ich freue mich über jede
Chaosnachricht im Fernsehen.
Unruhen in Kasachstan gelten als
furchtbar, den Sturm auf das Kapitol
habe Trump verschuldet, heißt
es zum Jahrestag. Biden sei der
gute Präsident und bessere Gutmensch,
meint er von sich selbst,
und die hiesigen Demos wären
von rechts unterlaufen, sagen die,
die es wissen müssen.
Bald ist Frühling!
Jan 10, 2022
Bald ist Frühling, ich freue mich darauf! Meinetwegen
kann dieser Winter gern ausfallen;
man hat sich daran gewöhnt, dass es nichts
mehr ist mit Schnee, zugefrorener Elbe, Alster.
Wie früher Schlittschuhlaufen möchte ich
mit meinem lädierten Knie ohnehin nicht.
Passt schon, diese Klimakatastrophe. Omikron
nervt, wirkt aber überschaubar, und dass die
Impfpflicht beschlossen wird, ist nur bedingt
wahrscheinlich. Der Kanzler:in ist klug wie
die alte und sagt schnell nichts, Respekt!
So hat jeder seine Propaganda.
Bei uns gelten die Demonstranten als verrückt
und gewaltbereit, das sei gefährlich.
Die Kasachen wären Helden und würden
erschossen, meint man im Fernsehen. Die
Krim wurde von den Russen annektiert. Die
Ukraine von der Nato?
Das ist die Polentorte
der Gegenwart. Kunstfreund
Wladi malt rote
Linien. Immer was los
in Asien. In Deutschland
sorgen sich alle
wegen der Zukunft.
Jetzt müssten nur noch einige Wochen überstanden
werden, und dann kommt das Boot
zu Wasser. Natürlich, ich könnte mich infizieren.
In meinem Alter steht eine schlechte
Prognose wie’s verläuft im Raum. In einem
Geschäft, das ich regelmäßig aufsuche, hat
sich die gesamte Belegschaft angesteckt.
Zwei Wochen lang fehlte das Stammpersonal.
Auf Nachfrage, was mit den anderen sei,
meinte die Aushilfe: „Corona.“ Inzwischen
sind alle zurück: „Wie Erkältung“, untertrieben
klingt das nicht.
Jan 10, 2022 - Bald ist Frühling! 4 [Seite 4 bis 4 ]
Neue Variante entdeckt
Jan 16, 2022
# Der „Präsident des Bundesverfassungsschutzes
Haldenwang sieht bei den Corona-
Demos eine neue Szene von Staatsfeinden.
Diese hätten keine gemeinsame Ideologie,
sondern würden den Rechtsstaat als solchen
und dessen Repräsentanten grundlegend
ablehnen, so Haldenwang in der Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung“, berichtet
Moderatorin Jana Pareigis in der Heute-
Sendung um 19 Uhr.
Das war gestern, am 15. Januar, und heute ist
Sonntag. Man kann die Sendung in der Mediathek
abrufen, das habe ich getan. In der
Überschrift, die vor dem Gesicht von Thomas
Haldenwang eingeblendet ist, steht der
Begriff „Staatsfeinde“, aber nicht, dass es sich
um Feinde des Rechtsstaates handelt. Bürger
und Bürgerinnen haben ein Problem mit
dem Staat? Niemand hat etwas gegen das
Recht, solange der einzelne glaubt, seines
bekommen zu können. Wir – und für uns das
scharfe Auge von Thomas Haldenwang – erkennen
also Menschen, denen das Vertrauen
in den Staat abhanden gekommen ist.
Recht bekommen möchten alle. Die deutsche
Demokratie ist nach dem Zweiten Weltkrieg
auf ein stabiles Fundament gestellt worden,
nachdem es in der Weimarer Republik nicht
so gut funktionierte. Jede neue Generation
übernimmt von der vorherigen die Aufgabe,
den Staat gemeinsam zu bilden. Wir kennen
die Not des Krieges im eigenen Land nicht
mehr. Das macht schwieriger, zu begreifen,
dass unser Recht nicht einfach so existiert,
wie wir an Gut und Böse glauben. Das Recht
ist nicht mit dem Gutsein gleichzusetzen,
wie Unrecht nicht einfach Verbrechen
bedeutet. Wir benötigten die vier verschiedenen
Begriffe nicht, wenn wir kein Problem
damit hätten. Wir wissen nämlich gar nicht,
was gut und was böse ist; das ist eine Einzelfallentscheidung.
Wir wissen, dass der Schlag auf den Kopf
weh tut, töten kann. Uns ist das Gebot
bekannt, Gewalt zu vermeiden. Eine Welt
ohne schmerzhafte Attacken ist aber nicht
vorstellbar. Verbale Gewalt tut ebenfalls weh,
und jedes Gesetz schränkt an irgendeiner
Stelle Bürger ein. Das ist staatliche Gewalt.
Wir akzeptieren den Rahmen, wie bei rot
das Auto zum Stillstand zu bringen oder den
Müll korrekt zu entsorgen. Menschen, die
Herr Haldenwang entdeckt haben will wie
eine neue Variante der Zersetzung, züchtet
sich die Gesellschaft selbst heran. Eine
Wechselwirkung des Mehrheitsempfindens,
die sich durch Medien und Reaktionen der
Politik hochschaukelt, bringt Tempo
in die Reglementierungen, wie wir
das vor Corona nicht kannten. Und
wenn sich eine starke Mehrheit
bildet, die schnell Recht bekommt,
formt sich genauso schnell eine
Minderheit, die das Ganze als
Unrecht begreift. Wenn diese
Minderheit nicht verschwindend
klein ist, wird es problematisch. Der
Rechtsstaat wird nur so lange einer
sein, wie er die neuen Feinde – wie
Haldenwang sie nennt – integrieren
kann. Die Alternative ist der
Nährboden für einen Bürgerkrieg.
Es gibt keine Feinde des Rechtsstaates, wohl
aber gibt es weltweit Widerstand gegen
staatliche Gewalt. Es ist die Aufgabe der
Gesellschaft, einen Rechtsstaat zu erhalten
oder einen zu schaffen, wo noch keiner ist.
Wir brandmarken andere Länder, erheben
uns über Diktaturen und die gelenkten Demokratien
der Bösen: Die Behauptung vom
Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes,
Deutschland wäre ein Rechtsstaat und
innerhalb der Gesellschaft befänden sich
Feinde der staatlichen Struktur, geht
davon aus, dass der Staat wüsste, was
(ihm) Recht bedeutet. Das beinhaltet
die Erkenntnis und einzugestehen,
dass sich ein erkennbarer Anteil der
Gesellschaft davon abgekoppelt sieht
und somit das Wort vom Recht nicht
mehr als die Staatsmeinung plus der
Bürgermehrheit darstellt. Darin liegt
eine mindestens genauso große Gefahr,
wie im Vorhandensein der latent
Gewaltbereiten. Das Recht muss die
Mitte abbilden, und diese Mitte muss
so breit sein wie es nur geht.
Es heißt, Deutschland sei als das
Land typisch zu verstehen, welches
sich für Minderheiten einbringe. Ein
Bauer, den das einzelne Windrad
nahe seiner Wiese (des zu errichtenden
Parks mit hundert Stück) stört,
bekäme das Recht, die Anlage zu verhindern.
Die Dänen bauten längst am Tunnel,
während hier noch Verfahren gegen die
Beltquerung liefen und nicht zuletzt Corona
zeige, dass eine Minderheit gefährdeter
Senioren das Land in die Pflicht nähme, meinen
welche. Jetzt fordert eine gewaltbereite
Szene Freiheit vom Rechtsstaat, eine weitere
Minderheit, die wir integrieren müssten? Ich
denke, ja.
Es ist schwer einzusehen, dass Gerichte vor
allem das Recht der Täter wahren. Hätten
wir Lynchjustiz, gäbe es kein Pardon für
böse Menschen. Dass wir uns so viel Mühe
geben, der Verteidigung Raum geben, ist
das Kennzeichen der Zivilisation. Ein Gesetz,
das schließlich zu aufwendig wäre, möchte
niemand. Wir haben das bereits?
Das Argument, wir sollten solidarisch
mit den Krankenhäusern und der Not der
Schwachen sein, uns deswegen impfen lassen,
verfängt bei so vielen nicht, dass diese
Minderheit groß ist. Viele der Geimpften entscheiden
sich nicht aus einer solidarischen
Haltung heraus. Sie möchten weiter am
gewohnten Leben teilhaben, oder müssen
sich impfen lassen, um arbeiten zu können.
In der Folge reden sie sich die Lage in ihrem
Sinne positiv. Das verbindet die Trotzigen
um so mehr. Wenn sie Möglichkeiten finden,
ungeimpft weiterzumachen, werden sie diese
nutzen. Es gibt noch zahlreiche Argumente
gegen eine allgemeine Impfpflicht: Diese
werden zurückgewiesen werden, ist meine
Prognose.
# Aber …
… schon immer haben Menschen Regeln
gebrochen, keinen Gurt im Auto angelegt,
das Handy am Steuer genutzt, ihren Müll
achtlos irgendwohin geworfen. Eine lebhafte
Szene rund um gefälschte Impfpässe ist
bereits erwachsen, und der Anteil der neuen
Verdrossenen ist nicht klein. Schauen wir
mal, was Deutschland aushält.
:)
Jan 16, 2022 - Neue Variante entdeckt 5 [Seite 5 bis 5 ]
Positivleugner
Jan 18, 2022
Wurde Anne Frank verraten? Neue Recherchen
beschäftigen die Öffentlichkeit. Verrat
ist das zentrale Ereignis im Evangelium, so
kam es zur Auslieferung Jesu an die Römer.
Bis heute empören wir uns, und weiter geschieht
es: Menschen verraten einander. Nur
die Bewertung wechselt. Mal war es böse,
jemanden anzuschwärzen – die arme Anne
Frank, Sophie Scholl usw. – dann ist es wieder
Zivilcourage, wenn ein Täter beobachtet
und angezeigt wurde.
Ein guter Witz, als wahre Geschichte angekündigt,
ist aktuell. Ein Besucher erkennt
den Kollegen (Mitarbeiter im Gesundheitsdienst,
was genau, tut hier nichts zur Sache)
im Einkaufszentrum. Der dürfte gar nicht
dort sein. Der Kunde begreift, der andere
müsste in Quarantäne zu Hause sitzen,
wurde kürzlich positiv auf das Virus getestet.
Der Mann versteckt sich hinter einer Werbetafel
und marschiert anschließend zur Info.
Die Mitarbeiter starten einen Aufruf, es befände
sich widerrechtlich ein Coronapositiver
im Gebäude; Personalien bekannt. Dieser
werde
gebeten,
umgehend
zur
Information
zu
kommen.
Andernfalls
verriegelte
man die
Ausgänge
und
kontrolliere
jeden
einzelnen
Besucher. Die Polizei würde alarmiert,
und der Betroffene habe den Einsatz zu
zahlen, droht das Center in seiner Durchsage.
Wir ahnen, wie das ausgeht. Sage und
schreibe siebzehn Personen melden sich
verschämt bei den Kollegen vom Sicherheitsdienst.
Eine wahre Geschichte?
Es kommt darauf an, von wo aus wir schauen.
Wir mögen Asterix, die Querulanten im
gallischen Dorf sind liebenswert. Wir sind
keine Römer und amüsieren uns gern. Gar
nicht lustig: Die Proteste auf dem Maidan
wurden blutig niedergeschlagen.
Nicht nur in der
Ukraine oder gerade
in Kasachstan, auch
bei uns gibt es
Widerstand gegen
den Mainstream.
Minderheiten bilden
Gruppen. Die Aktivisten
im Hambacher
Forst retten das
Klima? Querdenker
wären gefährliche
Spinner, sagt
die Mehrheit. Die
Demokratie toleriert
Demonstrationen,
aber friedlich sollen
sie sein. Regelbrecher
können erkannt,
verraten und gemaßregelt werden.
Einigen fällt es leichter, sich an die Gesetze
zu halten. Manche laufen leicht mit, andere
gegenan, und einige mogeln sich durch. Der
gute Widerstand, der böse Gesetzesbrecher,
was denn nun? Das Gute am geschichtlichen
wie allgegenwärtigen Verrat ist die Erkenntnis:
Die Amerikaner waren tatsächlich auf
dem Mond! Ein Fake von diesem Ausmaß
wäre aufgeflogen. Verschwörungen sind Teil
der Welt. Mobbing ist vom Verrat bedroht.
Das ist gut. Wahrheit und Lüge kämpfen
gegeneinander, meint man, aber niemand ist
immer nur ehrlich. Ein Hochstapler müsse
vor allem überzeugen, heißt es. Da komme
es weniger auf die Qualität seiner gefälschten
Papiere als auf die Fähigkeit an, andere
charmant zu manipulieren.
Eine neue Spezies ist unterwegs.
Nicht nur das Virus, der
unkorrekte Mensch hat eine
weitere Variante gebildet. Er
gendert nicht? Schlimmer sind
gewaltbereite Staatsfeinde. Coronaleugner
und Coronaleugnerinnen
werden zu Demonstrantinnen
und Demonstranten, die
als Querdenker und Querdenkerinnen
spinnen.
# Das ist eine Gefahr für
uns alle
Das Faszinierende an diesem Wort,
das den Vorfahre im Holocaustleugner
haben mag, ist wohl, dass Corona eine
Tatsache bedeutet wie etwa das Wetter.
Das Vorhandensein von meteorologischen
Geschehnissen kann nicht
bestritten werden. Jemand der sagt, er
wäre nicht im Raum, sondern gerade
draußen unterwegs gewesen, kann der
Lüge überführt werden, wenn Zeugen
plausibel gegen ihn reden. Hier wird
eine Grauzone deutlich, denn diese
Aussagen können gekaufte sein. Es gibt
nur noch wenige Zeitzeugen der Kriegsjahre,
und Hitler ist eine Figur der Geschichte wie
Anne Frank. Corona, was immer das meint,
ist weltweit problematisch und deswegen
ein Fakt wie das Wettergeschehen oder die
Tatsache, dass es nachts dunkel ist.
Die Pandemie ist ein mediales Ereignis, und
für einige ist die Intensivstation der Ort an
dem sie mit der Diagnose „Covid“ sterben.
Das kann nicht negiert werden, was auch
immer jemand behauptet. Eine medizinische
Bewertung, woran jemand leidet, ist
kein hingeworfenes Wort. Zu lügen oder
die Wahrheit zu kennen,
ist komplizierter. Als
medizinischer Laie muss
ich zugeben, ein wie
auch immer geartetes
Virus nicht erkennen zu
können. Ich kann das
Wort „Corona“ lesen,
aussprechen und verbal
verbreiten. Ob und wie
ich eine Krankheit, die
symptomfrei sein kann,
wie es heißt, in mir trage
und möglicherweise weitergebe,
bestimme ich
mit einem Test. Das ist
ein Produkt der Industrie.
Seine Zuverlässigkeit ist
kaum nachzuprüfen, nur
durch die Annahme, dass
unzählige andere damit umgehen und eine
Art Schwarmintelligenz die Qualität sichert
– wie die Wahrheit der Mondlandung oder
die des Holocaust durch breite Kontrolle der
Menschheit belegt ist.
Zu einem Arzt oder medizinischen Helfer
gehen und sich ein Medikament verabreichen
lassen, eine Spritze zu tolerieren, die
dieser in meinen Arm setzt, bedeutet, dem
Vorgang das Vertrauen auszusprechen und
seine Sinnhaftigkeit nicht nur anzuerkennen,
sondern individuell zu wollen. Andernfalls
ist es eine Vergewaltigung. Ein Mann dringt
in eine Frau ein, die das nicht will, weil der
Staat die Pflicht zur Kindszeugung anordnet,
so fühlt sich Impfpflicht an.
Das wird noch Ärger geben.
Am Besten wäre
wohl, das Virus gibt
auf.
Das bedeutete
eine Wahrheit, die
sämtliche Virologen
wieder in die
dunklen Löcher
ohne Kamera verbannen
würde, die
sie bislang als ihren
zentralen Aufenthalt kannten. Und Karl Lauterbach
könnte mal entspannt ausschlafen.
:)
Jan 18, 2022 - Positivleugner 6 [Seite 6 bis 6 ]
Sinn des
Lebens
Jan 25, 2022
Jeder meint
zu wissen,
was Gefühle
sind. Aber so
einfach ist es
nicht. Emotionen haben ihre Namen, und es
sind wohl die Eltern, die uns damit vertraut
machen wie etwas heißt. Das ist „der Stuhl“,
jetzt kommt gleich Oma oder: „Du bist
traurig.“ Oma und den Stuhl können wir
anfassen; viele Begriffe sind Erklärungen,
die nur mit dem Intellekt verstanden werden
können. Ich benötige meinen Verstand, um
dem Wort von
der Traurigkeit
das entsprechende
Gefühl
zuzuordnen,
bei mir und bei
anderen. Es ist
ein Lernprozess
wie das Sprechenlernen
selbst. Denken,
mithilfe von
Worten, kann
mit dem
Erlernen
einer fremden
Sprache verglichen werden. Man kann wohl
annehmen, dass wir auch innerlich still,
ohne Worte zu verwenden, denken. Manche
nehmen diese Möglichkeit aktiv wahr,
entwickeln ein Gespür dafür. Albert Einstein
dachte in Bildern, sagt man.
Wenn es die Eltern sind, die uns die Welt
erklären, kommt es darauf an, inwieweit
diese zulassen, dass wir eigene Rückschlüsse
ziehen. Wenn es nicht gefällt, dass ein Kind
unglücklich ist oder brüllt, entscheiden die
Regelmäßigkeit und die Entschiedenheit
und nicht zuletzt die verwendeten Mittel
der Grenzziehung, wie das Kind Emotionen
versteht.
Als der Film „Gandhi“ mit Ben Kingsley im
Fernsehen gezeigt wurde, habe ich das gesehen,
weil mein Vater uns darauf aufmerksam
machte. Wir saßen also alle vor dem
Fernseher und sahen, wie Gandhi mit nur
einem Cent ausgestattet in seine Mission
startet. Vor einigen Tagen gab es ein Zitat im
Tageblatt: Wo Liebe wächst, gedeiht Leben
– wo Hass aufkommt droht Untergang.“
Darunter stand: Mahatma Gandhi, Politischer
Führer. Bemerkenswert daran finde ich die
Darstellung der wachsenden Liebe, ein
Vergleich mit der Pflanze, die sich im Vergleich
zum Menschen und Tier eher passiv
verhält und die Bewertung im Wort
„aufkommen“ beim Hass. Das ist wie
ein böses Wetter, das aufzieht, eine
Art übergriffige Macht, weniger der
„böse Mann“ der kommt. Der Hass
kommt über den Menschen, und
dann – so etwa.
Nolde wäre ein „schlechter Mensch“,
hieß es im selben Tageblatt vor
nicht allzu langer Zeit. Tatsächlich,
es könnte stimmen. Nicht wegen
der Nazis: „Ein großer Frauenhasser“,
meinte mal einer zu mir (im
Vertrauen), der im selben Dorf lebte
wie der Maler und noch familiär
bekannt war mit dem Kreativen.
Der muss es wissen. Das Schlechte
lebt, und die Frauen sind sowieso
an allem schuld. Oder die Männer?
Die Maler.
Gerade ist es die katholische
Kirche, wo die Bösen unterschlüpfen.
Ich glaube das nicht: Mir fällt
es ganz leicht, größer zu denken.
Das Böse als ein Teil der Welt, daran will
ich nicht allein schuld sein. Ginge es nach
der breiten Gesellschaft, bekäme jeder
„Lebenslang“, und wir wären im Mittelalter
geblieben. Die Menschen müssen ihre
Gesetze erst erlernen, und die Gebote sind
keine Verbote, sondern ein Angebot an den,
der sie ernst nimmt. Du „kannst“ nicht töten,
müssten wir erfahren, aber die
Bibelübersetzer waren dumm (wie
die Polizei). Der Täter würde sich
zum Opfer umdarstellen, heißt es
oft voller Zorn von denen, die selbst
nicht schuld dran sein wollen,
wenn sie angegriffen wurden?
Das hilft kaum. Ein Gefühl
sollte eine Kleidung sein, ein
Pullover, den man mal trägt
und keine Zwangsjacke, die
andere festzurren.
Kindern stopft man mit Sinnsprüchen
das Maul, habe ich
gelesen. Manche Erwachsene
reflektieren nicht wie’s ihnen geschieht
und fahren damit fort, Sprüche zu plakatieren,
als könnten sie sich dahinter
verstecken. Wer nicht gelernt hat, Hass in
sich zu bemerken und andere zu schlagen
oder beleidigen – die provozierten, denn so
kommt ja Wut erst auf – die Konsequenzen
tragen musste, wird die Kräfte seines Ärgers
gegen die eigene Person anwenden. Und
selbst daran
erkranken. Damit
kommt ein
Prozess in Gang,
der im Spruch
„die linke Hand
wüsste nicht,
was die rechte
tut“ ein Bild hat.
So wird unkontrollierter
Hass
beschrieben,
eine Motivation,
bei der niemand
voraussagen
kann, in welche
Richtung sich
das entwickelt:
nach innen oder
irrational gegen
andere.
# Dummheit regt zur Bosheit an
„Oh, wie blöd ist der? Schaut mal, wie einfach
wir ihn vorführen und verarschen können“,
das ist immer der Anfang. Dann kapiert
der Doofe irgendwann; anschließend gibt es
Haue. Einer war noch dümmer, noch frecher
und wird verbeult. Es scheint so einfach, ist
es aber nicht. In diesem Spiel kann keiner
gewinnen.
Der Sinnspruch macht nur Sinn, wenn Hass
als etwas begriffen wird, das zum Leben
gehört wie das Wetter. Wir können einen
Schirm aufspannen. Mit dem Schirm haben
wir Schutz gegen den Regen, eine Waffe
möglicherweise, um einen Räuber zu schlagen
– aber das Gewitter am Himmel können
wir nicht verprügeln. Wut im Bauch, Hass
im eigenen Leib? Das gehört dazu. Gewalt
ist eines der Mittel, sich Luft zu verschaffen.
Alternativ: Das Spiel vom „Schwarzen Peter“
regt zur Geschicklichkeit an, diesen weiterzugeben.
So zu leben
macht mehr
Sinn als zu
ermahnen.
:)
Jan 25, 2022 - Sinn des Lebens 7 [Seite 7 bis 7 ]
Es ist immer Mai
Jan 28, 2022
Da sind keine Träume, die ich noch ernsthaft
verwirklichen möchte und keine Ziele zu erreichen,
die nötigerweise in eine bestimmte
Richtung deuten. Mir ist jeder Glaube an das
Gelingen vertrauter Wünsche und was ich
früher hoffte, schaffen zu können, abhanden
gekommen. Eine bittere Pille, die ich mit
jedem Wachwerden schlucke, heute wird
wie gestern sein. Es gibt laufende Projekte,
als hätte ich Kühe zu füttern und müsste
melken, weil sie eben da sind. Andernfalls
würden meine Tiere brüllen, verwahrlosen
und sterben. Eine Kunst, die von „nicht
anders können“ kommt. Die Bilder sind
Kinder, denen gegenüber ich verantwortlich
bin. Ein Teil vom System wie Familie, Haus
und meine Jolle, die im Winter geschliffen,
gemalt und lackiert wird. Da wären
andernfalls „Bergprobleme“, Pflichten, die
sich auftürmten wie nichtbezahlte Rechnungen,
ein Fenster im Dachgeschoss, das ohne
Konservierung gammelte, der Müll,
den man rausträgt, solche Sachen.
Natürlich, irgendwann startet ein Maler
mit einem Bild, und dann scheint
ja ein Ziel ins Auge gefasst zu sein, es
auch zu beenden? Das ist unwichtig
geworden. Es wird sowieso fertig.
Man stirbt nicht so einfach, dafür bin
ich zu jung.
Natürlich war früher alles anders. Ich
beschreibe es nur, weil es auch geht,
ohne dieses Unternehmerdenken
kreativ zu sein. Die modernen Schlagwörter
von der „Innovation“, dass man
erreichen könne, was man nur wolle,
nach vorn schauen müsste? Das
mache ich nicht. Mein Leben ist das
eines Baumes, der seine Wurzeln dort
schlug, wo das Leben ihn hinpflanzte.
Ich treibe noch weiter aus. Dazu
muss ich nicht wohin schauen.
Ich gehe nie fort, laufe nicht weg
und möchte nichts anderes sein,
ein Vogel oder sonst wie ein
neues Leben beginnen. Jeder Tag
erscheint mir neu, bietet einige
Wege und die, die ich nicht gehen
kann, scheinen noch wieder fester
zugenagelt. Ich füge mich in mein
Baumsein.
Die letzten
Jahre waren
von Kummer
geprägt. Noch
immer wirkt
nach, wie viel
besser sich das
jetzt anfühlt, hier zu sein.
Die zu Tage tretenden
Details, was andere
machten, um ihre Ziele
über meine hinweg zu
erreichen, und wie mich
das beschädigte, ich mich
wehrte? Ein Kampf gegen
einen nicht fassbaren
Feind von wechselnder
Größe, der in verschiedenen
Gruppen agiert, vermutlich mit unterschiedlichem
Motiv unterwegs, trotzdem
summiert – diese Opposition? Das
interessiert mich nicht mehr.
# Unkraut
Ich schlage reale Gegner, bin der
Baum im Mai, und wenn man mich
für einen Don Quijote hält, egal.
Paranoia unterscheidet sich vom
erkannten Feind, weil der Flügel einer
Mühle Widerstand bietet. Moby
Dick ist ein Wal, und du kannst eine
Harpune hinein bohren. Untergang,
absaufen und nebenbei zu
Ertrinken, sind durchaus erwünscht.
Eine Fata Morgana kann keiner angreifen,
Schattenboxen in der Dunkelheit ist für
kleine Mädchen. Ich bin eine Provokation,
allein durch mein Hiersein. Saatgut aus dem
Nachbarort, leicht anzupinkeln? Teeren, federn,
den spinnerten Künstler mal eben vom
schönen Feld zu jagen, klappte nicht.
Man muss völlig skrupellos sein, zu verletzen
und anschließend keinerlei Reue
zu empfinden? Genau so ist es heute bei
mir. Ich habe keine Empathie für andere.
Ich kann zutreten ohne Reue. Das ist nur in
Form von Selbstmitleid belastend, dumm,
es nicht vermieden zu haben. Dazu kommt
das Gefühl von Verlust. Es gab eine Zeit, die
emotional reicher war. Ich armes Opfer der
bösen Welt: Früher glaubte ich an Werte,
hatte Mitleid mit Hilfsbedürftigen, habe
Freundlichkeit und Liebe empfinden können.
Nie wieder kommt etwas an mich ran! Ich
erwürge meine Beziehungen und drücke mir
die Luft zum Atmen ab, statt Interesse für
andere zuzulassen. Jemand malt? Wie schön.
Mir doch egal. Mich inspiriert niemand, weil
ich es nicht will, kreise, bis es Herumtraben
in der eigenen Zelle ist, ich müde bin und
wieder eine Nacht beginnt. Morgen kommt
dann ein Tag, der
genauso ist. Mit
Spott grinse ich
zurück, wenn eines
der Honigkuchenpferde
am
Wegesrand steht.
Ich habe meine
Bilder und bin
stolz darauf.
:)
Jan 28, 2022 - Es ist immer Mai 8 [Seite 8 bis 8 ]
Bridget
Jan 29, 2022
Bridget Fonda, Erinnerungen an früher.
Sieben Monate vor mir, am 27. Januar 1964,
wurde Bridget geboren. Die schönste Frau
überhaupt, fand ich, als Anfang der Neunziger
„Weiblich, ledig, jung sucht …“ im Kino
kam. In „Singles“ aus dem selben Jahr sah sie
aus wie Uli. Ich war durchaus normal und
musste keiner Schülerin hinterher gaffen,
weil diese so viel jünger gewesen wäre. Ich
hatte gerade mein Studium
beendet, war 27 Jahre alt,
als ich im Herbst nach Chicago
flog. Au-pair Besuch
(eigentlich: Blankenese). Ich
zeichnete Barrett Deems,
immerhin, aber mit der Liebe
war es nichts. Uli hat am
17. August Geburtstag, das
vergesse ich nie. Es ist die
Generation von Piet, Niels,
Tascha oder Kocki, enge
Freunde vom Segeln, ein
wenig nach mir geboren.
# Schockbild
Nachdem gestern dieses
Foto von Bridget Fonda
in den Nachrichten kam, habe ich heute
Morgen zwei Dinge festgehalten. Eine Skizze
davon – im Menü „Köpfe“ eingestellt – und
ein Selfie von mir, ein wenig coronamäßig
verzottelt. Auch ich werde 58 Jahre alt. Das
fotografierte ich vor meinem aktuellen Bild
im Atelier. Ich bin nicht krank, denke ich. In
das Mädchen aus dem Film würde ich mich
sofort wieder verlieben.
:)
Jan 29, 2022 - Bridget 9 [Seite 9 bis 9 ]
# Charakter?
Feinde, Streit, das ist ein Teil
der Welt. Abwehr nach außen,
Angriff gegen einen Feind,
verbale Auseinandersetzungen
einzelner und Nachbarschaftsstreitigkeiten
kennzeichnen
unser Dasein, nicht zuletzt der
Krieg ist menschlich. Kampf
innen, im eigenen Leib gegen
den Krebs oder innerhalb der
Ehe, sich zu streiten, ein Bürgerkrieg
im eigenen Land, sind
Realität unserer von Beziehungen geprägten,
sozialen Struktur. Druck und Abgrenzung
sind typisch für Systeme überhaupt.
Jeder hat Feinde.
Der Charakter entwickelt
sich in der Haltung dazu.
Nichts merken wollen,
kann nur Ärger geben. Über
jedes Stöckchen springen
auch. Die individuelle
Lösung ist das Entwickeln
von Persönlichkeit.
:)
Scheidung! Sie hätten sich nie gestritten,
und das sei ihr erst nach der Trennung
aufgefallen, meint eine Bekannte, die ich
wiedergetroffen habe. Sich streiten können,
gilt als Qualität. Gerät es aber
regelmäßig zu heftig, ist es auch
ein Trennungsgrund. Zu zweit
gewinnt der Mensch Stärke (in
einer Partnerschaft),
und das ist einer der
Gründe, warum wir
heiraten. Gestern
war ein beliebter Tag
dafür. Das Datum,
der zweite Februar
in der Kombination
mit dem Jahr, regt
einige dazu an. Die
statistisch erfasste
Wahrscheinlichkeit,
dass an einem
derartigen Supertag
geschlossene Ehen
häufiger geschieden
werden, schreckt
viele nicht ab.
Keine Feinde, keine Kekse
Feb 3, 2022
„Hast du keine Feinde, dann hast du keinen
Charakter.“ Paul Newman, Schauspieler –
Zitat des Tages, Schenefelder Tageblatt vom
Dienstag, 1. Februar 2022.
Was ist ein Feind?
Zwei Polizisten wurden erschossen. Schock
nach „Hinrichtung“ lautet die Schlagzeile
vom selben Tag auf der Titelseite. Die
Polizei findet ihren natürlichen Feind im
Kriminellen. Man kann die Rechtsstaatlichkeit
nicht verteidigen, ohne auf Gegner zu
stoßen. Auch der normale Bürger tritt für
Rechte ein, seine eigenen, und gelegentlich
definiert er, was insgesamt richtig wäre und
handelt im Glaube, für alle zu sprechen.
Zivilcourage oder Selbstjustiz können dabei
herauskommen. Nach der Tat ist vor der Tat;
die Gewaltspirale endet nur durch bewussten
Verzicht auf Rache. Die Bandbreite der
Feindseligkeit reicht vom kritischen Blick bis
zum harten Angriff, der zum Tod führen kann,
und vielfältig erscheint uns der menschliche
Charakter. Ein Wort, was soll das heißen?
Wenn also Streit, Kritik und
Widerstand, Auseinandersetzungen
ganz normal für uns sind,
banale Abgrenzungen im Alltag
unerlässlich für das Selbstbewusstsein, warum
gilt es als Qualität, Feinde zu haben? Es
gibt charakterlose Menschen, farblose oder
finstere Typen, die unscheinbar wie unangenehm
daherkommen und keine Beachtung
finden. Diese scheinen eine Einstellung zur
Umgebung entwickeln, die ihnen ermöglicht
nicht anzuecken. Das könnten Mitläufer sein:
„Das finde ich auch“, sagen sie meistens oder
unauffällige Kriminelle, die lernten, ihr Ding
ohne viel Aufhebens zu machen. Schäbig
und schleimig, aalglatt sind die
Gesichtslosen. Kantig sollten
echte Charaktere sein!
# YouTube hat den Like- und
Dislikedaumen kastriert, eine gute
Idee?
Empört:
„Wir wurden noch nie verprügelt!“,
beteuern die beiden Alten vor
Gericht. Das hat die Richterin
nicht beeindruckt. Leicht belustigt ist ihre
Reaktion sogar. Sie bleibt kalt. Hat sie
es nicht geglaubt? Es ist die unfreiwillig
komische Rechtfertigung, eine Anzeige und
ein Verfahren anzustreben, zeigt es doch
den dümmlichen Ansatz, damit imponieren
zu wollen, noch nicht verhauen worden zu
sein? So rechtschaffen sind wir!
Feb 3, 2022 - Keine Feinde, keine Kekse 10 [Seite 10 bis 10 ]
Zeit zu verschenken
Feb 5, 2022
Das Trauma, sich vor anderen zu fürchten,
ist weit verbreitet. Es schafft Mitläufer und
psychisch kranke Menschen. Dazu kann
angenommen werden, dass nicht wenige
körperliche Beschwerden ihre Ursache darin
finden, Angst zu haben. Angst gilt aber nicht
als eine mechanische Beeinträchtigung,
sondern wir verstehen sie als Gefühl. Was
ist eine Emotion? Sich zu fürchten, hat
unterschiedliche Gründe, ist individuell und
überlebenswichtig. Nehmen wir an, jemand
erkrankt wiederholt psychisch und irgendeine
Diagnose gibt diesem zugehörigen
Verhalten seinen Namen, so wird noch Angst
dazukommen, das Problem entwickelt zu haben
und sich auch davor zu fürchten. Prinzipiell
ist jede soziale Störung angesiedelt, wo
die Umgebung das Denken eines Menschen
kontrolliert und gedeihen kann wie ein
hineingesätes Virus. Andere probieren, über
uns hinweg zu bestimmen und fordern uns
zu manchem auf. Unsere Persönlichkeit ist in
ihrer Individualität dort zu finden, wo wir die
Wahl behalten, nein zu sagen oder delegieren
können. „Ich mache es später“, antwortet
ein freier Geist abgrenzend und vielleicht
bleibt noch die Alternative, Geschwister,
Kollegen oder Fremde zu finden, die sich
gern einbringen und sei es bezahlt.
Unsichere Menschen, die deswegen vermutlich
die verschiedensten Störungen und
Krankheiten bei sich begünstigen, könnten
lernen, ihre traumatischen
Befürchtungen in den Griff zu
bekommen. Der Anfang kann
nur sein, Furcht als das allem
zu Grunde liegende Problem
überhaupt zu bemerken. Und die
Lösung, wenn jemand versteht,
sich zukünftig abzugrenzen, wo
es bislang beinahe unbemerkt
weh getan hat, zu gehorchen,
ohne das zu müssen, wird neue
Probleme auf den Plan rufen. Das
ist ein ohnmächtiges Begreifen
der eigenen Unbedeutsamkeit
in dieser großen Realität und
totaler Vertrauensverlust. Mit
dem Verstehen, sich abgrenzen
zu müssen und Wege dafür
gefunden zu haben, beginnt die
Einsicht wie ein Himmelskörper
dem andauernden Beschuss von
Meteoriten ausgesetzt zu
sein. Bis ein Mensch die
Sportlichkeit anderer erlernt, Anwürfe
und Forderungen wie einen Ball
zu fangen oder zurückzuschlagen,
braucht es Zeit.
Mit dem Begreifen unserer Individualität
geht eine neue Definition von
Vertrauen einher. Fremden folgen,
bei ihren Ansichten mitzugehen,
wird zukünftig dem eigenen Ziel
untergeordnet. Nützt mir dieses
Gegenüber, habe ich gerade Zeit,
zuzuhören, schenke ich jemandem
Vertrauen? Dann aber unter der
Prämisse, es niemals blind und vollständig
zu tun. Ein gesunder Mensch
behält die Oberhand über seine
Furcht und findet in dieses Verhalten
zurück, wenn Stress verhindert, entsprechend
gereifter Einsicht zu handeln.
Erziehung sollte sich zum Ziel
nehmen, diese Prozesse als eine sportliche
Einstellung zum Leben frühzeitig zu festigen,
bei denen, die uns anvertraut sind. So auch
im großen Rahmen des Staates, wo die
Bürger und Bürgerinnen sich der Verwaltung
des Gemeinwesens anvertrauen (müssen).
Nicht wenige werden derzeit als spätpubertierende
Querulanten dargestellt. Ein
gefährlicher Denkfehler, diese Menschen zur
vermeintlichen Klugheit
zwingen zu wollen, weil
man als erwachsener
Mitbürger begriffen
habe, was selbstverständlich
sei. Die große
europäische Freiheit zu
verspielen, wäre fatal.
Unsere Werte höhlen
wir von innen aus, wenn
der Anteil Blockierender
eine Dimension erreicht,
die der voran machende
Teil nicht länger mitnehmen
kann oder will.
Eine Grenze um Europa
herum zu definieren,
bedeutet unbedingt und notwendigerweise,
den europäischen Bürger zu allererst
als solchen sichtbar zu machen. Wie sieht
europäische Vielfalt aus, die sich mit all
ihren Stimmen als selbstbestimmte Einheit
empfindet? Das wäre zunächst eine Arbeit
nach innen hin, die getan werden muss; Integration
abweichender Ansichten ist besser,
als unnötige Fliehkräfte anzufeuern. Die
osteuropäischen
Staaten
werden
ebenso
Identität
benötigen
wie der Kern
von Europa,
der sogar
damit hadert,
wie es mit
den Briten
zu halten sei.
Da macht es
keinen Sinn,
dem Bestreben
amerikanischer
Interessen
nachzuplappern.
Deutschland
sollte sich
auf die Freiheit des Einzelnen konzentrieren
und seine Einheit in integrierter Vielfalt
finden. Da kann doch jeder quer, diagonal
und geradeaus oder anderweitig kreativ
mithelfen. Ein neues Vertrauen in eine neue
Welt benötigt Zeit. Muße zu verschenken, ist
des Künstlers liebste Beschäftigung.
:)
Feb 5, 2022 - Zeit zu verschenken 11 [Seite 11 bis 11 ]
Was sagt Onkel Gerd dazu?
Feb 8, 2022
Mehr als tausend Worte wären in einem Bild
verborgen, heißt es. „Biden droht mit Aus für
Nord Stream 2“, lautet die Schlagzeile heute
Morgen. Dazu zeigt die Tagesschau unseren
Kanzler wie einen schlappen Dackel. Der
hält hilflos den Kopf gesenkt, wirkt bedröppelt
mit Hängeohren neben dem aalglatten
Amerikaner. „Wuff“, macht der deutsche
Dümmling gerade, denkt man – schietert
in die Büx? Nimmt man Biden auf
dem Bild die Akte aus der Hand, fällt
es leicht, dort einen Revolver zu sehen.
Und man weiß, wie leicht diese Dinger
versehentlich losgehen im Land der
unbegrenzten Möglichkeiten. Liest der
geneigte Betrachter dieser Szene, was
unter dem Bild steht, schaut auf die
Körpersprache … bleibt wohl nur die
Frage: Wem droht er denn, der Biden?
Das wird Onkel Gerd gar nicht gefallen,
mag Klein-Olaf denken.
:(
Feb 8, 2022 - Was sagt Onkel Gerd dazu? 12 [Seite 12 bis 12 ]
Schade
Feb 9, 2022
„Muss krank sein, gefährlich womöglich?“,
es gibt Menschen, die mit diesem Filter
auf andere sehen. Sie hoffen, die Abartigen
nicht nur aufzuspüren, sondern Belege und
Fakten aufzeigen zu können, und das scheint
ja gute Polizeiarbeit zu sein. In der Doku
über einen Vermisstenfall, welcher letztlich
mehrere kapitale Verbrechen zu Tage
brachte – der Hartnäckigkeit ehemaliger
Ermittler geschuldet, die nicht locker ließen
– berichtet einer, er habe dem Täter in die
Augen gesehen: „Kühlschrank.“ Das möchte
der Kopf einer selbsternannten Bürgerwehr
in irgendeinem Kaff gern erleben?
# Und dann Held sein
Eine Bürgerwehr hat keinen Kopf. Das ist
das Erste. Das ist eine mobbende Truppe
möchtegeiler Arschlöcher in wechselnder
Formation. Der zweite Fehler dieser Haufen
besteht darin, dass sie das Böse zunächst
provozieren müssen, um als
Retter glänzen zu können.
Ich habe nicht wenige Menschen
(und zahlreiche Details
ihrer traurigen Lebenswege) in
psychiatrischen Einrichtungen
kennengelernt. Natalie, 32 Jahre
alt, die deutlich jünger wirkt:
„Ich habe dem Polizisten auf den
Fuß getreten.“ „Da hattest du
hoffentlich Stöckelschuhe an“,
sage ich.
„Pantoffeln. Ich war im Bademantel.“
Mein Freund hat Suizid begangen,
nachdem er, auch etwa in
diesem Alter (erneut unglücklich
verliebt), abgewiesen wurde. Dem waren
bereits viele latent schizophrene Jahre vorausgegangen.
Einer dieser bedauernswerten
Menschen, die, nachdem sie erkrankten, den
Ausgang in die Normalität nicht wiederfinden.
Glücklicher dran mögen welche sein,
deren Psychosen kurz und heftig ausfallen.
Dann wirkt das typische Medikament regelmäßig
gut.
Das Mädchen, die Naive aus meinem
Bekanntenkreis, die seinerzeit nicht recht
wusste, wie umgehen mit ihm, ist heute erwachsene
Frau und selbst schwer erkrankt.
Was Normale halt so haben, die Volkskrankheit
mit dem „K“; sie rede offen darüber,
meint sie. Das fällt wohl vergleichsweise
leicht, denke ich (und sage es nicht). Auf die
Vergangenheit angesprochen lapidar: „Ich
kannte ihn nur kurz, und dann hat er sich ja
auch gleich umgebracht.“ (Haha).
Mir tut das weh, aber ich lasse es mir
normalerweise nicht anmerken.
Ich bin nicht in Pantoffeln, wenn ich
zutrete. Und durchaus bei Verstand;
ich weiß, wen ich verhaue
und warum. Tatsächlich fühle ich
mich grundsätzlich frei von Angst
heute. Ich habe auf alle wesentlichen
Fragen, die ich mir in den vergangenen
Jahren stellte, meine Antwort
bekommen. Ich bin fertig damit, die
anderen nicht? Unsere (wie ich meine
nicht selten konstruierten Zufälle des
Zusammentreffens) Begegnungen, die
ich erlebe, oft auf der selben Strecke,
sind albern wie was: Marianne, Gerd,
Helmut und der arme Willy – was wollt ihr?
„Immer in die Fresse!“, so etwa hat es Andrea
Nahles ja einmal vorgegeben, hier aber (erwartungsvoll)
andersherum, um dann „seht
ihr’s!“ sagen zu können, glaube ich.
Und es stimmt, das ist der Stil dieser Partei:
Diese Sprache versteht der einfache Arbeiter?
# Sozial
Der Mensch sei gut und hilfreich denken
viele, böse sind nur unsere digitale Marktplätze.
Sie müssten in die Pflicht genommen
werden. Die asozialen Medien wären schuld,
sagen nicht wenige: Es gibt Menschen, die
schreiben Hassmails? Das habe ich noch nie
getan. Leute verabreden sich auf „Telegram“?
Ich kenne diese Plattform und alle anderen
nur aus der Presse. Meine Freunde telefonieren
mit mir, ganz altmodisch. Es gibt Stalker,
die schreiben hunderte
Mails täglich an die Ex
– das machte ich noch
nie. Ich schrieb eine
gute Handvoll E-mail,
die nicht beantwortet
wurden. Ich fragte
Willy, Kalle, was ist los?
Ich war ihr Hanswurst
plötzlich, ach so.
Kreativ, „Malen hilft“,
das ist ein Bild.
Dann malte ich also
meinen Gewaltporno
und stellte ihn online.
Unter den Augen meiner
Frau und denen meines heranwachsenden
Sohnes malte ich drei Wochen lang die
tolle junge Frau, die einige Male zu Besuch
war, mir viel schrieb und ich ihr, und der man
riet, auf Abstand zu gehen.
Das hat eine Blase zum Platzen gebracht.
Das hat meine Ehe belastet.
Noch mehr Schuld habe ich auf mich geladen,
auf dem Parkplatz vom Supermarkt. Ich
kann das zugeben. „Er sprang über eine Hecke
aus dem Nichts“, steht (mich) belastend
in der Akte. Da ist nicht nur kein Nichts, es
gibt auch diese Hecke nicht. Ein Marktleiter
musste gehen, ein Mitarbeiter noch dazu
und der Lügner dreht feist auf: Da steht so
viel Scheiß, dass diejenigen die’s zu Papier
brachten, sich schämen sollten. Davon merke
ich nichts. Ich habe meine Strafe freudig
hingenommen, das dazu. „Ich gehe offen
damit um“, sage (frech) auch ich und bin
nicht krank.
Ich bin zufrieden.
Längst erledigt, Jahre sind vergangen.
Meine Erinnerung ist detailreich und muss
nicht aufgebauscht werden. Der Gute in diesem
Spiel (wenn es überhaupt einen gibt),
das bin ich, nicht andersherum. Ich schäme
mich nie wieder für gar nichts, so weit ist
es gekommen. Wenn so viele Menschen
so frech lügen müssen, um das gute Opfer
darstellen zu können, verdient der dümmste
Kopf von ihnen seine Kloppe, finde ich. Aber
der Fisch stinke vom Kopf, heißt es ja. So
nützt es wenig,
dem auf den
Schwanz zu treten,
auch wenn
dieser die Form
eines Kopfes
hat. Meine
Grenze; ich trat
drüber – und
kam nicht weit
genug.
# Schade
Ich färbe meine
Haare nicht,
war früher rothaarig
und bin
es noch. Das
ist ein Kalauer,
den einige
verstehen, die
ich Freunde
nenne …
:)
Feb 9, 2022 - Schade 13 [Seite 13 bis 13 ]
Das elfte Gebot
Feb 10, 2022
Kreative Visionen: Achtung (!) – Satire. Die
Fleischtheke ist infiziert. Der fette Schlachtersmann
humpelt schlecht im eigenen
Theater. Fröhlich! Dem glaubt man nichts
mehr. Solche kommen noch in die Wurst,
denke ich und improvisiere ein elftes Gebot:
„Du darfst unfreundlich sein.“ Wozu benötigt
Schenefeld einen Stadtkern, fragt man sich,
bei der armseligen Einfalt? Das ist nicht
Edeka, zweimal Wurst ist unsere
Vielfalt. Wir haben schon ein
Stadtzentrum, aber das sind
blecherne Buchstaben an einer
verwaisten Shopping-Mall. Nicht
mehr als eine Behauptung also.
Die Kirche bleibt im Dorf dahinten.
Stephan (Namensgeber und
gesteinigter Märtyrer) lehrt uns,
kritisch hinzuschauen. Paul hat
im Norden gesiedelt, und der
neue Stadtkern für Schenefeld
ist allenfalls eine Behauptung
zwei Punkt null. Wenn alles
fertig ist, haben Investoren
Wohnblöcke rundherum aufgestellt.
Schlossallee, Monopoly.
Die Ereigniskarte sagt es voraus,
mein Orakel warnt mich: Gehe nicht über
Los, ziehe nicht 4.000,- ein. Geh’ direkt in das
Gefängnis und bleibe gern. Ich sehe es in der
Kugel, Christiane wird von der heimischen
Spezialistin für Nichtflachwerke, Ingrid, monumental
in Beton gegossen und an Stelle
der Luninezbrücke in den neuen Grünstreifen
der LSE platziert. Überdimensional und
eventuell vergoldet muss das Monument
schon sein.
Ha – ha.
:)
Feb 10, 2022 - Das elfte Gebot 14 [Seite 14 bis 14 ]
Klappe!
Feb 11, 2022
Aus der Zeit als mein Sohn noch kleiner war,
aber schon so groß, mit mir ein Steak unter
Männern zu essen, erinnere ich einen Abend
am Tresen in Othmarschen. Das Block House
ist am Bahnhof. Es war recht voll. Unser Besuch
dort ist lang vor dem nun alles bestimmenden
Virus gewesen. Wir bekamen einen
Platz ganz rechts am gebogenen Rand einer
Theke, wo man auf Barhockern nebeneinander
Platz nimmt. Links von mir, ich erinnere
es noch, waren ein oder zwei Plätze belegt,
rechts saß mein Großer, und dann blieb wohl
eines der extra höheren Stühlchen leer. Der
Fußboden ist stufig angehoben, je weiter
man in diese Ecke kommt. Das erweckt mit
kleinen Fenstern nach draußen
den Eindruck, im Séparée
zu dinieren – obschon
einige Gäste unterkommen.
Eine größere Kapitänskajüte,
der Bereich für Unangemeldete
oder Stammgäste, wo
immer mindestens ein Platz
frei ist. Die gute alte Zeit vor
der Pandemie: Es gab noch
keine Aerosole. Dicht an
dicht lebten wir Fleischfresser
früher. In der Ecke hatte
eine alte Dame scheinbar
ihren Stammplatz. Eingenistet,
aber nicht eingemottet:
Ein frisches Inventar, aufgetakelt wie ein
besonderes Gewächs, gab sie eine gealterte
Diva. Die lebhafte Seniorin unterhielt den
gesamten Bereich mit
fröhlicher Selbstdarstellung.
Rundherum war
alles dicht besetzt;
Tische gedrängt in
Nischen, und Menschen
drängten
sich in den Ecken
des gemütlichen
Restaurants.
Beschreibung: An
der Wand hängen
Jacken, Mäntel,
eine kleine Garderobe
steht auch
noch dazwischen.
Es ist Schmuddelwetter
draußen.
Kleine Lampen
verbreiten warmes Kneipenlicht, aber
gehoben ist das Ambiente; schön
dekoriert. Gäste gehen, andere kommen
und Biergläser glänzen, goldig
gefüllt. Werbung, Speisekarte, alles
folgt dem Konzept moderner Verkaufsstrategie.
An jedem Platz liegt
ein bunt bedruckter Papierbogen, auf
dem das Essen platziert wird. Die
Steaks haben grobkörnigen Pfeffer
drauf, der bekannte Salat; wer diese
Restaurants mag, kommt hier voll auf
seine Kosten. Dem Gast wird serviert,
was der typische Kunde denkt, genau
hier zu erleben. Maßgeschneiderte,
auf die Zielgruppe konzentrierte Abspeisung
– in flottem Tempo versteht
sich. In einem Block House habe ich
noch nie schlecht gegessen, wurde
immer und ausnahmslos freundlich
und humorvoll bedient. Das ist nicht
als verdeckte Werbung hingeschrieben.
Mir gefällt als Sohn eines Einzelhändlers
die gelungene Präsentation in
zahlreichen Dependancen. Das dürfte nicht
ganz einfach sein.
So war das, wie gesagt vor Corona, und ich
gehe schon lang nicht mehr ins Restaurant,
bin weder zwei, noch drei, sondern nur
„Gar-kein-G“. Noch hat mich das Virus nicht
erwischt. Oder doch? Dann war ich krank,
ja vielleicht bin ich es gerade und weiß es
nicht. Jeden Tag, wenn ich am Testzentrum
vorbeigehe, stehen Menschen an. Manchmal
ist die Schlange auf der Hühnerleiter vorm
Staddi so lang, dass Leute in Schulklassenstärke
draußen auf der Treppe auf den Test
warten. Sie wollen wissen, ob sie krank sind?
Das muss ja eine schlimme Seuche sein, die
uns von der Arbeit befreit, und dass noch auf
Anweisung von oben. Man merkt nix, aber
das Gerät
beweist,
wie nötig
alles ist,
was wir
tun.
Mein Spott
ist unsolidarisch,
natürlich.
Ich bin zudem
noch
penetrant,
rede, bis
andere
genug davon haben. Ich weiß das. Dazu
kommt, ich schneide einige Mitschenefelder
komplett, sage hier nun wieder gar nichts,
nicht einmal guten
Tag und wechsle
die Straßenseite,
um ihre blöden
Fressen nicht
anschauen zu
müssen. Hassbeziehung:
Ich ätze,
bin Spinner und
gehe einigen auf
die Nerven, verärgere
nicht wenige
– und rege wieder
andere an, sich
weidlich darüber
zu amüsieren, mich
verarschen zu können.
Das ist mein
Spiel. Das habe ich
mir ausgedacht.
Die alte Dame im Block House hat mitgeholfen,
diese Strukturen zu kreieren, in denen
ich mich heute auskenne. Der Mensch konstruiert
sich seine Umgebung, die zunächst
ein Chaos darstellt. Er suchte Höhlen, die
ihm Schutz gegen das Wetter geben konnten
und verfeinerte diese bis hin zum modernen
Restaurant mit Service. So ist es auch
mit unserer Erwartung von dem, was uns
draußen erwartet. Wir informieren uns über
die Wetterlage, und wir versuchen herauszubekommen,
was andere über uns denken.
Das hilft, sich zurecht zu finden. Letztlich
weiß keiner, warum unser Hiersein auf dem
blauen Planeten nötig ist oder doch?
Heute Morgen stand ein heller Lichtpunkt
über dem Dach im Südosten, als ich früh
zur Zeit bereits beginnender Dämmerung
ins Atelier kam. So hell habe ich die Venus
noch nie gesehen. Es war leicht zu googeln.
Tatsächlich, morgen, am zwölften Februar,
erreicht dieser Planet seine größte Helligkeit
in dieser aktuellen Phase. Ich hatte mich
nicht getäuscht, das ist die Venus, die ich
sah. Oder nicht? Ich verlasse mich auf die
Suchmaschine, die Webseite der Sternwarte
Bochum, die zufälligerweise oben in der Liste
der Ergebnisse informiert, was im Februar
am Himmel passiert. Es wird wohl stimmen.
Ich habe diesen schönen Morgenstern schon
oft beobachtet. Ich weiß ihn auch am Abend
zu erkennen. Mehr Licht geht nicht. Die
anderen können nicht mithalten, wenn die
Venus erstrahlt. Dabei ist dieser Planet nur
als Sichel unterwegs, weil der aufregende
Wandelstern innen zur Sonne seine Bahnen
nimmt. Hell wie ein Flieger im Landeanflug
auf Fuhlsbüttel, mehr sogar. Wenn man
nicht informiert ist, bleibt diese Angst, es
könnte auch etwas anderes sein, das droben
aufleuchtet, und vielleicht droht Gefahr?
Ein schnell näher kommender Meteor, der
in wenigen Stunden alles Leben auslöschen
könnte, das müsste ähnlich aussehen. Habe
ich gedacht, heute Morgen. Google beruhigt
irgendwie. Du stellst eine Frage und weißt
gleich mehr.
Manche sind so klug und halten immer die
Klappe. Sie machen alles mit sich selbst aus.
Andere schweigen dickfellig, lassen dich
hängen wie Kalle, wenn die größte Not zum
Fragen zwingt. Und ich schweige erst heute,
weil ich das scheinbar später gelernt habe
als andere, die Schotten dicht zu machen.
Mit Christiane rede ich kein Wort mehr, und
sie tut es mir gleich. Ihr letzter Versuch
(verzagt und probeweise) „… hallo John“
zu sagen – das liegt Jahre zurück. Ich bin
Feb 11, 2022 - Klappe! 15 [Seite 15 bis 16 ]
einfach wortlos abgebogen, durch die offene
Kirchentür, und habe sie auflaufen lassen.
Was für ein Genuss, zu registrieren, wie sich
diese Ziege auf die Lippen beißt. Mit Kalle
und Guddi habe ich es auch so gemacht;
und Irakli brachte uns den Wein und ihnen
den ihren am Nachbartisch. Funkstille. Den
Kunstkreis blamiere ich, wo ich kann, aber
die Tanten sind zu doof, es zu verstehen. Sie
werden denken, John sei krank. Das finden
manche, und ich denke es von ihnen.
Das ist schon ein Gefühl von Verlust.
Mir hat gefallen, viele zu kennen und
freundliche Beziehungen zu pflegen. Gesünder
ist es heute. „Zwei Falsche weg“, heißt es
im Fifty-fifty bei Jauch, und ich entwickelte
meine Methode, Menschen aus der inneren
Adresskartei zu kicken. Ich quatsche drauflos,
bis mir klar wird, woran ich mir beim
Gegenüber bin. Das klappt viel besser, als
schweigend stark wirken zu wollen.
Ich will nicht
wirken, das ist
mir egal. Als
Politikerin musst
du wirken wollen.
Als Künstler
müsse man
„können“, heißt
es, nicht wollen.
Ich mache
keinen Wullst.
Der Wullstbug
ihrer Einbildung
ist der
Schutz derer, die
Politik aushalten
müssen. Darum
wurde Kohl fett
(und Schröder).
Angela zitterte
schließlich, sie
hat nie genug
gefressen? Habeck ist auf dem besten Weg,
ein guter Grünkohl zu werden. Und vielleicht
ist die Schöne aus Schenefeld stolz
darauf, schlank zu bleiben? Unbedeutende
Menschen können auch leichterdings (ein
schönes Wort an dieser Stelle, finde ich)
dünner bleiben als zum Beispiel Kanzler und
-rinnen.
ladene Formulierung vermieden. Der Mann
sagte: „Rotterdam wurde von Rotterdamern
aus den Trümmern gebaut … usw.“ Nicht
nur, dass ich stutzte, weil ich begriff, man
schreibt es mit nur einem „m“, nein, schon
ganz automatisch hörte ich mich innerlich
(in guter, neuer Nachrichtensprache)
voraustexten
„Rotterdam wurde von
Rotterdamern und Rotterdamerinnen
gebaut.
Oder umgekehrt? Frauen
und Kinder zuerst!
Mit doppeltem „m“
donnerte es noch besser
durch.
Die alte Dame im Block
House hatte Geburtstag
an diesem Tag. Das
Personal wusste davon
und überraschte die
Neunzigjährige
mit einem Extramenü,
das sie
gratis bekam.
Vielleicht war sie auch (erst) zehn
Jahre jünger an diesem Tag (?) –
egal, das muss ich nicht belegen.
Ihren Namen habe ich vergessen,
obwohl wir sie gefragt haben. Die
war nämlich putzmunter und geradezu
ein Star an diesem Tresen.
Sie schien oft zu kommen.
„Wer nicht redet, erfährt auch
nichts“, meinte sie (direkt und
fröhlich, unverblümt wie hingezwinkert)
zu mir.
Dafür bin ich ihr bis heute dankbar!
:)
# Schauen wir mal, was Olaf auf die Waage
bringt
Ich habe einen aus der Partei vor Ort
getroffen und war überrascht. Der
war immer dünn wie ein Windhund
gewesen. Kantiges Gesicht, Kinnlade
eckig, sarkastische Lachfalten mit
Ecken, hart, ohne weiche Halbtöne ins
Gesicht gezogen, so kennt man den
Mann. Grader Rücken wie ein Brett,
scheinbar ohne Hals unterwegs. Da
hatte sich erkennbar was geändert,
hinten noch Brett, ja, aber vorne:
„Fett geworden?“, ich bin frech wie
gewohnt. Die Antwort überrascht.
„Ist auch nicht immer alles so ganz
einfach …“
Ach so. Einfach ist gar nichts. Gestern
hat sich unser Schenefelder Tageblatt
wieder einen modernen Fehler geleistet. Aus
möglicherweise kluger Überlegung wurde
auf das Gendern verzichtet. Ein Niederländer
wird zitiert, und da hat das Blatt eine über-
Feb 11, 2022 - Klappe! 16 [Seite 15 bis 16 ]
Elche oder welche?
Feb 13, 2022
„Ein kleiner Krieg in Europa“, das fände(n)
sie in Kalifornien gar nicht schlecht, meinte
meine Tante auf Besuch! Das war aber damals,
als Jimmy Carter (oder Ronald Reagan)
Präsident gewesen ist. Unruhige Zeiten
auch aktuell. Mit der neuen amerikanischen
Führung ist das Risiko einer Eskalation nicht
geringer als zu Zeiten von Donald Trump.
Das mag einige erstaunen. Das gegenseitige
Misstrauen wird spürbar, wenn es zum
Beispiel heißt, der Tisch, an dem Emmanuel
Macron und Wladimir Putin verhandelten,
wäre dermaßen lang gewesen, weil der
Franzose keinen russischen Test auf das
Corona-Virus akzeptiert habe. Macron hätte
Bedenken gehabt, die Russen kämen dabei
an seine DNA – was auch immer ihm das
bedeuten mag. Wenn also der französische
Präsident vorhaben sollte, in Russland ein
Kapitalverbrechen zu begehen, könnte die
Polizei sofort gegen ihn ermitteln, wenn sich
am Tatort entsprechende Spuren fänden?
Das wird es kaum gewesen sein, was den
Franzosen ängstigt.
Dies darf aber jeder von uns fürchten (der
schon polizeibekannt geführt wird), dass
versierte Kollegen an entsprechende Daten
gelangen, wenn man in ein Testzentrum
spaziert – oder nicht?
Es geht weniger darum,
wovor wir uns fürchten
dürfen, sondern ob es
reichlich Menschen für ein
handfestes Problem gibt,
das der Staat mit ihnen
hat; welche, die quer
denken, blockieren, nicht
arbeiten, krank sind oder
Terror verbreiten.
Impf- Staats- und Mehrheitsmeinung
sind das
erstrittene Recht der
Demokratie. Die anderen
fügen sich, haben das zu
tun. Wie geschieht das?
Einsichtig, deprimiert oder
wütend, wie viele müssen
nachgeben; das ist ein Faktor, den der Demokrat
bedenken muss.
# Mehrheit versus Minderheit?
Wer sich fürchtet, deswegen gar zornig wird
bei kollektivem Druck, sei ein Leugner der
Vernunft, ist die mehrheitliche Meinung.
Wer nicht dran glaubt und macht, was
„wir“ sagen, lügt und bestreitet so unsere
Intelligenz, meint die Masse; gefährlich! Wir
kennen die Wahrheit, und „deine“ verschworenen
Idiotie bedeutet zu lügen, sagen mehr
und mehr Menschen über weniger von ihnen.
Das ist pauschal
bedenklich. Es rüttelt
am Glauben, an der
Realität, verpasst
nicht wenigen den
Tritt, den man einem
dummen Köter gibt.
Man kann keine
Pflicht zur Klugheit
anordnen und
Menschen durch ein
Gesetz zur Vernunft
zwingen. Ziel muss
sein, den Anteil der Querulanten im Land locker
und klein zu halten. Es bedeutet, ihnen
Perspektiven aufzuzeigen. Druck verkleinert
diese Gruppe, komprimiert aber die verschworene
Haltung bis zur grundsätzlichen
Gewaltbereitschaft. „Mir ist ohnehin egal,
wie es weitergeht“, dürfte das Motiv sein und
muss also weder religiös noch rechts oder
links verordnet werden. Das ist pauschaler
Frust, scheinbar nicht bekommen zu können,
was die anderen haben, kombiniert mit
finsterem Misstrauen, krank. Beobachten,
verurteilen und sie einzusperren, macht diese
Menschen nicht gesund. Wollen wir das?
Niemand findet den Ausgang aus einem
Irrgarten, wenn andere die Türen noch von
außen vernageln.
Der Glaube an das grundsätzlich rechtmäßige
Tun unserer Polizei ist dem
Staatsbürger nicht selten
abhanden gekommen. Der
eigene Rückzugsraum,
unsere Wohnung, kann von
beinahe jedermann mit
entsprechenden Kenntnissen
observiert werden.
Transparenz mit all ihren
Konsequenzen ist Alltag
und sicher ein Grund dafür,
dass eine latent verstörte
Szene größer wird.
Der Trucker in Kanada,
ein handfester Typ, Teil
dieser skurrilen Blockade
gegen die Impfpflicht, die
an Rubber-Duck (Convoy,
1978) erinnert, sagt
mit Überzeugung: „Der
Impfstoff enthalte einen
Microchip“ – konstruiert,
Menschen abhängig zu
gängeln. Das hörte ich
in den Nachrichten. Ich
bin schon Lkw gefahren.
Da sind wohl einige, die
nicht damit klarkämen,
ein derartiges Gefährt
sicher zu lenken. Ein
Idiot schafft es jedenfalls
nicht. Kreativ sich
ausmalen, was alles
gegen uns unternommen werden könnte,
gilt nicht selten als paranoid? Macron und
dieser Lastwagenfahrer sind nicht verrückt.
Sie haben dieselben Befindlichkeiten, wenn
es um ihre individuellen Befürchtungen
geht – aber gegenteilige Positionen, wenn
Macron derjenige Präsident wäre, der über
den (kanadischen) Trucker bestimmte in
Frankreich. Macron möchte die Franzosen
zur Impfung zwingen, sein Land mit Energie
zügig aus der Pandemie führen.
Aber der mächtigste Franzose misstraut dem
russischen Präsidenten in dem Moment, wo
er Frankreich verlässt und fremde Mächte
sein Schicksal bestimmen könnten. Der
Mensch ist nur Mensch, und jeder empfindet
Furcht, wenn der eigene Einfluss schwindet.
# Ich habe in einen Terra-X-Beitrag hineingezappt
Es ging um Wälder, wie sie einmal waren
und den modernen Forst. Im natürlichen
Wald wären alle Pflanzen systemisch
verbunden, sagte der Sprecher. Das ließe
egomanisches Verhalten der Bäume (und
da stutzte ich schon, die machen das auch?)
nicht zu. Pflanzen sind zunächst einmal
teamfähig. Es wurde skizziert, wie ein
natürlich entstehender Wald zur starken und
gesunden Mischung findet. Das ist keine
Häufung einzelner Gewächse, sondern ein
vernetztes Ganzes. Ein Wald verstünde sich
als zusammenhaltendes Gebilde und regelte
die Größe, Dichte und Mischung seiner Teile
wie eine gute Gesellschaft zum Ganzen hin.
Die reihenweise zerstörten Monokulturen,
wenn ein Orkan die dichtgepflanzten „Baumsoldaten“
niederlegte oder die Anfälligkeit
dieser Nutzwälder, gegen Schädlinge hilflos
zu sein, wurde als Negativbeispiel künstlicher
Strukturen gewertet.
Auf menschliches Funktionieren übertragen
heißt es, dass die neuen Bedrohungen nur
aufgefangen werden können, wenn freies
Denken großzügig erlaubt bleibt. In der Konsequenz:
Meinungsäußerungen
stünden
wie bisher über dem
Schutz der Persönlichkeit
und nicht
umgekehrt. Ein bedenkliches
Thema. Wir
Spinner, die wir nicht
an die Gesetzeshüter
glauben, dürften uns
fürchten, aber auf das
Recht hoffen, wenn wir
straffällig wurden. Nie
Feb 13, 2022 - Elche oder welche? 17 [Seite 17 bis 18 ]
war die Chance auf gute Verteidigung besser
als heute! Es ist nicht naiv, dem Rechtsstaat
zu vertrauen. Es ist naiv, dem Polizisten an
sich zu trauen. Der einzelne kann schlecht
sein, der Versuchung erliegen, wenn er sich
einen Vorteil davon verspricht, anderen zu
schaden. Das nimmt sich nichts, im Vergleich
mit dem Straftäter, dem bösen Menschen.
