statement - HfMDK Frankfurt
statement - HfMDK Frankfurt
statement - HfMDK Frankfurt
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Frankfurt</strong> in Takt<br />
Magazin der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Main<br />
Schwerpunktthema<br />
GELD und KUNST<br />
11. 12. Jahrgang, Nr. 2 1 Wintersemester Sommersemester 2011/2012 2012<br />
www.hfmdk-frankfurt.de
Mein Leben, meine Freiheit,<br />
meine <strong>Frankfurt</strong>er Sparkasse<br />
„Meine Pläne für die Zeit nach dem Zivildienst? Studieren, aber davor geht’s erstmal auf<br />
Reisen. Klasse, dass ich unterwegs meine Überweisungen einfach online erledigen kann.“<br />
Das kostenlose* Sparkassen-PrivatKonto Young – jetzt mit<br />
chipTAN-Technologie fürs Online-Banking.<br />
* für junge Leute bis zum 26. und für alle in Ausbildung<br />
sogar bis zum 30. Geburtstag; ausgenommen beleghafte<br />
Aufträge (1,50 EUR pro Auftrag)<br />
Felix B. | Zivildienstleistender<br />
Kunde seit ewig
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
Inhalt<br />
2 Editorial<br />
4 Kunst, Geld und der Wert der Kreativität<br />
Von Olaf Zimmermann<br />
6 Orpheus’ neue Wege: Tabus brechen und Initiativen bündeln<br />
Von Stephan Mösch und Albrecht Thiemann<br />
8 Unterbesetzt und hoch motiviert<br />
Interview mit den drei Dekaninnen Catherine Vickers,<br />
Henriette Meyer-Ravenstein und Marion Tiedtke<br />
14 Bei Anruf Kunst<br />
Die Künstlerbörse der <strong>HfMDK</strong><br />
16 Überzeugen und Begeistern<br />
Interview mit den Fundraiserinnen Beate Eichenberg und<br />
Heinke Poulsen<br />
20 Fünf Jahre Gesellschaft der Freunde und Förderer der <strong>HfMDK</strong><br />
20 Fördern macht Freude<br />
Statements von Freunden und Förderern der <strong>HfMDK</strong><br />
22 Aus Liebe zum Tanz – Der Förderverein ZuKT e. V.<br />
Von Claudia Sauter<br />
23 Spitzenförderung<br />
Wie Studierende finanzielle Unterstützung bekommen<br />
24 Kunst- und Nachwuchsförderung auf hohem Niveau<br />
Interview mit Michael Münch (Deutsche Bank Stiftung)<br />
26 Zahlen<br />
Statistisches aus der 19. Sozialerhebung des<br />
Deutschen Studentenwerks<br />
27 Erfüllung statt Geld<br />
Über die Studienmotivation angehender Musiker<br />
28 Der Rohdiamant aus der Nebenfachprüfung<br />
Interview mit dem Sänger Johannes Martin Kränzle<br />
30 Rettungsschirm mit Gegenleistung<br />
Wie die Hochschule ihren Studierenden in Notfällen finanziell<br />
zur Seite steht<br />
32 Der eigenen Zukunft auf der Spur<br />
„Career Development“ hilft Studierenden bei ihrer<br />
Existenzgründung<br />
34 Ceterum censeo<br />
Nachdenkliches zur finanziellen zur finanziellen Wertschätzung<br />
musikalischer und musikpädagogischer Arbeit<br />
Von Carola Schlüter<br />
35 Die <strong>Frankfurt</strong>er Resolution<br />
Für bessere Arbeits- und Tarifbedingungen für Lehrbeauftragte<br />
36 Klage nicht – kämpfe!<br />
Politische Reaktionen auf die <strong>Frankfurt</strong>er Resolution<br />
40 Gelebter Mut zur Wahrhaftigkeit<br />
Sophia Jaffé ist neue Professorin für Violinspiel<br />
42 Annäherungen an das, was Musik ist<br />
Ernst August Klötzke ist neuer Professor für Musiktheorie<br />
44 Ausbildung kann nie alles abdecken<br />
Ingo Diehl ist neuer Professor für Zeitgenössische<br />
Tanzpädagogik<br />
45 Publikationen unserer Lehrenden<br />
47 Erfolge unserer Studierenden<br />
48 Impressum<br />
Statements Studierender<br />
7 Paul Leonard Schäffer<br />
12 Delphine Roche<br />
13 Alma Toaspern<br />
13 Christopher Herrmann<br />
15 Gergö Nagy<br />
27 Kathrin Berg<br />
31 Nina Koch<br />
38 Andreas Voss<br />
46 Jonathan Granzow<br />
46 Tatjana von Sybel<br />
Fragen an Alumni und Lehrende<br />
33 Christoph Klüh<br />
34 Despina Apostolou<br />
37 Paula Rosolen<br />
37 Helmut Oesterreich<br />
39 Claude Frochaux<br />
39 Fabian Sennholz<br />
45 Hedayet Djeddikar
2<br />
Editorial<br />
Das liebe Geld<br />
„Kunst und Geld“ ist ein altes, aber immer aktuelles Thema. Auch<br />
an der <strong>HfMDK</strong> bestimmt das Geld die Ausbildung mehr, als uns<br />
lieb ist. Die Qualität unserer Arbeit, wie sie sich im Lehrangebot und<br />
seinen Rahmenbedingungen manifestiert, ist entscheidend davon<br />
anhängig, welche Mittel wir dafür zur Verfügung haben.<br />
Wir haben in diesem Heft den Rahmen weit gespannt: wir doku-<br />
mentieren die finanzielle Situation unserer Studierenden, die<br />
Bezahlung der Hochschullehrenden kommt zur Sprache. Wir haben<br />
unsere Studierenden gefragt, welche finanziellen Hoffnungen<br />
sie mit ihrer Berufswahl verbinden, und unsere Alumni, was sie in<br />
der Berufswirklichkeit erwartet.<br />
Das Heft dokumentiert, dass die <strong>HfMDK</strong> unterfinanziert ist. Was<br />
das für die Praxis der Hochschularbeit bedeutet, können Sie dem<br />
Interview mit den drei Dekaninnen entnehmen. Die strukturelle<br />
Seite unserer Unterfinanzierung zeigt sich an den Ausführungen<br />
unserer Lehrbeauftragten-Sprecherin: lediglich 40 Prozent des<br />
Unterrichts an unserer Hochschule erteilen festangestellte Lehren-<br />
de, 60 Prozent der Lehre erbringen unsere Lehrbeauftragten. Damit<br />
liegt die <strong>HfMDK</strong> im bundesweiten Vergleich an vorletzter Stelle von<br />
24 Musikhochschulen – und das als einzige Hochschule für Musik,<br />
Theater und Tanz in Hessen. Auch wenn wir fachlich hervorragende<br />
und äußerst engagierte Lehrbeauftragte am Hause haben: dieses<br />
Missverhältnis wirkt sich natürlich auch auf die Qualität der Aus-<br />
bildung aus. Außerdem haben wir damit einen brisanten Konflikt im<br />
Kern der Institution, nämlich innerhalb der Lehre: festangestellte<br />
bzw. beamtete Lehrende auf der einen Seite, „Freiberufler“ auf der<br />
anderen. Inzwischen haben sich die Lehrbeauftragten der deut-<br />
schen Musikhochschulen bundesweit organisiert und eine „Frank-<br />
furter Resolution“ verabschiedet, die in diesem Heft abgedruckt<br />
wird. Auch wenn die <strong>HfMDK</strong> zu den Hochschulen in der BRD<br />
gehört, die ihre Lehrbeauftragten am besten bezahlt; auch wenn<br />
viele der Forderungen der Resolution an der <strong>HfMDK</strong> bereits<br />
umgesetzt sind bzw. aus rechtlichen Gründen nicht erfüllt werden<br />
GELD und KUNST <strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
können: das Problem ist da, und wir nehmen als Hochschulleitung<br />
die Unzufriedenheit unter Teilen der Lehrbeauftragten ernst. Die<br />
Ursache des Problems können wir jedoch nicht aus eigener Kraft<br />
lösen. Es ist die seit vielen Jahren zu geringe Basisfinanzierung der<br />
Hochschule. So wurden im Lauf der Jahre immer mehr Lehrbeauf-<br />
tragte verpflichtet, weil für die Schaffung hauptamtlicher Profes-<br />
suren keine Mittel mehr vorhanden waren. Aus diesem Missverhält-<br />
nis resultieren Einbußen an der Ausbildungsqualität, kräftezehrende<br />
innere Konflikte und eine überlastete Selbstverwaltung, da diese<br />
auf den Schultern von viel zu wenig festangestelltem Personal<br />
lastet. Die einzig sinnvolle Lösung ist die Umkehr dieses Prozesses:<br />
der Abbau von Lehraufträgen und ein gleichzeitiger Aufbau von<br />
festen Stellen. Dafür benötigt die Hochschule eine deutliche Steige-<br />
rung ihrer Grundfinanzierung.<br />
Um die schwierige Finanzsituation des Landes vor dem Hinter-<br />
grund der Schuldenbremse wissen wir. In so einer Situation ist es<br />
nicht einfach, mehr zu verlangen. Auf der anderen Seite kann<br />
die Hessische Landesregierung bis 2020 nicht alle Zukunftsprojekte<br />
streichen. Sie wird Prioritäten setzen müssen. Und so muss die<br />
Hochschule in Zukunft verstärkt für ihre Arbeit werben, den<br />
gesellschaftlichen Nutzen verdeutlichen, der durch sie erbracht<br />
wird, ihre Legitimation beweisen. Das kann die <strong>HfMDK</strong> vor<br />
allem durch die gute und international anerkannte Arbeit, die hier<br />
geleistet wird. In vielen Studiengängen gehört die <strong>HfMDK</strong> zu<br />
den führenden deutschen Hochschulen für Musik und Darstellende<br />
Kunst. Es gibt starke Instrumentalklassen und erfolgreiche Abtei-<br />
lungen. Wir sehen das an den vielen Studierenden, die aus aller<br />
Welt nach <strong>Frankfurt</strong> kommen, um hier Fächer zu studieren, in<br />
denen anerkannt exzellent ausgebildet wird. Und um ein aktuelles<br />
Beispiel aus der Darstellenden Kunst zu geben: bei gerade einmal<br />
45 freien Stellen in ganz Deutschland haben alle acht Absolventen<br />
der Schauspielabteilung mit einem Festengagement in der Tasche<br />
die Hochschule verlassen. Sie hatten sich erfolgreich gegen<br />
die 200 Mitbewerber der anderen deutschen Schauspielschulen<br />
durchgesetzt. Hessen kann also stolz sein auf seine einzige<br />
Hochschule für Musik, Theater und Tanz.
Auch unter der Bürgerschaft genießt die <strong>HfMDK</strong> große Akzeptanz:<br />
mit Primacanta hat die <strong>HfMDK</strong> ein Projekt in der Rhein-Main Region<br />
initiiert, das bundesweit Referenzcharakter hat. Die Eltern, deren<br />
Kinder eine Primacanta-Grundschule besuchen, können bestätigen,<br />
auf welch fruchtbaren Boden unsere Arbeit fällt. Und ohne dieses<br />
Projekt gäbe es in diesem Jahr auch kein Deutsches Chorfest<br />
in <strong>Frankfurt</strong>. Uns freut auch die breite Zustimmung für den geplan-<br />
ten Umzug der Hochschule nach Bockenheim. Die Planungswerk-<br />
stätten für den Kulturcampus <strong>Frankfurt</strong> haben gezeigt, dass<br />
die Bürgerinnen und Bürger die Hochschule in ihrer Nähe haben<br />
wollen, weil sie um den Wert ihrer Arbeit wissen. Auch das<br />
müssen wir den politisch Verantwortlichen in der Landesregierung<br />
vermitteln.<br />
Weit über 90 Prozent der Mittel der <strong>HfMDK</strong> kommen aus dem<br />
Landeshaushalt, und eine substanzielle Verbesserung ihrer<br />
Grundfinanzierung muss vom Land ausgehen. Darauf dürfen wir<br />
uns jedoch nicht verlassen. Wir wissen, dass wir jenseits der<br />
Finanzierung durch die öffentliche Hand zusätzliche Wege zur<br />
Mittelbeschaffung beschreiten müssen. Dabei haben wir zwei<br />
Möglichkeiten: wir können unsere Eigeneinnahmen erhöhen oder<br />
versuchen, in verstärktem Maße Drittmittel einzuwerben. Die<br />
Erhöhung der Eigeneinnahmen ist im Augenblick nur begrenzt<br />
möglich. Es ist nicht Kernaufgabe der Hochschule, Konzerte zu<br />
veranstalten, Künstler zu vermitteln oder Konzertsäle zu vermieten.<br />
Hier käme es sofort zu Interessenskollisionen zwischen den<br />
Anforderungen eines Studienbetriebs und seiner „gewerblichen“<br />
Verwertung.<br />
Deshalb setzen wir auf das Fundraising als weiteren Bestandteil<br />
der Hochschulfinanzierung. Und unsere Erfolge rechtfertigen<br />
dies: im Jahr 2011 haben wir zusätzliche Drittmittel in Höhe von<br />
800.000 Euro eingeworben, also mehr als fünf Prozent unseres<br />
Gesamtetats. Möglich war das durch die professionelle Arbeit<br />
unserer Fundraisingabteilung. Zwar wollen unsere Förderer nicht die<br />
Grundausstattung der Hochschule finanzieren und den Staat<br />
damit aus seiner Pflicht entlassen. Wir können jedoch durch das<br />
Fundraising unser Unterrichtsangebot auf zukunftsweisende<br />
Art ergänzen. So haben wir erstmals Drittmittel für eine Stiftungs-<br />
professur eingeworben. Außerdem werden zentrale Projekte der<br />
Lehre, besonders durch die Gesellschaft der Freunde und Förderer,<br />
unterstützt: die Orchesterbegleitung von Konzertexamen, Gastpro-<br />
fessuren im Schauspiel und in der Gesangsabteilung, der Kauf<br />
von Instrumenten und die Verpflichtung von Gastdirigenten für das<br />
Hochschulorchester. Damit sind wir auf einem guten Weg – und<br />
wieder einmal Vorreiter im Kreis der deutschen Musikhochschulen.<br />
Noch sind das „Tropfen auf den heißen Stein“, aber wir halten es<br />
für machbar, dass in einigen Jahren das Fundraising einen stabilen<br />
Beitrag zur Finanzierung der Hochschule leistet. So gewinnen wir<br />
immer mehr Bewegungsfreiheit und Kraft. Wir werden getragen von<br />
einem breiten und aktiven Kreis von Unterstützern, der unsere<br />
Arbeit würdigt und mit großer Freude fördert. Und das verstärkt<br />
unsere Position spürbar auch im politischen Raum.<br />
Die Zielrichtung für unseren Umgang mit dem Thema „Geld“ ist<br />
also für die nächsten Jahre klar: wir wollen die Politik davon<br />
überzeugen, dass eine Investition in die <strong>HfMDK</strong> eine Investition in<br />
die Zukunft ist. Gleichzeitig werben wir verstärkt bei den Bürge-<br />
rinnen und Bürgern dafür, unsere Hochschule zu unterstützen.<br />
Denn Hessen braucht eine starke Hochschule für Musik, Theater<br />
und Tanz.<br />
Thomas Rietschel<br />
Präsident der <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Main<br />
3
4 GELD und KUNST <strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
Kunst, Geld und der Wert der Kreativität<br />
Von Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates<br />
Kunst und Geld, das ist ein spannendes Verhältnis ja nach Standort<br />
des Betrachters, des Betrachtungswinkels. Zunächst einmal: Kunst<br />
kostet Geld. Kunst ist nicht zum Nulltarif zu haben. Künstler haben<br />
wie andere Teilnehmer des Wirtschaftslebens auch das Recht auf<br />
eine angemessene Vergütung ihrer Leistungen. Niemand kann für<br />
umsonst arbeiten. Jeder muss seinen Kühlschrank füllen und seine<br />
Miete bezahlen, von den sogenannten Produktionsmitteln wie<br />
Noten, Instrumenten, Texten, Kostümen und so weiter ganz zu<br />
schweigen. Insofern ist es richtig und wichtig, dass Künstler für<br />
eine angemessene Vergütung eintreten und Einspruch erheben,<br />
wenn erwartet wird, Künstler müssten ihre Leistung speziell im<br />
Internet kostenlos zur Verfügung stellen.<br />
Darum ist eine der großen Herausforderungen in den kommenden<br />
Jahren mit Blick auf das Verhältnis von Kunst und Geld angesichts<br />
der Digitalisierung, Vergütungsmodelle zu entwickeln, die Künstlern<br />
eine adäquate Vergütung für ihre Leistungen im Netz erlauben.<br />
Die bestehenden Modelle sind hierfür erst der Anfang und längst<br />
noch nicht ausgereizt. Erst am Anfang stehen auch Debatten über<br />
eine Kulturflatrate oder eine Kulturwertmark, auch wenn sie in<br />
einigen Kreisen bereits als Lösungsmodell diskutiert werden. Weder<br />
wurde bislang ausgeführt, wie hoch eine solche Vergütung sein soll,<br />
wer sie einziehen noch wie sie verteilt werden soll. Die bisher nur<br />
skizzierten Modelle lassen einen großen bürokratischen Aufwand<br />
und nur einen kleinen Ertrag vermuten. Dennoch, ich bin fest davon<br />
überzeugt, dass sich die Debatte über neue Vergütungsmodelle<br />
im Netz lohnt – auch wenn es bislang noch nicht die großen für alle<br />
künstlerischen Bereiche geltenden Lösungsansätze gibt. Der<br />
Kulturbereich tut gut daran, den Dialog zu suchen. Die sogenannte<br />
Netzgemeinde sollte ebenso anerkennen, dass die vermeintliche<br />
Kostenfreiheit im Netz nur eine vermeintliche ist. Der Nutzer im<br />
Internet zahlt immer, sei es mit seinem Geld oder mit seinen Daten.<br />
Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Fragestellungen rund<br />
um die Auswirkungen der Digitalisierung im Kulturbereich hat der<br />
Deutsche Kulturrat in diesem Jahr seinen Aktionstag „Kultur gut<br />
stärken“ am 21.05.2012 unter das Motto „Wert der Kreativität“<br />
gestellt. Im gesamten Bundesgebiet finden Veranstaltungen und<br />
Diskussionen statt, bei denen das Thema „Wert der Kreativität“ im<br />
Zentrum steht.<br />
„Wert der Kreativität“ bedeutet künstlerische Arbeit wertzuschätzen,<br />
hinsichtlich der materiellen Dimension, darum müssen Vergütungs-<br />
lösungen für Nutzungen im Netz gefunden werden wie auch mit<br />
Blick auf die Wertschätzung künstlerischer Arbeit, die eben kein<br />
Steinbruch für jedermann sind, sondern eine eigenständige Leistung<br />
darstellen, die Wertschätzung erfahren muss. Gerade letzterer<br />
Aspekt scheint in meinen Augen vielfach unterbeleuchtet zu sein.<br />
Selbstverständlich muss die Debatte um das Urheberrecht der<br />
wirtschaftlichen Dimension dieses Rechts einen wichtigen Stellen-<br />
wert geben. Das Urheberpersönlichkeitsrecht, d. h. die Verbindung<br />
von Werk und Künstler darf aber nicht unterschätzt werden. Sie ist<br />
letztlich auch der Schlüssel, um für Vergütungen einzutreten. Wenn<br />
jeder alles aus einem künstlerischen Werk frei benutzen und daraus<br />
etwas zusammenbasteln kann, stellt sich die Frage, wer überhaupt<br />
noch eine Vergütung wofür bekommen soll. Kunst und Geld ist also,<br />
allein was diesen Bereich angeht, weder trivial noch einfach zu<br />
lösen. Das gilt in gleichem Maße für das Verhältnis von Kunst und<br />
Geld in der analogen Welt. Wenn es etwa um die Finanzierung von<br />
öffentlichen Kultureinrichtungen, um innovative Projekte wie auch<br />
die Sicherung und Weiterentwicklung der kulturellen Infrastruktur in<br />
Deutschland geht. Der demografische Wandel, der eine veränderte<br />
Bevölkerungszusammensetzung zur Folge hat, die nur unzureichend<br />
in den drei Schlagworten weniger, älter, bunter abgebildet ist,<br />
verlangt von den kulturpolitisch Verantwortlichen jetzt Ideen für die<br />
kulturelle Infrastruktur in den Jahren, wenn nicht Jahrzehnten zu<br />
entwickeln. Hierfür gibt es in den verschiedenen Ländern und auf<br />
kommunaler Ebene Ansätze, wie dieser herausforderungsvolle<br />
Prozess gemeistert werden kann. Auch hier scheint mir der Dialog<br />
der in Politik und Verwaltung Verantwortlichen mit der organisierten<br />
Zivilgesellschaft und den Betroffenen der richtige Weg zu sein.<br />
Letztlich geht es bei beiden Themen, der Digitalisierung und dem<br />
demografischen Wandel, im Kern um die gesellschaftspolitische<br />
Frage, welchen Wert Kunst, Kultur und Kreativität in der Zukunft<br />
haben sollen, materiell und ideell.
Förderung von Claudio Monteverdis Barockoper „L´Orfeo“<br />
Zehn Starterstipendien für hochbegabte Studienanfänger pro Semester<br />
Mentales Coaching für Studierende aller Fachbereiche<br />
Förderung der Kinderoper Brundibar<br />
Neubestuhlung des Großen Saals der <strong>HfMDK</strong><br />
Matching der DAAD-Stipendien für ausländische Studierende<br />
Meisterkurs Gesang mit Helen Donath<br />
Dokumentation der 3. Biennale Tanzausbildung 2012<br />
Förderung der Johann Strauss-Operette „Die Fledermaus“<br />
„How it is Made“ Workshop Tanzpädagogik mit Julyen Hamilton<br />
Internationales Sommerlabor 2008<br />
Exkursion der <strong>HfMDK</strong>-Bigband nach Wisconsin und NYC<br />
2007–2012<br />
Fünf Jahre Gesellschaft<br />
der Freunde und Förderer der<br />
Hochschule für Musik und<br />
Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong><br />
am Main e.V.<br />
Gesangsworkshop mit Kammersänger Kurt Moll<br />
Stipendien für Teilnahme an Barcelona International Dance Exchange 2010<br />
„Maritime Rites“ von Alvin Curran<br />
„wie sie, wenn sie“, Abschlussinszenierung von Lina Lindheimer, MaCuP<br />
Reisekostenübernahme für Wettbewerbsteilnahmen<br />
Meisterkurs Barockgesang mit Kai Wessel<br />
Austauschprojekt der Gesangsabteilung mit Musikhochschule Budapest<br />
Zürichreise der Schauspielstudierenden im 6. Semester<br />
Software „Observer“ für Lehramtsstudierende<br />
Unterstützung des zeitgenössischen Musiktheaters „Mond.Finsternis.Asphalt“<br />
Gesangsworkshop mit Johannes Martin Kränzle<br />
Studentisches Forschungsprojekt von Jan Tage Kühling, Regie<br />
Kooperationsprojekt der Lehramtsstudierenden mit Schülerchören<br />
Aufführung von Mathias Spahlingers „farben der frühe“<br />
Symposium „Die Gitarre im Unterricht“<br />
Vocal Jazz and Pop Night der Lehramtsstudierenden<br />
Regiearbeit „solo Elektra“ von Laura Linnenbaum<br />
Exzellenzpreis der <strong>HfMDK</strong> für die beste wissenschaftliche Hausarbeit<br />
Teilnahme am Motion Bank Workshop Nr.2 Dance & Architecture Extended<br />
Anmietung und Transport eines Hammerklaviers<br />
Gastprofessur Lied von Helmut Deutsch<br />
Publikation „Theater der Zukunft“, MA Theater- und Orchestermanagement<br />
STROM. Aufführung <strong>Frankfurt</strong> LAB, Tarik Goetzke, Theaterregie<br />
Opernproduktion „Orfeo ed Euridice“ von Christoph Willibald Gluck<br />
Und viele erfüllte Wünsche.<br />
Wir danken Ihnen<br />
herzlich für<br />
Ihre großartige<br />
Unterstützung!<br />
Gastprofessuren für die Ausbildungsbereiche Schauspiel und Regie<br />
Mentales Training für die Posaunen- und Trompetenklassen<br />
Bassposaune, Fagott, Kontrafagott, Kontrabass, Piccolo-Cello,<br />
Es- und D-Klarinetten<br />
Orchestrierung der Konzertexamina<br />
Gastdirigate von Lothar Zagrosek, Krzysztof Penderecki<br />
und Sebastian Weigle<br />
Förderung der Händeloper „Rinaldo“<br />
Hörspielproduktion „Der Reigen”<br />
Regiearbeit „Ophelias Teich“<br />
Arbeitsphase mit Franck Ollu<br />
Kontakt<br />
Beate Eichenberg<br />
Telefon 069 154 007 137<br />
info@hfmdk-freunde.de<br />
www.hfmdk-freunde.de<br />
Spendenkonto Nr. 80 65 070<br />
bei der Deutschen Bank <strong>Frankfurt</strong><br />
Bankleitzahl 500 700 24<br />
5
6 GELD und KUNST<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
Orpheus’ neue Wege:<br />
Tabus brechen und Initiativen bündeln<br />
<strong>HfMDK</strong>-Gesangsabteilung erhielt den mit 150.000 Euro dotierten „Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre“<br />
Die freudige Nachricht aus dem Ministerium für Wissenschaft und<br />
Kunst platzte im letzten Dezember unerwartet in den Vorweihnachtstrubel<br />
der <strong>HfMDK</strong>: Mit ihrem Lehrkonzept „Orpheus auf<br />
neuen Wegen – Gesangsausbildung im Team“ konnte die Gesangsabteilung<br />
der Hochschule die Jury des „Hessischen Hochschulpreises<br />
für Exzellenz in der Lehre“ vollends überzeugen. Der von der<br />
damaligen Ausbildungsdirektorin Prof. Hedwig Fassbender stellvertretend<br />
für die gesamte Abteilung geschriebene Antrag und die<br />
Präsentation des Ausbildungsbereichs beim Besuch der Jury<br />
setzten sich gegen 88 Mitbewerber durch. Am 9. Dezember dann<br />
überreichte Eva Kühne-Hörmann, die Hessische Ministerin für<br />
Wissenschaft und Kunst, der Hochschule für Musik und Darstellende<br />
Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Main (<strong>HfMDK</strong>) den 1. Projektpreis, der mit<br />
einem Preisgeld von 150.000 Euro verbunden ist, auf Schloss<br />
Biebrich. Der Preis wird vom Land Hessen und der Hertie-Stiftung<br />
vergeben. Zum große Presseecho anlässlich dieses Erfolges<br />
zählte auch das Editorial der Januar-Ausgabe des internationalen<br />
Opernmagazins „Opernwelt“. Da die Autoren Stephan Mösch<br />
und Albrecht Thiemann das Orpheus-Projekt darin mit Kennerblick<br />
treffend erklären, ist es nachfolgend hier abgedruckt:<br />
Preise zu melden ist normalerweise eine Sache für den Info-Teil der<br />
„Opernwelt“-Hefte. Doch in diesem Fall müssen wir eine Ausnahme<br />
machen: Die Gesangsabteilung der Hochschule für Musik und<br />
Darstellende Kunst in <strong>Frankfurt</strong> ist mit dem „Hessischen Hochschulpreis<br />
für exzellente Lehre“ ausgezeichnet worden. Sie erhält damit<br />
den höchstdotierten deutschen Hochschulpreis (150 000 Euro); ihr<br />
Antrag setzte sich gegen 88 Mitbewerber durch. So weit die<br />
Meldung. Was ist daran so besonders? Ganz einfach: In <strong>Frankfurt</strong><br />
wurde über alle Selbstvermarktung und den Exzellenz-Wettbewerb<br />
der Hochschulen hinaus mit ein paar Tabus gebrochen. Gesang zu<br />
unterrichten war und ist seit jeher eine intime Angelegenheit: Nie<br />
ist der Mensch so nackt, wie wenn er singt, sagt man. Wenn er zu<br />
singen lernt, ist er nackter als nackt. Außerdem bedeutet<br />
eine Stimme zu bilden: einen Menschen zu bilden. Die Verantwortung<br />
der Lehrer ist also groß, das Verhältnis zum Schüler ein<br />
persönliches. Es spielt sich im Einzelunterricht ab. Dagegen spricht<br />
nichts außer einer Gefahr: Der Schutzraum schließt sich oft<br />
hermetisch nach außen ab. Lehrer und Schüler verlieren den<br />
Anschluss an die Praxis, stellen utopische Langzeitpläne für die<br />
Ausbildung auf, arbeiten an der Realität vorbei. Bei den ersten<br />
Vorsingen zerstieben dann viele Hoffnungen. Je weniger die<br />
Gesangslehrer sich selbst mit dem Musikmarkt konfrontieren, desto<br />
erratischer wird ihre Haltung. Es gibt Stars unter ihnen, deren<br />
Zulauf etwas Sektenhaftes an sich hat. Die <strong>Frankfurt</strong>er Gesangsabteilung<br />
unter Leitung von Hedwig Fassbender hat die Umstellung<br />
auf Bachelor- und Masterstudiengänge genutzt, um damit aufzuräu-<br />
men. Sie setzt auf Team-Teaching und offenen Unterricht. Das<br />
bedeutet zum Beispiel, dass die Dozenten sich gegenseitig beim<br />
Unterrichten zuhören, dass Studierende den Rat anderer Lehrer<br />
einholen können, ohne damit ein Sakrileg zu begehen, dass sich die<br />
Lehrer über ihre Schäfchen austauschen. Es ist ja für Außenstehende<br />
kaum zu glauben, was meist immer noch an deutschen<br />
Hochschulen praktiziert wird: Was der eine Gesangslehrer als<br />
Rezept zum Erfolg verkauft, ist für den Kollegen zwei Zimmer weiter<br />
pures Stimmgift. Der Dozent für Liedgestaltung will auf etwas ganz<br />
anderes hinaus als der Hauptfachlehrer; das, was im Unterricht für<br />
Atem und Bewegung geübt wird, betrifft andere Dinge, als der<br />
Regiedozent verlangt...Es geht also vor allem darum, monomanischem<br />
Konkurrenzdenken einen Riegel vorzuschieben.<br />
Eine erfolgreiche oder eine problematische Stimme wäre dann nicht<br />
mehr nur (und automatisch) Produkt eines bestimmten Lehrers. Im<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Konzeptpapier ist daher von „gelebter gegenseitiger<br />
Achtung“ die Rede. Natürlich wurde beim soeben ausgezeichneten<br />
Projekt „Orpheus auf neuen Wegen“ das Rad nicht neu erfunden.<br />
Dass jeder Studienjahrgang einen eigenen Mentor hat, ist an<br />
amerikanischen Ausbildungsinstituten selbstverständlich. Dass<br />
Studierende das Vorsingen üben (mit Videokontrolle und vor Profis<br />
aus den Theatern), gehört an vielen Hochschulen hierzulande zum<br />
Standard – wie auch andere Ideen des <strong>Frankfurt</strong>er Projekts.<br />
Entscheidend ist jedoch die Bündelung solcher Initiativen – und<br />
natürlich die Energie, die dahintersteckt, wenn Offenheit dauerhaft<br />
zum Prinzip werden soll. Darin liegt das Neue. Und wenn der<br />
Eindruck beim letzten Vorsingen nicht täuscht, ist aus dem Konzept<br />
längst gelebte Lehre geworden. Die Offenheit, mit der die <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Gesangsprofessoren die Meinung von Intendanten, Agenten,<br />
Operndirektoren und auch der „Opernwelt“ aufgenommen und<br />
diskutiert haben, war jedenfalls erstaunlich.<br />
Letztlich geht es ums Selbstverständnis. Gesangstudenten sind<br />
keineswegs für ihre Lehrer da (deren „Standing“ an der Hochschule,<br />
Altersabsicherung oder schlichte Selbstbefriedigung nach dem<br />
Ende der Karriere), sondern umgekehrt: Die Lehrer haben fürs<br />
Andocken an die Praxis zu sorgen. Sie können sich nicht ewig aufs<br />
noch schlummernde Potenzial ihrer Schüler hinausreden. Sie<br />
müssen die Arbeit an diesem Potenzial austarieren mit einem Markt,<br />
der immer schneller und unbarmherziger wird. Was ein junger<br />
Sänger da braucht, ist neben technischer und physischer vor allem<br />
emotionale Stabilität. Die bekommt man nicht dadurch, dass man<br />
sich semesterlang vom Gesangslehrer hätscheln lässt, sondern<br />
indem man sich durch das Gestrüpp von Ansichten und Anforderungen<br />
kämpft. Insofern könnte <strong>Frankfurt</strong> ein Beispiel geben.<br />
Stephan Mösch, Albrecht Thiemann
Oben: Gemeinsamer Blick in die Opernpartitur<br />
Lehrende und Studierende in Vorbereitung eines szenischen<br />
Abends der Gesangsabteilung.<br />
Unten: Opernszene mit den Gesangsstudierenden Björn<br />
Bürger und Esther Dierkes.<br />
S T A T E M E N T<br />
Paul Leonard Schäffer,<br />
studiert Komposition<br />
(12. Semester) und Orchesterleitung<br />
(3. Semester). Seit<br />
Anfang des Jahres leitet<br />
er projektweise die Staatsphilharmonie<br />
Rheinland-Pfalz im<br />
Rahmen von Kinderkonzerten.<br />
Welche Rolle spielt(e) Geld in<br />
Ihrem Studium?<br />
Durch mein angefangenes<br />
Kirchenmusikstudium war ich<br />
schon zu Beginn meines<br />
Studiums in einer finanziell<br />
recht angenehmen Situation:<br />
Ich konnte eine kleine Stelle<br />
als Organist und Chorleiter<br />
annehmen und somit das<br />
Geldverdienen mit den Inhalten<br />
des Studiums verbinden und<br />
bei der Arbeit meine Fähigkeiten<br />
weiter ausbauen.<br />
Wann und wie ist das Bewusstsein<br />
gewachsen, finanziell<br />
von dem leben zu müssen, was<br />
Sie künstlerisch oder pädagogisch<br />
tun?<br />
Das Bewusstsein, Geld zu<br />
verdienen, ist bei mir schon<br />
relativ früh entstanden.<br />
Zunächst als reiner Kompositi-<br />
onsstudent schien mir vor dem<br />
finanziellen Hintergrund eine<br />
Stelle als Kirchenmusiker recht<br />
sinnvoll. Inzwischen denke<br />
ich anders. Ich bin froh, in<br />
einen Studiengang gewechselt<br />
zu haben, hinter dem ich<br />
voll stehe. Ich weiß nicht ob ich<br />
wirklich, zum Beispiel als<br />
Korrepetitor, an ein Theater<br />
gehen will. Als Freischaffender<br />
hätte ich mehr Möglichkeiten,<br />
das Komponieren nicht zu<br />
vernachlässigen. Wenn ich<br />
allerdings als Dirigent an einem<br />
Theater arbeiten will, führt der<br />
7<br />
Weg an der Festanstellung nicht<br />
vorbei, vorausgesetzt ich<br />
würde ein Probespiel schaffen.<br />
Vielleicht ist ein Mittelweg<br />
das richtige: Für einige Zeit ans<br />
Theater und dann schaue ich,<br />
ob ich als Freiberufler ebenfalls<br />
gut auskomme. Nach dem<br />
Studium allein vom Komponie-<br />
ren leben zu können, ist glaube<br />
ich traumtänzerisch.<br />
Welche Kompromisse sind Sie<br />
bereit einzugehen, um sich<br />
existenziell abzusichern? Welche<br />
wären für Sie undenkbar?<br />
Das ist eine schwierige Frage,<br />
die ich jetzt nicht so genau<br />
beantworten kann. Man sollte<br />
niemals nie sagen. Ich glaube,<br />
dass ich schlecht dazu geeignet<br />
bin, an einer Musikschule<br />
Kinder zu unterrichten. Ich habe<br />
großen Respekt vor Musik und<br />
Instrumentalpädagogen, weil<br />
ich selber nur schwer Zugang<br />
zu Kindern finde.