Der Unterschied besteht in der Struktur, worin
sich eine Ordnungskraft bewegt und der
Umgebung, die Kriminelle sich suchen.
# Hoffnung
„Fürchte dich nicht“,
plakatieren einige Kirchen
zur Zeit der Pandemie. Ein
guter Rat. Gott hat das Fühlen
und Fürchten aber nicht
verboten, das wird gern
vergessen. Auf Hass und
Gewalt zu verzichten, ist
nicht mehr als ein Angebot.
Der Allmächtige, und wenn
nicht er, sondern die Natur
wie manche das ausdrücken
installierte keinen
Schalter am Lebewesen,
welchen dieses nach Belieben
betätigen könnte, um
nach Gutdünken negative
Emotionen und bedrohliche Visionen auszublenden
oder gar Suizid zu begehen nach
Wunsch. Ohne innere Auseinandersetzungen
mit unangenehmen Gedanken kommt keiner
davon.
Da ist niemand gut, auch die nicht, die es
von sich meinen. Wir erleiden einen dynamischen
Prozess. Zu leben, ist ein Lernfeld.
Was gut getan ist, bleibt. Fehler machen alle.
Eine Gesellschaft, die natürlich empfindet
nach dem Motto: „Kritiker der Elche
sind selbst welche“ (bemerkten sie’s)
wird sich regulieren. Automaten in
Gruppenstärke sind ein Problem, fallen
innerhalb kritischer Umgebung
um wie Dominosteine, denen ein
kleiner Fehler zum Verhängnis wird.
Rechts, unterdrücken ihre Emotionen, um
die Härte des selbstgewählten Kampfes zu
ertragen. Sie sind so nicht selten das Virus
dieser Erde. Geballte Macht ist typischerweise
die Krankheit gemeinsamer Vernichtung
in jeder einzelnen Person, seltener die
stabilisierende Ordnung. Der geradeaus
marschierende Pulk, es sind Mitläufer, die
sich kollektiv einer überzeugten Gruppe
anschließen. Ein Übel, das jede Menschlichkeit
vernichtet.
Manche alliierte Truppe
mag dem Bösen Widerstand
bieten, aber was ist
gut, was böse? Russen und
Amerikaner sind in ihrer
traditionellen Selbstverständlichkeit
so unterschiedlich
wie Türken und
Deutsche. Das sollten wir
zunächst begreifen. Auch
wenn die individuelle Freiheit
auf den ersten Blick
weltweit dasselbe sein
sollte, heißt es noch nicht,
andere wirklich zu verstehen
– aus der Perspektive,
die wir gewohnt sind. Niemand
hat eine Lösung parat (und
die Macht sie umzusetzen)
für Frieden in Nahost. Krieg ist unvermeidlich
wie Gewalt, deswegen darf diese Kraft
keinen einheitlichen Block bilden, dem nicht
mindestens genau so viel an Einfallsreichtum
gegenübersteht.
:)
# Krieg
Wenn ganze Staaten zu Idioten werden,
besteht die Gefahr für den Planeten,
dass kreative, unserem System
verantwortungsvoll angepasste
Wesen in die Defensive geraten.
Da wären die Menschen zum Krebs
mutiert, der weiter gesunde Zellen
frisst, bis alles kollabiert. Das ist
wahrscheinlicher, als dass wir noch
den Mars besiedeln und dergleichen. Kein
Grund, sich nicht fröhlich um das eigene Ego
zu kümmern. Kümmern bedeutet, Wege zu
finden, nicht Einfluss „über andere hinweg“
auszuüben, weil man das gerade gut kann.
Eine überhebliche Politik ist das letzte, was
wir brauchen, wenn die Grundhaltung im
Land bereits Neid und Aggression begünstigt.
Eine exponentiell dynamische Entwicklung
des Weltgeschehens durch Digitalisierung,
Globalisierung und Flüchtlingsströme,
kombiniert mit der Angst, das die Zukunft
durch Krieg und Umweltprobleme gefährdet
ist, sollte langsamer gemacht werden.
Auf sich selbst zurückgeworfen ist der Einzelne
das Immunsystem, der Anwalt unserer
gemeinschaftlichen Natürlichkeit. Soldaten
und Polizisten sind bloß die Roboter ihrer
Offiziere. Sie halten sich für die Kräfte des
Feb 13, 2022 - Elche oder welche? 18 [Seite 17 bis 18 ]
Vieh
Feb 18, 2022
Es wurde schon
einiges über Kunst
gesagt, sie käme
von Können und
solche Sachen.
Wenn ein Wort
so viel abdecken
muss, kann es für
manches herhalten.
Ich hatte einen guten Lehrer, an den ich
noch oft denke, Otto Ruths. Das war mein
Professor, ein Hamburger Maler. Das gute an
Otto und seinen Hinweisen ist, dass sie noch
immer nachgeprüft werden können von mir
bei meiner Arbeit. Ob etwas stimmt, was
ein Lehrer sagt oder ob Schüler es einfach
glauben, macht einen Unterschied. Einmal
zog mein alter Professor einen Hopper-Band
hervor und meinte zum Titel – da war diese
Frau abgebildet, die allein in der Lobby sitzt
und aus dem Fenster in die Nacht schaut –
was der Maler alles weggelassen habe, wie
einfach das Bild gehalten sei.
# So etwas kann einem schon den Wind aus
den Segeln nehmen
Ist nur gut, wie Edward Hopper
malte? Gerade ist Ali Mitgutsch
gestorben, der Vater der Wimmelbilderbücher.
Und daran denke
ich, wenn es darum geht, etwas
wegzulassen oder nicht. Ratschläge:
Malen, das Maul besser halten
– muss man so arbeiten, dass es
dem Lehrer gefällt? Irgendwann
sind wir ja alt und dem Unterricht
entwachsen.
„In deinem Alter!“
So spottet der schockierte Jüngling,
nachdem ich bekunde, er könne
noch „in die Fresse“ haben und
reichlich dazu. Das war heute
Morgen. Mir passiert so was ständig. Nicht
ausgeschlossen, dass ich schwächlicher Pinselopa
handgreiflich werde. Ich bin
immer froh, wenn keine Vorladung
im Briefkasten liegt, nachdem Cäsar
durch ist.
Mein Freund der Briefträger.
Er habe keine Angst vor mir, meint
der Pole. Warum auch? Cäsar ist
immer zu Späßen bereit wie ich.
Ich raste aus, wenn ich bedrängt
oder böswillig übervorteilt werde.
Der Grund ist, ich habe es mir
rund fünfzig Jahre lang gefallen
lassen, gelegentliche Kränkungen
scheinbar nicht bemerkt. Das macht
krank. Damit scheint es irgendwie
vorbei zu sein, und nun werde ich ausfallend
und haue, trete; aber ohne Geschick. „Das“,
mache man des Nachts, wenn einen keiner
sieht, findet die liebste Melli von allen. Die
gute Post.
Was soll’s, diese Menschen, egal wie alt, die
andere zum eigenen Vorteil missbrauchen,
werden nicht weniger. Sie scheinen das
Glück zu haben,
nie um Hilfe bitten
zu müssen. Viele
verdienen gut,
sehen ansprechend
aus, machen
Sport, genießen ihr
Vorankommen und
schauen auf Spinner
und Langsame
herab. Der Erfolg
gibt ihnen recht.
# Kunst!
Ich habe nachträglich
drei Kühe ins
Bild skizziert. Das ist wieder so eine Idee,
die nicht umgesetzt worden wäre, wenn ich
noch wie ein Student denken würde. Um sie
zukünftig wegzulassen, weil damit der Wert
des möglichen Kunstwerkes steigen könnte,
dürfte die kleine Herde nicht schwierig zu
übermalen sein. Mir gefallen sie aber schon
jetzt, obwohl die neuen Renner nur locker
angedeutet sind. Ich habe mehr als zwei
Stunden mit flüchtenden Viechern in Photoshop
probiert, wo die hinsollen.
Meine Planung ist dahingehend, das Licht
vom Überspannblitz zu nutzen, um sowohl
dieses Leuchten transparent erscheinen
zu lassen, als auch die Färbung der Rinder
mehr oder weniger deutlich hervortreten
zu lassen. So
wird es gelingen,
das bisherige
Bild nicht zu
überladen, wenn
die Kühe teils
überstrahlt oder
im Dunkel der
Nacht verschluckt,
farblich
zurückgenommen
werden. Das
ist wie ein Boot
trimmen, mithilfe
der Strecker
im Segel, dem
Schotzug oder
Mastfall, bis das
alles perfekt
läuft. Malen ist eine Sache von Erfahrung,
ein Spiel, wenn es gelingt, der Fantasie
einen Anstoß zu geben und sich ein wenig
Geschick eingestellt hat.
Die vergangenen Tage verbrachte ich damit,
die Person links zu konkretisieren.
Man muss etwas ändern wollen. Es macht
keinen Sinn, sich vorzunehmen dieses oder
jenes fertigzustellen. Das Bild ist groß.
Man benötigt Ausdauer, Erfahrung, auch
Kenntnisse über die eigenen Fähigkeiten,
um damit klarzukommen. Oft steht eine
unfertige Leinwand rum. Dann macht ein
Maler etwas anderes, bis es wieder Not tut,
sich selbst damit zu beschenken, einige
Dinge voranbringen zu können! Irgendetwas
muss genügend stören, und man könnte eine
Idee entwickeln, was genau hier zu tun ist?
Das ist der Beginn von Kreativität, ein Motiv
geistig entwerfen, eine Tätigkeit planen,
nachdenken, ob die Sache zu schaffen ist.
Ich änderte die Hand, das Gesicht, und die
Beine passte ich farblich an.
Es gibt kein Foto davon.
Ich habe unzählige Bilder gesammelt,
Gesichter, Beine, Knie mit Licht von rechts,
runtergezogene Unterhose, das wahre Vergnügen
diese Suche. Ich kann genug können,
um mir Dinge zu schaffen, die ich nie kaufen
würde.
:)
Feb 18, 2022 - Vieh 19 [Seite 19 bis 19 ]
Mutationen
Feb 19, 2022
Im November 2019
kam es zu einem
Gewaltakt in London.
Die britische
Polizei erschoss
einen Mann, der
mehrere Menschen
attackierte. Das ist ein vorzeitig entlassener
Straftäter gewesen, der sich bereit erklärt
hatte, eine elektronische Fußfessel zu tragen.
Nach dem Besuch einer Veranstaltung
zum Thema „Resozialisierung“ begann der
Mann, Passanten zu attackieren auf seinem
Weg durch die Stadt. Es hieß, der Täter
wurde schnell überwältigt und erschossen,
weil sich zufällig (!) ein verdeckter Ermittler
in seiner Nähe aufgehalten habe. Solche
Berichte regen die Fantasie an. Es zeigt die
Grenzen auf, welche eine moderne Gesellschaft
akzeptieren muss, bei dem Versuch,
Sicherheit zu garantieren. Eine elektronische
Fußfessel und ein Profi, der dem Entlassenem
auf Schritt und Tritt folgt, konnten die
Gewalttat nicht verhindern. Das gefällt mir!
Es ist wahrscheinlich, dass der junge Mann
den Sozialen im Gefängnis nicht alles
preisgegeben hat, was ihm so durch den
Kopf gegangen ist? Gut möglich, dass seine
„gute Führung“ darauf abzielte, nach der
Entlassung weiterzumachen, wo er vor der
inzwischen verbüßten Haft aufhören musste.
Die Verkürzung dieser Strafe kostete ihn den
Preis einer Dauerüberwachung. Als Erfolg
zu werten, dass der Gewalttäter deswegen
schnell überwältigt wurde und erschossen,
wäre mehr als makaber.
Das beglückt nur Söldner, die es drauf
anlegen, derartige Vorfälle zu provozieren.
„Spinner abknallen“, ist ihr Motto? Davon
gibt es immer genug im Staat. Wir sollten
über Manipulation nachdenken und zu einer
modernen These kommen, die bisheriges
Handeln der Behörden in Frage stellt.
Wenn eine Gesellschaft klug wäre, kämen
Verantwortliche darauf, dass derartige
Ereignisse in den Medien Verbreitung finden
und die Fantasie anregen. Der Fehler eines
Teams, das zu entscheiden hat, wie moderne
Strafen umgesetzt werden, scheint in dem
Moment durch, wo wir begreifen, dass die
Verantwortlichen die Intelligenz eines Täters
unterschätzt haben. Das wird aber anders
gesehen. Man kommt zu der Ansicht, dass
die Gefährlichkeit eines Täters unterschätzt
wird. Der Unterschied liegt in der Zuweisung
des Motivs. Gefährlichkeit ist ein Erklärungsprinzip
wie Intelligenz. Gefährlichkeit
definiert sich in der Bereitschaft zu einer
Aktivität, und Intelligenz genauso, aber der
Unterschied ist, dass intelligente Handlungen
dort gesehen werden, wo einer zu
seinem Vorteil aktiv ist.
Was ist ein Vorteil für wen; das Kaputtmachen
befriedigt welche und warum? Wir
sollten begreifen, dass, wer annehmen kann,
unter Bewachung zu stehen, finstere Wut
empfindet. Da ist ganz gleich, was derjenige
verbalisiert.
Einmal weit
ausgeholt, mit
einem kreativen
Umweg beschrieben,
ob ich in
einer Castingshow
ausscheide, weil
Dieter Bohlen
„Scheiße!“ sagt
oder ein smartes
Team freundliche
Zurückweisung bekundet;
das wird
frustrierend sein:
„Du warst schon
toll und ich hatte
echt Gänsehaut bei deinem Auftritt, aber so
ganz gereicht hat es eben doch nicht dieses
Mal. Vielleicht magst du einfach in ein paar
Jahren wiederkommen und es noch einmal
probieren?“ Eine Abstrafung ist in jedem Fall
Wut auslösend.
Ob ich als der Staat eine Strafe in einer
forensischen Klappse stattfinden lasse,
die volle Härte im Knast anordne oder die
bedingte Freiheit mit einer elektronischen
Fußfessel – es wird denjenigen,
der diese Strafe zu tragen hat,
demütigen.
Da wir als Gesellschaft nicht in eine
Zeit ohne elektronische, digitale
Medien zurück können (mit ihren
unsichtbaren Kanälen), hilft nur
einzusehen, dass böse und kranke
Täter genauso Menschen sind und
nicht etwa gefährlich, sondern mehr
oder weniger einfallsreich. Vom
„Gefährder“ zu sprechen und nach
einer Beobachtung die Beurteilung,
derjenige sei „abgekühlt“ abzugeben, wirft
Fragen auf beim Leser entsprechender
Artikel. Hier wird mit Worten gespielt, die
der Fantasie des Naiven auf die Sprünge
helfen, wir hätten es mit Vulkanen zu tun? Es
tut weh, zu begreifen, wie die Psychologen
andere begutachten, die doch Menschen
sind wie sie selbst.
# Theater mit Sprengkraft
Fantasie der Paranoiden. Die Vorstellung,
eine psychiatrische Gutachterin oder
Psychologe könnten, in Zusammenarbeit
mit Staatsanwaltschaft und Polizei unseren
Alltag mit Statisten manipulieren, und diese
Bullenschweine würden verdeckt Macht
ausüben, genügt, um jeden Staat der Welt
abzulehnen. Derartige Sprache entwickelt,
wessen Freund und Helfer einmal der
„Schutzmann“ war. Das sind nicht meine
Ausdrücke, sie existieren ohnehin.
Wenigstens, wenn wir zuhause sind, möchten
wir Worte voller Hass gebrauchen und
alle Wut rauslassen? Das macht sogar die
Bürgermeisterin, wenn sie mal für sich allein
ist. (Ich habe gelegentlich eine gefragt, die
ich kannte). Ungefährlich ist sie so normal
wie der Regen, ein langweiliger Tag oder der
muffige Geruch im Hof mit Küchenabfällen.
Was wäre, wenn der Kommissar mithört? „So
wichtig sei man nicht“, meinte sie.
Fantasie ist die Quelle von Kreativität, aber
gleichwohl der Nährboden schlafloser Nächte.
Die Zeit, in der wir bunte Kinderbücher
gelesen haben und Mama ein Schlaflied
sang, sind vorbei. Eine neue Furcht packt
den Erwachsenen, der annehmen kann,
nicht recht normal zu sein? Vielleicht sind
Menschen unterwegs, welche lieber bekannte
Fälle gängeln, als in der Lage wären,
irgendwo potentielle Täter zu bemerken?
Das ist bedenklich. Wenn der Staat Einfluss
auf alle nimmt, die annehmen könnten, das
gern gefundene Objekt der Begierde im
Raster zu sein, muss es im Einzelfall gar
nicht geschehen.
Aber wir stellen es uns vor.
Wir vergrößern auf diese Weise die Gruppe
der Menschen in unserer Gesellschaft,
welche ein böses Spiel mit Staatsverdrossenheit
beantworten. Das bindet Extreme
zum trotzigen Brei, den die Fleißigen, die
strebsamen Bürger wie es früher hieß, mitnehmen
müssen. So werden auch die Braven
wütend. Einfach gestrickte, willfähriger Helfer
schließen gern die Lücke im Gesetz, wo
der Polizist nicht darf, die Politik nicht weiß,
aber der Ehrenamtler mal was kacken kann.
Der Glaube der Sicherheitskräfte im Staat,
sie wären gut, weil sie der Stabilität nützten,
verhindert einzusehen, dass auch Straftäter
„gute“ Gründe
für ihre Attacken
finden.
Das Wort vom
Gutsein ist
nicht mehr
belastbar, wenn
das Motiv des
Einzelnen
daraufhin
abgeklopft
wird, was es
ihm bedeuten
soll. Meint es
das Allgemeinwohl, und was ist das, oder
sprechen wir von der Erfüllung der Fantasie
einzelner Menschen? Welche Träume und
Erwartungen haben die Individuen? Das
können doch nicht dieselben sein, die alle
gut finden. Eine pseudoindividualisierte
Gesellschaft bewegt sich tatsächlich in diese
Richtung, weil kommerzielle Aspekte uns
dahin bringen, wie die Mehrheit zu empfinden.
Das spaltet die Minderheit (aber einen
größer werdenden Teil) vom Block der Menschen
ab, die sich als normal wahrnehmen.
Betrachten wir Normale als die am Höchsten
geschätzten Mitglieder unserer Gesellschaft,
welche Perspektiven erkennen und sich im
Leben entwickeln wie Pflanzen auf gutem
Boden, bedeutet „gut sein“ das Gewöhnliche
als erwünschtes Gegenmodell zum
Straftäter. Das ist ein theoretischer Ansatz,
beinahe hilfloser Versuch von früher (als wir
noch einen Kaiser hatten). Diese bemühte
Satzkonstruktion mag verdeutlichen, dass
mit dem Begriff „Motivation“ eher beschrieben
würde, was uns in der Gemeinschaft
umtreibt.
Feb 19, 2022 - Mutationen 20 [Seite 20 bis 21 ]
Ein Blick nach China hilft. Die sind anders,
durchaus funktionell, aber ist dieser Staat
gut, und wollen wir das selbst so machen?
Im Modell haben wir auf der einen Seite
die Ordnung sichernde, in der Mitte die zu
schützenden und auf der anderen Seite die
zerstörenden Kräfte. Alle drei Parteien halten
sich für jeweils gut in dem Sinne, ihrem
jeweiligen Motiv zuzuarbeiten.
Verantwortliche des staatliche Gewaltmonopols
täten gut daran, zersetzungsfreudige
Zeitgenossen wieder ins Boot zu holen und
in die Mitte zu integrieren. Dabei sollte der
Begriff der Intelligenz ins Spiel kommen.
Klugheit müsste das Saatgut fürs Staatsgut
sein. So gesehen, könnten unsere vielfältigen
Motivationen als raffinierte Kraft begriffen
werden. Gewalt und motivierter Antrieb
sind identisch. Die Treibstoffmenge entscheidet,
ob wir eine Rakete zünden oder im
Auto der Straße folgen. Gewalt grundsätzlich
vermeiden wollen und potentielle Opfer
vollkommen zu schützen, ist Quatsch. Man
probierte besser, die Energien zu nutzen, als
Täter und Opfer zu
benennen wie Äpfel
und Birnen. Dynamische
Entwicklung
ist die wahrscheinlichste
Realität.
Mutiger Umgang
mit Extremen wäre
gesünder, statt sie
als unberechenbare
Zeitbomben
einzuschätzen, zu
der diese Menschen
erst werden, wenn
wir ihnen diesen
Stempel aufdrücken.
# Mutationen
Der Mensch ist wie das Coronavirus ein
Element der Natur und passt sich an. In
einem Bericht über verstrahlte Inseln (nach
den atomaren Testzündungen früher), wurde
deutlich, dass auf diesen für uns nicht
bewohnbaren Eilanden weiterhin Pflanzen
gedeihen. Einige Tiere werden nicht krank
von der Strahlung, die bei Menschen Krebs
hervorruft. Diese Lebewesen, eine Landkrabbe
wurde gezeigt, ernähren sich von der
Vegetation. Andere, größere Tiere fressen
anschließend diese Krabben. Das könnte
Folgen haben. Unterwasser filmte das
Team einen meterlangen Hai mit nur einer
Rückenflosse, einer Sorte, die für gewöhnlich
zwei habe, meinte der Wissenschaftler. Das
macht Angst? Denken wir weiter, begreifen
wir hier, dass Mutationen unausweichlich
sind und die Natur sich neue Wege sucht.
Die künstlichen Eingriffe des Menschen
erschaffen eine neue Natur. Die modernen
Gesellschaften genauso; sie schaffen
neue Verhaltensweisen. Der digitalisierte
Mensch passt sich an eine neue Umwelt an.
Wollen wir Monster züchten oder gesunde
Anpassung?
# Wir begünstigen, dass mehr Menschen das
Haus bewaffnet verlassen
Ich jedenfalls gehöre zu diesen, die zumindest
emotional aufgerüstet spazieren.
Wenn auch allein. Meine Wutbomben sind
festes Inventar im Gehirnkasten. Ich komme
gut klar damit, weil meine Motivation eine
Anpassung bedeutet. Ich bin ja nicht schuld
dran. So einfach ist es. Meine Perspektive
einer angenehmen Zukunft, die ich selbst
gestalten könnte, ist demütig dem Unabänderlichen
gewichen. Frust! Mich beherrscht
die Erkenntnis finsterer Möglichkeiten,
allenfalls dem momentanen Ego genügen zu
können, weniger meine Existenz zu sichern.
Ich lebe, koste es, was es wolle.
Die perverse Malerei war nie das Ziel meiner
Selbstverwirklichung als Künstler. Sie
spiegelt eine perverse Umgebung, die das
nicht wahrhaben will und doch transparent
um mich herum ihre Blödheit zur Schau
stellt. In meinen Augen ist alles anders und
wie viele meinen verkehrt herum. Die Politik
im Dorf, ihre Verwaltung, ist so scheiße wie
die großen Vorbilder in Übersee, denke ich
böse (nach persönlichen Erfahrungen). Es
amüsiert mich, noch zum giftigsten Spaltpilz
werden zu können.
Meine Vorbilder finde ich überall. Donald
Trump wartet, und ich freue mich schon auf
diese Rückkehr des Bösen. Aktuell gibt es
jede Menge Anregungen, die Welt und das
Leben von der falschen Seite zu betrachten.
Ich sehe einen hölzernen, böse herum
stochernden Demokraten im weißen Haus.
Seine großartige Vizepräsidentin, auf die
manche hofften, scheint verkrampft, geschrumpft.
Die Verwirrten der Ukraine: Diese
Leute werden verarscht. Und, tatsächlich,
ich freue mich über den vitalen russischen
Präsidenten, der heute mit seinem Partner
Lukaschenko Raketentests nahe der Ukraine
anschaut, wie es gestern hieß, während unser
neues Mädchen Annalena mahnt, droht
und Werte beschwört.
Krieg in Europa droht, und ich spotte noch.
Wie gesagt, ich schaue in einen Zerrspiegel
und weiß das. So gesehen gefällt mir, dass
Prinz Andrew gelang, sich vom unangenehmen
Prozess freizukaufen! Es amüsiert mich,
dass Epstein schaffte, Suizid zu begehen. Mir
gefällt, dass Wettermoderator Kachelmann
wieder weiter wettern darf, und vieles mehr
inspiriert mich, kreativ zu bleiben.
Ich bin mutiert.
Woraus gewinnt jemand Stärke? Wohl aus
der Fähigkeit, die man beherrscht und aus
der Anerkennung. Beides mag ein Faktor
sein. Ein Integrierter findet genügend
andere, die ihn bestärken und sieht darin
Motivation. Erst ausgegrenzt und gefährdet
zu vereinsamen – dann Gefährder? Mich
bekommt die Gesellschaft nicht zurück. Ich
habe meine Kunst, das genügt. Aber das ist
ja nicht normal. In Deckung bleiben, nicht
den Kopf aus der Masse ragen lassen ist
zu empfehlen. Jeder schaut dir unter die
Unterhose, auch der Staat, und doch werden
die Gesichter der zufällig ins Bild laufenden
Passanten unscharf gemacht. Politisch
korrekt schlittert Europa in den Krieg. Wir
schützen Persönlichkeitsrechte und Boostern
uns gegen alles. Unsere Sprache ist mutiert,
verachtet die Menschenwürde, schafft unberechenbare
Monster. Ein auffällig Gewordener,
der berechtigte Ängste haben kann, vom
Staat auf seine Gefährlichkeit hin getestet
zu werden, um als abgekühlt oder heiß
eingeschätzt, geführt zu werden; das denke
man einmal zu Ende, wie viele Paranoide wir
heranzüchten – gefährlich.
:(
Feb 19, 2022 - Mutationen 21 [Seite 20 bis 21 ]
„Go for that!“
Feb 21, 2022
Worte kann man missverstehen, darum
wird ja auch gemalt. Unsere Köpfe sind
voller Begriffe. Eine bunte Kiste! Es mag
womöglich ein Nachteil sein, in Worten zu
denken? Da kann der Mensch sich selbst was
vorplappern und auf andere hereinfallen,
die gar nicht da sind. Die eigenen Gedanken
sind nicht bei allen gleichermaßen frei.
Darum denken manche, die lernten darauf
zu achten, alternativ in Bildern. Das geht
ja auch schneller. Wenn ich einen Satz mit
sagen wir zehn Elementen denke, schaffe ich
in der gleichen Zeit bei nur einem Bild mehr
als tausend Wörter durchzudenken. Dass
tatsächlich alle, auch diejenigen, die es eher
selten an sich bemerken, genauso in Bildern
denken wie Künstler oder der berühmte
Albert Einstein kann zum Problem werden.
Einstein, der szenisch beschrieb, wie ihm
die Relativitätstheorie eingefallen ist, sollte
unser Vorbild sein.
Aufmerksamkeit ist eine gute Sache. Bilder
im Kopf, auch mit Ton unterlegt, der zu einer
Erinnerung dazugehört, werden für manche
fatal, wenn ihr Gehirn sie quasi rechts auf
der Standspur überholt mit einem unbewussten
Filmchen. Einige wären besser dran
mit einem blinden Gehirn, das meine ich.
# Angst und Motivation
Ohne zu denken, sich also bewusst zu sein,
in welchem Zustand man ist und wohin
motiviert, kann niemand existieren. Schon
Babys können intelligente Bewegungen und
das nötige Geschrei im rechten Moment
zuwege bringen. Obgleich Kinder anfangs
nicht sprechen können, denken sie und demnach
anders als Erwachsene. Denken findet
auf mindestens zwei Arten statt, verbal und
nonverbal, und wenn man ein wenig darüber
nachsinnt, wird es noch schwieriger zu
beschreiben, wie’s abläuft. Man kann üben,
sich selbst dabei zu erleben, wie man Dinge
eigentlich tut. Da sind Handlungen, welche
ein Mensch im Weiteren zu verantworten
hätte. Unbewusst und gewohnheitsmäßig
übersieht man leicht, dass Tätigkeiten auch
anders gemacht werden könnten. Weil
jemand allein im Raum alles verschuldet,
das er wörtlich anschiebt, auf den Weg
bringt, hilft ihm Bewusstheit, neurotisches
vom gewünschten Verhalten zu trennen
und verstehen. Die Umgebung beschuldigt
uns ständig. Auf sich selbst bezogen zu
denken, bedeutet Schuld nicht grundsätzlich
anzunehmen, sondern seine Fehler aus dem
Kontext zu bewerten, den man individuell
für sich begreift, nicht aus Sicht von Mutter
oder anderen.
„Das war nicht ich. Das hat mein Popo ganz
allein gemacht, den
Pups, Oma“, sagt das
Enkelkind. Eine gute
Methode, zu bemerken
wie entspannt man
momentan arbeitet,
ist wie dieses Kind zu
reagieren und konsequent
alle Schuld von
sich zu weisen. Das
Brötchen habe selbst
die Schuld gehabt, vom
Tisch zu fallen, der blöde
Schlüssel wolle nicht
passen und der dumme
Regen sei schuld, dass
mein Fahrzeug auf der
Straße rutscht; so kann
man sich freikaufen von jeder Verantwortung.
Das wird Ärger geben, sofort. Wer das
mitbekommt, schießt unverzüglich dagegen:
„Quatsch, was du da sagst. Natürlich bist du
selbst dran schuld!“
Während der Jahre, in denen ich mit meiner
Kunstfreundin, so sage ich mal, korrespondierte,
mich traf und einiges unternahm, kam
es parallel zu unerfreulichen Erlebnissen, die
eine Beschreibung dessen sein könnten, was
ich meine, mit Bildern, die sich aufdrängen,
gedacht zu werden. Bestimmte Sachen
macht man ja nur zu Hause, wenn man sich
allein wähnt. Fluchen zum Beispiel. Auch
geht niemanden etwas an, was ich mit mir
anstelle, während ich einen Porno schaue.
Das ist meine Meinung jedenfalls. Streit in
der Familie oder Blähungen, die man mit
sich allein verfurzt, sollten nicht zum Spaß
der Nachbarn werden. Das ist heute anders?
Jeder kann ein Mäuschen sein, welches
geschickt die Mikrofone manipuliert. Es
lohnt sich nachzudenken, ob wir gerade Teil
der größten Spionageaffäre von Schenefeld
geworden sind – wenn diese Möglichkeit
gegeben ist. Moderne Zeiten für alle. Die
digitale Welt macht es eben möglich, das ist
ein Fakt. Die Frage ist eher, wie interessant
jemand (für wen) ist, ob es sich lohnt und
wie viele aktive Zuschauer der Unwissende
zusammen bringt.
Nicht davon zu wissen, ausspioniert und
vorgeführt zu werden, bedeutet nicht, man
wüsste es geschehe nicht. „Ist doch egal“,
wäre eine Einstellung, die es zunächst zu
erforschen gilt. Ein gutes Beispiel, sich in
die Problematik hineinzudenken bieten
Mädchen vor der Webcam entsprechender
Plattformen mit dem freizügigen Angebot.
Sie sollten mit sich im Reinen sein, wenn
sie dem Nachbarn begegnen und dieser
verschämt beiseite sieht. Wer sich vor der
Kamera nackig macht, weiß in der Regel davon.
Bleiben die Dummen, die nichts wissen,
aber Fantasie aufbringen, es könnte so sein?
Das Problem der Kriminellen war schon
immer, das mit der Anerkennung hinzubekommen.
Man möchte mit seinen Taten
renommieren. Das begünstigt Leckagen im
Netz der heimlichen Mitwisser, einigen ist
das Unterfangen peinlich. Solche teilen ihre
Geheimnisse mit dem Opfer eines Cyberangriffs.
Selbst wenn das alles gar nicht
wahr ist: Ein geübter Fantast schafft es, sich
vorzustellen, dass Fremde augenzwinkernd
durchblicken lassen, sie wüssten was. Das
heißt unter Fachleuten Paranoia, was dabei
herauskommen kann, wenn man glaubt, die
anderen reden über einen selbst und wüssten
von Dingen, die sie nichts angingen.
# Meine neuen Freunde
Es kann auch helfen. Bei konkreten Hinweisen
wird jedem klar, dass etwas wirklich
geschieht und anderes nur Einbildung ist.
Daraus kann sogar eine Methode werden.
Die Idee dahinter ist, eigene Freiheiten
gegenüber der Umgebung auszubauen,
Beziehungen neu zu bewerten. Künstler und
andere mit einer ausreichenden Öffentlichkeit
machen diese Erfahrung und lernen
dazu. Vielleicht ein Grund, kreativ zu sein,
wer weiß?
Eine Beschreibung und angedeutet, was
mich weiter antreibt, zum Schluss. Mancher
Schuss geht nach hinten los. Insofern hat
meine Kunstfreundin die volle Breitseite
eines Bumerangs an den Hinterkopf bekommen,
den wer auch immer warf. Einige reden
ja, und ich, mit mir redet niemand mehr drüber.
Das ist nicht lustig, hilft aber, die Welt
ein wenig besser zu verstehen, wenn man
sich lustig macht über früher in Wort und
Bild. Unsere Geschichte, da wird es schwer,
den (ersten) Schuldigen zu benennen. Ich
nehme es gern auf mich und spotte doch
darüber.
# Der Schuldige, letztlich bin das immer ich
Ich war und bin interessant genug. Und blöd
scheinbar? Das gefällt mir, verspottet zu
werden, weil ich weiß, was ich kann. Ich bin
fröhlich, gebe mich gern unschuldig, hielt
mich doch an das Gebot „wer ohne Schuld
sei, werfe den ersten Stein“ und malte, bis
es knallte. Das war nicht ich, das hat mein
Popo ganz allein gemacht, so eine Scheiße
rauszudrücken. Und ab dafür.
:)
Feb 21, 2022 - „Go for that!“ 22 [Seite 22 bis 22 ]
Neue Grenzen
Feb 23, 2022
Dem unbedeutenden Blog steht nicht gut
zu Gesicht, aktuelle Weltpolitik zu beleuchten.
Leserbriefe in der Dorfzeitung sind das
Niveau, auf dem wir Armseligen unsere
Wortbeiträge zum Besten geben. Wir ändern
nichts. Das ermöglicht nur, Ohnmacht zu
thematisieren, über die Treppenstufen nach
oben zur Macht nachzudenken.
Die Naivität, sich bei den Lehrern beliebt zu
machen, einen attraktiven Aufsatz schreiben
und einen Preis einheimsen? So etwas mag
der Anfang sein, Nähe zu denen suchen, die
Einfluss haben. Lehrer, Eltern und Familienmitglieder
können vieles bestimmen, das wir
hinnehmen müssen, solange wir Kinder in
einer Schulklasse sind.
Zwei Lager sind typisch für Pubertierende.
Die einen bilden den Block der Schüler und
Schülerinnen, die untereinander zusammenhalten.
Auf der anderen Seite sind wenige,
die freudig jedes Thema aufgreifen, das
gelernt werden soll. Es sind nicht unbedingt
die Klassenbesten. Da sind welche gemeint,
die stets ja sagen zum Unterricht, wer auch
immer vorn am Pult steht. Jeder kennt isolierte
Klassensprecher, die nicht wahrnehmen,
was so ein Sockel auf dem sie stehen
mit ihnen macht. Die allgemeine Aufmerksamkeit,
die dem Exponierten geschieht,
verhindert sensible Zwischentöne zu spüren.
Es befördert stattdessen eine wachsende
Neurose.
# Darauf hoffen, gemocht zu werden
Wird man so zum grünen, sozialen oder alternativen,
jedenfalls hochmotivierten Politiker,
strebt danach, die Arbeit im Staatsdienst
oder Polizei zum Wohle aller im Land mitzugestalten?
Das möchte ich nicht bewerten,
bin vom geraden Weg durch Krankheit
abgekommen. Mein Leben fand nie statt. Ich
blieb fremdbestimmt und musste anderen
hinterherlaufen. Streber, aber ohne wirklich
gut zu sein (wie ich einer war), sind Kinder,
die vergleichsweise unbedarft in das Problem
geraten, einen eigenen Kurs im Leben
zu finden. Einige lernen nur allmählich, sich
durchzusetzen, später als diejenigen, die
bereits im Unterricht effektive Opposition zu
den Lehrkräften üben. Den Schulterschluss
mit den anderen suchen, hilft in der Gemeinschaft
klarzukommen. Manche Schüler
verstehen bald, eigene Netze zu weben und
lernen das soziale Gefüge mit den Gleichaltrigen
bereits vor dem Abschluss kennen.
Sie sind eindeutig bevorteilt, was die eigene
Entwicklung betrifft. Die Noten stehen
dem tatsächlich Intelligenten weniger im
Vordergrund, sondern neugierig zu sein
und erste, eigene
Erfahrungen zu
machen. Lebhafter
Austausch mit
ihresgleichen wird
einen Vorsprung
bedeuten, wenn
das Leben nach
der Schule beginnt.
Ab diesem
Zeitpunkt erwartet
die Gesellschaft
eigenverantwortliches
Handeln von
jungen Menschen.
Zunächst aber
scheinen diese
Schüler mit dem Hang, den Lehrer nachzuahmen,
besser abzugehen, weil sie Gespür
für das Empfinden der Erwachsenen haben,
welche die Welt aktuell gestalten, in die es
hineinzukommen gilt.
Das Thema kann nicht pauschalisiert werden,
ohne grobe Vernachlässigung einzelner
Schicksale. Die Welt möchte nicht
von mir erklärt oder belehrt werden.
Eine übergreifende Erfahrung;
Dinge, die mich viel zu spät geändert
haben, zu dem, der ich heute
bin. Man ist ja nicht, sondern wird
immer weiter Mensch, weil wir
nicht statisch verstanden werden
können als Lebewesen. Ich begriff
erst allmählich, unsere Bundesrepublik
Deutschland als stabile
Heimat wertzuschätzen. Ich bin
damals eines von diesen politisch
interessierten Kindern in der Schule
gewesen. Der Wunsch, Leitende
zu kennen, blieb. Meine Nähe zur
Schenefelder Dorfpolitik endete
bekanntermaßen krachend, und
heute tue ich mir als spottender
Rufer in der Wüste keinen Gefallen.
# Na und?
Was macht das schon; dem Kreativen ist die
Lust eine andere, bessere, finde ich sogar, als
Eitelkeiten einer Handlungsträgerin ausleben
zu müssen, die das eigene wie egoistische
Sozialverständnis tatkräftig anbefiehlt
und dessen Umsetzung hinbekommt. Das
wäre das Ziel der Politik oder Verwaltung im
Staat: Bedürfnisse der Menschen wahrzunehmen,
deren Bestrebungen zu respektieren
und den vielschichtigen Motivationen
gute Lenkung anzubieten. Was ich also mag
an unserem Land, ist der Rahmen, den es
uns gibt.
Ich mag die anderen Menschen nicht. Das ist
die bittere Kehrseite dieser Erfahrung. Mir
gefällt, dass Beziehungen unsere Freiheit
begrenzen. Der Schock meines Lebens
besteht in der Erfahrung, dass ich wie jeder
andere nicht wenig Macht in den Gliedern
habe und manche Angst vor mir. Der Mensch
kann töten, auch sich selbst. Viele scheinen’s
nicht als ihnen gegebene Möglichkeit
begriffen zu haben. Der böse Mensch oder
Präsident irgendwo, das könnte jeder von
uns sein, glaube ich.
:)
Feb 23, 2022 - Neue Grenzen 23 [Seite 23 bis 23 ]
Schicksal
Feb 23, 2022
# Zitat
Jungfrauen sind zwar eher
rational (…). Das Erdzeichen
verliebt sich gern Hals über
Kopf. Hat es eine Jungfrau einmal
total erwischt, ist sie fest
davon überzeugt, die große
Liebe gefunden zu haben und
setzt alle Hebel in Bewegung, mit dieser
Person zusammen zu kommen.
Leider achten sie dabei nicht auf die Gefühle
ihres Gegenübers und lassen sich viel zu oft
blenden.
Nicht selten kommt es vor, dass Jungfrauen
ausgenutzt werden. Ihnen fällt es einfach
unglaublich schwer, ihre Gefühle zu kontrollieren.
(Gala, Astrologie, Sternzeichen, die
sich ständig in die falsche Person verlieben,
Februar 2022).
Da fällt mir nichts mehr zu ein.
:(
Feb 23, 2022 - Schicksal 24 [Seite 24 bis 24 ]
Wir brauchen Angeklagte
25 Feb, 2022
Vielen ist noch nicht aufgefallen, oder sie
sehen darüber hinweg, dass Angeklagte die
Angewohnheit haben, sich zu verteidigen.
Was fällt denen ein! Natürlich gibt es auch
Kluge, die schweigen. Verstockte, Blöde und
Kranke haben wir, aber für gewöhnlich bezieht
ein Beschuldigter Stellung. Das macht
alles noch schlimmer. In der Regel urteilen
Gericht und Nebenkläger fassungslos. Von
kruden Erklärungen des Täters spricht die
Presse. Eine leichte Sache für sie. Ist es denn
zu fassen? Ein Verbrechen wurde begangen.
Darf nicht sein. Dafür gäbe es keinen Grund,
eine Rechtfertigung sei abwegig wie nur
was, meinen Leute seit es Menschen gibt.
# Grund genug!
Was mag den Siegeszug der christlichen
Religion begünstigt haben? Das Neue daran
war die Idee des Gewaltverzichts. So etwas
kannten die Menschen noch nicht. Beinahe
automatisch erfolgt unser Zurückschlagen
nach einem Angriff, aus der Furcht heraus,
andernfalls in die Defensive zu geraten.
Deswegen ist der Verzicht auf die gegebene
Macht, anderen nun auch wehtun zu können,
das Schwierigste für einen Menschen. Freiheit
vom zwanghaften Gegenangriff, unserem
nicht selten pathologischen Bestreben,
den eigenen Einfluss auszuweiten, Machterhalt
und Unterdrückung anzustreben,
bedeutet diesen Reflex immer wieder neu
hemmen zu müssen. Wer sich nicht wehren
kann, ist möglicherweise krank. Zwanghaft
wider die anderen handeln, täuscht
Stärke nur vor. Freiheit bedeutet die Wahl,
nachgeben zu können und je nach Situation
auf Einflussnahme zu verzichten, eine neue
Richtung zuzulassen.
Kritiker weisen auf Fanatiker hin und die
Kreuzzüge, den Missbrauch: Natürlich
glaubt nicht jeder, dass wir eine Kirche oder
Religion überhaupt bräuchten, die Worte
in unserer Bibel oder Schriften anderer
Religionen benötigen. Das ändert aber nicht,
dass Glaube und manche These unsere Vergangenheit
prägen, auch in Zukunft Einfluss
nehmen werden. Nur wenige Menschen
denken konsequent atheistisch. Viele eiern
irgendwo dazwischen rum. Wenn ihnen
etwas Tolles widerfährt, das sie nicht verstehen
können, war es Gott. Wenn Schlimmes
passiert, schimpfen sie wieder wie gewohnt.
Es ist die dumme Masse, und niemand sollte
sich ihre Blödheit zum Vorbild nehmen.
Entweder ist alles Gott oder gar
nichts, dazu ringe man sich durch.
Meine kleine Laune, heute mal
begeistert zu sein, weil die Dinge
gut laufen, bedeutet nicht die ganze
Welt. Da können wir verzeihen.
Es akzeptiert so gesehen der
Allmächtige den Diktator auf Erden
als nötigen Teil des geschaffenen
Universums. Mächtige verstehen
einander besser als Ohnmächtige,
die nicht nachvollziehen können,
was sie selbst am Schalthebel täten.
Das Ganze um uns herum stellt eine
Macht dar. Was wäre, wenn Gott seine
Urgewalt missbräuchlich gegen
uns richtete?
# Der Mensch ist sein eigenes
Problem
Wir haben wie die Jugend begriffen, es gibt
nur diesen Planeten. Wie wir diesen Rahmen
nennen, spielt keine Rolle. Alle müssen sich
fügen. Ein vielarmiges Monster, ein Krake ist
diese Menschheit. Wir halten eine Welt im
Griff. Was am Ende eines Armes geschieht,
wie der einzelne handeln wird, bestimmt
mitnichten der kleine Finger des Ganzen.
Das kann die Spitze sein, die dir ein Auge
aussticht, und sie ist nicht selbstständig
unterwegs zu töten.
Der Mensch kann die Erde
nicht verlassen wie eine Stadt,
die gerade bombardiert wird.
Macht und Gewalt sind unabänderliche
Dinge und insofern
gewollt. Man wirft Gott vor, den
Holocaust nicht verhindert zu
haben? Zu kurz gedacht, wie
zu glauben, das wäre ja früher
gewesen. So gesehen gibt mir
das Böse ein Problem, mich damit
herumschlagen zu müssen.
Nicht nur außerhalb der eigenen
Person, bei anderen eben,
wie es gern gesehen wird.
Ich fliehe aus Kiew? Weil ich ein
Auto habe und Bomben fallen.
Das stelle man sich in Schenefeld
vor! Natürlich ist mir in
so einem Fall klar, wer gegen
mich aggressiv ist. Solange Gas
meine Heizung versorgt, sehe
ich’s entspannt. Mir hilft nicht,
den wahnsinnigen Russen zu
beschimpfen. Ich kann nachvollziehen,
warum jemand sich zum
Despoten entwickelt. Hexenkessel,
die Lunte brennt! Wie
entschärft man eine Atombombe
im Küchenhof der Hölle?
Man überlege, wie Gerd Schröder
(endlich) in Moskau eintrifft.
Er sagt:
„Wladi, so geht das nicht!“
# Jeder an seinem Platz
Die Pathologie einer Machtstruktur liegt
in der zwanghaften Furcht, nachgeben zu
müssen. Die anderen wären die Bösen, und
ich eben guter Mensch: So gehen nicht wenige
in die Kirche, und die haben das Ganze
nicht verstanden. Sie spalten nach wie vor
ab, was sie nicht begreifen möchten. Eine
völlig verdrehte Sicht, die Ukraine „bedrohe
das mächtige Russland“, heißt es. Keinesfalls
erlauben wir uns anzunehmen, Mächtige
wären in die Enge Getriebene, unter Druck,
sich als ausgegrenzt zu empfinden wie der
russische Präsident.
Das ist schließlich der Täter.
Nicht so weit denken.
Vor allem will niemand derjenige sein,
der vor aller Augen Leid verursacht und
dazu eine Erklärung abgibt, die allgemein
Fassungslosigkeit und Kopfschütteln auslöst,
Sanktionen provoziert, die Einschnitte sämtlich
bedeuten. Wer möchte heute Wladimir
Putin sein? Diese Frage stellt sich niemand.
:(
Feb 25, 2022 - Wir brauchen Angeklagte 25 [Seite 25 bis 25 ]
Neue Weltordnung
27 Feb, 2022
Unsere Leben sind endlich, auch die Präsidentschaft
von Wladimir Putin wird nicht
ewig dauern. Von einer neuen Weltordnung
ist die Rede nach dem Angriff auf die
Ukraine. Plötzlich glauben einige, dass der
russische Präsident am Ende ist. Das ist neu.
Jeder, den es angeht und wer wichtig genug
ist, konsultierte den aktuell Gefährlichsten,
um das Schlimmste zu verhindern. Putin trat
immer stark auf. Gute Haltung, Festigkeit
und Vitalität sind sein Markenzeichen
gewesen. Vorbei ist es mit seiner souveränen
Ansprache. Wirre Rhetorik voller Hass.
Züge, die manche bereits früher bemerkt
haben wollen, treten offen zutage. Fachleute
rätseln, und alle fragen sich, was
kommt, wo geht das hin? Das macht
Angst. Wir begreifen, da fühlt sich
jemand nicht ernst genommen und ist
bereit, seinen Machtapparat gegen ein
ganzes Land loszulassen, tut das tatsächlich.
Der unvorstellbare Krieg ist
wieder da. Was für ein blöder Grund
anzufangen für einen Intelligenten,
als den man den mächtigen Russen
gekannt hat, und nur für Narzissten
nachvollziehbar. Immer mehr rücken
ab vom Präsidenten. Was tun seine
Oligarchen?
Man darf sich fragen, ob Wladimir
Putin im pathologischen Sinn krank
ist, kann darüber nachsinnen, ob die Nato
und der Westen besser auf die Befindlichkeiten
Russlands geachtet hätten. Was jetzt
geschieht, ist eine Katastrophe für alle. Es
werden Helden geboren, das ist die gute
Nachricht. Russland wird ein weiteres Mal
wie nach dem Zerfall der Sowjetunion von
der Wahrheit heimgesucht. Die russischen
Soldaten stoßen in der Ukraine nicht auf
ein Naziregime, da sind keine Menschen zu
befreien. Die Armee sei mit erbittertem Widerstand
konfrontiert, heißt es. Da kämpfen
welche, die, da hatte Putin nicht Unrecht,
wie Brüder der Russen sind, gegen die
Soldaten, denen ihr Präsident ein Feindbild
geschaffen hat, das nicht real ist. Wieder ein
Krieg, der nicht gewonnen werden kann. Der
Lichtstreifen am Horizont ist das Einsickern
der Wirklichkeit in ganz Russland, kann noch
der furchtbare Blitz einer großen Bombe
sein, die schließlich zündet. Jede auch für
eine Zeit unangefochten scheinende Macht
kommt schließlich zum Ende.
:)
Feb 27, 2022 - Neue Weltordnung 26 [Seite 26 bis 26 ]
Hornblower
27 Feb, 2022
Wieder kommt mir Hornblower in den Sinn.
Schon einmal habe ich diesen Bezug zur
Gegenwart gesehen, und zwar als Donald
Trump zum Präsidenten der Vereinigten
Staaten von Amerika gewählt wurde. Schnell
kam die Frage auf, was mit dem los sei? So
etwas „hatten wir noch nicht“ und „der Mann
spinnt“, waren bekanntlich die ersten Reaktionen.
Bald kamen Psychiater zusammen, den
Amerikaner – ohne ihn zu treffen versteht
sich – allein aus der Beobachtung der Medien,
analytisch zu bewerten. Verschiedene
Geisteskrankheiten und Verhaltensauffälligkeiten
attestierte man dem Populisten.
Exponiert ist Trump allemal, und auffallen
muss man als Präsident. Andernfalls wird
man keiner.
So absurd sich dieser Mann an der Spitze
der USA auch gegeben hat, klar ist, dass diese
extrovertierte Persönlichkeit genügend
Verstand besitzt, weiter mitzumischen, auch
wenn er die Wiederwahl vermasselte, was
drüben selten ist. Eine der faszinierendsten
Regeln der amerikanischen Demokratie
lautet, dass man nur zwei Mal Präsident sein
darf. So etwas wie den langjährigen Kanzler
Helmut Kohl bei uns oder das ihm nachfolgende,
von den Deutschen so geliebte
„Mädchen Angela“ mit ihren überlangen
Kanzlerschaften, kann es in den Vereinigten
Staaten nicht geben, weil nach zwei gewonnenen
und durchregierten Perioden ein
anderer aufgestellt werden muss. Wladimir
Putin könnte sich dort nicht wie ein Zar
einnisten und bleiben. Dass es in Russland
möglich geworden ist, besorgt manche nicht
erst seit der Eskalation in der Ukraine. Wir
haben uns gern täuschen lassen, wenn wir
den starken Politiker in den Medien gesehen
haben. Immerhin sei der frühere Bundeskanzler
Gerhard Schröder mit ihm befreundet,
heißt es.
Wladimir Putin äußerte sich angeblich
über Trump, der sei „in echt“ ganz anders
als im Fernsehen. Zwei, die sich mögen?
Der französische Obelix ist ja auch so einer,
der gern den Russen besucht hat, und mit
Schröder finden wir noch einen extrovertierten
Freund im Bund. Passt doch, mögen
einige gedacht haben. Ich jedenfalls gehöre
zu denen, die Gefallen dran finden, wenn
laute, kraftvolle
und authentische
Menschen
sich gegenseitig
Respekt erweisen.
Das schien mir hier
der Fall zu sein. Ich
blieb gern blind auf
einem Auge, wenn
die Demokratie in
Russland missachtet
wurde, sogar die
Annexion der Krim
hat mich kalt gelassen.
Das „war immer
unser“, meinte eine
liebe Bekannte zu
mir. Natascha ist
aus der Gegend
von Omsk oder
so (kaltes Sibirien
jedenfalls), und sie ist wirklich klug. Eine
starke Frau. Viele Russen vertrauen ihrem
Präsidenten mit dieser ihnen eigenen Blindheit,
über manches hinwegzusehen, das bei
uns undenkbar funktionierte. Jetzt hat sich
daran etwas geändert. Während ich nach
wie vor an den Verstand von Donald Trump
glaube, der ganz offensichtlich den menschenverachtenden
Sturm auf das Kapitol
anschob, teile ich die Befürchtungen einiger,
die bemerkt haben wollen, dass mit Putin
etwas nicht stimme.
# Das macht Angst
Ich denke an Adolf Hitler, seinen sogenannten
Nero-Befehl, verbrannte Erde
zurückzulassen. Das beschreibt diesen Wahn,
wenn der erhoffte und anvisierte Endsieg
nicht hinzubekommen sei, hinterlasse man
dem Feind nur Schutt und Asche. War der
deutsche Diktator, schlimmer als Napoleon
oder Mussolini, krankhaft bösartig? Das
deuten Fachleute an. Neulich kam etwas im
Fernsehen. Eine Doku ging der Überlegung
nach, inwieweit Hitler eine vorbelastete Persönlichkeit
gewesen ist. Man führte Inzucht
in der Familie an, und es ließen sich Belege
dafür finden. Der Vater war jähzornig und
trank, so dass man annehmen könne, Sohn
Adolf hätte eine traumatische Vorgeschichte
gehabt, hieß es. Dann gab es als ein weiteres
Detail, was sich gut in eine verstörende
Biografie einreihen ließ, die wenigen Belege
dafür, dass der junge Hitler sexuell gedemütigt
worden wäre. Und zwar von seinen
Kameraden zur Zeit des Ersten Weltkrieges,
den der spätere Führer als einfacher Soldat
erlebte. Die Doku probierte aufzuzeigen, der
Führer habe ein operativ nicht verschließbares
Leck „untenrum“ gehabt, sei inkontinent
gewesen. Das, und die frustrierende Zurückweisung
an einer Kunstschule, auf die der
junge Mann gern gegangen wäre, zusammen
mit der Familiengeschichte, mochte dem
Historiker eine These geben, Hitler hätte
gute Gründe gehabt, die Welt als nicht
normal anzusehen und berechtigten Hass
pflegen können. Die Unabänderlichkeit der
erfahrenen Kränkungen nagten am Führer
und nährten narzisstische Ideen.
Mir hat das gefallen zu hören: Zeigt es doch,
dass Wahnsinn nicht von ungefähr kommt.
Ich empfinde meine Mitmenschen nur zu oft
als verletzend. Als noch schlimmer nehme
ich wahr, dass nicht wenige sich selbstgerecht,
geradezu unbeeindruckt stumpf und
unbewusst ihrer Gemeinheiten breit machen.
Das stützt meine Ansicht, die Umgebung
kränkt nicht wenige,
begünstigt traumatische
Lebensläufe.
Andere mögen
ähnlich empfinden.
Das lässt als Schluss
nur zu, dass wir alle
nicht selten fies und
herzlos über unsere
Nächsten hinweggehen.
Mit dem
Unterschied, dass
manche sich selbst
weniger verletzen
lassen und andere
extrem vulnerabel
reagieren. Der Ansatz
zu helfen muss also
sein, Menschen davon
abzubringen, dem
Rat zur Nächstenliebe
auf eine Weise zu folgen, die sie krank
macht. Andernfalls wird der Wunsch, sich
schließlich einmal zur Wehr zu setzen, auf
zerstörende Weise frei. Gedemütigte müssten
lernen, ihre Kräfte in motivische Bahnen
zu lenken, die ihrem Umfeld nützen wie
ihnen selbst.
Man muss kein Facharzt sein, um diese
furchtbare Zeit des Zweiten Weltkrieges und
das Gebaren des Führers als bösartig und
krank zu bewerten. Vor Ort und damals war
die Masse jedoch kollektiv davon überzeugt.
Viele geschichtliche Dokumente und Filmmaterial
zeigen, dass der deutsche Führer
die Menschen begeistert hat. Selbst welche,
die Hitler als Person infrage stellten, waren
überzeugt, dass Deutschland nach dem verlorenen
ersten Krieg mit einem zweiten zu
verdienter Größe zurückfinden müsse. Auch
nachdem dieser zweite Krieg verloren war,
blieben nicht wenige dem bösen Denken
treu. Sie sahen ihre Zeit keinesfalls aus der
Perspektive, die wir gewohnt sind. Heute erstaunt
die Einschätzung nicht weniger, die in
ihrer zertrümmerten Heimat Berlin von den
Amerikanern und Briten gefragt wurden, wie
das mit Hitler gewesen wäre? Als es wieder
aufwärts ging und der Schuttberg kleiner
wurde, es guten Kaffee gab, amerikanische
Feb 27, 2022 - Hornblower 27 [Seite 27 bis 29 ]
Zigaretten und manche Freiheiten, die den
furchtbaren Krieg schon bald ein wenig vergessen
ließen, antworteten die Deutschen
nicht selten: „Der Nationalsozialismus wäre
an sich eine gute Sache gewesen, nur eben
schlecht durchgeführt.“ Dieses, wie ich finde
schockierende Zitat, habe ich vor kurzem in
einem Bericht über die Zeit vor dem Mauerbau
in Berlin aufgeschnappt. Wir sollten
vorsichtig sein mit unserer abwertenden
Bewertung heute, wären wir doch dieselben
vielleicht, die so dächten, hätten wir damals
gelebt.
Möglicherweise hat der russische Führer
noch Erfolg? Friedensverhandlungen sind
gerade wieder im Gespräch. Sein „Endsieg“
bestünde drin, die ukrainische Führung
mit einigen, wenigen bösen Angriffen nun
schnell einzuschüchtern und emotional zu
brechen, auf Linie zu bringen: „Vergesst das
mit der Nato. Die Amerikaner gängeln euch
nur“, mag der gute Wladimir beschwören.
Wenn das möglich würde, könnte dieses
Land sich wie Belarus und Kasachstan auf
die gewünschte Weise anpassen? Es fällt
mehr als schwer, daran zu glauben, dass es
noch so in etwa geschieht. War die militärische
Idee anfangs, ohne den jetzt begonnenen
Angriff, allein aufgrund der bedrohlichen
Situation des vorherigen Manövers,
eine erzwungene Aufgabe der Scharmützel
im Osten zu erreichen? Da hätte eine
Befriedung des Gebietes unter Anpassung
an Russland nicht wenigen imponiert. Es
hätte nicht unerhebliche Eigenbewegungen
in Richtung freier Demokratie erstickt und
in dieser Hinsicht schlecht Informierte (wie
zum Beispiel mich) weiter an die russische
Version der lupenreinen, gelenkten
Demokratie glauben lassen. Man muss sich
schämen, es zuzugeben? Ich wäre vielleicht
noch einmal darauf hereingefallen, dass mir
der starke Mann im Kreml irgendwie gefällt.
Das ist vorbei. Es wird mir spät klar, dass
man nicht sagen kann, wir greifen nicht an,
es tut und sagt: Selenskyj sei ein Nazi. Der
wirkt gar nicht wie Adolf. Was für eine Art
Faschismus meint der russische Präsident?
Der blindeste Kunstmaler aus Schenefeld
muss im Komiker Selenskyj den mutigsten
aller kreativen Kollegen sehen, und ein
Zerrbild wurde aus dem, den ich irgendwie
mochte – Putin.
Angenommen, krankes Verhalten ist so
selten nicht? Es spricht viel dafür, und die
Schuld liegt sicher nicht nur in der Vorbelastung
missratener Gene – sondern unsere
Umgebung zeigt sich als unfreundliche
Sozialität, die das nicht wahrhaben möchte –
dann können auch Führungskräfte psychisch
krank werden? Möglich ist eine Entwicklung
zum Schlechten. Kein Idiot bekommt eine
führende Position. Heute wird gern vom
Burnout geredet. Aber das ist nur ein neues
Wort, das den Zusammenbruch einer Karriere
kennzeichnet, die es den Betroffenen
ermöglicht, anschließend weiterzumachen.
Würde man diese Erkrankung stigmatisierend
bewerten, bedeutete sie das Aus für zu
viele, die vor dem Kollaps gute Arbeit geleistet
haben. Das macht deutlich, das wir auf
dem guten Weg sind, psychische Krankheiten
als integriert anzunehmen. Da können
wir noch besser werden. Schwieriger als der
weinende Chef, unvergleichlich gefährlich
geradezu, ist ein Amokläufer, und denkbar ist
auch eine psychisch kranke Führungskraft,
die nicht weint, sondern immer bösartiger
wird und schließlich irrational handelt.
Es könnte krankhafte Entwicklungen geben,
die erst allmählich zu einem handfesten
Problem werden. Der erhängte Epstein mag
ein Beispiel dafür sein, wie abartiges und
krankes, gegen andere gerichtetes Verhalten
den Verbrecher nicht hinderten, rational
sein Vermögen zu erwirtschaften. Dieser
Mann wäre als Sexualstraftäter schuldig
gesprochen worden. Entsprechend auffällige
Gymnasiallehrer oder Betreuer in einer Kita,
die sich an die ihnen anvertrauten Kinder
heranmachen, therapieren wir als krank. Das
hängt sicher mit den Millionen zusammen,
die man nur mit entsprechendem Verstand
zusammenbekommt. Wer „nur“ Pfleger
irgendwo ist, muss krank sein, wenn dieser
Kinder missbraucht, meint die Gesellschaft.
Wladimir Putin könne nicht krank sein, ist
schließlich Präsident? Wir sollten es ins
Auge fassen als unglaubliche Gefahr.
Der von C. S. Forester erdachte Leutnant
Hornblower ist ein literarisches Vorbild, das
mir in den Sinn kommt, wenn es darum geht,
im Krieg selbstständig zu handeln. Wer die
Reise mit dem verrückten Kapitän Sawyer
erinnert, kann wie jeder andere Leser
des Romans ins Grübeln kommen, wie das
damals gewesen sein mag, als der Kommandant
in den Niedergang stürzte? Dieser
Despot war immerhin der Kapitän eines
beachtlichen Zweideckers und bestimmte
über das Leben zahlreicher Männer an Bord.
Die können ja nicht weg auf See.
Auch die Meuterei auf der Bounty liefert
eine wahre Geschichte, die Ähnliches
erzählt. Die unglaubliche Fahrt in einem
kleinen offenen Boot, die der abgesetzte
Bligh erfolgreich meisterte, um sich und
einige Offiziere zu retten, nachdem Fletcher
Christian die Bounty übernahm, hat der
abgesetzte Kapitän in Schriftform festgehalten.
Das habe ich gelesen. Bligh war ein hervorragender
Nautiker und hat es mit großer
Disziplin vermocht, seinen winzigen Kutter
weit über See zu navigieren, schlussendlich
heil anzukommen. Eine seemännische
Meisterleistung. Nichtsdestotrotz meuterte
seine Mannschaft auf der legendären
Bounty. Das kann nicht nur an den Verlockungen
der Südsee gelegen haben? Bligh
muss fies gewesen sein und hat in Christian
seinen mutigen Widerpart gefunden. War der
Kapitän aber krank? So genau weiß man das
ja nicht. Der fiktive Kapitän Sawyer (auf der
Renown) ist krank. Wir dürfen mutmaßen,
dass der genauso ängstliche wie bekanntermaßen
mutige, junge Leutnant Hornblower
das Problem in seinem Sinne angepackt hat.
:)
Feb 27, 2022 - Hornblower 28 [Seite 27 bis 29 ]
Historisch
28 Feb, 2022
Historisch, diese Tagesschau. Tina
Hassel macht deutlich: „Ausgerechnet
ein sozialdemokratischer
Kanzler bricht dabei mit vielen
Gewissheiten, die für SPD und Grüne
lange Jahre zur DNA gehörten. Das
2% Ziel bei Rüstungsausgaben soll
nun Jahr für Jahr nicht nur umgesetzt, sondern
sogar übererfüllt werden.“ Davon, dass
es eine Vorgabe ist, die von Donald Trump
angemahnt wurde, spricht niemand. Das war
eine Sendung, die eher von einer möglichen
Wehrpflicht berichtet hätte als über die
geplante Impfpflicht. Unglaublich: Es gab
in dieser 20 Uhr Tagesschau kein Corona.
Das kam gar nicht vor. Keine Inzidenzen
oder neue, gefährliche Varianten, kein Karl
Lauterbach und die Kumpels aus der Gefahrenabteilung
Virus. Null Prozent Pandemie,
aber zwei Prozent Rüstung, und das heißt
hundert Prozent Krieg. Die Krebsvorsorge
hat niemand überhaupt ins Sendegebäude
gelassen. Lauterbachs Klopfen an der Tür
zu Judith musste die Security verhindern, im
Stream für die Zuschauer unhörbar filtern. Es
gibt noch echte Gefahren, eine Atombombe
regiert Russland. Chemische Kampfstoffe
und Hyperschall wollen probiert werden.
Vielleicht sollten Gasmasken angeschafft
werden anstelle FFP-zwei? Überlegt das
mal.
:)
Feb 28, 2022 - Historisch 29 [Seite 29 bis 29 ]
Schuss überhört?
Mrz 2, 2022
Borussia Dortmund / Gerhard Schröder
# Aus dem Internet kopiert: Der BV. Borussia
09 e. V. Dortmund entzieht Gerhard Schröder
mit sofortiger Wirkung die Ehrenmitgliedschaft.
Über einen entsprechenden und
einstimmig getroffenen Präsidiumsbeschluss
unterrichtete Vereinspräsident Dr. Reinhard
Rauball den Bundeskanzler a.D. am heutigen
Vormittag in einem persönlichen Gespräch.
(…). Die Übernahme von Führungspositionen
in russischen Staatskonzernen (…) ist vor
dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges
auf die Ukraine und des damit einhergehenden
gravierenden Verstoßes gegen
geltendes Völkerrecht nicht akzeptabel.
Schröder fungiert aktuell unter anderem als
Aufsichtsratschef des russischen Mineralölunternehmens
Rosneft. (BVB-Webseite am 2.
März 2022).
:(
Mrz 2, 2022 - Schuss überhört? 30 [Seite 30 bis 30 ]
Wiederholung
Mrz 3, 2022
# Das kam auch noch: Hannover 96 prüft
Vereinsausschluss von Altkanzler Schröder.
Nach dem Deutschen Fußball-Bund (DFB)
plant auch Zweitligist Hannover 96 Maßnahmen
gegen (…) den Altkanzler wird
ein Vereinsausschluss geprüft. Borussia
Dortmund hat dem 77-Jährigen bereits
die Ehrenmitgliedschaft entzogen.
(NDR, 2. März 2022).
:( :(
Mrz 3, 2022 - Wiederholung 31 [Seite 31 bis 31 ]
John Lennon gewinnt noch
Mrz 4, 2022
Im Kleinen wie im Großen, wenn jemand
ausrastet, bildet sich Widerstand. Russland
mit seinem eigenen Weg der Selbstfindung
wurde geduldet, jetzt nicht mehr. Das gibt
uns aktuell die Gelegenheit, die Entwicklung
von Sanktionen besser zu verstehen. Ein beispielloser
Vorgang deswegen, weil so viele
mitmachen und dem Land geradezu
die Luft abgedrückt wird. Das ist Gruppendynamik
im globalen wie kleinen
Dorf oder in der Schule. Ein Mitschüler,
der durchknallt, wird niedergerungen
und ein Attentäter eingesperrt,
entwaffnet. Ein Land das rumballert
kann heute nicht mehr gewinnen, soll
die Botschaft sein. Die Probe aufs Exempel,
dass unsere Zivilisation eine ist.
Die westlichen Demokratien begreifen
die Schwäche, die sie damit haben,
nicht mit Waffengewalt (man muss
sagen: gewinnbringend) antworten zu
können. „Macht doch euer Geschäft mit
dem Frieden“, hatte John Lennon gefordert,
und genau das passiert jetzt, indem
jedes wirtschaftliche Handeln unmöglich
gemacht wird – außer es gibt Waffenruhe
und schließlich Frieden.
:)
Mrz 4, 2022 - John Lennon gewinnt noch 32 [Seite 32 bis 32 ]
Lawrow, Schröder,
Putin
Mrz 4, 2022
Verrückte haben heute Rechte, und zwar
deswegen, weil sie Möglichkeiten eigener
Entwicklung nutzen können, die es früher
nicht gab. Was ein Geisteskranker sei, ist
nur für die einfach zu bestimmen, die selbst
einfachen Geistes, sprich: dumm sind. Die
verschiedensten Diagnosen in diesem
Gebiet zeigen, wie viele Gesichter das
Verrücktsein hat. In der normalen Bevölkerung
gibt es weiter eigentlich unhaltbare
Ansichten dazu, die aber ins Wanken geraten
wie jede Form von Fake News. Die Realität,
welche dem Verrückten nicht verfügbar
scheint, grenzt nicht nur ihn ein, sondern bestimmt
auch die Aktivitäten der Umgebung.
Menschen, die bislang nicht mit psychischen
Auffälligkeiten zu tun hatten, meinen sich
Überheblichkeit leisten zu können? Das ist
insofern riskant, weil es in jeder Familie
oder der nahen Bekanntschaft derartige
Kranke gibt. Da kann niemand wegschauen.
Auch an sich emotional Gefestigte können
psychisch krank werden. Wer also das Maul
zu weit aufreißt, Bescheuerte zu mobben,
könnte Ärger bekommen und Angst, selbst in
Behandlung zu müssen.
Es mag stark wirken, ist aber ein Bumerang:
Dumme können andere beschuldigen. Das
hilft nur denen, die als verrückt und gefährlich
gebrandmarkt werden. Sie können
begreifen, was ihnen Schwierigkeiten bereitet
und warum sie gekränkt sind. Einfältige
Menschen kommen klar, weil ihre Umgebung
sich nicht an ihnen stört, im Gegenteil,
man nutzt sie als billige Mitstreiter. Ihre
geistige Gesundheit verdanken manche nur
der Integration. Klugheit ist nicht nur so da,
sie gewinnt an Realität, wenn viele mitmachen.
Schildbürger sind einig und stark darin,
einander Mut zuzusprechen, sich gegenseitig
Intelligenz zu bezeugen. Man hüte sich davor
zu glauben, die Wahrheit eines richtigen
Handelns mal so eben schnell erkennen zu
können. Nicht selten bringen spätere Perspektiven
andere Realitäten hervor.
Psychisch Kranke machen dumme Sachen,
und zunächst scheint es dasselbe zu sein.
Der Isolierte kann aber an Boden gut
machen, wenn dieser andere findet, die sein
Handeln nachvollziehen können. Damit
bestätigt sich für einen Kranken, dass eine
in seinem Sinne intelligente Entwicklung
hinter dem eigenen Problem steht. Ein
dummer Mensch kann leicht Druck ausüben,
weil dieser nicht übersieht, was das auslöst.
Er schlägt den Gewalttäter zurück und hält
sich für eine rechtmäßige Ordnungskraft.
Das kann stimmen, aber oft ist der Polizist
nicht mehr als ein Automat, während der
Durchgeknallte dazulernt und seine Motivation
versteht. Demütigend für einen Machtlosen
ist es, die anerkannten Werte nicht
einfordern zu können.
Bestes Beispiel ist
ein Land, dessen
Wehrkräfte schlapp
sind oder ein Spinner,
der zwar das Richtige
verlangt, aber vom
Mob ignoriert wird.
Dann ist der Gute der
Dumme.
Ein als krank Definierter
kann schließlich
aufzeigen, dass seine
Gewalt nötig gewesen
ist und er als Gekränkter handelte. Aus einer
Not die Befreiung zu suchen wird in dem
Moment glaubwürdig, wo ein Aggressor sich
erfolgreich als Opfer darstellen kann. Klappt
es nicht, wird die Wut der Beschädigten ihre
Anstrengungen stärker machen. Der nun
offiziell Bescheuerte muss gleichermaßen
dumm wie krank draufzahlen. Es läuft auf
eine Mehrheitsentscheidung hinaus, was
richtig, gesund und klug ist. Deswegen
entwickeln sich Regeln, gibt es angepasste
Gesetze, und das Recht kann erstritten
werden. Es steht nicht fest. Auch was das
Völkerrecht angeht, muss ein Bruch durch
richterlichen Spruch entschieden werden
und vor allem spürbar Konsequenzen haben,
schließlich eine Situation schaffen, die allen
nützt und Geschädigte stärkt. Symbolische
Entscheidungen mit dekorativem Charakter
zeigen nur, wo die wahren Realitäten sind.
# Grund genug für Russland anzugreifen?
Russland im Krieg mit der Ukraine, das war
vor kurzem undenkbar. Davon kann und wird
die Gesellschaft viel lernen. Die unglaubliche
Solidarität, die derzeit die Ukraine
erfährt, kann den russischen Druck brechen,
wenn das Ganze nicht lange dauert, Putin
irrational handelt. Sind die Beweggründe
der russischen Führung weniger absurd,
für genügend Menschen im Land und auch
außerhalb in anderen Staaten nachvollziehbar,
bleibt der Despot fest im Sattel, so
unglaublich wir Europäer und andere im
Westen das fänden. Die aktuellen Einlassungen
vom russischen Außenminister sind mitnichten
verrückt, wenngleich sein Präsident
einen bösartigen und krankhaften Duktus in
jede weitere Botschaft bringt, beschwörend
geradezu Rechtfertigungen formuliert, die
angesichts der Bilder vom Krieg schockieren.
Was Lawrow anführt, der Krieg in der
Ostukraine würde seit Jahren vom Westen
ignoriert, lässt sich nicht von der Hand
weisen. Der Westen ist ein Nutznießer der
Unruhen. Die Russen wiederum können,
besonders nach der Annexion der Krim nicht
mal so aufhören, und es bringt gar nichts zu
sagen, die hätten ja angefangen. Wenn es so
einfach wäre. Die Angriffe auf Kiew und weitere
große Städte kann niemand ignorieren.
Insofern steckt in der für uns nicht nachvollziehbaren
Aggression der Wunsch nach
Provokation. Wenn die Ziele dieses Krieges
aus russischer Sicht erreichbar sind, muss
der Westen mit einer Niederlage rechnen,
wenn das Ziel des Westens darin bestünde,
die bisherige Ukraine so wie wir sie
definieren, zu erhalten. Das Land ist bereits
jetzt kaputtgeschossen. Damit hat Russland
de facto gewonnen, wenngleich zum hohen
Preis. Das Verhalten unseres Altkanzlers
Schröder zeigt das auch. Gerd Schröder ist
nicht verrückt. Und Lawrow genauso wenig.
Hier wird das brutale Kalkül der Mächtigen
gesehen, bewusst in eine verlustreiche
Schlacht zu ziehen, aber es ist mehr. Es muss
etwas dran sein an der verletzten russischen
Seele nicht nur der ihres Präsidenten,
sondern auch insgesamt. Wir sollten die
Möglichkeit, dass schließlich eine Weltordnung
dabei herauskommt, die wahrhaftiger
ist als der blinde Fleck, den sich der Westen
an seiner Ostgrenze erlaubte zu haben, nicht
ausschließen.
:)
Mrz 4, 2022 - Lawrow, Schröder, Putin 33 [Seite 33 bis 33 ]
Schöne Zeit
6 Mrz, 2022
Viele Namen in dieser Geschichte und einige
Umwege, das bekannte Thema neu zu skizzieren.
Wie allgemein sollte, wie persönlich
darf ein Kreativer werden? Übergriffig ist
der Mensch als banaler Nachbar um die
Ecke oder als ganzer Staat, der den Krieg
beginnt. In dieser Konsequenz verstehe ich
unsere Welt und glaube nicht an dauerhaften
Frieden. Gewalt ist eine Realität des
menschlichen Daseins. „Die Sanktionen kämen
einer Kriegserklärung gleich“, befindet
Wladimir Putin heute. „Du hast angefangen“,
mag man im Westen kontern. Der Russe
verweist rückwärtsgewandt auf die Epoche,
wo Ukraine und Russland eins gewesen
wären. Wer Recht hat, was macht das schon
in einem taktischen Spiel der Egomanen?
Die Grenzen zwischen bösartigem Machtstreben
und krankhaft motiviertem Terror
verwischen. Das zeigt einmal mehr, dass es
nicht auf Definitionen ankommt oder wer
Schuld habe, sondern nötig ist, individuelle
Lösungen für mehr Frieden zu finden.
Wir sind ja die Guten, und die Russen faken
die Wahrheit? Leugne das nicht! Wir lassen
uns einiges einfallen, deutlich zu machen
wie sauber wir reden. Aber je besser
wir werden, um so schmutziger kommt
scheinbar die Antwort. Vermeidung jeglicher
Inkorrektheit wird konterkariert von einer
Schwemme des Bösen aus der Feder der Hater.
Flüchtlinge sind neuerdings nur Männer,
und wir verletzen uns an diesem Wort? Das
Schenefelder Tageblatt schreibt ausschließlich
von Geflüchteten, die wir zu erwarten
hätten. Mit Samthandschuhen verfasste
Textstellen verstören nicht weniger als die
Fake News der Bösen. Sprache ändert sich:
Bis vor kurzem waren Soldaten, Feuerwehrleute
und Studenten wie Flüchtlinge, nicht
zuletzt Verbraucher und normale Bürger
normal.
George Orwell sagte uns in seinem Roman
„1984“ eine neue Sprache voraus. Das könnte
wahr geworden sein? Journalisten eifern
und überschlagen sich geradezu, so korrekt
wie möglich zu schreiben: „Einige die Flammen
Studierende schauten Feuerlöschenden
zu, während tatkräftige, das Wasser Verbrauchende
sich noch um die vor dem Brand
Geflüchteten und die von Rauchenden entzündeten,
rauchenden Trümmer kümmerten.“
Ein Krieg der Worte macht den Anfang und
anschließend beginnt der „Krieg der Welten“
– das könnte sein. Danach werden Schweigende
uns den ewigen Frieden geben.
# Klappe!
Es scheint, wer aktuell in Russland das Falsche
berichtet, bekomme nach Putins neuem
Gesetz bis zu fünfzehn Jahre Haft? Schlimm.
Aber wer sich bei uns nicht die Finger
auf der Tastatur bricht, ist
Genderleugner. Dazu passt ein
aktueller Bericht im Internet.
Man habe mit vier Menschen
in Moskau gesprochen. Drei
von denen heißen in etwa
Michail, Irina oder Natascha
mit Sternchen*. Dazu schreibt
die Seite, zum Schutz ihrer Persönlichkeit
wären die Namen
geändert worden. Das sind
diejenigen, die sich besorgt
über den Krieg in der Ukraine
äußern. Die heimlich über
Telegram informiert sind, was
dort wirklich passiert, Krieg.
Sie geben an, die Staatsmedien täuschten
ihre Landsleute. Dann kommt ein Igor, Juri,
Leonid oder so ohne Sternchen (es muss immer
russisch klingen) als glühender Verehrer
Putins, rechtfertigt den Angriff. Das kann
man gepflegt in Hamburg am Schreibtisch
verfassen, ohne ein einziges Mal Russland
besucht zu haben.
In der Ostukraine war bereits jahrelang
Krieg vor der aktuellen Eskalation. Ein
Problem vieler Brandherde weltweit deutet
sich an. Im Gazastreifen besteht jeden Tag
die Gefahr einer Attacke. Und in den ersten
Tagen des Angriffs auf die Ukraine sagte
Donald Trump tatsächlich bewundernd: „Das
sollten wir mit denen im Süden genauso
machen“ – unglaublich? Nicht für den vorherigen
Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Die wahrscheinlichste, zukünftige Entwicklung
in der Ukraine ist mit der andauernden
Gewalt etwa in Palästina vorgezeichnet. Und
mehr noch, auch zwischen „denen im Süden“
und der USA könnten ständige Kämpfe wie
dann rund um Europa zum Alltag werden?
Flüchtlingsbewegungen und Grenzschutz
auf Kosten der Menschen in diesen Regionen
sind unsere Zukunft. Echte Gefahren,
welche die vertraute Existenz und das
Überleben selbst gefährden könnten, kippen
die Vorstellung, wir hätten noch eine Komfortzone
als Puffer, bis es wirklich schlimm
kommt. Das Geschäft zu machen, wird über
alle Moral siegen. Die gewinnbringenden,
gegenseitigen Transaktionen mit Gas, dem
Öl und Weizen aus Russland müssen und
werden weitergehen.
# Schröder
Die Politik „der ruhigen Hand“ war sein
Slogan. Das wird passieren, Gerd Schröder
sitzt diese Zeit der Eskalation einfach aus.
Der Altkanzler wartet, geliebt von seiner
schönen Frau und bei einem guten Glas Rotwein,
bis ihm die Sanktionen zu unterlaufen
gelingt.
Nicht einmal diese Zukunft ist eine grundsätzlich
böse und die Aggressoren wären
Schuldige. So denken nur welche, die mit
moralisierten Ansichten die eigene Person
aufwerten möchten. Unsere Telefone und
Waschmaschinen gehen früher kaputt, davon
lebt die Wirtschaft. Wir alle profitieren vom
Wachstum. Das Geschäft mit der Angst ist
auch eines, wie die Notwendigkeit, Kriegsgerät
im Einsatz zu verbrauchen, damit
neues fabriziert werden kann. Wahlwirksame
Begriffe verblassen dagegen: „Klimaziele“,
ist zunächst nur ein Wort wie „Pandemie“.
Jedenfalls immer dann, wenn es andere
Mrz 6, 2022 - Schöne Zeit! 34 [Seite 34 bis 37 ]
betrifft. Jetzt zeigt sich, wie schnell neue Realitäten
kommen. Auch mein kleines Leben
bedeutet gezwungenermaßen einen Kampf
gegen andere führen zu müssen, mindestens
aber stopp zu sagen. Mit „allen in Frieden
leben“, ist nichts weiter als billige Propaganda
von Menschen, die andernfalls nichts zu
melden hätten. Sie kämpfen genauso um Anerkennung:
Sonst bleibt dir keine Identität.
Ich glaube an das
Geschick der gelungenen
Abgrenzung.
Wie im Judo, wo der
kluge Verteidiger
den Angriff ins Leere
laufen lässt. Putin,
der Sportsmann,
ein guter Kämpfer
eigentlich, wurde
vom Verband
ausgeschlossen. Das
ist nur folgerichtig.
Kämpfe sind normal.
Es kommt darauf
an, wie sie geführt
werden. Auch der
Barmherzige hatte fortwährend Streit und
wurde schließlich als Aufrührer festgesetzt
und gekreuzigt. Warum ist das eine Religion?
Das Geschick besteht darin, dem eigenen
Tod durch Ausweichen lang genug von
der Klinge zu springen, das Ableben durch
Flucht zu vermeiden, Angreifer stolpern zu
lassen oder frech genug den Tod wie der
Sohn Gottes einfach zu überleben.
Der Ukraine-Konflikt kann nicht verdrängt
werden. Jeder ist angespannt. Wir rücken auf
den Kern der vertrauten Familie zusammen,
diskutieren (während wir gute Sachen essen),
was es heißt, Flüchtling zu sein. Unser
Haus ist überschaubar, Darlehen sind beinahe
bezahlt. Könnten wir fremde Menschen
aufnehmen, sollten wir? Kein Gedanke daran
im Moment, zugegeben. Wir blenden aus,
was geht, noch. Kein Krieg und kein Corona
westlich von Hamburg! Uns, mir geht’s prima.
Das war nicht immer so. Ich habe oft Hilfe
angenommen und bin dankbar dafür, sie
bekommen zu haben. Heute denke ich streitlustig
über manches, und das versteht nicht
jeder. Einige Erinnerungen und Beispiele
mögen das Individuelle einer besonderen
Perspektive verdeutlichen. Kreative schauen
anders auf diese Welt. Sozialer Druck macht
etwas mit uns. Das ist ein kleiner Krieg vor
der eigenen Haustür. Er geht so unauffällig
vonstatten. Es tut mir weh und anderen, die
dafür sensibel sind.
Den Anfang macht Schenefeld heute. Hier
läuft ein Stefan rum, ein Obdachloser. Das
weiß ich von Sibylle, den Namen, meine ich.
Bekanntschaften, man begegnet einander,
redet. Früher
hätte der
noch Sport
gemacht, erzählte
sie. Der
Verwahrloste
redet mit sich
selbst. Ein
vernünftiges
Gespräch
scheint
ausgeschlossen.
Er ist Teil
meiner Umgebung
wie
Bäume am
Straßenrand, Hundeködel und die Bürgermeisterin.
Mit der wiederum rede ich nicht
und habe meinen guten Grund. Ich kann
durchaus kommunizieren. Unser Dorf wird
mir allmählich vertrauter. Ich bin zugezogen,
komme aus Wedel an der Elbe.
# Hier geht es um echte Menschen
Was bedeutet das:
Russland, ist dieses Land
etwa Putin, sein Reich,
Krieg, warum nur? Die*
(die ich mal kannte) aus
St. Petersburg: „Mutig
gegen Extremismus“,
bekam einen Preis für
ihren Text. Dinge beim
Namen nennen, forderte
ich, es fehle in der
liebevoll verbändselten
Buntstiftgeschichte
eigentlich das Persönliche.
Dabei ist so toll,
was sie gemacht hat.
Ihr Ansatz wäre, ein
prominentes Thema und
deswegen geeignet, Aufmerksamkeit zu bekommen,
nur allgemein zu skizzieren, merkte
ich an. Ein Unterfangen wie ein gutes Drehbuch,
das es geben müsste, aber ohne die
individuelle Wahrheit vom speziellen Drama
dahinter. Berufen zum Guten unterwegs, sich
irgendeine Familie auszudenken mit einem
schwarzen Schaf; mein Bruder, der Nazi. Und
den gibt es dann gar nicht. Ein fiktiver Bruder
reiche nicht für eine wichtige Botschaft.
Habe ich gesagt. Das überzeuge nur Lehrer;
Kunst müsse aus echtem Fleisch und Blut
sein – und dann ist uns alles entglitten, wie
jeder hier weiß. Es tut weiter weh. Wer ist
an der Wirklichkeit gescheitert? Das bin in
erster Linie ich selbst.
Die Person, dem Menschen zu begegnen,
mit dem sich alles ändert, bedeutet in der
Realität anzukommen, mit dem eigenen Ego
zu kollidieren.
Mir ist
das passiert,
Gott sei Dank.
Wir suchen
danach. Die
eigenen Probleme
zeigen
sich in der Beziehung
zum
Gegenüber.
Auch wenn
wir scheitern:
„Unterschätze
nie deine Möglichkeiten“, schrieb meine
Kunstfreundin auf englisch unter eine
fotografierte Wolke. So etwas wird gern geliked.
Aber das ist mehr als eine Phrase, sie
kann töten. Beim richtigen Namen nennen:
Persönlichkeitsrechte sind was für Juristen.
Böswillig verletzen ist das eine, die Wahrheit
zu suchen und reflektieren ist eine Not der
Kunst.
Beim Segeln kennen sich alle, und jahrelang
waren viele von uns im Januar auch im Wald
unterwegs, boßeln. Ich weiß noch, das Gespräch
kommt drauf, und Klaus fragt mich:
„Wie hieß noch mal der andere?“ „Morten“,
antworte ich ganz unbedarft, aber es gibt
mir einen Stich. Der andere ist Morton, und
ich bin eben der von zweien, der nicht der
andere ist.
# Verrückte
Dann wäre noch an Björn zu erinnern. Das
erledige ich (an diesem Tag im Wald) gleich
mit. Stille Post? Klaus will es wissen und
Daniel auch, beim Boßeln damals. Björn (der
verstorben ist) hat noch einen Bruder, der
ebenfalls segelt, eine Schwester. Man redet
nicht über früher. Ich muss dieses Pferd
einer Geschichte von hinten aufzäumen: Das
Boot (von Heuer noch geplankt gebaut) ist
in der Familie verblieben. Björn also tauchte
spontan auf, mit dieser Jolle, er wäre Mechaniker,
meinte er, repariere Autos. Das war
Ende 1986, zu der Zeit, als ich meine Jolle
von Dieter kaufte.
Viele Namen, das habe ich ja schon gesagt.
Keine Sternchen, es sind richtige Sterne an
meinem Himmel, die ich mit einem Raumschiff
der Fantasie besuchen kann. Anders
könnte diese Geschichte authentisch kaum
erzählt werden als gerade so. Dieter, noch
so einer? Das ist kein Umweg, ich schweife
nicht ab, keineswegs. Das gehört alles dazu.
Was hier notiert ist meint nicht alle Segler
wären verrückt. Menschen sind so, auch
wenn sie kein Boot haben. Wir könnten nicht
besser leben als mit unseren Fehlern. Dieter
also hatte gerade ein Loch in seinen Wohnzimmerfußboden
gebuddelt, nachdem er
den Zement durchbrochen hatte. Ein Haufen
gelber Sand lag auf dem Teppich, als wir
redeten. Der Grund blieb mir unklar.
# Reise zum Mittelpunkt der Erde
Egal, wir verhandelten, und es war ganz einfach.
Ich interessierte mich für das Boot und
traf auf offene Ohren. „Hatten wir ja gesagt,
dass du die Jolle zurückkaufst, wenn du in
dem Alter bist“, meinte er. Das bezog sich auf
den denkwürdigen Tag der Übergabe sechzehn
Jahre zuvor. Ich erinnere die Tausendmarkscheine
und unseren Wohnzimmertisch
im alten Haus.
Ich war nun groß. Dieter hatte
sich verändert. Es hieß, er wäre
gelegentlich nackt am Strand herumgelaufen,
habe ja seine Arbeit
verloren, sei bescheuert geworden.
Ich bekam das Boot etwa
zu dem Preis, den meine Eltern
forderten, als wir verkauften und
den Jollenkreuzer bekamen. Kaum
mehr als dreitausend Mark, die
Summe, die mein Vater 1955 Feltz
für den Neubau von seinem Lohn
bei Wischebrink abstotterte. Zu
wenig? Ich bot wohl viertausend;
ganz genau weiß ich’s nicht mehr, müsste
im Vertrag nachsehen. Die ungepflegte Jolle,
die im Juni ausgetrocknet an Land gelegen
hatte, wurde anschließend bei Knief saniert.
Das kostete noch einmal so viel. Eine
Versicherung war nicht bereit gewesen, das
Boot aufzunehmen, nachdem der Gutachter
Kielplanken und Schwertkasten inspiziert
hatte.
Dieter fing sich, begann wieder zu arbeiten.
Sein Bruder begegnet mir reserviert. Der war
nämlich Mitbesitzer, vermute ich inzwischen.
Gesprochen wurde nie darüber. Dieter hatte
ihn möglicherweise nicht gefragt, die ,Millionen‘
für den „Peter Panter“ allein eingesackt?
Bei mir wurde über den Umweg „Antares“
schließlich der „Globetrotter“ daraus, wie
man diese Jolle kennt.
Mrz 6, 2022 - Schöne Zeit! 35 [Seite 34 bis 37 ]
# Dieser Text?
Namen wie verpixelte Gesichter in den
Nachrichten: Die Wahrheit ist tatsächlich
dahinter. Es wurden keine Schauspieler engagiert.
Nicht wenige Menschen, die es wirklich
gibt, sind oder werden psychisch krank.
Das sollte nicht verdrängt werden. Wir wollen
es nicht, das geschieht, ist menschlich.
Manche tun bloß so erwachsen. In Schenefeld
gibt es ja junge Leute wie früher in
Wedel oder Osdorf, wo meine Freunde Piet,
Niels, Tascha und Kocki aufgewachsen sind.
„Was ist denn aus den ,Tollen‘ geworden?“
fragte Piet mal und zählte auf, wer in der
Schule gut und beliebt
gewesen war. Absturz
unerwartet? Einiges
ändert sich, wenn die
Schule aus ist, und das
sei jungen Menschen
angeraten, aufmerksam
zu bemerken.
Ich glaube nicht, dass
psychisch Kranke zwingend
in die Obdachlosigkeit
rutschen. Es ist
aber bekannt, dass manche
latent psychotisch
oder manisch werden, und diese haben es
schwer. Selbst der Psychiater äußerte sich
abfällig über meinen Freund (den anderen)
mir gegenüber. Im Nachhinein fies, finde
ich. „Bei Ihnen ist es nicht so, Herr Bassiner“,
meinte der Arzt. Der unterhielt sich eben
gern über Kunst. Der Psychiater malte auch
ein wenig und spielte im Orchester die
Geige hobbymäßig. Während der Therapie,
die ein lockeres Plaudern bedeutete, riefen
immer wieder Patienten in der Praxis an,
und man stellte die Gespräche durch. „Gehen
Sie mal um den Block, Frau Soundso“, meinte
mein Doktor, „das beruhigt“ und probierte,
diese Patienten aus unserer Sitzung herauszuhalten.
Das heißt Therapie? Es hat mich
nicht gesund gemacht, und vielleicht bin
ich noch immer krank? Weiß ich ja nicht. Ich
gehe nie zum Arzt, vertraue auch anderen
Spezialisten nicht, nachdem mir einer unter
dem Vorwand „Darmkrebs“ einige Zentimeter
rausschneiden wollte. Das ist nur ein Geschäft
– und mit denen, die irgendwann mal
in der Klappse waren, könne man’s machen,
denken nicht wenige?
# Mir geht’s gut, und Björn ist tot
Das waren einige wenige Jahre, ich bin noch
Student gewesen, die ich diesen Freund
hatte. Ich fing im Sommer 1985 an der
Armgartstraße an, schloss ’91 mit Diplom
ab. Björn segelte mit uns, mit seinem Boot
und auch als Vorschoter bei mir, wir machten
viel zusammen. Einmal war reichlich Wind,
als wir beide vor Brokdorf beschlossen, dass
wir den Spinnaker wohl tragen könnten.
Wir donnerten damit die ganze Elbe rauf
bis zum Yachthafen in Wedel. „Jonni, der
Schwerwettersegler“, anerkannte Piet das.
Mich bestärkte Björn darin, es zu können.
Ich sah auf den Mast, und der bog sich nach
vorn in jeder Bö. Die Jolle begann ständig zu
rutschen. Wir kamen aus dem Gleiten kaum
einmal raus. Fontänen standen seitlich, und
ich hatte noch nicht gelernt, etwas mehr
Schwert zu geben. Das Boot geriet dauernd
ins Geigen. Mich überzeugte der ruhige
Björn. Wir glichen also entspannt aus und
sausten wie eine Rakete heimwärts. Mein
Mitsegler schien an diesem Tag keinerlei
Angst zu kennen. Er sagte auf der ganzen
Heimreise vielleicht zwei, drei Sätze. Die
drückten nur aus, wie selbstbewusst und gelassen
er wäre. Ich habe das geglaubt. Björn
wird es an diesem Tag genauso empfunden
haben, wie er sich gab. Er war ja ein wenig
älter, ein Mann eben – und ich nur Student.
Einmal rundeten wir an einem schönen Tag
Hanskalb. Diesmal ist es ganz flau gewesen.
Als wir vor Blankenese um den Sand abbogen,
knatterte ein großer Militärhubschrauber
über uns südöstlich durch. Das sei sein
Vater, der „überwache uns und wäre beim
BND“, meinte Björn so überzeugend, dass ich
mir nicht viel dabei
gedacht habe.
Dieser Vater war in
einigen Vereinen,
glaube ich, auch
beim DSV mischte er
gewichtig mit. Man
muss ihn sich als
Respekt heischend
denken, jedenfalls
ein dünner Hänfling
und Malschüler an
einer Kunstschule
wie ich empfand
das so. Die Mutter erinnere ich lieb, und bei
Morten ist diese Konstellation genauso, das
nur nebenbei.
Eltern spielen eine Rolle, wenn die Kinder
seltsam werden. Heino, der Sänger, hatte
eine Tochter, die sich umbrachte, heißt es.
Bei dem Fußballreporter Waldemar Hartmann
wäre ein Sohn krank, las ich einmal,
und das hat mir immer geholfen: Ich möchte
nicht das Kind von einem dieser Prominenten
sein, das spürte ich. Sie erinnern mich
zu sehr an die Väter von Morten oder Björn.
Natürlich gibt sich der bekannte Schlagersänger
anders als der prominente Sportreporter.
Worin habe ich die Gemeinsamkeit
von vier Männern gesehen, die ich mehr
oder weniger beobachten konnte und die
Kinder dazu?
Schwer zu
sagen, jeder
mache sich
selbst ein
Bild von „starken“
Vätern
mit psychisch
kranken
Kindern. Mein
Erich ist ganz
anders zu
erinnern, aber meine Mutter manipulierte.
Vielleicht lebe ich deswegen noch? Greta
glaubte, Björn habe einen „Bornavirus“ gehabt,
das käme von Pferden und mich damit
angesteckt. Da ist sie die Einzige gewesen,
die das meinte. Sie las ein Buch und sagte,
es wäre von einem, der hieße Gottesmann,
ein Fachmann für psychische Krankheiten.
Das war der Beitrag meiner Mutter, und sie
kümmerte sich, wenn es mir schlecht ging.
Mein Vater hat sich nicht ein einziges Mal
überwinden können, meine Probleme, die
scheinbar mein gesamtes Leben und jegliche
Zukunftsplanung zerschossen hatten,
ernsthaft zu besprechen. Ich habe die Alten
gepflegt, ihr Sterben begleitet, ja buchstäblich
organisiert. Ich lernte, unser Geld zu
verwalten, Miete nach Köln zu verfüttern,
Verträge auf den Weg bringen. Der Blöde
bin ich gewesen, gutgläubig eben. Meine
Schwester meint, ich hätte meine Eltern
gehasst. Das sagte sie mal. Tatsächlich
verachte ich sie und unsere, mir verbliebene
Familie in der Idemöllerstraße, Blankenese,
Oberursel und Köln, aber meine Eltern? Man
hat ja nur diese und sucht sich’s nicht aus.
Ich rede kein Wort mit ihnen, denen es nur
ums Geld und perverse Eitelkeiten ging.
Ihre Leben dürften gesünder verlaufen in
mindestens einer Armeslänge Abstand von
mir. Es gibt keinen Kontakt, und das bleibt
so; unbelehrbar stolz bin ich auf alles, was
ich gelernt habe wegzuhauen aus meinem
Leben.
# Sweet Charity Hope Valentine
„Daddy started out in San Francisco, tootin’
on his trumpet loud and mean“, aber es ist
das Rauchen gemeint: Einmal waren Imke
und ich mit Björn zum Jazz. Das war zu der
Zeit, wo „Musical-Projekt“ an Fahrt gewann.
Wir suchten eine Band. Die Merrytale spielte
arrangiert nach Noten mit zwei Trompeten.
Nicht das gewöhnliche Getute der Amateure.
Vielleicht ließen sich hier Musiker für
„Sweet Charity“ finden, das wir bereits im
Amerika-Haus mit Coach Eric Emmanuele
probten? Wir sind in der „Fabrik“ und mancher
Location unterwegs gewesen. Trompeter
Jochen war scharf auf meine Freundin?
„Kommt doch mal in den Cotton Club“,
schlug er vor. So bekamen wir mit, wie der
renovierte Keller fertig wurde, der Container
auf dem Großneumarkt ausgedient hatte.
Was macht die Amerikanerin?“, fragte er
später regelmäßig, wenn ich allein kam. Er
hat sie auch bei Eric im Shop besucht, aber
es wurde nichts draus, glaube ich. Jochen ist
älter gewesen, deutlich, und Imke ging mit
Rick nach Kalifornien, heiratete aber Ingo,
ließ sich scheiden von ihm und ist wirklich
Amerikanerin heute.
Mit Jochen, Björn und Imke erinnere ich,
wie wir im Cotton-Club sind. In den Pausen
und auch noch zum Schluss weit nach
Mitternacht. Wir saßen am Ende der langen
Holztheke, die den Gang
an der Wand gegen den
unteren Bereich mit den Tischen
begrenzt, dem Platz
für die Band. Jochen stand
die Stufe tief, und die Ecke
besetzten wir drei mit ganz
unterschiedlichen Ambitionen,
glaube ich. Björn war
gar nicht ernst zu nehmen.
Der fingerte wie ein Kind
an Jochens Trompete rum,
ein Spielzeug? Der Musiker
ließ ihn gewähren und hatte nur Augen für
Imke. Ich dachte, wir hätten hier das Ziel,
eine Kapelle für die Aufführung zu finden?
Als Björn probierte, in das Instrument zu
blasen, nahm der Trompeter unspektakulär,
ohne ihn ernst zu nehmen, das Mundstück
ab und steckte es in die Tasche. Zum Schluss
waren alle Absichten klar: Jochen kam bei
Imke nicht voran, wir fanden in den alten
Männern kein Orchester für unser Projekt,
und Björn würde nicht was tuten dürfen, nie.
Wir fuhren gemeinsam zu dritt mit meinem
roten Passat nach Hause. Björn redete
die ganze Zeit dummes Zeug. Imke und er
kannten sich gar nicht. Das war gekommen,
wie sich Menschen eben aus verschiedenen
Bekanntschaften für nur einen Abend verabreden.
Nächtliche Heimreise über die Elbchaussee,
oben am Fluss entlang. Unterwegs in
Mrz 6, 2022 - Schöne Zeit! 36 [Seite 34 bis 37 ]
meinem ersten Auto. Wir sausten mit Blick
auf das von den Scheinwerfern der Industrie
am Hafen glänzende Wasser, schließlich
durch Blankenese und weiter nach
Westen bis Wedel. Ich fuhr und
war deswegen nüchtern geblieben,
hatte in der gesamten Zeit allenfalls
ein einziges Bier getrunken.
Wir sollten ihn in der Altstadt absetzen.
Ich glaube heute, der Vater
finanzierte die kleine Wohnung.
Wir parkten am Roland, etwa vor
dem Hotel von Imkes Opa. (Frauke
möge mir diese Details verzeihen).
Das ist so lang her. Nachdem es
schon zu fortgeschrittener Zeit
gewesen war, so drei Uhr morgens,
probierten meine (beste) Freundin
und ich, den Verwirrten (endlich)
zum Aussteigen zu bewegen. Dies
zog sich wohl beinahe eine Stunde
hin. Der brabbelte die ganze
Zeit, und heute würde ich sagen,
vollpsychotisches Gerede ohne
Sinn. Das kannten wir noch nicht.
Liebevoll wie hartnäckig versuchten wir, seine
Launen, neue Themen anzuschneiden, die
noch gesagt werden müssten, dahingehend
zu beeinflussen, endlich aus dem Auto zu
klettern. Wir schafften das dann. Wir sahen
ihm nach, als er ins Dunkle verschwand,
womöglich in seine Bude schlafen ging. Das
war uns nun sehr egal. Vollkommen irritiert
und müde sind wir anschließend in die
Bahnhofstraße gefahren. Wir wohnten bei
unseren Eltern in unmittelbarer Nachbarschaft.
Eine schöne Zeit!
:)
Mrz 6, 2022 - Schöne Zeit! 37 [Seite 34 bis 37 ]
Damals erschien diese Zeitung bereits im
kleinen Format, und einige Jahre haben wir
sie gelesen. Als kleine Schwester der Bildzeitung
ist es unnötig, sie noch zu kaufen.
Es steht nichts mehr drin, was annähernd
dem individuellen Witz einer Hamburger
Spezialität entspricht. Vielleicht doch? Ich
kaufe keine Mopo mehr und bekomme es
nicht mit.
Schwachsinn
8 Mrz, 2022
Das Schicksal liebt mich.
Wenigstens das aus dem
Tageblatt, davon bin ich
überzeugt. Als ich im
zarten Alter von Mitte
zwanzig meine Leidenschaft
für Kreuzworträtsel
entdeckte, war es
weniger die Begeisterung, diese zu lösen als
eigene zu entwerfen. Es gab ja noch nicht
das Internet, und so lasen Menschen Zeitungen
aus Papier. In jeder Zeitschrift, die etwas
auf sich hält, finden sich Horoskop, Rätsel
und ein paar Comics. Meine Eltern kannten
noch „Dankwart“ (in der Morgenpost) und
zitierten manches.
So etwa Freundinnen über ihre Männer:
„Heute muss ich noch mit zum Fussball.“
„Wieso ,heute’?“
„Nächste Woche sind wir verheiratet.“
Nach dem Studium bin ich jahrelang freier
Mitarbeiter der Zeitschrift „Yacht“ gewesen.
Ich bot denen auch einmal ein eigenes
maritimes Rätsel an, stieß aber nicht auf
Interesse. Dann habe ich deswegen, mich
zu erkundigen wie man es macht, bei einer
Hamburger Redaktion angerufen. Früher
hätten alle noch einen beschäftigt, der die
Rätsel entwickelt, sagte man mir. Heute
montierten sie lediglich vom Computer
errechnete Layouts. Man müsse so eine
Datei schon auf dem neuesten Stand halten,
meinte der freundliche Redakteur. Das hieße
immer mal neue Wörter und interessante
Begriffe einzupflegen, wie er das nannte. Das
Programm enthielt also einen Stammwortschatz,
und die Zeitung konnte die äußere
Form dem Zeitungslayout einer Rätselecke
anpassen, erläuterte er.
Wir hatten bis vor einigen Jahren Sonntagszeitungen,
die sich lohnten. Das einzig
verbliebene Blatt ist die BamS, und die kaufe
ich tatsächlich. Ich schäme mich nicht! Die
anderen, inklusive unseres Tageblatts, sind
bereits am Sonnabend für das Wochenende
komplett. Mehr ist nicht wirtschaftlich. Eine
traurige Entwicklung. Unser Tageblatt, welches
seit je her inhaltlich in weiten Teilen
mit anderen Zeitungen der Redaktion in
Pinneberg übereinstimmt, ist der armseligste
Rest Schenefelder Berichterstattung, den
sich ein Leser nur
denken kann.
Ich erlebte Vitt,
Katy Krause,
Christian und Tanja,
dann noch die
hilflosen Versuche
von Cindy Ahrens,
und nun ist es ganz
aus. Verschiedene
schreiben einige
banale Spalten
vorne links, und wer ist Ann-Kathrin Just?
Das ist kein Schenefelder Tageblatt, es ist
ein Witz. Das Horoskop ist noch das Beste
dran. Natürlich gibt es insgesamt weiter
gute Berichte in dieser Zeitung aus unserem
Kreis. Sie zu lesen bedeutet mir wenigstens,
auf dem Laufenden zu sein, was in
Schleswig-Holstein und vor allem
rund um Pinneberg geschieht. Ich
mag Papier zum Frühstück. Das ist
die absolute Luxuszeitung beim
Bäcker. (Ich kaufe sie jeden Tag).
Schwachsinn, es weiter zu bezahlen,
das Tageblatt – für diesen
Preis. Aber schwachsinnig bin ich
ja ganz gern.
:)
Die Kombinationen? Darüber zerbrach sich
kein Mensch noch den Kopf wie ich. Bei den
Horoskopen wird es ähnlich laufen. Unsere
Sternzeichen mit der Tagesvoraussage, die
meine Frau und ich am Tag unserer Hochzeit
in der Mopo vorfanden, war so geistreich,
dass wir das ausgeschnitten haben. Es hängt
gerahmt in der Küche bis heute bei uns.
Mrz 8, 2022 - Schwachsinn 38 [Seite 38 bis 38 ]
Weltaufmerksamkeitstag
10 Mrz, 2022
Sie können einem leid tun,
diese Frauen. Sie meinen, mit sechzig eimerweise
rote Farbe ins Haar kippen zu müssen
oder probieren, mit einer albernen Weste
ihre verblasste Wichtigkeit in den Vordergrund
zu drängen. Sie fordern: „Atomkraft
schaffen ohne Waffen“, „Freiheit für alle“ und
bewirken nichts als Spott. Friedenswerkstatt,
Kulturwerft, Genderfabrik, das ist so
wichtig. Von allein würden sie keine „von der
Leyen“, ist es das? Da hätten die verkorksten
Schabracken früher anfangen müssen,
an sich zu arbeiten. Neid ist kein guter
Ratgeber, das müssen auch Männer lernen.
Wir haben früh begonnen, die Welt nach
unserem Bilde zu formen. Der Vorsprung
macht es. Dem internationalen Frauentag
folgt einer für den Mann: Im Wettstreit der
Geschlechter kann niemand gewinnen. Tag
„des Betens oder -Unkrautjätens“, es dürfte
schwer werden, noch Termine zu finden für
ein Event. Wer sich benachteiligt fühlt und
eigene Wichtigkeit betonen möchte, suche
sich einen Weltaufmerksamkeitstag.
# Die eigene Krankheit
erfinden
Junge Frauen stehen vor der Herausforderung,
einfach zu leben oder riesigen Zinnober
mit sich anzustellen. Schöner waren sie
nie als heutzutage. Man kann es natürlich
übertreiben. Auch mit dem um Aufmerksamkeit
buhlen. Erwachsene passen auf. Wenn
etwas schief geht, keine Angst! An den Falschen
geraten? Dann kommt eine Marianne*
und rettet dich. Alte Tanten, die gegen das
Böse und den Schmutz der Welt angehen.
Leider übersehen diese Emma’ angesagte
Plattformen. Sie glotzten
nie am Zaun einer
Schule wie die Onkel? Es
dürfte schwierig werden,
unsere Welt noch zu
retten. Sie ist einfach zu
hübsch, um überleben
zu können. Jedenfalls
solange sie jung ist, die
Weiblichkeit.
(Name* zum Schutz
der Person mit Stern
versehen).
:)
Mrz 10, 2022 - Weltaufmerksamkeitstag 39 [Seite 39 bis 39 ]
„Einige Ergebnisse wurden
möglicherweise aufgrund
der Bestimmungen des
europäischen Datenschutzrechts
entfernt“
Mrz 12, 2022
Zensur ist überall. Auch
bei uns. Es gibt keine
vollkommen freie Freiheit.
Selbst YouTube ist moderner
geworden: „Mag
ich nicht“, Daumen runter!
Wir können das klicken, sichtbar für den,
der online gegangen ist mit seinem Scheiß;
die anderen vielen sehen die Abstrafung
nicht mehr. Zweifel am Stil der Menschen im
digitalen Umgang miteinander, an der Qualität
von Aussagen und öffentlicher Druck,
mögen der Anlass gewesen sein zu handeln.
Die digitale Wahrheit ist ohnehin eine Lüge.
Fake-News für alle sind Realität geworden.
Wir fragen uns, ob jemand seine Follower
kauft? Wir zweifeln, ob eine Veröffentlichung
aus trivialem Neid absichtlich mies gemacht
und unerlaubte Technik eingesetzt worden
wäre, um das Werk niederzumachen.
Soziale Medien werden als böser Tand der
Moderne kritisiert, nicht zuletzt Telegram.
Auch über das schnöde WhatsApp rotten
sich die Horden zum „Spaziergang“
zusammen. Das möchte man unterbinden.
Manchmal aber würde sogar Gutes bewirkt,
wenn wir der Freiheit nur ihren Lauf ließen,
heißt es. Als Trump-Gegner mehrheitlich die
Karten für eine Veranstaltung kauften, um
gerade dort nicht hinzugehen, kam das gut
an. Donald allein im Stadion, Ha-ha.
YouTube für Bessere ist smart? Die böse
Hand mit dem abwärts gerichteten Daumen,
den schon die alten Römer kannten, wurde
amputiert. Das ist eine elektronische Handfessel,
moderne Kastration, entsprechend
der am Fuß unserer Straftäter draußen,
denen man einiges zumutet. Jetzt dürfte das
Bild auf verborgene Weise verbogen sein.
Niemand disliked, wenn nur der Autor das
sieht. Insofern weiß auch keiner, wie etwas
bei freier Meinungsäußerung reflektiert
würde. Wer Schwachsinn verbreitet, dürfte
sich nun bestärkt sehen weiterzumachen. Ich
kann mich einfühlen: Meine Texte dürften
auf einer öffentlichen Plattform scheitern.
Ich schreibe weniger als Leserbriefe an eine
Zeitung, bin der totalen Nichtbeachtung
anheimgegeben mit dem eigenen Fenster
ins Nichts.
Die eigene Meinung für sich allein haben,
wie viele Dislikes ein Video bekommt,
verbirgt man: Das verstümmelte Medium,
denke ich, die Weltretter haben gesiegt. Die
Zensur von ihrer besten Seite, so menschlich
fair. Immerhin können wir noch erkennen,
ob sich Millionen für einen Film interessieren
oder nur einige hundert. Könnte man
verbieten. Diffamiert diese Zahl nicht etwa
Schwächere, weil Menschen nun unbekanntere
Videos ignorieren? Man könnte fordern,
auch diesen Hinweis aus Fairness gegenüber
gering aufgerufenen Darstellungen zu
verbergen; soziale Soße ertränkt das Böse
nicht.
# Kommentare
deaktiviert
Stille ist besser.
Auch ich rede
gern und möchte
unwidersprochen
vortragen.
Trotzdem werden
täglich neue
Ideen geboren.
Einfälle sprießen
wie Kraut in die
Zivilisation. Menschen
haben den
Gurt im Auto,
die Energiesparlampe
oder
den Helm für das Fahrradfahren erfunden.
Unermüdliche konnten den Brandmelder an
der Decke, den Airbag (sogar an den Seiten
vom Auto) und manches andere zu unserem
Schutz installieren. Vollständig geimpft
zu sein, hieß anfangs zweimal „Biontech“.
Das reicht längst nicht mehr. Gärtner der
neuen Zeit haben einen schwächelnden
Wirtschaftszweig mit bis dato unbekannter
Produktion belebt und zum starken Ast
einer beachtlichen Sicherheitsindustrie
anwachsen lassen. Kreativ bleiben! Das
Rauchen im Pkw müsste man grundsätzlich
verbieten. Beim Anschauen von Pornos
zuhause, könnten wir dem Konsumenten
vorschreiben (um ihn selbst vor Voyeurismus
und Erpressung zu schützen), eine Maske zu
tragen. Auf einen Gurt, sich anzuschnallen
wie im Auto, dürfte der Masturbierende
zunächst verzichten. Das befiehlt der Staat
erst in einem späteren Schritt, um Alte, die
im selbstgerubbelten Orgasmus vom Stuhl
fallen könnten, zu schützen. Das ist doch
keine Satire! Unfreiwillige Mitschnitte am
Strand oder in der Umkleide stehen bereits
auf dem Index. Da hier in erster Linie Frauen
die Opfer sind, sollte Spannern geholfen
werden, die im privaten Wohnzimmer wichsen.
Der Staat muss natürlich weiter große
Lausch- und Glotzangriffe hinbekommen.
Eine schwierige juristische wie technische
Gratwanderung.
# Wir schaffen das
Du schaffst es! Jeder kann es schaffen.
Längst Geschichte ist der amerikanische
Traum, ein Tellerwäscher könne noch Erfolg
haben. Diese fantastische Vision besiegte
Sowjetrussland. Ich wurde damit gefüttert,
wie großartig etwa Kennedy und die Amerikaner
überhaupt alles machten für uns.
Wir dummen Deutschen lernten, allerbeste
Demokraten zu werden. Das sollten diese
aggressiven Putinrussen heute mal nachmachen.
Die Freiheit des Einzelnen gab der
westlichen Welt insgesamt Kraft, nach dem
Motto, etwas ist so stark wie die einzelnen
Teile darin. Wir sind sauber heute. Sogar ein
Star meiner Jugend, Heidi Kabel, ist jetzt
als böse erkannt worden und wird posthum
entnazifitziert. Wenn nach ihr eine Straße
benannt wurde, muss nun ein Gegendenkmal
aufgestellt werden oder mindestens
ein Schild, dass den Kindern erklärt, wie
verlogen das Ohnsorg-Theater damals war,
dieses Monster auftreten zu lassen.
Freie Kräfte werden eingefangen, statt dass
sie noch etwas Gutes sind. Die Demokratie
wankt. Inzwischen sind aus den vielen
Kräftigen reichlich Aggressive geworden.
Das wird zum inneren Problem und hat
anderswo zur Idee einer „gelenkten Demokratie“
geführt, die gezügelt probiert, so
zu tun als ob. Jetzt scheint es, als wäre das
moderne Russland am Ende und wieder genau
dort, wo die Sowjetunion gescheitert ist.
Jede Freiheit findet ihre Grenzen. Auch der
Einzelne im Staat bei uns. Wir haben Regeln
wie alle Gesellschaften. Und Russland, das
unfreie Land, erkennt eben die Freigeister
der Ukraine als Nazivirus. Verkehrte Welt ist
das mitnichten. Der alte Kampf zwischen Gut
und Böse beinhaltet zunächst die Definition,
was gut oder schlecht ist.
Meine persönliche Meinung ist die Voraussage,
dass „ein größerer Frieden“ als der
aktuelle Krieg erreichbar ist. Die russische
Führung etabliert alternative Begriffe als
erlaubte Form der Berichterstattung. Eine
Militäroperation würde durchgeführt, ein
Konflikt bestünde. Das darf man sagen. Das
klingt doch moderat. Wir werden dergleichen
kopieren, bin ich mir sicher. Bei uns
werden bislang nur Leichen unscharf verpixelt,
ein Anfang zum smarteren Fernsehen
mit gelenkter Information? Da könnten ja
Kinder verstört werden bei diesem Anblick.
Wir sind eingebildet: Niemand kann so tun,
als gäbe es, reduziert um Moskau herum,
eine territoriale Insel. Ein quasi amputiertes
Russland (im weit ausgedehnten Asien)
dürfe gern Putins Land bleiben, und wir
drumherum gängelten den Verwirrten? Eine
idiotische Idee. Die größere Realität wird
gewinnen, aber das ist nur meine Meinung
als nebensächlichster Autor. Wir werden die
Kernversorgung aus Gas, Öl und Weizen, die
uns die Ukraine wie Russland und andere
bislang sicherstellten, nicht ersetzen
können. Nicht sofort und genauso wenig in
einigen Jahren. Das zwingt uns insgesamt
zum Frieden, und das wird einer sein, in dem
weniger geschossen wird als jetzt. Wenn der
russische Präsident das innere Opfer seines
eigenen Systems werden sollte, folgt ohnehin
ein symmetrischer Nachfolger.
Mit derselben Blindheit wie Blödheit,
anderen das Gutsein aufzwingen zu wollen,
gehen Menschen im Kleinen miteinander
um.
# Achtung Satire, jetzt wirklich!
Wir sind eine gute Demokratie mit dem
korrektesten Staat der Welt. Zwischen
Deutschland und Russland liegen Lichtjahre.
Darum ist ein Krieg in Europa auch verboten
worden. Wir sind so achtbar, dass unsere
Mrz 12, 2022 - „Einige Ergebnisse wurden möglicherweise (...) entfernt“ 40 [Seite 40 bis 42 ]
Soldaten keine einsatzfähigen Waffen
benötigen. Dafür haben wir im Inneren ein
System, das sollte sich Herr Putin einmal
anschauen, damit er das lernt mit der Vielfalt,
der Korrektheit und bunten Diversität
bei uns. Einiges geht auch unserem Staat zu
weit? Das darf man nun wirklich nirgendwo
gar nicht schreiben: Zum etablierten
Scheißbullen und alltäglichen Denunzianten
gesellt sich eine moderne Kuh (wie Ziege)
der Psychologie, als eierlegende Wollmilchsau
der modernen Kriegführung, welche
eine Deutungshoheit beansprucht, wenn
das Verbrechen nicht recht herauskommen
mag. Ihre Aufgabe besteht darin, Beute zu
machen für den Staat, und Täter zu schaffen,
die erst welche werden könnten. Wir haben
dafür den Begriff „Gefährder“ erfunden. Das
Wort müsste doch genderbar sein? Wie
ungerecht, dass bislang nicht berücksichtigt
wurde, wie gefährlich Frauen als solche sind.
Oft kommen diese (glücklicherweise) nicht
effektiv zum finalen Schuss; das mag ein
Grund sein? Ihre Motivation ist unredlicher
Natur. Der Wunsch zu bestrafen, Opfer, wo
noch keine sind, zunächst zu kreieren, führt
zur Jagd auf ausschließlich Männer und eine
konstruierte Beweislage, die vor Gericht selten
Bestand hat. Die Anwälte der Angeklagten
haben inzwischen ja auch aufgerüstet.
Meine Meinung, und hoffentlich erlaubt:
Polizisten scheitern grundsätzlich. Das sind
die Doofen, die schon in der Schule die
anderen Kinder verpetzten. Das Problem
des Aufpassers ist, er weiß nicht, was dem
Aggressor als nächstes einfällt. Der Polizist
ist ein Automat. Ein Täter ist kreativ wie
jeder Unternehmer. Dasselbe zeigt sich in
der Politik. Eine sozial dominante Politik
ruiniert das Land. Der Kreative gewinnt, der
vermeintliche Umverteiler zum Guten hin ist
mitnichten der beste Robin Hood, sondern
ein Idiot. Gutmenschen bringen noch eine
nationale, denunziantische Polizeigesellschaft
hervor, in welcher auch der linkste Sozialdemokrat
nicht leben möchte. Rot, wenn
es zu viel möchte, scheitert schließlich – und
schafft braun.
Der besiegt geglaubte Kommunismus ist in
Russland zurück an der Macht. Und so eine
Macht wie die in Moskau ist offensichtlich
braun, wenn das die Farbe der Diktatur
bedeutet. Die Ukraine müsse entnazifiziert
werden, sagte Außenminister Lawrow – wer
glaubt das denn von so einem? Wenn Selenskyj
und seine Klitschkos nicht so sympathisch
wären, hätte Putin leichtes Spiel. Wer
sagt: „Ich brauche keine Ausreisegelegenheit.
Ich brauche Munition“, gewinnt Herzen.
Ein Lehrstück sozialen wie menschlichen,
kämpferisch kreativen Verhaltens ist der brutale
Kampf um die Ukraine. Aber nur so lange
er sich nicht ausweitet und auch bei uns
Bomben fallen. Morgendliche Betrachtungen
im Bademantel aus dem geheizten Atelier
sind einfach und gefallen mir. Ich mag es zu
schreiben und Skizzen zu zeichnen. Ich habe
eine Tastatur und ein Fenster zur Welt mit
meiner Webseite. Ich bekomme keine Dislikes
oder dergleichen. Ich treffe Menschen
auf der Straße, und das geht mal so, mal so.
Die Interpretation ist individuell. Ein Kampf
der Mimik, und manche haben mehr Angst.
Auch insgesamt in der Weltpolitik bleibt die
Lage unübersichtlich. Wir dürfen natürlich
besorgt sein. Wahrscheinlichkeit hilft, wie in
der Pandemie. Es ist weniger wahrscheinlich,
schwer an Covid zu erkranken, als die
Nachrichten suggerieren. Und ein dritter
Weltkrieg ist unwahrscheinlicher, als ein
allmähliches Zurückfahren der Kampfhandlungen.
Die Attacken werden unauffälliger,
und wir gewöhnen uns. So bitter das klingen
mag. Wir stumpfen ab, und wer Wege findet,
wird sich dahin flüchten, wo es besser geht.
Man glaubt es ja nicht: Nicht wenige ziehen
extra ins Kampfgebiet aus aller Welt! Nicht
um Frieden zu stiften. Sie wollen mitballern.
# Legionen
Er ist noch nicht zu Ende gekämpft, dieser
Freiheitskampf der Ukraine, und es ist
zugleich die Freiheit Russlands, eine innere
wie äußere Stärke, die keine auf einen bösen
Präsidenten reduzierte Wahrheit bedeutet.
Vom Löschen der Nachrichten wird berichtet
und wie gelenkte Information die Staatsmacht
Putins stütze. Das ist eine einfache
Wahrheit für uns Demokraten, und sie mag
im einfachen Sinne stimmen. Wir sind viele
und äußern uns ungezügelter, werden nicht
vom Staat
beschnitten,
sondern von
denen, die
wir nebenan
verletzten. Wir
können uns
entfalten, und
die Russen
nur im engen
Rahmen der
Treue zur Regierung.
Unsere
Politiker werden gewählt, das kann nicht
bestritten werden, nicht einmal von denen,
die eine Lügenpresse bemerkt haben wollen.
Diese extremen, als quer und verschworen
gebrandmarkten Außenseiter haben aber
nicht deswegen so viel Aufmerksamkeit
und Zulauf gewinnen können, weil sie eben
Bescheuerte wären, sondern weil sie etwas
bemerkten, dass als Thema relevant ist. Die
Entdeckung, dass ein vorhandener Mainstream
nicht wenige an den Rand drängt,
hat Fahrt aufgenommen.
Dass sich Parteien bilden, also Gruppen
zusammenfinden für oder gegen etwas, ist
nicht neu und keine Erfindung der digitalen
Medien. Neu ist die fixierte Kommunikation.
Schreiben statt reden hat unsere verbale
Welt geschaffen, die mit einer Dynamik
aufwarten kann, die dem Rumgeballer im
wilden Westen nahekommt. Worte töten. Wir
reden ja nicht ins Leere des Äther, sondern
verewigen jeden Satz. Das Geschrei um die
Zulässigkeit der Bodycam bei der Polizei
war groß. Es ist ein Wettrüsten um die
Belegbarkeit des Vergangenen, anschließend
die Schuldkanone laden und abfeuern zu
können. Der juristische Streit um diesen
Videobeweis im Alltag ist bereits Geschichte
wie der idealisierte (oben zitierte) amerikanische
Traum, welcher uns ein Monster
wie Donald Trump herangezüchtet hat. Es
bedeutet die Mutation vom skrupellosen
Geschäftsmann zum Geisteskranken, der
weiß was er tut. Ein Psychopath im Anzug an
der Spitze. Wer glaubt, zwischen Trump, Joe
Biden oder Putin wären moralisch differenzierte
Unterschiede, die beim Wahlgang zu
bemerken nützte, könnte sich geirrt haben.
Die modernen Staaten stehen im wirtschaftlichen
Konkurrenzkampf wie sie voneinander
abhängig sind. Weicheier oder zu offene
und sympathische wie ehrliche Menschen
scheitern an der Spitze einer Regierung und
im kleinen Dorf.
Die hohe Zahl der Suizide aufgrund von
Anfeindungen, die oft anonym geschehen,
sind ein modernes Problem. Eine Begegnung
von Angesicht zu Angesicht mit der
vollständigen Palette unserer menschlichen
Ausdrucksformen wäre die natürlichste Weise,
sich die Meinung zu sagen. So wie das
Gewehr als eine Weiterentwicklung von Pfeil
und Bogen die Indianer besiegte, die den
steinzeitlichen Vorfahren unterdrückt haben
(und die Urmenschen welche, die mit der
bloßen Faust kämpften), erleben wir heute
das verbale Aufrüsten.
Während ich früher noch gern ins Kino
gegangen bin und Filme im Fernsehen
angeschaut habe, zappe ich heute durch.
Scheinbar unmöglich, mich auf eine Handlung
einzulassen, sehe ich nur Minuten zu,
bis ich den Inhalt begreife. Kürzlich kam
die Geschichte des Gefechts am O.K.-Corral.
Das hatte ich noch nie verfilmt gesehen. Ich
benötigte nicht lang, in Kirk Douglas
den Doc Holliday zu erkennen. Etwa,
als Morgan beschließt, seinem Bruder
zu helfen und der Lungenkranke eine
Mitfahrgelegenheit findet, schaute ich
ins Drama rein. Dann habe ich mich
schnell verpisst, durch andere Kanäle
gezappt, bis ich auch das aufgegeben
habe. Viele Jüngere schauen kein
Fernsehen, vernünftig. Die Story um
Wyatt Earp ist mir bekannt. Das habe
ich als Jugendbuch gelesen. Es war
als Dokumentation für größere Kinder
nett verfasst. Wir sollten lernen, zwischen
Fiktion und Geschichte Unterschiede zu
begreifen. Die Schießerei ist soweit, als das
Ganze tatsächlich passierte, wahr.
Aus der Vergangenheit eine Geschichte zu
formen ist menschlich seitdem wir sprechen.
Mit der Schrift ging der Mensch seinen
Weg in eine künstliche Welt wie er Häuser
gebaut hat und Schienen verlegte, Straßen
pflasterte, Pferd und Wagen modernisierte.
Der Film entwickelte sich und heute
das einfache Video für alle. Ein Fehler der
modernen Weltretter besteht darin, im
Medium selbst das Böse zu erkennen und
deswegen eine Zensur zu fordern. Es werden
dieselben, vermeintlich besseren Menschen
sein, die in Russland oder China staatliche
Eingriffe in die Informationen brandmarken.
Das Problem ist kaum die Technik, sondern
zunächst der Mensch an sich, nämlich der
Ärger, den der Einzelne mit der Gesellschaft
hat. Die kleine Welt drumherum zu pflegen,
ist besser, als im Vorgarten vom Nachbarn
die Pflanzen zu vergiften. Eine kreative
Blume züchten und das eigene Leben
fruchtbar machen, hilft. Andere beschuldigen,
vor ihnen wegzulaufen, die digitale
Vergangenheit löschen, bedeutet fixiert auf
damals abzuhauen. Auf Früheres aufbauen
ist das Gegenteil vom rückwärtsgewandten
„nach vorn schauen“, das man immer lauter
beschreien muss. Unter die Vergangenheit
ein Strich ist nicht mehr als das. Eine Linie
macht noch kein Bild.
# Ein persönliches Beispiel zum Schluss
Die erzwungene Illusion und gegenseitiges
Versteckspiel aus verschiedenen Motiven
haben mich korrigiert, an vieles noch zu
glauben. Danke dafür. Meine kurze Ewigkeit
ist in ein Bild gemauert, und das habe ich
weggeschenkt in den Müll der Kripo von
Pinneberg – glaube ich. Gemalt ist festge-
Mrz 12, 2022 - „Einige Ergebnisse wurden möglicherweise (...) entfernt“ 41 [Seite 40 bis 42 ]
halten, was flüchtig bleiben sollte. So künstlich
ist der Mensch. Man sagt etwas so dahin,
will nur nett sein. Geschrieben bleibt es für
immer: „Ich möchte, dass du weißt, dass ich
für dich da bin“, erweist sich als Floskel wie
„einen schönen Tag wünsche ich dir“, wenngleich
eine persönliche Mail tiefer geht und
man es beim hingeworfenen Abschiedswort
nicht wichtig nimmt. Wir können’s nicht
allen recht machen! Einen Schluss zu finden,
wird um so schwieriger, je weiter wir von
uns selbst entfernt sind. Jemanden dazu
ermuntern, über sich hinauszuwachsen, kann
bedeuten, eine Person über die Umlaufbahn
hinweg zu verlieren, von der ein Mensch die
heimatliche Erde noch erreichen kann.
Mein Vater starb, nachdem meine Mutter
vom Krebs gefressen wurde, ich den Verstand
verlor. Am letzten normalen Tag mit
(der, dessen Name nicht genannt wird) liefen
wir beide durch Blankenese zum Strand. Da
war nichts mehr normal zwischen uns. Die
gegenseitig zur Schau gestellten Fassaden
waren durchsichtiger als je zuvor. Meine
gefakte Freundin wollte nur noch weg, es
hinter sich bringen. Bitter. Manches bleibt
hängen. Ich fragte: „Die Zahlen in deiner Adresse
sind das Geburtsjahr?“ Sie bestätigte
und meinte, es müsse auch noch weg. Alle
privaten Hinweise müssten verschwinden.
Dann weg, in das schottische Schattenreich,
weiter und nie zurück: Die Ausbildung zum,
ja ich frage mich: für was eigentlich?
„Mein Vater hält ja auch nichts von der
Polizei, wegen der Sowjetunion und der
Verfolgung dort damals.“
Ein gruseliger Tag, und der Anfang unendlicher
Auseinandersetzungen mit den
sogenannten Erwachsenen aus Schenefeld.
Das sind tumbe Helfer, mögliche Spuren zu
verwischen, die dümmsten Trampel in einem
anspruchsvollen Geschäft. Sie machen sich
bis heute lächerlich. Diesen Weg gehe ich
nicht mit, habe ich gedacht. Ich halte fest
dagegen mit all meiner Kreativität! Ich gehe
genau in die andere Richtung. Ich schaue
direkt in dein schönes Gesicht. In Russland
muss man zu lügen nicht üben. Ich sehe auf
diesen Grund, und es ist der Blick in einen
Spiegel: Du glaubst, du trennst dich, aber ich
gehe nur den Weg weiter, den ich sowieso
gehe. Das habe ich gedacht und kann es
nicht vergessen.
:)
Mrz 12, 2022 - „Einige Ergebnisse wurden möglicherweise (...) entfernt“ 42 [Seite 40 bis 42 ]
„Bassi“ wäre neunzig
heute
Mrz 15, 2022
Was macht krank,
warum geht es mir
heute gut? Ich kann das beantworten. Besser
noch, als dass ich gesund bin, ist dieses Wissen.
Was kann ein Mensch tun, der ja nicht
irgendwer ist; ich konnte mich optimieren,
wie andere ihren Rennwagen oder das Boot
für eine Wettfahrt. Im Leben bestehen, auf
der Bahn. Nicht aus den Schienen fliegen,
wenn Fremde scheinbar die Macht über das
Tempo haben. Es bedeutet, das Fahrzeug
selbst zu lenken. Ich habe schon viele Regatten
gesegelt und einige gewonnen. Es hilft,
darüber nachzudenken, wie es beim Segeln
ist, wenn Dinge nicht funktionieren und
Ratgeber versagen.
Zu einer guten Regatta gehören die Regeln,
wie diese zu segeln ist. Man vergleicht sich
in einem abgesteckten Revier mit ganz
bestimmten Booten. Da segeln nicht große
Yachten gegen kleine Jollen, ohne dass ein
Kenner wüsste, solche Vergleiche machen
wenig Sinn. Gegen einen Großsegler wie die
„Gorch Fock“ unter vollen Segeln, mit schönem,
achterlichen Wind unterwegs, kann ein
kleines Segelboot nie gewinnen. Die Bark
wird über den Atlantik segeln, wir fallen zurück
und müssen bereits in der Elbmündung
aufgeben, schaffen es nicht einmal heil über
die Nordsee auf den Atlantik raus. Dabei ist
alles unzureichend, um mithalten zu können.