8<br />
Unterbesetzt und<br />
hoch motiviert<br />
Die drei Dekaninnen Catherine Vickers, Henriette<br />
Meyer-Ravenstein und Marion Tiedtke im Interview<br />
Dekanate sind Schaltstellen und Ideenschmieden in einem. Dort<br />
sitzen Koordinatoren, die das Notwendige mit dem Möglichen<br />
verbinden, um für Studierende ein ebenso breit gefächertes wie<br />
qualitativ hochwertiges Lernangebot zu garantieren. Als „Chefs“ der<br />
Fachbereiche sind die Dekaninnen für einen sechsstelligen eigenen<br />
Etat zuständig, den sie in Absprache mit den Geschäftsführern<br />
der Fachbereiche selbstverantwortlich verwalten. In ihm befinden<br />
sich die finanziellen Mittel, die für Studium und Lehre gebraucht<br />
werden. Dass knappe finanzielle Ressourcen und Ausstattung dabei<br />
die limitierenden Faktoren auf dem Weg zum erstrebten Optimum<br />
sind, ist in allen drei Fachbereichen der <strong>HfMDK</strong> das gleiche Phänomen<br />
– ebenso wie die Tatsache, dass dort Not erfinderisch macht<br />
und bei den Lehrenden eine erstaunliche Einsatzbereitschaft freisetzt.<br />
Die drei derzeitigen Dekaninnen Catherine Vickers (Professorin<br />
für Klavier, Fachbereich 1), Henriette Meyer-Ravenstein<br />
(Professorin für Gesang, Fachbereich 2) und Prof. Marion Tiedtke<br />
(Ausbildungsdirektorin Schauspiel, Fachbereich 3) formulieren im<br />
folgenden Interview Probleme und Chancen, die mit den gegebenen<br />
finanziellen Rahmenbedingungen einhergehen.<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt Wie stellt sich die finanzielle Ausstattung der<br />
<strong>HfMDK</strong> aus Ihrer Sicht und für Ihren Fachbereich dar?<br />
Prof. Marion Tiedtke Wenn ich den Ausbildungsbereich Schauspiel<br />
exemplarisch für die Darstellenden Künste betrachte, komme ich zu<br />
dem Ergebnis, dass wir in <strong>Frankfurt</strong> gemeinsam mit der Hochschule<br />
für Musik und Theater Rostock das Schlusslicht bilden – zumindest,<br />
was die finanzielle und personelle Ausstattung betrifft. Für<br />
den Bereich Regie gilt im Prinzip das gleiche. Und dabei ist Rostock<br />
eine Partnerschule der Ernst-Busch-Hochschule für Darstellende<br />
Kunst in Berlin, bezieht also von dort Unterstützung, während wir<br />
hier in Hessen als einzige Hochschule für Musik, Theater und<br />
Tanz alles allein bestreiten müssen. Alle anderen Schauspielschulen<br />
verfügen über viel mehr festes Personal, können mehr Angebote<br />
machen, haben eine eigene Aufführungsbühne und können größere<br />
Inszenierungen angehen. Der sogenannte Mittelbau in der Lehre<br />
ist an anderen Orten viel stärker ausgeprägt als bei uns. Größere<br />
finanzielle Ressourcen bedeuten also ausgedehntere und qualitativ<br />
bessere Lehrangebote, und bewegliche Gelder sind darüberhinaus<br />
für Projekte und Workshops notwendig. Machen wir uns nichts vor:<br />
Die finanzielle Ausstattung hier in <strong>Frankfurt</strong> bewegt sich am Rande<br />
des Machbaren.<br />
Prof. Catherine Vickers Meine Antwort, auf den Fachbereich 1 bezogen,<br />
geht in die gleiche Richtung: An vorderster Stelle sehe<br />
ich bei uns das personelle Problem, das sich darin zeigt, dass wir<br />
mit unserem prozentualen Verhältnis von Professoren und Lehrbeauftragten<br />
in der Anzahl fester Stellen bundesweit an letzter<br />
Stelle rangieren. Dieses Missverhältnis hat sich in den letzten<br />
Oben: Motiv aus einem szenischen<br />
Abend der Schauspielabteilung.<br />
Links: Die drei Dekaninnen<br />
Henriette Meyer-Ravenstein,<br />
Catherine Vickers<br />
und Marion Tiedtke.
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1 GELD und KUNST<br />
Jahren weiter verschlechtert. Und das an einer Hochschule, die als<br />
einzige dieser Art in Hessen bemüht ist, ein breites Spektrum<br />
an Ausbildung abzudecken. Sich in diesem Spannungsverhältnis<br />
zu definieren, ist für die Hochschule ein wahrer Balanceakt.<br />
Tiedtke Dieser eher betrüblichen Tatsache steht auf der anderen<br />
Seite das bemerkenswerte Faktum gegenüber, dass beispiels-<br />
weise unser Ausbildungsbereich in der Regel eine 100prozentige<br />
Vermittlungsquote unserer Absolventen in Festengagements<br />
aufweisen kann. Jährlich bewerben sich im Schnitt 200 Schau-<br />
spielabsolventen von 17 deutschsprachigen Schauspielschulen<br />
auf 45 frei gewordene Stellen. Meist acht davon bekommen Frank-<br />
furter Absolventen, also der komplette Jahrgang.<br />
FiT Wie erklären Sie diese Diskrepanz?<br />
Tiedtke Wir haben in <strong>Frankfurt</strong> gelernt, aus der finanziellen Not<br />
eine Tugend zu machen, und zwar in Form der Hessischen Theater-<br />
akademie (HTA), die sich als verlässliches Netzwerk mit den<br />
Theatern und anderen Ausbildungsinstitutionen der Region bewährt<br />
hat. Wir sind schlichtweg gezwungen, berufsvorbereitend Koopera-<br />
tionspartner zu finden, die uns in der Ausbildung unterstützen.<br />
So lernen unsere Studierenden schon während der Ausbildung<br />
professionelle Theaterbetriebe kennen. Oft resultieren aus der<br />
frühen Zusammenarbeit spätere Festengagements. Zum anderen<br />
müssen die Studierenden bei uns angesichts einer schmalen<br />
Ausstattung eigenverantwortlich arbeiten, beispielsweise selbst<br />
für ihre Kostüme sorgen und sich um technische Bühnenfragen<br />
wie die Ausleuchtung kümmern. So erlernen sie wertvolle Kompe-<br />
tenzen, die sie auch für das freie Arbeiten jenseits öffentlicher<br />
Bühnen qualifizieren. Die Studierenden an der <strong>HfMDK</strong> können<br />
außerdem von der umfangreichen und weitgehenden Unterstützung<br />
durch die Gesellschaft der Freunde und Förderer profitieren. Sie<br />
unterstützt Projekte maßgeblich und ermöglicht uns, trotz knapper<br />
öffentlicher Gelder auf dem Ausbildungsmarkt mithalten zu können.<br />
Das reicht jedoch dauerhaft nicht, um im Profilierungswettbewerb<br />
der Kunsthochschulen mitzuhalten.<br />
FiT Wie soll und kann sich unsere Hochschule zukünftig<br />
positionieren?<br />
Vickers Genau das werden wir in einer neu beginnenden Leitbild-<br />
diskussion eruieren, die das Präsidium angestoßen hat. Darin gilt es<br />
zu klären, welches Spektrum an Studienangeboten sich die Hoch-<br />
schule leisten kann, ohne dabei den qualitativ hohen Standard zu<br />
vernachlässigen.<br />
Prof. Henriette Meyer-Ravenstein Nicht nur die Vielfalt an möglichen<br />
Studiengängen ist an der Hochschule bemerkenswert. Ich staune<br />
immer wieder, wie viele Aktivitäten gleichzeitig innerhalb der Schul-<br />
musikausbildung im Fachbereich 2 laufen. Wir reden von einer<br />
Fülle an Angeboten, angesichts derer unsere Studierenden oft<br />
nicht wissen, wie sie alle Angebote wahrnehmen können. Diese<br />
Fülle an Möglichkeiten ist ein Beweis für die hohe Motivation<br />
Musik unter Skeletten:<br />
Die Konzertreihe „Bestiarium“ –<br />
im Bild Studierende der<br />
Internationalen Ensemble<br />
Modern Akademie – ist eine<br />
von unzähligen Kooperationen,<br />
die die <strong>HfMDK</strong> mit anderen<br />
Instituten – hier mit dem<br />
Senckenberg Naturmuseum –<br />
pflegt.<br />
9
10 GELD und KUNST<br />
unserer Lehrenden, die immer wieder ermutigt. Bei alledem gibt<br />
es auch bei uns personelle Engpässe: Besonders extrem äußert sich<br />
die Lage darin, dass wir über nur jeweils eine Professur für Musik-<br />
wissenschaft und Musiktheorie verfügen, mit denen wir die<br />
Bedürfnisse der ganzen Hochschule bedienen müssen. Andere<br />
Hochschulen halten bis zu fünf Professuren allein für das Fach<br />
Musiktheorie vor. Durch die aktuelle Studienreform wird es nun<br />
noch heikler: Der Lehr- und Betreuungsaufwand wird sich durch die<br />
in der Entwicklung befindlichen Masterstudiengänge deutlich<br />
erhöhen, vor allem weil auch die künstlerischen Master-Studieren-<br />
den eine Abschlussarbeit schreiben müssen. Darauf sind unsere<br />
Kapazitäten wirklich nicht ausgelegt. Die Intensität und Kontinuität,<br />
die man für diese Arbeit braucht, kann von Lehrbeauftragten<br />
höchstens in Einzelfällen geleistet werden. Ähnlich unbefriedigend<br />
sieht es im Ausbildungsbereich Schulmusik für das Fach Gesang<br />
aus: Auf zwei Professorenstellen kommen bis zu 130 Semester-<br />
wochenstunden. Das ist ein deutliches Missverhältnis. Für Fächer<br />
wie Schulpraktisches Klavierspiel, Gesang und Klavier bräuchten<br />
wir „Mittelbau-Stellen“, um Engpässe zu entzerren. Für mich<br />
ist klar: Wir können an der <strong>HfMDK</strong> gar nicht so viele Schulmusiker<br />
ausbilden, wie es bei dem eklatanten Lehrermangel nötig wäre<br />
und wir es gern täten.<br />
Szene aus dem letzten<br />
ZuKT-Wintertanzprojekt. Foto:<br />
Valentin Fanel<br />
FiT Aber es gibt auch gute personelle Nachrichten aus dem<br />
Fachbereich, oder?<br />
Meyer-Ravenstein In der Tat, und das wissen wir auch zu schätzen:<br />
Professuren für Komposition, für Musikpädagogik mit Schwerpunkt<br />
Grundschullehramt und für Ensembleleitung werden gerade neu<br />
besetzt. Dies zeigt, mit welcher Dynamik der Fachbereich zurzeit<br />
unterwegs ist.<br />
FiT Was bedeutet das Prinzip der Budgetierung in den<br />
Fachbereichen?<br />
Tiedtke Seit zwei Jahren verfügen alle Ausbildungsbereiche über<br />
ein eigenes, festgelegtes Budget. Dieses Prinzip hat sich – auch<br />
dank des wachsamen Engagements unserer Geschäftsführer – gut<br />
bewährt. Dennoch kommt man sich in der Hochschule manchmal<br />
vor wie in einer Familie, in der es darum geht, wer das größte<br />
Eis bekommt. Als Dekanin sehe ich die einzige Chance darin, mit<br />
maximaler Transparenz im Fachbereich alles offenzulegen, was<br />
Finanzen betrifft.<br />
Meyer-Ravenstein Einen Verteilungskampf um finanzielle Mittel<br />
kenne ich aus dem Fachbereich 2 eigentlich nicht – unsere<br />
Ausbildungsdirektoren arbeiten da eng zusammen. Ich empfinde<br />
die Arbeit der Geschäftsführer als eine entscheidende Entlastung.<br />
Es ist gut und wichtig, dass es jemanden gibt, der den Budget-<br />
Überblick hat und verhindert, dass ich als Dekanin möglicherweise<br />
blauäugig in eine finanzielle Falle tappe.<br />
Vickers Obwohl wir im Fachbereich 1 vier Ausbildungsbereiche<br />
betreuen – Kirchenmusik, Historische Interpretationspraxis (HIP),<br />
Künstlerische Instrumentalausbildung (KIA) und Pädagogik –<br />
vermeiden wir eine strikte Trennung der Budgets, weil die Ausbil-<br />
dungsbereiche inhaltlich oft und eng miteinander verzahnt sind<br />
und kooperieren. Wenn wir beispielsweise im Sommersemester<br />
einen Meisterkurs für Cembalo und Hammerklavier anbieten,<br />
profitieren davon ebenso Pianisten wie HIP-Studierende. Dieses<br />
Ineinandergreifen möchten wir nicht verlieren. In der Runde<br />
der Ausbildungsdirektoren spüre ich immer wieder das kollektive
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1 GELD und KUNST<br />
Verantwortungsgefühl für die gesamte Hochschule – das hat<br />
vielleicht auch zur Folge, dass man Wünsche für den persönlichen<br />
Ausbildungsbereich zurückzustellen bereit ist. Bei aller Bescheiden-<br />
heit bin ich aber überzeugt: Die Feststellung „Es geht doch<br />
irgendwie“ ist ein gefährlicher Satz.<br />
FiT Welche finanziellen Spielräume stehen Ihnen zur Verfügung?<br />
Tiedtke Unsere Abteilung Zeitgenössischer und Klassischer Tanz<br />
hat sich – dank des Engagements ihres Ausbildungsdirektors<br />
Dieter Heitkamp – viele finanzielle Standbeine durch Vernetzungen<br />
und Kooperationen geschaffen, die ihres gleichen suchen und<br />
dazu geführt haben, das die <strong>Frankfurt</strong>er Tanzausbildung deutsch-<br />
landweit hervorragend aufgestellt ist.<br />
FiT Also sind Ausbildungsdirektoren auch Fundraiser und<br />
Netzwerker?<br />
Tiedtke In der Tat, und Dieter Heitkamp ist ein gutes Beispiel dafür.<br />
Als Dekanin kann ich feststellen, dass unser Fachbereich über<br />
fünf hoch motivierte Ausbildungsdirektoren verfügt, die allesamt<br />
am zeitlichen Limit arbeiten.<br />
Vickers Dank unserer hochschuleigenen Fundraiserinnen konnten<br />
wir in der Vergangenheit für die Hochschule und damit für<br />
die Ausbildung wichtige Instrumente neu beschaffen – hier gilt<br />
ein herzlicher Dank an die Gesellschaft der Freunde und Förderer.<br />
Großartig ist auch die Aussicht, dass die zukünftige Professur<br />
„Interpretationspraxis und Vermittlung neuer Musik“ als erste<br />
Stiftungsprofessur der <strong>HfMDK</strong> im nächsten Jahr besetzt wird.<br />
FiT Haben Sie sich als Dekanin für Ihre Amtszeit ein Ziel gesetzt,<br />
das mit neuen Investitionen verbunden ist?<br />
Meyer-Ravenstein Als Dekanin möchte ich langfristig darauf hin-<br />
wirken, die Studiengänge Grund- und Realschullehramt inhaltlich<br />
und strukturell auf neue Füße zu stellen. Beide Ausbildungs-<br />
zweige brauchen ein aktualisiertes eigenes Profil, das wirklich auf<br />
die Schulform zugeschnitten ist. Da besteht großer Nachbesse-<br />
rungsbedarf.<br />
Vickers Zum einen möchte ich als Dekanin eine perspektivreiche<br />
Planung für meinen Fachbereich für die nächsten zehn Jahre<br />
hinterlassen. Zum anderen kämpfe ich für eine verbesserte mediale<br />
Ausstattung der Hochschule, von der im Prinzip alle Studierenden<br />
profitieren würden: Gemeint sind Aufnahmetechnik und -studios,<br />
die groß genug und geeignet sind, nicht nur CDs, sondern auch<br />
DVDs, also Filmdokumentationen zu erstellen, die mittlerweile<br />
als Teil von Abschlussprüfungen, aber auch für Bewerbungen für<br />
Wettbewerbe oder Agenturen zu einer Selbstverständlichkeit<br />
geworden sind. Diesen veränderten Bedingungen muss auch die<br />
Hochschule Rechnung tragen, unter anderem auch in Form einer<br />
personellen Verstärkung für unseren Tonmeister Christoph Schulte,<br />
der wahnsinnig viel für uns tut. Bei der Planung des Hochschul-<br />
neubaus auf dem Kulturcampus sollte man diese Überlegungen<br />
einbeziehen. Zudem ist ohne die Einbindung der Medien in<br />
der Musik (Video und Elektronik) eine Erziehung in der zeitgenös-<br />
sischen Musik praktisch unmöglich.<br />
Tiedtke Ich setze mich in den mir verbleibenden zwei Jahren als<br />
Dekanin weiterhin dafür ein, dass wir für die Darstellenden Künste<br />
eine eigene Aufführungsbühne und ein eigenes Produktionsbüro<br />
bekommen, um die Ausbildungsbedingungen weiter zu professio-<br />
nalisieren. Meine Kollegen und ich denken dabei an einen „flie-<br />
genden Theaterbau“, also eine baulich schlichte Konstruktion am<br />
Bockenheimer Depot, die Platz für vier Proberäume und eine Bühne<br />
bietet. Diese Studiobühne könnte eine Art „Vorhut“ sein für<br />
das ungleich größere Projekt, das dort entstehen soll: ein Neubau<br />
der Hochschule als Teil des Kulturcampus <strong>Frankfurt</strong>. bjh<br />
Das Symposium<br />
„The Artist’s Body“ – hier ein<br />
Schnappschuss aus einem Workshop<br />
dieser Veranstaltung – gehört<br />
zu den fachbereichübergreifenden<br />
Angeboten der <strong>HfMDK</strong>.<br />
11
12 GELD und KUNST<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
S T A T E M E N T<br />
Delphine Roche studiert im<br />
dritten Semester Traversflöte<br />
bei Prof. Karl Kaiser im<br />
Ausbildungsbereich Historische<br />
Interpretationspraxis<br />
und war von 2010 bis 2011<br />
Stipendiatin der Internationalen<br />
Ensemble Modern Akademie<br />
(IEMA). Sie ist<br />
Mitbegründerin von „l‘Autre<br />
mOnde“, dem Ensemble<br />
für alte und neue Musik,<br />
Flötistin im „Trio Lamartine“<br />
und Flötenlehrerin an der<br />
städtischen Musikschule Lahr.<br />
Welche Rolle spielt(e) Geld in<br />
Ihrem Studium?<br />
Als Französin, die im Ausland<br />
Musik studiert, gibt es praktisch<br />
kein Stipendium (generell gibt<br />
es null finanzielle Unterstützung<br />
vom französischen Staat für<br />
die französischen Studenten,<br />
die Kunst studieren). Von daher<br />
musste ich gleich zu Beginn<br />
meines Studiums arbeiten. Mein<br />
erstes Stipendium habe ich<br />
erst nach meinem Freiburger<br />
Abschlussdiplom von der IEMA<br />
bekommen. Ich habe mein<br />
ganzes Studium mehr oder<br />
weniger gearbeitet – je nach<br />
finanziellem Bedarf. Ich habe<br />
mit 16 angefangen, Querflöte<br />
und Solfège privat zu<br />
unterrichten. Mit 20 habe ich<br />
in und bei Paris am Conservatoire<br />
unterrichtet (Querflöte,<br />
Solfège, aber auch Kammermusik,<br />
Kammerorchster, Analyse,<br />
Musikalische Früherziehung).<br />
Ich weigerte mich, andere Jobs<br />
anzunehmen, weil das Unterrichten<br />
mir auch so viel pädagogische<br />
und instrumentale<br />
Erfahrung brachte. Jedoch fiel<br />
es mir aus zeitlichen Gründen<br />
schwer, mich so meinem Üben<br />
für mein Studium und Probespielen<br />
oder Wettbewerben<br />
zu widmen, wie ich es mir<br />
gewünscht hätte.<br />
Wann und wie ist das Bewusstsein<br />
gewachsen, finanziell von<br />
dem leben zu müssen, was Sie<br />
künstlerisch oder pädagogisch<br />
tun?<br />
Als ich mir vornahm, nach<br />
Deutschland zu ziehen, um mich<br />
nach meinem Pariser Studium<br />
fortzubilden, fiel es mir schwer,<br />
meine Schüler ab- und damit<br />
eine gewisse finanzielle<br />
Sicherheit aufzugeben. Meine<br />
Eltern konnten mich nicht<br />
angemessen finanziell unterstützen.<br />
Ich war daher anfangs<br />
sehr besorgt und gestresst,<br />
wie ich es schaffen würde, die<br />
Miete, mein Studium usw.<br />
zahlen zu können. Ich habe<br />
gleich am Anfang meines<br />
deutschen Studiums Schüler<br />
gesucht, um festes Geld zu<br />
verdienen. Peu à peu habe ich<br />
auch nebenbei in verschiedenen<br />
Freiburger und schweizerischen<br />
Ensembles Orchester gespielt.<br />
Als ich nach Deutschland kam,<br />
lag es mir überdies am Herzen,<br />
meine eigenen Ensembles<br />
mit engagierten Künstlern zu<br />
gründen und mich in unseren<br />
möglichst unkonventionellen<br />
Projekten zu engagieren.<br />
Welche Kompromisse sind Sie<br />
bereit einzugehen, um sich<br />
existenziell abzusichern? Welche<br />
wären für Sie undenkbar?<br />
Meine Kompromisse sind, auf<br />
einen gewissen Lebensstil zu<br />
verzichten, um mich mehr in<br />
meine Weiterbildung beziehungsweise<br />
mein Barockstudium<br />
bei Prof. Karl Kaiser und<br />
in die Projekte meiner Ensembles<br />
vertiefen zu können. Da ich<br />
mich sehr auf Neue und<br />
Barockmusik konzentriere,<br />
brauche ich mehrere Instrumente.<br />
Auf den Kauf von<br />
Instrumenten oder Material<br />
(Noten, Bücher...) zu verzichten,<br />
fiele mir schwer. Wichtig ist<br />
mir auch die Flexibilität und<br />
Freiheit zu reisen: zu Proben,<br />
Konzerten, Ausstellungen und<br />
Aufführungen, eben um neue<br />
Kultur zu entdecken, aber auch<br />
meine Familie zu besuchen.
S T A T E M E N T<br />
Alma Toaspern studiert im<br />
6. Fachsemester Zeitgenössischen<br />
und Klassischen Tanz<br />
(ZuKT) an der <strong>HfMDK</strong>.<br />
Welche Rolle spielt(e) Geld in<br />
Ihrem Studium?<br />
Es bedeutet für mich Unabhängigkeit<br />
vom Elternhaus. Häufig<br />
unterschätzt. Also habe ich<br />
mich ab dem ersten Studienjahr<br />
um Förderung bemüht, mich<br />
bei drei verschiedenen Begabtenförderungswerken<br />
beworben<br />
(bei der Stiftung der Deutschen<br />
Wirtschaft hatte ich auf jeden<br />
Fall einen Exotenbonus<br />
unter den Bewerbern) und mir<br />
letztendlich auf Vorschlag<br />
unseres Direktors ein Stipendium<br />
bei der Studienstiftung<br />
des Deutschen Volkes ertanzt.<br />
Nebenbei arbeite ich als<br />
HiWi, gebe Deutschunterricht<br />
für ausländische Studierende<br />
der Tanzabteilung, jobbe als<br />
Model, fahre auf Gastspiele mit<br />
älteren Stücken oder mugge ab<br />
und zu mit Musikern. Ich liiiebe<br />
Abwechslung!<br />
S T A T E M E N T<br />
Christopher Herrmann<br />
studierte an der <strong>HfMDK</strong> von<br />
2004 bis 2010 Violoncello<br />
bei Prof. Michael Sanderling<br />
und Sabine Krams. Gegenwärtig<br />
studiert er an der <strong>HfMDK</strong><br />
Cello im Studiengang<br />
Instrumental- und Gesangspädagogik.<br />
Welche Rolle spielt(e) Geld in<br />
Ihrem Studium?<br />
Geld spielt ja immer eine Rolle,<br />
wenn man studieren will. Meine<br />
Jobs waren für einen Musiker<br />
nichts besonderes; ich werde<br />
am häufigsten als Jazzcellist für<br />
Hintergrundmusik gebucht,<br />
da kommt oft mehr rein als bei<br />
Wann und wie ist das Bewusstsein<br />
gewachsen, finanziell von<br />
dem leben zu müssen, was Sie<br />
künstlerisch oder pädagogisch<br />
tun?<br />
Als ich mit einem kräftezehrenden<br />
Stück einer Kölner<br />
Choreographin auf Gastspiel<br />
war und mir klar wurde, dass<br />
ich mir gerade mein einziges<br />
freies Wochenende seit Wochen<br />
damit um die Ohren schlage, in<br />
zugigen Off-Szene-Theatern vor<br />
manchmal nur 14 Zuschauern<br />
meine Energie zu verschleudern,<br />
um ein bisschen Geld zu<br />
verdienen, merkte ich, dass das<br />
nichts mehr mit reinem<br />
Geldverdienen zu tun hat. Das<br />
klärt sehr schnell, ob es das<br />
richtige Metier ist, um seinen<br />
Unterhalt zu finanzieren.<br />
Die kleinen Schwächeleien und<br />
„ich-kann-das-jetzt-nicht“<br />
-Momente lässt man dann<br />
plötzlich im Alltag weniger zu.<br />
vereinzelten klassischen<br />
Konzerten, die ich allerdings<br />
auch sehr gerne spiele. Auch<br />
Studio-Jobs habe ich hin<br />
und wieder. In letzter Konsequenz<br />
muss ich sagen, war<br />
es eigentlich eher so, dass mein<br />
Studium meine Auftritte<br />
behindert hat, da es mich nicht<br />
unbedingt ins Orchester zieht.<br />
Wann und wie ist das Bewusstsein<br />
gewachsen, finanziell<br />
von dem leben zu müssen, was<br />
Sie künstlerisch oder pädagogisch<br />
tun?<br />
An diesen Moment habe ich<br />
keine Erinnerung mehr.<br />
Das Leben als freischaffender<br />
Mensch ist so inspirierend,<br />
wie man es eben zulässt. Mit<br />
Welche Kompromisse sind Sie<br />
bereit einzugehen, um sich<br />
existenziell abzusichern? Welche<br />
wären für Sie undenkbar?<br />
Ach, Kompromisse sind doch<br />
was Schönes! Wenn ich jetzt<br />
schon sagen könnte, was für<br />
mich undenkbar ist, wären es ja<br />
keine Kompromisse mehr.<br />
Sicher würde ich keine völlig<br />
unlukrativen Angebote annehmen,<br />
die meine Arbeit abwerten.<br />
Aber wenn es keine<br />
finanzielle Win-win-Situation<br />
ist, dann wenigstens eine<br />
ideelle. Langfristig wahrscheinlich<br />
eh die gewinnversprechendere<br />
Methode.<br />
der Antwort nach der Schwierigkeit<br />
ist es genauso – eine<br />
Frage nach den eigenen Ansprüchen<br />
eben.<br />
Welche Kompromisse sind Sie<br />
bereit einzugehen, um sich<br />
existenziell abzusichern? Welche<br />
wären für Sie undenkbar?<br />
Denkbare Kompromisse:<br />
Orchestermusiker zu werden,<br />
eine Ausbildung zum Altenpfleger<br />
oder Kindergärtner zu<br />
machen. Musik zu spielen, die<br />
ich absolut nicht mag, ist für<br />
mich ein „NoGo“.<br />
13
Bei Anruf Kunst<br />
Die Künstlerbörse der <strong>HfMDK</strong> vermittelt Studierende und ihr Können für private und öffentliche Feier-Anlässe<br />
Es gibt sie immer noch, die Menschen, die glauben, dass Musikstudenten<br />
dankbar sind, wenn sie eine Auftrittschance bekommen, um<br />
Erfahrung sammeln zu können. Ohne Geld, versteht sich, auch nicht<br />
lang: dreimal fünf Minuten auf einer Hochzeitsfeier zum Beispiel.<br />
Machen sie doch gern, oder? Der Musiker darf auch gern zum<br />
anschließenden Essen bleiben ... Über diesen und manch anderen<br />
Irrtum klärt Daniela Kabs, die Leiterin der Künstlerbörse, den einen<br />
oder anderen Interessenten auf, wenn er sich zum ersten Mal bei<br />
der „Künstlerbörse“ der <strong>HfMDK</strong> meldet. Das Angebot der Hochschule,<br />
Studierende für künstlerische Auftritte bei privaten oder<br />
geschäftlichen Feieranlässen zu vermitteln, zieht immer weitere<br />
Kreise. Bis zu 200 Auftritte jährlich verschafft das Künstlerische<br />
Betriebsbüro der <strong>HfMDK</strong>, das Daniela Kabs leitet, den Studierenden<br />
Jahr für Jahr.<br />
Die Blechbläser verschlägt es im „Muggen“-Geschäft der Künstlerbörse<br />
oft zu den schrägsten Auftrittsorten – zum Beispiel in<br />
einen Flugsimulator oder auf eine Mülldeponie zu deren feierlicher<br />
Eröffnung. Wichtig ist, dass Instrument und Musik bieten können,<br />
was atmosphärisch verlangt wird. Hier die schmissigen Posauneneinwürfe<br />
auf dem Freigelände, dort die zarten Harfenklänge in<br />
intim-andächtiger Feierrunde. Durch mehrjährige Vermittlungserfahrung<br />
hat Daniela Kabs ein sicheres Gespür dafür bekommen,<br />
Oben: <strong>HfMDK</strong>-Absolventin Ann-Christin Rose als Solistin eines Konzertes<br />
mit dem Bad Vilbeler Kammerorchester.<br />
Unten: Daniela Kabs – hier im Gespräch mit Prof. Michael Schneider –<br />
leitet die Künstlerbörse der <strong>HfMDK</strong>.<br />
wie sie dem „Kunden“ helfen kann, genau den passenden Beitrag<br />
für seinen Anlass zu finden. „Ein Streichquartett kann zum<br />
festlichen Dinner im Hintergrund nicht Schostakowitsch und<br />
Tschaikowsky spielen, und auch ein Brahms-Klaviertrio ist schon<br />
schwere Kost“, weiß Daniela Kabs. Behutsam lenkt sie die<br />
Anfrage oft durch gezieltes Nachfragen in eine Richtung, die sie<br />
aus Erfahrung oft viel besser erahnen kann als der Interessent<br />
sie anfänglich beschreibt.<br />
Sonderwünsche kosten extra<br />
<strong>HfMDK</strong>-Studierende, die über die Künstlerbörse vermittelt werden<br />
wollen, müssen sich bei ihr melden und vormerken lassen – sei<br />
es als Solist, Kammermusikensemble oder Jazz-Combo. Voraussetzung<br />
für die Vermittlung ist ein gutes künstlerisches Niveau.<br />
Daniela Kabs: „Studierende, die unsere Künstlerbörse nutzen, um<br />
bezahlte Auftritte zu bekommen, wissen in der Regel sehr genau,<br />
was ihr Können wert ist. Und wir achten darauf, die Leistungen<br />
unserer Studierenden nicht zu billig anzubieten.“ Ausnahmen gibt<br />
es freilich – zum Beispiel als einst die 90-jährige Literaturliebhaberin<br />
für eine kleine Lesung einen Rezitator suchte und partout<br />
nicht mehr als 100 Euro zahlen konnte. Übrigens eine von wenigen<br />
Börsenvermittlungen für Schauspielstudenten, zumindest<br />
im Vergleich mit den Kommilitonen der musikalischen Fakultät.
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1 GELD und KUNST<br />
Immerhin: Als ein Techno Club Studierende für einen Event<br />
anheuerte, kamen Musiker in Rokoko-Kostümen und Schauspieler<br />
in Mönchs-Kutten auf die Bühne. „Solche Sonderwünsche kosten<br />
natürlich extra.“<br />
Erfahrungsgewinn auf mehreren Ebenen<br />
Die <strong>HfMDK</strong>-Künstlerbörse hat gleich mehrfachen Nutzen: Die<br />
Hochschule bringt ihre künstlerischen Ressourcen in die Gesell-<br />
schaft ein, während die Studierenden damit ihr Studium finanzie-<br />
ren. Doch nicht nur das: „Den pädagogischen Wert von Auftritten<br />
außerhalb der Hochschule, womöglich in exklusiven Kreisen,<br />
sollte man nicht unterschätzen“, weiß Daniela Kabs. Flexibilität<br />
der Künstler sei hier gefragt, die Wendigkeit, auf individuelle<br />
Wünsche der Auftraggeber einzugehen, die Bereitschaft, den<br />
eigenen musikalischen Anspruch hinter den Kundenwunsch nach<br />
einer rührseligen Salonnummer zurückzustellen. „Um überleben<br />
zu können, müssen die jungen Künstler lernen, Kompromisse<br />
zu machen“, bringt Daniela Kabs auf eine Formel. Auch das „get<br />
together“ nach dem Auftritt, wenn sich die Künstler unter die<br />
Feiernden mischen, um ihr Erscheinen kommunikativ abzurunden,<br />
kann für die Studierenden zu einer lehrreichen Herausforderung<br />
werden und ermöglicht ihnen, sich ein eigenes Netzwerk an<br />
Auftraggebern zu schaffen, das ihnen dann nach dem Studium<br />
den Weg in die Selbstständigkeit erleichtert.<br />
Edel-Mugge mit eigenem Chauffeur<br />
Während Daniela Kabs für die durchschnittliche „Hochzeits-Mugge“<br />
Auftraggeber und Ausführende durch wenige Anrufe zusammen-<br />
bringt und dann sich selbst überlässt, wird sie für hochkarätige<br />
Buchungen auch zur Inspizientin vor Ort. Unvergessen bleibt ihr die<br />
Filialeröffnung einer Bank in Mailand, zu der sie mit einem Streich-<br />
trio per Flugzeug anreiste, Übernachtung im Luxushotel und eigener<br />
Chauffeur inklusive. Oder das Jubiläum der DZ BANK im Großen<br />
Saal der der Alten Oper <strong>Frankfurt</strong>, das 60 Künstler der Hochschule<br />
künstlerisch gestalteten. Klar, dass solche Aufträge für die Künstler-<br />
börse zu einem logistischen Kraftakt werden.<br />
Nun gibt es sie aber doch, die Grenzen des guten Geschmacks, die<br />
sich die Künsterbörse in der Vermittlungsbereitschaft für mögliche<br />
und unmögliche Anlässe gesetzt hat: Bei ihr sind Sänger für Play-<br />
back-Auftritte nicht zu haben, und auch die zweifelhaft seriöse An-<br />
frage eines Nachtclubs lehnte die Künstlerbörse einmal dankend ab.<br />
Mangels Besetzung hätte Daniela Kabs vor<br />
wenigen Jahren die Anfrage für die musika-<br />
lische Umrahmung einer Beerdigung beinahe<br />
negativ bescheiden müssen – wäre sie in den<br />
Kreisen der Schulmusikstudierenden damals<br />
nicht doch noch fündig geworden. Und so<br />
lieferte sie, selbst über ihren Erfolg verwun-<br />
dert, prompt das Gewünschte: ein Trio<br />
mit Geige, Trompete und Trauer-Jodler. bjh<br />
Gergö Nagy, gebürtiger Ungar,<br />
studiert Bassposaune<br />
bei Prof. Hans Rückert im<br />
8. Semester.<br />
Welche Rolle spielt(e) Geld in<br />
Ihrem Studium?<br />
Als ich nach Deutschland kam,<br />
konnten meine Eltern mich<br />
finanziell nicht viel unterstützen.<br />
Ich habe von Freunden<br />
(Studienkollegen) ziemlich früh<br />
Unterrichtsmöglichkeiten<br />
bekommen, außerdem habe ich<br />
auch Wohnungen geputzt, was<br />
nicht so gut bezahlt war. Aber<br />
ich glaube, wenn man arbeiten<br />
will, um ein Ziel zu erreichen,<br />
kann man immer etwas finden.<br />
Außerdem unterrichte ich<br />
immer noch, was viel Zeit<br />
kostet. Aber ich bin dankbar,<br />
dass ich fast ohne Unterstützung<br />
mein Leben finanzieren<br />
kann. Ich habe im Laufe der Zeit<br />
immer mehr Freunde und<br />
Bekannte kennengelert und<br />
damit auch mehr Möglichkeiten<br />
bekommen, mit anderen zu<br />
musizieren. Für mehrere Stipendien<br />
der Hochschule bin ich<br />
sehr dankbar. Die größte Unterstützung<br />
aber bekomme ich<br />
von meinem Posaunenlehrer<br />
Prof. Hans Rückert: und zwar<br />
nicht finanziell, sondern<br />
menschlich und beruflich. Wenn<br />
ich irgendwelche Probleme<br />
habe, versucht er er immer zu<br />
helfen.<br />
15<br />
S T A T E M E N T<br />
Wann und wie ist das Bewusstsein<br />
gewachsen, finanziell von<br />
dem leben zu müssen, was Sie<br />
künstlerisch oder pädagogisch<br />
tun?<br />
Bevor ich mein Studium in<br />
Deutschland begann, hatte ich<br />
ein Jahr lang in der Gastronomie<br />
als Barkeeper gearbeitet.<br />
Am Ende der Schulzeit wollte<br />
ich immer selbstständiger sein,<br />
möglichst alleine meine Ziele<br />
erreichen und von meinem<br />
eigenen Geld leben, womit ich<br />
hoffentlich meine Eltern stark<br />
entlastet habe. Das Leben hier<br />
in <strong>Frankfurt</strong> für mich als<br />
Freischaffender neben meinem<br />
Studium ist nicht immer<br />
einfach. Aber angesichts so<br />
vieler Möglichkeiten, die ich von<br />
der Hochschule, den Professoren<br />
und Freunden bekomme,<br />
kann ich gut leben. Man muss<br />
immer kämpfen, und ich glaube,<br />
dass nicht immer das Ziel das<br />
Wichtigste ist, sondern der<br />
Weg, der mich zum Ziel führt.<br />
Welche Kompromisse sind Sie<br />
bereit einzugehen, um sich<br />
existenziell abzusichern? Welche<br />
wären für Sie undenkbar?<br />
Für mich war der größte<br />
Kompromiss bis jetzt, dass ich<br />
meine Heimat, Familie und<br />
Freunde zurückgelassen habe.<br />
Wenn ich an meine Zukunft<br />
denke, ist mein Ziel, Orchestermusiker<br />
zu sein. Ein Kompromiss<br />
wäre für mich, hier in<br />
Deutschland als Freischaffender<br />
oder Lehrer zu bleiben. Somit<br />
hätte ich immer noch bessere<br />
Möglichkeiten, als wenn ich in<br />
meiner Heimat Ungarn leben<br />
würde. Ich bin sehr glücklich<br />
hier und hoffe, dass ich von der<br />
vielfältigen Hilfe, die ich hier<br />
erfahren habe, einiges zurückgeben<br />
kann.
16 GELD und KUNST<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
Überzeugen und Begeistern<br />
Seit sieben Jahren ist Fundraising an der <strong>HfMDK</strong> als wichtiges Standbein für mehr finanziellen Spielraum etabliert –<br />
die Gesellschaft der Freunde und Förderer ist eine wachsende Erfolgsgeschichte<br />
Die Zahlen sprechen für sich: Als Beate Eichenberg im Jahr 2005 an<br />
der <strong>HfMDK</strong> ihre Arbeit als Fundraiserin begann, beackerte sie in<br />
Hessens einziger Hochschule für Musik und Darstellende Kunst<br />
völliges Neuland. Schon zwei Jahre später hatte sie ihr Netzwerk an<br />
Kontakten zu Spendern und Gönnern so weit aufgebaut, dass sich<br />
die „Gesellschaft der Freunde und Förderer der <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
am Main“ etablieren konnte, die seitdem stetig wächst. Brachten<br />
ihre Fundraising-Aktivitäten im Jahr 2006 zusätzliche Fördermittel<br />
in Höhe von rund 100.000 Euro ein, wuchs das Jahresvolumen<br />
bis 2010 auf rund 800.000 Euro an. Ein neuer Meilenstein ist nun<br />
mit der Aussicht erreicht, dass zum Sommersemester 2013 die erste<br />
<strong>HfMDK</strong>-Stiftungsprofessur aus Mitteln des Fundraising in Höhe von<br />
300.000 Euro zusätzlich zu den weiterhin vielfältigen Fördermaßnahmen<br />
vergeben wird. Seit 2011 verstärkt Heinke Poulsen als<br />
zweite Fundraiserin der <strong>HfMDK</strong> die beachtliche Entwicklung, die die<br />
finanziellen Spielräume der Hochschule vergrößert. Im folgenden<br />
Interview gewähren Beate Eichenberg und Heinke Poulsen Einblick<br />
in einen Arbeitsbereich, in dem Begeisterungsfähigkeit genauso<br />
zählt wie die Beharrlichkeit, behutsam wachsendes Vertrauen mit<br />
guten Ideen zu verbinden.
Beate Eichenberg ist Diplom-Kommunikationswirtin<br />
(UdK Berlin), Fundraising-Managerin (Fundraising Akademie<br />
GmbH), leitet seit 2005 die Stabsstelle Fundraising der<br />
<strong>HfMDK</strong> und ist Geschäftsführerin der Gesellschaft der Freunde<br />
und Förderer der Hochschule. Vor dem Wechsel nach<br />
<strong>Frankfurt</strong> war sie verantwortlich für Fundraising, Presse- und<br />
Öffentlichkeitsarbeit der Berliner Krebsgesellschaft e. V..<br />
Heinke Poulsen hat im Erststudium ein Orchesterdiplom mit<br />
Hauptfach Geige gemacht. Ihren Masterabschluss in Kulturma-<br />
nagement machte sie an der PH Ludwigsburg und bildete sich<br />
anschließend an der ZHAW Winterthur mit einem Diplom<br />
als Fundraising Manager weiter. Als Fundraiserin war sie zuletzt<br />
Geschäftsführerin der Stiftung Katharinenhöhe zugunsten<br />
krebskranker Kinder und Jugendlicher. Derzeit arbeitet sie als<br />
Fundraiserin der <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Main. Als Kulturmanagerin<br />
war sie u. a. als Programmdirektorin auf Schloss Elmau tätig.<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt Frau Eichenberg, unter welchen Bedingungen<br />
haben Sie im Jahr 2005 Ihre Fundraising-Aktivitäten begonnen?<br />
Beate Eichenberg Es gab faktisch keine gewachsenen Strukturen,<br />
auf denen ich aufbauen konnte. Einige Professoren pflegten<br />
Kontakte zu privaten Förderern und dem einen oder anderen<br />
Unternehmen aus ihrem unmittelbaren Umfeld, um finanzielle<br />
Unterstützung in ihrem Arbeitsbereich zu erhalten. Von einer<br />
hochschuleigenen Systematik im Fundraising konnte jedoch keine<br />
Rede sein – der Begriff war an der <strong>HfMDK</strong> schlichtweg Neuland.<br />
FiT Keine besonders motivierenden Voraussetzungen, oder?<br />
Eichenberg Man kann das auch positiv sehen: Wenn du gleichsam<br />
bei Null anfängst, kann es nur aufwärts gehen. Und wir haben dann<br />
einfach losgelegt und eine Fundraising-Strategie und Jahrespla-<br />
Links: Szene aus „Mond.Finsternis.Asphalt“, dem Musik-Theaterprojekt,<br />
das die <strong>HfMDK</strong> im Bockenheimer Depot präsentierte. Die Gesellschaft<br />
der Freunde und Förderer unterstützte diese Arbeit.<br />
Rechts: Die Hochschule, in unmittelbarer Nachbarschaft zum <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Bankenviertel gelegen, hat mittlerweile ein gut funktionierendes<br />
Netzwerk an Freunden und Förderern aufgebaut.<br />
nung erarbeitet, aber zu den ersten Schritten gehörte es auch,<br />
ein Corporate Design für die Hochschule zu entwickeln und in der<br />
öffentlichen Wahrnehmung präsenter zu werden. Da war es gut,<br />
dass wir mit Sylvia Dennerle eine hervorragende Kollegin für<br />
Öffentlichkeitsarbeit an der <strong>HfMDK</strong> haben, mit der wir Hand in<br />
Hand zusammen arbeiten. Die zeitgleich entstandene Imagebro-<br />
schüre konnten wir bei einem von der IHK <strong>Frankfurt</strong> initiierten<br />
Konzert im April 2006 erstmals präsentieren. Und als wichtige<br />
Arbeitsgrundlage habe ich eine Datenbank aufgebaut mit Kontakten<br />
kunstinteressierter Unternehmer und Privatleute, die als Unter-<br />
stützer in Frage kamen oder für die Öffentlichkeitsarbeit und das<br />
Netzwerken der Hochschule interessant sind.<br />
FiT Gab es finanzielle Vorgaben, die Sie innerhalb eines definierten<br />
Zeitraumes erreicht haben mussten?<br />
Eichenberg Nein – glücklicherweise hatte mich das Hochschulpräsi-<br />
dium unter keinerlei Erfolgsdruck gesetzt. Der damals neue<br />
Präsident Thomas Rietschel hatte sich selbst für das Fundraising an<br />
der <strong>HfMDK</strong> stark gemacht und gab mir Zeit, Kontakte stetig<br />
aufzubauen und Freundschaften vertrauensvoll zu entwickeln.<br />
Gerade ohne ständigen Erfolgsdruck entfaltet man ein sicheres<br />
Gespür dafür, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um einen<br />
potenziellen Spender für eine Förderung anzusprechen.<br />
FiT Wie kann Fundraising erfolgreich sein?<br />
Heinke Poulsen Fundraising ist Überzeugungsarbeit, und zwar mit<br />
Inhalten, für die sich jemand begeistern kann und sich einsetzen<br />
möchte. Fundraiser wollen nicht manipulieren, sondern Motivation<br />
entzünden, eine Identifikation mit einer Sache herstellen, die der<br />
Förderer aus eigener Überzeugung unterstützen möchte. Wichtig<br />
dabei ist, dass er die Ergebnisse seiner finanziellen Zuwendungen<br />
konkret erfährt – zum Beispiel in Form eines Konzertes oder einer<br />
Aufführung oder indem er mit verfolgen kann, wie gut sich sein<br />
Stipendiat weiter entwickelt. Ein Fundraiser muss den Menschen<br />
zuhören, ihre Neigungen kennenlernen und daraus Förderangebote<br />
entwickeln.<br />
17
18 GELD und KUNST<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
FiT Worin liegen die Unterschiede zwischen Sponsoring und<br />
Fundraising?<br />
Poulsen Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, ob<br />
Sponsoring überhaupt zum Fundraising zählt. Klar ist, dass sich im<br />
Sponsoring neben dem Willen zur gesellschaftlichen Verantwortung<br />
das wirtschaftliche Interesse eines Unternehmens ausdrückt<br />
und Leistungen und Gegenleistungen im Sponsoring klar verhandelt<br />
werden. Für das Geld, das Spenderinnen und Spender für ein<br />
Förderprojekt zur Verfügung stellen, bekommen sie eher immateri-<br />
elle Gegenwerte wie Dank und Wertschätzung. Die Gegenlei-<br />
stungen, die wir bieten, sind ideeller Natur.<br />
Eichenberg Ich ergänze die Definition: Im Fundraising haben wir es<br />
mit Menschen und Institutionen zu tun, die ein originäres Interesse<br />
daran haben, mit ihrer Spende zu verändern, gute Entwicklungen zu<br />
bewirken und damit – auch auf die Gefahr hin, dass es pathetisch<br />
klingt – die Welt ein wenig besser zu machen.<br />
FiT Was ist das Begeisterungspotenzial, mit dem Sie an der<br />
Hochschule Fundraising betreiben?<br />
Eichenberg Unser Potenzial sind die Studierenden, das sind ganz<br />
faszinierende Persönlichkeiten. Es ist ungeheuer beeindruckend,<br />
mit wie viel Talent und Fleiß sie studieren und welche Kunst an der<br />
<strong>HfMDK</strong> zu erleben ist. Das zu unterstützen und daran teilzuhaben,<br />
birgt ganz viele Glücksmomente. Dazu ist die Hochschule eine<br />
Institution, die als Teil der Gesellschaft dem Gemeinwesen auch<br />
etwas zurückgibt. Denken Sie an Projekte wie das „Schulprojekt<br />
Response“, in dem Schülerinnen und Schüler in Hessen und<br />
Thüringen mit unseren Professoren und Studierenden über ein<br />
halbes Jahr lang neue Musik komponieren lernen. Oder sehen<br />
Sie nur, wie viele unserer Studierenden sich im Obdachlosenprojekt<br />
der <strong>Frankfurt</strong>er Katharinenkirche oder anderen Hilfsprojekten<br />
engagieren.<br />
Poulsen Anders formuliert: Wer Studierende und ihre Ausbildung<br />
fördert, investiert in die Zukunft. Genau diese Chance wollen wir<br />
unseren Förderern nahelegen.<br />
FiT Die Gesellschaft der Freunde und Förderer (GFF) der <strong>HfMDK</strong><br />
haben Sie im Jahr 2007 gegründet. Was war Ihnen dabei wichtig?<br />
Eichenberg Der Verein sollte eng an die Hochschule angebunden<br />
sein – mit dem Hochschulpräsidenten als geborenem Mitglied<br />
des Vorstands und einem Vizepräsidenten als Mitglied im Kuratori-<br />
um. Mit der Gesellschaft wollten wir einen Ort für alle die schaffen,<br />
die sich bürgerschaftlich für die Hochschule engagieren wollen.<br />
Sie gibt unserer Fundraising-Arbeit ein Gesicht und ist zugleich<br />
eine schöne Form, bürgerschaftlich und mit anderen gemeinsam zu<br />
fördern, was einem am Herzen liegt.<br />
FiT Und mit Dr. Clemens Börsig, dem Aufsichtsratsvorsitzenden<br />
der Deutschen Bank, ist es Ihnen auf Anhieb gelungen, einen<br />
prominenten Spitzenmanager als Vorsitzenden der Gesellschaft zu<br />
gewinnen?