Wir haben nicht genügend Proviant, können
dem Seegang auf dem Meer nicht standhalten
und das Tempo, das unsere mickrigen
kleinen Segel an Vortrieb erzeugen, reicht
nicht. Wir können bei diesem Kräftemessen
nie gewinnen. Die Zeiten, als große
Segelschiffe unterwegs waren, kenne ich
aus Beschreibungen meines Großvaters. Die
„Pamir“ wäre ein 13-Knoten-Schiff gewesen,
sagte er etwa, oder von der „Passat“ hätte
es geheißen, sie habe bei Flaute noch ein
Flappen ihrer Segel (in der Dünung) nutzen
können, wäre einem Konkurrenten davon
gesegelt. So im Leben: Der Mensch vergleicht
sich mit anderen. Für manche steht
die Anerkennung und nicht das verdiente
Geld an erster Stelle. Wir möchten nicht von
Elefanten bewundert werden, sondern einen
Platz in der menschlichen Gesellschaft erringen.
Auch welche, die meinen, das sei gar
nicht so wichtig, ertappt man dabei, auf den
Applaus zu schielen.
Ich weiß noch, wie es Piet gelang, dauerhaft
schneller zu werden. Anfangs waren mein
Mitsegler Henning und ich ihm überlegen,
aber auf einer Jahresauftaktregatta schaffte
Peter nach etlichen Anläufen einen Durchbruch
in Lee. Wir hatten vom
Start weg auf ihn gesegelt,
da wir nur mit zwei H-Jollen
angetreten waren in einer
Wettfahrt, die eine bunte
Mischung verschiedener
Bootstypen darstellte. Mit
welchen Großen wir zusammen
starteten, interessierte
nicht. Wir beide mit unseren
Jollen umkreisten einander
schon vor dem Start wie die
Gegner im America’s-Cup.
Es ging elbab bis irgendwo
Pagen und dann zurück.
Keine anspruchsvolle Sache
in der Meisterschaft, einfach
nettes Regattasegeln und
ganz früh in der neuen Saison.
Wir lagen mit unserem
Boot gleich vorn, hatten den
Start am Yachthafen besser
hinbekommen, aber Piet
war auf Rufweite bei uns. Wir kreuzten dicht
zusammen Schlag um Schlag gegen leichten
westlichen Wind an der Nord. Mit meiner
neuen Clownfock liefen wir gut, Henning
schotete, wenn der Wind nachließ aus der
Hand, und Peter griff zwar an, blieb aber
ohne wirkliche Chance. Weiter elbab kamen
wir sogar deutlich weg von ihm und waren
übermütig, guter Laune. Das Jahr schien gut
anzufangen.
Die letzte Saison war erfolgreich verlaufen.
Wir erwarteten, daran anzuknüpfen. Piet
ist ein wenig jünger als ich, und zunächst
konnte ich ihn leicht schlagen mit meiner
Erfahrung aus dem Pirat. Wir haben beide
das Boot unserer Väter jeweils zum eigenen
machen können. Bassi, der am heutigen Tag,
wo ich diese Zeilen tippe, neunzig geworden
wäre, hat sich seine Jolle 1955 bei Feltz
bauen lassen und später verkauft, als meine
Schwester geboren wurde. Ich holte unser
Boot mit dem Kauf also wie zurück in die
Familie, und Peter hat anfangs bei seinem
Vater mitgesegelt, sein Schiff daraus gemacht,
als er alt genug gewesen ist und Adje
gern kürzer getreten ist für seinen Sohn.
Diese Auftakt-Regatta irgendwann, bedeutete
für Piet, mich von diesem Tag an immer
wieder schlagen zu können. Er gewann diese
eine, kleine Wettfahrt schließlich. Danach
kam er auch in der Meisterschaft nach ganz
vorn. Mein Stern sank, im Alltag scheiterte
ich auch. Das Segeln verbindet Peter und
mich wie damals. Ein gutes Beispiel, finde
ich, dass Siege zu erkämpfen oder eben
nicht, im Sport anderes bedeuten als die Demütigung,
sich selbst zu schaden (und nicht
zu wissen wie) im Leben an sich. Wir fingen
gemeinsam in der Klasse an, und anfangs
war ich besser gewesen. Diese eigentlich
unbedeutende Regatta, von der ich schreibe,
wurde ein Wendepunkt in mancherlei
Hinsicht. Es hat sich gezeigt, dass der Sport
das eine ist, das Leben anderes; und ich
habe einen Freund behalten, nachdem mein
Leben insgesamt scheiterte. Regatten konnte
ich nicht mehr siegreich abschließen. Es
geriet zur gleichen Zeit alles daneben und
zerstörte viele Träume.
Nachdem wir irgendwas bei Pagensand
(oder vor Bielenberg) gerundet hatten, liefen
wir wohl mit einem nördlichen Wind elbauf.
Doch ungefähr am Kleinen Kohn gelang es
Peter, uns im geringen Abstand in Lee zu
überholen. Da war nichts mehr zu machen.
Er ist einfach schneller gewesen. Es ging
geradeaus, und die Kunst für ihn hatte darin
bestanden, den Anschluss nicht zu verlieren,
nie aufzugeben. In einem Moment, wo
ich mir die Frechheit auf ihn abzufallen
nicht erlauben durfte und vielleicht mürbe
geworden bin, brach er einfach durch. Ich
weiß noch, wie klar wurde, dass seine Fock
freien Wind vor unserem Bug bekam, er
leicht hochziehen konnte und die sichere
Leestellung, wie Curry es nennt, zu wirken
begann. Er wurde nun deutlich schneller
und zog beharrlich weiter leicht, ja kaum
merklich hoch. Die Jolle raste wie doof
nach vorn! Ich erinnere seinen Ausruf in
diesem Moment, ein triumphierendes: „Ja!“
oder ähnlich – und das war’s nicht nur für
diese Wettfahrt. Er schien nun mit jedem
Meter schneller zu werden. Schon unter den
Hochspannungsmasten hatte die „Herz Jung“
eine beträchtliche Entfernung rausgesegelt.
Wir fielen immer mehr zurück. Das hatte
gar nichts mit irgendwelcher Taktik noch
zu tun. Ich steuerte einfach schlecht – und
hatte mich aufgegeben. Wir kamen eine gute
Meile zurück liegend nach ihm an.
Das war nicht nur das Segeln, auch der Beginn
dieser Jahre, in denen mein Leben insgesamt
jeden Kurs verlor und ich von nun an
krank gewesen bin. Auf dem Wasser konnte
ich nur im Ausnahmefall noch gut Regatta
segeln, jedenfalls blieben Henning und ich
beinahe immer hinter Peter zurück. Unsere
Freundschaft hält bis heute, muss dazu
gesagt werden. Peter ist einer der Menschen,
die sehr viel Geld verdienen. Er beantwortet
übrigens jede E-Mail umgehend, mein
Freund; das nur als Hinweis für welche, die
eingebildet sind. Davon gibt es ja einige.
Viele denken, jemand habe ein schnelles
Boot, wenn ein Sieger die Regatta gewonnen
hat, aber ein Schiff zu trimmen, dass es läuft,
ist das eine, schließlich entscheidet Taktik
über das Ergebnis im Ziel. Ich fragte Piet
später einmal, warum das Boot, das unter
Adje nie den Ruf hatte, ungewöhnlich zu
laufen, nun so rast. Sein Vater hatte die Jolle
besonders auf der Alster, durch legendäre
Mrz 15, 2022 - „Bassi“ wäre neunzig heute 43 [Seite 43 bis 44 ]
Weise, intelligent die verzwickten Winde
dort zu nutzen, bekannt gemacht, damit
weniger den Eindruck erzeugt, ein schnelleres
Schiff zu besitzen, sondern galt als
raffinierter Könner. Das soll meinen Freund
nicht abwerten. Es hilft nicht, Dinge schön
zu reden: Er segelt besser als ich.
Piet meinte auf die Frage: „Weißt du Jonni,
ich glaube, es sind ganz viele Dinge, nicht
das Eine, Einzige.“ Dann zählte er auf, was er
alles am Boot änderte. Lauter Kleinigkeiten,
die jedem Regattasegler bekannte Trimmtricks
bedeuten, hatte er gemacht. Ich musste
begreifen, dass ich vorher „einfach so“
schnell gewesen war und kaum benennen
konnte, wieso. Das hatte irgendwann nicht
mehr gereicht. Als ich das Boot kaufte, war
die Jolle im schlechten Zustand. Natürlich
erneuerte ich vieles. Ich gestaltete etliches
moderner. Und dann fuhren wir schnell, die
ersten Jahre jedenfalls. Wir gaben Peter
den besten Sparringspartner, sein Tempo zu
messen. Wir haben immer zusammen mit
unseren Booten gesegelt, jedes Wochenende
und den langen Sommer in Dänemark.
Piet, ich sage mal, mein Hauptfreund, konnte
aus seinem Leben einen Erfolg machen wie
auf dem Wasser und mir ist das nicht gelungen.
Was ist ein Lebenserfolg? Ein schwieriger
Begriff, das weiß ich, und beeile mich,
Wir sind in den Sechzigern geboren, meine
Schwester Anfang der Siebziger Jahre und so
ist es mit meinen Freunden. Klaus ist älter,
Piet etwas jünger, und einige sind erst Mitte
der Siebziger geboren. Wenn jetzt Krieg in
der Ukraine herrscht, fällt das allgemeine
Entsetzen auf, dass diese Gefahr so nahe an
Deutschland ihre ungewisse Entwicklung
nimmt? Das meine ich mit Erfolg; Peter und
andere Freunde konnten eine wirtschaftlich
stabile Zeit nutzen, sich normal entwickeln.
Wir Leute mussten nicht in einen Weltkrieg,
während unser Dasein angebahnt, der rote
Teppich für Königskinder auf der Sonnenseite
des Lebens ausgerollt wurde und die
Allermeisten sichere Wege in gesunder Umgebung
beschreiten durften. In Deutschland
sind es gute Jahre ohne Hunger und Krieg
gewesen. Wir kommen aus stabilen Verhältnissen
im Westen von Hamburg. Das sind
die Wohnviertel von Gutsituierten. Unsere
Eltern erlebten das Wirtschaftswunder und
nutzten die Jahre. Sie boten ihren Kindern
einiges, das andere nicht leisten konnten, als
quasi Rampe in die Zukunft. Warum gelang
meinen Freunden eine normale Karriere und
mir nicht?
Ich kann diese Frage beantworten wie Peter
die, warum seine „Herz-Jung“ schnell wurde.
Was ich meine, hat nichts mit dem Segeln
zu tun. Menschlich ist dieses Problem,
meins eben, und überall und zu allen Zeiten
passiert es weiter, dass Menschen wie in
einem Irrgarten leben, mit Fenster zum Hof,
und scheinbar ohne Ausgang. Wir müssen
uns selbst helfen, und manche halten uns
noch Knüppel in den Weg. Der Grund? Für
mich wurde eine Detektivgeschichte draus.
Ich habe scheinbar blöde Fragen gestellt
und doofe Antworten bekommen. Mir hat es
schließlich gefallen, mich anlügen zu lassen.
Ich wollte mich und die anderen dabei
beobachten, lernen. Mir wurde klar, dass die
Doppelbödigkeit des Drumherum problematisch
ist. Ich dachte mir, Schwierigkeiten zu
provozieren, könne nützen, und
beinahe wurde ein Spiel daraus.
Die Erfahrungen des Segelns ins
Dorf zu übertragen, konnte eine
Bühne schaffen.
# Das ist die Kunst
die Sache zumindest im Ansatz deutlich zu
machen. Neid ist negativ besetzt. Darum
geht es hier nicht in dem Sinne, wie einige
meinen. Es ist komplizierter, das Wort vom
Lebenserfolg auf dem Boden der Realität
anzupflanzen. Deswegen habe ich von unserem
großen Segelschulschiff „Gorch Fock“
geschrieben. Das mag darüber nachdenken
lassen, ob wir einen Motor benötigen in einem
Spiel, wo die Regel zu segeln heißt, ob
diese Vergleiche überhaupt Sinn machen. Ich
bin sehr zufrieden mit dem Erreichten heute.
Wir stellen die Umgebung dar,
schaffen ein Bild. Ein Modell
der Realität bietet offenbar die
Möglichkeit, für Vergangenes
die eigene Plattform hinzustellen,
noch einmal scheitern
dürfen und fast wie unser Herr
Jesus nach Hause zu spazieren.
Denkbar, es anderen wie gemalt
anschaulich werden zu lassen,
eine fröhliche Hilfe abzugeben?
Da lebe ich im Bewusstsein, fertig
zu sein mit einem Problem,
das viele Jahre ruinierte. Die
Besten meines Lebens. Das können einige
nicht nachvollziehen? Ich lese Todesanzeigen,
warte einfach.
:)
Mrz 15, 2022 - „Bassi“ wäre neunzig heute 44 [Seite 43 bis 44 ]
Rad ab?
Mrz 17, 2022
Der Mensch ist das Schlimmste, was die
Evolution hervorgebracht hat. Während die
Dinosaurier durch einen Meteoriteneinschlag
ausgestorben sind, für den sie nichts
konnten, ruiniert unsereiner alles selbst,
schafft vermutlich in nicht allzu ferner Zeit
eine lebensfeindliche Umgebung. Gut möglich,
dass menschliches Leben selbst dann
fortbesteht, irgendwie weitergeht, vielleicht
sogar hier (und nicht auf dem Mars), aber
bestimmt anders, als wir es gewohnt sind.
Wir können bereits künstliche Dinge kaufen,
die angeblich wie Ei oder Wurst schmecken.
Das dürfte unsere zukünftige Ernährung
sein, auch ohne vorhandenes Huhn und
Schwein. Man wird dafür werben. Als vegan
bezeichnet, heißt es einschmeichelnd Bio,
auch wenn eine Maschine in Wahrheit nur
chemischen Pamp zusammenklebt. Das Zeug
gilt schließlich als besser und zeitgemäß.
Werbung erzeugt eine neue Welt. Früh
warb eine bekannte Nussnougatcreme mit
gesunder Milch, die darin verbaut wäre. „Gibt
es auch kranke Milch?“ Man dürfe „nicht mit
Selbstverständlichkeiten werben“, monierte
Onkel Hans-Jürgen spöttisch, (nur ein Nennonkel
für mich, aber) ein kapitaler Geschäftsmann
aus der Lebensmittelindustrie mit
entsprechenden Kenntnissen.
Hunde bekommen ihr Kennerfleisch: Da sagt
ein Slogan, dieses sei mit jeder Menge an
natürlichem Fleisch etwas Gutes. Was bitte
ist unnatürliches Fleisch? Wir Menschen
werden morgen dieser Hund von heute sein.
Wir kaufen selbst, das ist der Unterschied,
und stopfen den Quatsch in uns hinein.
Wenn’s zwickt, kleben wir halt ein medizinisches
Kennerpflaster um dem gereizten
Darm, planbar über Nacht. „Guter Schiss ist
so wichtig“, kommt mir in den Sinn, wenn
mein Gehirn automatisch zu persiflieren
beginnt, was schwer erträglich zu überhören
ist.
Manche schauen kein Fernsehen, sind besser
dran, derartige Blödheiten nicht mitzubekommen.
Schon jetzt werden omnipräsent
Produkte „mit medizinischen Inhaltsstoffen“
oder so angepriesen, dass etwas gesund sei,
behauptet die Industrie. Nicht ausgeschlossen,
dass viele daran glauben,
wie etwa die Russen an
die Sinnhaftigkeit ihrer kleinen
„Militäroperation“. Bei
denen nennen wir es Fake,
hier predigt man unsere
Wahrheit. Die Wiederholung
der moralisierenden
Phrasen täuscht. Sie lässt
uns über die menschliche
Perversität im Unklaren,
wenn wir uns gern einlullen
lassen.
Wir vernichten täglich
Arten. Wir führen Krieg. Wir versiegeln
und vergiften die Natur. Wir ändern den
Planeten, bis nichts mehr natürlich ist
außer wir selbst. Bereits heute verspeisen
wir Mikroplastik mit viel natürlichem
Fisch kombiniert. Wir tragen medizinische
Alltagsmasken, haben uns damit abgefunden
und werden zukünftig einen kompletten
Atemschutz benötigen wie der Darth Vader
im Film. Jede neue Generation akzeptiert
und gestaltet die vorhandene Umgebung
anders. Der Mensch passt sich an. Anpassung
heißt, intelligente Wege finden, zu überleben
und Befriedigung erlangen gemäß
der eigenen Natur. Das bedeutet in einem
zweiten Schritt, die Umgebung sympathisch
zu verformen, sozial zu sein oder schützende
Gebäude zu errichten, zunächst aber
die eigene Versorgung sicherzustellen.
Erst ich, dann ihr anderen, ist unser
menschlichstes Verhalten. Auch, wenn
das Gegenteil beschworen wird. Dinge
anders darzustellen, ist Prinzip.
Wenn ich Fernsehen schaue, sind es die
Nachrichten, Dokumentationen. Zum
Denken gehört für mich, Querverbindungen
zuzulassen und nicht zuletzt
daraus entstehende Ideen aufzuschreiben.
Die eigene Bude voller Zorn zu
verlassen, birgt eine reelle Chance,
positiv überrascht zu werden von lauter
Freundlichkeit draußen! Geht man naiv
im Taumel der Selbstzufriedenheit los,
weil wir halt gute Laune haben, fährt
uns wahrscheinlich jemand in die
Parade unseres Glücks. Im besten Sinne
ichbezogen, der gerade deswegen andere im
Blick behält, lebt ein Mensch nicht schlecht.
Das heißt wohl, sich als Wesen voller Fehler
zu akzeptieren und auskennen lernen, wer
man ist, werden möchte oder meint zu sein.
Was kann ich tun mit meiner Faust, wenn
meine Hand eine Waffe führt, und wie wäre
möglich, Zorn auszuleben als unumgängliche
Emotion?
Wozu es führt, sich vollkommen zu isolieren
und die eigenen Ideen durchzukämpfen,
zeigt gerade der russische Präsident. Dabei
gewinnt niemand. Das ist, was ich am
Rechtsstaat mag. Jeder bei uns liefe Gefahr,
zum Despoten zu werden, wenn die Gelegenheit
zu derartigen Eitelkeiten bestünde.
Der Rechtsstaat wurde nicht erfunden, weil
wir großartig sind, sondern Menschen fies
und unserem Treiben nur innerhalb von
Grenzen Freiheit gelingt. Empathische
Gesten und entspannte Nachbarschaftlichkeit
sind das Begreifen eines Rahmens, weil
unser Wunsch, zum eigenen Nutzen Vorteile
zu scheffeln, erst dann fruchtbar wirkt, wenn
auch das Drumherum gewinnt. Selbst wenn
Putins Logik noch Anhänger findet, der
Druck des Westens reale Spaltkraft ausgeübt
haben mag – was wir nun erleben, ist dumm,
menschenverachtend und hat eine Dynamik
bekommen, die schwerlich Chancen aufzeigt.
So vieles wurde zerstört, das Jahre benötigte,
aufgebaut zu werden.
Das verfehlte Ideal, ein Gewinn bringender
Narzisst zu sein, wird zur Katastrophe, wenn
niemand es stoppt. Die umgekehrte Idee,
besonders freundlich zu sein, weil es sich
gehöre und überhaupt das Beste, zerstört
den Menschen, der dieser Logik folgt direkt
und umgehend auf noch kürzerem Wege.
So jemand Gutes benötigt die Grenzen, die
ihm andere setzen, nicht und macht sich
im vorauseilenden Gehorsam allein fertig.
Wie man auch beginnt, eine Erklärung
zurechtzuschustern; gesundes Funktionieren
nimmt seinen Anfang, wo jemand sich
Luft verschaffen kann für eigenes und die
Umgebung berücksichtigt, es genauso zu
halten. So leben Paare, gestalten wir unsere
Nachbarschaft. In einem vielstöckigen Hochhaus
gelten andere Gebräuche untereinander
als in einer Reihenhaussiedlung, aber
der Konsens verträglicher Kommunikation
ist derselbe.
Zwei bemerkenswerte Sätze fielen von
Menschen in unterschiedlichen Dokumentationen,
die ich registrierte und im neuen
Zusammenhang kombinieren möchte. Das
Erste liegt einige Jahre zurück. Ein Unikum
von einer fahrenden Maschine zur Ernte
von Schilf kommt zum Einsatz. Das war
irgendwo, ich kann mich nicht erinnern.
Dieser Trecker und Ernteapparat in einem,
war jedenfalls keine Serienproduktion vom
Erntemaschinenbauer der Gegenwart um die
Ecke. Kein Mercedes, den man beliebig mit
Ersatzteilen auf Stand halten kann, sollte
mal etwas kaputtgehen. Dieses eigenartige
Gefährt war uralt, und es ging ständig kaputt.
Dann verzögerte sich die Ernte, bis ein
Kenner in Eigenhilfe die Lösung bastelte.
Mrz 17, 2022 - Rad ab? 45 [Seite 45 bis 47 ]
Wir verstehen die moderne Wartung am
Flugzeug. Diese sympathischen Schilfschnitter
hatten (aus ihrer Not heraus) die gegenteilige
Einstellung dazu: Wenn ein Flugzeug
auf Herz und Nieren geprüft wird, kann man
sicher sein, dass es schließlich fliegt. Die
Wartung der Einzelteile erfolgt nach einem
Plan, der dem extremen Anspruch an die
Sicherheit genügt, die der moderne Mensch
erwartet. Manche reden vom „learning by
doing“, und genau das wollen wir beim
Fliegen nicht. Die Zeiten nach dem Motto
„hoffentlich kommen wir an“ sind vorbei. Ein
Flugzeug wird geprüft, und dann fliegt es.
Stürzt es trotzdem ab, war es ein Pilotenfehler.
Konstruktive Mängel sind die absolute
Ausnahme, Wartungsfehler kommen fast
nie vor.
Anders diese Maschine, die vermutlich ein
Eigenbau gewesen ist, auf der Basis eines
anderen Fahrzeuges, das es so heute nicht
mehr gibt. Die Arbeit kann nur geschehen,
wenn Schilf geerntet werden kann. Es wäre
durchaus schilferntefreie Zeit für eine
gründliche Wartung. Ich kenne mich ein wenig
aus, zwar verstehe ich vom Reet nichts
als Dachdecker, aber ich kann schreiben und
zeichnen mit dem schönen Material. Von
meinem lieben Professor Martin Andersch
lernte ich: „Rohrfedern schneidet man von
November bis März.“ Das ist vermutlich die
Zeit, in der unerschrockene Mannen durch
das Matschland ackern, ihre Stängel zu
ernten. Die übrige Zeit steht der seltsame
Apparat im Schuppen. Da würde er auch
inspiziert, meinte der Schilfbauer fröhlich
und gegebenenfalls repariert.
„Maschine geht nur kaputt beim Fahren.“
Ein schöner Satz, aus dem Munde von einem,
der gerade sein Leben genauestens kennt.
Das andere Geschehen, das ich kürzlich sah,
diese Doku befasste sich mit dem Nutzen
von Atemtechniken. Ich möchte also etwas
erzählen, das so jedenfalls nicht zusammen
berichtet im Fernsehen kam. Dort hatte das
Eine mit dem Anderen nichts zu tun.
Das Apnoetauchen wurde gezeigt.
Hier weniger, um das Unterwassererlebnis
zu schildern. Es ging um die Gesundheit,
wie gesagt die menschliche Atmung, als ein
Lernfeld, Besserung für manches Leiden. Des
Weiteren wurde im Film eine Lungenklinik
und ein Sanatorium besucht, wo früher
einmal luftkurortliche Heilung durchgeführt
wurde und ähnliches an Therapie heute wieder
stattfindet, das dort schon im beginnenden
zwanzigsten Jahrhundert geübt wurde.
Es bedeutete unter anderem, Asthmatikern
das Alphornblasen beizubringen, weniger
die Musik; junge Menschen sollten spielerisch
zu atmen lernen (auf einer Almwiese).
Beim Unterwassergeschehen meinte eine
Frau, die es nun gut konnte mit dem Apnoetauchen,
die früher anderweitig in Behandlung
gewesen war:
„Wer depressiv ist, kann nicht tauchen.“
Mir fällt jetzt einiges dazu ein.
Das moderne U-Boot unserer Kriegsmarine
entspricht dem Flugzeug, was den Standard
der Wartung betrifft. Geschieht ein Unglück,
war es ein Fehler der Bedienung. Bevor wir
uns an Bord unserer hochtechnisierten Konstruktionen
der Luft oder dem Wasser anvertrauen,
sind Menschen in der Lage, Bedingungen
zu schaffen, in denen diese Reisen
sicher stattfinden. Eine Bewegung durch die
Luft oder unter dem Meer ist das Fahren im
besonderen Medium und speziellen Modus
der Apparatur wie auch eine zeitliche Vorwärtsbewegung.
Wir starten irgendwo, und
nach einiger Zeit kommen wir im Hafen oder
am Flugplatz an. Währenddessen müssen
wir uns auf eine Weise verhalten, die noch
zusätzlich dazu, dass wir ein funktionelles
Flug- oder Tauchgerät nutzen, Sicherheit
gewährleistet. Das bedeutet, nur mit einem
ausgebildeten Kapitän oder Piloten, der eine
ganze Reihe von Verhaltenspflichten befolgt,
kommt das (vor dem Start per Checkliste
geprüfte) Fortbewegungsmittel sicher an.
Zusammengefasst: Ein gewartetes und
deswegen funktionelles System wird nach
den Regeln dieser Kunst, es zu führen, in
eine teilweise planbare Zukunft geführt. So
sollte auch der Einzelne sein menschliches
Dasein begreifen und sich ins Morgen vor
die Haustür begeben. Dazu müsste gelehrt
werden oder mit der Muttermilch anerzogen,
wie das individuell funktioniert. Hier könnten
Menschen noch besser werden. Viele
verstehen sich gut genug, um als Mercedes
zu gelten, der kleinere Blessuren leicht korrigiert.
Nicht wenige gehen durch ihr Leben,
ohne zu wissen wie und sind zufrieden. Ein
Teil aber kommt nicht klar. Im Sinne der
undurchführbaren Wartung an der ominösen
Erntemaschine leben viele nach dem Motto
„geht nur kaputt
beim Fahren“ und
das heißt wohl in
etwa: „Wer sich
selbst nicht kennt,
hat die Vorsorge
verpennt.“
Wenn ein Flugzeug
damit fertig
ist zu fliegen,
die Passagiere
an den Bestimmungsort
brachte,
verlassen auch
der Pilot und das
Personal die Maschine. Danach steht der
Flieger aber nicht einfach rum bis nächste
Woche Dienstag, um dann wieder von den
Menschen benutzt zu werden für einen Flug
nach Denver oder so. Unser Auto sind wir
gewohnt abzustellen, und vergessen den
Wagen einige Zeit in der Garage oder dort,
wo das Fahrzeug eben parkt. Manchmal ist
der TÜV dran, und eine Inspektion sollten
wir gelegentlich durchführen. Beim Fliegen
sind die Anforderungen höher. Ist das
Fluggerät am Boden, kommen die kleinen
Heinzelmännchen der Wartung, bildlich
anzuschauen ähnlich den Liliputanern, die
rund um den am Boden liegenden Gulliver
krabbeln und auf den gefangenen Riesen
mittels Leitern steigen, nachdem sie ihn
angebunden haben. Werden Flugzeuge
festgebunden, damit sie nicht von selbst zu
starten beginnen und davonfliegen, wenn
sie eigentlich schlafen sollten wie andere
Leute? Boote im Hafen binden wir Segler an.
Gulliver wurde von den kleinen Bewohnern
der seltsamen Welt gefesselt. Manchen
Menschen würde gut tun, festgehalten zu
sein, wenn sie des Nachts oder sonst, wenn
eigentlich gar nichts zu tun ist, keine Ruhe
finden.
Eigentlich eine gute Zeit, sich mit dem
Nichtstun zu beschäftigen.
Manche können sich nicht entspannen.
Muskel- und überhaupt Körpermasse zu
Boden sinken lassen, wenn wir still auf dem
Rücken liegen und eigentlich alles, was für
diese Nichttätigkeit des Liegens unnötig ist,
der Schwerkraft noch entgegenzustemmen,
kann man üben. Menschen könnten lernen,
darauf zu achten wie die Luft in die Bronchien
ein- und wieder hinausströmt, wenn
gerade nichts Wichtigeres zu tun ist. Unser
Apparat fliegt zwar nicht, aber das System
bleibt auch in Ruhepausen aktiv und wartet
sich quasi selbst. Die Liliputaner sind nicht
außen dran und binden uns. Wir können
aber behaupten, dass weiter Tätigkeiten im
Leib, den Gliedern und im Gehirn vorgehen,
wenn wir gerade keiner Aktion das Ziel
vorgegeben haben. Insofern rennen kleinste
Mannen durch innere Kanäle und sind mit
dauerhafter Pflege beschäftigt. Alles was
nützt, nehmen wir gern hin.
Raumgewinnende Zellveränderung erkennen
wir hingegen als Krankheit und nennen sie
Krebs. Die entzündlichen Vorgänge der Multiplen
Sklerose sind wie schubweise aufbrechende
Brandherde, innere Kriege, die totes
Terrain zurücklassen. Dann merken welche,
dass etwas nicht stimmt. Das meiste im System
sind erwünschte Arbeiten, die unauffällig
und autonom ablaufen. Wir schlucken das
Essen runter und achten kaum darauf, was
rund um die Speiseröhre geschieht dafür.
Wir verdauen, und das macht der Mensch so
nebenbei. Wir merken es erst, wenn wir auf
das Klo müssen. Manche nehmen sich kaum
die nötige Zeit, genüsslich abzudrücken und
den Hintern zu säubern. Vieles läuft immer
weiter: Die Atmung schalten wir nicht ab.
Unser Herz schlägt, und noch viel mehr
geschieht, wovon wir wenig Ahnung haben.
Es wird von Vorsorge geredet, man ginge
zum Arzt wegen dem Krebs oder so. Das
meine ich gar nicht. Was vielen zu lernen
nützte, wäre ihr ganz individuelles
Seelenkostüm als Haut des Apparats zu
begreifen, dessen Ausbuchtungen sehr wohl
im persönlichen Einflussbereich liegen. Die
Muskulatur in der alltäglichen Bewegung
bewusst zu gebrauchen, könnte helfen, sich
besser zu verstehen. Darum ging es ja auch
in der Atemdoku.
Ein weiteres Beispiel: Mit ganz einfachen
Mitteln kann ein Mensch ohne große Hilfsmittel
fliegen oder tauchen. Es gibt Gleiter,
die Geübte wie Ikarus zu Tal segeln lassen.
Kaum mehr als dünne Flügel, denen man
sich bedient, beinahe wie ein Vogel durch
die Luft zu sausen. Tauchen und lange die
Luft anzuhalten, ist eine Technik, die ein
Mensch mit sich selbst benutzt. Insofern
fliegt und taucht er wie sein eigener Apparat
(wenn auch zeitlich begrenzt) in einem Medium,
das dem Gewöhnlichen fremd bleibt.
Bevor ein Schüler das wagt, wird man ihm
eine Ausbildung geben. Vor dem Tauchgang
ist es nötig, die Atmung korrekt einzustellen,
sich selbst in mancher Hinsicht einzuüben,
um lange die Luft anhalten zu können oder
eben die vorgeschriebenen Dinge zu tun, damit
wir sicher einen ultraleichten Gleitflug
hinbekommen. Das entspricht der Wartung
des Systems Mensch wie sonst bei einem U-
Boot oder Flugzeug als größerem Konstrukt.
Einfach mal so, kann keiner sicher tauchen
Mrz 17, 2022 - Rad ab? 46 [Seite 45 bis 47 ]
oder fliegen. Wir bereiten uns vor. Handelten
wir nach dem Prinzip „geht nur schief, wenn
man’s probiert“, möchten wir dennoch überleben
und werden einiges dafür anstellen.
Ein Fallschirmspringer ist klug, seine Tüte
selbst zusammenzulegen und wird sich
gewissenhaft drum kümmern.
Jetzt stellt sich die Frage, inwieweit wir
junge Menschen auf das Leben vorbereiten,
etwa wie ein Adler gehalten wäre, die Brut
zu schulen, welche ihr Leben gleich mit einem
ersten Flug beginnt? Dem Vogel wurde
von Seiten der Natur einiges mitgegeben,
das Mama Adler nicht unterrichten müsste.
Ein menschliches Baby lernt manches, sich
zunächst umzudrehen, krabbeln und schließlich
gehen, dann folgen Schule und Ausbildung.
Eine Gämse ist schneller fertig, im
Gelände klarzukommen. Der Spielraum, den
die Natur (oder Gott) dem Menschen lässt,
seine Selbstbenutzung zu erlernen, bedeutet
den Vorteil größerer Anpassung. Ein Gehirn,
das vieles erst zu lernen hat, wird keinen
Automaten steuern, sondern ein intelligentes
Wesen. So wie wir unsere Kleinen ins
Leben geleiten, kommt nicht selten erlernte
Dummheit oder Krankheit dabei raus.
Wir gehen als Erwachsene gern in eine
Tauchschule oder besuchen den Kurs fürs
Gleitfliegen. Wir schicken junge Menschen
in Schule und Ausbildung. Aber wir könnten
einiges besser machen, uns und einander im
Alltag (auf der gewöhnlichen Straße) selbst
intelligenter zu verstehen. „Maschine geht
nur kaputt beim Fahren“ oder „Depressive
können nicht tauchen“ heißt in diesem
Zusammenhang, wir erleben Schwierigkeiten,
wenn wir das Haus verlassen,
in die Umgebung eintauchen wie
bei der Apnoe unter Wasser, wo
ein nicht funktionelles System
scheitern muss. Das Problem mit
dem Asthma, dass manche haben,
kann durch das Erlernen des
Alphornblasens gebessert werden?
Dazu ließe sich anmerken,
das Asthma hatte offenbar doch
seinen ihm ganz eigenen Sinn
für den Kranken. Falls das eine
funktionelle Angewohnheit ist,
die mit dem Erlernen besseren Atmens
verschwindet, wofür nutzen
Menschen diese Verklemmung, die
sich so einer selbst beibringt, wenn leichter
zu atmen doch einfacher wäre? Darüber
nachzudenken, gehörte für mich unbedingt
dazu, damit die Mechanik des Menschen
eine natürliche Basis bekommt, zwischen
Ängsten und Risiken, das Selbst zu leiten.
Die Frauenselbsthilfegruppe eifert dem Chi
nach oder dem Guru:in (das müsste doch
genderbar sein). Es gäbe größeren Nutzen
mit weniger Esoterik. Wir fahren durch unser
Leben wie das Boot auf dem Meer, Luftschiff
am Himmel und könnten funktionell denken.
Psyche und Mechanik dienen demselben
Zweck, das Individuum nach vorn zu bringen.
Aber wir Modernen, die Menschen im Alltag
wie die Psychologen, beharren auf der Idee
von der Seele oder Psyche, jedenfalls dem
geheimnisvollen, unstofflichem, angeblich
nicht Anfassbaren, während andere
gezwungen sind, den Weg nur irgendwie
allein zu gehen. Ich rede von Menschen, die
schließlich wie aus einem schrottigen Panzer
ihre individuelle Erntemaschine basteln
und (bitter geprüft) praktische Erfahrungen,
dünne Erfolge im Leben als karge Beute
mühsam einfahren, bis etwas klappt, das
anderen einfach so gelingt.
Individualisten schrauben dran, wie an sich
herum im laufenden Betrieb und wundern
sich über Probleme.
Von „emotionaler“ Intelligenz zu reden, nützt
wenig. Es ist notwendig zu begreifen, dass
niemand, der Gefühle und entsprechende
Körperspannungen ignoriert, effizient und
überhaupt intelligent handelt. Es nützt dem
Belesenen das Wissen nichts, wenn dieser
es in seiner Welt mangels Durchsetzungsfähigkeit
nicht anwenden kann. Zusammen
könnten Körper und Geist verstanden werden,
heißt es schon lange. Das sollte man
Kindern in der Schule beibringen.
:)
# Bewusstes Funktionieren könnte helfen …
… wir verstünden manche Notwendigkeit,
auch für schädliche Angewohnheiten,
sogar die, den Atem abzuschnüren, um
anschließend Gewinn daraus zu ziehen. Was
könnte der Sinn sein, den Brustkorb flach zu
machen, wenn nicht, Angst zu unterdrücken?
Ich habe einiges gelesen, probiert, kann kreativ
zum Thema mitreden. Im Film gezeigt:
Die Depression fand ihr Ende, als die Schülerin
verstand, auf spezielle Weise zu atmen,
beziehungsweise die Luft lange anzuhalten.
Dazu erfuhren die Zuschauer einiges, das
hier weggelassen ist. Es heißt, dass ein Asthmatiker
funktionell beeinträchtigt und nicht
froh darüber ist, wie umgekehrt mit (guter)
Absicht etwas tut, sich ins flüssige Atmen
einzumischen. Man sieht sie am Wegesrand:
Mrz 17, 2022 - Rad ab? 47 [Seite 45 bis 47 ]
Wertschätzung auf
russisch
Mrz 19, 2022
Wir erinnern uns an
Zeiten, wo kriegerischer
Widerstand eine lustige Sammlung
von Zeichnungen auf richtigem Papier
bedeutete: Die Meinungen über sein Talent,
geteilt. Er selbst fände sich genial, alle anderen
ihn unbeschreiblich. So heißt es über
den Barden Troubadix im bekannten Comic.
„Doch wenn er schweigt, ist er ein fröhlicher
Geselle und hochbeliebt.“ Mich haben diese
Hefte geprägt. Ich bin ein Mensch aus dem
vorigen Jahrhundert, heute, und früher wäre
das zu sagen ein Witz gewesen, abwertend.
Wer sei denn noch vor dem Ersten Weltkrieg
geboren, meinte man. Der Humor von Großeltern
macht doppelt alt.
Natürlich bin (auch) ich genial.
Unbeschreiblich? Ich kann schließlich
zeichnen. Mir genügt es, an mich zu glauben!
Geld allein macht nicht glücklich. Wir
möchten Wertschätzung. Nicht nur Geld,
sondern Empathie und gar Liebe mögen uns
begegnen. Dafür rufen wir nett in den Wald
unsere lockenden Rufe und hoffen auf ein
freundliches Echo. Soweit so gut; besser als
gegen die Bäume zu treten jedenfalls. Wer
reichlich Fische möchte, setzt welche in den
Teich, wo der eigene Verein Pächter ist, fischt
im Herbst mit Freunden ab. Menschen finden
ihren Wald als Glück bringendes Orakel mit
seinem wohlwollenden Echo.
YouTube bietet genügend Bäume. Auch
andere Provider stellen ihre Dienste für den
sozialen Austausch bereit. Dabei müssen
Regeln beachtet werden. Es gibt zu akzeptierende
Bedingungen. Schon früher, vor dem
Segen eines weltweiten Internet, kannten
wir unausgesprochene Gebote, an die sich
Menschen halten sollten. Sonst wirft uns die
Gesellschaft raus.
Seitdem ich „Selfexecuties“ male, zeigt mir
YouTube alle möglichen Vorschläge zum
Thema Bahn. Das hat sich entwickelt, weil
ich suchte, was für den Entwurf nötig wurde.
Ich schaue inzwischen gern alte Dampflokomotiven
an, Modellbahnvideos
erscheinen
in der Galerie. Die
gefallen mir.
Natürlich sehe ich nicht
nur im Fernsehen Berichte
über den Krieg in
der Ukraine. Ich nutze
auch Videos, mich zu informieren.
Sie kommen
in der Vorauswahl.
Wenn ich Pinterest
öffne, gibt es ebenfalls Vorschauen, die mein
Suchverhalten reflektieren. Für Beine mit
Kniedarstellungen im benötigten Winkel
und Lichteinfall für das Mädchen links,
schaute ich bereits etliche Bilder an. Hier
gibt es keine Nacktheit
aber viel Haut zu sehen,
und auf unzähligen
Pornoseiten bin ich
unterwegs, nicht nur
wegen dem Gemälde.
Es ist ein Teil unserer
Welt.
Da amüsiert es mich
inzwischen, wie fein
säuberlich getrennt
alles nebeneinander
geschieht.
Was dem Modellbahnfreund ein Schock
an mangelnder Wertschätzung bedeutet,
jemand hat für eine Sammlung alter Fleischmann-Lokomotiven
wenig Geld bekommen,
passiert synchron zum Krieg in Kiew.
Dort hat man andere Probleme. Ich
wage zu behaupten, dass „Long-Covid“
in der Ukraine kein Thema ist. Und
Porno ist Alltag auf der ganzen Welt.
Ich sehe dieses: Zwei Mädels sitzen
nackig auf einem Tisch, und eine pinkelt
dem Betrunkenen auf den Kopf
irgendwo. Das konsumiere ich bei
einem Glas Rotwein, und eine Bombe
fällt gerade nicht auf Schenefeld. Fein,
mir geht es gut, und niemand liest,
was ich hier schreibe, glaube ich.
# Kryptische Texte?
Ich bekomme reichlich Anerkennung
von denen, die ich mag. Da benötige
ich das soziale Medium nicht. Mich
würde man nirgends dulden, es sei denn
im Rotlichtbereich. Auf derartige Likes lege
ich keinen Wert. Mir gefallen die Mädels
in Schenefeld auf der Straße. Man kennt
mich teilweise und spottet: „Oh! Er hat mich
angesehen.“ Vor mir warnen Erwachsene und
ältere Mitschüler – offensichtlich.
Schön herausgeputzt. Sie starren auf ihre
Geräte, während ich die Bushaltestelle passiere.
„Genial!“, schnappe ich auf. Bin tatsächlich
ich gemeint, etwas auf der Seite? „Da
bekommen wir bestimmt eine Belohnung“,
tauschen sich die zwei vierzehnjährigen
Schönheiten verstohlen aus, und ich gehe so
normal wie möglich vorbei. Das bilde ich mir
nicht ein, aber ich beziehe es auf mich, und
das kann falsch sein.
Ich mache nichts mit Gruppen digital. Es
wird nicht getwittert. Ich habe kein Insta,
LinkedIn oder Facebook, WhatsApp und dergleichen.
Es gibt keine Resonanz. Wir nutzen
Festnetz. Ein Freund
ruft an: „Kannst
du mir sagen, wie
ich Piet erreichen
kann?“, fragt der. Ich
suche die Nummer
von Verena raus.
„Ich war auf deiner
Webseite. Schöne
Bilder.“
Meine Eltern besaßen
ein Haus. Mein
Vater ärgerte sich über Graffiti. Er hatte sich
angewöhnt, Gekritzel sofort zu übermalen.
„Die“ möchten sich sehen, warnten Freunde.
Kenne ich.
Ich google meinen Namen regelmäßig:
Egosurfen nennt man das, ich kann es zugeben.
Nach beinahe einem Jahr ist eine zarte
Wolke (Flickr) verschwunden, und das konnte
ich provozieren? Nicht mein Foto. Aber mein
trotziger Kommentar damals. Taucht nicht
mehr auf, in Zusammenhang mit meinem
Namen. Vermutlich kein Zufall. Immerhin, ich
bilde mir das ein, bin ein Teil der Welt hier in
Schenefeld. Ich fühle mich wahrgenommen,
es gibt auch Angenehmes. Besser, als im Rathaus
auszustellen und in der Zeitung eine
halbe Seite bekommen. Da wäre ich bloß
der Fleischmannonkel mit seinen vierzigtausend
Freunden. Solche kann man getrost
vergessen. Ich denke: Probleme einfach
löschen wie Putin, das ist so russisch.
:)
Mrz 19, 2022 - Wertschätzung auf Russisch 48 [Seite 48 bis 48 ]
Aleksandra* kennen wir
nicht
20 Mrz, 2022
Den Kommunismus
hätten wir besiegt,
hieß es Anfang der
Neunzigerjahre. Ich war
Student, als die Mauer
fiel. Die Bundeswehr
verlor an gesellschaftlicher
Bedeutung, die
Aufregung um die
Wiederbewaffnung: Geschichte. Wir wären
in Europa „von Freunden umzingelt“, meinte
mein Professor Waldschuß* (zum Schutz
der Persönlichkeit habe ich alle Namen in
diesem Text geändert).
Despotin, hiermit ist ein aktueller Präsident
einer großen Nation in Asien gemeint, dessen
Namen ich konsequenterweise auch mit
dem Schleier dieser Kunstfertigkeit bedecke,
um ihn vor meiner Leserschaft zu schützen –
er macht eine schwere Zeit durch und hat an
Beliebtheit im Westen eingebüßt – ist nicht
unser Freund. Insofern hat sich seit dem
Mauerfall erneut etwas geändert.
Deutschrussische Freundschaften sind
gerade schwierig.
Manches ändert sich, eine Ewigkeit nicht.
Gleichbleibend sind meine Begegnungen
mit dieser traurigen Person hier vor Ort,
das muss man sagen. Ich bin auch traurig,
das ist es wohl. Bockmist wie den unseren
kann niemand verkraften, geschweige denn
verstehen, denke ich ein ums andere Mal.
Wir gehen so wortlos wie möglich aneinander
vorbei. Ein unscheinbarer Mann. Er wirkt
ganz anders als der böse Präsident. Wir treffen
uns regelmäßig „achter de Schnellstrot“
oder beim Bus. Er schlurft vorbei. Ein Gangbild,
so persönlich, das könnte ich kopieren.
Der Russe zieht ein Bein nach und macht
eine Hüftbewegung, um es hinzubekommen.
Er ist klein, geht unsagbar gebeugt. Einen
Hackenporsche verwendet der Alte, das
Fahrrad mag kaputt sein, keine Ahnung. Er
trägt eine Mütze im Winter und einen Mantel
wie Columbo. Das Gesicht entspricht dem
von Harald Lesch. Der Erkläronkel aus dem
Fernsehen. Die Größe stimmt auch. Der Physiker
müsste aber reichlich zusammensacken
in der oberen Wirbelsäule, um als lebhafter
Erklärbär stattdessen einen russischen Papa
abzugeben. Hier im Dorf wird nichts erklärt.
Wir schweigen, verhalten uns freundlich. Ein
kurzer Blick. Wir reden nicht, weil unfassbar
ist was geschah. Das bleibt gleich.
Es gibt Kriege, und sie sind furchtbar. Wir
sehen in Farbe, wie die Ukraine zerbombt
wird. Mit Farbe kämpft auch die Kunst um
Anerkennung. Die kleinen Auseinandersetzungen
unter Nachbarn schmerzen wie große.
Unsere Geschichte: Wer Schuld ist, bleibt
Ansichtssache. Meine Perspektive ist, der
Russe war diesmal ich und habe alles kaputt
gemacht. Vertauschte Rollen vielleicht. Wir
reden nicht, und insofern bleibt Ansichtssache
was wirklich geschah.
# Dorfgeschichten
Das Tageblatt hat
sich verändert.
Es berichtet nur
noch sparsam über
dieses Städtchen,
dessen Namen es
im Titel trägt. Es
besteht weitestgehend
aus dem
allgemeinen der
Kreisstadt, dem
man eine Seite zugeschlagen hat, wo sich
wenige Spalten mit Bezug zu Dorf und
Siedlung finden. Die Wochenendausgabe
bringt Neuigkeiten. Cord Hanschrei, der ehrenamtlichste
von allen, bekommt das Wort:
Fünfzig Jahre Stadtrechte! Ein Urgestein der
bekannten Partei, die auch in der Bundespolitik
mitmischt, um nicht zu sagen einiges
anrührt, Teil der Pampelkoalition ist. Diesen
Begriff ändere ich vorsichtshalber ebenfalls.
Man muss aufpassen, was man sagt in Sch …*.
Das weiß auch der Wichtigste. Hanschrei
hält schon mal die Klappe. Eigentlich ist er
ein Grüßonkel. Alle kennen diese Stimme:
„Schönen guten Tag!“, wenn man ihm begegnet.
Zwei Herzen schlagen in seiner Brust.
Das eine ganz weit links und das andere für
seinen Verein. Wenn der Gewichtigste auf
dem Tiefeinsteiger anrollt, denkt man kaum
an Sport? Dabei ist nicht das Fahrrad sein
Steckenpferd, sondern der Fußball im Verein.
Cord ist täglich im Wald unterwegs, die
Pfunde niederzukämpfen.
Gerade großes Thema, der Sportverein
bekommt seine Halle nicht. Knapp wurde
unsere Bürgermeisterin
zitiert,
die sich schlussendlich
auf die
Seite der Anwohner
geschlagen
hat. Davon gibt es
reichlich, denen
das Sportzentrum
zu wuchtig ist, der
Verkehr dorthin zu
laut, das Flutlicht
drumherum zu
hell und überhaupt.
Sport
findet inzwischen
zuhause vor der
Konsole statt. Bei
einer Mehrheitsentscheidung,
wie
viele Wählerstimmen
es womöglich
kostete, hat Christa
Kesselhoch, unsere
Verwaltungschefin,
die Reißleine gezogen
und die Halle vom Reißbrett gerissen.
Der örtliche Sportverein ist zerknirscht,
aber was Cord Hanschrei, der ehemaligste
Obersportler (und früherer Maurergeselle
der Arbeiterklasse) dazu meint, stand nicht
im Käseblatt. Oder habe ich es überlesen?
Dabei wäre der volksnahe prädestiniert
zum Stuhlgang dazwischen (wie der große
Altkanzler derselben, größten Arbeiterpartei
bei Despotin) für eine Vermittlung in
Sachen Sport und Politik. Darüber spricht
der Dorferklärer möglicherweise nur auf der
Straße mit jedermann (und Frau)?
In der Politik wird heute durchgegendert.
Sonst ist man weg vom Fenster. Desgleichen
in der Kunstmalerei. Aufpassen, was
du schreibst oder hinmalst! Christa, die
Politchefin, war unvorsichtig, hat gelernt;
nun sind bessere Märchen willkommen. Cord
genießt Bestandschutz. Der große alte Mann
der Espede oder so, jedenfalls hier bei uns.
Ansonsten zurückgezogen auf Döntjes, vermutlich
in Konkurrenz mit Geschichtenonkel
Fritz Blauberg „und seinen alten Hütten“.
Da zieht man als Grafiker den Hut, zollt
dem Fotografen Respekt in Anbetracht der
Schönheit, die Blauberg mancher Immobilie
entlockt. Bewegend mobil wie die Geschichten
dahinter, sauber. (Mari-Anne macht die
Drecksarbeit).
Cord Hanschrei kommt groß raus!
Fünfzig Jahre Stadt, toll. Die ganze halbe
Seite im Tageblatt vorn, und sein Foto füllt
allein zwei Drittel davon, breit wie Obelix.
(Um den es still geworden ist). Der französische
ist nicht gemeint. Wir haben einen
eigenen, den ich allerdings lieber friedlich
im neuen Friedwald sähe, den Christa
erwägt zu pflanzen. Das kam vor Kurzem.
Der Boden unserer schönen Felder ist nur
für Beete gut und nicht für Tote. Ein Wald
müsste helfen, findet die Bürgermeisterin im
bereits erwähnten Blatt. Da fällt mir was ein:
Ich könnte nach dem kleinen weißen Hund
von Frau Lappenmesser fragen. Schmerzlich
vermisst. Sie ist jetzt im Heim. Dazu musste
sie ihren Liebling abgeben. Ich würde ihn in
Idefix umtaufen, und wir könnten Obelix an
den Baum pinkeln, gemeinsam, versteht sich,
wenn er drunter vergraben liegt und hoffentlich
bald. Das sind so Fantasien. Meine
Texte sind unmöglich, ich weiß. Das hier zum
Beispiel ist nicht gerade, was
Hanschrei erwartet? Cord
möchte schöne Jubiläumsgeschichten
sammeln von den
Sch*… und -rinnen.
Das Tageblatt bringt seinen
Aufruf mitzumachen.
Das wären vermutlich
Geschichten in der Art wie
Ernst Meisengeschnatter,
Name geändert, welche
wüsste: „In diesem Haus fünf
wohnt (…), die ist über hundert!
Stell dir vor. Sie war die
erste, die einen Ausländer
geheiratet hat.“ Dann macht
der ehemalige Vorsitzende
des Seniorenbeirates eine
bedeutungsschwere Pause.
„Der kam aus Bayern.“
Ha ha, und so werden die
Texte sein, die Fritz Blauberg,
Cord Hanschrei und andere mögen, für die
Christa Kesselhoch einen Preis vergibt. Sch*-
Geschichten! Ich bin Quiddje, zugezogen und
nicht beliebt. Ein Kuckucksei mit unerwartet
bösem Ruf für einige. Ich war „unser Künstler“,
das ist vorbei. Diese Geschichten, meine
Worte passen nicht dazu, bin ich mir sicher.
Hässliche Menschen treffen wir überall. Darüber
spricht man nur hinter vorgehaltener
Hand. Das schreib ich doch nicht.
Klappe.
:(
Mrz 20, 2022 - Aleksandra* kennen wir nicht 49 [Seite 49 bis 49 ]
Material
Mrz 23, 2022
Ein Befreiungsschlag abwärts in dunkle
Abgründe der Menschheit oder das Abschütteln
von Schmeißfliegen, eine Attacke mit
dem Ziel der Verbesserung, ein endgültiger
Absturz; wer hat und behält Recht, Macht
über die Deutungshoheit?
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert.
Manchen ist alles egal: Das Ansehen
von Wladimir Putin als respektierter Staatsmann
ruiniert der russische Präsident gerade
selbst. Die Bilder seines brutalen Angriffs,
der zudem nur schleppend vorankommt
und die bösartigen Ansprachen des Russen
verursachen Fassungslosigkeit. Bislang galt
der seit vielen Jahren an der Spitze seines
Landes stehende Putin als Machtpolitiker,
aber rational im Handeln und zielorientiert.
Der Präsident ließ andere gern warten?
# Aus den Nachrichten zitiert: Dass Wladimir
Putin seine Macht gerne zur Schau stellt,
ist längst bekannt. Nun hat das auch Recep
Tayyip Erdogan am eigenen Leib erfahren.
Erdogan und seine Entourage mussten
minutenlang vor Putins Tür warten. Im
russischen TV wurde das Psycho-Spielchen
anschließend veröffentlicht / Angela Merkel:
mehr als vier Stunden. Der Papst: eine
Stunde. Die Queen: 14 Minuten. Wladimir
Putin ist nicht für seine Pünktlichkeit berühmt
- eine Übersicht über die Zeit, die der
russische Präsident Staats- und Regierungschefs
warten ließ.(…). (Stern, 10.03.2020 /
05.01.2017).
Die Macht haben, ein Machthaber sein;
wer wartet, nimmt Unfreiheit in Kauf, um
etwas zu bekommen. Diese Frage als Lineal
angelegt, hilft auch, die andere Seite zu
verstehen. Machtlosigkeit, Abhängigkeit,
Beziehungen; wenn Menschen auf andere
angewiesen sind: Ein Gefangener bekommt
sein Essen zur vorgegebenen
Zeit. Ein freier Mensch
geht einkaufen, um sich
eine Mahlzeit zu beschaffen
oder ins Restaurant. Eine
gewisse Geduld muss auch
der Mächtigste aufbringen.
Menschen stehen an für Eis,
ein Tennismatch. Oder umgekehrt,
jemanden warten
lassen: Wir sehen, wie Boris
Becker mit anderen in einer
Schlange vor dem Gericht
steht. Aber nicht, um einen
schönen Tag beim Tennis
zu erleben. Der Ausnahmesportler
muss auf den
Einlass zum eigenen Prozess
als Beschuldigter warten, bis
er in das Gerichtsgebäude darf. Dort droht
ihm sogar Haft, falls er im Verfahren um verschleierte
Summen bei Insolvenz schuldig
gesprochen wird.
Staatsmacht können wir nicht ignorieren.
„Mir doch egal, dafür steh’ ich nicht an“ zu
sagen, hilft nur dem, der sich das erlauben
kann. Einer Vorladung müssen wir nicht
zwingend folgen, aber wenn uns der Prozess
gemacht wird, gehen wir hin. Sonst würden
die Probleme größer. „Wird per Haftbefehl
gesucht“, hieße es bald darauf. Davor läuft
man nicht weg, und wie sollte ein Prominenter
abhauen, ohne seine öffentliche Existenz
aufzugeben? Boris Becker, das kann nur wie
im Fall von Uli Hoeneß ablaufen. Der Tennisstar
plädiert auf Freispruch. Erst einmal
kommt der Moment, den Vorwürfen Rede
und Antwort zu stehen. Die Gesellschaft wird
akzeptieren, dass ein Prominenter anschließend
einer Strafe wieder dort anknüpft, wo
seiner Existenz ein empfindlicher Dämpfer
beigebracht worden ist, aber nur bei Aufrichtigkeit
und Bereitschaft, sich dem Recht zu
beugen.
Im Falle von Putin und
Selenskyj ist immer von
erhofften Ergebnissen in
Friedensverhandlungen ohne
Gesichtsverlust die Rede,
die ausgehandelt werden
müssten für den jeweiligen
Präsidenten. Das britische
Gericht verliert sein Gesicht
kaum einmal, es sei denn bei
einem Urteil, das sich später
als falsch herausstellt. Boris
Becker ist sichtlich angeschlagen.
Er nutzt Anwälte,
um so viel wie möglich von
den Anschuldigungen zurückzuweisen. Der
russische Präsident präsentiert anderen
Macht mit seiner Gewalt, einen Krieg vom
Zaun zu brechen, der britische Staat zeigt
dem Sportler Boris eine Grenze auf. Diese
Beispiele machen deutlich, wie unterschiedlich
die Auswirkungen von Verhalten
und Reaktion Ergebnisse schaffen. Der
Tennisstar unterliegt dem Gesetz und wird
es akzeptieren. Anwälte unterstützen den
heutigen Sportkommentator und Trainer.
Gegen die Attacken von Wladimir Putin fällt
es der Weltgemeinschaft schwer, effektiv
vorzugehen. Die Sanktionen schaden auch
dem Westen. Wir müssten eine gegenseitige
Abhängigkeit begreifen. Bei normalen Angeklagten
wirkt eine Beziehung, in der sich
ein Staat und beispielsweise Boris Becker
befinden, auf moderate Weise. Beobachter
gehen davon aus, dass ein zähes Ringen um
verschiedene Anklagepunkte auf zivilisierte
Weise ausgetragen wird. Der Beschuldigte
wird im Falle einer Verurteilung eine
Geldstrafe, Haft oder Bewährungsstrafe
akzeptieren oder in einem weitern Verfahren
anfechten, Revision einfordern. Dergleichen
an Wiedergutmachung können die Alliierten
gegenüber Russland keinesfalls in vergleichbarer
Weise zivilisiert einklagen.
Es scheint, dass Boris Becker zielgerichtet in
seine Verteidigung geht. Bei dem Weltverbrechen
eines Krieges, den die Atommacht
Russland führt, streiten die Verantwortlichen
das Geschehen schon vom Namen her ab,
nivellieren es auf eine nötige Militäroperation.
Und wir können nichts tun, das uns
nicht selbst in Bedrängnis bringt. Gibt es ein
erreichbares Ziel für Russland, für das sich
diese Attacke bald als lohnende Militäraktion
herausstellen wird? Andere könnten den
Verstand des Präsidenten anzweifeln und
die Sinnhaftigkeit der Aktion. Wenn genügend
Russen in der Führung und auch in der
ausführenden Truppe, sogar im russischen
Volk, der breiten Masse davon überzeugt
sind, das Ganze sei nötig, wird dieser Krieg
andauern. Ganz offensichtlich war die
bisherige Wirklichkeit einer sich zunehmend
in westliche Richtung bewegenden Ukraine
nicht das Positive, was wir darin gesehen
haben für den Osten. Wen das noch wundert,
sollte lernen, seinen Anteil daran zu haben,
dass jetzt Krieg ist. Unsere Freiheit können
wir einer andern kaum aufzwingen. China,
Russland oder andere Staaten sind nicht per
se Gefängnisse, weil wir ihnen vorgaukeln,
es ginge noch (mal so eben) mit mehr an
Diversität. Es ist insofern bedeutsam, weil
es hilft, sich von idealisierten Vorstellungen
zu verabschieden. Wir tun gut daran, die
Realität zu akzeptieren. Ich verstehe diese
so, dass wir das Böse nicht durch Schuldzuweisung
besiegen. Wir benötigen Macht,
eine Grenze zu ziehen, die mehr ist als eine
rote Linie der
Fantasie.
Unser Dorf im
Kleinen ist mir
das Modell und
eigene Übungsfeld.
Ich kenne
mein eigenes
Fehlverhalten,
bin bereit
wahrzunehmen,
wo ich versagte.
Das hilft wiederum,
anderen
eine wirksame
Grenze zu setzen, wenn diese mich mit
ihren Anschuldigungen angreifen. Meine
Kreativität besteht darin, eine farbige Linie
tatsächlich hinzumalen, nicht nur daran zu
glauben, sondern etwas zu schaffen, das
mehr als Kritzeln bedeutet. Ich erlebe, wie
meine Ansichten, die ich gestalten lernte,
wirksam sind. Mir nutzt zu malen und schreiben
in vielerlei Hinsicht. Und sei es, das
eigene Denken zu schleifen, nicht zuletzt an
den Schenefeldern.
Mrz 23, 2022 - Material 50 [Seite 50 bis 54 ]
Die Macht, einen
Despoten zu
stoppen, wirklich
zu haben oder nur
so zu tun, als hätte
man begriffen, dass
ein Verbrecher
irgendwo Böses tut
und sich zu ereifern,
findet ihre reale
Grenze, wenn wir
selbst in Gefahr
geraten und die
Einbildung, bei den
Guten zu sein, nicht
hilft.
Meine Kunst ist nicht erwünscht.
Die Leute taten freundlich, waren es aber
nicht zu mir. Ich kam nicht weiter voran,
nachdem es zunächst gut angelaufen ist
mit den Bildern. Erst cancel culture, wo
ich probierte auszustellen, dann folgte
die persönliche Abgrenzung mancher, die
stillschweigend auf Distanz gingen zu mir,
durch penetranten Rufmord angeschoben?
Das kann man nur vermuten. Jahrelange
Vorgänge, die ich nicht begreifen konnte,
haben mich allmählich irritiert, schließlich
neurotisch und psychotisch werden lassen.
Ich wäre gefährlich, wurde gegen mich
vorgebracht. Es stimmt für Provokateure.
Die Gefahren, in die ich selbst geriet, durch
meine Dummheit, Aggression und eigenes
Fehlverhalten, konnte ich meistern und
denen, die noch einen draufsetzen wollten,
nachzutreten, biete ich nun auf bunte Weise
Paroli.
Ich gewöhne mich daran, dass die anderen
über meine Bilder nicht sprechen können.
Sie sind unreif, weil sie normal sind. Sie
möchten in einer Schublade leben, weil sie
die eigenen Ängste nicht ertragen. Ich stehe
vor ihrer Kommode und ziehe nach Belieben
Schubladen raus. Sie sind Liliputaner, ich bin
groß geworden. Ihre Ansichten binden mich
heute nicht mehr, ich gehe wohin ich will
mit meinem Pinsel.
# Das Steinerne Meer ist ein verkarsteter Gebirgsstock
mit ausgeprägten Hochflächenbildungen
in den Nördlichen Kalkalpen. Als
eines der neun Teilgebirge der Berchtesgadener
Alpen gehört das Steinerne Meer teils
zu Bayern teils zu Salzburg. Seine größten
Höhen erreicht es in seinen südlichen Randgipfeln
Selbhorn, 2655 m und Schönfeldspitze,
2653 m. (Wikipedia).
Und das bringt mich weiter in diesen Text
hinein, bei dem es nicht ums Wandern geht
und voran im Zorn, aus dem ich ein Bild mit
Worten formen kann. Das habe ich gelernt.
Im Steinernen Meer fängt der Angler keine
Fische. Steine beißen nicht an. Hier zu
angeln, entspricht einen Polizisten am Feldrand
zu treffen, der behauptet Kaufhausdiebe
auszuspähen. Um Ladendiebe festzusetzen,
geht die Polizei zum Laden hin, wie der
Angler ans Wasser, wo die Fische sind.
Ich habe ganz eigene Erfahrungen mit
der Polizei gemacht und eine individuelle
Wut entwickelt, in erster Linie wohl auf
mich selbst. Meine Naivität entsprach dem
Grundvertrauen eines Kindes, aber als
Erwachsener ist das nicht angebracht. Ein
aktuelles Beispiel: Wir müssen begreifen,
dass es auf die Schnelle nichts bedeutet, Putin
als Kriegsverbrecher
anzuklagen, wenn das
nur eine Phrase bedeutet
und den Despoten nicht
stoppt. Einfacher dürfte
es sein, dort voranzugehen,
wo Menschen
dingfest gemacht werden
können und ihnen
Strafbares nachzuweisen
ist. Es geht nicht um
das Verbrechen. Es geht
darum, einen Beweis
gegen jemanden herbeizuschaffen,
mit dem die
Staatsanwaltschaft bei Gericht gewinnen
kann. Unser Glaube an die gute Polizei, die
uns schützt, ist pauschal naiv. Natürlich tut
sie das insgesamt, aber wir sind ja nicht Herr
Insgesamt oder so. Für den Einzelnen, der
auf die spezielle Kommissarin trifft, läuft die
Begegnung auf den Sonderfall des Individuums
hinaus.
So interpretiere ich einen Bericht, den ich
auf der Webseite der „Tagesschau“ gefunden
habe. Meiner Auffassung nach, probiert
die Polizei nicht vorrangig Verbrechen zu
bekämpfen, Kinder davor zu schützen missbraucht
zu werden. Die Beamten konzentrieren
sich auf ihre Möglichkeiten, strafbare
Handlungen zu beweisen. Einige Zeilen
mögen als Zitat genügen, in das Thema
einzuführen.
# Das Bundeskriminalamt steht in der Kritik,
weil es Aufnahmen von Kindesmissbrauch
nicht aus dem Netz entfernen lässt. Die
Bundesregierung rechtfertigt das nun. Opposition
und Kinderschutzorganisationen sind
empört.
Wenn ein
Ermittler (…)
auf Bilder von
Kindesmissbrauch
stößt,
darf er sie
nicht löschen
lassen - selbst
wenn dies
einfach
und schnell
möglich wäre.
Diese erstaunliche
Aussage
trifft die Bundesregierung in einer Antwort
auf eine Anfrage der Linksfraktion (…) Demnach
habe das BKA keine Rechtsgrundlage
für eine Löschung auf eigene Initiative.
Mit der Stellungnahme verteidigt die
Bundesregierung das BKA gegen Kritik,
der sich die Polizeibehörde seit Monaten
ausgesetzt sieht. Auslöser waren Recherchen
(…) die gezeigt hatten, dass im aktuell
größten pädokriminellen Darknet-Forum der
Welt riesige Mengen an Fotos und Videos
entfernt werden könnten. Dazu müssen die
Inhalte, die bei Speicherdiensten im Netz
liegen, lediglich gemeldet werden, um sie
löschen zu lassen. Das BKA jedoch unternimmt
diesen Schritt nicht. (…).