Eichenberg Clemens Börsig hat auf Herz und Nieren geprüft, auf<br />
welchen Partner er sich einlassen würde und ob mit der Gesell-<br />
schaft der Freunde und Förderer eine Erfolgsstory beginnen kann.<br />
Dass er der Hochschule schließlich zusagte, der Gesellschaft<br />
der Freunde und Förderer vorstehen zu wollen, war eine glückliche<br />
Entscheidung für die <strong>HfMDK</strong> und ihre Weiterentwicklung.<br />
FiT Welche Förderaktivitäten konnte die GFF seitdem auf den Weg<br />
bringen?<br />
Eichenberg Das ist eine lange Liste: Sie reicht über die Anschaf-<br />
fungen von besonderen Instrumenten über die Finanzierung von<br />
Meisterkursen bis hin zur Förderung von Inszenierungen und der<br />
Vergabe von Stipendien an unsere Studierenden. In fünf Jahren,<br />
von 2007 bis 2011, haben die Freunde und Förderer über 953.000<br />
Euro, also fast eine Million Euro, für Hochschulprojekte bereit-<br />
gestellt.<br />
FiT Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung im Fundraising?<br />
Eichenberg Zufrieden wäre der falsche Begriff - wir freuen uns<br />
über den Status quo. Vor sieben Jahren habe ich begonnen, mit<br />
einer großen Anzahl von mir damals Unbekannten über kleine<br />
Summen zu reden: Heute sind es viele Freunde, die uns auch mit<br />
großen Summen unterstützen.<br />
FiT Frau Poulsen, welche Sicht hatten Sie auf die bestehenden<br />
Strukturen, als Sie im Jahr 2011 als zweite Fundraiserin hinzuka-<br />
men?<br />
Poulsen Aufgefallen sind mir der solide Aufbau der Strukturen und<br />
die richtige Reihenfolge der Entwicklungsschritte, mit denen<br />
Beate Eichenberg das Fundraising an der Hochschule etabliert hat.<br />
Diese Arbeit braucht Zeit, bis sie reife Früchte trägt; diese Zeit hat<br />
die Hochschule ihr gegeben, und die Ergebnisse sprechen für sich.<br />
FiT Wann ist die Grenze des Machbaren im Fundraising erreicht?<br />
Eichenberg: Der hauptsächlich limitierende Faktor, um mehr<br />
Fördermöglichkeiten anzubieten, sind begrenzte Personalressour-<br />
cen in den Fundraising-Abteilungen. Grundsätzlich jedoch bin<br />
ich davon überzeugt, dass wir noch mehr Förderer dafür begeistern<br />
können, in die Fortentwicklung der <strong>HfMDK</strong> zu investieren.<br />
FiT Kann funktionierendes Fundraising nicht auch zur Gefahr<br />
werden, dass Politiker öffentliche Mittel durch privates Engagement<br />
einsparen wollen?<br />
Oben: Dr. Clemens Börsig, Vorsitzender<br />
der Gesellschaft der Freunde und Förderer<br />
der <strong>HfMDK</strong>, und Hochschulpräsident<br />
Thomas Rietschel im Gespräch<br />
mit <strong>Frankfurt</strong>s Oberbürgermeisterin<br />
Dr. Petra Roth.<br />
Links unten: Auch die Inszenierung der<br />
„Fledermaus“ im Gallus Theater <strong>Frankfurt</strong><br />
gehörte zu den von der Gesellschaft<br />
der Freunde und Förderer unterstützten<br />
Projekten der Hochschule.<br />
Poulsen Eingeworbene Drittmittel beeinflussen nicht die Verant-<br />
wortlichkeit der öffentlichen Hand für die Grundfinanzierung<br />
unserer Hochschule. Im Fundraising geht es nicht um Kostenersatz,<br />
sondern um – wie schon erwähnt – die Ausweitung finanzieller<br />
Spielräume. Ich glaube sogar, dass gutes Fundraising die Politiker<br />
motiviert, mehr denn je in das zu investieren, was auch Förderern<br />
kostbar und wichtig ist.<br />
FiT Hat das Hochschul-Fundraising mit der Einrichtung einer<br />
Stiftungsprofessur nun den höchsten Level des Förderengagements<br />
erreicht?<br />
Eichenberg Noch lange nicht. Gerade denken wir über die Grün-<br />
dung einer eigenen Hochschulstiftung nach.Damit hängt zum<br />
Beispiel auch die große Aufgabe zusammen, Menschen dafür zu<br />
sensibilisieren, die Hochschule testamentarisch zu berücksichtigen.<br />
FiT Also die Hochschule als Erbin des persönlichen Vermögens<br />
einzusetzen?<br />
Eichenberg Genau. Hierzulande ist der Gedanke, über ein Testament<br />
schon zu Lebzeiten mit der Organisation, die man bedenken<br />
möchte, zu sprechen, noch immer ungewohnt. Und wir Fundraiser<br />
müssen hier viel Fingerspitzengefühl beweisen. Im angelsäch-<br />
sischen Raum zum Beispiel ist der Umgang mit Testamentspenden<br />
für gemeinnützige Projekte viel entspannter.<br />
FiT Sie arbeiten mittlerweile als Zweierteam ohne strenge Aufga-<br />
benteilung. Wie funktioniert das?<br />
Eichenberg Es funktioniert ohne Reibungsverluste, weil wir beide<br />
in den strategischen Überlegungen ähnlich ticken. Ich empfinde es<br />
als Bereicherung, mich mit einer erfahrenen Kollegin auszutau-<br />
schen und gemeinsam kreativ zu sein. Und das Arbeiten in einem<br />
gemeinsamen Raum garantiert kurze Wege der Absprache.<br />
FiT Wie kann Ihre Arbeit weiter erfolgreich sein?<br />
Eichenberg: Indem die Zusammenarbeit mit dem Hochschulpräsidi-<br />
um weiterhin so eng und effizient ist. Fundraising an einer Hoch-<br />
schule funktioniert nur, wenn sich – wie bei uns – der Präsident als<br />
erster Fundraiser des Hauses begreift. bjh<br />
19
20 GELD und KUNST<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
Fünf Jahre Gesellschaft<br />
der Freunde und Förderer<br />
der Hochschule für Musik<br />
und Darstellende Kunst<br />
<strong>Frankfurt</strong> am Main e.V.<br />
Fünf Jahre, 265 Mitglieder und Spenden in Höhe von fast einer<br />
Million Euro für die <strong>HfMDK</strong>. Das sind die Eckdaten der 2007<br />
gegründeten Gesellschaft der Freunde und Förderer (GFF) der Hoch-<br />
schule. Die Zahlen spiegeln das große Engagement der Förderer<br />
und ihre mannigfache Unterstützung für die Studierenden: Bis<br />
heute bekamen dreißig Stipendiaten ein Starterstipendium.<br />
Besondere Instrumente wie eine Bassposaune und ein Barockcello<br />
wurden gekauft und die Arbeitsphasen der Dirigenten Sebastian<br />
Weigle, Lothar Zagrosek und Krzysztof Penderecki mit dem<br />
Hochschulorchester angeschoben. Schauspieler und Regisseure<br />
– Udo Samel, Birgit Minichmayr, Stephan Kimmig und andere –<br />
arbeiteten mit den Studierenden. Und große Opernaufführungen,<br />
vom Orfeo beim Rheingau Musik Festival bis zu Mond.Finsternis.<br />
Asphalt im Bockenheimer Depot, wurden ebenso ermöglicht<br />
wie studentische Arbeiten angehender Regisseure, Tänzer oder<br />
Theatermanager. Jüngstes Projekt ist die Gastprofessur des<br />
Liedbegleiters Helmut Deutsch. Bei ihm studieren die fortgeschrit-<br />
tenen Gesangsstudierenden der <strong>HfMDK</strong>.<br />
Am 20. April feiert die GFF im Anschluss an die Mitgliederver-<br />
sammlung 2012 ihr fünfjähriges Bestehen und den Arbeitsbeginn<br />
von Helmut Deutsch mit einem Liederabend. Restkarten für<br />
Nichtmitglieder sind an der Abendkasse erhältlich.<br />
Alle Informationen zur Gesellschaft der Freunde und Förderer sind<br />
zu finden unter hfmdk-freunde.de. Dort steht auch der Jahresbe-<br />
richt als Download bereit.<br />
Die Nummer des Spendenkontos der GFF lautet: 806 50 70 bei der<br />
Deutschen Bank <strong>Frankfurt</strong>, BLZ 500 700 24.<br />
Fördern macht Freude<br />
Die con moto foundation unterstützt das Projekt „Response“, bei<br />
dem junge Schülerinnen und Schüler an zeitgenössische Musik<br />
herangeführt und zum eigenen kreativen Schaffen von Musik<br />
angeregt werden. Außerdem beteiligen wir uns an dem Programm<br />
„Starterstipendien“, um junge hochbegabte Musikstudentinnen<br />
und -studenten zu fördern, und die <strong>HfMDK</strong> in ihrem Bestreben nach<br />
Exzellenz zu bestärken, damit ein hohes Niveau im Musikleben<br />
aufrechterhalten bleibt.<br />
Mit unserer Stiftungstätigkeit fokussieren wir uns vor allem auf<br />
musikpädagogische Projekte, weil Musik ideal geeignet ist,<br />
die persönliche Entwicklung junger Menschen zu fördern, über alle<br />
Sprach- und Herkunftsgrenzen hinweg.<br />
Sabine Petersen-Spindler und Dr. Manfred Spindler<br />
Stifter/ Freunde und Förderer der <strong>HfMDK</strong><br />
Musik ist mir genauso wichtig wie Atmen!<br />
Darum ist mir die <strong>HfMDK</strong> ans Herz gewachsen. Und ich unterstütze<br />
gerne die Ausbildung junger Menschen, denn sie sind unsere<br />
Zukunft. Als Freund und Förderer nehme ich Teil an der Entwicklung<br />
von jungen Künstlern, und die Konzerte in der Hochschule sind<br />
fester Bestandteil meines Lebens. Mein besonderer Favorit ist der<br />
Barockmarathon – da muss ich immer dabei sein!<br />
Richard J. Byer<br />
Freund und Förderer der <strong>HfMDK</strong>
Aus Liebe zur Musik kam ich zu meinem Ehrenamt in der <strong>HfMDK</strong>:<br />
Ich bestreite gemeinsam mit anderen freiwilligen Helfern schon<br />
mehrere Jahre den Konzert-Abenddienst der Hochschule mit.<br />
Durch die häufige Anwesenheit im Hause sah ich mehr, hörte ich<br />
mehr, nahm ich Anteil und konnte mich einfühlen und Dinge<br />
nachvollziehen.<br />
So reifte mein Entschluss: Hier kannst du unterstützen und ich<br />
wurde zur Freundin der <strong>HfMDK</strong> und werde es bleiben.<br />
Fazit: Manchmal lohnen offensichtlich auch „kleine Umwege“.<br />
KarinMR Vogt<br />
Ehrenamtliche Mitarbeiterin/ Freundin und Förderin der <strong>HfMDK</strong><br />
Als Bildungsstiftung mit Sitz in <strong>Frankfurt</strong> am Main, die neben<br />
Kindern, Jugendlichen und Menschen mit schwierigen Startbedingungen<br />
auch junge Künstler fördert, ist die Crespo Foundation<br />
natürlicher Partner der Hochschule für Musik und Darstellende<br />
Kunst. Deswegen haben wir als Stiftung den Kontakt gesucht, im<br />
Laufe der gemeinsamen Projekte – von denen „Primacanta – Jedem<br />
Kind seine Stimme“ das größte, aber nicht das einzige erfolgreiche<br />
ist – wurde die Hochschule dann zu einem Lieblingspartner:<br />
Es sind die Menschen, ihr Ideenreichtum, ihre Umsetzungsstärke,<br />
ihre Offenheit, ihre Leidenschaft und ihr Engagement, die die<br />
Zusammenarbeit so sympathisch wie erfolgreich macht! Nur<br />
stellvertretend für viele andere, die in und mit dieser Hochschule<br />
etwas bewegen, neue Wege einschlagen, sich auf neue Herausforderungen<br />
einlassen und sich unverzichtbar machen in <strong>Frankfurt</strong>,<br />
seien Thomas Rietschel und Dieter Heitkamp genannt.<br />
Ulrike Crespo<br />
Stifterin/ Unterstützerin der <strong>HfMDK</strong><br />
Musik und Theater sind seit Jahrhunderten wesentlicher Bestandteil<br />
unserer Kultur. Der von manchen Kritikern zu Unrecht wegen<br />
seines Pathos belächelte Schlusschor in Beethovens Neunter,<br />
nunmehr schon 40 Jahre Europahymne, ist ein Symbol für die<br />
Gegensätze und Grenzen überwindende Kraft der Musik. Damit<br />
Musik und darstellende Kunst ihre Bedeutung für das gesellschaftliche<br />
Zusammenleben behalten, müssen bereits die Kinder (wieder)<br />
wie selbstverständlich damit in Berührung kommen. Unverzichtbar<br />
sind gut ausgebildete Musik- und Theaterpädagogen und ein<br />
exzellenter künstlerischer Nachwuchs. Ich erlebe seit vielen Jahren<br />
aus unmittelbarer Anschauung, mit welch großem Engagement<br />
die Studierenden der <strong>HfMDK</strong> auf das Ziel hinarbeiten, zu diesem<br />
exzellenten Nachwuchs zu gehören. Jeder kann sich bei den vielen<br />
Konzerten und anderen Veranstaltungen der <strong>HfMDK</strong> von dem hohen<br />
künstlerischen Niveau der Ausbildung überzeugen und von der<br />
Freude der Studierenden am Spielen, die sich meist schnell auf das<br />
Publikum überträgt. So ist es mir auch eine Freude, einen Beitrag<br />
zur Förderung des Nachwuchses an der <strong>HfMDK</strong> zu leisten.<br />
Dr. Klaus Sommerlad<br />
Freund und Förderer der <strong>HfMDK</strong><br />
Mittlerweile zum fünften Mal hat die DZ BANK das Jazzfest<br />
der <strong>HfMDK</strong> als Hauptsponsor unterstützt, und wir haben es wieder<br />
sehr gerne gemacht. Wir sind immer wieder begeistert, was die<br />
Hochschule mit ihrem Engagement und Herzblut auf die Beine<br />
stellt. Nationale und internationale Jazzgrößen, die <strong>HfMDK</strong>-Ensembles<br />
mit eigenen und klassischen Arrangements – ein wahrer<br />
Ohrenschmaus für alle Jazz-Fans.<br />
Anke Fischdick<br />
Event Management, DZ BANK AG<br />
21
22 TRADITION und INNOVATION<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
Aus Liebe zum Tanz<br />
Die <strong>Frankfurt</strong>er Tanzabteilung kann sich auf kontinuierliche Unterstützung des Fördervereins ZuKT e. V. verlassen<br />
Von Claudia Sauter, Vorsitzende des Fördervereins ZuKT e. V.<br />
Der Förderverein ZuKT e. V. unterstützt den Ausbildungsbereich<br />
Zeitgenössischer und Klassischer Tanz. 2007 feierte er sein<br />
25-jähriges Bestehen. Seine Gründung entstand aus finanzieller<br />
Not der Tanzabteilung, die damals noch in beengten Räumen am<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Zoo untergebracht war. Prof. Egbert Strolka, damaliger<br />
Leiter der Tanzabteilung, war auf der Suche nach größeren Räumen.<br />
Um die Finanzierung für die Anmietung der Räume im ehemaligen<br />
Gesundheitszentrum der Firma Braun zu sichern, wurde am 13. Juni<br />
1982 der „Verein zur Förderung der tänzerischen Berufsausbil-<br />
dung in Hessen e. V.“ gegründet. Der Name stand für die einzige<br />
Hochschule in Hessen, der <strong>HfMDK</strong>, an der Tänzer und Tänzer-<br />
innen ausgebildet wurden.<br />
Zum Gründungsteam gehörten Egbert Strolka, Russell Falen,<br />
Heidy Vogel, Birgit Lang, Christel Brosch, Maria Funk und Jürgen<br />
Strunden, der zum 1. Vorsitzenden gewählt wurde. Zweck des<br />
Vereins war die Förderung begabter, sich in der Ausbildung<br />
befindlicher Tänzerinnen und Tänzer. Er half bei der Verbesserung<br />
der Einrichtungen, sorgte für Zuwendungen bei öffentlichen<br />
Auftritten und unterstützte bedürftige Studenten. Aufführungen<br />
der Studierenden auf <strong>Frankfurt</strong>er Bühnen, im Großen Foyer des<br />
Staatstheaters Darmstadt, im Wiesbadener Staatstheater und<br />
in Zwingerberg wurden vom Förderverein finanziell und emotional<br />
unterstützt. Ein Höhepunkt waren die Hessischen Kulturtage in<br />
Armenien, den die Studierenden als neu getaufte „Junge Ballett-<br />
kompanie Hessen“ erfolgreich mitgestalteten.<br />
Mit der Emeritierung von Prof. Egbert Strolka im Jahr 1998 stand<br />
auch das Fortbestehen des Vereins in Frage. Claudia Sauter, die<br />
selbst an der <strong>HfMDK</strong> Bühnentanzpädagogik studiert hatte und<br />
1991 dem Verein beigetreten war, übernahm 1998 den Vorsitz. Der<br />
Szene aus dem ZuKT-Wintertanzprojekt 2012. Foto: Valentin Fanel<br />
Zweck des Vereins ist der gleiche geblieben. Noch immer sind die<br />
Mittel der Hochschule begrenzt. Zwar werden inzwischen die<br />
Zuschüsse für Ausstattung und Gastchoreografen für „ZuKT“ aus<br />
anderen Töpfen möglich, aber für die Studierenden ist die Haus-<br />
haltssituation eher schlechter. Tänzer können nicht so leicht<br />
regelmäßige Jobs annehmen, um das Studium zu finanzieren.<br />
Sie sind nach einem harten Trainingstag dazu körperlich nicht mehr<br />
in der Lage.<br />
Deshalb hat der Förderverein seinen Schwerpunkt nun mehr auf<br />
die Unterstützung der Studenten gelegt. Zwei bis maximal vier<br />
Stipendien vergibt er jährlich. Die Stipendiaten erhalten zwischen<br />
100 und maximal 200 Euro pro Monat. Mit Patenschaften hat der<br />
Verein schon einige Studierende persönlich unterstützt und<br />
während ihres Studiums begleitet. Um die Wohnungssuche der<br />
Erstsemester zu erleichtern, hat der Förderverein seit 2005 eine<br />
Wohnung als WG für die Tanzstudenten angemietet. Der Erfolg<br />
dieser Einrichtung führte dazu, 2010 ein weiteres Angebot einer<br />
WG im selben Haus anzunehmen. Der Verein übernimmt dabei die<br />
Vermieterrolle. Mit Flyern und einer Homepage hat sich der<br />
Förderverein der Öffentlichkeit präsentiert, um für neue Mitglieder<br />
zu werben. Mit der Namensänderung will er die Zugehörigkeit zur<br />
<strong>HfMDK</strong> verdeutlichen.<br />
Der Förderverein finanziert sich über Vereinsbeiträge (60 Euro im<br />
Jahr) und Spenden. Dessen Mitglieder sind speziell dem Tanz<br />
verbunden. Sie schätzen den persönlichen Kontakt zur Tanzabtei-<br />
lung und den Tanzstudenten. Die schnelle, unkomplizierte und<br />
bedarfsorientierte Förderung ist ihnen wichtig. Die Förderer lieben<br />
den Tanz und fördern, damit kulturelles Leben auch morgen noch<br />
spannend ist.
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1 GELD und KUNST<br />
Spitzenförderung<br />
Wer hart trainiert, hat es in zwei Monaten verschlissen, das Paar<br />
Spitzenschuhe, das sich mit den harten Sohlen und den stabilisie-<br />
renden Platten zum Spitzentanz eignet. Und selbst Tänzer, die sich<br />
darauf bestens verstehen, ihrem „Arbeitswerkzeug“ mit Schellack-<br />
beträufelung, Kühlschrankaufenthalten und anschließender<br />
Fönbehandlung lebensverlängernde Maßnahmen angedeihen zu<br />
lassen, kommen irgendwann nicht umhin, satte 60 Euro für ein<br />
neues Paar Spitzenschuhe auf den Tisch zu legen. Es sei denn, der<br />
„Förderverein ZuKT“ greift den Tanzstudierenden wie so oft unter<br />
die Arme: Immer wieder fängt er außerordentliche Finanzbelas-<br />
tungen der Studierenden auf und unterstützt deren finanzielles<br />
Auskommen damit maßgeblich. Lisa Rykena beispielsweise reichte<br />
kürzlich beim ZuKT-Leitungsteam ihren Förderantrag für neue<br />
Spitzenschuhe ein und konnte sich wenig später über die Übernah-<br />
me der Anschaffungskosten durch den Förderverein freuen. Ihr<br />
vor Monaten vorangegangener Bruch des Fußes beim Training hatte<br />
ihr ohnehin schon genügend Scherereien neben der achtwöchigen<br />
Zwangspause beschert: Medikamente, Osteophathie- und Akupunk-<br />
turbehandlungen gingen und gehen ins Geld. In Absprache mit<br />
dem Leitungsteam der Tanzabteilung gewährte der Förderverein ihr<br />
finanzielle Hilfen. „Was das Verantwortungsgefühl gegenüber ihren<br />
Studierenden betrifft, ist die <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule extrem weit<br />
entwickelt“, erläutert Lisa Rykena dankbar, wie auch die Profes-<br />
soren bemüht waren, sie in den Wochen der Genesung und des<br />
wieder beginnenden Trainings moralisch und praktisch zu unterstüt-<br />
zen. Mittlerweile hat sich Lisa Rykena vor dem Spiegel und in der<br />
Gruppe wieder „hochtrainiert“und steht – stärker denn je – endlich<br />
wieder auf der Bühne. Mit dem Ende ihrer Genesungspause sind<br />
auch ihre Wochenenden wieder regelmäßig verplant – unter<br />
anderem mit dem Unterrichten von Früherziehungs-Tanzkindern.<br />
„Es ist generell schwierig, unter der Woche Geld zu verdienen, da<br />
ist man sehr eingespannt – es bleibt eben ein Drahtseilakt“,<br />
schildert sie die Unmöglichkeit, nach harten und langen Trainings-<br />
einheiten noch Zeit und Kraft für einen Nebenjob nach Feierabend<br />
zu finden. Eine zeitliche Planungssicherheit gebe es in der Tanz-<br />
ausbildung ohnehin nicht, erklärt sie: In <strong>Frankfurt</strong> entsteht der<br />
Stundenplan der ZuKT-Studierenden Woche für Woche neu. An-<br />
gesichts dessen sind die Wochenenden umso mehr mit Aktivitäten<br />
in Form von Nebenjobs verplant. Bei den athletisch durchtrainierten<br />
Tänzern basieren viele Einnahmemöglichkeiten auf Model- und<br />
Komparsenengagements; auch als Darsteller für Werbefilme und<br />
Trailer werden Tänzer oft gebucht. Und als ZuKT-Studierende darf<br />
Lisa Rykena – wie ihre Kommilitonen auch – einer Hinsicht beruhigt<br />
sein: Die Hochschule und der Förderverein ZuKT lassen sie akuten<br />
finanziellen Engpässen mit Sicherheit nicht hängen. bjh<br />
Förderer der Hochschule spendierten der Tanzstudierenden<br />
Lisa Rykena neue Spitzenschuhe.<br />
23
24 GELD und KUNST<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
Kunst- und Nachwuchsförderung<br />
auf höchstem Niveau<br />
Dank des Engagements der Deutsche Bank Stiftung konnte die <strong>HfMDK</strong> zwei Opern und<br />
Wandelkonzerte im Rahmen des Rheingau Musik Festivals präsentieren – eine weitere<br />
Zusammenarbeit ist geplant<br />
Als die Hochschule im vergangenen Sommer beim renommierten<br />
Rheingau Musik Festival in Kloster Eberbach mit Stradellas<br />
„San Giovanni Battista“ eine eigene Opern-Inszenierung auf die<br />
Bühne der Basilika brachte, konnte sie sich mit der Deutsche<br />
Bank Stiftung zum zweiten Mal auf einen engagierten Förderer und<br />
Initiator verlassen. Die hatte bereits im Jahr 2007 die Produktion<br />
von Monteverdis „L’Orfeo“ am gleichen Ort möglich gemacht.<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt fragte bei Michael Münch, dem stellvertretenden<br />
Vorstandsvorsitzenden der Deutsche Bank Stiftung, nach, warum<br />
ihm das Engagement für die <strong>HfMDK</strong> wichtig ist und weiter bleiben<br />
wird.<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt Herr Münch, was hat die Deutsche Bank Stiftung<br />
dazu bewogen, zwei große Opernprojekte der <strong>HfMDK</strong> zu unterstützen<br />
bzw. überhaupt erst zu ermöglichen?<br />
Michael Münch Aus dem Selbstverständnis unserer Stiftung, sich<br />
für die Gesellschaft zu engagieren, haben wir uns für eine Förderung<br />
der <strong>HfMDK</strong> entschieden, weil sich dort Nachwuchs- und<br />
Musikförderung auf das Beste miteinander verbinden lassen. Wenn<br />
die <strong>Frankfurt</strong>er stolz sind auf ihre Hochschule, dann müssen sie<br />
auch ein Interesse daran haben, dass qualifiziertem künstlerischen<br />
Nachwuchs eine adäquate Ausbildungsmöglichkeit geboten wird.<br />
Die <strong>HfMDK</strong> steht außerdem für Exzellenz und Internationalität.<br />
Dass nicht alle in <strong>Frankfurt</strong> ausgebildeten Künstler in der Region<br />
bleiben, liegt auf der Hand. Aber sie sollen und werden sich gern an<br />
ihre Studienzeit in <strong>Frankfurt</strong> erinnern. Daran haben wir mit unserem<br />
Engagement einen Anteil, auf den wir stolz sind.<br />
FiT Im Jahr 2007 ist die Deutsche Bank Stiftung erstmals eine<br />
Konzertpartnerschaft mit der <strong>HfMDK</strong> eingegangen, nämlich mit der<br />
Finanzierung der Produktion der Barockoper „L’Orfeo“ von Monteverdi<br />
mit Open air-Aufführungen vor der Kulisse des Klosters<br />
Eberbach. Welche Erinnerung haben Sie daran?<br />
Münch Unsere Stiftung hat den Anspruch, mehr als eine reine<br />
Konzertförderung anzubieten; sie wollte etwas Einzigartiges<br />
ermöglichen, das zugleich Nachwuchsförderung auf hohem Niveau<br />
bedeutete. Die Hochschule zeigte sich dankbar, dass wir ihr auf<br />
dem Rheingau Musik Festival eine Plattform vermittelt haben, sich<br />
den Anforderungen eines Festivalbetriebs zu stellen. Die musikalisch-szenischen<br />
Aufführungen waren grandios. Im vergangenen<br />
Jahr wagten wir einen neuen Anlauf mit der Inszenierung von<br />
Stradellas „San Giovanni Battista“ und vorangehenden Wandelkonzerten<br />
in den atmosphärisch einmaligen Räumlichkeiten des Klosters<br />
Eberbach. Mit dieser erneuten Kooperation sind die Hochschule<br />
und wir ein weiteres Mal unserem hohen Anspruch an qualifizierte<br />
musikalische Nachwuchsförderung gerecht geworden. Diese beiden<br />
guten Erfahrungen haben uns dazu bewogen, im Jahr 2013 zum<br />
dritten Mal mit der <strong>HfMDK</strong> gemeinsam eine Produktion im Rahmen<br />
des Rheingau Musik Festivals anzubieten.<br />
FiT Welches Feedback haben Sie von den Kundenbetreuern und<br />
Kunden der Deutschen Bank erhalten, die die Aufführungen der<br />
Hochschule in Kloster Eberbach besucht haben?<br />
Münch Eine Reihe von Kundenbetreuern hat mir vermittelt, dass sie<br />
es bemerkenswert fanden, dass die Stiftung sich zu einem<br />
solchen Schritt entschlossen hat. Das positive Echo bei den Kunden
ührte auch daher, dass die beiden Opernproduktionen für sie<br />
etwas Unerwartetes waren – eben nicht beliebig austauschbar,<br />
sondern etwas ganz Spezielles und damit Reizvolles. Es ist<br />
der Anspruch unserer Stiftung, solche Angebote zu ermöglichen,<br />
die vom „main stream“ eines Festivalprogramms abweichen.<br />
FiT Mit der Produktion von Stradellas „San Giovanni Battista“<br />
und den blutigen Szenen von dessen Tötung wurde auch „schwer<br />
verdauliche“ Kost angeboten.<br />
Münch Kunst und Musik müssen nicht immer einfach sein.<br />
Wir waren von der künstlerischen Kompetenz des Regieteams<br />
überzeugt und haben der Arbeit der Künstler vertraut.<br />
FiT Wie bleibt Ihnen die zweite Hochschulproduktion mit den<br />