Seehofer hielt Löschungen noch für „unverzichtbar“,
dass das Bundesinnenministerium,
welches die Kleine Anfrage der Linksfraktion
beantwortet hat, dem BKA so deutlich eine
Kompetenz abspricht beim Thema Löschungen
von „Kinderpornografie“, ist politisch
bemerkenswert. Noch im November hatte
der damalige Innenminister Horst Seehofer
auf der Herbsttagung des BKA gesagt, die
Löschung der Aufnahmen sei „unverzichtbar“:
„Das Bild- und Videomaterial darf auf
keinen Fall dauerhaft online abrufbar sein.
Die Betroffenen werden sonst immer wieder
zum Opfer. Und zwar ein Leben lang.“
Nachfolgerin Nancy Faeser hingegen äußerte
sich bisher noch nicht öffentlich wahrnehmbar
zum Thema Kinderschutz. Auch
eine Panorama-Anfrage, ob sie dem BKA die
fehlende Rechtsgrundlage verschaffen wolle,
ließ das Bundesinnenministerium bisher
unbeantwortet.
(Tagesschau 21. März 20022, Daniel Moßbrucker,
NDR).
Ende des Zitats. Ich bin Maler und möchte
Stellung beziehen. Unser früherer Innenminister
war – als ein alter und erfahrener
Politiker – Dickbrettbohrer. Auch zum
Thema der Obergrenze von Flüchtlingen,
die Deutschland bereit wäre aufzunehmen,
hatte Seehofer seine Position. Unpopuläre
Themen sind diese! Ich erinnere mich,
die frühere Ministerin für Familie, Frauen
und Kinder wechselte in das Ministerium
für Arbeit etwa zu der Zeit, wo sie sich an
erstgenannter Position für eine Löschung,
beziehungsweise für den Einsatz einer Art
Bremse, in Form des vorangestellten Stoppschildes
der Skandinavischen Länder ausgesprochen
hatte. Männer sollten begreifen,
wohin sie am Surfen waren, wenn der Kurs
in die Abgründe vom Netz ginge. Das war,
als der Begriff „Darknet“ dem Nutzer noch
fremd gewesen ist und das Aufblitzen einer
entsprechenden Webseite – die der Wichsende
in seinem Rausch nicht
einmal erwarten kann, nachdem
er ein Vorschaubildchen klickte,
ohne zu wissen, was genau das
ergibt – bereits zu Verurteilungen
führte. Davon schrieb unser
Tageblatt nicht selten in den
Jahren nach der Jahrtausendwende.
Ein Lehrer in Hamburg
wäre verurteilt worden, obwohl
er ein Bild nachweislich sofort
weggeklickt hatte. Die digitale
Spur bewies, der Mann habe für
eine Sekunde kinderpornografisches
Material besessen. Mir
kam es sogar einmal vor, als
könnte ich einen Schenefelder als Person
herauslesen, im Artikel, dem zum Verhängnis
wurde, im Arbeitsumfeld mit Jugendlichen
seine Neigung nicht in den Griff bekommen
zu haben.
# Mein eigener Weg
Zu dieser Zeit begann ich bereits, mich kreativ
auszuleben und stellte das Bild „Fenster“
in einem Café aus. Ich schrieb (im Suff)
einen mehrseitigen Scheiß zusammen. Ich
probierte darauf hinzuweisen, was Frau von
der Leyen forderte, wäre richtig. Ich wolle
nicht alleingelassen vor dem Rechner dafür
bestraft werden, das Falsche zu klicken,
sondern erwartete vom Staat die Mitarbeit,
nach dem Motto, in den Siebzigern hätte
ich einen verbotenen Porno allenfalls „unter
dem Ladentisch gehandelt“ kaufen können.
Das brachte ich so etwa zu Papier. Die
Menschen hatten sich gerade erst an das
Internet gewöhnt, und das schien hell für
alle zu sein. Der kreative Wichser: Ich hoffte
scheinbar, einen Untergrund zu erfinden,
Mrz 23, 2022 - Material 51 [Seite 50 bis 54 ]
für den mir selbst die kriminelle Energie
abgehen würde, diesen aufzusuchen. Ich
verlangte einen Keller, und den sollte mir
die Polizei (mit festem Erdgeschoss drüber)
schaffen und abgeschlossener Luke nach
drunten für welche, die das bräuchten. Für
mich erwiese sich das neue Netz mit seiner
Freizügigkeit als bodenlos. Ich schwafelte
handschriftlich auf einigen Seiten Papier,
es könne nicht sein, dass Kinderpornografie
frei verfügbar wäre, trank nachts dabei eine
Flasche Rotwein allein aus (Strohwitwer für
eine Woche; so etwas kommt vor in einer
guten Ehe). Das habe ich, als den Wunsch,
mit der Polizei diskutieren zu wollen, an
das LKA geschickt – nüchtern am folgenden
Morgen.
Vielleicht ein Fehler.
Die Polizei diskutiert nicht. Die Polizei ermittelt,
wo es leicht gelingt. Man löscht ungern,
es ist aufwändig. Dazu kommt, die Polizei
benötigt das bereits als strafbar bekannte
Material im Netz. Zu locken ist die Denkweise
des Anglers mit dem Köder. Hat man
mich ausgespäht? Das kann nur ohne Erfolg
geblieben sein. Dergleichen Bilder habe
ich nicht, klicke ich nicht – und breche das
Surfen ab, wenn entsprechende Vorschauen
reizen. Ich möchte lernen, in der neuen Welt
zu leben und meine Meinung entwickeln. Ich
bin keinesfalls das Opfer eines Triebs. Wie in
das Darknet zu gelangen ist, weiß ich nicht.
Ich kann auch keine Computer verschlüsseln,
weil ich nicht verstehe, wie man es
macht. Es interessiert mich nicht. Ich kenne
niemanden, dubiose Freunde etwa, für ein
Netzwerk. Junge Frauen sehen besser aus als
ältere. Ich schaue mir keine fünfzigjährige
nackt an im Internet.
Die Polizei hat gelernt, Böses mit Bösem zu
bekämpfen.
Ich denke, das Netz ist das der Polizei, weit
über die behördlichen
Maschen hinaus
gestrickt. Es bezieht die
bereits verrenteten Beamten
und Ehrenamtlichen
der Dorfpolitik mit
ein und wird munter
über verspinnerte
Künstler und dergleichen
ausgeworfen.
Die Polizei benötigt
einen Anfangsverdacht.
Wer Nackte malt, wirren
Kram zusammenschreibt,
ist verdächtig:
Damit könnte ich
gemeint sein? Ich kann
zugeben, dass ich nach dem Studium in
psychiatrischer Behandlung war. Ich habe
mich in das Leben zurückgekämpft. Ich bin
kein Täter, sondern Opfer einer Erkrankung
und habe keinesfalls den Wunsch, straffällig
zu werden. Dass ich jemanden verprügelte,
spricht sich rum? Das bedeutete mir, dem
alltäglichen Rufmord ein Ende oder zumindest
Zeichen entgegen zu setzen. Ich bin
bestimmt nicht gewalttätig krank.
Es gab damals eine Vorladung auf den
quergedachten Brief, ein Ermittlungsverfahren
würde geführt, schrieb mir die Behörde.
Keine Einladung zur Diskussion auf Augenhöhe,
sondern eine Machtdemonstration des
deutschen Staates (Abteilung Pinneberg).
Die Kommissarin:
„Sie sehen gar nicht aus wie …“
„Ein Spinner, was haben Sie denn gedacht?“
Naiv, da hinzugehen, war ich.
Von polizeilicher und offizieller Seite blieb
das ein schließlich humoriges Plaudern mit
Frau Kriminaloberkommissarin.
Aber seltsame Dinge passierten bald, fand
ich.
Zufällige Begegnungen mit Personen, die
Interesse hatten an mir, aber so richtig eben
doch nicht.
„Wir schauen uns ,solche wie Sie’ gern
mal an“, hatte die Beamtin gemeint und:
„Vielleicht schickt Ihnen der Staatsanwalt
noch ein Schreiben,
dass das Verfahren
eingestellt wird.“
Das kam nie. Aber
etwas hat die
Behörde erreicht,
ich mache keinerlei
Aussagen bei der
Polizei, egal was
gefragt wird oder
zukünftig würde.
Nach den Erfahrungen
mit der in alles
verstrickten Politik
und Verwaltung
hier im Dorf gehe ich auch zu keiner Wahl.
Dauerhafte Blockade aller staatlichen
Wünsche an mich als Bürger. Man hat mich
nicht als solchen wahrgenommen: „Solche
wie Sie“, krank? Und heute bin ich zu allem
bereit, nur um jedem Staat der Welt sagen
zu können:
„Nicht mit mir, Leute!“
Die Angst vor der
Erkrankung durch
Corona ist geringer, als
der Wunsch, zu denen
gehören zu können, die
unsolidarisch sind. Ich
gehe nicht zum Impfen,
weil der Staat es von
mir möchte, nicht zum
Frisör, weil es einen Test
bräuchte, habe mich
verändert. Ich gehe
nie zum Arzt, weil das
jemand ist, der sonst
was behaupten könnte.
Ich ertrage lieber die
Unbill einer Beschwerde. Vielleicht geht es
von selbst weg? Vorsorge fällt mir nicht ein.
Unter Schmerzen hingetragen, ja – ansonsten
gern gleich auf der Bahre entsorgt. Mir
weint niemand eine Träne nach! Schreddert
meine Bilder gern. Die Polizei braucht
vielleicht meine Hilfe als Zeuge irgendwo?
Darauf freue ich mich bereits. Ich sage,
gegebenenfalls um Unterstützung gebeten:
„Ob ich etwas bemerkt habe, heute Nacht,
Herr Kommissar? Tut mir leid, da habe ich
geschlafen.“ Politik gestalten, die Demokratie
verteidigen, ich möchte den Landtag wählen,
bitte? „Nein danke, wählt euch selbst.“ Ich
müsste eine Umfrage, eine Volkszählung
oder dergleichen mitmachen? „Heute habe
ich keine Zeit dafür. Und morgen bin ich
nicht da. Und wenn du mich übermorgen
ein weiteres Mal fragst, Deutschland, dann
schlag ich dich tot.“ Ich bin nicht länger der
Stoff, den du handeln und verkaufen, verarschen
kannst, Christiane – oder wie auch
immer der Staat als Person sich nennt. Geh
kacken, verpiss dich, Deutschland.
Moderner Sklavenhandel wird beklagt.
Selbst aktuell, in der größten Not der
Geflüchteten aus der Ukraine, werden
Menschen ausgenutzt. Bereits am Bahnhof
probieren Männer, junge Frauen abzufangen.
Sie locken mit einer Unterkunft für diese
Mädchen und das ist der direkte Weg in
die Prostitution. Menschen sind in unserer
Konsumgesellschaft eine Ware wie alles
andere auch. Sie können gehandelt werden,
wenn jemand die Macht dazu hat und keine
Skrupel. Und ein Foto von einem Menschen
ist dasselbe, ein Material mit dem welche
verdienen, die es dafür verwenden können.
Menschen sind, wie die Bilder
von ihnen, ein käufliches und zu
handelndes Erzeugnis. Die Realität
verwischt zwischen dem lebenden
oder gefilmten Wesen.
Das bedeutet, dass die Polizei
dabei keinen Unterschied machen
kann, Menschen wie ihre Bilder
nach dem Wert zu beurteilen,
den diese für ein Netz darstellen.
Schlussendlich ist die Kriminalität
eine Organisation, und die Polizei
ist die andere Organisation, wie
zwei Firmen in einem harten Ringen
um die Vormachtstellung am
Markt. Und wir Unbedarften sind die Ware,
als Konsument, als zu beschuldigender Täter,
die wir die Menschen hinter dem Porno nie
kennenlernten oder eben als ein Kind, sind
wir vor allem gefährdet, missbraucht zu
werden. Da dürfe die Polizei nicht zimperlich
sein und ein Kind (und sein missbräuchliches
Abbild als Mensch) mit Würde
behandeln, wenn die Chance besteht, damit
einen Händler oder Kunden festzusetzen,
meint man wohl. Aus Menschen wird nur ein
Kram, ein Zeugs, ein Stoff – so wie eine Tüte
Rauschgift, die den, der es besitzt belastet.
Man kann handeln damit.
# Material
Was ich vermute ist dies: Die Polizei
benötigt eine Masse verbotener Bilder, die
deswegen nicht gelöscht werden: Das ist
ihr Kaufhaus, den Ladendieb festzusetzen.
Die Beamten möchten einen Rahmen, in
dem sie sich auskennen. Sind die Bilder
bereits da, fehlt noch der Mann, dem sich
dafür zu interessieren zuzutrauen ist. Die
Polizei möchte jagen und Beute machen. Ich
behaupte, Kinder sind der Polizei egal. Es ist
nicht ihre primäre Aufgabe, sie zu schützen.
Im Gegenteil, sie werden zum Anlocken als
unverzichtbares Material gehandelt. Kinder
können sich nicht wehren. Die Polizei beschäftigt
sich mit Tätern. Gesunde Erwachsene
verteidigen sich gegebenenfalls mit dem
Rechtsanwalt. Sie sind ein harter Brocken für
Ermittler. Psychisch Kranke können sich nur
unzureichend wehren, schlecht gegen ihre
Emotionen, innere Gelüste und keinesfalls
effektiv gegen die Strafverfolgung. Sie sind
ebenfalls eine Ware für Ärzte, Gutachter und
die Polizei. Pornos sind eine Ware für alle.
Menschen stehen dafür ein und dahinter.
Hier geht es um Geschäft und Gegengeschäft.
Mrz 23, 2022 - Material 52 [Seite 50 bis 54 ]
Mir hat nicht geschadet, nachzudenken und
Ideen zu Papier zu bringen. Ich schreibe heute
besser. Neben der Illustration den Weg
in die freie Malerei einzuschlagen war das
Beste überhaupt für mich. Ich konnte nicht
wissen, wohin es führen würde. Kreativität
beginnt einfach, führt aber dazu, nachzudenken
was uns motiviert.
Denken macht gesund.
Mir geht es gut. Ich liebe Porno und weiß
um das böse Geschäft dahinter. Nicht mein
Arbeitsfeld und Problem. Wir haben heute
den von mir gewünschten Keller im Netz.
Mir ist das vollkommen wurscht. Ich schaue
von der Höhe meiner Reife auf die Armen,
die sich weiter ereifern. Ich bin arrogant
geworden. Aus der Distanz
gesehen, würde ich heute
sagen, ja, Eltern müssten
sich zunächst selbst kümmern.
Man weiß, dass im
Sportverein oder in der Kirche
Missbrauch geschieht.
Es hilft nicht, (optisch
beknackt erscheinenden)
Priestern in naiver Weise
das eigene Kind anzuvertrauen
und der Kirche die
Menschlichkeit abzusprechen. Niemand kann
aus der Allmacht der Welt, entsprechend
Gott, austreten, wie auch immer ein Gläubiger
oder Atheist es nennt. Natürlich sollte
die Strafverfolgung über die Kirche gestellt
sein, und ich hätte angenommen, dass es so
ist. Es ist weniger die Schuld eines Bischofs,
wenn sein Pfarrer Kinder missbraucht, sondern
das Versagen besteht darin, denjenigen
von Seiten der Behörden nicht konsequent
zu stoppen. Eine Anzeige ist möglich, man
weiß, dass Befindlichkeiten wie Scham und
Angst den Sieg davontragen können und
Menschen ein Leben lang schweigen. Daran
ist weniger die Kirche schuld. Hier verursacht
ein verkorkstes Bild vom Glauben die
gruselige Gemengelage. Auch für Katholiken
gilt das Gesetz als wirksame Hilfe. Nach
abgeschlossener Strafverfolgung aber, sollte
ein Pfarrer frei sein.
Ich finde es befremdlich, wenn Opfer
„Lebenslang“ fordern und entsprechendes
Berufsverbot, während ein Gericht differenziert
abwägt. Warum wird nicht das Gesetz
als unzureichend kritisiert und stattdessen
verlangt, dass die Kirche jemanden
anschließend einer Bestrafung hinaus wirft?
Ganz offensichtlich hat die breite Masse den
Eindruck, dass, wer einmal sexuell Bockmist
baute es immer wieder tut. Wenn das
stimmt, sollte es nachzuweisen sein. Dann
könnten wir sämtlich die Therapien als
Quatsch einstellen, mit dem eingesparten
Geld größere forensische Klappsen, Knäste
mit Sicherungsverwahrung für alle Sexualstraftäter
bauen.
Hier liegt ein
grundsätzliches
Problem vor. Die
unterschiedliche
Schwere der
Fälle wird sinngemäß
bestraft.
Außerdem können
individuelle
Fehleinschätzungen,
wie
sich Pädophile zukünftig verhalten werden
nie ausgeschlossen werden. Es bleibt die
Aufgabe derer, die sich zuständig fühlen, die
Welt zu verbessern. Der Kinderschutzbund
bringt naturgemäß mehr Einsatz auf, und
die Medien machen Druck. Wir haben alle
unseren Teil zu leisten: Der Bäcker backt das
Brot, und der Angler angelt.
Ich bin noch da und male, schreibe.
Frau von der Leyen sei doof, meinte die
Kommissarin. Was wir löschen, stellt derjenige
eine Minute später unter anderem Label
neu ein; Realität eben.
So haben wir bis heute Realpolitik.
:(
Mrz 23, 2022 - Material 53 [Seite 50 bis 54 ]
Alte, schwabbelige oder verkorkste Frauen
sind massenweise in Einrichtungen unterwegs,
wo Quatsch in Gruppen stattfindet. Im
Kunstkreis zeigen sie Arbeiten. Sie wollen
damit sagen, dass es was Richtiges ist?
Was sollen sie sonst auch machen.
Unsere tägliche
Kunst gebt uns
heute
Mrz 26, 2022
Brot wird ja bald
teurer, wegen
der Ukrainekrise.
Gut, dass ich viel gelernt habe und richtig
was kann, da macht es nichts. Ich kann’s mir
leisten. Ein Künstler wollte ich nicht werden.
Meine Eltern meinten, malen könne man
auch nebenbei. Junge Leute erlernten besser
einen richtigen Beruf, fand auch mein Onkel
Hermann, spottete:
„Du hast ja Talent, John. Wir anderen müssen
arbeiten.“
Es hieß, im Hobby könne man kreativ sein,
das andere ginge nicht. Warum? Ich traute
mich nicht zu fragen. „Wir“ könnten kein
Fußball spielen, wusste mein Vater. Das läge
an unseren dünnen Gelenken. Er bezog mich
gleich mit ein. Es stimmte irgendwie. Ich war
schlecht darin. „Wir“ könnten nicht mit Bällen
umgehen, meinte er. Als sei es erblich, nicht
fangen zu können. „Wir“ würden schlecht
werfen, wären beim Kegeln oder Boßeln
kaum zu gebrauchen. Das stimmte auch.
Mein Vater hat Recht behalten.
Viele Spätberufene malen und stellen aus.
Es gibt in jedem Kuhdorf einen Kunstverein.
Corona macht es den Leuten schwer, Besucher
für die Vernissage zu gewinnen. Unser
Käseblatt berichtet: Nötig sei diese Kunst,
Skulpturen stellten einen Wald dar, und
„der Wald habe eine politische Botschaft“,
schreibt die Zeitung.
Zwei der komischen Pflanzen sind auch
abgebildet.
Der Mensch möchte ein Gegenüber.
Die Energie, mit der wir
eine Sache ausführen, benötigt
Reflexion. Darum arbeiten die
Erwachsenen: Sie dürfen noch
nicht sterben und haben Angst, es
könne ungemütlich sein, einfach
abzuwarten. Hunger könnte Probleme
bereiten, das ist einer der
Gründe, warum wir eine Existenz
gestalten. Deswegen ist die Kunst
ungeeignet, sie ist bekanntermaßen brotlos.
Alte können noch schlechter auf den Tod
warten als junge Menschen, die mit der Einbildung
herumspazieren, reichlich Zeit übrig
zu haben. Alte sind desillusioniert. Frauen
haben es besonders schwer, weil sie ein Leben
lang am Herd versauert sind. Sie lernten
nicht, sich zu beschäftigen. Sie machten nur
sauber. Während ein Alter seine Harley putzt
oder das Boot auf Vordermann
bringt, um in die Saison zu starten,
können die Muttis sich nur schwer
zügeln, Kuchen in sich hinein zu
stopfen.
Sie tüddeln mit dem Enkelkind
rum.
Sie führen einen Köter aus, oder
basteln eben einen Kunstwald.
Den wollen sie dann zeigen. Wenn
bald eine neue Corona-Variante
aufkommt, weil wir keinen Bock mehr auf
das Ukraine-Gemetzel haben, werden die
komischen Pflanzen vollkommen vertrocknen
ohne Vernissage …
Wobei, maskiert sehen die klar besser aus,
bei den Falten.
Jetzt kommt ja erstmal der Sommer.
:)
Es besteht kaum Interesse an der Ausstellung,
trotz reichlicher Werbung. Wen wundert
das? So wichtig ist es grad nicht für welche,
die richtige Sachen arbeiten. Rentnerinnen
haben es nötig, Torf auf Pappe zu kleben. Ein
starker Drang, schrottigen Kram auszuleuchten
und anzupreisen gehört dazu. Selten
verirrt sich ein teetrinkender Mann in den
Kunstkreis oder ist irgendwie schwul. Typ
Lauterbach etwa, nichts Halbes oder Ganzes,
mehr dazwischen. Es ist wie in der Kirche.
Die ist auch in Frauenhand, wenn man nicht
gerade bei den Katholschen schaut. Auch
diese Yogatanten, die hinter dem verödeten
Sportrestaurant auf einem Bein turnen. Ein
seniler Opa, der Rest vertrocknete Gewächse,
wie die vom Kunstkreis eben.
Manche sind auch dick.
Mrz 26, 2022 - Unsere tägliche Kunst gebt uns heute 54 [Seite 54 bis 54 ]
Der letzte Tag
Mrz 27, 2022
Es gibt Menschen,
die stets das
Schöne sehen. Ich
gehöre nicht dazu.
Darum male ich.
So kann ich meine
Farben für die eigene Welt bestimmen.
Das lehrt mich hinzusehen und Reizvolles
wahrzunehmen. Für gewöhnlich ärgere ich
mich über das Drumherum. Frust ist mein
Antrieb. Damit bin ich schnell unterwegs wie
viele andere auch. Mir fällt oft schwer, die
besseren Alternativen zu bemerken, kurz abzuwarten
und erst dann auszuwählen, wohin
die Reise geht. Es bleibt ein Lernfeld.
Das Leben ist so scheiße, weil es im Ganzen
alternativlos ist. Nicht leben, ist keine
Alternative. Wir haben nicht diese Wahl,
etwas anderes zu tun, als hier zu sein. Ein
Trugschluss, zu denken, wir könnten frei handeln.
Obwohl es theoretisch möglich wäre,
ganz vieles zu machen, werden wir doch nur
eine schmale Auswahl unserer Möglichkeiten
in Betracht ziehen. Suizid, sich also dafür
zu entscheiden, nicht weiter zu leben, ist
bestimmt nicht feige oder so mal eben eine
durchführbare Sache. Wir nehmen einiges
an Kummer hin und suchen oft verzweifelt
nach einem Weg aus der Einsamkeit unseres
Daseins.
Der Mensch weiß nicht, warum er lebt.
Diejenigen, die keine Automaten sein
möchten und nur gehorchen, suchen nach
dem eigenen Sinn. Wer unglücklich ist, hört
nicht einfach auf zu jammern. Davon, dass
es verboten würde, traurig zu sein, wird der
Trübsinn kaum enden. Wem es an Geschick
mangelt, den Tag mit Leben zu füllen, bleibt
nur scheinbar die Flucht. Dafür benötigt es
eine besonders verzwickte Fähigkeit. Wir
müssen bleiben, auch wenn es uns nicht
gefällt zu leben. Wer probierte zu gehen,
weiß wie viel Schwierigkeiten sich dem in
den Weg stellen, der nur noch weg möchte.
Man muss es nicht selbst versuchen: Zahlreiche
Filme zeigen Menschen, die es mit dem
Suizid nicht hinbekommen und mit ihrem
Schicksal im letzten Moment zu hadern
beginnen. Darüber nachzudenken macht
deutlich, warum es ungemütlich auf der Erde
ist. Unser Dasein ist mitnichten eine tolle
Sache, eben weil es ein Zwang ist. Es ist wie
mit einem Geschenk, das wir gezwungen
sind gut zu finden. Ein Pullover, den wir tragen
müssen, obwohl dieser kratzt: „Der steht
dir aber gut!“, sagt Tante Helga noch. Und
Mutter freut sich, wenn du ein fröhliches
Gesicht machst.
Keine Alternative zu haben, bedrückt und
macht Angst. „Davor brauchst du keine Angst
zu haben“, hört man immer wieder Eltern
sagen. Wenn zu leben ohne Alternative ist,
weil unser Organismus alles tun wird, was
an Automatismen hineinkonstruiert wurde
– allein die Atmung oder der Herzschlag
sind nicht abstellbar – bleibt nur die Erkenntnis,
dass Angst
unser Antrieb ist. Die
sollten Eltern nicht
verbieten. Der Angst
kann ich mit dreierlei
begegnen: Aushalten,
weglaufen oder die
Gefahr aggressiv
bekämpfen sind bekannte
Möglichkeiten.
Nun bedeutet unser
Alltag nicht, Soldat
zu sein. Abweisungen
unangenehmer Dinge
meistert der Mensch
sportlich. Angriff: Eine
kurze Floskel stellt einen
nervigen Bekannten
so weit zufrieden, dass wir weitergehen
können. Aushalten: Kurz die Luft anhalten
und den Frust unterdrücken, wenn man sich
übervorteilt fühlt. Flucht: Schnell vorüberhuschen
und „er hat mich nicht gesehen“
denken, das war’s. Soweit normal.
Natürlich gibt es gute Tage. Die interessieren
ja nicht. Sie kommen und gehen wieder.
Wir werden nicht umhin kommen, über die
dunklen Momente nachzusinnen. Die gewinnen
schließlich an Bedeutung; dass wir einmal
sterben müssen, macht Angst, besonders
denjenigen, die schnell sterben wollen. Das
ist paradox. Diese Schwerstbehinderten, die
ein Recht auf rechtzeitigen Suizid einklagen
möchten, zeigen es überspitzt: Das Problem
liegt scheinbar darin, die Zukunft gestalten
zu wollen, es angeblich nie zu spät sei für
irgendwas, die Zeit aber möglicherweise
knapp wird. Die Umgebung bestimmt um so
mehr über uns, je abhängiger wir von anderen
Menschen werden, im Rollstuhl sitzen
oder sonst wie gebunden sind. Deswegen
alternativlos: Der Mensch will nicht, sondern
muss leben und das bedeutet, dieses Dasein
zu gestalten. Abwarten auf das natürliche
Dahinfaulen genügt nicht, um die Sache
gut aushalten oder gar stundenweise
wenigstens genießen zu können. Nichtstun
als Beschäftigung will gelernt sein! Unser
Dasein als Möglichkeit begreifen, obwohl
es irgendwann für beinahe alles zu spät ist,
wird zu einer Herausforderung; das Alter
beginnt jetzt. Mit beinharter Logik zu leben,
wird angenehm wie den kratzenden Pullover
nur dann zu tragen, wenn Mama und Tante
Helga im Raum sind. Gott sieht alles, aber
Mutter nicht, ist die Erkenntnis zu der ein
gesundes Kind kommt.
Schlimm, wenn Mutter das verhindert (zu
denken). Da kann’s dauern, bis ein Kind frei
wird und den eigenen Weg geht. Dann ist es
für vieles zu spät. Immerhin kristallisiert sich
raus: Die anderen lügen immer. Von Scheiße
umgeben, bedeutet in Schenefeld zu sein.
In der Ukraine im Krieg ist es schlimmer.
Eine schöne Sache mit dem „edel sei der
Mensch, hilfreich und gut“ und geradezu
eine Verpflichtung, wenn klar wird, dass zu
leben ohne Alternative ist. Maulen oder dem
Selbstmord auf Raten mittels Alkohol zu frönen
ist überlegenswert. Der Nutzen will abgewogen
werden, ob diese Benebelung eine
Verbesserung ist oder wir tun sollten, was
der Doktor rät? Nun hilft es nicht, die Menschen
zu suchen, denen wir vertrauen können.
Es gibt sie nicht. Umgekehrt macht die
Sache Sinn. Selbstvertrauen zu entwickeln,
ist besser. Eine gute Einschätzung der Lage
hilft. Schwäche wird ausgenutzt. Passen wir
uns der Tante an und reden der Mama nach
dem Munde, werden wir schnell auf einen
Bekannten treffen: „Sieht scheiße aus dein
Pullover. Kratzt der gar nicht?“ Schweigen,
weglaufen oder sagen: „Das ist ein Geschenk
meiner Mutter und kratzt nicht. Ich mag die
Farben“, sind so Möglichkeiten.
Da schließt sich der Kreis. Wir sind erwachsen
geworden und lügen wie die anderen
– in dem Moment, wo unsere Wahrheit darin
besteht, die persönliche Grenze setzen zu
müssen.
Mein Onkel Hermann, der zur Tante Helga
gehörende, starb mit ungefähr neunzig. Das
hat mich genau gar nicht interessiert. Ich
bin nicht zur Beerdigung gegangen. Eine
unglaublich lange Zeit war er dement und
wusste kaum, ein Onkel zu sein. Er redete
nur noch Blödsinn. Mein dazugehörender
Vetter ist der Grund, den Rest meiner
Verwandtschaft zu meiden. Je mehr bekannt
wird, zeigt sich, fett ist nur der Nippel oben,
die Spitze. Ich will sagen, nur ein Siebtel
vom Eisberg schaut aus dem Wasser. Falschheit
gewinnt, weil man das Motiv nicht sieht.
Eis ist hartes Wasser nur für eine gewisse
Zeit.
Die sind mindestens so eklig, wie andere
hier. Familie ist in meinem Fall auszusortieren,
um zufrieden zu sein. Das Problem
ist, der Mensch kann die Gebote einhalten,
muss es aber nicht. Menschen nutzen es aus,
über andere bestimmen zu können, wenn sie
meinen es sei einfach, brächte Vorteile. Ich
habe spät gelernt zu beleidigen, bin mitnichten
ein guter Mensch. Ich lege keinen Wert
darauf zu sein, wie man soll. Unschuld war
früher. Jahrelang wusste ich nicht, dass ich
andere verletzte wie alle es tun. Für einen
genussvollen Rest an Lebenszeit, meine eigene
Gestaltung des Ganzen, reicht es nicht:
Ich fege Trümmer zusammen. Die Zeiten,
in denen wir Gewohnheiten durchbrechen
können und die Wahl einer Alternative
erkennen, machen frei. Darauf kann man
achten bis zum letzten Tag.
:)
Mrz 27, 2022 - Der letzte Tag 55 [Seite 55 bis 55 ]
Orbit
Apr 1, 2022
Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit
haben ihre eigene Wahrheit. Die Wahrheit
der Vergangenheit ist Gegenstand von
Ermittlungen und führt gegebenenfalls zum
Gerichtsprozess. Dort wird die Wahrheitsfindung
nach den Regeln der juristischen Kunst
betrieben. Das Wort sagt es schon, man muss
suchen und diskutieren für ein stimmiges
Bild. Im Zweifel für den Angeklagten, ist
die Leitlinie im ordentlichen Verfahren. Die
Wahrheit der Gegenwart ist unmittelbar zu
spüren. Druck und Gegendruck durch die
Schwerkraft sind unsere Wahrheit, niemand
schwebt herum, die Erde bindet uns an. Daraus
resultiert einiges, wenn nicht alles an
Aktivitäten. Niemand ignoriert die Schwerkraft,
ist eine grundsätzliche Wahrheit,
weil das die Basis unseres Lebens ist. Dazu
kommen etliche, individuelle Motive unserer
Bewegung, denn auf die Gegenwart folgt
sofort das Erreichen einer speziellen Zukunft
für den Einzelnen. So können wir durch
unsere jetziges Geschehen auf die Zukunft
Einfluss nehmen und im Nachhinein erinnern,
wie es eben gewesen ist. Die Wahrheit
einer Ereigniskette ist also eine Bewegung
in der Schwerkraft durch die Zeit. Diese Betrachtung
schließt unabdingbar mit ein, dass
etwas im Raum ist, zum Beispiel ein Auto
fährt, ein Mensch läuft wohin; ohne ein Ding
macht Bewegung keinen Sinn. „Das Auto fuhr
schnell in die Kurve und krachte gegen den
Baum“, könnte eine Schilderung lauten.
Damit wäre dies eine (wahre) Geschichte des
Unfalls, dem ich mit einem Satz zitiert ein
Bild gebe. Jeder stellt sich was drunter vor.
War das eine Linkskurve? Da beginnt bereits
die Frage meiner Perspektive, die entscheidend
sein kann, denn was ist links? Befinden
wir uns nun am Steuer des Fahrzeuges, und
das Geschehen läuft aktuell ab, lenken wir
ein Fahrzeug durch die Wahrheit unserer
Gegenwart, gestalten die unserer Zukunft,
welche an diesem Baum ein Ende findet –
oder eben nicht.
Was werde ich heute tun? Für manche stellt
sich die Frage weniger, denn sie wissen, was
zu tun ist. Menschen im Arbeitsverhältnis
sind an viele Verpflichtungen gewöhnt. Sie
gehen etwa ganz automatisch zur Bushaltestelle,
nachdem sie ein alltägliches Frühstück
hatten, um zur Arbeit zu fahren.
Als ich noch am Anfang meines Illustratorenlebens
stand, gleich nach dem Studium,
war in Wedel bereits der neue S-Bahnhof
fertig geworden. Dort schauen Wohnungen
direkt auf die Gleise mit dem Bahnsteig. Ich
malte mir aus, ein Kinderbuch zu machen.
Vermutlich würden mit den jeweiligen Morgenzügen
alle zehn Minuten Tag für Tag die
selben Leute fahren. Ich begann mit Skizzen,
konnte nicht in diese Position gelangen, es
genauso zu sehen und fand eine Stelle im
Ärztehaus auf der anderen Seite. Dort schaut
man vom Treppenhaus hin.
Vor kurzem wurde mir eine Wohnung zum
Kauf als Geldanlage angeboten, diese nun
wiederum im Ausfahrtsbereich gegenüber.
Von der kleinen Terrasse aus schauten wir
direkt zum Bahnsteig. Der Abstand zu den
Wartenden ist gering, ein Zuruf dürfte gehört
werden, und es besteht Blickkontakt bis
hinein in das Wohnzimmer. Da erinnerte ich
mich wieder an diese Geschichte, das Buch
zu machen.
Mal davon abgesehen, dass daraus nie etwas
geworden ist, bleibt doch diese Erkenntnis,
dass ein Bild grundsätzlich ein Stück der
Wahrheit sein kann. Besonders in einer
realistischen Malerei versucht man ja, diese
Illusion von Wirklichkeit hinzubekommen.
Heute, am ersten April, wird gern mit der
Wahrheit gescherzt. Aber es gibt auch
bittere Wahrheiten, wie den Krieg in der Ukraine.
Gestern kam in den Nachrichten, dass
Gil Ofarim sich verantworten muss. Viele
werden den Fall erinnern. Der Sänger hatte
Hotelmitarbeiter beschuldigt und steht
nun überraschend selbst vor Gericht wegen
Verleumdung.
An diesem Morgen finde ich auf einem Portal
auch die Schilderung einer Begegnung
mit William Shatner aus der Sicht eines
Schauspielkollegen. Darin schildert der, wie
er als junger Mann am Set auf sein großes
Vorbild getroffen ist. Bei diesem ersten
Gespräch hätte der Berühmte herablassend
und abwertend reagiert, erst später versöhnte
man sich. Der junge Mann solle sich nicht
grämen, tröstete seinerzeit eine Maskenbildnerin.
Alle wüssten, Shatner sei „ein Idiot“.
Später gewann die Beziehung an Freundlichkeit,
schreibt der heute selbst bekannte
Darsteller und schließt die Episode mit den
Worten ab, eine wahre Geschichte, die gut
sei, müsse erzählt werden.
# Wil Wheaton erinnert sich, Monate später
habe er Shatner gefragt: „Sind wir cool, oder
was? Ich dachte immer, du magst mich nicht,
aber ich habe die Zeit mit dir bei ,Weakest
Link‘ genossen. Also sind wir cool oder war
das nur eine Spielstrategie?“ Shatner habe
geantwortet: „Wir sind so cool, wir sind mehr
als cool. Wir sind im Orbit, Mann.“ In den
vergangenen Jahren habe er viel Zeit mit
Shatner, den er „Bill“ nennt, verbracht. Er sei
„jedes Mal freundlich“ gewesen, „nie gemein
oder abweisend“. Sie seien „keine Freunde,
aber freundlich zueinander“. Er habe sich
dennoch dazu entschieden, die Geschichte
zu veröffentlichen, da sie „eine gute
Geschichte“ sei, die „unterhaltsam, wahr und
lustig zu erzählen ist“. (Yahoo, April 2022).
Direkt aus dem Orbit und wahr.
Unten in Schenefeld passiert ja auch so einiges,
denke ich – und hoffe, heute am Boden
geblieben, weiter auf morgen.
:)
Apr 1, 2022 - Orbit 56 [Seite 56 bis 56 ]
Die Windmühle
am Weinberg
des Herrn
Apr 3, 2022
Als ich klein
war, bastelte
ich viele
Jahre an meiner
Modelleisenbahn
im Keller
herum. Später
wurde aus der
Fläche eine
große Werkbank
mit unserem
Schraubstock
vorn an der
Ecke. Im Regal
darüber fanden
sich Gläser
randvoll mit
Nägeln, Muttern
und Schrauben.
Die hatte mein Vater aus dem Laden
genommen und zweckentfremdet. Kapern
waren drin gewesen. Ausgestattet mit einem
soliden, roten Deckel, ursprünglich zum
Verkauf für Lebensmittel auf dem Großmarkt
hergestellt, taugt ihre stabile Qualität für
eine Ewigkeit zur Lagerung. Ich verwende
sie noch heute. Handwerksgerät hing nun an
der Wand, wo mein Gemälde mit blauduftigen
Bergen den Hintergrund der Bahn
gebildet hatte. Die Lokomotiven und Wagen
verkaufte ich im Geschäft meiner Eltern. Der
Erlös verstärkte Konfirmationsgeschenke,
floss in die Summe ein, die nötig war, mein
erstes Boot zu bezahlen.
Einige Schienenstränge der Erinnerung, Bahnen
von Menschen im jeweiligen Lebenswägelchen
skizziert: Das aktuelle Bild auf der
Staffelei regt dazu an. Leben beschreibt eine
Spur durch die Zeit, ist aber typischerweise
keine Eisenbahngeschichte. Unser Dasein
kennt nur eine Richtung, bindet uns an die
Zeitschiene. Wir können nicht umdrehen,
nicht einmal zurücksetzen. Selbst wenn es
uns manchmal so vorkommt, ein neues Leben
zu beginnen, nach einem Umzug, einer
durchgestandenen Erkrankung oder wenn
die größte Liebe anklopft.
# Die gebahnte Schiene
verlassen und eigene
Wege einschlagen
Mit dem Verkauf der Anlage
endete für mich eine
Form von Kindheit. Wann
ein Kind zu sein aufhört,
man sich zum Jugendlichen
wandelt, schließlich
erwachsen ist, bestimmen
wir nur zum Teil selbst.
Einige scheinen ihre
Kindheit vergessen zu
wollen, manche verklären ihre Jugend, und
wieder andere scheinen gar nicht erwachsen
zu werden. Genau das ist ein ums andere
Mal mein Thema. Ein Hamsterrad zu treten,
bedeutet darin gefangen zu sein. Freiwillig
dieselbe Aufgabe anzugehen, die andere
nur müde belächeln, scheint ähnlich. Man
kommt nicht weg, obschon man läuft. Ein
Sturm weht, treibt das Schiff im Kreis. Die
Windmühle dreht sich, schleudert mich
täglich weiter nach vorn. Die Erinnerung an
früher gibt mir den Tritt in meine Zukunft.
Immer kindlich zu bleiben, ist das
böse Verharren in einer Angst,
deren Wurzeln Betroffene nicht
spüren. Einige Menschen gelangen
infantil bis ins Alter und zahlen
spät den üblicherweise zu entrichtenden
Preis, um in die Welt der
aktiv gestaltenden Erwachsenen zu
gelangen. Das Geld bestimmt den
Wert des Menschen scheinbar. Es
kann ein Irrgarten sein. Wege, die
Risikobereitschaft verlangen und
enge Kanäle, die kein Links oder
Rechts zulassen, bilden unsere
Wirklichkeit, die ihre eigenen
Lohngesetze kennt und entsprechend
dem gegebenen Einsatz
verzinst. Das allerspäteste Begreifen,
nicht gehandelt zu haben als
die Zeit dafür war, geschieht wohl
am Tag, an dem wir sterben.
Wedel ist Geschichte, das Haus
verkauft. Wer nur bewahren
möchte, ohne eine Veränderung zuzulassen,
wird auch das verlieren, was er verteidigen
möchte; und so ist es mir geschehen. Unfähig
zu einer progressiven Gestaltung, bin ich
definitiv gescheitert. Ich erkenne nur Intrige
und versage mir jegliche Einsicht in die
notwendige Lösung. Es zeichnete sich kein
Weg zu teilen, wie gleichermaßen das Erbe
zu bewahren ab. Die eigene Familie zu hassen,
ist zur alltäglichen und unvermeidbaren
Beschäftigung geworden. Der Keller, wo
einmal diese kleine Eisenbahn fuhr, später
gewerkelt wurde, ist nicht mehr auffindbar,
den Schraubstock habe ich nach Schenefeld
mitgenommen.
Die brutale Zertrümmerung
der Arbeitsplatte
und überhaupt alles da
unten, was Habibi mit
wuchtigen Hammerschlägen
zerlegt –
während seine schöne
Freundin leichten
Schrott die Treppe
hochschafft, die Männer
und ich schwere Teile,
unsere Waschmaschine
zum Anhänger schleppen
– unvergesslich.
# Viele sind zum
Glaube zu feige, zum
Atheismus zu dumm,
bleiben unsicher
dazwischen
Einen Strich unter
die Vergangenheit
ziehen, bedeutet
fertig zu sein mit
etwas. Das Begreifen,
ein Ziel erreicht
zu haben oder die
Unmöglichkeit einsehen, noch ankommen
zu können heißt das. Einen Lebensabschnitt
ad acta legen, kann sogar enttäuschen, auch
wenn das anvisierte Ziel gemeistert wurde.
Mit dem roten Pinsel erledigt: Ein solcher
Strich bleibt eine Linie, ist insofern Teil einer
abstrakten Zeichnung, nur die Definition,
aber nicht unsere gelebte Realität und
ändert nie, was war. Es ist nur eine intellektuelle
Übung. Manchmal hilft das, und an
schlechten Tagen nützt es weniger.
In den Achtzigerjahren hatte ich eine
unternehmungslustige Freundin. Dank ihrer
Initiative kam einiges zustande. Es blieb
eine beste Freundin, aber heute ist der Kontakt
abgerissen. Sie lebt inzwischen in den
Vereinigten Staaten und ist amerikanische
Staatsbürgererin; ein Prozess mit Hindernissen,
das schließlich zu schaffen. An dem
Tag, wo die letzten Formalitäten nach einer
andauernden Episode der bloßen Duldung
ihr Ende fanden, und zwar in Deutschland
bei einer Behörde, fuhren wir zusammen mit
der S-Bahn hier in Hamburg und sprachen
ausführlich darüber. Unvergesslich ist dieser
Tag auch für mich, weil sie so verdattert war,
nicht glücklich zu sein.
Das Loch, welches sich auftut, wenn nach
heftigen Anstrengungen keine weitere Not
dafür besteht und die bekannten Ängste und
Handlungen, die eine lange Zeit den Alltag
bestimmten, keinen Sinn mehr machen, trübt
die Freude angekommen zu sein. So war das
bei ihr. Ein weiterer Fall kommt mir in den
Sinn, mein Vater fand problematisch, frühzeitig
nicht mehr arbeiten zu müssen, weil
meine Eltern genug erwirtschaftet hatten
und meinten, es ginge nun mittels Geldanlage
und von Vermietung zu leben. Auch bei
diesem emotionalen Konstrukt war der Gedanke,
alles würde gut, nachdem geschafft
worden wäre anzukommen. Ich gehe mal
davon aus, dass meine Freundin nicht lange
überrascht blieb, sich nicht freuen zu können
mit dem endgültigen Dokument in Händen
und zufrieden in der neuen Welt lebt. Wir
haben uns seltener gesehen, die Beschreibungen
ihres Dortseins gelangen über
Verwandte zu mir, die ich gelegentlich treffe.
Mein Vater fand nur schwer ins Rentnerglück
und wurde zunächst depressiv.
Eine Behandlung
war unumgänglich. Der
Neurologe gestaltete den
Begriff Rentnerloch dafür,
in das Erich gefallen
sei; offenbar ist es ein
bekanntes Problem. Die
Therapie verfolgte das
Ziel, den Rentner aus
diesem Loch zu holen,
zurück zum alten Leben
zu finden. Mein Vater hat
daran geglaubt.
Apr 3, 2022 - Die Windmühle am Weinberg des Herrn 57 [Seite 57 bis 59 ]
Es nützt nichts, zurück zu
wollen. Das geht ja nicht.
Den eigenen Frieden mit
früher machen, ist besser,
als in die Zukunft zu rennen
und nicht zurückzusehen.
Den Schmerz wahrnehmen
hilft, wenn auf dem Gipfel
umzukehren ist und zudem nichts gefunden
wurde zum Mitnehmen, als nur die
Erinnerung, die anderen müde applaudieren
oder sogar noch spotten, sind so meine
Erfahrungen. Eine Abrechnung mit damals
macht nicht froh. Nur, dass etwas vorbei
ist, das furchtbar anstrengend gewesen
ist, erleichtert. Mir geht es am Ziel meiner
„Doktorarbeit“ (darüber habe ich bereits
geschrieben) nicht weniger seltsam, weil ich
begreifen muss, die früheren Überlegungen
verlieren an Bedeutung. Texte zu ersinnen,
hat geholfen. Eine wissenschaftliche Abhandlung
ist das aber nicht. Eine Studie über
menschliches Verhalten zu schreiben, wäre
möglich, könnte bislang so vermutlich nicht
publizierte Zusammenhänge von Körper,
Geist und Umgebung beleuchten, die mehr
sind als kreative Skizzen. Mein Interesse
daran ist gering. In unregelmäßigen Abständen
Gedanken festzuhalten, macht weiter
Spaß. Ich amüsiere mich zunehmend über
einige und habe Wege gefunden, das kreativ
auszudrücken.
Was das zu Erreichende für jemanden ist,
mag anderen nicht klar werden, die dazu
neigen, abfällig zu denken. Während nicht
wenige Menschen ihre Schadenfreude als
Selbstbefriedigung nutzen, durchblicken
lassen, über was weiß ich Bescheid zu wissen,
verfolge ich anderes. Ich kann mich für
Jazz begeistern. Als Amy Winehouse bekannt
wurde, hat sie mich fasziniert. Chet Baker
war ein wunderbarer Musiker, und wie Amy,
hat Chet sein Leben nicht entsprechend
der Regeln gelebt, die uns der Doktor rät,
warum? Es hat mir einiges gegeben, darüber
nachzudenken
und
schließlich
zu bemerken,
wie
ich nicht
leben
möchte
und darüber
hinaus
zu begreifen,
worin
meine Entscheidungsfreiheit in dieser Sache
besteht und was ich auf der anderen Seite
nicht bestimmen kann bei bester Vorsorge.
Gesundheit wie ich sie definiere, heißt
nicht in einer Schlange anzustehen und
die Befreiung von beispielsweise Corona
durch einen Test zu belegen. Ich möchte
wirklich merken, nicht nur einen Beleg für
die Berechtigung erlangen, ins Restaurant
oder arbeiten gehen zu dürfen. Ich habe
mich nicht mit eingebildeter Krankheit oder
einem schnöden Blutkrebs rumschlagen
müssen wie viele. Für meine Sorgen gab es
keine allgemeine Hilfe, die mich zufrieden
machte. Mein Problem ist auch nicht
die kriminalistische Lösung eines Rätsels
gewesen, einen Täter, der gegen mich aktiv
ist, draußen irgendwo zu finden, möglicherweise
auszuschalten. Selbst wenn das den
persönlichen Frieden bedeutete, einen Arsch
loszuwerden. Der interessiert mich wenig,
da ich Menschen
kenne, die mir
zur Seite stehen
konnten und es
nicht getan haben.
Sie genügen
als Mauer zum
Gegenanrennen.
Ich möchte mich nicht einfach als Opfer
darstellen, sondern diese Rolle mit Leben
füllen, dass es mir, ohne Gewissensbisse zu
haben, leicht fällt. Ich weiß, dass die Weiche
in die verkehrte Richtung stand, als ich
nur auf Schienen rollte wie alle Kinder, die
abhängig sind aufgrund ihres Alters. Nur
dumme Menschen glauben daran, alles wäre
allen möglich wenn man nur wolle, und die
Verantwortung läge bei uns selbst allein.
Natürlich können nur wir selbst uns wirklich
ändern. Aber wir
müssen die Mittel
dazu nicht nur
kennen, sondern
auch die Fähigkeit
erlernen, sie
anzuwenden.
# Einer Person
zu begegnen, die
alles ändert ist
möglich
Wer anderen die
Schuld erfolgreich
zuweisen kann, wird respektiert. Nicht selten
bedeutet das, einen Patt anzustreben, beiderseitig
das Gesicht zu wahren. Aufzufallen,
ruft Neid auf den Plan und wird schmutzige
Saubermänner heranzüchten. Aber gezielt
mit Dreck zu werfen, kann bedeuten, reflexive
von einem Stein getroffen zu werden.
Niemand darf lange Polizist sein, wenn es
für ihn nötig ist zu provozieren. Das ist wie
beim Feuerwehrmann, der den Brand legt,
als Retter glänzen möchte. Die Deutungshoheit
behält man, wenn es gelingt, den
Fokus zu korrigieren und vor allem den
Scheinwerfer der anderen neu zu justieren.
Mein Zorn gilt falschen Freunden,
nicht meinen Feinden (falls ich anonyme
habe). Mir gelingt, auf Freundschaften
und Anerkennung zu verzichten. Das ist
mir extrem schwer gefallen. Ich möchte
die Erkenntnis ertragen, dass Existenz
ohne Anfeindungen unmöglich ist.
Angekommen sein bedeutet für mich, in
dauerhafter Enttäuschung zu leben.
Falls dies verfehlt klingt, eine Definition
mag helfen: Das Ziel mancher scheint darin
zu bestehen, grundsätzlich keine Angst mehr
zu haben, glücklich zu sein und mehr davon.
Das ist ein nicht erreichbares und schlimm
für diejenigen, die das unangenehme Gefühl
nicht selektiv wahrnehmen. Ein diffuses
Unwohlsein, das so in Fleisch und Blut
übergegangen ist, dass Betroffene daran
gewöhnt sind und das all ihre Aktivitäten
beeinflusst, scheint nicht ungewöhnlich.
Viele halten es einfach aus und gehen
gelegentlich zu verschiedenen Ärzten mit
unterschiedlichen Befunden. Sie sind zufrieden,
wenn man ihnen sagt, was sie „haben“.
Diese Menschen müssen nicht suchen, um
Besserung zu erlangen, sie erdulden ihre
Probleme, weil ihnen nicht bekannt ist, dass
diese selbstverursacht sind und nehmen
das Übel hin. Ein Großteil der Bevölkerung
läuft so mit und scheint zufrieden zu sein, es
ginge wie’s sei.
Meine Erfahrung ist grundsätzlich anders.
Mir hilft nicht, danach zu streben, was ich
habe oder nicht, eine bunte Jacke, dickes
Auto oder attraktive Freundin. Welche
Krankheit auf der anderen Seite mein Problem
sei, wie Krebs, Corona oder Diabetes,
sondern das Verstehen wer ich bin, war und
sein könnte. Ein Mensch ist viel mehr als ein
Stuhl, über dessen Lehne jemand eine Weste
hängt. Wir sind bestenfalls eine Sammlung
von Möglichkeiten unter kreativer Leitung.
Das ist etwas ganz anderes und für einen
Künstler unbedingter Kram, sich genau zu
erforschen auf den nackten Leib hinunter
ohne Schickimicki drumherum. Der Theaterdonner
ist nur für die anderen.
Gegen undifferenzierte Schwierigkeiten
anzurennen, in der Hoffnung, den Punkt zu
finden an dem alles gut ist, verkennt die
Dynamik des Lebens, die als feststehender
Halt mit dem Tod endet. Das Näherkommen
unseres Endes beflügelt die absurde Vorstellung,
wie mit der Bahn unterwegs, möglichst
noch rechtzeitig eine Haltestelle vor dem
Zielbahnhof zu erreichen, einen bestimmten
Ort, ab dem das Glück mitfährt. Das wird mit
der statischen Idee vom Ichsein genährt, die
es erlaubt, an einen gleichermaßen fixen
Raum zu denken, eine Ewigkeit voller Zufriedenheit
und ohne jegliche Entwicklung oder
Ungewissheit mit neuen Risiken, die unsere
Leben in Wirklichkeit kennzeichnet. Der
Denkfehler findet sich in der Vereinfachung
des Ganzen, wir bewegten uns, erreichten
eine Marke wie einen Dorfplatz oder einen
Hügel, Bahnhof was weiß ich, aber uns
selbst sehen wir als ein klar definiertes und
unveränderliches Element. Ein schnelles
Auto ohne Eigenleben, fast nur ein Ding,
gekennzeichnet durch das modische ich bin
ich. So heißt es wohl.
Kein flüchtendes oder etwa gar vergängliches
Pferd steht dabei Modell, zu denken,
wir, der Mensch mit all seinen Verhaltensmustern
und Unwägbarkeiten der Zukunft,
kämen wohin zum Glück. Ein egoistischer
und materialistischer Gedanke ist hinter
dem käuflichen Glück der Optimisten, die
vor allem schnell entscheiden. So soll der
eigentlich rasende Waggon eines Zuges
uns allein gehören und eine feste Insel des
Glücks werden. Wir schauen nach draußen in
die vorbeisausende Landschaft. Das bekannte
„suche Frieden und jage ihm nach“ nährt
diese Idee noch. Damit bekommt die Sache
einen ganz netten Anstrich. Farbe für Hobbymaler,
geboren aus der Ratgeberliteratur.
Heimwerker zimmern sich eine handfeste
Esoterik mit Erfolgsgarantie: Wir rennen
hinterher, springen auf, und dann werden wir
so mitgenommen, dass umgekehrt nun das
Drumherum vorbeizufliegen scheint.
Mein Bild, für das ich lange arbeiten musste
und das mich immerhin zufrieden stellt, ist
ein wenig abweichend: Ich stehe wie nackt
neben diesem Zug der anderen und laufe
dem Frieden nicht nach.
Apr 3, 2022 - Die Windmühle am Weinberg des Herrn 58 [Seite 57 bis 59 ]
Die Illusion einer schützenden Hülle in Form
einer Waggonverkleidung kann den Aufprall
am Ende nicht verhindern. Aller Wahrscheinlichkeit
nach, bleibt diese Einbildung auch
zu schwach gegen schlussendlich tödliche
Verletzungen. Mein Gesundsein
schließt Beschwerden mit ein. Ich
möchte gar nicht vollkommen gesichert
sein. Wäre ich noch Raucher,
müsste ich mit dem Bewusstsein
leben, ungesund im Sinne der Doktoren
zu handeln. Das war früher
ganz normal. Viele wussten um die
vielfältigen Gefahren, kannten den
Krieg, und wenn nicht selbst, dann
aus den Beschreibungen in der Familie.
Sich rückzubesinnen, dass es
eine Zeit mit allgemein akzeptierten
Unsicherheiten gegeben hat, hilft.
Ein ewigliches Leben in irgendeinem Himmel,
ist von hier unten aus gesehen absurd.
Davon kann niemand ein Bild malen, das
nachzuprüfen wäre. Damit verschwenden
nur die ihre Zeit, die es auf Erden nicht gut
aushalten und ihre Bibel und Glaubenssätze
wortwörtlich nehmen. Wir könnten größer
und freiheitlich denken, ohne die Allmacht
des Ganzen über unser kleines Selbst zu
verleugnen. Niemand müsste aus einer
Glaubensgemeinschaft austreten, um wie
begriffen mit dem Fuß aufzustampfen, deutlich
zu machen wie schlimm diese Kirchen
sind, wenn klar wäre, dass man dabei nur
von einem Verein zum nächsten wechselt.
Aus Gott tritt niemand aus. Sein Bodenpersonal
wäre verfehlt, meinen einige und
kommen sich schlau vor. Wohin wollen sie
denn, wenn das Menschenvolk doch überall
dasselbe ist?
# Du kannst in dieser Kirche sein oder in
einer anderen
Das Tempo unseres Eilens mit einer Kiste
zu verkleiden, heißt auszublenden, dass die
Erde unsere Heimat ist. Der Planet selbst ist
bereits schnell im Weltall. Nicht änderbar,
mit ihm zu sausen. Warum noch zusätzlich
Gas geben und so tun, als hätten wir eine
Karosserie zum Schutz mit sämtlichen
Airbags dran, wenn sich das Ganze nur zu oft
als Pappmaché erweist? Mir liegt nichts am
vollendeten Frieden; das ist eine Illusion,
glaube ich, wie die Liebe oder unsere
Ewigkeit. Das hat es nie gegeben. Es sind
Kirchenworte und die Ratschläge von Psychologen,
hilflose Schwüre, Vergängliches
festhalten zu wollen.
Ich schlage gern gegen die Flügel meiner
Windmühle und bin’s nicht müde weiterzumachen.
:)
Apr 3, 2022 - Die Windmühle am Weinberg des Herrn 59 [Seite 57 bis 59 ]
Alle sind Putin
Apr 8, 2022
Putin gleich Politik, Polizei. Das ist alles dasselbe
überall. Der russische Präsident ist im
Großen das, was der kleine Dorfpolizist oder
die Bürgermeisterin im armseligsten Kaff
noch sein möchte. Getrieben vom Wunsch,
über andere zu bestimmen, eitel sind die
Menschen im Staat. Sie dienen nie dem Volk.
Das sagen Politiker nur.
Jetzt ist Krieg. Der Despot hat seine
Möglichkeiten genutzt, weil das politisch
brachliegende Russland ihm den Platz dafür
gelassen hat. Aber Olaf Scholz ist kein besserer
Mensch als jener, der die Bomben wirft.
Unser lieber Olaf ist im Rechtsstaat aufgewachsen
und kennt es nur so, wie es hier ist.
Der deutsche Kanzler fühlt sich wohl, weil er
die Werte verteidigen darf, die seine Eltern
erstritten haben. Eine leichte Übung, das
Geld auszugeben, das die anderen ranschleppten.
Unser moralisches Gesäusel ist
symmetrisch zur Propaganda Russlands, und
wir fallen gern darauf herein. Der einzelne
hat viel mehr Komfort und Sicherheit hier.
Der scheinbar unnötige Krieg (wo endlich
dem blöden Virus die Luft ausgegangen ist)
kommt zur Unzeit? Wir würden alle ärmer,
sagte unser Finanzminister Lindner. Das
stimmt. Mir fällt dazu ein, dass dieser Krieg
unvermeidlich
ist und
die Menschheit
bloß
auf ihre
Armseligkeit
insgesamt
runterstuft.
Wir alle
zahlen
den Preis.
Wir waren
schon vorher
ärmer,
als wir
glaubten es
zu sein.
So viel wurde nun zerstört und unglaubliches
Leid verursacht. Böse ist aber nicht der
Präsident, böse kann jeder sein. Der Mensch
versteht zu lügen, weil es eine Möglichkeit
bedeutet, Macht auszuüben. Die Kirche bläst
in das Horn der Sozialverbände, aber eigentlich
bietet der Glaube uns
die Möglichkeit, einen Weg
zwischen den Abgründen
zu finden. Wir müssten
die Welt aufräumen, denkt
mancher? Es genügt, den
Rufmördern keine Wahrheiten
zu liefern für ihr
übles Treiben. Stell dir vor,
es ist Krieg. „Und niemand
geht hin“, hieß es noch, als
ich jung war. Heute wird
wieder aufgerüstet. Es ist
müßig, die Welt besser zu
machen. Der Mensch ist
durch und durch böse und wird es immer
sein. Nur der Einzelne kann sein Glück darin
finden, auf Eitelkeit und Einflussnahme zu
verzichten.
Der Mensch drängt zur Macht, wenn ihm der
Sinn danach steht, andere zu gängeln und
nutzt die Lüge, sein Handeln zum Wohle
der Menschheit darzustellen. Wenn es keine
Regeln gäbe, hätten wir keine Gesetzesbrecher,
weil nichts zu brechen wäre. Menschenrechte
sind nur ein Wort.
Wäre jeder von uns wehrhaft
und wüsste sich selbst allein
abzugrenzen, benötigten wir
die Hüter des Gesetzes nicht.
Zunächst so eine feine Sache,
die Menschen hätten alle
verschiedene Talente, heißt es.
Die einen arbeiteten dies und
andere anderes. So erzählen
wir’s den Kindern. Es gäbe
Schwache, Alte, Frauen und
Kinder etwa, und die benötigten
unsere Hilfe, Schutz. Und
im Weiteren wären dort böse
Menschen, und deswegen
hätten wir Polizisten, so wird
es erklärt. Politik kümmere
sich um das Land und die
Bürgermeisterin ums Dorf; Zivilisation
bedeutet Spezifikation der Produkte und
maßgeschneiderte Konsumenten. Ein
Mosaik, besser als die Natur, ein perfektes
Sozialsystem.
Das schöne Bild der Wirklichkeit.
Als Künstler, Maler oder Schriftsteller
schauen wir dahinter. Kreativität bedeutet,
Erlebnisse ästhetisch zu transportieren. Eine
Textstelle fällt mir ein: „Jemand hat eine
Erfahrung gemacht, wo ist die Geschichte
dazu?“ Es ist aus einem Roman von Max
Frisch. „Mein Name sei …“. Ein Buch, das
ich als Jugendlicher las und heute besser
verstehe.
# Meine Geschichte
Ich musste den Bäcker wechseln und nun
den Fischmann – wegen dieser Hexe in
schwarz, die ich totschlagen möchte jeden
Tag.
:(
Apr 8, 2022 - Alle sind Putin 60 [Seite 60 bis 60 ]
Hassprediger haben
Zukunft
Apr 9, 2022
Der deutsche Staat ist
wieder gescheitert. Es
wird keine Impfpflicht
geben. Das gefällt
mir. Bahnknoten
Stuttgart-21, der Flughafen
in Berlin, die
Elbphilharmonie, der Tunnel unter dem Belt,
die Küstenautobahn-20 und vieles mehr
kommen erst nach Jahren zum Abschluss.
Wenn überhaupt. Die Elbvertiefung dauerte,
die Überhangmandate bleiben hartnäckig,
unsere Politik sieht sich zähen Auseinandersetzungen
gegenüber und akzeptiert
ein ums andere Mal eine neue Realität. Auf
die wendende Angela folgt der windige
Olaf. Angela ist in
Hamburg an der
Elbe geboren und
unser Kanzler kennt
den frischen Wind
der Hansestadt,
wuchs in Rahlstedt
auf. Segler wissen,
was es bedeutet
aufzukreuzen. Links,
rechts, in der Mitte
hochsticheln, ist
eine mögliche Taktik
beim Regattasegeln.
„Fahr erst hier
mit, dann bei den
anderen“, wird geraten: Man verlängerte die
Laufzeiten der Atomkraftwerke, stieg nach
Fukushima aus und möglicherweise bald
wieder ein, verlängert erneut.
Der Frieden ist nicht mehr in Gefahr, wir sind
bereits mittendrin, im, wie es bei uns heißen
muss, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Die
verzottelten Trutschen mancher wichtigen
Friedenswerkstatt, wie sich eingebildete
Menschen bezeichnen, die nicht wissen, mit
ihrer Zeit was Gescheites anzufangen, verhinderten
die neue Weltordnung nicht.
# Das ist
Krieg
Waffen kaputt
zu machen,
indem
man damit
rumballert,
um neue anfertigen
zu
können, ist
die moderne
Wirtschaftsmacht,
für
die sich der
amerikanische und der russische Präsident
erfolgreich einsetzen. Wir kaufen nun vieles
mehr als bisher in Amerika ein. Wir schippern
das Gas um die Welt. Statt die letzten
Jahre genutzt zu haben, Russland zum festen
Block zu formen, den wir in Asien an unserer
Seite gebraucht hätten, macht sich Habeck
zum Hampelmann in Sachen Wirtschaftsgas
von überall.
Der lustige Kasper im Gesundheitsamt
versteigt sich dazu, Altkanzler Schröder
zur Witzfigur abzustrafen, als den er den
Gescheiterten heute sieht und glaubt
selbst daran. Das freut den alten Joe, und
Wladimir kann endlich
mal wieder rumbomben
und allen zeigen, wie
abhängig wir von ihm
bleiben. Daran ändert
auch eine Plakattante
im Kuhdorf westlich von
Lurup und im Einflussbereich
der Pinneberger
Provinz nichts: Christiane
Küchenhof,
unsere
Bürgermeisterin, sei im Verein
Mayors for Peace Mitglied, setze
sich für die Abschaffung der
Atomkraftwerke weltweit ein, und
den Frieden sowieso, hieß es vor
nicht so langer Zeit, aber doch
deutlich vor dem Militärkonflikt
in der Ukraine. Mal davon abgesehen,
dass das eine reine Werbebotschaft
ohne Inhalt
war (was
schert es ein
Land irgendwo
auf der
Welt, was Christiane im
Schenefelder Tageblatt
behauptet?), wird auch
unsere Verwaltungschefin,
die ich zugegebenermaßen
nicht
leiden kann, sich neuen
Realitäten stellen
müssen. Das müssen
wir alle, aber manche
Menschen schaffen Ordnung an ihrem
Platz, sind Gestalter. Die anderen laufen der
Mehrheit nach.
Der Staat ist dumm, böse – und schwach,
warum? Man kann nur neurotisch werden
in der Politik. Das ist das Ergebnis unserer
zivilen Demokratie. Bald wird wieder gewählt
im Norden. Ein Loser-Müller, mit dem
einschleimenden Konterfei eines Kaufmanns
vom Milch-Kiosk um die Ecke oder die
hilflosen Bildchen vom Amtsinhaber Günther
mit Maurerhelm lappern von mancher
Laterne. Kai Vogel schreibt meinem Sohn
Werbepost, weil er Jungwähler gewinnen
will, penetrant ist diese Partei. Die Fotos der
krampfigen Monika Heinold, die probiert für
die Kamera zu lachen oder das verstörende
Abbild einer huschigen, zugespachtelten
Karin Prien bestätigen nur, wie groß der
Druck auf diese Menschen ist, öffentlich gut
auszusehen.
Das feiste und eklige, wie ich finde, freche
Grinsen eines Elon Musk können diese
Mädels nicht kopieren. Den bewundert mancher
junge Mann und sieht ein Vorbild drin.
Mark Zuckerberg betreibt die Megafirma, die
alle nutzen: Diese Geldleute sind widerlich,
unsere Politik erscheint mir verstörend
schwach. Sie machen
die ganze Zeit Werbung
in eigener Sache und
düpieren immer dort,
wo man meint, dass es
keiner sieht, den Gegner.
Das ist ein Muss
für Demokraten. Seine
unangefochtene Macht
hat der gewählte Volksvertreter
nie sicher.
Darum gibt es diese
Orbans, sie wollen
dahin, wo Putin ist.
# Was für ein dummes Pack
Die moderne Frau schafft den Trampolinhüpfer
in das Außenamt. Der Schriftsteller
ohne Bestseller wird Wirtschaftsminister
und amüsiert den Emir. Eitel sein und Phrasen
blähen, ist nicht dem Allgemeinwohl
dienlich, allenfalls eine kurzfristige Egomanie,
die alternden Frauen kaum die verlorene
Attraktivität
zurückgibt,
die das
Einzige ist,
was einen
Mann
scheinbar
an der
Weiblichkeit
interessiert.
Männer
verlassen
ihre Mädels
und
fangen mit
einer Jüngeren was an? Das ist keine neue
Erkenntnis. Da hilft auch keine Quote für
mehr talentierte Frauen in der Politik oder
die vollständige Impfung. Es gibt (noch) keinen
Jungbrunnen von Biontech zu kaufen für
alte Tanten, um Fachkenntnisse im Ressort,
geschweige denn Intelligenz im Labor zu
züchten und diese den hilflosen Schabracken
zu spritzen, wenn sie ihre Pferde in
den Modder einer Jahrhundertflut lenken.
Fett absaugen hilft dem Möchtegernmodel
für die zeitgemäße Party auf Mallorca, aber
nicht der Ursula zur Unzeit fernab vom
Ahrtal.
Ein neues Logo und Motto für Schenefeld
soll gestaltet werden? Das hätte mich
interessiert als Grafiker. Inzwischen kann ich
mich für wirklich gar nichts mehr begeistern,
das diese Welt schöner macht. Ich möchte
zerstören, verspotten und ätzen gegen
den Staat und blockiere, wo es geht, die
Gesellschaft. Ich fahre so langsam Auto, wie
es möglich und erlaubt ist. Das ärgert nicht
wenige. Ich trenne keinen Müll, gehe nicht
zur Wahl, nicht zum Arzt und meide den
Frisör, sehe aus wie ein verzotteltes Walross,
na und? Ich verspotte Frauen und Rentner,
tue alles, was man nicht macht. Ich schlage
gegebenenfalls mit der Faust zu und trete
nach. Das alles lernte ich vom Staat, der
mich provozierte und verarscht hat wie der
Westen Putin. Solche wie wir gehen unter
mit ihrem weißen Wal Moby Dick. Es hat
gedauert, bis ich anerkennen lernte, wie gut
wir es gerade in Deutschland haben, weil
unser Staat schwach ist. Das bedeutet, dass
der Einzelne erfolgreich sein kann. Und das
ist weniger der Kanzler, sondern der kleine
Dussel wie du und ich mit einem lustvollen
Rechtsanwalt an seiner
Seite. Ich hasse
also fröhlich weiter,
bis ich endlich tot
bin.
:)
Apr 9, 2022 - Hassprediger haben Zukunft! 61 [Seite 61 bis 61 ]
Gegen Demos
Apr 12, 2022
Es gibt Gegendemonstranten. Nein, nicht die
aktuellen meine ich. Grundsätzlich, Gegendemonstranten
sind immer da. Sie warten
nur darauf, dass demonstriert wird. Es kann
doch nicht sein, dass die Polizei alleingelassen
wird bei ihrer schweren Arbeit. Der
Gegendemonstrant ist so etwas wie das
Korrektiv der Aufbegehrenden. Er benötigt
die Demo, damit er aktiv werden kann, und
theoretisch kann man gegen jede Couleur
zu Felde ziehen. Man darf gegen Rechts sein.
Man wird zu Ansehen kommen, wenn man
verschworenen Querdenkern etwas entgegensetzt.
Jetzt bietet sich wieder eine gute
Gelegenheit. Es gibt Demos, die Russland
insgesamt und die militärische Spezialoperation
in der Ukraine verteidigen. Obwohl
doch bekannt ist, dass man so nicht denken
darf. Dagegen kann man doch gut sein,
denkt sich der Gegendemonstrant, vielleicht
komme ich sogar ins Fernsehen. So wechselt
der Geradeausdenker zum Russenabstrafer.
Schwierig dürfte die Sache mit der Atomkraft
werden. Wenn die deutsche Politik sich
der französischen anschließen sollte und
die Kraftwerke länger laufen lassen möchte
oder neue bauen will, gibt es Demonstrationen
der Anti-Atomkraft-Szene. Die gibt
es immer. Diese Leute wissen, was sie nicht
wollen. Die Nazis wissen, was sie wollen. Die
Russen wissen, dass Putin weiß, was gut ist.
Die Querdenker wissen mehr als Bill Gates.
Sie wissen das von Q-Anon. Und der weiß
Bescheid.
Gegendemonstranten sind anders. Sie
müssen keine eigene Überzeugung haben.
Sie sind gewohnt, schneller mit dem Strom
zu schwimmen als der Mainstream. Dessen
Richtung ist so ungewöhnlich nicht. Es ist
leicht, zu drei oder vier Themen gleichermaßen
zu stehen und dem Guten eine Flagge
zu halten. Früh liefen erste Hollywoodstars
mit einem blaugelben Wimpel auf die Bühne.
Da begreift der Follower, wo es hingeht.
Ganz einfach: Die Bösen sind Nazis, Querdenker,
Kinderschänder und Russen. Wen die
prorussischen Demonstranten noch überrascht
haben, dürfte sich über zukünftige
prohomophobe Aufmärsche nicht wundern.
Das wären Gegendemos der anderen Art und
könnten bald zum festen Bestandteil unserer
Meinungsvielfalt gehören. „Für“ einen hinterhältig
vom Zaun gebrochenen Krieg zu laufen,
schockiert eine einfache Mehrheit, die
auf bekannte Themen trainiert ist. Das darf
man nicht. Bislang strömte die Masse breit,
das könnte sich ändern. Gezeitenwechsel
dürfte einige überfordern: Da wird sich mancher
in Deutschland überwinden müssen,
gegen die zu sein, die gegen die Atomkraft
sind. Das braucht dann ein wenig Zeit.
:)
Apr 12, 2022 - Gegen Demos 62 [Seite 62 bis 62 ]
Wir spielen
Apr 13, 2022
Wir spielen
gegeneinander,
diese Frau
und ich. Das
geht schon jahrelang. Sie verkackt es immer.
Sie macht das Spielzeug kaputt. Man kennt
diese Leute, die nicht verlieren können.
Das sind welche, die, wenn die Partie einen
schlechten Verlauf nimmt, das Spielbrett
umkippen und die Figuren durch den Raum
werfen. Es sind Spielerinnen, die ihre Spielkarten
wegschmeißen, knicken, beißen oder
durchreißen, wenn sie verlieren. Diese Frau
macht Mädchen kaputt. Damit spielen wir
nämlich, keine schöne Sache, ich gebe es zu.
Und diese Frau trampelt jede Marke um; ein
ums andere Mal zerstört sie das Frollein. Die
sind hin- und hergerissen und schließlich
emotional zerschlissen, wenn unser Spiel
abgebrochen wird.
Ich glaube, die Alte spielt gar nicht. Für sie
ist es ein Krieg der Eitelkeiten, eine militärische
Spezialaktion in Westschenefeld. Ein
paar Unterstützer auf beiden Seiten sind
erkennbar. Der springende Punkt und die
unterschiedlichen Achillesfersen der Kontrahenten,
also meine Schwäche und die von
meiner Widersacherin, verhinderten bislang
einen eindeutigen Sieg. Das hieße ein gerettetes
Mädchen am Schluss, eine Verliererin
oder siegreiche Jägerin; beziehungsweise
mein Ende als Mensch hier im Ort. Der Böse
bin nämlich ich oder soll es werden.
Das Problem: Mir liegt was an den Mädels,
und so kann ich nicht gewinnen. Sie möchte
mich fertig machen, und das Mädchen ist
nur Mittel zum
Zweck. Sie ist
eifersüchtig auf
die Schönheit der
Jugend. Ihr Problem
ist das eigene
Image. Meins ist
bereits ruiniert.
Deswegen gehen
immer die Mädels
kaputt. Mir ist manches
egal. Diese
Frau muss ihre
Fassade wahren.
In der Konsequenz
können wir nicht
gewinnen. Wenn
die neue Lütte jeweils kollabiert, hören wir
auf. Dann kann sie mir die Schuld geben,
und ich sage, sie war es. Für mehr hat es nie
gereicht als nur Gerede zu meinem Nachteil:
Ich bin kein Täter oder so.
Ich habe (…) verkloppt, ja.
Manche haben es mitbekommen. Das ist der
Freund von dieser Frau. Inszenierte Scheiße
ist der Stil dieser Leute. Das Arrangement
bestimmen ihre Soldaten. Sie ist naiv genug,
die Schirmherrin einer Rufmordkampagne
zu geben. Ich werde platziert
wie ein Spielball auf dem
Feld, den alle treten möchten.
Gut, dass wir einen Rechtsstaat
haben. Das hilft mir. Die
Wahrheit gewinnt jeweils zum
Schluss. Ich habe Ausdauer
und wenig zu verlieren, mich
treibt ein Ideal, nicht zuletzt
die Kunst zu malen, schreiben.
Das kann sie nicht.
# Galionsfigur
Ihr Amt wollte niemand haben, nur ein Spinner
ist mal angetreten, es zu übernehmen.
Der war so doof, dass er nach Hamburg verzogen
ist, anschließend seiner Niederlage.
Diese Frau ist toll! Und schön (gewesen). Sie
ist die Gehetzte auf dem Gipfel einer öffentlichen
Spitze. Der Turm von Schenefeld. Aber
der wird ja irgendwann abgerissen. Wenn
der neue Stadtkern kommt, wenn.
Ich bin schon lange verheiratet übrigens
und bringe meiner Frau den Kaffee ans
Bett. Wir können Blöde nicht leiden, haben
besseres zu tun, als anderen das Leben zu
versauen. Warum ich überhaupt mitmache?
Mir gefällt, rechtzeitig aufzuhören und mich
an dummen Gesichtern zu weiden. Einige
laufen heute rum wie Falschgeld, wenn ich
auftauche. Das dürften mehr werden. Ein
scheinbar Bescheuerter, der nach Belieben
vernünftig reagiert, vergnügt ist und scherzt,
übersteigt ihre Fantasie. Mein kreativer Einsatz
ist ein persönliches Motiv. Wiedergutmachung
für einen, der nichts mehr sagen
kann, weil er von (solchen) Gutmenschen
erledigt wurde vor vielen Jahren. Dafür gebe
ich mein Leben!
:)
Apr 13, 2022 - Wir spielen 63 [Seite 63 bis 63 ]
Was hast du schon
davon?
Apr 16, 2022
Im Keller war ein
Buch mit jüdischen
Witzen. Das müsste
von meinem Opa
gewesen sein. Bei der
Entrümpelung kam es
vermutlich mit anderen
Sachen in den Müll und ist inzwischen
verloren gegangen. Ich erinnere dies: Ein
Sohn klagt seinem Vater, nur mit Fräulein S.
könne er glücklich werden. Der aber antwortet:
„Glück, was hast du schon davon?“ Vielleicht
irre ich mich, und es war keine Zote
aus Großvaters Sammlung. Gut möglich, dass
dieser Witz in einem Buch von Watzlawick
zitiert wird und ich die Geschichte daher
kenne. Manches erinnert man ungefähr.
Genauso eine Anekdote von einem Lehrer,
der Schülern zu Aufgabe macht, Texte auf
das Wesentliche zusammenzukürzen. Da
kann es sein, dass ich das bei Böll gelesen
habe oder wiederum mein Opa es selbst
erlebte. Dann wäre es eine wahre Geschichte
und steht nicht irgendwo im Roman. Der
Lehrer gab ihnen Hitler-Reden, die mussten
sie straffen, um das Kürzen von Texten zu
lernen. Wenig blieb nach, wenn der Gröfaz
schrie. Inhaltlich dürr ist möglicherweise
auch „Mein Kampf“; deswegen fand ich
unten gleich zwei Exemplare? Meine Eltern
hatten ausgemusterte Bücher in verschiedenen
Regalen untergebracht. Neben den
beiden Hitlerbüchern stand die dicke Bibel
von Oma Lina (in altdeutscher Schrift). Die
wirkte womöglich ausgleichend auf den
Nazischeiß. Alles wurde weggeworfen. Unser
Haus ist verkauft. Keine Ahnung, wie diese
Räume heute genutzt werden.
Der Witz macht Sinn. Nicht, weil hier
angedeutet würde, den Juden ginge es ums
Geld. Es geht auch nichtjüdischen Eltern
darum, Einfluss auszuüben, wenn die Kinder
erwachsen werden. Wir dürften selbstkritisch
bemerken, dass die Wahl, jemanden zu lieben,
nur scheinbar eine freie Entscheidung
ist. Dazu kommt, dass erst etwas daraus wird,
wenn beide einander lieben und das Ganze
kein Luftschloss ist; die nicht erwiderte
Anbetung. Manche haben es leicht. Einige
Menschen werden stärker begehrt als andere
und können wählen. Viele wählen nicht.
Sie nehmen, was übrig bleibt und reden die
Verbindung schön. Nicht wenige Menschen
bleiben schon deswegen zusammen, weil
ihnen klar ist, nach einer Trennung allein
bleiben zu müssen. Sie haben keinerlei Vertrauen
in ihre Ausstrahlung, glauben nicht
daran, sich neu verlieben zu können oder
noch einmal ein Gegenüber zu treffen, das
sie attraktiv findet und umgekehrt die glückliche
gemeinsame Zukunft bedeuten könnte.
Diese Menschen haben wenig Auswahl, ihr
Glück zu gestalten und stehen sich womöglich
selbst im Weg, ohne davon zu wissen.
Anderen die Attraktivität zu neiden oder der
Gedanke, jetzt sei es zu
spät für einen Neuanfang,
könnte verbreitetes
Grübeln sein.
Das Verlieben beginnt
zur Schulzeit. Im Alter
der Pubertät denkt man
weniger in Ewigkeiten.
Wenn sich Dreißigjährige
verlieben, schon. Eine
Ewigkeit heißt die Dauer
des Zusammenseins mit
Hochzeit, Kind und Haus
zu füllen und zu wissen,
dass es Großeltern geben
wird, schließlich deren
Ableben geschieht und
wir selbst alte Leute werden.
Glücklich zusammen
bis zum Tod irgendwann.
Und die ganze Zeit passieren diese Dinge
wie Familie, Karriere, das Zusammenhalten
in guten und schlechten Zeiten. Das ist ein
typischer Wunsch des zivilisierten Zeitgenossen
und seiner Liebsten, die symmetrisch
empfinden möge.
Die Menschen lassen sich nicht beirren,
an diesem Traum festzuhalten, obwohl
derartige Dinge nur selten wahr werden.
Viele gehen die Hochzeit im mittleren Alter
beherzt mit einer großen Feier an. Recht
junge Leute heiraten nicht so oft. Wir probieren
das Leben erst einmal aus. Eine gute
Sache, ganz bestimmt ein gesellschaftlicher
Fortschritt. Grundsätzliche Probleme sind
aber geblieben. Ich meine die Fehleinschätzung,
worauf wir uns einlassen – nicht nur
die Schwierigkeit, eine kleine Ewigkeit wie
im Märchen hinzubekommen – sondern den
falschen Partner zu lieben. Nach einiger Zeit
werden ziemliche Macken deutlich, die so
nicht absehbar gewesen sind. Das wurmt
auch diejenigen, die oft genug verschmäht
wurden, wenn diese Mädels, die sie damals
abgewiesen haben, einen Idioten heiraten.
Sieht man doch gleich. Liebe macht blind, na
klar. Aber warum wurde ich nicht gesehen
als der entwicklungsfähige, kreative
Supermann, der ich heute bin? Ich schließe
mich da mit ein: Klageruf eines verschmähten
Künstlers. Das meine ich
so ernst nicht und habe eine
Antwort darauf. Es hat lang
gedauert einzusehen, dass ich
mich selbst, wäre ich eines
dieser Mädchen gewesen, auch
nicht genommen bzw. geliebt
hätte. Selbstreflexion bleibt ein
Lernfeld.
Es ist ganz einfach. Nur wer
sich selbst mag, strahlt auch
Attraktivität aus. Ich habe mich
tagtäglich fertig gemacht. Das
merken alle, nur man selbst
spürt es gar nicht. Daran sind
eindeutig die Eltern schuld.
Unreife und dabei leistungsorientierte
Menschen zerstören unwissentlich
ihre Kinder. Dafür, dass Eltern so dämlich
sind, können sie nichts. Ihre eigenen Eltern
oder der Zweite Weltkrieg sind der Grund.
Schuld ist eine Ahnenkette. Sich mit der
Lösung, den anderen alles in die Schuhe zu
schieben, herumzuschlagen ist gut; aber das
korrekte Ergebnis, dass es so ist, hilft wenig.
Das wird einem nicht gedankt. Ein aktuelles
Beispiel? Gerade musste „dieser Zahnarzt“
ins Gefängnis. In einer beispiellosen Attacke
hatte er die Ex und weitere Menschen getötet.
Die wären schuld an seinen Problemen,
argumentierte der Mann im Prozess. Der
Zahnarzt aus Schleswig-Holstein stellte es
jedenfalls so dar. Er war unzufrieden mit der
Ehe gewesen und fremdgegangen. Die Ehefrau
hatte es gemerkt und ihn verlassen. Da
kam es zum Gewaltexzess, denn nun war der
Gehörnte der Auffassung, einer Kränkung die
entsprechende Bestrafung folgen lassen zu
müssen. Schuld am neuen Problem wäre der
neue Lover. So ähnlich erinnere ich einen
Bericht. Ich habe das nur überflogen. Brutal
und bescheuert (der Eindruck bleibt) war
diese isolierte Borniertheit. Er geht fremd,
die Frau verlässt ihn deswegen. Und damit
ist sie selbst schuld, getötet zu werden; das
wird niemand verstehen.
Warum ging der Mann fremd? Ganz offensichtlich
wurde er nicht genügend geliebt
oder nicht auf die Weise, die er erwartet
hatte. Bis zu diesem Moment ist die Sache
noch einigermaßen normal. In vielen Ehen
gehen Partner irgendwann fremd. Natürlich
hat ein psychiatrischer Gutachter feststellen
müssen, inwieweit der Mann schuldfähig
wäre. Dabei kam meines Wissens heraus,
dass die Tat als überlegt eingestuft wurde.
Er war mit Waffen ausgerüstet losgefahren.
Seine Behauptung eines spontanen
Geschehens vor Ort konnte der Täter nicht
glaubwürdig darstellen, und insgesamt ging
das Gericht von einer Wahnsinnstat aus,
aber nicht von einem Kranken, der im Wahn
agierte. Demzufolge verpasste man dem
Doktor Lebenslänglich.
Das ist unter den Umständen die unumgängliche
Antwort eines Staates, dessen
Verantwortung bei einer so eindeutigen
Gewalttat darin liegt, die Gesetze anzuwenden.
Besser schafft es keine Gesellschaft der
Welt, als mit Gefängnis oder sogar dem Tod
zu strafen, wenn einzelne die Regeln massiv
verletzen. Schon mit den zehn Geboten
lernen wir bis heute die Grundregeln sozialer
Gemeinschaft kennen. Ob nun Gott das
schrieb oder Moses selbst die Zeilen eigenhändig
in den Stein hämmerte, was macht
das schon? Es ist Ostern; genauso Jesus. Ob
der Allmächtige tatsächlich den Tod überwand
oder Helfer ihn
rechtzeitig abgeborgen
haben vom Kreuz,
ist für einen stabilen
Glauben vollkommen
unwichtig.
Aber es gibt Menschen,
die glauben
nicht oder können
dem Gesetz nicht folgen,
das alle kennen.
Zehn einfache Fakten
bis heute, nicht töten,
ehebrechen, klauen;
allein drei Gesetze
fallen jedem sofort
ein, und die machen
Apr 16, 2022 - Was hast du schon davon? 64 [Seite 64 bis 65 ]
wohl überall Sinn. Diese Idee, ob jemand
krank wäre und deswegen eine Regel bricht,
ist modern. Da schwingt gleich das Problem
mit, warum überhaupt jemand Mist baut?
Die Antwort ist scheinbar einfach. Wir
fragen uns, ob eine Tat nützlich sein könnte,
wenn sie nicht aufgeklärt würde, der Täter
also zum eigenen Vorteil handelte? Die
Gesellschaft nimmt eine Krankheit an, wenn
das nicht der Fall ist, und so entstehen die
Grenzfälle, wo ein Gutachter die Entscheidung
erleichtert. Eine wirkliche Antwort
ist es nicht, egal wie das Urteil ausfällt. Bei
häufig vorbestraften Gelegenheitstätern
scheint es so, dass diese ihr Leben nicht im
Griff haben. Da darf man schon fragen, worin
denn der Vorteil besteht, wenn diese Menschen
so weitermachen und immer wieder
in kleineren Delikten schuldig gesprochen
werden, ob das nicht doch eine krankhafte
Störung ihres normalen Funktionierens in
einer gesunden Gesellschaft ist? Handelt es
sich um kapitale Räuber, die buchstäblich
auch bereit sind, über Leichen zu gehen, findet
man es leichter, von Schuld zu sprechen.
Ganz offensichtlich gibt es Kriminelle, die
ihr Leben bewusst auf diese Weise gestalten
können. Der Vorteil besteht für sie darin, die
Regeln zu brechen und die Tat geschickt zu
verbergen. Die Grenze zum erfolgreichen
Geschäftsmann verwischt schon. Damit wird
deutlich, wie schwierig ein Leben sein dürfte,
das vollkommen redlich ist. Ein Mensch, der
überhaupt keine Regel bricht und dennoch
eine individuelle Persönlichkeit ist, dürfte
recht selten sein.
Unser Augenmerk müsste also
darauf liegen, warum Menschen
bescheuert werden und gegen
sich selbst handeln. Da könnten
wir leicht bemerken, dass der
Rahmen unserer Regeln viele
fertig macht, die unreif sind.
Kindern gewähren wir das
Recht auf Unselbständigkeit.
Das Problem ist bei denen, die
quasi nicht erwachsen werden,
obschon man keine Krankheit
erkennt. Das sind viele. Einige
von diesen Menschen erkranken
später tatsächlich. Ihre unrealistische
Einschätzung vom Drumherum bringt sie
dazu, zu viel zu essen, zu viel zu leisten oder
auf eine verstörende Weise psychisch zu
kollabieren. Man muss nicht alles aufzählen.
Aus dieser Not, das moderne Problem in den
Griff zu bekommen, wurde die psychosomatische
Sparte der Medizin definiert. Würden
wir den Anteil der Attraktiven in der Pubertät
erhöhen, bräuchten wir weniger Medizin
und könnten unsere Gefängnisse kleiner
halten. Wir probieren weiter, höhere Leistung
und bessere Schulnoten bei mehr Kindern
zu erzielen. Das ist der falsche Weg, solange
dabei übersehen wird, wie viele Menschen
naturgemäß nicht mithalten können und
es immer Bessere geben wird. Attraktivität
zu erhöhen, bedeutet nicht, die Leistung zu
verbessern, sondern Menschen zu helfen,
sich selbst anzunehmen. Einige werden immer
höher springen, schneller laufen, besser
rechnen oder geistreicher denken.
Bei uns in Deutschland und anderen Zivilgesellschaften
voller Wohlstand, im Vergleich
zu den armen Ländern des Planeten, ist das
Problem nicht, allen Zugang zu angemessener
Ausbildung zu gewähren wie es immer
heißt, sondern Menschen heranzubilden, die
überhaupt lernen können. Eine emotional
gefestigte Basis ist die Voraussetzung einer
guten Entwicklung. Wir haben zu viele Erwachsene,
die glauben, dass alles, was ihnen
zur Verfügung steht, aufgrund ihrer persönlichen
Leistung in ihrem Einflussbereich
liegt. Viele leben in der irrigen Annahme, sie
hätten die Karriere selbst allein geschafft.
Das stimmt schon deswegen nicht, weil sie
zu einer bestimmten Zeit an einem individuellen
Ort zur Welt gekommen sind. Die
zahlenmäßig eher kleinere Gruppe von Menschen,
die erst nach einer Flucht aus dem
Heimatland sesshaft wurden, kann schon
eher für sich in Anspruch nehmen, Dinge für
sich getan zu haben als welche, die in einer
guten Umgebung gestartet sind.
Man muss es nicht detailreich beschreiben,
um diesem Gedanken eine Basis zu
verleihen, dass wir immer Abhängige sind
und bleiben werden. Wir können nur lernen,
die Beziehungen zu wechseln, zu anderen,
die besser zu uns passen. Wir tun nichts
allein, sondern stets aus dem Umfeld heraus,
in dem wir uns befinden und getragen von
unserer eigenen Geschichte, die uns dorthin
führte, wo wir heute agieren. Da verwundert
es, dass viele aus einer gerade mal stabilen
Höhe auf andere Menschen hinabsehen, sie
wären eben ganz allein schuld am eigenen
Problem und sich das auch noch zu Nutze
machen, diese zu gängeln. Niemand tut
sich einen Gefallen damit. Der Ärger kommt
dann, wenn sich die Dinge anders entwickeln
als gedacht und der vermeintliche
Idiot sich wandelt
wie das Chamäleon,
fälschlich
als farblos oder
feige übersehen,
schließlich doch
obenauf brilliert
oder geschickt
unsichtbar wird
in der Natur und
uns verarscht.
Genauso der
hässliche Frosch,
der als verzauberter
Königssohn
aus sich zu uns
herausspringt. Daran sollte man immer
denken, wenn es leicht scheint, eine lästige
Kröte zu beseitigen, einen unnötigen Krieg
zu beginnen. Chancen werden zerstört, von
denen alle profitieren könnten. Ich gebe
es zu, diese Kröte gewesen sein zu wollen
und sehe auf den Staat als eine böse Macht,
Mitglieder der Gesellschaft abzustempeln,
statt diesen zu einer guten Entwicklung zu
verhelfen.
Soziale Institutionen und Ordnungskräfte
nutzen die intellektuellen Schubladen, die
der Mensch sich als Struktur geschaffen
hat, ohne aus diesen Kisten eine Treppe
mit Geländer zu zimmern. So werden nicht
wenige zu Gefangenen. Das sind die Denkweisen
einer Gesellschaft insgesamt. Wer
sich diese zu eigen macht, muss erst lernen,
Mauern zu überwinden, die für andere mit
langen Beinen der Weg nach oben sind. Für
unsereinen bedeuten sie nicht abgesenkte
Kantsteine, die unseren Rollstuhl stoppen.
Die Beine wurden uns früh so nebenbei
abgeschlagen. Ohne Gehhilfe im Gehirn
kommt der Mensch, dem es schwer fällt, sich
im Wohlstand zurechtzufinden, nicht weit.
Das jemanden erklären wollen, scheint ein
Ding der Unmöglichkeit. „Was hast du denn?
Dir geht es doch gut“, wird unser Gegenüber
sagen. Menschen sind Blinde. Sie sehen
Beine voller Muskeln wie ihre eigenen,
wo tatsächlich nur eine Hose mit Fantasie
gefüllt wurde, damit zu gehen. Zeigen wir
anderen, dass es nur ein Trick ist, verstehen
welche, die einfach so herumspazieren, es
nie. Einem Marsmenschen zu erklären, wie
wir atmen und warum es nötig sei, dürfte
ähnlich sein.
Darum bleiben (wir) Künstler immer allein,
selbst in der Gesellschaft der anderen. Läuft
es nicht so gut mit dem Erklären unserer
Darstellungen, stoßen wir dermaßen an die
Grenzen der Masse, dass wir von ihnen eine
Zelle bekommen, deren Mauern unüberwindbar
sind. „Red Bull verleiht Flügel“, ruft
der Knacki im Film und startet in die Freiheit?
Nähme ich die Flügel der Morgenröte
und baute mir eine Wohnung am äußersten
Meer! Einsam ist der freie Mensch, weil die
anderen so borniert sind und sich den Käfig
suchen und verstärken, wenn sie bereits
darin sind, viele überreden mitzumachen
und alles mit Brettern vernageln. So kommt
es mir vor.
# Meine kleine Welt
Um im Bild zu bleiben: Für einen (erwachsenen)
Künstler ist es nötig, einen Käfig
dabeizuhaben, den die anderen nicht sehen
können. „Wenn die anderen zuschauen, kann
ich es nicht“, mag ein Kind sagen, das gerade
ein Kunststück erlernt. Auf die Einleitung
zum „West End Blues“ angesprochen, sagt
Trompeter Norbert: „Im Keller zuhause geht
es.“ Ich erinnere mich an frühere Zustände,
die leider bis heute Teil meiner Gegenwart
sind und mit dem Wort Störung nur unzureichend
beschrieben sind; es ist, wenn mich
Dinge ärgern. Gegenstände scheinen ein
Eigenleben zu entwickeln an manchen Tagen
oder stundenweise. „Das war nicht ich!“,
sage ich dann wie ein Kind, und manchmal
schreie ich das vor Wut. Die Kunst besteht
darin, diese Zeiten irriger Realitätsumkehr zu
akzeptieren, ihre Dauer aber zu beherrschen
und normales Verhalten darauf folgen zu
lassen und entspannt zu schaffen.
:)
Apr 16, 2022 - Was hast du schon davon? 65 [Seite 64 bis 65 ]
Erledigt sich von selbst
Apr 19, 2022
Drei Frauen kenne ich,
die massiv Stalking
erleben oder damit
konfrontiert waren.
Jeder weiß, was das
bedeutet, aber nur,
wer es selbst erlebt,
begreift, was es mit uns
macht. Niemand möchte bedrängt werden.
Weniger bekannt ist die andere Seite. Nicht
nur die Opfer sind welche und leiden. Die
scheinbar potentiell als Täter geeigneten
Männer bedeuten für die Polizei ein formbares
Material. Die Kommissarin provoziert
ihre Beute. Gefährder werden geschaffen, wo
vermeintlich Spinner erkannt wurden, denen
man aufzeigt, wie lächerlich sie wären.
Das schafft ein Gewaltpotential, welches
man zu lenken versteht, bis es knallt – und
die Retter gerade noch rechtzeitig auftauchen
wie im Film. So auch im Bereich der
Sexualdelikte. Frustrierte Beamte sind sich
nicht zu schade, einen Mob anzuheuern, der
sich außerhalb der juristischen Fesseln einer
Behörde frei entfalten kann. Es ist wie beim
Angeln oder auf der hohen See mit dem
Fabrikschiff: Man fischt Rotbarsch mit dem
tiefen Netz, wo dieser schwimmt, fängt die
Forelle mit einer Fliege am Gebirgsbach.
Genauso macht es der Staat, rekrutiert naive
Mädels als Lockvogel in einem miesen Spiel.
Mich hat eine bis dato mit
mir befreundete Frau, die
(ich sage mal) ein gehobenes
Amt bekleidet, angezeigt
und sich ihre gesellschaftliche
Position zu Nutze
gemacht. Sie probierte dabei,
es mit der Wahrheit nicht so
genau zu nehmen. Das sollte wohl helfen,
um eine aussagestarke Botschaft formulieren
zu können für einen Denkzettel: „Schau
her, was ich kann“, (von hier oben).
Wie Alice Schwarzer mischte sich meine vermeintliche
Freundin ein, die sich zur Rettung
der jungen Weiblichkeit nicht entblödete,
gewichtig Position zu beziehen. Das blieb
vor einigen Jahren vergleichsweise erfolglos.
Die Provokationen der Gescheiterten dauern
trotzdem an. Meine Kunst reflektiert ihre
Versuche, mich zu diskreditieren. Die Polizei
gab der Staatsanwaltschaft mit auf den
Weg, die Anklage nicht zu erheben. Diese
habe keine Aussicht auf Erfolg. Die kreative,
künstlerische Freiheit ist in Deutschland ein
hohes Gut.
# Das böse Gemälde
Das Bild mit dem Titel „Malen hilft“ provoziert
jede Frau, ein primitiver Angriff auf die
Weiblichkeit, und ich habe es online gestellt.
Eine Blase sollte platzen. Das prompt eintrudelnde
Schreiben der Behörde verfolgte
indes nicht das Ziel, der Gewaltpornografie
einen Riegel vorzuschieben. Das wäre
auch weniger als ein Riegelchen gewesen,
angesichts dessen, was es im Netz zu sehen
gibt. Es ging gegen mich und nicht etwa für
die gute Sache. Zwei Punkte gaben den Ausschlag.
Wer so malt, kann nicht im Rathaus
ausstellen. Wer eine Person bloßstellt, die
kein glaubwürdiges Motiv haben könnte an
seiner Seite gewesen zu sein, wirft unbequeme
Fragen auf.
Mir hatte es gefallen,
mit einer Studentin
Zeit zu verbringen.
Es schickt sich nicht:
„Die ist doch viel zu
jung für dich.“ Fachleute
erklärten ihr
das, meinten mich zu
hörnen. „Ich wäre ja
auch verheiratet“, erkannte
die Scheinheilige
plötzlich. Man hatte ihr nach Jahren, in
denen das Wort Liebe nicht fiel, geraten, auf
Abstand zu gehen. Sie wolle „ganz weit weg“,
sagte sie mir. Das musste
als Abschied herhalten. So
weit reicht kein Internet,
hieß das wohl. Eine Spionin
empfiehlt sich auf französisch.
Und das Dorf albert
im Chor. Da habe ich’s
aufgegeben, nachzufragen.
Ich habe nicht gemailt,
sondern gemalt. Nach einer
Handvoll nicht beantworteter
Email begriff ich. Ich
schreibe nicht fünfzig am
Tag wie diese Idioten.
Ich habe die Akte ausgedruckt: Beschämend
zu lesen, was Menschen, die mir nahestanden,
zu Papier gegeben haben. Das Ganze ist
so was von nach hinten losgegangen und
hat Leid verursacht bei vielen. Rufmord, um
gesellschaftliches Versagen zu kaschieren,
scheitert bei uns. Wir leben nicht in Russland,
und ich bin nicht Nawalny. Schenefeld
ist die Pinneberger Provinz. Unser Überwachungsstaat
ist desinformiert und kann dem
großen Bruder das Wasser nicht reichen.
Die Kunst ist noch am Leben und bezieht
Stellung.
# Stalking, wie bitte?
Wenn der böse Mann es nur sein soll und
nicht angeklagt werden kann, weil das
Ganze harmlos blieb, ist es nicht Stalking.
Ein blödes Bild ist nur eine
Bagatelle. Es bedeutet für
die Hetzer, eine Kampagne
als konstruierten Rohrkrepierer
zu erleben. Das heißt,
einen Bärendienst an der
guten Sache zu inszenieren.
Es gibt viele Verlierer in
diesem Spiel. Das macht
mich jeden Tag kreativ! Was
ist ein Dorf? Ich kann das
beantworten. Eine Erfahrung
und ein Schatz, damit
zu arbeiten – jeden Tag.
Stalking bewirkt, dass die
Frauen krank werden. Beispiele?
Meine liebe Freundin,
die ich normalerweise
als stark und selbstständig
erlebe, ist an einen Mann
geraten, der heute im Gefängnis
sitzt. Nicht einfach.
Ein besonders schwerer Fall.
Nach Ende der Haft Sicherungsverwahrung.
Ich kenne
etliche, intime Details eines
deutschlandweit bekannten
Dramas. Eine zweite liebe
Bekannte, die mir von ihrem
Problem erzählte, hat sich
eine längere Auszeit in einer
psychosomatischen Einrichtung genommen.
Sie hat ihr Lachen verloren, so viel kann ich
als guter Beobachter sagen. Das tut weh.
Dieser Mann ist womöglich weiter aktiv, und
man wird um einige Konstruktionen, sie zu
schützen, von Seiten der Behörden nicht
drumherumkommen. Die dritte Frau, von der
ich weiß, steht erst am Anfang ihrer Probleme.
Sie hat in einem ersten Schritt einen
Rechtsanwalt eingeschaltet. Er bewertet die
täglich eintreffenden Mails, um Möglichkeiten
aufzuzeigen, mit der Polizei zusammen
einen Personenschutz aufzubauen, indem
er die juristische Qualität deutlich macht,
die diese Attacken haben. Sie hat dem Mann
gesagt, dass sie
diesen Schritt
gegangen ist,
und er bitte aufhören
möge zu
mailen. Die Frau
hat einen extra
Ordner angelegt
und probiert,
nicht zu lesen,
was kommt. Der
Mann schreibt
viel. Immer an
dieselbe Mailadresse,
und sie antwortet ihm nicht. Er hört
nicht auf damit, sie zu bedrängen.
Ich attackiere niemanden. Ich betreibe eine
Webseite und schreibe einen Blog, der nicht
kommentiert wird. Ich laufe zum Einkaufen
durch dieses Dorf und rede mit Hinz und
Kunz. Ich schreibe keine Mails, außer an
Piet, wenn es ums Segeln geht oder an Lisa,
wenn ich ein Lektorat benötige. Das sind
drei Mails in einer Woche.
Offen gesagt:
„Ich mochte Alexandra mehr als dich, Christiane.
Es hilft dir nicht und anderen, was ihr
organisiert.“
Früher wählte ich die demokratischen
Parteien. Heute sympathisiere ich mit den
Querulanten
und schreibe,
was immer die
Meinungsfreiheit
hergibt. Ich
kann auch ohne
Öffentlichkeit
im Netz arbeiten
und dem Staat
Grenzen zeigen.
Das ist mein Job.
Ich kenne mich
aus, will ich
hier sagen und
wünsche denen,
die mich in diese
Ecke stellten „so
ein Mann zu sein“
noch viel Glück
bezüglich ihres
eigenen Nervenkostüms.
Sie werden es
brauchen.
:)
Apr 19, 2022 - Erledigt sich von selbst 66 [Seite 66 bis 66 ]
Wir lehren, wollen den Wahnsinn?
Apr 23, 2022
Drei tote Frauen, eine im Rollstuhl. Eine
Nachricht zum Amoklauf in Würzburg,
der Prozessauftakt gegen einen Somalier
gestern im Fernsehen. Dazu fällt mir Ungewöhnliches
ein. Mein Thema ist (wie immer)
unser Wortsalat, das vermeintlich Richtige
zu denken und die harte Realität auf der
anderen Seite. Ein Messer kann eine Waffe
sein, aber ein Wort kann dazu führen, es als
solche zu verwenden. Vor dem gesprochenen
Wort befindet sich noch der gewalttätige
Gedanke. Manche möchten bereits hier
ansetzen, das Übel im Hirn verbieten, bevor
es überhaupt gedacht würde?
Mit einigen Umwegen finde ich mir die
Worte für diesen Text zusammen; zunächst
Beispiele: Ein „weißer Schimmel“ gilt als
Stilblüte. Das Pferd ist bereits als weiß
erklärt, wenn es ein Schimmel ist. Ein Rappe
ist schwarz, so etwas lernen wir als Kind. Der
Lehrer wird dergleichen doppelte Formulierungen
dem Schüler ankreiden. Das ist eine
Logikschule und entsprechend sinnvoll, jungen
Menschen Sprachunsinn auszutreiben.
Ausdrucksfehler sind eine eigene Kategorie
im Unterricht: „Er schüttelte sie so lange, bis
etwas Silbernes im Grase glänzte“, fabulierte
seinerzeit ein Mitschüler. Falsch, meinte unser
Deutschlehrer, so schreibt man nicht. Wir
lernten, dass man Menschen schütteln kann,
bis ihnen schlecht wird, aber nicht, bis etwas
Silbernes im Gras glänzt. Bis zu diesem
Moment fanden wir die Story ganz gelungen
erzählt. Ein kriminalistisches Detail war, dass
ein Metallgegenstand zu Tage kam, und das
passierte in dieser Rangelei. Was sollte an
diesem Satz nicht richtig sein?
Vor kurzem schaute ich eine Nachrichtensendung.
Der Sprecher betonte, dass jemand
wissentlich gelogen habe. Zweimal fiel
dieser Satz, jedes Mal schaute ich in das
naseweise Gesicht dieses Redners, der die
Lüge als solche noch steigern wollte? Andere
Beispiele kommen mir dazu in den Sinn.
Den Holocaust zu leugnen, ist bei uns nicht
erwünscht. Das wäre wohl eine wissentliche
Lüge. Alle wissen, wie schlimm es war, selbst
die, die damals nicht gelebt haben. Es wird
uns ja immer gesagt und mit Bildern gezeigt
und bedeutet eine deutsche Wahrheit. Der
Coronaleugner folgt dem Erstgenannten auf
dem Fuße, aber nichtsdestotrotz wird hier
ein verbales Druckmittel angewendet nach
dem Motto: Das musst du glauben!
Zu lügen heißt wissentlich Sachverhalte
verschleiern.
Kein Tag vergeht, in dem wir nicht vom
Angriffskrieg der Russen hören, der dort
im Land selbst nicht Krieg heißen darf. In
Russland ist es eine Militärische Spezialaktion.
Einen Krieg zwischen der Ukraine und
Russland nennt es jedoch niemand mehr. Bei
uns ist es der völkerrechtswidrige Angriffskrieg,
nicht einfach so nur ein Krieg. Nun
hat es auch der letzte begriffen, dass Putin
seinen Krieg führt. Wer sich in Deutschland
nicht auf die richtige Seite stellt, bekommt
zunehmend Probleme.
Die Bewertung muss bei uns Teil der Berichterstattung
sein wie in Russland.
Kein so anderes Thema: Gestern wurde vom
Prozessauftakt in Bayern berichtet. Das ist
der Krieg im Inneren. Ein gesellschaftswidriger
Amoklauf. Ein Mann aus Somalia
habe eine Messerattacke in Würzburg
gegen zufällig ausgewählte Opfer geführt.
Drei Frauen sind tot. Mehrere Menschen
wurden verletzt. Eine Frau so schwer, dass
sie dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen
sein wird. Zweimal fragte Charlotte Maihoff
rhetorisch, wie man jemanden bestrafen
solle, der offensichtlich als psychisch krank
gilt? Stimmen hätten ihm befohlen, Rache
zu üben. Es war demzufolge umgekehrt. Die
Strafe war ja bereits erfolgt. Dieser Mann
hat erfolgreich Deutschland bestraft. Das
sagte Charlotte nicht.
Der Tod bedeutet, unumkehrbar fertig zu
sein.
Der Mensch verzettelt sich in der eigenen
Wirklichkeit von Sprachkonstruktionen.
Papier sei geduldig hieß es früher und sollte
wohl heißen, dass man Unsinn hinschreiben
könne, der deswegen nicht wahr würde, weil
er derart verewigt sei, dass jemand ihn festgehalten
habe. Das war vor dem Siegeszug
der digitalen Kommunikation. Wir reden mit
den Fingern auf der Tastatur.
# Ich bin nicht wahnsinnig
Stetige Provokationen verschieben unsere
moralische Grundhaltung zum Bösen. Noch
normal; ich kenne mehrere Menschen, die
auf einen Rollstuhl angewiesen sind und
fühle entsprechend mit. Amok in Würzburg,
man stellt sich’s vor: Ein Mann wird gezeigt,
der sich dem Angreifer mit einem Stuhl entgegengestellt
hatte. Um Haaresbreite wäre
das schief gegangen. Der Mutige stürzte
rücklings über eine Bordsteinkante, nachdem
ihm zunächst gelungen war, den Täter
gleichermaßen auf sich zu fokussieren und
erfolgreich im Schach der vorgespreizten
Stuhlbeine zu führen. Andere kamen ihm zu
Hilfe und überwältigten den Wahnsinnigen.
Ich könnte dieser Mann mit dem Stuhl gewesen
sein, der couragiert eingegriffen hat!
Oder doch nicht? Vielleicht hätte ich mich
feige versteckt? Eventuell könnte ich auch,
wie jeder von uns, der Täter gewesen sein.
Es sind viel mehr Menschen latent psychisch
krank, als man für gewöhnlich annimmt.
Ein Prozent der Gesellschaft wird mindestens
einmal im Leben schizophren. Einer von
hundert. Die Pandemie hilft, diesen Faktor
einzuordnen. Bei uns in Deutschland leben
83 Millionen. Wenn sich 830.000 Menschen
täglich mit dem Coronavirus anstecken
würden, also ein Vielfaches der höchsten
Werte zu Zeiten der Omikron-Variante, hieße
das wohl, pro hundert Menschen einem Infizierten
zu begegnen. Ganz schön viele. Psychotisch
zu werden, ist keine Erbkrankheit.
Es gibt kein Gen dafür. Der Anteil der Kinder,
die erkranken, wenn die Eltern es haben, ist
nur geringfügig höher. Ein direkter Nachweis
der Erblichkeit von Schizophrenie ist bislang
nicht nachgewiesen worden. Schizophrenie
ist zudem nicht ansteckend. In der Konsequenz
ist die wahrscheinlichste Erklärung,
dass wir einander gegenseitig krank machen
durch den sozialen Druck, den Menschen auf
andere ausüben.
Der verrückteste Täter weiß dennoch, dass er
sein eigenes Leben zerstört, wenn er einen
erweiterten Suizid oder Amoklauf beginnt.
So einer kann nicht mehr. Trotzdem hört
die Gesellschaft nicht auf, Druck auf bereits
verstörte Menschen auszuüben und diese
noch zu provozieren. Der russische Präsident
gibt das beste Beispiel dafür, wie gefährlich
so etwas ist. Dem Despoten ist die
wirtschaftliche Beschädigung im Land durch
das erzürnte Ausland und die Zerstörung
des Territoriums seiner ukrainischen Brüder,
als die er den Gegner Russland zugehörig
erkennt, nebensächlich. Das Russland von
Wladimir Putin wurde bereits viele Jahre
lang mit Sanktionen belegt, die aktuellen
bedeuten eine weitere Verschärfung
bestehender Druckmittel des Westens. Der
Präsident gibt an, es hätten Verabredungen
bestanden, die NATO nicht in Richtung Osten
zu erweitern. Der Westen bestreitet das.
Putin bezeichnet die Ukraine als Bedrohung,
der Westen kann hingegen den Angriff
Russlands belegen und diese Behauptung
ad absurdum führen. Wir im Westen brüsten
uns damit, unsere Rechtmäßigkeit herauszustreichen
und prangern den Druck der
falschen Informationen an, mit denen die
russische Regierung die Bürger im eigenen
Land auf Linie bringt. Der aktuelle Krieg ist
weitaus heftiger, als die vergleichsweise
smarte Annexion der Krim. Wladimir Putin
zieht seine Militäraktion durch, so weit wie
er kommt. Bliebe diese dauerhaft stecken im
hartnäckigen Widerstand, wird der russische
Präsident mit zunächst gezielten Atomschlägen
probieren, den Widerstand zu brechen.
Er wird diese Barbarei gegen die, wie er
sagt, eigentlich russischen Brüder in der
Ukraine rechtfertigen mit dem Vergleich, die
Amerikaner hätten Hiroshima aus ähnlichen
Motiven angegriffen. Ein dritter Weltkrieg ist
möglich geworden, weil sich Putin provoziert
fühlt und der Westen das nicht ändern
kann durch seine Sanktionen. Die Macht,
alles zu zerstören ist auf der russischen
Seite. Das sieht auch jeder, wenn auch geisteskranke,
Amokläufer irgendwann visionär;
ein Einzelner kann sehr viel Leid verursachen,
bis er dingfest gemacht oder getötet
wird. Dem russischen Präsidenten ist das
Wohlergehen seines Landes egal. Es geht
ihm ums Ego, den Beweis zu führen, dass
die jahrelange Gängelung des Westens (die
dieser zwar als nötige Reaktion darstellt)
und seine Drohungen, was er tun könnte,
nicht leere Worte bedeuten.
Genauso im Kleinen unter Nachbarn im Dorf.
Die Ohnmacht des Westens in der jetzigen
Situation ist vergleichbar mit der bei einem
Amoklauf. Man kann den Somalier nun in
eine forensische Psychiatrie einweisen. Möglicherweise
gelingt es irgendwann, den russischen
Präsidenten vor ein internationales
Gericht zu stellen? Den nächsten, einzelnen
Täter, der seinen Hass ja bereits irgendwo
nährt und eine Wunde der Gesellschaft
bedeutet, die unterbewusst schwärt, werden
wir mit einer Attacke hinnehmen müssen.
Die Gewalt als solche und die Umkehr der
Sichtweise, was Gut und Böse bedeuten,
bleibt eine Möglichkeit der Interpretation
einer Situation. Die Menschen wären
besser dran, dies als einen Teil der Realität
anzuerkennen, als gutmenschliche Phrasen
zu dreschen oder mit Waffenlieferungen
irgendwo aufzurüsten, als könnte das Böse
selbst damit wirksam bezwungen werden.
Apr 23, 2022 - Wir lehren, wollen den Wahnsinn? 67 [Seite 67 bis 71 ]
# Selnskyj ist besonders
Natürlich, es könnte klappen. Niemand hat
mit dem starken ukrainischen Gegenspieler
und seinem Charisma gerechnet, andere für
die gute Sache der Freiheit zu gewinnen.
Der Sieg der Alliierten gegen Nazideutschland
steht Modell für eine gelungene Aktion
gegen das Böse. Eine starke Polizei bedeutet
eine stabile Ordnung für eine Gesellschaft.
Auf der anderen Seite stehen zahlreiche
Fehlschläge im Namen einer guten Sache,
bei denen es nicht gelungen ist, Despoten
auszuschalten. Der unbequeme Grund ist,
dass wir alle unter Druck Dinge tun, die
wir ansonsten nicht machen würden. Eine
Eskalation scheint schließlich nur mit
erheblichen Anstrengungen eingegrenzt
werden zu können. Die Gesellschaft täte gut
daran, ihren einzelnen Mitgliedern dezente
Abgrenzung jeglicher Vereinnahmung zu
lehren. Dann benötigte das System weniger
Energie gegen geringere Anteile von Gewalt
in der Masse. Zur Zeit bewegt sich aber alles
in die andere Richtung. Eine immer größere
Menge lehnt den Staat auf diffuse Weise ab.
Ein nicht erwarteter Krieg bedroht unsere
Stabilität. Die Klimakatastrophe wird
greifbar mit jeder Dürre, Überschwemmung,
Hungersnot oder Sturm. Die weltweite Pandemie
zeigt die Verletzlichkeit des Ganzen
durch Krankheiten. Mit diesen Realitäten
leben zu können, bedeutet dem Einzelnen
mehr denn je, die eigene Angst zu bemerken
und Möglichkeiten auszuloten, diejenigen
in ihre Schranken zu weisen, die bedrängen,
maßregeln möchten. Möglich wäre, in den
Staatsfeinden welche zu erkennen, die als
Erste die Zukunft bemerkt haben und nicht
verschworenen Spinner zu brandmarken, die
andernfalls der Mob von Morgen sein werden.
Wer zu hassen lernt, was schmerzt, kann,
geschieht es auf eine kluge Weise, fröhlich
dem Feind Paroli bieten. Wer nur mitläuft,
weiß seine Befürchtungen höchstens diffus
zu kanalisieren in einer Masse Gleichgesinnter.
Die Angst vor einer ungewissen Zukunft
ist greifbarer geworden. Damit sind diejenigen,
die quer denken, welche, die etwas merken.
Die kleiner werdende Mehrheit plappert
nur, was bisher galt. Die Klugen haben den
Schuss nicht gehört und zeigen mit dem
Finger auf Ungeimpfte, Putinversteher u.v.m.
bis es richtig laut knallt.
Ich kann heute nachvollziehen, wissentlich
Feinde zu haben und diese zu hassen. Ein
neues Gefühl, aber nicht schlecht für mich.
Mein Profil stört einige. Ich habe mich kreativ
mit meiner Malerei, den Zeichnungen und
Texten zu einer Persönlichkeit entwickelt,
die polarisiert. Zu spät lernte ich, sportlich
auf die nicht ausbleibende Bewertung meines
Tuns zu reagieren. Inzwischen gelingt
es besser.
Ich bin beinahe sechzig Jahre alt. Etwa
fünfzig Jahre lang empfand ich keine
Feindseligkeit gegen mich persönlich, so gut
wie nie jedenfalls. Angst und Wut spüren zu
können, ist ein neues Wahrnehmen für mich.
Das hält mich geistig frisch und bei guter
Gesundheit! Hätte man mich das gelehrt, als
die Zeit dafür war, wäre mein Leben gesünder
verlaufen. Mich hat man gedrängt, dem
sozialen Druck nachzugeben und Plattitüden
weiterzugeben. Ich habe geglaubt, was man
mir gesagt hat. Das heißt, grundsätzlich
den anderen Menschen zu vertrauen, aber
nicht der eigenen Urteilskraft. Sich selbst
zu vertrauen ist ganz einfach, gelegentlich
nein zu sagen. Das bedeutet keinen Krieg.
Es ist die gewöhnliche Abgrenzung. Extrem
reagieren Menschen nur dann, wenn sie
zu spät merken, wie weit sie bereits in die
Irre geführt wurden. Hass ist normal, und
das nicht spüren zu können, bedeutet das
Falsche gelernt zu haben – sich soweit an
die anderen anzupassen, bis man sich selbst
nicht mehr merkt.
# Tatsächlich, ich denke böse
Drei Frauen hier im Dorf fallen mir sofort
ein, um die es nicht schade wäre (das ist
meine Meinung heute), bei einer derartigen
Attacke wie in Würzburg zu versterben.
So sehr habe ich mich verändert. Darum
schreibe ich das hin, dass ich eine ohnmächtige
Wut nachempfinden kann, ebenfalls
Rache zu nehmen an der Gesellschaft (hier
in Schenefeld). Es beruhigt irgendwie, als Erkenntnis,
dass meine Hand ein Schwert führen
könnte, eine Axt oder ich mit einem Auto
andere plattmachen
könnte, vor allem, wenn
ich mir die Konsequenzen
vor Auge führe, die
so etwas haben würde.
Wer keine Perspektive
mehr sieht, darf töten.
Das hat Gott oder die
Natur insofern erlaubt,
beziehungsweise
niemand, auch kein
Staat, kann Amokläufe verhindern, weil es
die extremste Form ist, die eigene Freiheit
durchzusetzen. Für den Moment, wird
mancher einwenden. Anschließend käme
das Gefängnis oder der Tod; Täter werden
von der Polizei nicht selten erschossen. Ganz
offensichtlich schreckt die Androhung einer
lebenslangen Freiheitsstrafe diejenigen, die
sich am Ende sehen, nicht ab. Einen Rahmen
zu schaffen, der so eng ist, der Menschen
jegliche Gewalt unmöglich macht, bedeutet
eine Zwangsjacke für alle. Wollte man
Verbrechen grundsätzlich ausschließen,
müssten wir in einer Gesellschaft leben, die
jede vitale Aktivität maßregelt. Die Alternative,
mehr Freiheit wagen!
Perspektiven schaffen, kollektiven Druck
wegnehmen und dem Einzelnen die Kraft
geben, selbst gegen den Mainstream zu drücken,
ist noch möglich. Es gibt weiter diese
fiesen Hasspostings. Gut so. Sie zeigen, wie
wir wirklich sind. Ein neues Gesetz dagegen
kommt gerade. Es wird scheitern, wie alle
vorherigen Versuche, nur gute und folgsame
Menschen zu dulden. Das Denken zu verbieten,
scheint unmöglich, aber Gefühle zu
äußern, kann bereits bestraft werden, wenn
gezielter Hass und damit ein Bedrohungsszenario
nachgewiesen werden kann oder
Rassismus. Es bedeutet immer ein Risiko,
zu sagen oder gar aufzuschreiben, was man
empfindet. Nicht zu bemerken, wie es mir
geht, könnte allerdings schlimmer sein. Das
hieße das Risiko zuzulassen, wie zwanghaft
loszulegen mit einer Abwehrbewegung gegen
eine vermeintliche Bedrohung, die man
nur unterbewusst spürt. Insofern erleben
wir eine eindeutige Relation aus Gehorsam
und psychisch irrationalem Verhalten: Immer
mehr Menschen erleben den sozialen Druck,
lassen sich etwa gegen Corona impfen, nur
als ein Beispiel, weil sie sonst nicht arbeiten
dürften und nicht, weil sie von Solidarität
mit Alten und Schwachen angetrieben handeln
oder der Überzeugung anhängen, diese
Medizin tue ihnen gut. Je mehr machen,
was ihnen geraten wird, weil sie andernfalls
scheinbar eine ganze Gesellschaft gegen
sich aufbringen, desto mehr werden sich’s
einreden, zu fühlen wie jedermann. Damit
nimmt der Anteil der Gestörten, die nichts
mehr merken zu. Darum sehen wir einen
wachsenden Teil der Gesellschaft wegdriften
und sind als System folgerichtig selbst
schuld an den zahlenmäßig anwachsenden
Verrückten, die uns bestrafen, weil sie’s
spontan überkommt.
:(
# Postskriptum
Andere und alles züchtigen, maßregeln bis
zum endgültigen Sieg über das Böse: Daran
arbeiten viele mit Eifer, und so könnte die
tote Gesellschaft schneller Realität werden,
als wir denken. Ein Atomkrieg wäre das,
und er erscheint erreichbar, wenn wir zügig
machten, was etwa Herr Hofreiter oder Frau
Strack-Zimmermann wollen. Waffen
der „richtigen“ Seite zu geben
und das vollständige Wirtschaftsembargo
gegen Russland verlangen
welche, die bislang nicht
genügend Rampenlicht bekommen
haben? Es sind Menschen, die, und
das scheinen sie von sich selbst
nicht bemerkt zu haben, schon
wegen des verstörenden, optischen
Eindrucks, den sie machen, dem
Drang zu reden, wenn eine Kamera auf sie
gerichtet ist, niemand zum Bundeskanzler
wählen würde. Man muss sich diese Politiker
aus der zweiten Reihe nur kurz anschauen,
wenig mitbekommen, um sofort abzuschalten.
Das fühlt sich gleich besser an. Die
Vorstellung mit derartigen Menschen, wie
sie nicht selten öffentlich gezeigt werden,
derweil sie ihre Ansichten präsentieren, zwei
Wochen gezwungenermaßen Urlaub machen
zu müssen, ist unerträglich. Ich hätte nicht
gedacht, dass ich mal Olaf Scholz als besonnen
schätzen würde.
Apr 23, 2022 - Wir lehren, wollen den Wahnsinn? 68 [Seite 67 bis 71 ]
Durch die Blume geschaut
Mai 1, 2022
Google, Mountain View, Kalifornien; der
Gigant hat ein Zuhause. Es gibt andere Suchmaschinen,
aber wer etwas wissen möchte,
googelt. Das Wort macht den Marktführer.
Was ist ein Algorithmus? Das ist ein Wort
wie „Google“, für die meisten nicht mehr als
ein Erklärungsprinzip. Genauso der Staat, die
Polizei, Ärzte; es sind Sammelbegriffe. Menschen
stehen dahinter. Unsere rechtsstaatliche
Demokratie ist ein geregeltes System.
Wie jede Behörde oder Unternehmen:
Menschen arbeiten dort. Sie gestalten die
Funktionalität entsprechend der gewünschten
Struktur. Eine Internetsuchmaschine
muss suchen, die Polizei muss Regelverletzungen
aufspüren, und die Politik soll das
Gemeinwohl vertreten. Soweit die Theorie.
Das Ganze ist glaubwürdig, schafft Vertrauen.
Viele sind davon überzeugt, sich selbst
im Rahmen einer guten Struktur verwirklichen
zu können. Die Mehrheit bestimmt, wie
es sein soll bei uns. Wo es Mehrheiten gibt
– und wenn viele die Demokratie gestalten,
sind diese ein größerer Block, der sich engagiert
– gibt es auch einen kleineren Rest der
anderen, die damit nicht klarkommen, wie
es ist. Diese wollen nicht mitmachen oder
können es nicht und sind unfähig, ein alternatives
System auf die Beine zu stellen. Auf
der anderen Seite wächst Frust. Ein Teil der
Gesellschaft fühlt sich nicht mitgenommen.
# Wir brauchen Künstler
Querdenker zu sein, galt den Menschen als
kritische Würdigung, bis dieser Begriff in
Verruf geraten ist. Man übersieht, dass schöne
Worte nicht genügen. Unsere Gesellschaft
lebt vom Konsum. So lernen wir alles, was
es gibt, über Namen kennen, die bereits eine
Werbung dafür bedeuten und überhöhen
jedes Ding und Aktivität mit einem Begriff.
Es gibt scheinbar das Tierwohl oder den
ökologischen Fußabdruck. Worte machen
Druck. Folge und kaufe mich! Um dabei zu
sein, wenn eine Mode aufkommt gingen die
Leute schon immer mit. Manipulation bedeutet,
Menschen in einen Kanal zu schleusen
und ihnen Beine zu machen. Manche
sind bereit, die Langsamen totzutreten. Der
Follower ist das Vieh, das
gerne zum Schlachthof
rennt. Überspitzt gesagt,
meint man zu bemerken,
dass wir Lemminge an
unserer Seite haben,
mitreißende Mitreisende
der aktuellen Strömung
und nicht die mündige
Gesellschaft, die sich den
Rahmen wählt, in dem
sie sein möchte. Vom
Verkäufer der aktuellen
Idee geködert, ist diese
Herde noch glücklich,
sich für denjenigen zu
opfern, der sie treibt.
Uraltes menschliches Sozialverhalten
kann nach
dieser Methode als Mittel
genutzt werden, perfektioniert
wie alles heute im
Wandel der Zeit.
Bezeichnungen mutieren zu Platzhaltern,
deformieren die Person zu einem Fußball,
den die Masse nach Belieben tritt. Ein Ventil
für diejenigen, die selbst nicht sportlich
sind. Unsere Kanzler haben kein eigenes
Profil mehr, es wird gemerkelt. Man wartet,
bis die Leute scheinbar von selbst eine
Richtung bekommen und setzt sich lenkend
an ihre Spitze. Gerhard Schröder bedeutete
uns Kanzler, dann Altkanzler, schließlich
Lobbyist, und nun ist der Unbeirrte einfach
nur noch eine Unperson, auf der jedermann
herumhackt. „Aus der Zeit gefallen“, sagen
die heute Schlaueren. Der Trend bestimmt,
was richtig ist.
Eine gefährliche Entwicklung.
Viele merken es nicht. Bei der Mehrheit zu
sein, genügt ihnen. Wer kein Profil hat und
das eigene Denken auch nicht vermisst,
bedient sich im Baukasten der Individuen
und verwirklicht sich nach dem Franchise-
Prinzip. Das läuft so eine Zeit lang ganz gut.
Bis dann die große Leere im Leben kommt.
Man kann leicht nachvollziehen, dass
manche spät aufbrechen, etwas Eigenes zu
beginnen. Ich habe bereits im Kindergarten
gezeichnet, dass alle nur so staunten. Ich
muss nichts Neues anfangen. Nur meine
soziale Integration musste angepasst und an
den Schenefelder Gebräuchen ausgerichtet
werden. Klappt ganz gut inzwischen. Das ist
ein Dorf wie das globale auch, ein kleiner,
blöder Globus westlich von Hamburg, im
Osten Pinneberg zugeteilt. Das lernt man.
Ich wollte mich einbringen! Meine Motivation
ist die Mitgestaltung der Gesellschaft
gewesen. Ich konnte einfach so fröhlich
sein und mitmachen für eine gute Sache.
Das geht nicht mehr. Naivität schadet der
Gesundheit. In einem Prozess von mehreren
Jahren habe ich meine Haltung zum Staat
geändert. Es hat sich gezeigt, dass, wer Profil
entwickelt, die Kanten ausbildet, die andere
brechen möchten. Immerhin: Meine sind zu
hart dafür. Ich bin zu einem Stein im Getriebe
der Zahnräder geworden. Ich treibe keine
Motoren für andere mehr an. Ich breche den
Lauf der Maschine durch mein Blockieren.
Mein Vertrauen in den Apparat ist dahin. Ich
sei wohl selbst daran schuld, könnte man
annehmen? Das ist nicht von Bedeutung.
Schuld zu sein, ist nicht relevant im Lebensentwurf
oder vermeidlich zum Glücklichsein,
finde ich. Wer schuldig ist, wird bestraft, das
ist bekannt. Das kann man auch größer als
juristisch sehen. Dann erkennt derjenige, der
Probleme hat, ein Prinzip.
# Der andere ist immer gegen dich
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst,
gebietet die Religion. Das begreife ich als
Angebot. Eine Pflicht, deren Umsetzung es
erst einmal zu erlernen gilt. Ein gelungener
Gedanke, der deswegen bis heute anregt,
ausprobiert zu werden. Wenn das einfach
wäre, hätte niemand so gedacht oder diesen
Rat ausgesprochen. Nicht einmal Gott selbst
hätte uns damit beauftragt. „Schäle die
Kartoffeln besser unter dem Wasserhahn“, ist
einfach; das meine ich. Unser Nächster wird
gegen uns sein, davon dürfen wir ausgehen.
Neid, Missgunst, was weiß ich. Unsere Entscheidung
kann dagegen sein oder mit, im
dritten Fall noch auszuweichen und neutral
bleiben.
Vor kurzem bin ich am Bahnhof-Altona
herumgelaufen. Ich hatte eine knappe halbe
Stunde zu warten. Meine Aufgabe war, jemanden
abzuholen. Der Zug erschien pünktlich
auf der Anzeigetafel, aber ich hatte mir
eine Reserve einberechnet, falls es mit der
Suche nach einem guten Parkplatz dauern
würde und fuhr absichtlich ein wenig zu
früh dorthin. Ich habe keine Lust auf eines
der Parkhäuser. Ich wollte lieber seitlich der
Autoreisezüge in der kleinen Straße parken,
in die man nach dem Lessingtunnel einbiegt,
beziehungsweise in der Verlängerung der
Hartkortstraße, wenn man Boesner passiert
hat. Das war auch leicht hinzubekommen.
Ich fand meine Haltebucht links, direkt am
Parkscheinautomat vornan. Drei Euro für
eine Stunde wurde verlangt. Das habe ich
bezahlt, um dann ein wenig den Berg rauf
zu bemerken, dass es nur einige Parkplätze
dichter zum Bahnhof mit Parkscheibe für
zwei Stunden kostenlos gewesen wäre. Es
ist eine Einbahnstraße. Man hätte sich auskennen
müssen, und ein wenig Glück gehört
dazu. Sonst hieße der Fehlversuch, einmal
den ganzen Block zu runden. So ist es oft,
auch anderswo im Leben. Wer etwas nicht
weiß, zahlt einfach den verlangten Preis und
freut sich dabei über eine gelungene Aktion.