Wandelkonzerten und der Aufführung in der Basilika in Erinnerung?<br />
Münch Mir ist aufgefallen, wie offen sich das Orchester über den<br />
herzlichen Schlussapplaus gefreut hat – das habe ich zuvor selten<br />
so erlebt. Den jungen Künstlern war ihre freudige Erleichterung<br />
anzumerken darüber, dass der Funke ihrer intensiven Darbietung<br />
auf das Publikum übergesprungen ist. Mich hat außerdem erstaunt,<br />
mit wie wenigen Mitteln der Ausstattung man so viel auf der<br />
Bühne bewirken kann. Der Regisseur Nils Cooper hatte geniale<br />
Ideen eingebracht, die dennoch keine Kompromisse waren. Nach<br />
den Wandelkonzerten sind einige unserer rund 600 geladenen<br />
Gäste mit den Künstlern ins Gespräch gekommen – man sollte für<br />
zukünftige Kooperationen über bewusst angebotene Gesprächs-<br />
möglichkeiten nachdenken.<br />
Oben: Michael Münch<br />
ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender<br />
der Deutsche Bank Stiftung und schätzt<br />
das künstlerische Potenzial der Hochschule.<br />
Foto: Martin Joppen<br />
Unten: Szenen aus „San Giovanni Battista“ in der<br />
Basilika von Kloster Eberbach.<br />
Die Deutsche Bank Stiftung hatte die Inszenierung<br />
der <strong>HfMDK</strong> im Rahmen des renommierten Rheingau<br />
Musik Festivals ermöglicht.<br />
FiT Welchen Stellenwert messen Sie Künstlern und Kunst in der<br />
Gesellschaft bei?<br />
Münch Kultur ist der Kitt, der die Gesellschaft im Inneren zusam-<br />
menhält – ohne sie würde der Mensch verarmen. Und ich finde es<br />
– gerade auch als Vertreter einer Stiftung der Finanzbranche –<br />
wichtig, dass es mit den verschiedenen Formen der Kunst eine<br />
nonverbale Sprache gibt, über die sich die Menschen abseits aller<br />
Euro- und Griechenland-Themen gemeinsam verständigen können.<br />
Vor elf Jahren hat die Deutsche Bank Stiftung die „Akademie<br />
Musiktheater heute“ gegründet, mit der sie den Führungsnach-<br />
wuchs der Oper fördert und sich damit für die Zukunft dieses<br />
Genres engagiert. Wenn ich sehe, wie musikverrückt unsere<br />
Stipendiaten sind und mit welch geringen äußeren Ansprüchen<br />
sie manchmal auskommen, kann ich nur sagen: Sie leben durch<br />
und durch für die Kultur.<br />
FiT Wie sollte sich die <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Main aus Ihrer Sicht in<br />
der Gesellschaft positionieren?<br />
Münch Ich kann ihr nur empfehlen, ihr schon bestehendes<br />
Netzwerk an Kontakten und Kooperationen mit anderen Instituti-<br />
onen weiter zu pflegen und in dieses zu intensivieren und sich<br />
keinesfalls auf ein Nischendasein zurückzuziehen. Daher kann<br />
ich auch die Planungen für den Kulturcampus und einem dortigen<br />
Neubau der Hochschule nur begrüßen: Er wird zu einer sehr<br />
fruchtbaren Plattform des Austauschs werden. bjh<br />
25
26<br />
GELD und KUNST<br />
Zahlen<br />
Zahlen aus der 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, durchgeführt im Sommersemester 2009.<br />
Die Ergebnisse basieren auf den Angaben von 16.370 Befragten und sind repräsentativ für die Studierenden<br />
an deutschen Hochschulen<br />
812 Euro beträgt der Durchschnittsbetrag der monatlichen Einnahmen bei Studierenden. | Einem Fünftel der Studierenden stehen<br />
weniger als 600 Euro monatlich zur Verfügung, 17% mehr als 1.000 Euro. | 87% der Studierenden werden von ihren<br />
Eltern finanziell mit im Durchschnitt 445 Euro monatlich unterstützt. | 65 % der Studierenden tragen zur Finanzierung ihres<br />
Lebensunterhalts mit eigenem Verdienst in durchschnittlicher Höhe von monatlich 323 Euro bei. | 3 % der Studierenden steht<br />
ein Stipendium zur Verfügung. | 5 % der Studierenden haben einen Kredit zur (teilweisen) Finanzierung des Lebensunterhaltes<br />
aufgenommen. | 26 % der monatlichen Einnahmen werden aus eigenem Verdienst bestritten. | 63 % der Studierenden gehen<br />
davon aus, dass die Finanzierung des Lebensunterhalts während ihres Studiums sichergestellt ist. | 23 % der Studierenden und<br />
der so genannten Bildungsinländer/innen erhalten im Sommersemester 2009 Förderung nach dem BAföG. Der durchschnittliche Förde-<br />
rungsbetrag liegt bei 413 Euro. | 35 % der monatlichen Ausgaben gehen für die Wohnungsmiete weg. Sie beträgt durchschnitt-<br />
lich 281 Euro. Für Ernährung geben Studierende im Schnitt 159 Euro monatlich aus, für Kleidung 51 Euro, 33 Euro für<br />
Fachmittel, 59 Euro für die Gesundheit (Krankenversicherung, Arztkosten, Medikamente), 35 Euro für Kommunikation (Telefon und<br />
Internet), 63 Euro für Freizeit, Kultur und Sport. | 23 % der Studierenden können ihre Ausgaben nicht vollständig durch die<br />
Ausgaben decken und geben im Schnitt 55 Euro mehr aus, als sie einnehmen. | In der Rangfolge der Hochschulstädte nach<br />
der Höhe der monatlichen Ausgaben für Miete und Nebenkosten liegt <strong>Frankfurt</strong> am Main mit 328 Euro auf dem sechsten Platz. An<br />
erster Stelle liegt München mit 348 Euro, an 54. Stelle Chemnitz mit 210 Euro. | Bezogen auf alle Befragten, die sich in einem<br />
Erststudium befinden, arbeiten Studierende in 2009 im Schnitt 8 Stunden in der Woche, um Geld zu verdienen. | Der Gesamtaufwand<br />
für Studium und Erwerbstätigkeit beträgt für Studierende im Erststudium durchschnittlich 44 Stunden in der Woche, allerdings<br />
mit einer enormen Streuung: 13 % der Befragten kommen sogar auf eine wöchentliche Gesamtbelastung von mehr als 60 Stunden.<br />
Damit ist der zeitliche Gesamtaufwand im Vergleich mit 2006 um 3 Stunden wöchentlich gestiegen.<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1
S T A T E M E N T<br />
Kathrin Berg, Studiengang<br />
Schauspiel, 3. Ausbildungsjahr<br />
Welche Rolle spielt(e) Geld in<br />
Ihrem Studium?<br />
Leider habe ich mir während<br />
meines bisherigen Studiums<br />
sehr oft Gedanken über das<br />
Geld machen müssen. Ich<br />
empfand dieses Thema schon<br />
immer als sehr belastend. Ich<br />
bekomme kein BaföG, weil ich<br />
vor dem Schauspielstudium<br />
schon eine Ausbildung<br />
absolviert und einige Semester<br />
studiert habe; deshalb unterstützt<br />
mich nun meine Familie.<br />
Das ist nicht sehr angenehm, da<br />
ich gerade in und nach der<br />
Ausbildung gut allein zurecht<br />
kam. Um meine Mutter<br />
wenigstens etwas zu entlasten,<br />
arbeite ich 15 Stunden im<br />
Monat als „Hiwi“ in der<br />
Hochschule und habe Wohngeld<br />
beantragt. Das ständige<br />
Telefonieren mit den entsprechenden<br />
Sachbearbeitern und<br />
die unzähligen Anträge sind<br />
auch einfach nur anstrengend<br />
und nervig. Im Dezember habe<br />
ich ein privates Stipendium<br />
erhalten, worüber ich wahnsinnig<br />
froh bin. Ich merke, dass es<br />
mir seitdem wesentlich besser<br />
geht. Ich muss nicht jeden<br />
Tag ausrechnen, wieviel Geld ich<br />
noch für Essen ausgeben darf,<br />
sondern geh einfach einkaufen.<br />
Das ist toll!<br />
Wann und wie ist das Bewusstsein<br />
gewachsen, finanziell von<br />
dem leben zu müssen, was Sie<br />
künstlerisch oder pädagogisch<br />
tun?<br />
Wenn damit gemeint ist, „wann<br />
habe ich gemerkt, dass ich<br />
mein Geld als Schauspielerin<br />
verdienen muss?“: Ich glaube,<br />
das muss ich nicht. Ich will<br />
es natürlich! Aber zu denken,<br />
dass es sein muss – das engt<br />
mich ein und macht mir Angst.<br />
Und das bringt mich nicht<br />
weiter. Außerdem habe ich in<br />
den letzten Jahren mit so vielen<br />
verschiedenen Jobs Geld<br />
verdient und verfüge über eine<br />
abgeschlossene Ausbildung.<br />
Welche Kompromisse sind Sie<br />
bereit einzugehen, um sich<br />
existenziell abzusichern? Welche<br />
wären für Sie undenkbar?<br />
Existenziell ist ein ziemlich<br />
großes Wort. Wenn ich die<br />
Wahl habe zwischen großen<br />
Idealen, die auf der Straße<br />
sitzen, und der Möglichkeit, die<br />
Miete mit einem Werbespot<br />
bezahlen zu können, würde ich<br />
wahrscheinlich Letzteres<br />
wählen, das heißt ich glaube,<br />
ich bin sehr kompromissbereit.<br />
Allerdings habe ich auch vor<br />
kurzem einen Job abgelehnt,<br />
weil das absolut nichts für mich<br />
war. Da ging es darum,<br />
Kartoffelchips für eine Fernsehsendung<br />
zu testen, und das<br />
wollte ich wirklich nicht, auch<br />
wenn es dafür Geld gegeben<br />
hätte. Ich werde immer versuchen,<br />
hinter dem stehen zu<br />
können, was ich tue, aber ich<br />
habe aufgehört, den Beruf<br />
zu idealisieren und zu glauben,<br />
dass ich von einer großen<br />
Bühne zur nächsten tanzen<br />
werde. Irgendwie finde ich das<br />
auch beruhigend.<br />
Erfüllung statt Geld<br />
Eine Studie hat ergeben, dass spätere Verdienst-<br />
möglichkeiten für Musiker keine entscheidende Studienmotivation<br />
sind<br />
Verdienstmöglichkeiten im Musikerberuf scheinen eine eher<br />
untergeordnete Rolle in der Motivation für ein Musikstudium zu<br />
spielen. Das jedenfalls belegt eine Studie von Heiner Gembris und<br />
Daina Langner, in der die Ergebnisse einer Befragung von 659 Ab-<br />
Absolventen von deutschen Musikhochschulen aus dem Jahr<br />
2003 ausgewertet wurden. „Von der Musikhochschule auf den<br />
Arbeitsmarkt“ lautet deren Veröffentlichung, aus der hier nachfolgend<br />
zitiert wird:<br />
„Bemerkenswert ist, dass alle Musiker die „musikalischen Entfaltungsmöglichkeiten“<br />
in der Wichtigkeit für ihre Studienmotivation<br />
an erste Stelle gesetzt hatten. Diese hatten sich aus der Sicht aller<br />
Musikergruppen auch am meisten „erfüllt“, d. h. in allen Gruppen<br />
für über 60 Prozent der Absvolenten.<br />
Wenn man sich die Mittelwerte auf der Skala der Wichtigkeit der<br />
Studienmotivation anschaut, fällt weiter auf, dass „musikalische<br />
Entfaltungsmöglichkeiten“ Mittelwerte zwischen 1.3 und1.5<br />
Skalenpunkten (auf einer Skala von 1 = sehr wichtig bis 5 = völlig<br />
unwichtig, Anmerkung der Redaktion) und eine geringe Streuung<br />
haben (also relativ einheitlich wichtig bis sehr wichtig sind),<br />
während alle anderen Motivationsaspekte immer (z. B. „Verdienstmöglichkeiten“)<br />
oder meistens („hohes Ansehen“) jenseits der<br />
Skalenmitte mehr oder weniger im Bereich des eher Unwichtigen<br />
liegen. (...) Eine Erklärung kann sein, dass Musiker intrinsisch<br />
motivierte Idealisten sind, denen die Musik und musikalische<br />
Entfaltungsmöglichkeiten über alles gehen, während z. B. materielle<br />
Aspekte in ihrer Bedeutung klar zurückgestellt werden. Inwieweit<br />
das wirklich so ist und in inwieweit z. B. Effekte der sozialen<br />
Erwünschtheit eine Rolle spielen, lässt sich nicht eindeutig<br />
feststellen.“<br />
Quelle: Gembris, Heiner/Langner, Daina: „Von der Musikhochschule<br />
auf den Arbeitsmarkt“,Wißner-Verlag Augsburg 2005<br />
27
28<br />
Der Rohdiamant aus<br />
der Nebenfachprüfung<br />
Johannes Martin Kränzle, von der „Opernwelt“ zum<br />
„Sänger des Jahres 2011“ gekürt, erinnert sich den<br />
Beginn seiner Musikalischen Laufbahn als Studierender<br />
der <strong>HfMDK</strong> – mit einem Meisterkurs kehrte er für einige<br />
Tage an die <strong>HfMDK</strong> zurück<br />
Als Johannes Martin Kränzle an der <strong>HfMDK</strong> durch die Aufnahmeprüfung<br />
für ein Schulmusik-Studium rasselte, konnte er nicht ahnen,<br />
dass er genau dort 30 Jahre später als „Sänger des Jahres“ einen<br />
Meisterkurs für Studierende geben würde. Wie gut nur, dass Martin<br />
Gründler, damals erster Gesangsprofessor am Platz, in der Nebenfachprüfung<br />
auf den Bariton-Rohdiamanten aufmerksam wurde und<br />
Kränzle ein halbes Jahr später zu sich in die Gesangsklasse holte.<br />
Wenig später folgte Johannes Martin Kränzles erste Gesangs-<br />
„Mugge“: Mozarts Krönungsmesse in Kelkheim für 200 DM Gage.<br />
Heute ist der Bariton festes Ensemblemitglied der <strong>Frankfurt</strong>er Oper<br />
und international gefragter Gastsänger – aktuell unter anderem<br />
an der Mailänder Scala. Im folgenden Interview erinnert sich der<br />
<strong>HfMDK</strong>-Alumnus Johannes Martin Kränzle an seine finanziell<br />
bescheidenen ersten Berufsjahre und verrät, was ihn anstelle hoher<br />
Gagen wirklich lockt.<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt Die Geschichte von ihrer vergeigten Aufnahmeprüfung<br />
für Schulmusik in <strong>Frankfurt</strong> ist also keine Legende. Wollten<br />
Sie nicht von Anfang an Sänger werden?<br />
Johannes Martin Kränzle Nein. Ich wollte zunächst Schulmusik<br />
studieren, um eine musikalisch breite Ausbildung zu bekommen.<br />
Leider scheiterte das an meinen bescheidenen pianistischen<br />
Fähigkeiten, die ich unter anderem mit „Bartok für Kinder“ unter<br />
Beweis stellen wollte – leider vergeblich. Eher zufällig saß aber<br />
mein späterer Gesangsprofessor Martin Gründler in der Nebenfach-<br />
Aufnahmeprüfung in Gesang, der ich mich auch stellen musste.<br />
Er sprach mich nach der Prüfung auf dem Gang an und interessierte<br />
sich für meine Stimme. Als aus dem Schulmusikstudium nichts<br />
wurde, schrieb er mir einen Brief und lud mich in seine Gesangsklasse<br />
ein. In meinem Fall wäre er sicher, dass ich Sänger werden<br />
würde.<br />
FiT Also kehrten sie als Gesangsstudent an die <strong>HfMDK</strong> zurück und<br />
wurden Gründler-Schüler.<br />
Kränzle So ist es. Außerdem wollte ich in diesem Rahmen auch<br />
Violinunterricht bekommen, was mir die Hochschule aber verwehrte.<br />
Also nahm ich inoffiziell Unterricht in Hubert Buchbergers<br />
Kammermusikklasse und spielte unter Jiri Starek im Hochschulorchester<br />
mit. Als ich unter dem damaligen <strong>HfMDK</strong>-Dirigierprofessor<br />
Helmuth Rilling in Mendelssohns „Elias“ in den Geigen saß,<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 11/2<br />
„mutierte“ ich für eine Gesangsnummer – das Oktett „Denn er<br />
hat seinen Engeln befohlen“ – zum Gesangssolisten und fügte mich<br />
danach wieder in die Streicherreihen ein.<br />
FiT Wie haben Sie damals ihr Studium finanziert?<br />
Kränzle Als Geiger im „American Playhouse“, einem Musical-Theater<br />
der damals noch in <strong>Frankfurt</strong> stationierten US-Soldaten.<br />
Einige hundert Musical-Aufführungen dürfte ich mitgemacht haben.<br />
Immerhin gab es für mich als Konzertmeister 40 Mark Gage pro<br />
Aufführung – damals eine sichere Einnahmequelle, um das Studium<br />
zu finanzieren.<br />
FiT Was brachte Ihnen Ihr erstes Festengagement ein?<br />
Kränzle Als ich an der Dortmunder Oper als Solist engagiert wurde,<br />
bekam ich einen typisch schmalen Anfängervertrag. Das reichte<br />
zum Leben ohne jeglichen Luxus, war aber bedeutend weniger<br />
als das Gehalt, das die Sänger des Opernchores bekamen;<br />
ihre Verträge waren eben tariflich geregelt. Diese Tatsache fand<br />
ich schon grotesk.<br />
FiT Ihre damalige Gage ist ja sicherlich nicht mehr zu vergleichen<br />
mit dem, was Sie gegenwärtig an finanziellen Angeboten bekommen.<br />
Kränzle Witzigerweise ist es mir aber heutzutage viel wichtiger, was<br />
und mit wem ich singe und weniger, was ich dabei verdiene.<br />
Diese Frage stellt sich für mich erst an vierter oder fünfter Stelle.<br />
In einer schönen Kirche oder mit einem mir lieben Kollegen in<br />
einem weniger prominenten Rahmen zu singen, ist mir wichtiger<br />
als ein topbezahltes Engagement in einem für mich anonymen<br />
Rahmen. Generell vermute ich, dass die pekuniäre Frage bei den<br />
europäischen Künstlern insgesamt weniger im Vordergrund steht<br />
als bei Künstlern anderer Kontinente. Vielleicht schlagen sich da<br />
noch Anteile unserer humanistischen Tradition nieder.<br />
FiT Wie konnten Sie ihren Marktwert weiter steigern?<br />
Kränzle Seinen eigenen Marktwert kann man kaum aktiv oder<br />
geplant beeinflussen – ist zumindest meine Erfahrung. Eine<br />
Wertsteigerung geschieht also nicht willentlich, sondern oft auch
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1 GELD und KUNST<br />
Oben: Johannes Martin Kränzle<br />
als „Alberich“ mit den drei Rheintöchtern<br />
in der bayerischen Staatsoper.<br />
Foto: W. Hösl<br />
Unten: Johannes Martin Kränzle<br />
beim Meisterkurs mit der <strong>HfMDK</strong>-Gesangsklasse.<br />
zufällig. Mir war und ist es auch nie wichtig gewesen, meinen<br />
Wert zu steigern – mir ging es stets eher darum, mit tollen Leuten<br />
zusammenarbeiten zu können.<br />
FiT Was hat Ihnen dabei geholfen?<br />
Kränzle Einerseits sicherlich die Teilnahme an Wettbewerben.<br />
Durch sie habe ich mein Netzwerk an Kontakten weiter ausbauen<br />
können. So steigerte sich auch die Anzahl an Gastengagements.<br />
Zum anderen ist es wichtig, bei einer guten Agentur unter Vertrag<br />
zu sein. In meinem fünften Berufsjahr kam ich in Hannover ins<br />
Festengagement und dort ins sogenannte erste Fach, also in die<br />
Hauptrollen. Etwa ab diesem Zeitpunkt musste ich mir nicht mehr<br />
vor jedem Kinobesuch die Frage stellen, ob ich ihn mir gerade<br />
leisten kann oder nicht.<br />
FiT Wie gut bezahlt sind Gastengagements?<br />
Kränzle Mit der Gastiertätigkeit kann man überdimensional gut<br />
verdienen. Der Vergleich ist schon skurril: Möglicherweise ist dabei<br />
die Gage für einen Abend genauso hoch wie das Monatsgehalt<br />
eines gleichwertigen Festengagements.<br />
FiT Woran liegt das?<br />
Kränzle Vielleicht hat es mit dem Eventcharakter zu tun und damit,<br />
dass auch Sponsoren involviert sind. Wenn Engagements kurzfristig<br />
kommen, man also als Ersatz für einen erkrankten Kollegen ein-<br />
springen soll, wird man allerdings auch für den psychischen Stress,<br />
den man auf sich nimmt, mitbezahlt. Kürzlich musste ich in der<br />
Münchner Rheingold-Premiere als „Alberich“ einspringen. Als<br />
Vorbereitung auf die Inszenierung blieb mir neben einem Briefing<br />
des Regisseurs nur die Generalprobe. Solche Herausforderungen<br />
nehme ich aber gern an – ich bin eben so ein „Einspringertyp“.<br />
FiT Und wenn man selbst ein Engagement wegen einer Erkältung<br />
absagen muss?<br />
Kränzle Dann gibt es natürlich keinen Cent für den Ausfall. Und es<br />
gibt auch andere Gründe als nur die eigene Krankheit, warum eine<br />
Vorstellung ausfallen kann. Als ich an der Mailänder Scala ein<br />
Engagement hatte, fiel beispielsweise die gesamte Premiere einem<br />
Streik zum Opfer, der als Protest gegen Berlusconi gedacht war.<br />
Danach war es nur einer ausgesprochenen Kulanz der Verantwort-<br />
lichen zu verdanken, dass wir die Gage dennoch ausgezahlt<br />
bekamen.<br />
FiT Von der Fachzeitschrift „Opernwelt“ zum „Sänger des Jahres“<br />
ausgezeichnet, muss Ihnen doch nun finanziell nicht mehr bange<br />
sein.<br />
Kränzle Gerade in diesem Geschäft ist es gefährlich, sich auf<br />
Lorbeeren auszuruhen. Es reicht nicht, dass ich vielleicht gestern<br />
29<br />
toll gesungen habe: Ich muss es heute wieder tun, um zu bestehen.<br />
Vielleicht steigert eine Auszeichnung wie die genannte die Autori-<br />
tät, die einem zugesprochen wird. Doch an so manchem Kollegen<br />
der Sängerwelt sehe ich auch, wie schnell es wieder abwärts<br />
gehen kann. Die Sängerbranche ist auch so etwas wie ein Mode-<br />
Karussell, durch das man schnell wieder an den Rand der Szene<br />
katapultiert werden kann.<br />
FiT Macht Ihnen das manchmal Angst?<br />
Kränzle Persönliche Gelassenheit ist einer meiner größten Trümpfe,<br />
für die ich dankbar bin. Sie hat sich in nun 25-jähriger Berufs-<br />
erfahrung entwickelt und bringt mit sich, dass ich alles nicht mehr<br />
so existenzialistisch sehe und mir mehr Freiheiten nehmen kann.<br />
FiT Was bedeutet für Sie Freiheit in finanzieller Hinsicht?<br />
Kränzle Die Freiheit, oft reisen zu können ohne finanzielles Limit.<br />
Noten und Instrumente besitzen zu können, ist mir auch wichtig.<br />
Auf meine umfangreiche CD-Sammlung könnte ich eher verzichten.<br />
FiT Im Dezember sind Sie an ihren alten Studienort zurückgekehrt,<br />
um einen Meisterkurs zu geben. Welche Eindrücke bleiben haften?<br />
Kränzle Ich fand es toll, dass alle zwölf Gesangsstudierenden, die<br />
ich unterrichten durfte, versucht haben, sich auf mich und meine<br />
Ideen einzulassen. Von ihrer Offenheit war ich angenehm über-<br />
rascht. Sie haben etwas von meiner Überzeugung verstanden,<br />
dass ein Sänger nicht nur ein Instrument ist, sondern vor allem ein<br />
Erzähler. Und genau darin liegt auch der Schlüssel: Wer einen<br />
Gedanken in dem Moment wirklich formuliert, in dem er ihn singt,<br />
ist ein interessanter und damit außergewöhnlicher Sänger. bjh
30 GELD und KUNST<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
Rettungsschirm mit Gegenleistung<br />
Studierende nutzen ihr Netzwerk an Kontakten, um sich gegenseitig zu helfen – die Hochschule springt ein,<br />
wo akute Not am Mann ist<br />
Wer an der <strong>HfMDK</strong> studiert, kann sich einer Sache sicher sein:<br />
An akut unlösbaren finanziellen Problemen wird sein Studium sicher<br />
nicht scheitern. Wer deswegen den Weg in die Abteilung<br />
Studium und Lehre oder ins International Office der Hochschule<br />
geht, findet dort hilfreiche Ansprechpartner, die bei Bedarf<br />
„Rettungsschirme“ aufspannen und helfen, finanzielle Engpässe<br />
zu entschärfen.<br />
<strong>Frankfurt</strong> ist unter Studierenden als teures Pflaster bekannt. Mehr<br />
denn je spielt dabei die Frage des bezahlbaren Wohnraums eine<br />
Rolle. Dennoch musste die <strong>HfMDK</strong> bislang keinen Studierenden<br />
nach Hause schicken, weil sein Studium aus akuter finanzieller<br />
Not gescheitert wäre. Dies ist jedenfalls die Erfahrung von Manfred<br />
Gerhardt, der als Leiter der Abteilung Studium und Lehre an der<br />
<strong>HfMDK</strong> seit 22 Jahren ein Ohr für die Fragen und Probleme der<br />
<strong>HfMDK</strong>-Studierenden hat. Dafür ist seiner Überzeugung nach auch<br />
das gut funktionierende Netzwerk an Kontakten unter den Studierenden<br />
verantwortlich, mit dessen Hilfe Studierende existenzielle<br />
Engpässe verschiedenster Art vor allem selbständig untereinander<br />
entzerren – sei es, indem sie der Wohnungsnot mit spontanen<br />
WGVergrößerungen begegnen oder indem sie dem klammen<br />
Kommilitonen eine gut bezahlte „Mugge“ überlassen. In dieser<br />
Hinsicht habe die Überschaubarkeit der Hochschule echte Vorteile<br />
für ihre Studierenden.<br />
Während es Musiker vor allem mit „Muggen“ schaffen, ihr Studium<br />
zu finanzieren, haben es die angehenden Tänzer und Schauspieler<br />
ungleich schwerer: Einerseits sind ihre Auftrittsmöglichkeiten<br />
auf dem freien Markt spärlicher gesät. Andererseits lassen die<br />
dichten Stundenpläne nicht viel Spielraum, um neben dem Studium<br />
Geld zu verdienen. „Viele wollen ja arbeiten, bekommen es aber<br />
zeitlich mit dem Studium nicht unter einen Hut“, erfährt Manfred<br />
Gerhardt in den Beratungsgesprächen öfter. Da kann es vorkommen,<br />
dass ein Studierender eine akute Finanzspritze aus dem<br />
„Nottopf“ der Hochschule in Anspruch nehmen muss. Dieser<br />
Nottopf speist sich aus verschiedenen Quellen, unter anderem aus<br />
Vermächtnissen, die zweckbestimmt zugunsten der Studierenden<br />
der <strong>HfMDK</strong> verfasst wurden.<br />
Im Gegenzug revanchieren sich die Betroffenen gern – zum<br />
Beispiel, indem sie in der Berufsberatung der Hochschule Schülern<br />
über ihre eigenen Studienerfahrungen berichten. Neben der<br />
Schwierigkeit, sich neben dem Studium ausreichend selbst zu<br />
finanzieren, sind es meist unvorhergesehene Ereignisse, bei denen<br />
die Hochschule finanziell einspringen muss: Es kann die<br />
Scheidung der Eltern, eine plötzliche Erkrankung oder ein notwendiger<br />
Instrumentenkauf sein, der Studierende vor die Frage stellt,<br />
wie sie im nächsten Monat ihre Miete bestreiten sollen. Neben<br />
solch eher schicksalhaften Ereignissen sind es aber auch falsche<br />
Vorstellungen, die ausländische Studierende zu einem Studium<br />
nach Deutschland locken. Mehr Aufklärung wünscht sich Albrecht<br />
Eitz darüber, dass das Leben in Deutschland – speziell in <strong>Frankfurt</strong><br />
– teuer ist. „Die Situation auf dem Stipendienmarkt ist für Musiker<br />
in Deutschland vergleichsweise bescheiden“, gibt er mit einem<br />
Blick auf die USA außerdem zu bedenken. Dort finde man – anders<br />
als in Deutschland – eine enge Verzahnung von Studium, Stipendien<br />
und den Möglichkeiten, innerhalb des Studiums Geld zu<br />
verdienen.
Um alle Fördermöglichkeiten auszuloten, die die Hochschule ihren<br />
Studierenden direkt oder mittelbar bieten kann, stehen Albrecht Eitz<br />
und Manfred Gerhardt in engem Austausch mit den Hochschul-<br />
Fundraiserinnen Beate Eichenberg und Heinke Poulsen. So werden<br />
Studierende in passende Stipendienprogramme von <strong>Frankfurt</strong>er<br />
oder überregional wirkenden Stiftungen vermittelt. Dazu baut die<br />
Hochschule selbst ein Stipendiensystem auf: Seit fünf Jahren<br />
unterstützt die Gesellschaft der Freunde und Förderer (GFF) begabte<br />
Studienanfänger mit einem einjährigen Starterstipendium und<br />
mildert so die hohen Lebenshaltungskosten in <strong>Frankfurt</strong>. Auslän-<br />
S T A T E M E N T<br />
Nina Koch schloss im letzten<br />
Jahr ihr Studium International<br />
Leisure Management mit dem<br />
Bachelor ab und studiert<br />
derzeit Theater- und Orchestermanagement<br />
(MA) im<br />
zweiten Fachsemester an der<br />
<strong>HfMDK</strong>. Nebenher ist sie beim<br />
Freien Schauspiel Ensemble<br />
im Titania tätig, ab April 2012<br />
HiWi in der <strong>HfMDK</strong>-Öffentlichkeitsarbeit<br />
bei Dr. Sylvia<br />
Dennerle.<br />
Welche Rolle spielt(e) Geld in<br />
Ihrem Studium?<br />
Ein relativ regelmäßiges<br />
Einkommen ist für mich seit<br />
Studienbeginn unverzichtbar.<br />
Ich bekomme zwar BAFöG-Unterstützung,<br />
aber das allein<br />
hat nie ganz ausgereicht. Aus<br />
diesem Grund arbeite ich<br />
neben dem Studium. Während<br />
der ersten sieben Semester<br />
habe ich hauptsächlich in der<br />
Gastronomie gearbeitet. Man<br />
kann in diesem Bereich,<br />
gerade durch das Trinkgeld und<br />
Sonderschichten, ziemlich<br />
gut verdienen und ist oft flexibel<br />
mit den Arbeitszeiten. Es hat<br />
mir immer viel Spaß gemacht,<br />
aber mit der Zeit wollte ich<br />
einen Nebenjob, der mehr mit<br />
meinem Beruf bzw. meiner<br />
Ausbildung zu tun hat. Zum<br />
einen kann ich dabei Praxiserfahrungen<br />
sammeln, zum<br />
anderen arbeite ich nun nicht<br />
mehr bis spät nachts.<br />
dische Studierende erhalten Beihilfen aus einem Matching Funds-<br />
Programm der GFF mit dem Deutschen Akademischen Austausch<br />
Dienst (DAAD). Anlässlich des des 50. Gründungstages der<br />
Tanzabteilung spendeten viele Förderer für die Tänzerinnen und<br />
Tänzer der Hochschule. Und einzelne Studierende erhalten, oft über<br />
mehrere Jahre, Stipendien von engagierten Privatleuten. Gerade<br />
mithilfe der Freunde und Förderer der <strong>HfMDK</strong> wird so vielen<br />
Studierenden schnell und unbürokratisch zur Seite gesprungen. bjh<br />
Wann und wie ist das Bewusstsein<br />
gewachsen, finanziell<br />
von dem leben zu müssen, was<br />
Sie künstlerisch oder pädagogisch<br />
tun?<br />
Ich habe schon während meiner<br />
Schulzeit ein wenig gejobbt.<br />
Das war ganz gut, weil ich so<br />
gelernt habe, mir mein eigenes<br />
Geld einzuteilen. Richtig<br />
bewusst, dass ich irgendwann<br />
einmal von meiner Arbeit<br />
leben muss, ist es mir dann vor<br />
zwei Jahren während meines<br />
Praxissemesters geworden.<br />
Plötzlich arbeitete ich voll,<br />
verdiente relativ wenig und<br />
hatte keine Zeit mehr, auf<br />
irgendeine andere Art und<br />
Weise Geld dazu zu verdienen.<br />
Ich bin mir jedoch sicher,<br />
dass ich von meinen späteren<br />
Einkünften ganz gut leben<br />
kann. Es ist mir vor allem<br />
wichtig, dass ich Freude an<br />
meiner Arbeit habe und jeden<br />
Tag gerne dort hingehe. Ich<br />
muss das vertreten können, was<br />
ich mache. Deshalb habe ich<br />
mich bei meiner Berufswahl<br />
nicht einschüchtern lassen und<br />
tue das auch heute nicht. Im<br />
Gegenteil: Es wird einfacher zu<br />
argumentieren.<br />
31<br />
Welche Kompromisse sind Sie<br />
bereit einzugehen, um sich<br />
existenziell abzusichern? Welche<br />
wären für Sie undenkbar?<br />
Das ist schwer zu sagen, wenn<br />
man nicht in der Situation<br />
steckt. Ich weiß, dass ich nicht<br />
meine acht Stunden am Tag<br />
in einem kleinen, stickigen Büro<br />
vor dem Computer absitzen<br />
und mich beispielsweise<br />
ausschließlich mit Buchungen<br />
oder Rechtsfragen beschäftigen<br />
möchte. Wenn es jedoch für<br />
einen gewissen Zeitraum<br />
notwendig ist, das zu tun, dann<br />
ist es halt so. Generell ist es<br />
ja nicht schlecht, wenn man<br />
sich auf diesen Gebieten<br />
auskennt. Dennoch ziehe ich es<br />
vor, mich mit abwechslungsreichen<br />
Aufgaben zu beschäftigen,<br />
mit unterschiedlichen<br />
Menschen zu arbeiten und mich<br />
auch kreativ einbringen zu<br />
können.
32 GELD und KUNST<br />
Der eigenen Zukunft auf der Spur<br />
Das Seminar „Career Development“ ermutigt Studierende<br />
und Absolventen zu solider Planung der eigenen finanziellen Existenz<br />
„Career Development“ hat sich an der <strong>HfMDK</strong> für Studierende zu<br />
einem stark genutzten Angebot entwickelt, um sich mit strategischen<br />
Überlegungen als Absolvent auf das Berufsleben nach dem<br />
Studium vorzubereiten – und dabei manche Illusion einem realistischen<br />
Blick auf die existenziellen Notwendigkeiten eines Künstlers<br />
auf dem Arbeitsmarkt zu opfern. Vor allem die Themenblöcke<br />
„Musik & Recht“ sowie „Musik & Geld“ offenbaren den Berufsanfängern,<br />
dass das finanzielle Dasein „von der Hand in den Mund“<br />
spätestens mit dem Examen ein Ende haben sollte.<br />
Wenn Kathrin Hauser-Schmolck und Axel Roggatz im Seminarraum<br />
die Kreide schwingen, um alle monatlichen Ausgaben eines<br />
solide wirtschaftenden freischaffenden Künstlers zu bilanzieren,<br />
dürfte so manch einem Studierenden schwindelig werden. Miete<br />
und Lebensmittel – klar kommt da einiges zusammen. Doch<br />
der ungeschönte Blick auf das zum Leben Notwendige ist damit<br />
noch längst nicht erschöpft: Beiträge für Krankenkasse, Rentenund<br />
Sozialversicherung, Abzüge durch Steuern, auf lange Sicht<br />
gerechnete Investitionen für Instrumente, Noten, Ballettschuhe,<br />
Konzertkleidung, eigene Homepage, Visitenkarten. Die Liste<br />
der möglichen Ausgaben scheint endlos. Und die Frage „wie kriege<br />
ich das hin?“ stellt sich den Seminarteilnehmern in diesem<br />
Augenblick so deutlich wie noch nie.<br />
„Indem wir den Studierenden vor Augen führen, was ein existenziell<br />
durchdachtes und langfristig funktionierendes Wirtschaften alles<br />
mit sich bringt, wollen wir niemandem Angst machen, sondern<br />
früh genug in den Köpfen der Absolventen entscheidende Weichen<br />
stellen“, erklärt Kathrin Hauser-Schmolck, die gemeinsam mit<br />
Dr. Axel Roggatz „Career Development“ im Auftrag der <strong>HfMDK</strong><br />
für deren Studierende unentgeltlich anbietet. „Wir wollen unsere<br />
Seminarteilnehmer in Workshops und Einzelberatungen dazu<br />
ermutigen, den Schritt vom studentischen Dasein hin zu einer<br />
soliden Existenz mit langfristigen Perspektiven konsequent und<br />
realistisch zu wagen“, erläutert Dr. Axel Roggatz den Sinn<br />
ihrer Arbeit. „Dazu gehört auch, dass sich die Studierenden schon<br />
heute eine Vorstellung davon machen, wie und als was sie in<br />
fünf Jahren leben möchten.“ Dabei gehe es nicht darum, einen<br />
minutiös zu verfolgenden Fünf-Jahres-Plan aufzustellen, sondern<br />
eine realistische Perspektive zu entwickeln, die der Angst vor<br />
existenzielle Ungewissheit eine Entschlossenheit zum soliden<br />
Planen entgegensetzt, um Raum für das künstlerische Arbeiten zu<br />
schaffen. Das Seminar möchte aber nicht nur Wissen um Notwendigkeiten,<br />
sondern auch um nutzbare Chancen fördern, die der<br />
Markt zu bieten hat: Welche Stipendien und Förderungen sind<br />
denkbar, welche Investitionen können steuersenkend geltend<br />
gemacht werden, welche Verhandlungsspielräume für Gagen und<br />
Honorare sind vorhanden, und nicht zuletzt: Welchen wirtschaftlichen<br />
Wert stellt meine Qualifikation dar, die ich mir im Studium<br />
erworben habe? „Career Development“ als Seminar an der <strong>HfMDK</strong><br />
ist also weit mehr als eine Informations- und Beratungsplattform:<br />
Mit der zusätzlichen Möglichkeit zu individuellen Gesprächen<br />
wachsen dort Überzeugungen, festigen sich Identitäten und reifen<br />
Entschlüsse, zu dem zu werden, was Persönlichkeit und künstlerische<br />
Neigung wahrhaft ermöglichen. bjh<br />
Nächste Termine:<br />
Workshop Musik & Geld | Musik & Recht<br />
20. April, 9.45 bis 13.45 Uhr<br />
Individualberatung nach Vereinbarung<br />
20. April, 21. April, 1. Juni, 2. Juni<br />
Im Studienjahr 2012/13 wird das Angebot fortgesetzt.<br />
Nähere Information in der Abteilung Studium und Lehre<br />
der <strong>HfMDK</strong> oder bei Kathrin Hauser-Schmolck unter<br />
khs@kulturundprojekte.com.<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1
Fragen an<br />
Christoph Klüh<br />
Christoph Klüh ist Oberstudienrat für Musik und ev. Religion<br />
an der Liebigschule <strong>Frankfurt</strong>. Er studierte bis 1999 Schulmusik<br />
an der <strong>HfMDK</strong> und bekleidete dort zeitweise einen Lehrauftrag<br />
für schulpraktische Studien.<br />
Wie sehr hat die finanzielle Motivation die Wahl Ihres Berufs und<br />
Berufsstandes beeinflusst?<br />
Die finanzielle Motivation hat meine Berufswahl sekundär beeinflusst.<br />
Ich wollte ein sicheres Gehalt haben, mit dem man ruhig<br />
schlafen und eine Familie ernähren kann. Meinen Berufsstand<br />
habe ich in dem Sinne nicht „gewählt“, denn Lehrer an Gymnasien<br />
sind nun mal verbeamtet. Das ist eine Sicherheit, die in der<br />
heutigen Zeit einerseits zwar schon extrem beruhigend ist. Allerdings<br />
habe ich auch noch ein „zweites Standbein“ als Freiberufler,<br />
und ohne das könnte ich es mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen.<br />
Worin liegen aus Ihrer Sicht die Reize, Chancen, aber auch Gefahren<br />
in der Art Ihrer beruflichen Existenz?<br />
Mit einer Lebzeitverbeamtung in der Tasche schläft es sich extrem<br />
ruhig. Wer etwas anderes behauptet, lügt. Wenn ich mal eine<br />
Woche krank bin, dann bin ich es eben und kann mir den „Luxus“<br />
leisten, nicht mit 39 Grad Fieber spielen zu müssen, weil ich sonst<br />
meine laufenden Kosten nicht decken könnte. Wenn ich nicht<br />
etwas ganz Dummes tue, kann niemand ohne weiteres meine Stelle<br />
„abbauen“.<br />
Diese enorme Sicherheit bezahlt man an anderer Stelle. Sicherheit<br />
und recht gute Bezahlung sind die eine Seite, inhaltliche Befriedigung<br />
und persönliche Weiterentwicklung die andere. Vor allem<br />
letztere findet, sofern man „nur“ seinen Job macht und keinen<br />
Horizont außerhalb dessen sucht, vor allem als Musiker, kaum statt!<br />
Passt man nicht gut auf, entsteht schnell eine erschreckende<br />
„Betriebsblindheit“ und ein lethargisches Sich-Arrangieren mit den<br />
Gegebenheiten. Man neigt dazu, bequem zu werden. Aufstiegschancen<br />
und Entwicklungsperspektiven sind kaum gegeben. Auch<br />
räumliche Mobilität, also im Grunde alles das, was heute allerorts<br />
geradezu gefordert wird, ist hier nur sehr eingeschränkt gegeben.<br />
33<br />
Könnten Sie sich aus heutiger Sicht einen anderen Status vorstellen,<br />
wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?<br />
Ja, das könnte ich mir absolut vorstellen. Ich habe von Anfang an<br />
parallel zu meiner Festbeschäftigung musikalisch auch als Freiberufler<br />
gearbeitet. Dies ist mir extrem wichtig, und ich werde in<br />
Zukunft auch versuchen, dies weiter auszubauen. Eine Kombination<br />
von beidem, zum Beispiel auf der Grundlage einer reduzierten<br />
Stelle, könnte ich mir deshalb ideal vorstellen. Voraussetzung wäre<br />
für mich allerdings, dass sich das finanziell halbwegs rechnet.<br />
Der allgemeine öffentliche Stellenwert von Musik hat sich in den<br />
letzten Jahren drastisch verändert. Wir müssen wieder weg von der<br />
„Geiz ist geil, alles für lau mitnehmen, Flatrate“-Mentalität.<br />
Musikhaus<br />
Werner Cleve<br />
Große Auswahl<br />
an Noten und Musikbüchern<br />
Reichhaltiges Sortiment an<br />
Blockflöten<br />
Musikinstrumente und Zubehör<br />
Auf Wunsch Versand<br />
Walter-Kolb-Straße 14<br />
(Ecke Schulstraße)<br />
60594 <strong>Frankfurt</strong> am Main<br />
Telefon 069 612298<br />
Telefax 069 627405<br />
E-Mail musikhaus-cleve@gmx.de<br />
Öffnungszeiten<br />
Montag bis Freitag<br />
8 bis 12.30 Uhr und<br />
14 bis 17.30 Uhr<br />
Samstag von 8.30<br />
bis 11.30 Uhr
34<br />
Ceterum censeo…<br />
Von Carola Schlüter, Lehrbeauftragte Gesang, Sprecherin der<br />
<strong>HfMDK</strong>-Lehrbeauftragten und Sprecherin der Bundeskonferenz der<br />
Lehrbeauftragten an Musikhochschulen<br />
Gibt es einen größeren Luxus als den, einen Beruf auszuüben,<br />
den man liebt? Selbstverwirklichung, Leidenschaft, Bestätigung,<br />
Rampenlicht, Gestaltungsfreiheit, Unabhängigkeit, Kreativität…<br />
Unweigerlich bilden sich schon früh gewisse hilfreiche Charakterei-<br />
genschaften heraus: Disziplin, Kritikvermögen, Selbstkontrolle,<br />
Geduld, Frustrationstoleranz. Wer das überlebt, hat gewonnen.<br />
Die Persönlichkeit jedenfalls. Manche schaffen es, hoch oder ganz<br />
hoch hinaus zu kommen. Manche aber nicht. So viele hervorra-<br />
gende Musiker braucht man nicht. Unschätzbar diese Freiheit,<br />
die sich daraus ergibt: nur spielen/singen, was einen interessiert.<br />
Sich spezialisieren, frei sein in der Wahl der Stile, Richtungen,<br />
Epochen, Partner. Muss man für dieses einzigartige Glück noch<br />
bezahlt werden?<br />
Besuchen wir ein Jazzkonzert: kleiner Keller, lockere Stimmung,<br />
lachende Musiker. Andere zahlen für solche Selbsterfahrungsses-<br />
sions. Und die Musiker bekommen ja unseren Eintritt. Als Gage.<br />
Elisabeth hat zusammen mit ihrer Flötistin einen Auftritt im<br />
Luxushotel, drei Stunden Programm, Pop-Standards, auch eigene<br />
Stücke sind dabei. Sie begleitet sich selbst auf dem Klavier.<br />
Zusammen erhalten sie 180 Euro. Kein Witz.<br />
Unsere Hochzeit soll feierlich sein, vielleicht mit Musik? 100 Menus<br />
und einmal Musik. Kann auch nicht mehr kosten als das Menu.<br />
Neue Musik, das Ensemble führt eine eigene Konzertreihe durch.<br />
Die bereichert das kulturelle Leben der Region, bietet die Gelegen-<br />
heit, unbekannte Stücke zu hören. Das Ensemble sorgt selbst<br />
(„Ehrenamt“) für Finanzierung, Management, künstlerisches Profil.<br />
Konzert-Honorar 350 Euro pro Person. Fahrtkosten inklusive.<br />
Lebensstandard? Zum Beispiel im Alter? Die Freude an der Musik<br />
wiegt alles auf. Die bleibt ja, auch wenn man sich sonst nichts<br />
leisten kann.<br />
Ich lerne ein Instrument, macht Spaß, ist mein Hobby. Mein Lehrer<br />
ist nett, ich habe ihn schon mal im Konzert gehört, cool! Keine<br />
Ahnung, ob er an der Musikschule fest angestellt ist, er hat immer<br />
gute Laune. Ich habe gehört, dass in Hessen extrem viele<br />
Musikschullehrer keine feste Stelle haben. Das kann bei meinem<br />
nicht sein, der kann echt was!<br />
Was nichts kostet, ist nichts.<br />
An der Musikhochschule studierte er bei Sigune Henrich. –<br />
Nein, nicht Prof. Henrich. Sie ist Lehrbeauftragte. – Ja, man kennt<br />
sie. Trotzdem. Wie, so ein Unterschied in der Bezahlung? Für die<br />
gleiche Arbeit? – Krass…<br />
ceterum censeo – Qualität ist anständig zu bezahlen!<br />
Fragen an<br />
Despina Apostolou<br />
Despina Apostolou ist freischaffende Pianistin, Klavierlehrerin<br />
und Absolventin des Studienganges Instrumentalund<br />
Gesangspädagogik an der <strong>HfMDK</strong> im Jahr 2006. Vorher<br />
absolvierte sie ein Studium der Künstlerischen Ausbildung<br />
im Fach Klavier mit Bachelor- und Masterabschlüssen an der<br />
Staatlichen Musik Akademie in Sofia (Bulgarien).<br />
Wie sehr hat die finanzielle Motivation die Wahl Ihres Berufs und<br />
Berufsstandes beeinflusst?<br />
In meiner Situation hat die finanzielle Sicherheit überhaupt keine<br />
Rolle gespielt. Ich dachte, ich kriege es irgendwie hin.<br />
Worin liegen aus Ihrer Sicht die Reize, Chancen, aber auch Gefahren<br />
in der Art Ihrer beruflichen Existenz?<br />
Im Laufe der Zeit hab ich festgestellt, dass der Stand der Freischaffenden<br />
für mich ideal ist, weil er Wachsamkeit und immer wieder<br />
neue Umstellungskraft verlangt und Entwicklungsmöglichkeiten<br />
sowie eine Mischung aus sehr interessanten Projekten bietet.<br />
Mit viel Arbeit und Geduld bietet sich so die Chance, sich selber<br />
jene Projekte auszusuchen und zu gestalten, die einem am<br />
meisten zusagen. Eine Gefahr habe ich in den Phasen des beruflichen<br />
Ausbaus und der beruflichen Vorbereitung direkt nach<br />
dem Studium gesehen: Einerseits arbeitet man noch stark an sich<br />
selbst, andererseits öffnet sich parallel dazu die Welt, und<br />
man kann nicht genau erkennen, wohin alles führt. Gefährlich ist<br />
es, darüber die eigene Vision zu verlieren.<br />
Könnten Sie sich aus heutiger Sicht einen anderen Status vorstellen,<br />
wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?<br />
Eine feste Anstellung würde für mich nur dann in Frage kommen,<br />
wenn sie mir zeitlich Freiheiten für meine Projekte erlauben würde.
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
„<strong>Frankfurt</strong>er Resolution“<br />
Im Januar 2011 fand an der <strong>HfMDK</strong> die Bundeskonferenz der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen statt. Dabei<br />
entstand die „<strong>Frankfurt</strong>er Resolution“ die bessere Arbeits- und Tarifbedingungen für Lehrbauftragte fordert und die<br />
nachfolgend abgedruckt ist<br />
Präambel<br />
Lehraufträge an deutschen<br />
Musikhochschulen sollten<br />
ursprünglich der Ergänzung des<br />
Lehrangebots dienen. Die<br />
Realität sieht jedoch anders<br />
aus: Weit über die Hälfte des<br />
Unterrichts wird – bereits seit<br />
Jahren – von Lehrbeauftragten<br />
erteilt, so dass nur noch<br />
von einer Sicherstellung des<br />
Lehrangebots durch Lehrauf-<br />
träge gesprochen werden kann.<br />
Diese nebenamtlichen Hoch-<br />
schullehrer verdienen nur einen<br />
Bruchteil ihrer fest angestellten<br />
Kollegen und sind arbeitsrecht-<br />
lich in keiner Weise abgesichert.<br />
Zahlreiche Gespräche mit<br />
verantwortlichen Politikern und<br />
den Hochschulleitungen über<br />
Veränderungen der unhaltbaren<br />
Situation der Lehrbeauftragten<br />
haben zu keinem befriedi-<br />
genden Ergebnis geführt.<br />
Um den dringend notwendigen<br />
bundesweiten Diskussions-<br />
prozess in Gang zu setzen,<br />
haben die Lehrbeauftragtenver-<br />
treter aller deutschen Musik-<br />
hochschulen auf ihrer ersten<br />
Bundeskonferenz die „Frankfur-<br />
ter Resolution“ verabschiedet.<br />
1. Die Fakten<br />
Lehrbeauftragte<br />
• leisten in der Regel die<br />
gleiche Arbeit wie fest<br />
angestellte Lehrende<br />
• tragen die gleiche Verantwortung<br />
für ihre Studierenden<br />
• stellen einen großen, oft<br />
entscheidenden Anteil des<br />
Unterrichtsangebots sicher<br />
(bis über 60 Prozent der Lehre)<br />
• erhalten ca. ein Drittel des<br />
Stundensatzes ihrer fest<br />
angestellten Kollegen<br />
• erhalten keine Tarifsteigerungen<br />
wie im öffentlichen<br />
Dienst üblich. Ihre Honorare<br />
liegen an den meisten<br />
Hochschulen auf dem Niveau<br />
der 70er/80er Jahre.<br />
Lehraufträge<br />
• können zu jedem Semester<br />
fristlos und ohne Angabe von<br />
Gründen beendet werden.<br />
Lehrbeauftragte<br />
• erhalten keine Honorarfortzahlung<br />
im Krankheitsfall<br />
• sind weder am Arbeitsplatz<br />
noch auf dem Weg dorthin<br />
unfallversichert<br />
• genießen keinen Mutterschutz<br />
• müssen an manchen Hochschulen<br />
Beiträge zur Arbeitslosenversicherung<br />
zahlen,<br />
ohne jemals deren Leistungen<br />
in Anspruch nehmen zu<br />
können<br />
• erhalten weder Weihnachtsnoch<br />
Urlaubsgeld<br />
• haben keine Planungssicherheit<br />
in Hinsicht auf die Höhe<br />
ihres Deputats<br />
• sind in einigen Bundesländern<br />
nicht angemessen (mit<br />
Stimmrecht) in den Hochschulgremien<br />
vertreten<br />
• sind in vielen Bundesländern<br />
nur Angehörige, nicht<br />
Mitglieder der Hochschule und<br />
haben damit weniger Rechte.<br />
Die Struktur der Lehraufträge<br />
• gefährdet die Qualität und<br />
Kontinuität der Lehre an den<br />
Musikhochschulen<br />
• verschuldet den Rückzug hoch<br />
qualifizierter Musiker und<br />
Wissenschaftler aus der Lehre.<br />
GELD und KUNST<br />
2. Die Forderungen<br />
Lehrbeauftragte fordern<br />
• feste Anstellungsverträge für<br />
alle, die den Kernbereich der<br />
Lehre abdecken, vergleichbare<br />
Aufgaben wie hauptamtliche<br />
Dozenten wahrnehmen, seit<br />
Jahren an der Hochschule<br />
unterrichten und eine hohe<br />
Lehrverpflichtung haben<br />
• vergleichbare Honorarsätze<br />
für Lehraufträge, die weiterhin<br />
zur flexiblen Handhabung des<br />
Lehrangebots erforderlich<br />
sind.<br />
Lehrbeauftragte fordern eine<br />
• sofortige deutliche Erhöhung<br />
der Bezüge als Ausgleich für<br />
die fehlenden Tariferhöhungen<br />
der letzten Jahrzehnte<br />
• Anpassung an die Tarifsteigerungen<br />
des öffentlichen<br />
Dienstes<br />
• gesetzlich verankerte Vertretung<br />
in den Hochschulgremien<br />
• Anerkennung der Lehrbeauftragten<br />
als Mitglieder der<br />
Hochschule.<br />
• vorrangige Berücksichtigung<br />
von Lehrbeauftragten bei der<br />
Besetzung von Mittelbaustellen.<br />
Wir Lehrbeauftragte fordern<br />
von den Verantwortlichen<br />
in der Politik, die notwendigen<br />
finanziellen Mittel für die<br />
Musikhochschulen zur Verfügung<br />
zu stellen. Wir appellieren<br />
an die Hochschulleitungen,<br />
unsere Forderungen nicht nur<br />
zu unterstützen, sondern<br />
gemeinsam mit uns gegenüber<br />
der Politik geltend zu machen.<br />
3. Die Sprecher/innen<br />
Die Bundeskonferenz der<br />
Lehrbeauftragten an Musikhochschulen<br />
(BKLM) hat<br />
folgende Sprecher/innen<br />
gewählt:<br />
Prof. Karola Theill (aktuell)<br />
HfM Hanns Eisler Berlin<br />
und HMT Rostock<br />
Evelyn Wentz (bis November<br />
2011)<br />
<strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Main<br />
Prof. Friedemann Immer<br />
HfMT Köln<br />
Vertreter/innen:<br />
Ulrike Höfer<br />
HfM Freiburg/Breisgau<br />
Carola Schlüter<br />
<strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Main<br />
Sebastian Plate<br />
HfMT Köln<br />
Eckhart Hermann<br />
HfMT München<br />
Edith Salmen<br />
HMT Rostock<br />
Sprecher@bklm.org<br />
www.bklm.org<br />
35<br />
Bei der Durchsetzung der<br />
genannten Ziele arbeiten die<br />
Lehrbeauftragten mit folgenden<br />
Organisationen und<br />
Gewerkschaften zusammen:<br />
Deutscher Musikrat,<br />
Deutscher Tonkünstlerverband<br />
(DTKV), Deutsche Orchestervereinigung<br />
(DOV),<br />
Gewerkschaft Erziehung und<br />
Wissenschaft (GEW)
36 GELD und KUNST<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
Klage nicht – kämpfe!<br />
Was tut sich um die <strong>Frankfurt</strong>er Resolution?<br />
<strong>Frankfurt</strong> am Main<br />
Es laufen Gespräche zwischen Lehrbeauftragten-Vertreterinnen und<br />
Landtagsabgeordneten aller Parteien. Alle Gesprächspartner sehen<br />
einen Handlungsbedarf (die einmalige Erhöhung der Lehrbeauftragten-Honorare<br />
um 3 Prozent innerhalb von 30 Jahren bedarf<br />
keines weiteren Kommentars) und nehmen „Hausaufgaben“ mit.<br />
Kassel<br />
Eine Absenkung (!) der Lehrbeauftragten-Honorare konnte mit<br />
Hilfe der <strong>Frankfurt</strong>er Resolution verhindert werden. Hierfür werden<br />
QSL-Mittel zur Verfügung gestellt.<br />
Sachsen<br />
Das Ministerium/Referat Kunsthochschulen hat für die Verhandlungen<br />
zum nächsten sächsischen Doppelhaushalt 2013/14<br />
einen höheren Bedarf für den Topf „Lehrbeauftragte“ angemeldet.<br />
Dresden<br />
Lehrbeauftragte, die seit zwei Jahren mindestens fünf Semesterwochenstunden<br />
unterrichten, können per Antrag an den Fakultätsrat<br />
Mitglieder der Hochschule werden.<br />
Berlin, Hochschule für Musik „Hanns Eisler“<br />
Für die Kollegen des Fachbereichs „Theorie“ wurde die Bezahlung<br />
der Beaufsichtigungszeiten bei Klausuren/Prüfungen durchgesetzt.<br />
Berlin, Universität der Künste<br />
Zusage der Universitätsleitung über eine Erhöhung der Entgelte ab<br />
SS 2012 in der untersten Stufe um 5 Prozent und in der mittleren<br />
um 4 Prozent (die höchste Stufe bleibt zunächst unverändert). Eine<br />
Erhöhung der Prüfungsgelder sowie die Zahlung von Entgelten für<br />
die Mitarbeit in akademischen Gremien werden derzeit ebenso geprüft<br />
wie die Vergabe von Lehraufträgen über zwei Semester sowie<br />
Maßnahmen, die die Wertschätzung für die Arbeit der Lehrbeauftragten<br />
zum Ausdruck bringen.<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Es gibt eine ministerielle Zusage über eine deutliche Erhöhung<br />
der Vergütungen und jährliche statt wie bisher halbjährliche<br />
Lehraufträge. Durch die anstehenden Neuwahlen der Landesregie-<br />
rung verzögert sich jedoch die endgültige Entscheidung<br />
Baden-Württemberg<br />
Man ist im Gespräch mit allen Fraktionen; der Wissenschaftsaus-<br />
schuss des Landtages behandelt das Thema. Anhörungen wurden<br />
in Aussicht gestellt.<br />
Bayern<br />
Es wird versucht, die Institute zu einem gemeinsamen Vorgehen zu<br />
bewegen, der Kontakt der drei Hochschulen untereinander ist<br />
angebahnt, ebenso ein Treffen zwischen Lehrbeauftragten-Vertre-<br />
tern und Kanzlern und dem Vorsitzenden des Hochschulaus-<br />
schusses im Bayerischen Landtag.<br />
Nürnberg<br />
Honorar-Fortzahlung im Krankheitsfall bis zu zwei Wochen!<br />
Lehrbeauftragte, die z. B. seit längerem an der Hochschule unter-<br />
richten, können mit der Hochschulleitung in Verhandlungen über<br />
den Vergütungssatz treten (eine Art „Lohnerhöhung“). Die Korrektur<br />
von wissenschaftlichen Arbeiten wird mit 120 Euro, als Zweitgut-<br />
achter mit 60 Euro vergütet und damit quasi verdoppelt.<br />
Bund<br />
Die Regierungskoalition im Ausschuss für Kultur und Medien des<br />
Deutschen Bundestages lehnt den Antrag von Bündnis 90/Die<br />
Grünen „Prekäre Situation von Lehrbeauftragten an Musikhoch-<br />
schulen sowie Hochschulen für Musik und Theater beenden“ ab.<br />
Die Grünen fordern „ein KMK-Expertengremium, das sich unter<br />
Beteiligung aller relevanten Akteure den Problemen stellt und die<br />
Forderungen in die Praxis umsetzt“.<br />
Carola Schlüter/bklm<br />
ausführliche Informationen unter www.bklm.org<br />
Die Vergütung von Lehraufträgen – im Bild der<br />
<strong>HfMDK</strong>-Lehrbeauftragte Gerald Ssebudde beim<br />
Infotag für Schulmusik-Studierende – gehört zu<br />
den wichtigen Themen der „<strong>Frankfurt</strong>er Resolution“.