Ich sah die günstigere Gelegenheit erst, als
Mai 1, 2022 - Durch die Blume geschaut 69 [Seite 69 bis 71 ]
ich den Parkschein bereits teuer erworben,
das Auto verriegelt und abgestellt hatte,
zu Fuß am Schild vorüberging. Es wäre vor
einem Hotel noch was frei gewesen. Selbst
schuld?
Ich bin nicht klug. Das wird mir immer
wieder klar, jedenfalls nicht klug genug für
diese Welt. Unsere Bürgermeisterin ist es,
und einige hier im Dorf genauso. Sie lassen
sich nicht herumstoßen, sie stoßen selbst.
Das ist klug. Einige Schlaue möchten andere
manipulieren, bewegen, und das bedeutet,
manche gehen zum Staatsdienst, um andere
umzutreten. Elegant, versteht sich. Ich bin
selbst noch auf meine eigenen Füße angewiesen
und habe es ausprobiert. Ich kann
jemandem in das Gesicht treten, der bereits
am Boden liegt. So wütend war ich schon.
Das ist gefährliche Körperverletzung. Meine
Strafe ist längst erledigt. Das ist in Deutschland
nicht schlimm. Unter zweihundert Euro
war die Beteiligung an den Verfahrenskosten.
Die Gefängnisstrafe von acht Monaten
zur Bewährung blieb ohne Auflagen. Ich war
nicht im Knast. Ich bin einfach weiter zu
Hause gewesen, bewährte mich demzufolge
und bin nun vorbestraft wie so viele andere
auch, falls ich noch einmal dergleichen
mache. Ich hätte einen Umzug der Polizei
melden müssen? Ich ziehe doch nicht weg.
Zwei Jahre Bewährung sind längst vergessen,
und der Idiot läuft noch rum. Ich laufe
auch noch durch das Dorf, und nun darf der
Leser und die Leserin dieser Zeilen spekulieren,
wer als der Doofe von uns gemeint
ist? Eine Beleidigungsklage fehlt grad noch.
Zivilgerichtlich war es teuer. Na und? Ich bin
schuldig und zufrieden. Andere respektieren
mich heute sichtlich und die, die ich früher
mochte; wir gehen uns aus dem Weg.
Mit der Politik bin ich fertig, immerhin. In
einer Woche ist die Wahl zum Landtag von
Schleswig-Holstein. Da gehe ich wieder
nicht wählen. Meine Haltung ist die der
totalen Verweigerung. Steuern muss man
zahlen, sonst gibt es wirklich Ärger. Das
mache ich, ich zahle. Sogar Kirchensteuer
drücke ich gern ab.
# Mir ist da was aufgefallen
Egosurfen macht Spaß, schon wenn du
semi-bekannt bist. Meine Bilder sind mehr
als normal, sie lohnen die Aufmerksamkeit
angeschaut zu werden? Im Laufe der Zeit
ist einiges zusammengekommen. Aber
nicht alles erscheint gerade so, wie es vom
Algorithmus aus dem vorhandenen Angebot
gefiltert wird. Da wird nachgeschärft. Nicht
nur vom Bürger, der meldet, was seiner
Meinung nach nicht gezeigt werden sollte.
Es gibt Bürger wie mich, und sie finden ihre
Meisterinnen. Malen macht frei. Aber nur innerhalb
der Grenzen, die dir gesetzt werden.
Du darfst die Wände deiner Zelle bekritzeln.
Man glaubt, die Macht habe derjenige, der
einen Brei nicht einfach isst, sondern selbst
zubereiten kann und anderen zum Genuss
anbietet? Der Weg von der Küche zum Teller
kann das Problem sein, wenn der Laden
nicht läuft. Der Ober kocht nicht selbst, will
ich sagen und genauso ist es auch bei uns in
der Kunst. Viele benötigen den Katalysator
zum Betrachter wie jeder Produzierende
einen Vertrieb der Ware auf die Beine stellen
muss. Aussteller sind keine Künstler, weil
sie Bilder auswählen. Das sind im Grunde
genommen Neider. Menschen, die vom Werk
anderer profitieren möchten. Eine Realität,
mit der wir Kreativen leben müssen. Manche
verkaufen besser, andere stellen Dinge her,
wie das überall gleich ist in der Wirtschaft
und unserer Gesellschaft überhaupt. Macher
und Dienstleister, Stürmer und Verteidiger
im Sport; welche bereiten die Tore vor,
und der ganz vorn schließt ab. Da ist kein
isoliertes Leben ohne Beziehungen, das
lohnend wäre. Dein Gönner stellt dich auf
einen Sockel, wohin du mit deinem Werk als
Künstler gehörst. Er stößt dich wieder runter,
wenn es ihm gefällt. Man muss nicht einmal
Galerist sein, um mit fremden Werken zu
renommieren oder Künstler rauszuwerfen,
kann von außen Einfluss auf den Anbieter
nehmen, der Bilder bereitstellt. Das ist die
Realität, wie wir sie immer wieder erleben,
nicht erst seit den Nationalsozialisten. Das
gibt es in den besten Gesellschaften.
Die digitale Wahrheit ist nicht einfach zu
überprüfen. Es ist anzunehmen, dass eine
Webseite überall gleich dargestellt wird?
Sicher sein sollte sich der produzierende
Künstler dessen nicht. Was zeigt die Suchmaschine
von denen, die im Netz aktiv sind?
Das bestimmt eine Firma, die für uns die
Suche organisiert. Diese Struktur unterliegt
dem Einfluss einiger. Das kann der Einzelne
noch weniger kontrollieren, der möchte, dass
ganz bestimmte Ergebnisse veröffentlicht
werden. Wir probieren, Missbrauch unserer
Darstellung zu begrenzen. Manche erleben,
dass umgekehrt auch dort manipuliert wird,
wo das Versprechen die Vielfalt unserer
Kreativität ist, aber das Ergebnis die Zensur
bedeutet, angeblich gemäß von Richtlinien,
welche nun jedoch von denen gebogen
werden, die dazu die Macht haben (und ein
persönliches Interesse).
Google ist auch ein Staat. Eine Macht, weil
alle das brauchen. Wie die katholische Kirche,
die Mafia oder Russland. Aber bei Google
arbeiten, wie gesagt, Menschen. Damit
ist das nicht die Suchmaschine, sondern ein
Ameisenhaufen von kleinen Arbeiterinnen,
die machen, was ihnen gesagt wird. Kommt
eine Königin in die Straße, werden die
kleinen Krabbeltiere parieren (unter ihren
Anweisungen). Man stelle sich die Sache
nicht isoliert vor. Netzwerke bilden sich
immer grenzüberschreitend. Da darf eine
gern aus einem anderen Haufen kommen.
Hauptsache, sie ist als die Obere kenntlich.
Dann spuren die blöden Mitläufer:innen und
löschen im Namen der guten Sache. Gut ist,
was man am Hofe will. Ich bin gern nicht
klug und schuldig sowieso. Aber ich wähle
doch nicht diese Arschlöcher selbst im Mai.
Schönen Tag auch!
Drei Euro für eine Stunde Altona. Als ich
so neben dem Parkscheinautomaten stehe,
finde ich zwei Zwei-Euro-Münzen in meinem
Portemonnaie. „Automat wechselt nicht“,
lese ich, bitte passend zahlen. Just in diesem
Moment, wie ich unschlüssig des vernünftigen
Handelns überlege, was nun zu tun sei
(Kartenzahlung scheint auch noch möglich),
erblicke ich die mögliche Lösung meines
Problems. Nicht die Beste? Hätte ich gewusst,
dass es nur kleine fünfzig Meter näher
zum Ziel einfach die blaue Parkscheibe
gebraucht hätte, die in meinem Handschuhfach
liegt, für die doppelte Parkzeit von zwei
Stunden – es zuzugeben, beweist, wie dumm
ich wirklich bin – nein, das war es nicht. Es
kommen gerade zwei Frauen den Gehweg
hinab und in meine unmittelbare Nähe, sie
leichthin anzusprechen. Das gelingt wie von
selbst. Ich zeige ihnen mein freundlichstes
Lächeln und die zwei Münzen in meiner
Hand. Wir treffen uns in diesem Moment
direkt am Parkscheinautomat, neben dem
mein Wagen mit geöffneter Tür steht, und
ich strahle diese Mädels an: „Man mag ja
gar nicht fragen“, beginne ich mit einer
Entschuldigung meines Hierseins, probiere,
zwei einzelne Euro zu bekommen.
Sie lachen. Wir mögen uns. Während wir
fröhlich plaudern, suchen die beiden
jeweils in ihrem Portemonnaie nach dem
Geld. Das bekomme ich, und meine neuen
Freundinnen gehen scherzend ihres Weges,
während ich das Parkticket gut sichtbar
über das Lenkrad meines Wagens hinter die
Frontscheibe lege. Ich ziehe noch meine
Socken aus, lasse die Jeansjacke im Auto,
weil es doch recht warm ist und gehe hoch
zum Bahnhof. Ich schreibe alles detailliert
auf, damit meine Leserinnen verstehen, wie
diese gefährlichen Straftäter wirklich sind.
Im Gebäude begreife ich, dass mein Zug
pünktlich kommen wird und noch gut zwanzig
Minuten zu verdatteln sind.
Ich kann alles, was ich erlebt habe, ganz
genau wiedergeben. Das habe ich gelernt.
Malen, zeichnen, schreiben; ich muss nie lügen,
um einem Beamten was weiszumachen.
Diese Attacke hatte ihren Grund. Ich stehe
dazu und weiß, was es war, dass ich Rache
nahm. Reue empfinde ich nicht. Ich könnte
mich artikulieren und habe doch geschwiegen.
„Er sprang über eine Hecke aus dem
Nichts“, würde ich nie zu Protokoll zu geben,
um meine Opferrolle zu betonen. Warum
lügen? Ich lebe nicht im Nichts und kann
Schenefeld ein Gesicht geben. Ich habe auch
noch nie jemanden angezeigt. Würde ich mit
dem, was ich in den vergangenen Jahren innerlich
meines Denkapparates protokollierte
und an Schriftstücken zusammengefunden
habe, losmarschieren, dürfte es einige Male
empfindlich rumpeln im Schenefelder Filz.
Das schreibe ich hier, damit deutlich wird,
was für ein in Wirklichkeit wunderbarer,
guter Mensch ich bin – mit den eigentlich
besten Absichten.
Wenn man mich nicht provoziert.
Ich schlendere also durch den Bahnhof,
in genau diesen besten Absichten, die
mein friedliches Wesen so kennzeichnen
und staune, wie schön sonnig und normal
der Vorplatz am Mercado daliegt. Corona
scheint vorbei. Die Menschen sind gelassen
unterwegs und wuseln so herum. Gelegentlich
rollt ganz langsam ein Bus heran. Mit
einer freundlichen Geste werden Fußgänger
durchgewunken vom Fahrer. Die kleine
Straße ist extra schmal, damit niemand auf
die Idee kommen kann, Passanten, die hier
reichlich quer zum Bahnhof oder umgekehrt
in die Fußgängerzone möchten, in Gefahr zu
bringen. Die nutzen das aus. Der Busfahrer
stoppt ein zweites Mal. Eine kleine Familie
kommt. Der Mann gebietet per Handzeichen,
man habe Vorrang als Mensch vor der Maschine.
Geduldig wartet der lange Gelenkbus
wieder, und der Busfahrer setzt ein betont
höfliches Gesicht auf. Der kennt sich aus,
denke ich. Militante Radfahrer sausen durch,
so scheint es mir, und der Fahrer vom Linienbus
wird seine Meinung dazu haben. Ein
buntes Treiben. Die Sonne scheint bereits
warm. Das war vor wenigen Tagen.
Mai 1, 2022 - Durch die Blume geschaut 70 [Seite 69 bis 71 ]
Ich probiere verschiedene Standplätze aus
und hätte noch Zeit, einmal langsam um das
Gebäude herumzugehen. Zunächst vertreibe
ich mir die Zeit in Sichtweite der großen
Uhr vor Bok und Schweinske, stehe an einer
Litfaßsäule. Hier störe ich nicht. Das ist
durchaus bedeutsam, wenn man hier wartet.
Die anderen wollen alle wohin. Es gibt einen
Radweg durch diese Fläche, die ansonsten
den Fußgängern gehört. Radfahrer fahren,
Fußgänger gehen, und der Bus rollt in seiner
schmalen Spur. Dann kommen noch welche
von unten die Treppe rauf, von den Gleisen
der S-Bahn, und andere wollen hinunter.
Taxi und Polizei parken startbereit. Das ist
Altona. Wenn du hier nur rumstehen willst,
ist es nötig, eine passende Stelle zu finden.
Nun fällt es ja nie leicht, zwanzig Minuten in
einem kleinen Areal von wenigen Metern zu
bleiben. Man beginnt automatisch loszuschlendern.
Das will überlegt sein. Andere
schlendern nicht! Ich habe, nachdem ich
in den vergangenen zwei Jahren nur wenig
außerhalb vom Dorf unterwegs war, gar
nicht mehr gewusst, wie sich das in solcher
Geschäftigkeit anfühlt, einfach nur dort zu
sein.
Diese Gesichter: Alle haben einen individuellen
Ausdruck, den sie zur Schau tragen.
Das ist die persönliche Haltung, sich den
eigenen Weg zu bahnen, unverkennbar.
Wenn man die Muße hat (und zu beobachten
gewohnt ist), bedeutet das ein Faszinosum,
zu erkennen, wie blöde fixiert ein jeder
und jede dem eigenen Ziel nachjagt. Selbst
die Langsamen, eher gelassen wirkenden
Passanten – eine Frau stoppt ihr Rad, weil
sie angerufen wird – alle wollen etwas. Da
wird immer vor Trickbetrügern gewarnt. Ich
denke daran, wie leicht ich meine Münzen
wechseln konnte und wie gern die beiden
Frauen ihren Spaziergang (oder was es war)
unterbrochen haben, mit mir plauderten,
bereitwillig nach Geld kramten.
Einen schönen Tag!
:)
Mai 1, 2022 - Durch die Blume geschaut 71 [Seite 69 bis 71 ]
Unverschämt!
Mai 4, 2022
Alle paar Jahre schneidet die Stadt ihre
Sträucher deutlich zurück. Einige Bäume
stehen plötzlich frei, die längere Zeit gar
nicht zugänglich waren. Der Weg an der
Düpenau wird hübsch ordentlich gemacht
und auch die weniger populären Ecken, die
kaum für einen Sonntagsspaziergang taugen,
müssen gepflegt werden. Ein oranges
Auto der Stadt oder ein anderes des beauftragten
Gärtners kommt
zur passenden Jahreszeit
angefahren. Dann muss
manches Unterholz weichen.
Eine Stelle passiere ich oft,
wo mir das auffällt, ob viel
oder wenig Bewuchs ist.
Da steht ein mir bekannter
Baum, sage ich mal, den ich
alle paar Jahre zur Gänze
sehen kann. Dann wächst
er unten wieder zu. Zeit für
den Baumfrisör, denke ich
und sinne darüber nach,
wie lange ich hier schon
laufe, diese Strecke – Tag für
Tag. Kein Durchkommen heute Nachmittag,
als ich das Foto mache. Ich bin extra von
zuhause ein zweites Mal hingegangen, habe
meine kleine Taschenkamera mitgenommen
und bin noch einmal zurückgelaufen. Das
Licht ist so schön.
Ohne Smartphone ist man ein behinderter
Exot. Ich kann nicht mal eben was fotografieren,
und dass als Maler und Grafiker,
der ich bin. Armselig, wo heute jedermann
Bilder macht. Früher war es eine Aufgabe für
Profis. Man musste zeichnen können. Menzel
verspottete Kollegen, die so blöd wären,
das eigene Haus zu verlassen, etwa für eine
Besorgung, ohne wenigstens ein winziges
Skizzenbuch in irgendeiner Jackentasche
dabeizuhaben. Er ließ sich vom Schneider
zahlreiche Extrataschen in den Ausgehmantel
hineinnähen. Ich sollte mich schämen! Es
ist wieder Frühling, Mai, die Bäume schlagen
aus. So auch das Dickicht. Es hat ordentlich
zugelegt in den vergangenen Jahren. Da ist
kein freier oder einfacher Weg zu diesem
Baum hier. Wahrscheinlich nicht einmal die
Hunde pinkeln dran.
:)
Mai 4, 2022 - Unverschämt! 72 [Seite 72 bis 72 ]
„Das Ohr zur Welt“
Mai 5, 2022
Schenefeld ist nichts besonderes. Ein paar
Häuser stehen rum. Es fängt an, wo Lurup
aufhört. Lurup ist ein langweiliger Stadtteil,
ganz am Rand von Hamburg. Wir gehören
zum Kreis Pinneberg, sind in Schleswig-Holstein
angesiedelt. Ein besseres Kaff. Das ist
die Provinz: Blankenese geht anders. Niedrige
Wohnblöcke, Reihenhäuser und eine freie
Tankstelle „Kattner“ prägen die Gegend. Ein
schmales Rinnsal erweitert
sich an einem
Staubecken, das mit
Kraut zugewachsen
wenig Eindruck macht;
die Düpenau sucht
noch das Meer. Der
Charkter dieses nicht
so schönen Schenefeldes
will nicht recht
sichtbar werden. Immerhin,
wir haben eine
ansprechende, kleine
Kirche im Dorf.
Im Norden heißt die Gemeinde schlicht
Siedlung. Nicht weit entfernt, über einen
Kreisel, erreicht man die Autobahn in
Richtung Nordsee, Sylt, die Insel der Schönen
und Reichen, schließlich Dänemark.
Das freie Wasser erstreckt sich über den
Atlantik bis nach New York. Das sollte man
schon hinschreiben. Gut angebunden an
die weite Welt ist dieses Ende schon. Da
oben, in der Siedlung von Schenefeld, wo
es ein China-Restaurant gibt und einen
Aldi, ist eine weitere Kirche. Sie hat den
Charme einer Fabrikhalle aus Beton. Wenigstens
ein nettes Türmchen haben die
Leute in einiger Entfernung hingestellt.
Das ist, damit man die architektonische
Armseligkeit (zu der die Siedler nach dem
Krieg, Vertriebene aus dem Osten, gerade
mal fähig waren) nicht bemerken soll?
Schenefeld! Im Zentrum durchschneidet
uns eine Straße nach Pinneberg, auf der
man hundert fahren darf. In der durch die
Rasenden zweigeteilten Mitte befindet sich
tatsächlich das „Stadtzentrum“.
Das ist aber keines, sondern
diese Blechbuchstaben sind
der Name eines Einkaufszentrums.
Es hat größtenteils
Leerstand. Es gibt
einen Supermarkt, das
Fitnesszentrum und
die Haspa. Man darf
sich eine Hose kaufen
und Mittagstisch essen,
Eis. Im Tabakladen
des Einkaufstempels
– die hochtrabende
Bezeichnung im
Tageblatt amüsiert
– kannst du deine Briefe abgeben.
Der Discounter unter den Shoppingcentern
regt nicht zum Verweilen an.
Es gibt nichts, das von kaufgeilen
Wohlstandsdeutschen verzückt angebetet
würde. Ein Tempel ist es nur
für Konsumenten, welche das „Elbe“ mangels
Liquidität meiden.
Alternativ läuft man auf die alte Landstraße
bis ins Dorf zu „Timmse und die Hörspiele“.
Die nehmen auch Briefe und Pakete an. Sie
verkaufen Briefmarken. Das ist ursprünglich
ein Krämerladen gewesen, der (vermutlich
zur Existenzsicherung) sein Angebot erweitert
hat. Es gibt gebrauchte Kompaktkassetten
aus den Achtzigern, Spiele, und einiges
Zeugs von früher liegt im Schaufenster. Titel
meiner Kindheit: Hui-Buh, das Schlossgespenst,
TKKG und die drei Fragezeichen
erweitern das verstaubte Interieur einer
vergessenen Zeit. Bandsalat war gestern?
Nicht bei „Timmse“. Peng! Elektro, Kommissar
Bikloppski brennt durch; so was in der Art
möchte noch gekauft werden. Die richtige
Post, die wir einmal am Rathaus kannten, hat
dauerhaft dichtgemacht.
Da werden
Altkleider gelagert
vom „Glücksgriff“,
ein Second-Hand-
Geschäft. Wir sind
gar keine Stadt im
eigentlichen Sinne
mehr. Wie gesagt,
nur ein paar Häuser,
und die Menschen
fahren nach Hamburg
zur Arbeit. Es
gibt eine Busverbindung.
Im Dorf gehen einige auch zu Fuß. Ich
laufe hier täglich rum. Dieses Plakat, man
könnte es bemerken: Bei „Timmse“ hängt der
Aufruf, ein neues Logo samt Motto für die
Gemeinde zu gestalten. Die Bürgermeisterin
unterstreicht unsere Wichtigkeit (und ihre
eigene) gern. Ein zünftiger Schnack, das
wär’s doch. „Schenefeld, die Stadt am Stadtrand“
oder so? Dazu das Wappen in grün mit
den bekannten Schmuckelementen, Spaten
und Rad. Dazwischen eiert die Düpenau
durch oder die Landstraße-Schenefeld-
Elmshorn eben, die über Pinneberg hinaus
nie fertig gebaut wurde, Elmshorn tatsächlich
zu erreichen. Wie du das interpretieren
willst? Hammer und Sichel lassen grüßen.
Ein Logo zu entwerfen, ist eine interessante
Aufgabe. Das kam in meiner grafischen Laufbahn
einige Male vor, dass ich mich daran
versucht habe.
# Hamburg, das Tor zur Welt!
Erinnerungen
gewinnen an
Wichtigkeit
mit zunehmenden
Alter. Anfang
der Achtzigerjahre
war ich bei
Schlotfeldt
Praktikant,
eine
seinerzeit
bekannte
Werbeagentur
in der Hansastraße, Ecke Mittelweg
(beim Stadion). Gleich zu Beginn meiner
Ausbildung hatten wir „Winschermann“ zu
betreuen, die fuhren Heizöl in Tanklastwagen
zum Kunden, bekamen einen orangen
Strich auf weiß. Wir verwendeten Helvetica,
das war modern.
Das eigene Motto, unverwechselbare Zeichen,
ein Logo, Farben, ausgesuchte Formen
des Designs, bestimmte Schriften einem
Unternehmen an die Seite stellen: Corporate
Identity zu definieren, bedeutet das
gewünschte Erscheinungsbild eines Systems
oder Firma zu erschaffen. Ein Konzept, das
mittels der Werbung kommuniziert wird.
Die Stadt ist auch Auftraggeber gewesen.
Die Hamburg-Werbung kannte man mit roter
Burg in HKS 13, begleitet von Mottosätzen
„Hamburg ist Alster“ (und ähnlich) auf Blau
41. Es gab immer neue Aktionen. Einmal
machten wir ein Plakat mit Nummernschildern,
die an den Wagen auf den Straßen der
Weltstadt irgendwo fotografiert waren. So
an die zwanzig verschiedene hatten wir be-
Mai 5, 2022 - „Das Ohr zur Welt“ 73 [Seite 73 bis 75 ]
reits, die taugten
für diese Idee.
Es wäre doch
schön, einen
Segeberger mit
„x“ dabeizuhaben
oder in der Kombination
„se-xy“,
fand jemand. Wir
durften am Wochenende
privat
auf die Suche
gehen, immer
mit der Kamera
schussbereit. Vor
dem „Atlantik“ oder „Vierjahreszeiten“ wurde
ich tatsächlich fündig. Ein weißer BMW,
ein kleines Cabrio hatte das gewünschte
Kennzeichen. Und ich habe dieses Fahrzeug
fotografiert. Das wurde genommen. Ich
war siebzehn, noch Schüler und konnte am
Montag damit punkten, die Jagdbeute erlegt
zu haben.
Nicht nur die Alster und ihre Flaniermeile
hatten wir im Visier. Werbung sollte
Hamburg attraktiver machen, auch dort, wo
hässlich gebuddelt wurde, Baustellenlärm,
Bagger, Stau und Staub die Menschen behinderten.
Der Hauptbahnhof bekam einen
Bauzaun rundherum. Das war unvermeidlich:
Dieser Zaun stand mehr als ein Jahr. Was
tun? Wir haben ihn in Dunkelblau streichen
lassen. Darauf kam in regelmäßigen
Abständen von einigen Metern die Burg,
dazwischen die „Istmen“, Hamburg ist Mors
Mors, Hamburg ist Zuhause, Hamburg ist
Elbtunnel usw.
# 1.000 Euro sind zu gewinnen
Und du kannst dabei noch was für uns alle
tun! Den Wettbewerb in Schenefeld werden
fleißige Mädels im Kunstkurs abarbeiten. Ich
ärgere mich nur,
wenn ich dieses
Plakat an der
Poststelle sehe
oder ein Foto
der einschleimend
grinsenden
Bürgermeisterin
im Tageblatt,
die möchte, dass
motivierte Schülerinnen
womöglich
für nass ein wenig
rummalen. Nicht,
dass es mir ums
Geld ginge, aber
im Beruf, wenn
ein Grafiker damit
beauftragt würde,
müsste die Stadt zahlen. Ich kann Christiane
Küchenhof, unsere Verwaltungschefin, ganz
persönlich nicht leiden. Das ist bekannt?
Für mich kommt es nicht in Frage, der Stadt
was anzubieten. Das würde auch niemand
wollen. Weder als Auftrag, noch als Gefälligkeit.
Für immer verstört. Persona non grata
bis über den Tod hinaus beiderseits. Ärger
motiviert, den Abstand einzuhalten und gar
nichts zu ignorieren.
Und die jungen Künstlerinnen (Jungs
beteiligen sich nicht. Sie wollen Manager
werden), nicht alle sind vorn mit dabei: „Dein
Entwurf hat uns gut gefallen, aber leider
haben wir uns anders entschieden.“ Das
könnte dabei herauskommen. Tausend Euro
Preisgeld, zehn Arbeitsstunden sind sportlich
bei der zu erwartenden Kritik, was alles
bitteschön noch geändert werden müsste.
Auftraggeber können in der Regel selbst
nichts malen. Christiane, die Talentlose
oben vom Stadtturm, jedenfalls, ist
vollkommen unfähig, überhaupt Ansätze
einer Gestaltung zu begreifen. Sie kann
Klee nicht unterscheiden von Bereuter. Sie
malt selbst nur in schwarz. Die Eitle zieht
den Lidstrich ins Altmädelsgesicht und
fragt den Spiegel ein ums andere Mal:
„Wer ist die Schönste im ganzen Land?“
Das kann sie. Die Zwerge im schottischen
Hochland und anderswo verstummen, ob
ihrer Bosheit, vergiftete Äpfel unter das
Volk zu bringen. Ein Talentwettbewerb ist
eine schöne Sache. Da sieht man nicht auf
den Lohn. Es winkt der Ruhm! Aber
wenn einige draufschauen, was du
gemacht hast, wollen diese Leute
sagen, was ihnen „nicht“ daran
gefällt. (Man hat eine Helmut-
Schmidt-Gedenkmünze irgendwo
in Auftrag gegeben. Der Grafiker
musste die Zigarette aus der Hand
des Altkanzlers entfernen. Nun hält
Helmut zwei leere Finger in die
Luft auf dem Ding. So ist Grafik. Nur
solche wie Picasso können darüber
bestimmen, was sie entwerfen bis
zum fertigen Produkt). An zwei
Arbeitstagen schafft niemand ein
Logo fertig zum Druck.
Immerhin, das mache ich: Im
Moment entwickelt sich in meinem
Atelier eine Konstruktion für die
Stephanskirche. Eine Bank wird zur
Plauderecke mit Daniel oder Rinja
auf einem Gartenfest im Sommer.
Dafür benötigen wir ein Schild. Die
Kirche ist freundlich. Für jede Taufe fertige
ich ein neues Blatt aus grünem Filz für unseren
Lebensbaum. Den Trecker für Erntedank
habe ich mit einer neuen Tafel versehen.
Das sind die letzten verbliebenen Aufträge
mit regulärer Grafik, auf die ich mich
eingelassen habe. Ein Logo für einen
baltischen Chor zu gestalten oder Radtouren
darzustellen, einige Korrekturen
für „Bark“, alles liegt schon Jahre zurück,
und nun habe ich meinen
Steuerberater gebeten, eine
Geschäftsaufgabe vorzubereiten.
Dann bin ich nur noch
Maler meiner unverkäuflichen
Bilder. Ich könnte die
Webseite löschen.
Für die Gesellschaft empfinde
ich in erster Linie Spott,
weil die meisten nur mitlaufen
und oft unehrlich sind,
auch zu sich selbst. Es tut weh,
mit anderen zusammenzutreffen,
weil viele borniert, bösartig
und dumm auftreten, denen
man nebenbei begegnet. Ich
gehe Menschen pauschal aus
dem Weg. Einsamkeit ist scheiße,
aber die anonyme Bosheit
derer, die freundlich getan haben, um mich
dann doch erkennbar als Beute anderswo zu
verkaufen, das hat mich verändert. Mit Alex
im Cotton-Club (am Abend vor der Beerdigung
meiner Mutter) die Lieblingsmusik
Jazz zu hören, ist mehr als verstörend (aus
heutiger Sicht), wie das offenbar gelaufen ist
mit penibler Vorbereitung, dabei Mäuschen
zu sein, der anderen, um meine „Freundin“
drumherum.
Nie wieder Empathie.
Ich hasse Frauen, tatsächlich, einige. Das war
anders. Ich habe mich verändert. Ein wenig
reden ja, Geschichten sind das. Mein Herz
hängt nicht dran, wenn ich mich unterhalte.
Ich vermeide Beziehungen zu pflegen oder
neue einzugehen. Nur was unbedingt nötig
ist. Die Beziehung zum Markt; Leben ist
Geld. Meine Existenz: Wenn die Inflation
schlimmer wird oder der Krieg sich ausweitet,
werde ich betteln um irgendeine Arbeit
wie der letzte Dussel ohne Ausbildung. Das
ist mir scheißegal.
# Hass ist ein guter Ratgeber!
Wer sich
vorstellen
kann, wozu
ein Mensch
fähig ist, lebt
in der Realität.
Man kann
sich leichter
zurückhalten,
wenn man
um die Gefahr
weiß, was
alles kaputt
gehen kann.
Wenn andere
ausrasten
und sogar
töten im
Zorn, denken
nicht wenige,
bei ihnen
selbst wäre
es anders?
Die sind naiv. Meine Einstellung ist, keine
Erwartungen an die Zukunft zu haben, außer
zunehmende Schwierigkeiten anzunehmen.
Je älter man wird, um so mehr Beschwerden
kommen. Das ganz Tolle jedenfalls, für mich
wird es ausbleiben. Wir treten auf Afrika rum,
den armen Ländern. Corona und der Krieg
um die Ukraine demolieren unsere Illusion
eines gerechten Lebens. Nicht zuletzt die
Klimaentgleisung, die wir nicht aufhalten
werden durch schöne
Worte, wird uns
den Garaus machen.
Es gefällt mir, miese
Zeiten am Horizont
drohen zu sehen.
Ich bin als ein
Mensch durch die
besten Jahre meines
Lebens gegangen,
ohne sie spüren zu
können. Um mich
herum haben die
anderen Karriere
gemacht, geheiratet,
Kinder bekommen,
Häuser gebaut, große
Schiffe gekauft
und sind in den
Urlaub geflogen. Ich bin dem nachgelaufen
und habe mir vom Psychiater das Gelaber
angehört, das niemand gesund macht und
die empfohlenen Pillen gefressen. Bis ich
damit aufgehört habe, es zu tun. Das liegt
lange zurück, aber danach ist klarzukommen
in Scheißschenefeld nicht einfacher. Der
Versuch, noch zu leben (zum Schluss). Mehr
ist das nicht. Eine fiese Wut treibt mich, und
wenn es dumm kommt, ende ich bei den
Mai 5, 2022 - „Das Ohr zur Welt“ 74 [Seite 73 bis 75 ]
Forensischen für immer. Es fällt
mir schwer, die Contenance zu
bewahren ein ums andere Mal,
weil mir die jahrelange Übung
der Normalgesunden fehlt, die
seit der Schule daran gearbeitet
haben, eine individuelle Fresse
zu ziehen. Da fängt es schon an:
Man muss „Fassade“ sagen, das
ist eleganter. Ich bin entartet,
und das könnte bereits ein verbotenes
Wort sein? Das Unkraut,
keine Zierpflanze für das schöne Feld und
bestimmt nicht der Gestalter, welcher uns
das neue Motto vorgibt.
Die Düpenaustadt im Osten von Pinneberg,
Ha ha.
:)
Mai 5, 2022 - „Das Ohr zur Welt“ 75 [Seite 73 bis 75 ]
Muttertag
Mai 8, 2022
Warum gibt es das Angebot, eine Verhaltenstherapie
zu machen für psychisch kranke
Menschen? Gesunde nehmen offenbar an,
dass die Kranken, würden sie anders handeln,
gesund wären wie die Normalen. Wenn
das stimmt, dann müsste es gesundes und
damit richtiges Verhalten geben, das in einer
Therapie gelehrt würde. Damit könnten
psychische Erkrankungen auf fehlerhafte
Verhaltensweisen heruntergebrochen werden,
die durch angepasste Formen integrierten
Handelns gebessert würden. Dann
wären diese Krankheiten welche, deren Leid
selbstverursacht ist, und die Gesundung
könnte der Betroffene durch lernen selbst
herbeiführen. So denkt der Anbieter einer
Gesundheitsschule, die noch den Haken hat,
dass Eigenverantwortliches nicht vom Therapeuten
motiviert getan werden kann.
Dazu kommt die Not, die der Psychiater
damit hat, Medikamente einsetzen zu
müssen und die vielfältigen Spielarten
dieser Erkrankung, die gerade nicht nur im
Kopf stattfindet. Der psychisch Kranke läuft
außerhalb vom Sprechzimmer durch sein
eigenes Leben. Das ist kein herum rollender,
loser Kopf auf Abwegen, sondern ein ganzer
Mensch, der mit Körper und Gliedmaßen
Blödheiten macht, die ihn schließlich in
Not bringen, dass ein Arzt aufgesucht wird.
Das absurde Verhalten kommt mehr oder
weniger schlimm ausgeprägt zu Tage, dass
nun je nach Fall Angehörige, Freunde oder
tatsächlich noch so weit klar, der Kranke
selbst eine Praxis aufsucht, nach dem Motto,
mit mir stimmt was nicht.
Wie die Sache weitergeht, das Leben
zukünftig verlaufen wird, hängt letztlich
auch von der Qualität der Therapie ab. Wer
im Dorf x seine Auffälligkeit entwickelt und
dem Arzt um die Ecke in die Praxis gerät,
könnte eine schlechtere Prognose haben als
andere, die irgendwie und aus Gründen des
Zufalls besser therapiert werden. Da gibt es
einen signifikanten Unterschied zu normalen
Beschwerden. Wer eine Hüft- oder Augenoperation
plant, wird sich gezielt auf die
Suche machen und Bewertungen der Spezialisten
einsehen, bevor er jemanden ranlässt
für eine Behandlung. Der normale Kranke
entscheidet eigenverantwortlich, wer zum
Doktor für ihn werden soll. Der psychisch
Kranke kann nicht eigenverantwortlich handeln.
Das genau ist der Kern jeder
psychischen Erkrankung. Es handelt
sich um soziale Störungen. Das
heißt, wollte man eine pauschale
Definition probieren, käme man
bei allen verschiedenen Formen
dieser Krankheiten nicht umhin,
den gemeinsamen Nenner darin zu
definieren, dass die Kranken sich
selbst in Beziehungen hineinmanövrieren,
die scheitern.
Kinder mit psychischen Störungen
sind in der Beziehung zu ihren
Eltern, darin besteht das Problem.
Sie können nicht weg. Erwachsene,
die psychisch krank sind, können nicht
normal arbeiten für ihre Existenzsicherung.
Sie haben Beziehungsprobleme mit allen für
sie lebenswichtigen Menschen im Umfeld.
Zusammengefasst heißt das, ein gesunder
Mensch kann sich seine Beziehungen wählen
und merken, ob sie auf nützliche Weise
(und gegenseitig) finanziellen wie emotionalen
Gewinn bringen, eine Zukunft perspektivisch
aufzeigen. Der psychisch Kranke wählt
nicht, wohin er geht und mit wem er dort
lebt, liebt, arbeitet. Dem Kranken geschieht
das Leben unter dem Zwang, welcher sich
aus den Forderungen der Umgebung und
seiner eigenen Unfähigkeit ergibt, daraus
eine individuelle Lösung zu entwerfen, die
gut tut. Dem Zwang zu unterliegen und nicht
zu bemerken, dass Alternativen möglich sind,
ist das Problem.
Der gesunde Mensch passt seine Emotionen
entsprechend der Situation an. Wenn wir
unter Stress geraten, macht das wenig aus,
wenn anschließend die Erholung möglich
ist. Ohne Arzt zu sein, kann man sich
vorstellen, dass im Gehirn entsprechend
Aufruhr ist, wenn es im Job hoch her geht
und Ruhe auch zwischen den Gehirnzellen
zurückkehren wird, in der Nacht, wenn der
Mensch schläft. Welches Medikament auch
immer erfunden würde; das Problem bleibt,
dass die Pille nicht weiß, wie stark sie entsprechend
der Situation benötigt wird. Eine
Behandlung, mit welcher Dosis auch immer,
ist statische Hilfe. Das Leben ist hingegen
dynamisch.
In der Folge dieser Realität, nehmen die
Verläufe von psychischen Krankheiten und
entsprechend die Lebenskarrieren der Behandelten
zwei grundsätzliche Richtungen.
Die einen steigen immer weiter ab in der
Gesellschaft, trotzdem oder gerade weil ihnen
geholfen wird und wenige befreien sich,
bis sie eigenverantwortlich klarkommen.
Sie haben es doppelt schwer. Die sich so
verstehenden Erkrankten müssen sich gegen
die anderen behaupten, mit ihnen Beziehungen
eingehen wie alle in der Gesellschaft.
Dazu müssten sie ihre Helfer loswerden, um
eigenverantwortlich zu sein, wie die Gesunden.
Da sind nicht wenige Ärzte, die fachlich
zu schlecht sind, das zu verstehen und die
unter Umständen mit einer unlösbaren Aufgabe
konfrontiert sind, weil die Krankheitssituation
das Ziel vollständiger Gesundheit
von vornherein ausschließt. Diese Menschen
können nicht erreicht werden, etwas zu lernen.
So werden wir als Gesellschaft weiter
akzeptieren müssen, dass einem großen Teil
der Kranken nicht wirklich geholfen werden
kann. Ein trauriges Bild. Gerade dann, wenn
man im Einzelfall erkennt, dass mit gutem
Willen viel mehr ginge und eine bessere
Struktur der Hilfe, gleich einem Training,
schaffbar wäre, anstelle der stigmatisierenden
Methode, Menschen geradezu krank zu
halten wie eine andere Sorte oder Rasse
von uns.
Würden wir nicht von Normalen und Kranken
reden, was problematisch ist, denn was
ist „normal“, könnten wir uns leichter auf
selbstbewusste Menschen fokussieren und
ihre Qualität weniger als nachahmenswert
anerkennen, sondern als nützliches Lernfeld.
Es gibt bereits genügend Follower, die ihre
jeweiligen Helden bewundern. Nur ganz
wenige lernen, so zu werden wie Menschen,
denen viele nachlaufen, indem sie im Netz
fleißig ein Häkchen setzen dabeizusein.
Man ist nicht krank, wenn man Elon Musk
die Gefolgschaft zeigt, man ist wohl mehr
als normal. Gesund ist das keinesfalls. Es ist
blöd. Warum nimmt sich die Medizin, die wir
dazu für befugt halten, psychisch Kranke zu
betreuen, das Normale als Ziel zum Vorbild,
wenn dieses normalgesunde Verhalten
das der blöden Menschen ist, die anderen
hinterherrennen?
Die Psychiatrie macht beinahe alles falsch.
Sie hat keine belastbare Theorie, die nachprüfbar
wäre, mit der die Ärzte arbeiten.
Diese Fakultät doktert weiter nur herum.
Das sind deswegen menschenverachtende
Weißkittel. Sie glauben tatsächlich, Gutes zu
tun. Der Grund dieser Probleme liegt darin,
dass die Leistung des Psychiaters nicht
nachprüfbar ist, von einer Gesellschaft, der
wiederum der Maßstab dafür fehlt, ihn an
die Fachärzte anzulegen, weil die breite
Masse sich vor Gestörten fürchtet und gar
nicht wissen möchte, was diese so stört und
verstört. Im Zweifelsfall ist es nur feiste
Einbildung, die sogenannte Normale zum
dicken Fell schützend über ihre unsensible
Seele hängen, damit sie selbst klarkommen.
Wie lange denn? Wären wir ehrlich zu uns
als Gesellschaft, könnten wir leicht bemerken,
dass auch Menschen erkranken, denen
wir bislang nicht angesehen haben, wie
nahe sie am Grat zur Klappse wanderten.
Dafür hat die Moderne den Begriff Burnout
kreiert. Das haben welche, die schon weit
gekommen sind und erst spät zusammenbrechen.
Wir bemerken vermehrt auch Kinder
mit Depression und Suizidgedanken, ein
Phänomen das neu zu sein scheint. Wären
wir hier auch ehrlich, könnten wir zugeben,
dass keine neuen Krankheiten auftreten,
sondern mehr diagnostiziert wird. Und zwar
bei Jüngeren, die in den Fokus geraten sind,
als behandelbar, wie bei Leistungsträgern,
die wir gern als solche zurückgewinnen
möchten. Es liegt uns dran, diese beiden
Gruppen, die Jugendlichen und die Burnout-
Manager, in der Gesellschaft zu halten.
Mai 8, 2022 - Muttertag 76 [Seite 76 bis 77 ]
Warum die Masse der seit langem bekannten
typischen Geisteskranken aufgeben? Das
sind die Schizophrenen, die Manischen, die
Depressiven, die es schon immer gab, die
weltweit in allen Gesellschaften einen nicht
unerheblichen Teil der Menschheit abbilden,
der sozial nicht wirklich integrierbar scheint.
Die dröhnen wir zu mit was. Wir schicken sie
hierhin und dorthin. Und die armen Tröpfe
lassen es mit sich machen. Wir kümmern uns
um Gewalttäter mit „einem Hau“. Nicht etwa,
dass uns deren Gesundheit am Herzen liegt.
Wir probieren, sie als Gefährder mit einer Art
Kennzeichnung abzustempeln, besonders
im Bereich der Sexualdelikte, überwachen
verdeckt, denn wir möchten die Gesundheit
derer schützen, die angegriffen werden
könnten.
Die geistige Gesundheit dieser latent gewalttätigen
Sonderlinge selbst, ist uns in der
Regel wurscht. Dabei wäre das genauso ein
möglicher Ansatz. Wir könnten eine handfeste
Theorie erdenken, die im Kopf kranke
Menschen erklärt, wie etwa die Schwerkraft
unsere Bodenhaftung in der Physik. Dann
wäre es denkbar, statt immer mehr Menschen
nach immer neuen Diagnosen und
Gutachten, was sie möglicherweise anstellen
würden, zu behandeln, die armen Würmer
dauerhaft gesund zu machen. Wir sehen in
ihnen Monster, die uns bedrohen. Wir trauen
uns nicht ran, denn wenn wir bei unserer
Hilfe versagen, werden wir als Arzt selbst
belangt und die Verantwortung für eine Tat
schlägt durch auf den Betreuer.
Greta Thunberg hat der Jugend einen Weckruf
gegeben. Sie hat vor allem ihre eigenen
Ängste sichtbar machen können und damit
die vieler anderer. Sie hat gezeigt, dass wir
wirklich ein Problem haben. Das größere
Problem für alle ist, dass unsere Erde kaputt
geht. Ihr persönliches, das allerkleinste
Problem aus der Sicht der ganzen Menschheit
– denn ob eine Schülerin in Schweden
Asperger hat oder nicht, hätten wir nicht
bemerkt – wurde zum Motor, uns alle wachzurütteln.
Danke dafür, Greta. Denn ganz nebenbei,
bist du zu einem Vorbild geworden,
dem nachzulaufen auch bedeuten kann, kein
Umweltaktivist zu sein. Man kann von dir
lernen, Angst wahrzunehmen und diese zur
ganz eigenen Motivation umwandeln. Heute
ist Muttertag. Meine Mutter ist leider schon
gestorben. Greta war ein ganz normaler
Vorname 1941 und ist es heute wieder.
:)
Damit könnte ein Maßnahmenkatalog definiert
werden, was wir neben dem Tierwohl,
der Friedenssicherung in der Ukraine und
bei der Klimakatastrophe bräuchten, eine
Beschreibung, wie die Psychiatrie nützlicher
würde. Wir benötigten eine Theorie,
die wegkommt von der Normalgesundheit
als zu diffus für ein erstrebenswertes Ziel,
nachdem wir behandeln. Stattdessen eine,
die dem selbstbewussten Tun der Erfolgreichen
eine wissenschaftliche Erklärung
zur Seite stellt, die durch Beobachtung und
Training verifiziert ist. Dann müssten die
Einflüsse der Pharmazie kritisch bewertet
werden. Es ist verständlich, dass Auffällige
ruhigzustellen einen gewissen Erfolg
bedeutet, wenn Patienten dummes Zeug
machen. Dauerhaft angewendet, führt jede
Medikation in diesem Fachbereich in eine
die Eigenverantwortlichkeit zerstörende
Abhängigkeit. Das geschieht auch bei den
Medikamenten, die keine Gewöhnung im
medizinischen Sinne hervorrufen, weil sie zu
einem Werkzeug werden, ohne dass der Betroffene
nicht mehr gewohnt ist zu handeln.
Nun wäre es nötig, ein Ranking zu formulieren.
Der genaue Zusammenhang zwischen
dem, was getan wird, um alles zu bessern
und einer erfolgreichen Lebenskurve, die
allmählich wieder aufsteigt, was das emotionale
Gesamtbild, die finanzielle Existenz
und die Beziehungsfähigkeit betrifft, müsste
dem zugeschrieben werden, der sich um uns
bemüht. Gut möglich, dass diese Strukturen
in einzelnen Einrichtungen bereits gut
ausgebildet sind. In anderen aber nicht, und
deswegen fehlt noch die Navigationshilfe
für diejenigen, die ihren Sextant verlegt haben
oder nie lernten, ihr Schiff zu navigieren.
Wie kommt verlässliche Medizin – die hilft,
wie ein guter Trainer dem schlechten Verein
– zu denen, die das brauchen, aber nicht
wissen, wohin?
Mai 8, 2022 - Muttertag 77 [Seite 76 bis 77 ]
Hundert Prozent Wunschdenken, sechzehn
real
Mai 10, 2022
Wieder hatte die SPD einen Kandidaten
aufgestellt, der seine Wahl nicht gewinnen
konnte. Das ist mein Eindruck der Landtagswahl.
Hundert Prozent! Martin Schulz
lässt grüßen. Wer in das verdutzte Gesicht
von Thomas-Losse – boshaft: dem „Loser“
– Müller schaute, erlebte am Abend der
Wahlschlappe ein Déjà-vu.
Natürlich, auch die CDU hat Wahlen verloren:
Um den Bundestag, das große Ding
verkackt. Der trockene Olaf ist so nebenbei
durchmarschiert. Ich habe ihn nicht gewählt.
Man muss zugeben, dass es nicht anders
kommen konnte und wer überrascht war, wie
ich zum Beispiel, einfach nicht genau hingeschaut
hat – vorher, sollte es einsehen. Mein
Fehler. Unvergessen (ist noch) der glücklose
Armin Laschet, der dem zukünftigen Wähler
aber schon bald so unbekannt sein wird,
wie der damalige Kanzleranwärter Schulz
es inzwischen geworden ist. Die Versenkung
hat sich geöffnet!
Für mich liegt der Fokus auf dem kleineren
Schleswig-Holstein, mein Zuhause, und den
Fehlschlägen bei den Sozialdemokraten der
näheren Vergangenheit, weil diese noch so
präsent ist und mich persönlich berührt.
Verschluckt vom Schicksal wurden Heide
Simonis, später Torsten Albig. „Der Eindruck
war ein anderer“, sagte der fassungslose
Albig immer wieder, noch berauscht vom
warmen Regen inmitten der Genossen auf
den Wahlveranstaltungen, die doch in die
kalte Dusche seiner krachenden Niederlage
führten. Der Ablöser Daniel Günther war erst
kurz vor der Wahl einer breiteren Öffentlichkeit
bekannt geworden. Das entspricht in
etwa dem, was die Sozialdemokraten jetzt
bejammern, man habe nicht genügend Zeit
gehabt, den Kandidaten Losse-Müller vorzustellen.
Insofern ist es keine gute Erklärung
der Wahlniederlage.
Das Abtreten von Albig, verstockt in meiner
Erinnerung, wie das verbissene Festhaltenwollen
an der Macht von „Pattex-Heide“.
Auch der Kandidat Ralf Stegner, der es nie
ins Amt schaffte, hat dieses Auftreten vom
unsouveränen Wadenbeißer. Heide Simonis
fiel einer anonymen Enthaltung in einer
Kampfabstimmung zum Opfer. Manche
werden sich erinnern. Albig gelang die Wiederwahl
nicht. Einzig Ralf Stegner kämpft
verbissen um seine Karriere. Er tauchte am
Wahlabend auch vor den Kameras auf, spendete
dem geschockten Losse-Müller und
seinen Mannen Trost in Kiel. Das habe ich im
Fernsehen verfolgt.
# Ich interessiere mich für Politik
Es liegt mir fern, eine qualifizierte Bewertung
zu versuchen, woran der Kandidat
scheiterte. Ich begeistere mich für die
Realität als eine harte Wahrheit und auf der
anderen Seite unser Wunschdenken in mancher
Lage, das ja nicht nur ein politisches
Trauma werden kann, sondern Menschen allgemein
betrifft, die auf einen Gewinn hoffen,
ein Ziel ansteuern und welches zwingend
zur Enttäuschung führen muss. Der gescheiterte
Kandidat wird es bald schwer haben
in seiner Partei. Was doch wundert, ist seine
so offensichtliche Überraschung, eine totale
Niederlage eingefahren zu haben, nachdem
die Prognosen recht deutlich genau
dies voraussagten. Die Enttäuschung war
schmerzlich mitanzusehen. Losse-Müller ist
dem Augenschein nach ein sympathischer
Kandidat. Da fühlt man mit, wenn etwas
nicht gelingt.
Ich schaute kurz in einen Ausschnitt des
Wahlkampfes: Nebeneinander haben links
Daniel Günther, der amtierende Ministerpräsident,
in der Mitte der Herausforderer
Thomas Losse-Müller und ganz rechts die
Kandidatin der Grünen, Monika Heinold,
die in diesem Moment selbst dafür wirbt,
Regierungschefin werden zu wollen, ein Pult
bekommen, sich zu präsentieren. Das TV-
Triell. Losse-Müller beschreibt seine Vision
kostenfreier Kitas für alle.
In diesem Moment zappe ich in die Sendung.
Köstlich trocken und kameradschaftlich ist
diese Reaktion der beiden anderen. Heinold
hakt gleich ein, als der Sozialdemokrat die
Wundertüte ausschüttet, das Füllhorn seiner
zukünftigen Regierung würde endlich die
gebührenfreie Betreuung unserer Lütten
möglich machen. Sie merkt an, dafür wären
keine Mittel vorhanden.
Monika Heinold von den Grünen ist schon
unter der Regierung Albig Finanzministerin
gewesen, das ist bekannt.
Drollig demzufolge und besonders unaufgeregt,
denn eigentlich sollten hier drei
Anwärter um die Spitze kämpfen, springt
Günther der Grünen bei. Die beiden teilen
sich ein Büro? Das sind jedenfalls Partner
einer gut funktionierenden Jamaika-
Koalition und arbeiten nahezu reibungslos
Hand in Hand. Das merkt man als Wähler
schon. Norddeutsch unspektakulär sagt der
Ministerpräsident in etwa zu Losse-Müller,
sie nehmen den Armen so nebenbei in die
Zange: „Kita gebührenfrei? Das geht nicht.
Monika Heinold und ich kennen den Haushalt.
Anschließend der Corona-Hilfen und
den daraus resultierenden neuen Schulden,
sowie der ungewissen, wirtschaftlichen Situation
durch Krieg und Flüchtlinge, ist das
nicht drin.“ Er tritt (locker) nach:
„Dieses Geld ist schlicht nicht da.“
„Dann machen wir es eben nicht …“,
… scheint der Herausforderer zu sagen; rein
von der Körpersprache, knickt der Arme
buchstäblich ein.
Dabei ist es sein zentrales Thema. Er
probiert den einen oder anderen schlappen
Satz. So hat das ausgesehen, richtig zugehört
habe ich nicht mehr …
Der optische Eindruck war vernichtend.
Etwa so: Drei Kumpels einer Firma stehen
zusammen. Der neue Mitarbeiter stellt seine
Idee vor, die langjährige Angestellte und der
freundliche Chef reflektieren. „Lassen Sie’s
mal gut sein, Müller“, nette Idee. So kam mir
das vor, und dann habe ich den Sender in
diesem Moment wieder gewechselt.
:)
Mai 10, 2022 - Hundert Prozent Wunschdenken, sechzehn real 78 [Seite 78 bis 79 ]
Wer ist gesund?
Mai 11, 2022
Die Geschichte der Psychiatrie findet sich
wie vieles als Beitrag auf Wikipedia. Psychische
Krankheiten werden als eigenständiges
Problem erkannt und das ist so neu nicht.
Eine umfangreiche Behandlungsstruktur mit
entsprechenden Ärzten, Medikamenten und
Einrichtungen, die zunächst den Gefängnissen
ähnliche Versuchs- und Verwahranstalten
sind, hat sich mit der weltweiten
Bevölkerungszunahme entwickelt. Man
begriff, dass im Gehirn der Auffälligen der
Unterschied zur gesunden Bevölkerung
wäre, denn ein Mensch steuert seine Wege
offenbar nicht von den Füßen her, sondern
vom Kopf aus. Also nimmt diese Fakultät an,
dass es eine normale und auf der anderen
Seite die kranke Funktion gäbe, welche vom
Gehirn gelenkt, dort behandelt werden müsse.
So weit so richtig, sieht sich der Behandler
einer Vielzahl von Problemen gegenüber,
die weiter wenig befriedigende Lösungen
gefunden haben für eine Not, mit der die
Menschheit um so mehr zu tun bekommt,
je voller der Planet ist. Warum ist das so?
Die Antwort kann nur darin liegen, dass der
Angst als einer notwendigen Eigenschaft
des Menschen die entscheidende Bedeutung
zukommt, will man sich an einer Erklärung
der verschiedenen psychischen Erkrankungen
versuchen. Die Angst des nur vereinzelt
aufkommenden Lebewesen richtet sich an
den natürlichen Gefahren der Umgebung
aus. Die Angst unserer Moderne ist sozial. Es
gibt gute Gründe, die anderen zu fürchten,
wenn sie überall sind.
Trotzdem kommt die normale Breite der
Bevölkerung klar mit den gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen. Das sind wohl
diejenigen, die von Beginn ihres Lebens
an den Lernprozess der Anpassung gut
hinbekommen haben. Sie hatten entweder
das Glück eines stabilen Elternhauses oder
die individuelle Einstellung zum instabilen
Rahmen, die ihnen geholfen hat. Wenn eine
liebevolle Familie nicht der Ursprung ihrer
Entwicklung gewesen ist, gelang es diesen
Kindern früher als den behüteten, einen
ganz eigenen Weg einzuschlagen, trotz widriger
Bedingungen, emotionale Freiräume zu
finden für ihre Bedürfnisse unter Umständen,
die andere zerbrochen hätten. Da es eine
Vielzahl von Anpassungen gibt, sollten wir
zunächst anerkennen, dass die Normalität so
individuell ist, wie es Menschen gibt.
Würde die Wissenschaft der Psychiatrie auf
einer belastbaren Theorie menschlicher Gesundheit
versus Krankheit agieren, könnten
diese Ärzte Erfolge messen und schlecht
helfende Kollegen müssten sich dem Kodex
anpassen, der in der Qualität der Behandlung
definiert wäre. Nach wie vor verzetteln
sich Ärzte in Diagnosen und der Schwierigkeit,
Unselbständige an sich zu binden und
damit Ewigkeiten zu schaffen, die gerade
nicht das Ziel sein dürften, wenn wir Gesunde
und Selbstständige möchten. Nehmen
wir also an, dass die Erziehung der Kranken
nicht gelang, dürfte der Therapeut nicht zum
lebenslangen Begleiter werden und schlechte
Eltern durch eine Bindung an eine Art
Lebenskrücke, den Arzt und seine Medizin,
ersetzen. In vielen Fällen ist das Realität.
Die Aufgabe einer kritischen Einstellung
zur modernen Behandlung sehe ich darin,
den Anteil der ein Leben lang geführten
Patienten kleiner zu machen. Wir könnten
bei besseren Methoden mehr Menschen auf
einen guten Weg bringen, den gestörten Prozess
ihrer Entwicklung zu einem Abschluss
bringen, dass diese allein zurechtkommen
und für eine individuelle Lebensgestaltung
Wege finden, die weniger normal, sondern
als gesund zu bezeichnen wären.
Das hieße zunächst mit dem Begriff der
Normalität anzufangen. Wir benötigen ein
Ziel und kein Wort, wo wir hin möchten. Der
kranke Kopf ist ein Fakt. Wäre das nicht so,
könnte man keine Psychose medikamentös
beenden. Das können die Ärzte aber sehr
wohl in vielen Fällen. Genauso die Depression.
Moderne Antidepressiva sind nachweislich
wirksam. Allein durch gutes Zureden
beendet man schwere Verläufe kaum.
Warum wird dennoch Verhaltenstherapie
angeboten? Wir erkennen, dass Menschen
nicht nur, wenn sie sich in einem extremen
Lebensabschnitt befinden, Hilfe nötig
haben, sondern auch dann, wenn sie latent
gefährdet auf dem Grat wandeln, der zwischen
dem stabilen und weniger gesunden
Dasein verläuft. Wir möchten Labile stärker
machen. Deswegen reden wir mit ihnen
und hören zu, als Helfende, besonders wenn
wir nicht aus Liebe oder Freundschaft dazu
angetreten sind, sondern beruflich „vom
Fach“ sind. Dann müssten wir uns aber auch
untereinander daran messen können, wie
die Qualität dieser Unterstützung definiert
ist. Das bedeutet, der Krankheit als Fakt, die
Gesundheit als ebensolchen gegenüberzustellen.
Da hapert es erkennbar.
Daran ist nicht zuletzt die Gesellschaft
schuld. Wir können nicht einen Kranken
gesund machen, der selbst kein Bild davon
hat, was das sei. Da fragen Sie mal in
einer Einkaufsstraße die Leute, was einen
Geisteskranken ausmacht, und was dagegen
die anderen kennzeichnet, die nicht krank
im Kopf sind? Normalgesunde wissen in
der Regel nicht, weshalb sie nicht psychisch
krank sind. Einen Bekloppten meinen alle
erkennen zu können. Würde das stimmen,
hätten wir keine Amokläufer, denn man
würde es ja vorher merken, was jemand
ausbrütet. Die Normalität darf deswegen
nicht unser Ziel sein, weil sie einen viel
zu ungenauen Rahmen gegen die kranken
Formen menschlichen Seins aufbaut. Das
ist eine Mauer aus anderen, die nur zufällig
fest steht. Nicht wenige Zeitgenossen fallen
überraschend raus und werden psychisch
krank, obwohl ihre Umgebung sie bislang
als verlässliche Bausteine unserer normalen
Umgebung eingeschätzt hatte.
Könnte die Psychiatrie anstelle dem nicht
krank sein die gesunde Funktion des
Menschen nicht nur erkennen, sondern
herbeiführen, wäre es gut. Tatsächlich ist der
Facharzt dazu bereits ganz gut in der Lage.
In vielen Fällen gelingt es, Krisen abzukürzen.
Menschen können reintegriert in den
Alltag zurück. Was nicht gut funktioniert, ist
die Therapie, die doch Rückfälle verhindern
soll und eine gute Entwicklung ermöglichen.
Wenn wir auch hier wohlwollend bewerten,
könnten wir noch bemerken, dass es sehr
wohl gute und erfolgreiche Behandlungen
auch dort gibt, wo bislang schwere
Lebenskrisen vorherrschten, mit Hilfe von
Kliniken, Ärzten und Tageskliniken gute
Ergebnisse erzielt wurden. Der Zufall spielt
aber weiter in großer Breite eine Rolle, ob
jemand gesund wird. Wir helfen nur denen,
die am richtigen Ort landen und die gut auf
eine Behandlung ansprechen. Wenn eine
theoretische Qualität, was eigentlich die
Gesundheit uns Menschen bedeutet, klarer
formuliert würde, wäre allen geholfen.
:)
Mai 11, 2022 - Wer ist gesund? 79 [Seite 79 bis 79 ]
Wer ist Thomas
Losse-Müller?
Mai 12, 2022
Wer ist das, dieser Kandidat, der die Wahl
verloren hat? Die Zeit wäre knapp gewesen,
den Bewerber bekannt zu machen. So habe
er gegen den beliebtesten Ministerpräsidenten
Deutschlands keine Chance gehabt,
probiert sich die Partei an einer Erklärung.
Ja, Daniel Günther haben die Wähler in
Schleswig-Holstein drauf. Wir wissen, wie
der aussieht, kennen den Klang seiner
Stimme. Unverwechselbar, dieses Rauschen,
wenn irgendwo im Satz ein Wort mit „sch“
vorkommt. „Die Men-sch-en im Land wünsch-en
sich …“, und dazu, wie zum Trichter
vorgeschoben, der Mund des Ministerpräsidenten,
das wirkt wie ein integriertes Megaphon.
Ein kleines Sprachrohr hat der Mann
unter seiner
Nase. Da
spülen die
Worte heraus.
Zwei Schneidezähne
stehen
oben deutlich
sichtbar. Er
kommuniziert
be-sch-wörend
und doch
selbstverständlich,
unaufdringlich.
Eine individuelle Artikulation
und norddeutsch. Das ist Daniel Günther. Er
hat einen schmalen Kopf, eine jungenhafte
Frisur und doch recht eng stehende Augen.
Wir konnten uns ein Bild machen, wie der
Mann wirkt. Der Ministerpräsident hat einen
klaren Stil entwickelt, scheint besonders
teamfähig und eindeutig führend zu sein in
der Regierung.
Monika Heinold kennen die Schleswig-
Holsteiner nicht weniger, man muss sich
nicht sonderlich für Politik interessieren.
Es scheint undenkbar, mit dieser Frau
eine Vertuschungsaffäre zu erleben, eine
ermogelte Doktorarbeit oder Korruption sind
unwahrscheinlich. Die grüne Frontfrau ist
fleißig und anständig, so kommt mir das vor.
Einzig, wenn sie von modern und grün redet,
fragt man sich, ob es nicht ein wenig drollig
klingt, bei einer schon nicht mehr ganz jungen
Buchhalterin, die das spontane Lachen
nicht allzeit bereit im Gesicht trägt, ohne
einen leichten Krampf der Mundwinkel. Soll
ich … oder lieber doch nicht so lachen? Es
gibt bessere Plakate.
# Wahlkampf war gestern
Auf dem Schenefelder Wochenmarkt, nicht
lange vor der Wahl, haben die Grünen einen
Stand: Offensiv schaut
mich dieses Pippi-Langstrumpf-Mädel
an, aber
blond ist sie. Ann-Kathrin
Tranziska möchte mir
einen Flyer in die Hand
drücken, unverkennbar.
Das ist die Grüne wie
fotografiert. „Sie sehen aus
wie auf dem Plakat“, sage
ich und winke ab. Ich alter
Lustmolch lasse mich nicht
einfangen von diesem
lustigen Teenie – so kommt
sie daher – obschon sie nur
zehn Jahre jünger ist. Ich
nehme keine Wahlwerbung
und möchte nur Mathias Schmitz „Guten
Morgen!“ sagen und dann dahinten noch
Käse kaufen. Das mache ich deutlich.
Unnötig sie anzublaffen, dass ich nicht mehr
wählen gehe, wegen der da oben über uns
im Turmzimmer. Ich verkneife es mir.
Die SPD besonders, die wähle ich schon
gar nicht. „Nie wieder!“, denke ich, wenn ich
eine Sendung sehe, Artikel lese oder ein
Wahlplakat wirbt. Nie wieder Politik. Meine
Erfahrungen verbieten jede Unterstützung.
Macht ja nix? Das fällt kaum ins Gewicht.
Unmöglich, die Blöden abzustrafen: Politikern,
die ich kannte, ist es egal, wer ich bin,
was ich möchte oder wichtig nehme. Ich sei
selbst schuld, dumm zu sein, ist ihre Auffassung.
Mir bleibt
gar nichts übrig, es
einzusehen.
Ich kann mich nicht
für meine Fehler entschuldigen,
müsste
mich demütig zeigen,
wo es unmöglich
ist, Reue zuzugeben.
Wir reden nicht,
niemand mit mir,
und ich selbst halte
verbissen die Klappe,
außer dem Spott
hier. Das geht noch.
Bis ich begreife,
mein Œuvre in die
Tonne zu treten, zu
krepieren, den Laden zu verlassen. Wenn ich
endlich tot bin, ist es besser. Dieses festgefahrene
Schachmatt geht auf das Konto
der besten Darsteller in einem absurden
Theater: Politik ist Lüge. Das lernte ich und
verstehe, dass der Wähler sich ausschließlich
selbst schadet durch das Nichtwählen.
Ich bin nicht blöd: Ich bin frustriert.
Ich weiß nicht, was die SPD falsch gemacht
hat mit Losse-Müller. Ich durfte einmal
mit Ralf Stegner und Kai Vogel eine kleine
Kaffeerunde erleben. Der erweiterte Wintergarten
einer Seniorenresidenz im Dorf, Frank
Grünberg erzählte Döntjes, bis der im Stau
steckende
Stegner
kam. Vogel
und Stegner
erwiesen
sich aus der
Nähe als
humorvoll
und kämpferisch
für
ihre Partei.
Sie konnten
gut zuhören und fachkundig antworten. Gerd
Manthei, unser Schenefelder Urgestein der
roten Partei, hatte mich eingeladen: „Willst
du mal Stegner kennenlernen?“
Das war vor der letzten Landtagswahl, die
Albig schließlich komplett versemmelt hat.
Tatsächlich habe auch ich Günther gewählt.
Damals ging ich noch hin zur Wahl. Ich hatte
den wie es hieß beliebten Torsten Albig in
mehreren Fernsehauftritten zum Wahlkampf
gesehen. Ich fand den Mann einfach nur
arrogant. Für mich spielten fachliche Themenschwerpunkte
gar keine Rolle mehr.
Vom noch unbekannten Daniel Günther kam
einiges im Fernsehen. In einer Dokumentation
wurde der von seiner Partei aufzubauende
Kandidat über den Alltag bei der
Arbeit begleitet. Die Kamera fokussierte ihn
im Dienstwagen sitzend, wo der Politiker
probierte, auf der Rückbank zu arbeiten und
dazu den Kopf auf Dokumente senken musste
oder den aufgeklappten Laptop im Schoß
nutzte. Dabei kann einem schlecht werden,
wenn man ungeübt ist, während der Fahrt
konzentriert in den Monitor zu blicken oder
juristische Feinheiten zu begreifen, derweil
der Chauffeur durch nordische Dörfer saust.