Fragen an<br />
Paula Rosolen<br />
Paula Rosolen hat bis 2007 an der <strong>HfMDK</strong> Zeitgenössischen<br />
und Klassischen Tanz studiert sowie im Jahr 2010 den Masterabschluss<br />
im Studiengang Choreographie & Performance<br />
gemacht. Jetzt ist sie überwiegend freischaffend tätig.<br />
Wie sehr hat die finanzielle Motivation die Wahl Ihres Berufs und<br />
Ihres Berufsstandes beeinflusst?<br />
Ich habe während meines gesamten Studiums immer gearbeitet,<br />
immer in unterschiedlichen Jobs, meistens jedoch als Lehrerin oder<br />
Assistentin. Nach meinem Studium begann ich die Suche nach<br />
Arbeitsmöglichkeiten, die mir das teurere Leben nach „Nicht<br />
mehr-Studentin“ ermöglichten. Auf meiner Suche stieß ich auf<br />
mehrere Jobs einschließlich Tanz und Choreographie. Der Gedanke,<br />
über eine Audition eine Möglichkeit für eine Arbeitsstelle zu<br />
bekommen, überzeugte mich ganz und gar nicht. Auf der Suche<br />
nach Möglichkeiten zu tun, was ich wirklich wollte und was mein<br />
Vorhaben unterstützte, begann ich, mich als ein „Freelancer“ zu<br />
definieren. Es brauchte ein ganzes Jahr, bis ich die Arbeitserlaubnis<br />
hatte, als ein solcher zu arbeiten. Einerseits wurde ich gebeten<br />
darzustellen, wie viele Jobs und Berufserfahrung ich hatte,<br />
andererseits wurde mir zunächst nicht erlaubt zu arbeiten. Das war<br />
ein Widerspruch in sich, wo es zugleich mehrere Grauzonen gibt.<br />
Worin liegen aus Ihrer Sicht die Reize, Chancen, aber auch Gefahren<br />
in der Art Ihrer beruflichen Existenz?<br />
Um dies zu erklären, betrachte ich einfach die Situation der letzten<br />
Wochen: Vom 29. Februar bis zum 3. März war ich mit der Premiere<br />
meines neuen Stückes „Libretto“ beim K3_Tanzplan Hamburg<br />
beschäftigt; am 9. März begannen meine Proben für „Die Geschichte<br />
vom Soldaten“ an der <strong>Frankfurt</strong>er Oper mit drei Aufführungen im<br />
März. Zugleich hatte ich am 11. März Wiederaufnahme meines<br />
Stückes „Die Farce der Suche“ – ein Solo von und über Renate<br />
Schottelius, und zwar im Rahmen der 3. Biennale Tanzausbildung.<br />
Nach diesem bewegten Monat muss ich schauen, was zu tun ist,<br />
was klappen könnte oder auch nicht, ich könnte nach Argentinien<br />
reisen oder auch nicht – ich werde sehen. Kurzum: Der eine Monat<br />
kann arbeitsmäßig völlig überfrachtet sein, der nächste frei<br />
gestaltbar. Es ist abwechslungsreich, aber es erfordert auch eine<br />
Menge Geduld und Arbeit, um Dinge gangbar zu machen. Disziplinierte<br />
Selbstorganisation erfordert dieses Arbeiten sowieso.<br />
Könnten Sie sich aus heutiger Sicht einen anderen Status vorstellen,<br />
wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?<br />
Ja, könnte ich mir, und zwar unter den Bedingungen, dass ich ein<br />
Gehalt bekomme, das es rechtfertigt, nicht flexibel, sondern<br />
gebunden zu sein und damit Dinge nicht tun zu können, die<br />
vielleicht netter, schlechter, besser, interessanter, uninteressanter,<br />
auf jeden Fall aber anders sind. Gerade im Moment balanciere ich<br />
beide Seiten aus, weil ich zurzeit in einem Zwischenstatus von<br />
„Freelancer“ und „festangestellter Gast“ arbeite.<br />
Helmut Oesterreich ist Lehrbeauftragter für Gitarre an der<br />
<strong>HfMDK</strong>.<br />
37<br />
Fragen an<br />
Helmut Oesterreich<br />
Wie sehr hat die finanzielle Motivation die Wahl Ihres Berufs und<br />
Ihres Berufsstandes beeinflusst?<br />
Überhaupt nicht. Ich wollte von Anfang an in erster Linie Gitarrenlehrer<br />
werden und war der Ansicht, dass eine finanzielle Existenzgrundlage<br />
auf bescheidener Basis damit durchaus zu bewerkstelligen<br />
sei. Im Studium selbst dann war meine Motivation eher die<br />
auf meinem Instrument, der klassischen Gitarre, möglichst weit<br />
zu kommen. Unterrichtstätigkeit bereits während des Studiums<br />
ermöglichte mir in finanzieller Hinsicht ein relativ entspanntes<br />
Studentenleben. Allerdings vermute ich, dass das heute schwieriger<br />
ist als zu meiner Zeit vor etwa 30 Jahren.<br />
Worin liegen aus Ihrer Sicht die Reize, Chancen, aber auch Gefahren<br />
in der Art Ihrer beruflichen Existenz?<br />
Reize und Chancen des Musiker- und Instrumentallehrerberufes<br />
liegen für mich in den zahlreichen möglichen Betätigungsfeldern.<br />
Unterrichten auf unterschiedlichstem Niveau in der Musikschule,<br />
mit fortgeschrittenen Schülern, mit Gruppen, mit Erwachsenen und<br />
Studenten verlangen ein hohes Maß an Flexibilität und kreativem<br />
Handlungspotenzial. Hinzu kommen, wenn man davon absieht,<br />
ein internationaler Bühnenstar sein zu wollen, viele Möglichkeiten<br />
der künstlerisch-musikalischen Betätigung, Kammermusik, Solokonzerte,<br />
Anfragen, in Orchestern als Gastmusiker mitzuwirken,<br />
Leitung von Ensembles (für Gitarristen durchaus sehr interessant),<br />
Tonaufnahmen, Publikationen. Sicher erfordert das ein ständig<br />
anhaltendes Engagement. Risiko besonders im Instrumentallehrerberuf<br />
ist es, wenn man in Routine erstarrt. Das beginnt bereits,<br />
wenn man die Erwartung hat, feste „familienfreundliche“ Arbeitszeiten<br />
zu haben. Damit wird meiner Erfahrung nach ein Grundstein<br />
für Frust, Unzufriedenheit und Burnout gelegt. Paradoxerweise<br />
scheint man dem gerade dadurch zu entkommen, indem man aktiv<br />
und flexibel bleibt. Allerdings sind die Verdienstmöglichkeiten für<br />
Berufsanfänger, die dem traditionellen Gedanken nachhängen, von<br />
ihrem Einkommen eine Familie ernähren zu können, nicht gegeben.<br />
Für die Existenzsicherung einer Familie mit Auto, Wohnungsmiete,<br />
Lebenserhaltungskosten etc. ist es sicher erforderlich, dass beide<br />
Partner erwerbstätig sind – es sei denn, einer von beiden arbeitet in<br />
einem anderen Beruf mit hohem Einkommen.<br />
Könnten Sie sich aus heutiger Sicht einen anderen Status vorstellen,<br />
wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?<br />
Das entfällt für meine Person, da ich sowohl eine Festanstellung<br />
(zwei halbe Stellen an verschiedenen Instituten) habe als auch<br />
freischaffend bin (Lehrauftrag an der <strong>HfMDK</strong>, Wochenendaktivitäten<br />
als Ensembledirigent und Kammermusiker). Ich genieße diesen<br />
„gemischten“ Status, denn – wie oben erwähnt – ermöglicht mir<br />
das ein sehr abwechslungsreiches Berufsleben, in dem ich<br />
ein sehr hohes Maß an Freiheiten der Arbeitszeiteinteilung und der<br />
inhaltlichen Gestaltung meiner Arbeit in Eigenverantwortung<br />
besitze.
Foto: Delphine Roche<br />
38 GELD und KUNST<br />
S T A T E M E N T<br />
Andreas Voss ist Cellist, war<br />
2007/2008 Studierender<br />
der Internationalen Ensemble<br />
Modern Akademie (IEMA).<br />
Zurzeit studiert er Historische<br />
Interpretationpraxis (HIP)<br />
an der <strong>HfMDK</strong> und arbeitet<br />
freiberuflich.<br />
Welche Rolle spielt(e) Geld in<br />
Ihrem Studium?<br />
Ich hatte immer das Gefühl,<br />
dass wir als Musiker privilegiert<br />
sind, weil wir sehr früh mit dem,<br />
was wir studieren, Geld verdienen<br />
können. Ich bin immer<br />
irgendwie über die Runden<br />
gekommen. Glück war dabei<br />
eine gewisse Anspruchslosig-<br />
keit. Mir haben auch meine<br />
Eltern geholfen und das evan-<br />
gelische Studienwerk Villigst.<br />
Wann und wie ist das Bewusst-<br />
sein gewachsen, finanziell von<br />
dem leben zu müssen, was Sie<br />
künstlerisch oder pädagogisch<br />
tun?<br />
Wenn der Studentenbonus<br />
wegfällt (z. B. bei der Krankenkasse)<br />
gibt es plötzlich den<br />
Moment, wo die Fixkosten<br />
steigen: Künstlersozialkasse,<br />
Steuern, Versicherungen etc.<br />
– das ist schwieriger als im<br />
Studium. Das Selbständig-Sein<br />
empfinde ich hauptsächlich<br />
als inspirierend. Viel Abwechslung,<br />
spannende Menschen<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
und Orte. Negativ: Unsicherheit<br />
auf der Einnahmenseite und<br />
eine gewisse Rastlosigkeit.<br />
Welche Kompromisse sind Sie<br />
bereit einzugehen, um sich<br />
existenziell abzusichern? Welche<br />
wären für Sie undenkbar?<br />
Generell steigt die Flexibilität<br />
mit der finanziellen Notwendigkeit.<br />
Und ich bin nicht besonders<br />
zimperlich (kalte Kirchen,<br />
Hintergrundmusik, Open Air...).<br />
Immer wichtiger wird mir, zu<br />
lernen, auch aus privaten<br />
Gründen etwas abzusagen,<br />
um nicht aus Angst um den<br />
finanziellen Engpass das restliche<br />
Leben auszutrocknen.<br />
Grundversorgung
Fragen an<br />
Claude Frochaux<br />
Claude Frochaux hat Violoncello mit Diplom und Konzertexamen<br />
an der <strong>HfMDK</strong> abgeschlossen und arbeitet jetzt als freischaffender<br />
Musiker. Mit seinem Klaviertrio „Trio Monte“ hat<br />
er an der Folkwang Hochschule Kammermusik studiert und<br />
belegt derzeit mit ihm an der „Reina Sofia Madrid“ ein weiteres<br />
Master-Studium.<br />
Wie sehr hat die finanzielle Motivation die Wahl Ihres Berufs und<br />
Berufsstandes beeinflusst?<br />
Mir war immer klar, dass ich finanziell irgendwie über die Runden<br />
kommen würde, auch ohne festes Einkommen. Neben meiner<br />
Arbeit mit dem „Trio Monte“ widme ich mich gern spannenden und<br />
ungewöhnlichen Projekten. Ich liebe die Kammermusik und mag die<br />
Idee, für verschiedenste Sachen offen zu sein. Ich arbeite auch als<br />
Aushilfe für Orchester wie die „Bamberger Sinfoniker“; die Tür für<br />
eine feste Stelle in einem Orchester habe ich für mich noch nicht<br />
für immer verschlossen. Auf der Suche nach alternativen Wegen<br />
bin ich darauf angewiesen, immer die Augen aufzuhalten, weil ich<br />
nicht erwarten kann, dass etwas vom Himmel fällt – diese Haltung<br />
reizt mich. Außerdem kommen so mehr neue Kontakte zustande.<br />
Fragen an<br />
Fabian Sennholz<br />
Fabian Sennholz ist Lehrbeauftragter für Improvisierte Liedbegleitung,<br />
Arrangieren und Ensemblearbeit an der <strong>HfMDK</strong>, Pianist<br />
bei Tim Bendzko und anderweitig freischaffend tätig.<br />
Wie sehr hat die finanzielle Motivation die Wahl Ihres Berufs und<br />
Ihres Berufsstandes beeinflusst?<br />
Die Frage nach finanzieller Sicherheit hat die Wahl meines<br />
Berufsstandes eigentlich nur insofern beeinflusst, dass ich diesen<br />
Berufsstand nur deshalb wählen konnte, weil ich neben dem<br />
Lehrauftrag an der <strong>HfMDK</strong> als Selbständiger noch etliche andere<br />
Einkünfte habe. Andernfalls könnte ich mich nicht finanzieren.<br />
Ich könnte mir nicht vorstellen, freischaffend tätig zu sein und dabei<br />
meine Familie und mich nicht ernähren zu können.<br />
Worin liegen aus Ihrer Sicht die Reize, Chancen, aber auch Gefahren<br />
in der Art Ihrer beruflichen Existenz?<br />
Worin liegen aus Ihrer Sicht die Reize, Chancen, aber auch Gefahren<br />
in der Art Ihrer beruflichen Existenz?<br />
Ich bin mir darüber im Klaren, dass ein gebrochener Arm bedeutet,<br />
unter Umständen eine Zeit lang kein Geld zu verdienen. Es gibt<br />
auch Monate, in denen man weniger verdient, als es gut ist.<br />
Dauerhaft muss man sich der Gefahr stellen, dass der persönliche<br />
Enthusiasmus am freischaffenden Dasein schwächer wird und<br />
mit zunehmendem Alter die Energien dafür weniger werden. Auch<br />
das Privatleben könnte unter der ständigen Geschäftigkeit leiden.<br />
Aber die Chancen überwiegen für mich: In diesem Jahr erfülle<br />
ich mir beispielsweise den Traum, ein eigenes Kammermusik-Festival<br />
auf Sylt gemeinsam mit meinem Trio auf die Beine zu stellen.<br />
Könnten Sie sich aus heutiger Sicht einen anderen Status vorstellen,<br />
wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?<br />
Wenn ich eine Orchesterstelle hätte, wäre ich wahrscheinlich<br />
nicht unglücklich und würde einige Vorteile genießen. Allerdings<br />
würde ich die Freiheit vermissen, viel reisen zu können und zu<br />
experimentieren. Die Frage, ob freischaffend oder fest engagiert, ist<br />
für mich übrigens keine Frage der Qualität – sie ist für mich eher<br />
Ausdruck gänzlich unterschiedlicher Lebenseinstellungen.<br />
39<br />
Der Reiz und die Chancen liegen ganz klar darin, dass man sich<br />
selbst aussuchen kann, welche Jobs man annimmt und welche<br />
nicht. Dadurch entsteht natürlich an sich eine sehr große künstlerische<br />
Freiheit. Allerdings kann diese dann auch ganz schnell durch<br />
finanzielle Nöte stark beschränkt werden, wenn man aus Geldnot<br />
doch Jobs annehmen muss, die einem weniger liegen. Meine<br />
Erfahrung ist jedoch bisher eine durchweg positive – ich habe ein<br />
sehr gutes Auskommen durch viele verschiedene und abwechslungsreiche<br />
Jobs, die ich alle bewusst (und zwar nicht vorrangig<br />
aus finanziellen Gründen) gewählt habe.<br />
Könnten Sie sich aus heutiger Sicht einen anderen Status vorstellen,<br />
wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?<br />
Ich könnte mir mittelfristig gesehen durchaus eine Festanstellung<br />
vorstellen – allerdings nur unter der Bedingung, dass mir innerhalb<br />
des Beschäftigungsverhältnisses viele Freiräume bleiben und ich<br />
auch noch die (generelle und auch zeitliche) Möglichkeit habe, mich<br />
außerhalb dieser Festanstellung künstlerisch zu betätigen.
40 GELD und KUNST<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
Gelebter Mut zur Wahrhaftigkeit<br />
Sophia Jaffé ist neue Professorin für Geigespiel an der <strong>HfMDK</strong><br />
Wenn Sophia Jaffé heute in ihre Noten von Tschaikowskys<br />
Violinkonzert schaut, ist die Erinnerung an Kindertage sofort wieder<br />
präsent: Kleine Spitzenschuhe hatte sie als Zehnjährige zwischen<br />
die Notensysteme gemalt, und auch ihr dort stehender Übe-Plan,<br />
der fünf Stunden tägliches Geigespiel vorsah, erinnert an ein Heranwachsen,<br />
in dem Geigespiel so selbstverständlich war wie das<br />
tägliche Aufstehen – außer an Weihnachten, Ostern und ihrem<br />
Geburtstag.<br />
„Jugend musiziert“-Gewinnerin mit 7, Bruchs Violinkonzert mit<br />
9, den ersten Solo-Auftritt mit Mozarts D-Dur-Konzert und dem<br />
Steglitzer Kammerorchester mit 12: Klar für die gebürtige Berlinerin,<br />
dass ein Studium an der „Hanns-Eisler“ wichtiger war, als Zeit<br />
in ein Abitur zu investieren, das sie vielleicht gebraucht hätte,<br />
um Kommissarin zu werden („Das hatte ich mal überlegt“), nicht<br />
aber, um ihre Hochbegabung für eine Solistenkarriere auszubauen.<br />
Wettbewerbserfolge (u. a. Concours de Génève 2004, Concours<br />
Reine Elisabeth Brüssel und Preis des Deutschen Musikwettbewerbs<br />
2005) flankierten ihren Weg auf das Solistenpodium mit<br />
renommierten Orchestern. Seitdem ist sie international als Solistin<br />
gefragt und konzertiert mit Dirigenten wie Dennis Russell Davies,<br />
Marek Janowski und Lothar Zagrosek. Als sie 2008 erstmals mit<br />
dem Deutschen Symphonie Orchester Berlin in der Berliner Philharmonie<br />
auftrat, war es für sie streng genommen eine „Rückkehr“:<br />
Genau 20 Jahre vorher hatte sie nämlich als Siebenjährige in einem<br />
„Kükenkonzert“ mit Gerd Albrecht am Klavier, das vom RIAS Berlin<br />
aufgezeichnet wurde, in der Philharmonie debütiert.<br />
Sophia Jaffé – hier im Unterricht mit<br />
Flora Vogel – ist neue Geigenprofessorin<br />
an der <strong>HfMDK</strong>. Sie möchte ihren Studierenden<br />
Mut machen, ihre eigene musikalische<br />
und persönliche „Substanz“ zu entdecken und<br />
in ihre Musik zu legen.
Mit 23 wurde sie Assistentin ihres Geigenprofessors Stephan<br />
Picard. Und nun, nach 30 Jahren Berliner Luft, der Ortswechsel<br />
nach <strong>Frankfurt</strong>, hinein in einen neuen Lebensabschnitt, nicht nur<br />
geographisch, auch beruflich: Sophia Jaffé hat zum Winterseme-<br />
ster 2011/2012 ihre erste Professur für Violine an der <strong>HfMDK</strong><br />
angetreten. Mit ihrem Stellenvorgänger Walter Forchert teilt sie sich<br />
den langgezogenen Unterrichtsraum über dem Großen Saal, der<br />
nach Jahrzehnten wohnzimmerartig ausgestatteter Gemütlichkeit<br />
nun nüchtern und leer ist: „Je neutraler der Arbeitsraum, desto<br />
besser kann sich dort der Geist entfalten“, sagt Sophia Jaffé und<br />
lacht dabei herzhaft. Dabei ist sie selbst alles andere als nüchtern.<br />
Ihre äußerlich bruchlose Karriereentwicklung – aus dem Wohnzim-<br />
mer der elterlichen Hauskonzerte rauf auf die internationalen<br />
Bühnen – hat sie nämlich nicht davon abgehalten, ihren „eigenen<br />
Weg zur Musik“ zu finden. Klar gab es Phasen in ihrer Jugend, als<br />
sie selbst ein wenig die Bremse anzog, um im Aktionismus einer<br />
kollektiven Wunderkind-Begeisterung zu sich selbst zu finden, sich<br />
gegenüber ihren musikalisch einflussreichen Eltern – ihre ersten<br />
Lehrer – eigenständig zu positionieren, das eigene Tun so in Frage<br />
zu stellen, um sich dabei selbst besser kennenzulernen. „Es ist gut,<br />
phasenweise zu zweifeln“, hat sie an sich selbst erfahren. „Wenn<br />
man immer von allem überzeugt ist, ist man vielleicht nicht offen<br />
für Neues.“ Äußere Bestätigung kann für sie nicht aufwiegen, was<br />
sie als Schatz nur in sich selbst entfalten kann: „ein möglichst<br />
ehrliches Gefühl der Liebe zur Musik“. Vielleicht ist dies eine<br />
Erklärung dafür, warum sie in Virtuosenpartien wie den Violinkon-<br />
zerten von Vieuxtemps und Wieniawski nicht so sehr das findet,<br />
was ihr wichtig ist. Als Star hofiert zu werden, ist nicht ihr Ding<br />
– „das kann einen eher von der eigenen Wahrheitssuche abbringen,<br />
und man beginnt, sich sehr viel vorzumachen.“ So zu sein und zu<br />
werden, wie man wirklich ist, das ist ihr Weg, ihr Ehrgeiz und auch<br />
ihre pädagogische Ambition als Professorin: „Reichhaltiger kann ich<br />
doch gar nicht sein, als das zu leben, was ich bin.“ Den Mut, die<br />
eigene Substanz zu spüren, möchte sie auch bei ihren Studierenden<br />
entfachen. Welch ein Glücksfall also, dass sie es liebt, mit anderen<br />
Menschen über Musik zu sprechen. Nicht ganz selbstlos eben, denn<br />
„in der Position des Erklärenden festigt sich auch das Eigene“, ist<br />
sie sicher. Doch ein Begriff fehlt noch, um Sophia Jaffés Arbeits-<br />
prinzip hinreichend zu beschreiben: die Intensität. Für die Professo-<br />
rin ist sie unbedingte Voraussetzung, um musikalisch und mensch-<br />
lich zu authentischen Ergebnissen zu gelangen. Dazu zählt für sie<br />
auch, den Studierenden ein solides instrumentales Handwerk<br />
beizubringen, das ihnen einen freien Umgang im stilistischen und<br />
strukturellen Durchdringen eines Werkes ermöglicht. Dabei ist ihr<br />
eine gesunde Balance zwischen innerer Haltung und Körperbe-<br />
STAATLICHE HOCHSCHULE FÜR MUSIK<br />
UND DARSTELLENDE KUNST STUTTGART<br />
30. SEPTEMBER – 7. OK TOBER 2012<br />
JURY<br />
PE TER SCHREIER (VORSITZENDER) · GUNDULA<br />
JANOWITZ · BIRGID STEINBERGER · GRAHAM<br />
JOHNSON · WOLFRAM RIEGER · KURT WIDMER<br />
ANMELDESCHLUSS<br />
15. JULI 2012<br />
SEMIFINALE + FINALE<br />
ÖFFENTLICH / EINTRIT T FREI<br />
PREISTRÄGERKONZERT<br />
7. OK TOBER 2012<br />
WEITERE INFORMATIONEN<br />
W W W.LIED-WE T TBEWERB.DE<br />
Anzeige_Wettbewerb_frankfurt.indd 1 14.03.2012 21:17:27<br />
wusstsein wichtig: „Auch der Körper ist für mich ein Instrument –<br />
oder zumindest eine Vorstufe dessen. Und es wäre schade, wenn er<br />
den Zugang blockieren würde, um ungehindert aus der ganzen<br />
Freude zu schöpfen, die der Beruf mit sich bringt.“ Kammermusik<br />
ist aus Sophia Jaffés Selbstverständnis ein unverzichtbarer<br />
Bestandteil des beruflichen Lebens und der Ausbildung: „Die<br />
Prinzipien, ständig aufeinander zu reagieren, zu dialogisieren und<br />
sich zu widersprechen, finden sich in sämtlicher Musik wieder und<br />
drücken sich gerade in der Kammermusik in vollendeter Form aus.“<br />
Nach ihrem ersten Semester in <strong>Frankfurt</strong> ist Sophia Jaffé selbst<br />
verwundert, dass sie sich – nun als Professorin – so interessiert mit<br />
hochschulpolitischen Fragen beschäftigt. Das Vertrauen, das die<br />
Hochschule in sie setzt, möchte sie erfüllen – „in Form einer<br />
ernsthaften Präsenz“. Zu dieser Präsenz gehört für sie auch, sich<br />
nach 40 Wohnungsbesichtigungen in <strong>Frankfurt</strong> für einen Ort zu<br />
entscheiden, wo sie auf jeden Fall die nächsten drei Jahre zu Hause<br />
sein wird. Hoffentlich auch als Ruhepunkt für eine Künstlerin, die<br />
nach wie vor in alle Welt ausschwärmt, um auf der Bühne zu<br />
zeigen, dass Kunst mehr ist als Können – für Sophia Jaffé auch der<br />
gelebte Mut zur Wahrhaftigkeit. bjh<br />
Sophia Jaffé bestreitet ihr Antrittskonzert an der <strong>HfMDK</strong> am 1. Juni<br />
mit Alban Bergs Violinkonzert und dem Hochschulorchester im<br />
Großen Saal der Hochschule (siehe auch Veranstaltungsvorschau).<br />
41
42<br />
In der Kunst gibt es<br />
letztlich kein<br />
„richtig“ oder „falsch“,<br />
sondern nur Grade<br />
von Angemessenheit<br />
Clemens Kühn<br />
Annäherungen an das, was Musik ist<br />
Ernst August Klötzke ist neuer Professor für Musiktheorie<br />
Von Prof. Ernst August Klötzke<br />
Besonders die Musiktheorie, zu deren Aufgaben es gehört,<br />
Unfassbares zu benennen, lebt in dem Spielraum der von Clemens<br />
Kühn zitierten „Grade von Angemessenheit“. Lediglich am Punkt<br />
dessen, wie Musik gemacht ist, mag es eine mögliche Annäherung<br />
an richtig oder falsch geben; sobald wir jedoch diese vermeintlich<br />
sicheren Gefilde in Richtung des Eigentlichen verlassen – im Sinne<br />
von: „was Musik ist“ – bewegen wir uns auf anderen Ebenen.<br />
Vielleicht habe ich schon als Kind diese Idee – ohne damals von ihr<br />
zu wissen – verfolgt, wenn ich am Klavier die zu übenden Stücke<br />
lieber in einem freien Sinne meinen eigenen Bedürfnissen unterord-<br />
nete, als stur dem abgebildeten Notentext zu folgen. Und vielleicht<br />
– man verklärt ja gerne Gewesenes – war meine Klavierlehrerin ja<br />
doch besser als ich dachte, denn sie vermittelte mir schon früh eine<br />
elementare Musiklehre, die mir rudimentär einen anderen Zugriff<br />
auf Musik als den rein Haptischen ermöglichte.<br />
Nach dem Abitur hatte ich das Glück, bei Persönlichkeiten lernen zu<br />
dürfen, die mein Denken und meine Methoden noch immer prägen.<br />
Es war dies zum einen Hans Heinrich Eggebrecht, dessen letzte<br />
Seminare und Vorlesungen an der Universität Freiburg im Breisgau<br />
ich gleichsam verschlungen habe, und – sicherlich noch gewich-<br />
tiger – mein Kompositionsprofessor an der Folkwang Hochschule in<br />
Essen, Nicolaus A. Huber. Er war es, der mir ein umfassendes<br />
Handwerk der musikalischen Analyse, des Instrumentierens und<br />
Komponierens mit viel Strenge und einer unbedingten Hingabe<br />
vermittelte und dessen Forderungen immer über das rein Musika-<br />
lische hinausgingen. Einer der Kerngedanken, die ich von seinem<br />
Unterricht mitgenommen habe, ist die unmittelbare Verknüpf-<br />
ung der reflektierenden und in den jeweiligen historischen Kontext<br />
eingebundenen Analyse und des Schreibens von Musik.<br />
Nach dem Studium landete ich am Hessischen Staatstheater in<br />
Wiesbaden und wurde dort mit der Leitung der Sparte für Neue<br />
Musik, der „musik-theater-werkstatt“ betraut. Darüber hinaus<br />
wurde ich der Komponist des Hauses und leitete die Schauspielmu-<br />
sik. Für ein Theater zu komponieren heißt in erster Linie, ein<br />
stilistisch breit gefächertes Handwerk abrufbar zu haben. Wenn<br />
ein Regisseur oder ein Choreograf Musik braucht, dann muss diese<br />
möglichst schnell geschrieben werden, um innerhalb der Proben<br />
damit arbeiten zu können.<br />
Diese Zeit war für mich so etwas wie die Praxis der Musiktheorie,<br />
deren inhaltlichen Diskurs ich neben dem Theater als Lehrender<br />
an der <strong>HfMDK</strong>, der Fachhochschule Mainz und der Goethe-Univer-<br />
sität <strong>Frankfurt</strong> führen konnte.<br />
An der <strong>HfMDK</strong> unterrichte ich seit 2001. Wenn ich zurückblicke,<br />
dann bin ich mit den Veränderungen, die das Fach Musiktheorie in<br />