Solche Sachen kamen zur Sprache, ganz
gewöhnliche Dinge,
die jeder versteht.
Jetzt bin ich, bereits
vom Zorn geprägt,
wie auch bei der
Bundestagswahl,
keinesfalls meine
Stimme noch abzugeben,
durch Schenefeld
spaziert und habe
aktuelle Wahlplakate
registriert. Für einige
Spottbildchen auf
der Webseite sollten
sie wohl nützen?
Ich hatte wirklich
ein Problem damit,
den Kandidaten der
SPD zu skizzieren. Der kam mir vor wie ein
Marktleiter von Edeka. Hellblaues Oberhemd,
das freundliche Lächeln eines Käsehändlers
im Gesicht, kaum rote soziale Farbe
im Hintergrund auf dem einzigen Foto,
das mehrere Plakate im Dorf zeigten. Eine
schlappe, blassblaue Anmutung mit einem
Sonnyboy am Strand, dabei recht bieder.
Der Kaufmann einer Milchtheke, wo es
immer ein wenig käsig riecht.
Mai 12, 2022 - Wer ist Thomas Losse-Müller? 80 [Seite 80 bis 81 ]
Meine Skizze von ihm geriet wie eine von
Thomas Hermanns, dem Moderator vom
Eurovision-Song-Contest. Das gewollte Grinsen.
Mein Sohn erkannte den Politiker nicht.
Ich begriff, dass dieses eine Foto vom Plakat
nicht genügt, sich ein
Bild zu machen. Nicht
schwer, den Mann zu
googeln.
Der sieht ja ganz anders
aus, dachte ich.
Jetzt, wo die Wahl für
die SPD so krachend
verloren ist, wird
man das Dilemma
analysieren. Das möchte ich nicht probieren.
Aber wenigstens kreativ wollte ich mich der
Frage annähern: „Wer ist Thomas Losse-
Müller? Darum habe ich einen weiteren
Versuch gemacht, den Politiker zu zeichnen.
Ich finde das ausgesprochen schwierig und
kann nur hoffen, dass es diesmal ähnlich
erscheint (wenn man den Kandidaten kennt).
Mir gefällt, einen ganz anderen Typ, wie
mir scheint, hinbekommen zu haben. Mein
Eindruck ist nicht, einen spontan breit lächelnden
Mann zu entdecken. Das mag ihm
im Urlaub am Strand oder auf Anweisung
des Fotografen gelingen. Im Wahlkampf
erscheint Losse-Müller, rein auf der Basis
der Fotos, denn ich weiß ja nicht, wie er in
Wirklichkeit rüberkommt, ernsthaft bemüht.
# Kurs halten!
Plakate zeigen den Ministerpräsidenten
Daniel Günther in den verschiedensten,
emotional differenzierten Ausdrücken. Er
hat viele Gesichter. Variationen sieht man, zu
denen der professionelle Politiker offensichtlich
leicht fähig ist, wenn eine Kamera
auf ihn zielt. Das ist ein wesentlicher Teil
der Arbeit, sich gut zu präsentieren. Er hat es
schnell gelernt.
Gut möglich, dass der Herausforderer Losse-
Müller spontan sein Gesicht zeigt, im Alltag
bei der Arbeit – er ist ja, wie Google deutlich
macht, kein unreflektierter oder farbloser
Mensch, sondern schon eine individuelle
Persönlichkeit. Aber eben nicht der Grinsekuchen
von der Käsetheke. Kann ja auch
sein, dass anderswo noch Plakate herumstanden
oder Sendungen anzuschauen mir
möglich gewesen wäre, wenn ich’s gewollt
hätte, die ihn vielseitiger rüberbrachten …
Ich will ja nicht.
:)
Mai 12, 2022 - Wer ist Thomas Losse-Müller? 81 [Seite 80 bis 81 ]
Dumm sind wir
Mai 15, 2022
Wenn Dummheit messbar wäre, könnte
vielen geholfen werden. Wir messen die
Viruslast bei Covid, die Antikörper nach der
Impfung und die Intelligenz mit einem Test.
Dummheit scheint nicht messbar. Warum?
Im Alltag begegnen uns tagtäglich nötigerweise
Probleme, denen wir nicht davonlaufen
können. Die Schwierigkeiten sind individuell.
Selbst genetisch gleiche Zwillinge,
die über den Tag nicht dasselbe tun, erleben
unterschiedliche Anforderungen. Intelligenz
oder das Gegenteil davon können nicht
wirklich gemessen werden, auch wenn es
die Möglichkeit gibt, mittels Test Menschen
zu erkennen, die besser darin sind, Aufgaben
zu bewältigen. Die Schwierigkeit fängt
mit dem Begriff Intelligenz an. Mit einem
einzigen Wort möchte mancher das Leben
beschreiben, eine Zahl dazu, fertig. Ehrlicherweise
sollten wir uns davon nicht blenden
lassen. Man kann eine Fernsehsendung konzipieren
und die Anwärter um einen Gewinn
kämpfen, vor der Kamera Aufgaben machen
lassen. Ein auf das Arbeitsprofil zugeschnittener
Test mag einer Firma scheinbar helfen,
die aus vielen Bewerbern die besseren
finden möchte. Jeder kann sich selbst daran
versuchen, Schwierigkeiten nach Vorgaben
in bestimmter Zeit zu lösen und das als Training
begreifen. Warum nicht: Es lässt sich
dabei nie vermeiden, dass jemand diesen
Test und die darin zu bewältigenden Anforderungen
konzipierte, das Ergebnis vorweg
konstruiert hat und verfälscht – durch diese
individuelle Einmischung in das Leben an
sich, dem eigentlichen Auftraggeber unserer
intelligenten Übungen.
Wir müssen einsehen, dass die Bewertung
anderer eine Einmischung in unser eigenes
Handeln darstellt. Eine soziale Komponente
verzerrt die Messung unserer Leistung. Die
Aktion selbst kann nicht gemessen werden,
wenn das Messgerät, der bewertende
Beobachter, die Antwort von vornherein
manipuliert. Das ist regelmäßig der Fall;
aktuelles Beispiel: Heute Morgen ist die
Nachricht, die Ukraine habe den Eurovision-
Song-Contest gewonnen und Deutschland
läge auf dem letzten Platz. Ein bisschen
Frieden war gestern.
:)
Mai 15, 2022 - Dumm sind wir 82 [Seite 82 bis 82 ]
Ich sehe Wald und keine Bäume
Mai 21, 2022
Wer seine Wünsche nicht kennt, stellt
irgendwann fest, hat sein Leben verpennt.
Natürlich ist es dann zu spät, für einiges
jedenfalls. Es heißt bekanntlich, man könne
sich immer noch ändern und mit der Umsetzung
lang gehegter Träume beginnen. Den
eigenen Bedürfnissen nachspüren, dafür
ist immer Zeit bis zum Schluss. Aber zur
Umsetzung vieler Sachen gibt es eine Zeit
im Leben, wann diese geschehen müssen.
Einige Menschen scheinen besser organisiert,
sind geübt darin, für sich selbst zu
sorgen. Man könnte die Gesundheit am Grad
der Bewusstheit innerer Bedürfnisse messen,
und jeder sollte einen speziellen Zollstock
dafür haben. Narren fühlen nicht, meint ein
hebräisches Sprichwort. Wie bekommen sie
das hin? Das Selbstverständliche misslingt
ihnen.
Viele Beispiele des modernen Alltags
verstören. Man kann leicht erkennen, dass
die Welt nicht ist, wie sie sein sollte. Unser
Leben ist nicht nur zwischen der Ukraine
und Russland in seiner Stabilität bedroht.
Das Coronavirus oder die Klimakatastrophe
gefährden unseren Wohlstand oder die Inflation.
Wir sollten unser Augenmerk darauf
richten, was zwischen uns und den Nachbarn
geschieht, damit wir zu denken vermeiden,
die Gefahren wären irgendwo, am Rand
der Gesellschaft eben. Schuldzuweisungen
prägen das Bild wie die Unfähigkeit, die
Probleme effektiv anzugehen.
Wir gefallen uns darin, eine Art intellektuelle
Brille zu tragen, die unsere Zivilisation als
geordnetes Schema darstellt. Das Gegenteil
dürfte der Wirklichkeit näher sein. Wir bilden
uns nur ein, Dinge zu verstehen, wenn wir
zupackende Begriffe nutzen, um eigentlich
Unfassbares wegzuerklären. Ein Zerrbild
mag uns glauben machen, die sexuellen
Abgründe beispielsweise täten sich im
Darknet auf und das befände sich woanders.
Wiederholt wird berichtet, der Flut von Kinderpornografie
im Netz sei nicht beizukommen.
Extra Software ist bereits im Einsatz.
Diese durchforstet die Daten zunächst, um
mit einer Vorauswahl dem zur Auswertung
unentbehrlichen Menschen nur relevantes
Bildmaterial zuzumuten. Die Jugendlichen
selbst seien immer häufiger auch Täter,
stellt die Polizei fest. Wen wundert das? Wir
belügen uns selbst mit dieser Vorstellung
vom Bösen am Rand der Gesellschaft. Da
ist kein Rand. Wir sind mittendrin, wenn wir
das Unaussprechliche sichtbar machen. Alles
andere wäre nur ein Trugbild.
Sich an verbale Konstruktionen zu klammern,
kennzeichnet den Menschen, seitdem
er sprechen kann, spätestens, seitdem
er schreibt. Wir möchten die Welt in Gut
und Böse aufteilen. Ich glaube nicht, dass
es durch die Gene bestimmt ist, wer zum
schlechten Menschen würde. Insofern hat
man die Möglichkeit, sein Handeln daraufhin
abzuklopfen, wohin die Reise geht. Zusätzlich
sollte es gesellschaftlicher Konsens
sein und dem einzelnen Mitglied unseres
Systems verständlich gemacht werden, dass
nicht allen die Reflexion ihrer Aktivitäten
gelingt. Einigen Menschen scheint ihre perspektivische
Entwicklung weniger wichtig
zu sein als anderen. Fairerweise dürften
wir verstehen, dass innere Wünsche, ja
Bedürfnisse zu bemerken und das Begreifen,
ob diese umsetzbar sind, für manche ein
Problem sein kann.
Wir rüsten verbal auf. Die Überheblichkeit,
wir wären Weltpolizisten in Deutschland,
macht vor dem Einzelnen nicht halt, sich
auch über die Nächsten nebenan zu erheben.
Wir schaffen die verkehrt Dastehenden,
die Homophoben, Nichtgenderer, Sexisten
oder die, die es versäumten, rechtzeitig die
ukrainische Flagge zu hissen, durch die Vorstellung,
das Gutsein begriffen zu haben.
# Wir erschaffen die Bösen und welche, die
nicht wissen, was sie tun, selbst
Leistung, Bildung und Einbildung prägen
unser Menschsein. Wir unterrichten vieles,
aber fühlen zu können, ist unser natürliches
Erbe. Das überträgt sich für gewöhnlich
mit der Muttermilch so nebenbei. Wir üben
es nicht im Kurs mit anderen, konzentrieren
uns auf Wichtigeres. Die Jugend hat
Mathematik, Deutsch und Physik auf dem
Stundenplan. Das Wunder der Evolution
wird gelehrt, aber unsere Emotion sollte
sich von selbst darstellen. Wenn dabei
auch manches schiefgeht, sind doch nicht
wenige eingebildet auf ihre Bildung und
den eigenen Lebenserfolg, als wüssten sie
auch, warum ihnen das Leben gelungen ist.
Es ist meistens nicht der Fall. Eine zufällig
gute Ausgangslage begünstigt das Gefühl
von Stärke. Auf anderen Schultern stehend,
sich über vermeintliche Versager zu erheben,
diese als faul oder krank beiseite zu wischen,
verstärkt die Illusion von Größe. Man meint
zu wissen, was Erfolg kennzeichnet. Eigentlich
sollte niemand ausgegrenzt bleiben
vom Wohlstand und Glück. Es werden viele
Ratgeber geschrieben, und manche lesen,
was drin steht. Das Motto: Einfach nach
vorn schauen, dann klappt das mit dem
Leben! Das Bild stören noch Manager, die bis
gestern als Leistungsträger gefeiert wurden,
sich durch positives Denken hervorgetan haben
und dann im Burnout weg vom Fenster
sind. Macht nichts? Ja, sie kommen zurück.
Menschen mit Lebenserfahrung stehen nach
einem Fehlschlag wieder auf. Auch Jugendliche,
die – in der Schule auffällig – Probleme
machen, können in eine gute Spur gebracht
werden. Man lehrt sie, was die anderen von
Natur aus hinbekommen. Wir sind besser
geworden, natürliche Abläufe zu analysieren
und haben spezielles Training entwickelt,
anderen zu helfen.
Die große Gruppe psychisch kranker Menschen,
die nicht eigenverantwortlich und
integriert leben können, allenfalls betreut
klar kommen, bleibt ein Problem für unsere
Zivilisation. Diese Unglücklichen hatten
zunächst einen unauffälligen Start. Das
sind weder diejenigen, die schon als Kinder
schwierig waren, noch Deprimierte in Midlifecrisis
oder Frauen, welche eine Depression
nach der Schwangerschaft ausleben.
Es sind keine, die mit ihrer Haschpsychose
kämpfen. Auch Patienten mit Delir, die eine
ganze Intensivstation beschäftigen, nach
einer gewöhnlichen Operation, finden leicht
zurück in ihr altes Leben, wie etwa der
Professor, der (noch einmal jung) im Liebeswahn
durchknallt. Auch dieser regeneriert
sich womöglich bald. Wir sollten demütig
vor unserer eigenen Natur bleiben, die das
Leben prägt, dankbar für Gesundheit als
Geschenk. Jedes Gehirn ist unter bestimmten
Umständen anfällig für einen Ausnahmezustand.
Langfristig Kranke jedoch sind anders.
Sie finden scheinbar keinen Ausgang aus
ihrer kleinen Welt voller Probleme. Diese
Bemitleidenswerten wiederholen sich ihr
ganzes Dasein lang. Schubweise eskalierend,
geraten sie in Not oder sind latent psychisch
krank. Sie scheinen ihr Gehirn dauerhaft
kaputtgespielt zu haben? Eine nicht kleine
Gruppe in unserer Gesellschaft entwickelt
ihre psychische Krankheit zu Beginn des Lebens,
aber anschließend der Ausbildung. Das
Bedenkliche ist wohl darin zu sehen, dass
diese Menschen zwar den Anforderungen
der Schule genügten, aber nie selbstständig
geworden sind. Sie werden nicht rechtzeitig
als labil bemerkt, dass ihre Fehler möglicherweise
korrigiert würden. Es sind keine
Menschen, die in ihr altes Leben zurückfinden.
Dort ist nichts. Sie haben quasi nie
gelebt. Jedenfalls nicht eigenverantwortlich.
Als Kind handelt man nicht selbstbestimmt,
lebt bei Eltern, in Obhut. Anders läuft es,
wenn Sternekoch Tim Mälzer seinen Burnout
bekommt. Er ist anschließend bald wieder
am Herd und lässt nichts mehr anbrennen.
# Man schreibt ein Buch, nimmt’s leicht
Überhebliche sollten bedenken, dass ein
Narr zu sein, kein Merkmal vorbestimmter
Gene ist, dieses Schicksal zu erleiden. Erziehung
schließt mit ein, falsches Handeln weiterzugeben
oder den Weg dafür zu bahnen,
Fluchten zu öffnen, die später das Abseits
bedeuten. Fehler im Entwicklungsprozess
sind nicht auf denjenigen beschränkt, der
diese begeht. Ein junger Mensch lernt von
seiner Umgebung und bringt sich zunehmend
selbst das gewünschte Verhalten
bei. Das Ziel, wie sich’s gehöre und unser
Empfinden, was uns gut tut, sollte Kinder im
gesunden Verhältnis wachsen lassen.
Wir sind als Gesellschaft dafür anfällig,
Menschen mit Geld, reichlich Besitz und
entsprechendem Erfolg hohe Wertschätzung
entgegenzubringen. Konsum, Perfektion und
Leistung stehen auf dem Wunschzettel. Wir
laufen deswegen Gefahr (und zusätzlich,
weil wir alles tun, moralische Ansprüche zu
erheben), immer mehr Mitgliedern des Systems
individuelle Bedürfnisse auszureden.
Diese Wünsche, Träume und ganz persönliche
Ansprüche ans Glück können nur mit
Geschick, aber nicht mit Gewalt und schon
gar nicht unerkannt befriedigt werden. Wir
müssen merken, was wir möchten. Ist zu sein
wie die anderen unser Ziel? Manche trauen
sich nicht, diese Frage zu stellen. Deswegen
erschafft eine perfekt erscheinende
Zivilisation wie nebenbei Menschen, denen
der Zugang zum natürlichen Selbst verstellt
ist. Hier geht es weniger um zutreffende
Schuldzuweisungen, die helfen würden,
das Problem lösen zu können, sondern die
Einsicht und Lernfähigkeit der Protagonisten
in einem vertrackten Theater zu beleben.
Emotionale Intelligenz sollte an der Schule
unterrichtet werden.
Mai 21, 2022 - Ich sehe Wald und keine Bäume 83 [Seite 83 bis 87 ]
Es dürfte auch welche treffen, psychisch
krank zu werden, die sich sicher waren, das
Leben begriffen zu haben? Oder das Übel
kommt von hintenrum ins Haus. So kann es
mit dem eigenen Kind passieren, dass dieses
nicht drogensüchtig würde, wofür man als
Eltern bekanntlich wenig belangt wird,
sondern psychotisch. Und dann bist du dran,
als Papa oder Mama. Die Eltern mit einem
behinderten Kind werden bedauert. Hat man
aber eines, das im Kopf krank ist, schlägt der
Tratsch darüber, woran es liegt, voll auf die
Eltern durch.
# Nicht ohne Grund?
Normalerweise lernen junge Menschen,
sich zurechtzufinden. Mit Hilfe der Eltern,
begreifen Kinder Gefahren und angenehme
Momente einzuordnen. Die Straße ist
gefährlich, der Herd ist heiß, im Winter
muss man warme Sachen anziehen, das ist
unbequem. Ein kratzender Pullover, muss
das sein? Eis essen macht Spaß, schaukeln
im Garten ist toll. Fein ist es, zu kuscheln!
Das Kind schmiegt sich gern an die Brust.
Sie duftet nach Mama und ist so weich. Gut
möglich, dass es erbliche Störungen gibt
und manche Kinder nur bedingt aufnahmefähig
sind, aber die Mehrheit entwickelt sich
normal. Das Problem des Erwachsenen ist
weniger ein Mangel an Normalität, sondern
die Bandbreite möglichen Funktionierens in
einer Umgebung, der es genügt, wenn man
nicht stört. Erziehung ähnelt anfangs der
Dressur, wo Tiere in Abhängigkeit gehalten
werden, weil Kinder notwendigerweise Zeit
benötigen, bis sie allein klarkommen. Manche
halten sich einen Hund, aber ein Kind
entwickelt sich. Der Hund wird immer Haustier
bleiben, während wir unseren Sprössling
beim Erwachsenwerden begleiten und
selbst immer mehr zurücktreten.
Die Pubertät ist nicht einfach. Dabei spielt
das unbewusste Hinterfragen der eigenen
Perspektive eine nicht zu unterschätzende
Rolle. Die integrierten Erwachsenen leben
aktuell die Möglichkeiten vor und entwerfen
unser Bild, was kommen wird, fordern
den Nachwuchs. Jugendliche mit psychischen
Auffälligkeiten beobachtet man jetzt
häufiger. Man probiert, ihnen frühzeitig zu
helfen. Je schneller das gelingt, desto besser!
Sonderlinge werden auch ausgegrenzt.
Das bedeutet, wer psychisch krank ist, hat
es doppelt schwer. Hilfe bei normalen
Krankheiten ist selbstverständlich wie die
Anteilnahme. Das soziale Stigma trifft diejenigen,
die wir zwar bedauern, aber gleichwohl
nicht begreifen. Sie verstören uns, wir
fürchten selbst die Kontrolle zu verlieren,
im Umfeld von Menschen, die sich und ihr
Leben nicht im Griff haben. Wir erleben als
Gesellschaft psychische Erkrankungen in
allen Altersstufen.
Bitter erwischt werden Heranwachsende,
die zunächst gut vorankommen und erst
während einer Ausbildung oder kurz darauf
krank werden. Gute Schulnoten und soziale
Bindungen meinte man zu erkennen. Was
sollte schiefgehen? Die Familie, Lehrer in
der Schule und die Freunde haben nicht
damit gerechnet. Es ist gar nicht selten,
dass ein hoffnungsfroh gestartetes Leben
scheinbar überraschend und jäh aus der
Bahn gerät. Die Einweisung in eine Klinik
erfolgt zwingend. Die Ärzte versuchen sich
in Diagnosen, übernehmen die Kontrolle,
während die Eltern hilflos mit ansehen, dass
ihr Kind es allein nicht schafft. Gut möglich,
dass sie selbst es waren, die eine Scheinwelt
aufgebaut haben. Das ändert nicht, dass
solche Eltern nicht verstehen, sich zu ändern,
noch rückgängig machen könnten, wie es
war, als Kind mit ihnen aufzuwachsen. Das
System der Familie scheint insgesamt zu
scheitern. Ihr kranker, aus seiner Lebensbahn
entgleister Sohn oder die Tochter ist nicht
isoliert betroffen. Nachbarn bekommen was
mit. Die jungen Patienten begreifen kaum,
was nun alles geschieht. Da scheint es für
die Gestrauchelten schwierig, noch eine
normale Karriere im Beruf oder emotional
stärkende Partnerschaften hinzubekommen.
Das zu ermöglichen, ist eine Herausforderung
für Helfende. Nicht selten ist der aufgesuchte
Arzt mit dieser Aufgabe überfordert.
Nur die Symptome können gebessert
werden, und man hofft, die Sache wachse
sich noch zurecht mit dem Erwachsenwerden.
Die anderen warten aber nicht darauf,
bis Nachzügler integriert sind.
Die Menschen nehmen andere, wie sie jetzt
sind und nicht so, wie sie sein könnten,
wenn man ihnen eine Chance böte, Defizite
aufzuholen. Die Gesamtheit der anderen
stellt den Einzelnen vor ein Problem, solange
er darin einen Block oder die geschlossene
Mauer begreift. Das ist ein gegenseitiges
Problem. Wenn jemand um Einlass bittet,
wo die Türen bereits weit geöffnet stehen,
werden Fremde misstrauisch und schließen
die Pforte. Normale sind smart. Die Lebensgewandten
rennen weder gegen die Wand,
wenn anderswo das Tor zur Burg geöffnet
ist, die Zugbrücke Händlern, Reisenden den
Weg ebnet, sie gleiten mit hinein, noch
schlagen kluge Menschen unnötigerweise
den Wachmann tot, nur weil dieser grimmig
ausschaut. Ein in der Selbstwahrnehmung
gestörter Mensch ist nicht in der Lage,
andere als Individuen zu erkennen. Ein Wald
besteht aus Bäumen, eine Mauer aus lösbaren
Steinen, sie könnte alternativ umgangen,
überklettert werden. Da müsste eine Brücke
sein, die Gesellschaft hat eine Tür, andere
aufzunehmen? Dafür muss der Einzelne aber
etwas merken und bemerken können, und
Narren fühlen ja nicht.
# Alle, die scheinbar nicht wie die Mehrheit
sind, bekommen das zu spüren
Als die Leute mehrheitlich gegen Corona
geimpft waren, beispielsweise, kippte die
Stimmung im Land. Von diesem Zeitpunkt
an wurde gesellschaftlicher Druck auf
Ungeimpfte spürbar. Nicht erwünscht sind
Menschen, deren Verhalten unerwartet
Probleme macht. Die breite Masse hält sich
für gleich und verlangt, dass andere nicht
nur die Gesetze, sondern auch ungeschriebene
Regeln einhalten. Möglicherweise
Andersartige stempelt der Mainstream ab.
Die moderne Gesellschaft gibt sich gern
weltoffen. Aber unter dem Deckmantel
unseres stabilen Systems brodelt es. Wir
wissen, dass Ausländer unter Anfeindungen
zu leiden haben. Wir haben mitbekommen,
dass homophobe Reaktionen für einige
problematisch sind. Religionszugehörigkeit
ist ebenso ein Thema, das polarisiert. Wer
bereits eine Gefängnisstrafe im Lebenslauf
hat, wird manches schwierig finden, und die
Reintegration solcher Menschen bedeutet
auch für die Gesellschaft eine Aufgabe und
nicht zuletzt ein Problem. Kinder sollten
durch ihr Aufwachsen in Familie, Schule
und Ausbildung übergangslos integriert
sein. Nicht immer klappt es. Oft bleiben
Menschen hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Besondere Schwierigkeiten entstehen, wenn
psychisch Kranke integriert werden müssen.
Unsere Bemühungen in dieser Sache sind
daran ausgerichtet, wer betroffen, wie die
Diagnose und damit die Entwicklung einzuschätzen
ist. Dazu kommt die Eigeninitiative
von Erkrankten als ein schwer kalkulierbarer
Faktor, sowie die unterschiedliche Qualität
der Betreuer, sich um Auffällige zu kümmern.
Unser Netz sollte problematische Menschen
auffangen, tut es oft nicht, sondern fängt
diese nur ein, schafft weitere Probleme und
verewigt das Leid.
# Bloßes Abfischen der Störer …
… bedeutet noch nicht die Integration von
verstörten Menschen. Das wäre nötig, eine
kritische Masse von vornherein klein zu halten
und diese Menschen zu respektieren, als
welche, die von den Gesunden so nebenbei
verstört wurden. Es wäre die Pflicht der Starken,
andere nicht kaputtzumachen, sondern
im Boot mitzunehmen. Viele Gruppen bilden
einen kämpferischen Verband. Das irritiert
diejenigen, die das nicht können. Sie sind
Menschen, die nicht lernten, selbst zu denken.
Sie sind nicht schwul. Sie wollen kein
Recht auf Abtreibung. Es sind nicht rassistisch
angefeindete Ausländer, keine, die sich
leicht mal solidarisch aneinanderbinden. Da
ist keine Religion, der sie vernünftigerweise
anhängen, allenfalls einem Hassprediger
folgen diese Menschen. Der moderne
Staatsfeind ist kein Kommunist. Das ist kein
rechter Nazi, dazu ist der aktuelle Querulant
zu diffus verordnet. Dieser Typus ist gegen
alles, scheinbar faul und ziemlich orientierungslos.
Dieses sozialschwache Unkraut,
wie es dem Nützlichen erscheint, läuft heute
mit den einen, morgen mit anderen – und
ist genaugenommen psychisch krank. Die
diffuse Gruppe Auffälliger wie auch still
Leidender mit ihren verschiedenen Störungen
zusammengenommen, bedeuten einen
anwachsenden Block innerhalb der Gesamtheit
der Leistungsträger, die wir mitnehmen
müssen. Das sind Menschen, denen der
normale Lebensentwurf einerseits zu Recht
suspekt ist und dem sie auf der anderen
Seite neidvoll hinterherlaufen.
Menschen, die einen funktionalen Gegenentwurf
leben und deswegen den Mainstream
ablehnen, sind selten. Ich bin tatsächlich
einer von ihnen. Ich zähle mich zu denen,
die scheiterten und es schließlich noch
schafften, aus dem Schaden zu lernen, mit
vorhandenem Material ein neues Lebensgebäude
zu zimmern. Aber, ich muss mich nicht
neu erfinden. Sprüche sind etwas für Idioten,
die nur so tun als ob. Es bedeutet mir keinen
modischen Einfall, endlich zu Pinsel und
Farbe zu greifen, nachdem ich Verschiedenes
probierte. Ich bin kein Spätberufener.
Mein Lebenswerk kann sich sehen lassen,
ich jedenfalls bin stolz auf ein umfangreiches
Œuvre. Es entspricht keinesfalls der
typischen Sehgewohnheit und ist, was ich
so hinbekomme. Ich bilde mir wenig darauf
ein, einen Platz in der großen Kunst zu
verdienen, weiß jedoch genau, wie viel ich
mich selbst änderte, seitdem ich kreativ bin.
Mein Stolz begründet sich scheinbar, und
ich weiß nicht, ob das anerkannt wird, in
nicht zu bestreitender Individualität. So, wie
ich heute arbeite, konnte ich anfangs nicht
Mai 21, 2022 - Ich sehe Wald und keine Bäume 84 [Seite 83 bis 87 ]
einmal denken, dies in vergleichbarer Weise
zu tun. Meine Kunst ist brotlos! Gut möglich,
dass ich erhebliches Potential verschenke
und weitaus besser sein könnte? Man müsste
die anderen offensiv damit konfrontieren,
um das herauszufinden und würde sich im
Austausch mit Rezipienten unzweifelhaft
steigern. Ich entferne mich von ihnen,
verschenke Tage, werfe mein Leben bewusst
fort, den möglichen Erfolg, um eine künstlerische
Zukunft inklusive Anerkennung vom
Ansatz her zu zerstören. Ich möchte meinen
Zorn behalten. Das ist die Motivation.
Die Bilder, meine Texte, damit verdiene ich
weder Geld, noch bekomme ich Anerkennung.
Ich kann das einfach
nicht. Frustration
treibt mich ins Abseits.
Ich stelle mich schon
durch meine Motivwahl
gegen die Erwartungen,
kümmere mich nicht
um etwaiges Vorankommen.
Ich nehme
mir keine Zeit für Kollegen,
die bewundernswert
arbeiten oder echte
Sammler, Galeristen
mit kreativen Verstand,
obgleich ich überzeugt
bin, dass sie existieren.
Es gibt so aufregende
und faszinierende
Kunst, das bemerke ich
zufällig, wenn ich auf
etwas stoße, das ganz aktuell ist und mich
tief berührt. Ich gehe dann sofort davon weg
und probiere, mich mit anderem zu beschäftigen.
Ich schaue es mir nicht an.
Ich denke an meine „Kunstfreundin“, wie
sie mitgegangen ist bei den Dummen und
empfinde in so einem Moment, dass ich nie
wieder aktiv Teil meiner Träume sein will.
Ich möchte mir einen Schatz der Erinnerung
bewahren. Da gibt es keine Zukunft, die sein
könnte, was ich verpasste, weil ich nichts
merkte. Sie war die mögliche Vergangenheit,
ein Modell davon, um zu verstehen, was
hätte sein können. Eine Vision zu kennen
und die Vernunft zu besitzen, auf diesen
Traum verzichten zu können, ist wohl mehr,
als ein verstörter Mann erwarten kann,
noch zu begreifen. Dafür gibt es keine Pille.
Nur ich selbst weiß, dass ich weit ging, um
dieses Geschenk annehmen zu können. Ich
fühle Frust, und das ist ein Schatz wie für
andere das Geld, die Liebe, was weiß ich?
Ein klebriger Brei konnte alles überfluten,
zutünchen und mit Schmutz bedecken,
woran ich glaubte.
# Da kommt der Cotton-Knüppel!
So meinen Zehnjährige etwa, wenn sie mich
sehen? Das hörte ich. Ich habe es auf mich
bezogen. „Mögen Sie Schwänze?“ fragen sie
mich am Schulgelände, wenn ich mit Einkäufen
dort lang gehe. Das sind Kinder. Ich
gehe nicht mehr zum Jazz. Der Cotton-Club
ist ein Musikkeller in Hamburg und der Ort
vieler Erinnerungen für mich. Gut möglich,
dass es als Begegnungsstätte für einige
taugte, mit mir ganz persönlich ein Theater
zu inszenieren, das meine Bekanntheit über
Schenefeld hinaus auf unliebsame Weise
vergrößert hat. Corona macht es leicht,
auf Kellerromantik zu verzichten. Es gibt
Musikkonserven, ohne dass man eine Platte
kaufen müsste. Keine Livemusik mehr, keine
Party, nie in eine Ausstellung, das ist die
Bedingung und der Preis, den ich zahle für
meine Abgrenzung. Menschen wirken nur zu
oft uniform auf mich oder pseudo-individuell.
Darauf darf man sich nicht einlassen. Ich
sehe den Wald, aber keine Bäume.
Es geht auf und ab. Gute und schlechte Tage,
jeder kennt es. Ich war neurotisch, jahrelang.
Es war nötig zu bemerken, dass andere mich
vorführen, ausspionieren und verarschen
wollten. Ich machte ja auch Fehler im Leben
und biete Angriffsflächen. Sie hatten ihren
Spaß. Falsche Freunde, und meine Familie
war scharf auf das Erbe, nachdem meine
Eltern gestorben sind. Das Geld macht
Menschen widerlich.
Alles kam
zusammen, man
muss nicht paranoid
sein, wenn
es echte Gegner
gibt. Heute ist es
besser. Ich bin
nicht unbekannt
im Dorf, aber vielfach
akzeptiert,
und die Reaktionen
gefallen
mir nicht selten.
Das sollte man
schon schreiben.
Es ist nicht alles
schlecht. Heute
winken mir unbekannte
Menschen
fröhlich zu, wenn ich mit meinem Fisch nach
Haus spaziere. Du kannst nicht zurück im
Leben, aber Frieden schließen mit früher.
Fröhlichkeit lässt sich teilen. Bin ich der Narr
von Schenefeld? Weiß ich ja nicht.
Ich habe Freunde, das genügt; keine Follower.
Und ich laufe bestimmt nicht quer.
Ich halte Kurs. Kein Wunder, dass es immer
wieder Ärger gibt, mit manchen, die sich
für besser halten. Ich wundere mich nicht
darüber, bin in solchen Momenten frustriert
und schöpfe Kraft aus meiner Unfähigkeit,
elegante Integration hinzubekommen. So
habe ich mein Thema gefunden. Echte und
damit individuelle Vielfalt gefällt mir. Ich
möchte meinen eigenen Ideen folgen, mag
nicht verschworen, quer demonstrieren (oder
modisch queer in einer Parade mitlaufen).
Warum solidarische Klumpen formen, Lichterketten
halten, irgendwo mit dabei sein,
nur weil’s scheinbar gut wirkt? Ich fühle
nicht mit und käme mir unehrlich vor. „Not
me!“ statt MeToo, so geht es mir regelmäßig.
# Achtung, Satire!
Es war nötig, Donald Trump bescheuert zu
finden, hauptsächlich, um dabei zu sein,
mitzureden. Keiner fragt heute noch, was
der macht. Und Trump selbst interessiert
nicht, was man in Deutschland von ihm hält.
Jahre zuvor hieß der Böse unserer Medien
noch Berlusconi, ständig regte man sich auf.
Der neue Blödmann ist Gerhard Schröder.
Wichtiger ist die Pandemie. Ein Thema für
alle, aber Corona macht allmählich schlapp,
das ist eine gute Nachricht. Wir werden es
vergessen wie Aids. Die Menschen schimpften
auf Kampfhunde, dann gegen rassistische
Polizeigewalt: „Can’t breathe!“ Man
positionierte sich für oder gegen Greta. Das
hat an Bedeutung verloren. Obwohl diese
Themen noch aktuell sind. Ist die Wirtschaft
von Griechenland und Italien tatsächlich gerettet?
Ich habe es nicht mitbekommen. Eine
Zeitlang wurde nur davon geredet. Hakenkreuze
auf Fahnen sind inzwischen verboten?
In den wenigen Farbfilmen von damals
sieht man, das war mehr als eine Mode. Ein
Meer aus roten Fahnen, und die Masse grölt,
streckt den Arm gerade hoch, fordert den totalen
Krieg. Was haben die Leute Adolf Hitler
bejubelt, unglaublich. Schwule Schwänze
oder Frieden für alle, was sagt uns noch
gleich Regenbogenfahne? Vergessen. Wie
schnell diese blau-gelben Wimpel überall
hingehängt wurden!
Es wird eine Zeit kommen, in der wir nicht
mehr wissen, wie die Farben der Ukraine
sind.
# Ich möchte nicht dazugehören
Unsere Politik gibt sich gern menschlich.
Putin sei böse, wir stehen zusammen und
so was wird gesagt. Im Inneren brodelt es
durchaus. Nur ein bisschen? Wir haben keine
Lügenpresse, aber ein Problem mit vielen,
die das postulieren und davon überzeugt
sind. Natürlich, Belarus ist fies, viel schlimmer
ist diese Regierung dort als unsere.
Das waren keine gefakten Bilder nach der
angeblichen Wiederwahl von Präsident
Lukaschenko, das glaube ich. China und
Russland bilden menschenverachtende
Systeme. Selbstverständlich unterdrückt
Präsident Putin die Meinungsfreiheit. Aber,
das tun unsere Politiker auch. Sie kommen
nur nicht so weit. Das sind hilflose Zuckungen,
Probierbewegungen, im Vergleich zu
dem, was der russische Präsident oder der in
China hinbekommen. Es gibt nirgendwo auf
der Welt gute oder faire Politik. Dies wird
nur behauptet von denen, die unsere Gesellschaft
zu steuern versuchen. Darum haben
wir eine Opposition. Die Polizei, wie sie auf
die Demonstranten einknüppelt, irgendwo in
einem totalitären System, das dazugerufene
Militär, wie wir das im Fernsehen sehen,
das sind Menschen, die gegen ihresgleichen
vorgehen. Und bei uns leben genauso
Menschen; das soll heißen, unsere Polizei
und unsere Soldaten wären nicht besser
unter entsprechenden Bedingungen. Uns
trennt nur die Funktionalität des gesamten
Landes von den Zuständen im Unrechtsstaat.
Die Menschen sind überall gleich. Politiker
pauschal abzustrafen, durch verbalisierte
Blockade des Staates, hilft wenig. Es ist eben
nicht einfach, ein gutes System zu pflegen.
Unser Rechtsstaat ist einer der besten. Wenn
Menschen wie ich zum Beispiel nicht mehr
zur Wahl gehen, schaden sie sich letztlich
selbst, durch ihre scheinbar sinnlose Bockigkeit.
Ich weiß das. Es sind die direkten,
menschlichen Abgründe, aus denen ich
kletterte, und deswegen bin ich frustriert.
Das ist der Grund, warum ich staatsfeindlich
empfinde. Da bin ich nicht der Einzige.
Der Fisch stinkt vom Kopf. Das bedeutet,
die Zentrale trägt die Verantwortung für
das Ganze. In einer Demokratie wählen die
Menschen ihren Fischkopf selbst. Sind sie
dann als Basis schuld, wenn das System in
Schieflage gerät? Ein Schwarzer-Peter-Spiel
nimmt an Fahrt auf. Da ist auf der einen
Seite der Staat und seine Ordnungskräfte,
die eine zunehmende Aggression bemerken.
Die Wütenden sehen die Schuld umgekehrt
in der Gängelung durch unsere Regierung.
Ihre beschnittene Freiheit erkennen viele
als unnötigen Akt von Staatsgewalt. Sie
verweisen mit selbstgedrehten Videos auf
Mai 21, 2022 - Ich sehe Wald und keine Bäume 85 [Seite 83 bis 87 ]
die Brutalität von vermummten Polizisten,
die mit Schlagstöcken oder motorisiert mit
panzerähnlichen Fahrzeugen unterwegs
sind und brutalen Wasserwerfern, die gegen
Demonstranten vorgehen. Die Staatsschützer
und Polizisten zeigen mahnend mit dem
Finger auf Extreme, die längst nicht mehr
ein schmaler Rand sind und rechts oder
links außen der Mitte Ärger machen. Sie
fordern die Ausweitung ihrer Befugnisse, die
der anderen Seite bereits viel zu umfangreich
sind. Wir begreifen, das moderne
Bild vom Chaos bedeutet scheinbar die
Zersetzung von innen heraus. Das Zentrum
ist ein löchriger Käse. Das vertraute Bild
vom Hufeisen mit den extremen, gegensätzlichen
Spitzen täuscht darüber hinweg,
dass der scheinbar starke Bogen unseres
Magneten befallen ist und dort, statt auf die
Pole beschränkt, seine Metastasen züchtet.
Der aktuelle Querkopf hält sich nicht an das
klassische Verständnis Antifa gegen rechts.
Aggressive gibt es überall, auch bei der
Polizei. Im reichen Deutschland zeigt eine
trotzige Masse mit dem Stinkefinger auf die
selbstgewählte Politik als einen dummen
Haufen. Schuldzuweisungen prägen das Bild
einer Gesellschaft, der es im weltweiten Vergleich
einfach nur zu gut geht. Wer Schuld
ist, verliert an Bedeutung, wenn das Land im
Ganzen aus der Kontrolle gerät. Mitlaufen
zur Mehrheit bekommt den Charakter einer
Meute von Passagieren, die wechselseitig
geschlossen von Backbord nach Steuerbord
stürmt, bis der Kahn kentert.
# Neue Ängste rühren auf
Alles könnte teurer werden, das Klima wird
kollabieren, Chaostage dürften die Regel
sein, wenn der Staat nicht gegensteuert
usw. – das droht der Wohlstandsgesellschaft.
Ehrlicherweise könnten wir bemerken, dass
wir, als die Reichen, bereits seit Jahren auf
ärmeren Ländern herumtreten und es auch
innerhalb Deutschlands nicht vermeiden,
Schwache fertigzumachen. Zu Recht weist
der russische Präsident und sein Außenminister
auf die Verlogenheit des Westens hin.
Natürlich wird in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg
geführt. Und ja, unser Altkanzler
Schröder tut gut daran, seine Position
erstmal zu rechtfertigen. Weiche Eier sind
bereits genügend vorhanden. Der Altkanzler
ist bereit, Nachteile in Kauf zu nehmen, geht
eben später vom sinkenden Schiff – oder
gar nicht.
Gutmenschen, die alles besser wissen, sind
mir suspekt. Wir geben uns sozial, sind es oft
nicht. Die Leistung und die gewohnte Perfektion
geben einen hohen Standard vor, den
Einzelne erreichen möchten, wenn sie ihn
noch nicht ihr Eigen nennen, weil sie jung
sind oder der Level gehalten werden muss,
wenn eine bestehende Verbindung Probleme
bekommt. Jede Gesellschaft übt durch den
Konsens mehrheitlicher Werte Druck auf
ihre Mitglieder aus. Wenn wir als Europäer
beispielsweise in China leben möchten,
werden wir manches anders finden, das dort
aber als richtig gilt. Eine steinzeitliche Sippe
müsste ihre Form in bestimmten Gebräuchen
gehabt haben, auch wenn wir darüber
kaum informiert sind. Das Mittelalter kannte
seinen Kodex, wie es richtig gehöre zu sein,
und wir im Westen interpretieren Identität
und freiheitliche Werte auf andere Weise als
die Russen. Jede Familie bildet bereits eine
Gruppe mit ihren typischen Regeln.
Zu lehren wäre, Schwäche zuzugeben. Das
stünde auch Wladimir Putin gut zu Gesicht.
Er könnte sagen: „Ich habe einen Fehler
gemacht. Wir sind zu weit gegangen. Dieser
Krieg ist falsch, dumm, und nun beenden
wir das Ganze – ohne irgendeinen Erfolg.“
Selenskyj könnte gleichwohl kapitulieren
und ebenso Leid beenden. Wir machen es
uns leicht, gerade stark zu empfinden als
Weltpolizist. Wer in der Ukraine lebt und
nicht politisch empfindet, dürfte vollkommene
Machtlosigkeit erleben. Wenn alles
kaputt ist, werden wir eine wahrhaftigere
Welt aufbauen als die jetzige.
# Das einzig Richtige ist vollkommener
Blödsinn?
Niemand glaubt ernsthaft, dass Putin sein
Ziel, in der Ukraine zu siegen aufgibt. Der
russische Präsident definiert das gewünschte
Ergebnis um, falls dieser Sieg zu schmal
wirken sollte. Die prorussischen Gebiete im
Osten zu bekommen, gilt westlichen Beobachtern
als Minimalziel, andernfalls erlebte
Wladimir Putin den politischen Tod. So bewertet
es aktuell ein Nachrichtensender. Das
Interessante daran ist wohl die ambivalente
Stabilität seiner Führungsposition. Während
wir dem demokratisch gewählten Kanzler
Olaf Scholz Führungsschwäche vorwerfen,
stellen wir Russland gern als unmündig in
der Hand seines Präsidenten dar, der allein
schuld ist. Nicht nur der Druck aus dem
Westen, auch Bestrebungen in Russland
selbst, dagegenzuhalten, werden den Angriff
provoziert haben und Putin ist mitnichten
der einzelne Mensch als isolierter Kriegstreiber,
dem es mal so gefällt zu ballern.
Das kann so nicht stimmen, denn erhebliche
wirtschaftliche und menschliche Schicksale
werden berührt, wenn dieses Russland in
seinen Krieg zieht.
Wir können laienhaft kaum beurteilen, wem
letztlich am Wichtigsten ist, hier Krieg zu
führen und worin eigentlich begründet seine
Ziele liegen. (Das sind die Ansichten eines
Künstlers, der bevorzugt Nackte malt). Ich
denke, man darf vorsichtig sein und offizielle
Verlautbarungen aller Positionen kritisch betrachten.
Die Macht des Präsidenten ist sehr
wohl mit dem Erfolg der militärischen Spezialoperation
untrennbar verbunden. Damit
kann man schlussfolgern, dass die Russen
nicht einfach schlecht informiert mitlaufen,
wie das möglicherweise im breiten Volk tatsächlich
geschieht, sondern ein handlungsfähiger
Apparat mit Galionsfigur Putin die
Ukraine attackiert. Nicht nur ein Führungszirkel
wie es gern heißt, sondern umfangreiche
Strukturen dürften ihre Interessen
gelten machen. Der russische Präsident kann
wohl keine Marionette sein und ist doch direkt
an seinen nötigen Erfolg gebunden wie
jeder andere Staatenlenker oder Manager,
der Boss im Clan oder Syndikat. Wir sollten
vorsichtig sein, was die alleinige Verantwortlichkeit
Putins betrifft und dem System
zutrauen, dass auch eine Autokratie nicht
als One-Man-Show daherkommt. Deswegen
und gerade, weil es absolut undenkbar
erscheint, dass die beiden Präsidenten Putin
und Selenskyj morgen oder so im Alleingang
verkündeten, spontan jegliche kriegerische
Handlung zu stoppen, weil nur so ein furchtbar
unnötiges Blutvergießen beendet würde,
darf man sicher sein, als kompletter Narr
dazustehen, verlangte man es (oder glaubte
wirklich dran, es geschähe nächste Woche).
Das tut schon weh, finde ich.
# Die Menschen behaupten nur, gut zu sein
Wir sind gegen Ausgrenzung, lehren, keine
Vorurteile zu hegen. Trotzdem schaffen wir
ein Schubladensystem. Eine Kommode mit
festen Unterteilungen. Und dann wollen
wir doch wieder alles durchmischen und
infizieren das Ganze mit Holzwurm. Die
Ordentlichkeit, mal gepflegt eine Lade rauszuziehen
und hineinzuschauen, lässt sich
niemand gefallen, der unfreiwillig hineingesperrt
wurde. Der verdeckte Informant hat
Hochkonjunktur. Die offene Polizei erlebt
verbreitet nie gekannte, verbale Angriffe,
allein deswegen, weil die Beamten durch
ihre Uniform und Ausstattung kenntlich sind,
scheinbar eine Projektionsfläche darstellen.
Alle, die davon mitbekommen, wenn jemand
austickt, werden den Querulanten, wenn es
etwa ein Nachbar ist, der pöbelt, weiter ausgrenzen.
Es scheint vergnüglich, unnötigerweise
Druck auszuüben und den Anteil der
polizeibekannten Spinner auf diese Weise zu
erhöhen. Hier arbeiten welche (die sich für
klug halten) mit, andere dumm zu machen,
ja böse, die bislang noch als verwirrt gelten
könnten. Eine neue Qualität von Staatsfeinden
ist der Querdenker-Szene erwachsen,
sagen die, die es zu regulieren haben, den
Kopf hinhalten müssen, wenn es zur Eskalation
kommt. Die Polizei beginnt in Teilen, die
Nerven zu verlieren. Einige Beamte schlagen
zu. Manche heimliche Chatgruppe wird
aufgedeckt. Das sind Polizisten, die radikal
denken, für den Erhalt der Ordnung auch
mal den eigenen Rahmen übertreten. Man
beschwichtigt, es mit Einzelfällen zu tun zu
haben.
# Der Narr spricht’s aus, die anderen halten
den Mund
In einer unübersichtlichen Fake-Welt behalten
diejenigen den Durchblick, die von den
Auskennern des Systems belächelt werden.
Kreative dürfen den Ameisenhaufen von
außen darstellen. Die Arbeiter:innen laufen
nur ihre bekannten Straßen rauf und runter.
Ich würde sagen, ein gefährlicher Prozess
innerer Zersetzung nimmt Fahrt auf. Unser
Wohlstand ist in Gefahr, ist der eigentliche
Grund. Unsere Werte können nicht gehalten
werden, wenn welche hinter die Fassade
schauen und die sauberen Westen der Gutmenschen
Dreck verbergen. Der Staat nennt
es Transparenz, sensible Daten habe man im
Blick, ermittelt verdeckt das Böse. Der große
Lauschangriff als Rohrkrepierer, nackte
Kanone. Man kommt nicht offen: „Ich bin
der Kommissar und hätt’ da mal ’ne Frage …“,
lügt uns die Hucke voll. Blindgänger säumen
das Terrain. Das Dorf lauscht mit, will heute
Mäuschen sein – der Kanonenschuss lässt
einen Spatz auffliegen.
Diese Beobachtungen (ich kenne mich
aus) lassen nur den Schluss zu, dass die
Gesellschaft insgesamt ein Problem hat.
Das können auch nur alle gemeinsam lösen.
Nicht wenige organisieren sich, die Vielfalt
macht es möglich, dass jedermanns Freiheit
neue Aggression schafft. Da verlieren welche,
die allein nicht klarkommen und sich in
keine Gruppe integrieren. Das ist die nicht
unerhebliche Masse der Sozialschwachen.
Sie laufen hier mit und da, erbringen sich
selbst kaum Gewinn für einen Lebenserfolg,
was immer das heißt, nutzen nur welchen,
die sie manipulieren können oder Ärzten, bei
denen sie regelmäßig landen. Manche füllen
Mai 21, 2022 - Ich sehe Wald und keine Bäume 86 [Seite 83 bis 87 ]
Klinik oder Knast. Zahlreiche Menschen
fallen der Gesellschaft zur Last. Es werden
mehr? Dann machen wir als Gesamtheit
etwas falsch. Es nützt wenig, Spinner zu
beschuldigen und nicht wahrhaben wollen,
diese selbst wie Unkraut zu ziehen, wo wir
Nutzkräuter möchten. Unsere Bewertung
überfordert nicht wenige. Wir schmeißen sie
nur scheinbar aus dem Garten. Sie wuchern
nicht draußen oder landen im Müll. Es gibt
keinen alternativen Planet für sie.
Ich bin vom Fach. Der Künstler ist ein
Polizist ohne Staatsanwalt, Gericht oder Gefängnis,
wir decken auf und machen unsere
Wahrheit sichtbar. Wir lügen das Blaue nicht
vom Himmel. Wir verwenden Farbe, und
dann sieht man Wetter. Wo andere bislang
nur weiße Leinwand im Laden kauften,
nutzen wir diese. Wenn die Masse streamen
muss, singen wir noch selbst, schreiben uns
frei. Unser Theater ist besser. Wir schauen
hin und machen was daraus. Ich bin nicht
verrückt, stehe aber anders zum Ganzen.
Kunst kann nicht nach dem Motto verschoben
werden: „Ist das Kunst oder kann’s weg?“
Nur Dumme erkennen keine Unterschiede.
Oder eben die Narren, die bekanntlich nichts
fühlen oder merken. Was, wenn es mehr
davon gibt in unserer Gesellschaft, als gemeinhin
bekannt? Das wäre problematisch
für uns. Alle verrückt, wäre ziemlich scheiße.
Wie in Schilda etwa, würde Deutschland sich
selbst als Gemeinschaft verspielen, Geld
verlieren und noch den kollektiven Verstand.
Als Normalerkrankter mit Hexenschuss,
Schnupfen oder internistisch definierten
Problemen, nur als ein Beispiel, fällt das
Stigma, welches psychisch Gestörten anhaftet,
weg. Wir haben uns darauf verständigt,
psychische Krankheiten diagnostisch zu
benennen und verschiedene Einrichtungen
konzipiert, die als Anlaufstelle oder Ort der
Betreuung gesellschaftliche Notwendigkeit
geworden sind, wie viele andere Strukturen
unserer modernen Zivilisation. Die Welt
gestalten alle mit. Wir werden hineingeboren
und müssen die Umgebung zunächst
akzeptieren.
# Der eigene Platz zu leben, wie sieht er
aus?
Der gewöhnliche Mensch nutzt den Arzt,
geht selbst hin, kann im Krankenhaus
behandelt werden. Der psychisch Kranke
wird versorgt, aber nicht immer haben diese
Menschen noch die Fähigkeit, selbst zu
kontrollieren, wie das läuft. Dann greifen
die bekannten Strukturen. Mehr noch als
andere, erfährt der psychisch Kranke, welcher
aufgrund seiner Unfähigkeit, für sich
allein zu sorgen, zum abhängigen geworden,
unselbstständig ist, die Bindung an die
helfende Struktur. Das bedeutet für uns
alle, ein gesellschaftlich nicht ausreichend
begriffenes Problem geschaffen zu haben.
Wir können psychisch Kranke nicht gesund
machen, wenn wir diese führen, begleiten
und medikamentös einstellen, sondern
ihre verstörende Aktivität nur kanalisieren.
Wie aus einem natürlichen Flusslauf eine
künstliche Wasserstraße, formen wir aus den
Abnormen eher ein Material. Es bringt dem
Ganzen noch geringen Nutzen, beschäftigt
Menschen auf Arbeitsplätzen in der Medizin,
dem Gefängnis und anderen Sozialeinrichtungen.
Unsere Förderung erwirkt kaum die
Selbstbestimmung und natürliche Entwicklung
gesunden Lebens. Wir lassen die
auffällig gewordenen Menschen nicht mehr
los. Sie sind als Narren gescheitert, weil
sie nicht zu fühlen lernten, und wir lehren
sie nicht, es nachzuholen. Im Gegenteil, die
Pharmazie ermöglicht den Spezialisten, aus
einer an sich hilfreichen Medizin, die lebenslange
Bindung zu machen, die mancher Arzt
zu schätzen weiß, dem ein Patient anvertraut
wurde oder sich selbst offenbarte,
allein nicht klarzukommen.
Ist so einer zudem noch polizeibekannt, ist
es vorbei mit der respektierten Beziehung
zum Freund und Helfer. Der einfache Geist
der Ordnungshüter versagt in der Grauzone
von Krankheit und Straftat. Der Polizist ist
nicht mehr dein Freund in so einem Fall.
Der Arzt ist gleichwohl nicht der Kumpel,
dem wir uns anvertrauen. Der Arzt steht
zwischen der Gesellschaft und dem Kranken,
ein Freund steht an deiner Seite, das macht
den Unterschied. Es klafft eine Lücke zwischen
der Unmöglichkeit von Familie und
Freunden, Kranken zu helfen, die überfordert
sind, ihre Mitmenschen mitzunehmen und
dem Netz der Profis, welches die Sonderlinge
abfischt und im eigenen Bassin hält. Ein
Helfer ist nicht selten bindend im Anspruch,
die Hilfe auf genau seine Art aufzuzwingen.
Hilfe zur Selbsthilfe kann für den Narren als
solchen nur bedeuten, das Fühlen endlich zu
lernen (wie der erwachsene Analphabet gut
dran tut, sich nicht durchzumogeln, sondern
Lesen und Schreiben zu lernen).
# Narren werden ausgenutzt
Solange der Verrückte nicht gewalttätig ist,
macht er Spaß als unterhaltender Clown,
nicht wissend, einer zu sein. Das ist unsere
Gesellschaft, menschenverachtend. Darum
gibt es Suizide, darum gibt es Amok. Jeder
piesackt die anderen ein wenig, einige trifft
es mehr. Wir sind nicht gut, besser etwa als
im Mittelalter, wo noch Hexen verbrannt
wurden. Der Einzelne wird böse handeln,
wenn sich die Möglichkeit bietet, scheinbar
zu gewinnen. Zu lehren, dass materialistisches
Vorankommen nicht selten eine
existenzielle Seifenblase bedeutet, die
unerwünscht zerplatzt, könnten wir besser
machen. Wir sind nur so gut, wie wir durch
den Rahmen sein können, den das System
bildet. Einbildung macht dumm. Einige
kommen weit damit, besetzen gute Plätze.
Sie nutzen Stärke, ohne anzuerkennen, dass
nur die Umstände günstig waren. Emotional
könnte das Leben reichhaltiger sein, wenn
Menschen ihre Macht weniger missbrauchen
würden, sogar für diese selbst. Geteilte Kraft
dürfte nicht wenige voran bringen, die eifersüchtig
darauf hinwirken, stark zu scheinen.
Die Chance für den Einzelnen besteht darin,
die geistige Gesundheit als ein Geschenk
zu begreifen, weniger als eine Leistung. Das
ist sie nur für diejenigen, die diese bewusst
erbracht haben.
:)
Mai 21, 2022 - Ich sehe Wald und keine Bäume 87 [Seite 83 bis 87 ]
Katastrophe sind wir nackt: Vielleicht bleibt
mein Anliegen, besondere Geschichten zu
erzählen, in der Plattheit eines misslungenen
Versuchs stecken, wie man das bei
Schriftstellern kennt, die Großes wollten
und Billiges machten? Das mögen andere
bewerten.
# Tante Hedwig
Kurz Malheur
Jun 8, 2022
Ich male
noch. Immer
noch an
dem großen
Bild, das
„Selfexecuties“
heißen
wird. Ich bin
seit etwa
einem Jahr
im Thema.
Klar, wenn
man einfach
zu verordnen ist, heißen die Themen Porträt
oder Landschaft. Manche malen abstrakt
und sagen dann, was das bedeuten soll. In
meinem Fall geht das nicht so gut. Das Thema
kann mit einem Begriff gesagt werden
oder man schreibt eine Inhaltsangabe, was
zu sehen ist, um sich dem Ganzen anzunähern.
Könnte man das befriedigend tun, alles
aufschreiben, müsste nicht gemalt werden.
Eine Kurzgeschichte, ein Roman oder ein
Video, das, was einen umtreibt, in einen
Film zu bannen, wären natürlich gleichwohl
Möglichkeiten zu arbeiten.
In unserem Familienstammbaum
findet sich um einige Ecken herum
die noch bekannte Hedwig Courths-
Mahler. Über meine Mutter käme
man nach einigen Verzweigungen
von Tanten und Cousinen bis zu der
Berühmten, hieß es. Sie schrieb erfolgreiche
Schnulzen. Bis zu vierzehn
Romane pro Jahr produzierte die
Fleißige. Der Spott der Literaten traf
insofern, als dass man ihren Namen
verballhornte. „Kurz-Malheur“ nannte
man ihre Liebesromane. Wohin die
Reise geht? Simenon gelang es mit
„Maigret“, den Groschenroman hinter
sich zu lassen und nach einigen
Übungen Weltliteratur zu schaffen.
Ich hoffe dementsprechend noch,
was meine eigenen Farbwunder
betrifft. So wichtig ist das Berühmtsein
nicht.
:)
# Kunst oder weg?
Eine Ballade dichten, ein Lied schreiben; viele
Wege führen nach Rom auch in der Kunst,
wenn es darum geht, sich mit irgend etwas
herumzuschlagen und die passende Umsetzung
zu nutzen, die individuelle Sprache
einer Kunstfertigkeit einzusetzen. Romane
werden oft verfilmt. Es gibt Musicals, die auf
anderem basieren, das bereits erfolgreich
war. Auf gutes Kino, nach der Skizze vom
Drehbuch produziert, folgt der Roman zum
Film. Noch nie hörte ich davon, dass jemand
den „Schrei“ von Munch vertont hätte. Auch
von einem verfilmten Gemälde habe ich
bislang nichts mitbekommen. Eher dürfte
jemand Hopper zum Krimi machen, etwa
„Nighthawks“ oder „Conference at Night“,
als mit Jackson Pollock überzeugend zu behaupten,
eines der abstrakten Großgemälde
in einen Kinofilm verwandelt zu haben. Da
schafft man allenfalls eine Bio des Malers,
könnte wie Disney in „Fantasia“ durch tonalen
Kabelsalat dödeln. Zum Schluss wären
viele enttäuscht, selbst wenn ein toller Film
entstünde: Pollock bleibt unnachahmlich
wie Edward Hopper, glaube ich.
Mich möchten die wenigen die sich trauen,
etwas zu sagen, als Pornomaler begreifen?
Da wäre ich in diesem Genre, das gibt es ja,
kaum konkurrenzfähig. Meine Vorbilder sind
Realisten, die nicht die Realität malen, eine
abstrakte Situation thematisieren. In der
Jun 8 21, 2022 - Kurz Malheur 88 [Seite 88 bis 88 ]
Lippenbekenntnisse
und ein Impfstoff, der
nicht wirkt
Jun 12, 2022
Ein neuer Subtyp
treibt sein Unwesen,
die Zahl der
Erstimpfungen
stagniert. Kaum einer,
der bislang nicht gegen Corona geimpft ist,
fängt jetzt noch an, sich auf den Weg zu
machen für eine vollständige Impfung. Was
soll das denn sein? Der angepasste Impfstoff
wird nicht fertig. Die Firma übt noch. Eine
Sommerwelle käme ungelegen. Die Gesellschaft
begreift zweierlei: Die Impfung
schützt nicht, und ein Test ist kaum mehr, als
der zweite rote Strich. Es hilft nichts, außer
man gehört zu denen, die sich selbst helfen
können. Inzidenz ist nur ein Wort: Menschen
sterben, und sie haben Omikron. Corona war
gestern. Langes Covid ist was für die, die es
brauchen. Manche haben Schnupfen und fragen
nicht viel. Früher gab’s die Mode. Heute
dominieren Viren. Wer was auf sich hält, hat
Affenpocken? Immer was Neues.
# An die militärische Spezialoperation in der
Ukraine gewöhnen wir uns
Wie die Leute in Orwells Roman, Krieg in Eurasien:
Israel macht es vor, irgendwo knallt’s
halt mal. Hier bei uns genauso. Einer hat ein
Auto in die Masse gefahren, eine Lehrerin
ist tot, und der Mann kommt in die Forensik.
Das ist unser Krieg in Berlin und anderswo.
Er lebt auf.
Lippenbekenntnisse formen das Cabaret
der anderen. Das sind Menschen, die uns
alle Tage enttäuschen. So viele Versager
und noch mehr Frauen, die nichts gebacken
kriegen. Da hilft keine Quote. Sie reden,
schimpfen, möchten Papst sein. Diese dummen
Weiber können den Maulschlüssel nicht
vom Haustürschlüssel unterscheiden und
wollen doch anderen die Seele versorgen.
Immer gehetzt, hilft ihnen weder Maske,
Booster noch Fahrradhelm, weil ihr Problem
ist, gemocht werden zu wollen. Sie müssen
dauernd zum Arzt, haben alles und endlich
Krebs. Frauen meckern, fordern, geben keine
Liebe. Sie studieren, managen und haben
das Leben verlernt. Sie sind überfordert, und
wen wundert das? Die Mensch:in ist die
letzte Mutation. Wir werden in Putins finalem
Atomblitz davon befreit, mit ihr auskommen
zu müssen. Solange die Gesellschaft an
sich selbst, dem unreifen Menschen krankt,
werden schmerzhafte Ereignisse folgen.
„Die sind hier alle verrückt!“, sagt der demente
Alte über Mitbewohner im Heim. Ich
bin seiner Meinung. Mein Heim ist Deutschland
und mir geht es gut – noch.
Uvalde ist schon wieder vergessen, das
war der amerikanische Albtraum im Mai.
Die böse Waffenlobby sei schuld, haben
die Leute beschlossen und machen weiter.
Was sollen sie auch tun? Auch
bei uns, hilflos schippern wir
von Tod zu Tod. Alle lügen
immer, manche wissen, dass sie
andere gelegentlich verletzen,
mit ihrem Theater. Die meisten
halten sich für gute Menschen
und wissen es nicht.
A. hat sämtlich die Porträts
vom eigenen Gesicht (oder die,
die es nötig finden, haben alle
Bilder von ihr) im Google gelöscht.
Genauso eine Veränderung
beim Nachfragen meines
Namens. Gibt man „John Bassiner“
ein, ist, was man zu sehen
bekommt, innerhalb weniger
Tage um einiges reduziert
worden. Zufall oder steuert ein
Mensch das bewusst; wem ist wichtig, was
dort sichtbar ist? „Missbrauch melden“, ist
ein Feld, dass der Nutzer auf manchen Webseiten
ankreuzen kann. Der Bürger als Polizist,
das wäre ja gut, oder ist dein Nachbar
als Herr Lynch unterwegs, weil er dich nicht
mag? Dann wäre dieses „melden“ selbst der
Missbrauch. Nicht einfach zu überprüfen.
Eine Suchmaschine ist halbautomatisch wie
ein Fahrzeug, das vom Fahrer gelenkt fährt,
aber den Motor muss man nur starten, und
vieles erledigt das System, ohne dass wir
ständig auf diese Details schauen. Google ist
eine vergleichbare Struktur, von Menschen
gemacht und von ihnen kontrolliert. Jemand
ordnet den Algorithmus, und das ist kein
Fake, das ist Deutschland. So kommt es mir
vor. In anderen Suchmaschinen kommen
andere Bilder. Auch Google mischt mal so,
mal so. Google ist eine Maschine, die von
Menschen manipuliert wird. Die Realität
ist kein Bild, aber wir orientieren uns an
unserer Information. Freiheit ist wählen
können. Könnte man unsere Gehirne direkt
umschreiben auf eine passende Erinnerung
wie gewünscht, würde es bestimmt gemacht.
Vielleicht kommt es noch. Früher war der
Rat, mit der Vergangenheit Frieden zu
schließen. Heute sind wir klüger. Wir löschen
unsere digitalen Spuren, fertig. Oder wir
manipulieren die Bilder und Texte anderer,
wenn wir die Macht dazu haben.
# Ihr Leute hier um mich herum, ihr habt
mich verändert!
Ich finde es schade, tatsächlich, dass der
Mann in Berlin nur eine Person töten konnte,
als er seinen Wagen in die Menge lenkte.
Nicht mehr, als ein verrissener Zufallstreffer.
Zwei oder drei hätte er schaffen können,
wenn er besser gezielt hätte. Die Waffen,
die Deutschland der Ukraine liefert, sind
wirkungsvoller. Die ballern richtig! Nur
eine einzige, überflüssige Lehrerin, da kann
das Ganze kaum als Amoklauf gelten. Kein
islamistischer Terror, nicht einmal Nazi war
der Mann, sagen sie. Diesen Tag in Berlin
werden wir schnell vergessen. Die Angehörigen
löschen noch die WhatsApp der Frau
und was sie gepostet hat irgendwo.
Aus.
:(
© 2022 I John Bassiner, 22869 Schenefeld bei Hamburg
Jun 13 21, 2022 - Lippenbekenntnisse und ein Impfstoff, der nicht wirkt 89 [Seite 89 bis 89 ]