den vergangenen Jahren durchgemacht hat, sehr zufrieden. Die<br />
Zusammenarbeit innerhalb des Fachbereichs 2 und auch mit den
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1 GELD und KUNST<br />
Fachbereichen 1 und 3 ist hervorragend, der Austausch mit den<br />
Kollegen sehr bereichernd und der respektvolle und konstruktive<br />
Umgang miteinander vorbildlich. Ein solches Fundament ist stark<br />
genug, um die immer notwendigen Erneuerungen des Denkens,<br />
Empfindens, Wahrnehmens und Lehrens ganz im Sinne derer, die<br />
uns anvertraut sind, zu tragen.<br />
Diese Arbeitsumstände, die ich als glücklich bezeichnen möchte,<br />
haben ihr privates Pendant in meiner Frau und unseren beiden<br />
Töchtern, die in jedem Fall schöner singen können als ich!<br />
Nun gilt es, das Fach Musiktheorie weiter zu stärken, uns zu<br />
vernetzen und den Diskurs zwischen Wissenschaft, Theorie,<br />
Pädagogik und Praxis voranzutreiben. Mein Herz hängt dabei an<br />
der historischen Musiktheorie, also der Arbeit mit jeweils zeitge-<br />
nössischen Quellen. In diesen spiegelt sich das vorangestellte<br />
Zitat oft viel stärker wider als in den meisten Lehrbüchern.<br />
Die Kompetenzen, die ich weitergeben will, beziehen immer die<br />
personality<br />
ROCKT<br />
session music frankfurt<br />
dort wo die echten kerle wohnen<br />
Hanauer Landstraße 338 · 60314 <strong>Frankfurt</strong><br />
zu erwartenden Arbeitsanforderungen meiner Studenten ein.<br />
Der permanente inhaltliche Austausch mit den Kollegen Prof. Hervé<br />
Laclau, der das verwandte Fach Hörschulung betreut, und dem<br />
Kompositionsprofessor Gerhard Müller-Hornbach bietet den<br />
Lernenden die Chance, über ihre instrumentalen und gesanglichen<br />
Fähigkeiten hinaus den Weg in die Richtung einer Annäherung<br />
an das, „was Musik ist“, eigenständig weiter zu verfolgen.<br />
Ein Lebensmotto habe ich auch. Ich erbte es so zu sagen vor einigen<br />
Jahren von meiner ehemaligen Chefin am Staatstheater Wiesbaden,<br />
der Sängerin und Grande Dame der Neuen Musik, Carla Henius,<br />
die es wiederum von Luigi Nono bekommen hatte: „Fange nie an,<br />
aufzuhören, höre nie auf, anzufangen“.<br />
Mit diesem Gedanken stürze ich mich also voller Energie in die Arbeit<br />
an der <strong>HfMDK</strong>, freue mich auf die Studierenden, die Kollegen, die<br />
gemeinsamen Projekte und darauf, nicht nur zu lehren, sondern auch<br />
immer wieder von meinen Studenten zu lernen.<br />
43<br />
Oliver Lohmann, Session Music <strong>Frankfurt</strong>
44 GELD und KUNST<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
Ausbildung kann nie alles abdecken<br />
Ingo Diehl ist neuer Professor für Zeitgenössische Tanzpädagogik<br />
Mit dem Beginn des Sommersemesters hat Ingo Diehl die Professur<br />
für Zeitgenössische Tanzpädagogik angetreten und damit die<br />
Leitung des Masterstudiengangs Zeitgenössische Tanzpädagogik/<br />
MAztp übernommen. Diehl bringt langjährige Erfahrungen als Tänzer<br />
und Trainingsleiter in den Studiengang mit: Er war u. a. beim<br />
Tanzforum Köln, Tanztheater Bremen, Island Ballett in Reykjavik und<br />
bei verschiedenen Festivals tätig. Als Projektleiter des Bereichs<br />
Ausbildung war er von 2005 bis 2010 für alle Bildungsfragen und<br />
die Gesamtkonzeption der Ausbildungsprojekte bei Tanzplan<br />
Deutschland verantwortlich. Im Interview mit <strong>Frankfurt</strong> in Takt<br />
spricht er über die neue Ausrichtung des Studienganges und dessen<br />
Verortung in der lebendigen <strong>Frankfurt</strong>er Tanzszene.<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt Herr Diehl, soeben hat in <strong>Frankfurt</strong> mit großem<br />
Erfolg die 3. Biennale Tanzausbildung stattgefunden. Stimmt es,<br />
dass Sie der Initiator der Biennale sind?<br />
Prof. Ingo Diehl Das könnte man so sagen, ja. Aber eigentlich war es<br />
ein großer gemeinschaftlicher Prozess. Ich hatte als Projektleiter<br />
des Bereichs Ausbildung von „Tanzplan Deutschland“ die Möglichkeit<br />
und Mittel, die Ausbildungsinstitutionen für Tanz an einen Tisch<br />
zu laden. In diesen Gesprächen entwickelten wir die Idee, eine<br />
Biennale ins Leben zu rufen. Auf der Biennale treffen Institutionen<br />
mit Lehrenden, Studierenden und Fachexperten zusammen, um eine<br />
Woche miteinander intensiv zu arbeiten. In einer kreativen Atmosphäre<br />
entstehen neue Impulse für die Tanzausbildung. 2008 wurde<br />
diese Idee mit der 1. Biennale Tanzausbildung umgesetzt. Es<br />
freut mich riesig, dass die diesjährige Veranstaltung in <strong>Frankfurt</strong><br />
stattfinden konnte. Das war ein bisschen wie „Nach Hause-<br />
Kommen“.<br />
FiT Freuen Sie sich auf ihren Arbeitsbeginn in <strong>Frankfurt</strong>?<br />
Diehl Ich könnte mir für meine Arbeit im Moment keinen spannenderen<br />
Ort vorstellen. Die <strong>Frankfurt</strong>er Tanzszene ist sehr<br />
umtriebig und anspruchsvoll: The Forsythe Company, Motion Bank,<br />
Tanzlabor 21, Mousonturm, ID <strong>Frankfurt</strong> oder Stiftungen, die sich<br />
für die Sparte engagieren. So eine Bandbreite ist wirklich außergewöhnlich.<br />
Das wirkt sich auf den Studiengang aus. Auch in der<br />
Hochschule selbst gibt es eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten<br />
zu den anderen Fachbereichen. Hinzu kommt dann noch die<br />
städtische Kulturszene, die ebenfalls breit aufgestellt ist – und das<br />
auf hohem Niveau. Darüber hinaus freue ich mich auf die Zusammenarbeit<br />
mit Dieter Heitkamp, dem Ausbildungsdirektor für<br />
Zeitgenössischen und Klassischen Tanz (ZuKT) an der <strong>HfMDK</strong>. Denn<br />
es braucht starke Partner, um etwas Neues anzustoßen, und die<br />
Arbeit für den Studiengang gibt mir dafür einen guten Rahmen.<br />
FiT Welche Veränderungen wollen Sie im Studiengang anstoßen?<br />
Diehl Besonders wichtig ist mir, dass die Studierenden eine<br />
individuelle Begleitung bekommen, um sie für verschiedenste<br />
Vermittlungsbereiche im Tanz auszubilden. Es ist kein einfaches<br />
Unterfangen, Studierende auf so unterschiedliche Arbeitsfelder wie<br />
Trainingsleiter im professionellen Bereich, Dozent an Hochschulen<br />
oder für Bereiche wie Tanz in Schulen oder in Kindertagesstätten<br />
wie auch die Entwicklung von Weiterbildungsangeboten für<br />
Erzieherinnen vorzubereiten. Ausbildung kann nie alles abdecken.<br />
Wir haben das bisherige Curriculum überarbeitet, damit die<br />
Studierenden auch auf aktuelle Strömungen reagieren können, die<br />
gerade in der Tanzszene erkennbar sind. Neu ist zum Beispiel ein<br />
Modul mit dem Schwerpunkt „Transfer“: Hier sollen verschiedene<br />
Disziplinen miteinander verknüpft werden, um daraus neue<br />
Unterrichtsformate zu entwickeln. Die insgesamt zehn Module sind<br />
klar definiert und überschaubar – dazu gehören Hospitationen,<br />
eigenes Training, Theorie, Methodik und Didaktik sowie Projektarbeit.<br />
Ich kann nur durch ein breites Angebot an Praxis und gleichzeitiger<br />
theoretischer Reflexion dafür sorgen, dass die Studierenden<br />
in der Lage sind, das erlernte Wissen mit ihren persönlichen<br />
Erfahrungen und Vorstellungen in Einklang zu bringen.<br />
FiT Was bedeutet Ihr Ansatz für das Verhältnis von Praxis und<br />
Theorie im Masterprogramm?<br />
Diehl Die Studierenden werden nicht nur ihre eigenen Vermittlungsprojekte<br />
durchführen, sondern Forschungsansätze aus dem Tanz heraus<br />
entwickeln. Es reicht heutzutage als Tänzer nicht aus, ein guter<br />
Praktiker zu sein, wenn ich nicht weiß, woraus diese Praxis<br />
gewachsen ist. Während der Arbeit an meinem Forschungsprojekt<br />
„Tanztechniken 2010 – Tanzplan Deutschland“ habe ich die<br />
Erfahrung gemacht, dass es sehr schwierig ist, Wissen aus der<br />
Tanzpraxis nutzbar und zugänglich zu machen. Dabei braucht das<br />
Tanzfeld dieses Wissen dringend. Nur mit diesem Wissen kann ein<br />
bewusster Umgang mit Tanz entstehen – und vermittelt werden. In<br />
diesem Sinne dient das Masterprogramm nicht nur den Studierenden<br />
selbst.
Publikationen unserer Lehrenden<br />
„Theatermanagement – Eine Einführung“<br />
von Thomas Schmidt, Professor für Theater- und<br />
Orchestermanagement an der <strong>HfMDK</strong><br />
Das Buch „Theatermanagement – Eine Einführung“ schließt eine<br />
langjährige Lücke in der Theater- und Kulturmanagementliteratur.<br />
Es soll eine Einführung für all jene sein, die sich mit dem Theater<br />
als Betrieb, der künstlerische und organisatorische Prozesse<br />
miteinander verknüpft, auseinandersetzen wollen: für Einsteiger,<br />
Fortgeschrittene, Neugierige, Künstler, Studenten, Dozenten. Der<br />
Grundgedanke des Buches geht davon aus, dass wir nur einen<br />
Bruchteil dessen auf der Theaterbühne sehen, was im Theater<br />
tatsächlich passiert. Es beschreibt die Rahmenbedingungen, unter<br />
denen Theater entsteht, die wesentlichen Prozesse, die Instrumente<br />
des Managements, aktuelle Krisensituationen und Lösungsansätze.<br />
Ein ganzes Kapitel widmet sich Zukunftszenarien einer Theaterlandschaft,<br />
in der sich öffentliche Theater und Orchester, die kreative<br />
und sich immer weiter entwickelnde freie Szene und die Festivals<br />
strukturell neu ordnen und für die neue Finanzierungs- und<br />
Produktionsmodelle entwickelt werden müssen. Am Ende steht die<br />
große Frage: Wie können wir die einmalige Theaterlandschaft<br />
erhalten und zukunftsfähig machen, welche Reformen sind dafür<br />
notwendig? Schließlich muss sich auch die Ausbildung in den<br />
Berufsfeldern, die sich auf das Theater beziehen, mit diesen Fragen<br />
beschäftigen. Das Buch wird abgerundet durch drei Exkurse zur<br />
Theaterlandschaft in den USA, in Belgien und den Niederlanden,<br />
die sich alle auf unterschiedliche Weise vom deutschen Theatersystem<br />
unterscheiden. Ein Glossar mit den 100 wichtigsten Begriffen<br />
soll es den Lesern leichter machen, die das Buch als Nachschlagewerk<br />
verwenden wollen.<br />
„Theatermanagement – Eine Einführung”, erschienen im<br />
Springer Verlag<br />
Sonatas 1–10 (2005–2008) für Klavier von Claus Kühnl,<br />
Lehrbeauftragter für Musiktheorie an der <strong>HfMDK</strong><br />
Soeben sind von Claus Kühnl die Sonatas 1–10 (2005–2008) für<br />
Klavier beim Hofmeister Musikverlag, Leipzig, erschienen<br />
(FH 3372). Die ansprechend gestaltete Ausgabe im Bach-Format<br />
umfasst 111 Seiten sowie ein ausführliches Vorwort in Deutsch<br />
und Englisch. Auch die Vortragsangaben sind zweisprachig<br />
gehalten. Die Stücke werden nur auf der Tastatur gespielt und sind<br />
teils mittelschwer, schwer bis sehr schwer spielbar; sie eignen sich<br />
durchaus als „Zugstücke“ für Pianisten und solche, die es werden<br />
wollen. Der Band kostet 29,50 Euro. Die „Sonatas“ schlagen einen<br />
Bogen zurück zu den Anfängen der europäischen Mehrstimmigkeit<br />
und in die Zeiten davor. Mit den Stücken wollte der Komponist den<br />
PianistInnen neue Gelegenheit zu gesanglicher Tongebung bieten:<br />
erinnern, ohne in das Alte zurück zu fallen. Erneuern, ohne die<br />
Anfänge preiszugeben. Den Zauber dieses Anfangs den in Bezug<br />
auf die Tonintervalle beschränkten Möglichkeiten eines Grand<br />
Pianos einpflanzen.<br />
Sonata 1 wurde 2010 mit dem ersten Preis des Concorso<br />
Internazionale di Composizione Musicale der Stadt Reggio Calabria<br />
ausgezeichnet.<br />
Fragen an<br />
Hedayet Djeddikar<br />
Hedayet Djeddikar ist an der <strong>HfMDK</strong> Lehrbeauftragter als<br />
Korrepetitor für Gesang und Bratsche und fester Dozent für<br />
Liedgestaltung und Korrepetition an der Universität für Musik<br />
und Darstellende Kunst Graz. Er ist <strong>HfMDK</strong>-Absolvent in den<br />
Fächern Liedgestaltung und Klavierkammermusik.<br />
Wie sehr hat die finanzielle Motivation die Wahl Ihres Berufs und<br />
Ihres Berufsstandes beeinflusst?<br />
Gar nicht.<br />
45<br />
Worin liegen aus Ihrer Sicht die Reize, Chancen, aber auch Gefahren<br />
in der Art Ihrer beruflichen Existenz?<br />
Das wesentlich Reizvolle an meinem Berufsleben ist sicher, dass<br />
ich es als inhaltlich erfüllend empfinde. Dazu kommt, dass ich<br />
interessante Menschen kennenlerne und viel reisen kann. Als<br />
Chance erlebe ich es, einen vergleichsweise großen Teil meiner Zeit<br />
selbst planen und gestalten zu können. Das stellt natürlich<br />
gleichzeitig auch eine Gefahr dar.<br />
Könnten Sie sich aus heutiger Sicht einen anderen Status vorstellen,<br />
wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?<br />
Mit der momentanen Mischung aus konzertieren und unterrichten<br />
bin ich sehr zufrieden.
46 GELD und KUNST<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
S T A T E M E N T<br />
Jonathan Granzow, studiert<br />
im 2. Semester den Masterstudiengang<br />
Komposition,<br />
zuvor Schulmusik und<br />
Deutsch (L3).<br />
Welche Rolle spielt(e) Geld in<br />
Ihrem Studium?<br />
Ich bin sehr dankbar, dass mir<br />
meine Eltern die existenzielle<br />
Sicherung für den ersten<br />
Studiengang abgenommen<br />
haben, sodass ich mich<br />
während der Semester ganz<br />
auf das Studium konzentrieren<br />
konnte. In der vorlesungsfreien<br />
Zeit habe ich dann im Ausland<br />
gejobbt, um für Instrumentenkäufe<br />
zu sparen. Seit dem<br />
Aufbaustudiengang hält mir<br />
das MainCampus academicus-<br />
Stipendium der Stiftung<br />
Polytechnische Gesellschaft<br />
<strong>Frankfurt</strong> am Main den<br />
Rücken frei.<br />
Wann und wie ist das Bewusstsein<br />
gewachsen, finanziell<br />
von dem leben zu müssen, was<br />
Sie künstlerisch oder pädagogisch<br />
tun?<br />
Spätestens ab dem Hauptstudium<br />
war mir wichtig, dass ich<br />
mein Geld mit Tätigkeiten<br />
verdiene, die ich an der Hochschule<br />
lerne. Ich bin überzeugt<br />
davon, dass die vielseitige<br />
Ausbildung des Schulmusikers<br />
auch diverse Einnahmemöglichkeiten<br />
für den Freiberufler<br />
eröffnet. Unsere Hochschule ist<br />
ein treues Netzwerk in einer<br />
neugierigen und aktiven Region.<br />
Welche Kompromisse sind Sie<br />
bereit einzugehen, um sich<br />
existenziell abzusichern? Welche<br />
wären für Sie undenkbar?<br />
Als Freiberufler strebe ich an,<br />
mir die Projekte aussuchen zu<br />
können, für die ich mich<br />
begeistern will. Kompromisse<br />
finden dabei immer statt. Das<br />
Komponieren braucht aber<br />
auch Freiräume, die ich auch im<br />
Lehrberuf nicht aufgeben<br />
würde.<br />
S T A T E M E N T<br />
Tatjana von Sybel studiert<br />
Harfe an der <strong>HfMDK</strong> und hat<br />
ein Starterstipendium, das<br />
con moto foundation-scholarship,<br />
der Gesellschaft der<br />
Freunde und Förderer der<br />
<strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Main e. V.<br />
erhalten.<br />
Welche Rolle spielt(e) Geld in<br />
Ihrem Studium?<br />
Ich habe das Glück, von dem<br />
Starterstipendium ein Jahr<br />
lang gefördert und von meinen<br />
Eltern finanziell unterstützt<br />
zu werden. Trotzdem habe ich<br />
mich um einen Nebenjob gekümmert,<br />
damit meine Existenzsicherung<br />
auch nach Auslaufen<br />
des Stipendiums gesichert ist.<br />
Wann und wie ist das Bewusstsein<br />
gewachsen, finanziell<br />
von dem leben zu müssen, was<br />
Sie künstlerisch oder pädagogisch<br />
tun?<br />
Mir war schon früh bewusst,<br />
dass es mit einem künstlerischen<br />
Beruf nicht leicht wird,<br />
seinen Lebensunterhalt zu verdienen.<br />
Dennoch bin ich<br />
motiviert, mich im Studium<br />
weiter anzustrengen, um<br />
meinen Traum zu verwirklichen.<br />
Eine Festanstellung gibt<br />
ein geregeltes Einkommen, als<br />
Freiberuflicher hat man<br />
natürlich mehr künstlerische<br />
Freiheit.<br />
Welche Kompromisse sind Sie<br />
bereit einzugehen, um sich<br />
existenziell abzusichern? Welche<br />
wären für Sie undenkbar?<br />
Sollte ich eine für mich<br />
attraktive Stelle bekommen,<br />
wäre ich bereit, weit von meiner<br />
Familie und meinen Freunden<br />
wegzuziehen. Undenkbar<br />
wäre für mich, unseriöse Geschäfte<br />
einzugehen, um an<br />
Geld zu kommen.
BEWERBUNG<br />
VOM<br />
15. JANUAR<br />
BIS<br />
31. MAI 2012<br />
Vladimir Babeshko, Viola (Klasse Ingrid Heyer und Prof. Jörg<br />
Heyer), hat im März 2011 mit der Geigerin Anne-Sophie Mutter als<br />
Stipendiat der Anne-Sophie-Mutter-Stiftung eine Kammermusik-<br />
Tournee durch Deutschland, die Schweiz und Österreich unternom-<br />
men. Im Juli 2011 nahm er mit ihr und dem gleichen Progamm<br />
(unter anderem Mendelssohn-Oktett) am Verbier-Festival teil.<br />
Im September hatte er in Köln die Reihe der Radeberger-Konzerte<br />
mit der Pianistin Ksenia Bashmet eröffnet. Das Konzert wurde im<br />
Deutschlandfunk übertragen.<br />
Kateryna Kasper, Sopran (Klasse Prof. Hedwig Fassbender),<br />
schaffte es im Queen-Sonia-Wettbewerb in Oslo unter die sechs<br />
Finalisten und wurde mit dem Preis für die beste Interpretation<br />
eines norwegischen Liedes ausgezeichnet. An der Oper <strong>Frankfurt</strong><br />
übernahm sie in der Neuproduktion des „Siegfried“ die Partie<br />
des Waldvogels. Außerdem ist sie ab der kommenden Spielzeit<br />
Mitglied des Opernstudios der <strong>Frankfurt</strong>er Oper.<br />
Maren Favela, Sopran (Klasse Prof. Hedwig Fassbender, Diplom<br />
2011), ist seit September 2011 am Opernstudio <strong>Frankfurt</strong><br />
engagiert.<br />
Akademie Musiktheater<br />
heute<br />
Stipendium 2012– 2014<br />
für junge Bühnenbildner,<br />
Dirigenten, Dramaturgen,<br />
Komponisten, Kultur -<br />
manager und Regisseure<br />
www.deutsche-bank-stiftung.de<br />
Erfolge unserer Studierenden und Absolventen<br />
Sebastian Kohlhepp, Tenor (Klasse Prof. Hedwig Fassbender),<br />
erhielt einen Vertrag als lyrischer Tenor am Badischen Staatstheater<br />
Karlsruhe ab Juni 2011.<br />
Anne-Luisa Kramb, Violine (Jungstudierende in der Klasse<br />
Prof. Susanne Stoodt und mit 11 Jahren die jüngste Jungstudentin<br />
an der <strong>HfMDK</strong>), gewann im „Internationalen Hindemith-Wettbe-<br />
werb“ Berlin den 2. Preis ihrer Altersgruppe.<br />
Rho-Mei Yu, Schlagzeug (Klasse Prof. Rainer Römer), gewann<br />
mit dem Trio ONYX (gemeinsam mit Eva Boesch und Marie Schmit,<br />
Violoncello) den 1. Platz beim Boris Pergamenschikow Preis 2011<br />
für Kammermusik in Berlin an der HfM Hanns Eisler. Die drei<br />
Musikerinnen waren Stipendiaten des Masterstudiengangs „Zeit-<br />
genössische Musik“ der Internationalen Ensemble Modern<br />
Akademie 2010/2011.<br />
Tabea Debus, Blockflöte (Klasse Prof. Michael Schneider),<br />
war Preisträgerin des Internationalen Holzbläserwettbewerbes<br />
„hülsta woodwinde“.<br />
Andreas Hotz, <strong>HfMDK</strong>-Absolvent in den Studiengängen Klavier,<br />
Orgel und Orchesterdirigieren, wird mit der Saison 2012/13<br />
die Nachfolge von Hermann Bäumer als Generalmusikdirektor am<br />
Theater Osnabrück antreten.<br />
47<br />
Foto: © Deutsche Bank Stiftung / Philipp Ottendörfer
48<br />
Erfolge unserer Studierenden und Absolventen<br />
Simon van Hoecke, Trompete (ehem. Klasse Prof. Klaus<br />
Schuhwerk), hat das Probespiel für die Solotrompete im Orchestre<br />
National de France gewonnen.<br />
Katrina Szederkenyi, Harfe (Klasse Prof. Françoise Friedrich),<br />
gewann beim Internationalen Harfenwettbewerb St. Petersburg<br />
den 3. Preis.<br />
Christoph Nonnweiler, Gitarre (Klasse Prof. Christopher Brandt),<br />
erspielte sich den 1. Preis beim Internationalen Heinrich-Albert-<br />
Gitarrenwettbewerb in Gauting.<br />
Bleuenn Le Friec, Harfe (Klasse Prof. Françoise Friedrich), hat das<br />
Probespiel um die Stelle der Solo-Harfenistin bei der Neubrandenburger<br />
Philharmonie gewonnen.<br />
Daniel Gatz, Klarinette (Klasse Anton Hollich), hat die Stelle als<br />
Solo-Klarinettist an der Komischen Oper in Berlin bekommen.<br />
Simone Sitterle, Klarinette (Klasse Anton Hollich), hat im<br />
Sinfonieorchester Wuppertal für die laufende Spielzeit einen<br />
Zeitvertrag als Solo-Klarinettistin erhalten.<br />
Björn Bürger, Bariton (Klasse Prof. Hedwig Fassbender), gehört<br />
ab der Spielzeit 2013/14 zum festen Ensemble der <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Oper.<br />
Diane Cora Förster (Lehramt Musik an Grundschulen) und<br />
Carolin Henning (Lehramt Musik für Haupt- und Realschule) haben<br />
vom Amt für Lehrerbildung Hessen für ihre Prüfungsleistungen<br />
im ersten Staatsexamen den Hessischen Förderpreis 2010/2011<br />
erhalten.<br />
Theresa Fritsche, Klarinette (Klasse Jochen Tschabrun), hat<br />
einen Zeitvertrag als Soloklarinettistin bei den Mannheimer<br />
Philharmonikern erhalten.<br />
Anne Frank, Sopran (Alumna der Klasse Prof. Heidrun Kordes),<br />
ist am Opernstudio Zürich engagiert.<br />
Impressum<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt – Magazin der Hochschule für Musik<br />
und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Main<br />
Eschersheimer Landstraße 29–39, 60322 <strong>Frankfurt</strong> am Main,<br />
www.hfmdk-frankfurt.de<br />
Herausgeber Thomas Rietschel, Präsident der <strong>HfMDK</strong><br />
Idee und Konzept Dr. Sylvia Dennerle<br />
sylvia.dennerle@hfmdk-frankfurt.de; Telefon 069/154 007 170<br />
Redaktion Björn Hadem (bjh) bhadem@arcor.de<br />
Autoren Beate Eichenberg, Björn Hadem (bjh), Stephan Mösch,<br />
Thomas Rietschel, Claudia Sauter, Carola Schlüter, Albrecht<br />
Thiemann, Olaf Zimmermann<br />
Fotos Valentin Fanel (2), Björn Hadem (37), W. Hösl (1),<br />
Martin Joppen (1), Delphine Roche<br />
Layout Opak Werbeagentur GmbH,<br />
Münchener Str. 45, 60329 <strong>Frankfurt</strong> am Main<br />
Anzeigen Björn Hadem (es gilt die Preisliste 2011)<br />
Erscheinungsweise jeweils zu Beginn des Semesters<br />
Druck VARIO PLUS Druck GmbH,<br />
Flinschstr. 61, 60388 <strong>Frankfurt</strong> am Main<br />
<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />
Amadeu Tasca, Bariton (Klasse Prof. Hedwig Fassbender)<br />
erhielt ein Fest-Engagement am Theater Heidelberg.<br />
Ani Yorentz Sargsyan, Sopran (Klasse Prof. Thomas Heyer), erhielt<br />
das Alfred-Toepfer-Stipendium und ist ab der kommenden Spielzeit<br />
fest am Staatstheater Kassel engagiert.<br />
Sarah Schmidt und Ramon John, Tanz, haben Verträge<br />
bei der Donlon Dance Company des Staatstheater Saarbrücken<br />
erhalten.<br />
Anna Romanova, Tanz, erhielt einen Vertrag am Theater Kiel.<br />
Marie Sophie Budek, Tanz, hat einen Eleven-Vertrag am Theater<br />
Augsburg.<br />
Robin Rohrmann, Tanz, hat einen Vertrag bei der Tanzkompagnie<br />
Marco Santi am Theater St.Gallen.<br />
Sandra Klimek, Tanz, hat einen Vertrag bei der Tanzkompagnie<br />
Marco Santi am Theater St.Gallen.<br />
Der komplette aktuelle Abschlussjahrgang Schauspiel hat bereits<br />
Festverträge an Theatern bekommen:<br />
Nils Kreutinger ist am Staatstheater Wiesbaden festes Ensemblemitglied.<br />
Ronja Losert spielt die nächsten zwei Jahre am Stadttheater<br />
Darmstadt.<br />
Annalena Müller geht an das Stadttheater Kaierslautern.<br />
Florian Mania ist schon am Stadttheater Heidelberg engagiert.<br />
Robert Oschmann geht an das Stadttheater Wilhelmshaven.<br />
Jonas Schlagovsky ist am Staatstheater Saarbrücken engagiert.<br />
Lisa Weidenmüller wird als festes Ensemblemitglied in St- Pöllten/<br />
Wien zu sehen sein.<br />
Janina Zschernig spielt zukünftig im Stadttheater Erlangen.<br />
Drittmittelkonto Account for Private funds<br />
Konto 200 138 090, BLZ 500 502 01, Fraspa 1822<br />
Überweisungen aus dem Ausland International Payments<br />
IBAN: DE71 5005 0201 0200 1380 90; SWIFT-BIC: HELADEF1822
Perfektion hat seit über einem<br />
Jahrhundert bei uns Tradition<br />
Vor über 100 Jahren wurden in einer Werkstatt in Hamamatsu mit einer kleinen<br />
engagierten Mannschaft von Handwerkern die ersten Klaviere und Flügel gebaut.<br />
Dies war der Geburtsort der heutigen Yamaha Premium-Palette: des erstklassigen<br />
und namhaften CFIII-Konzertflügels sowie der S6- und S4-Premium-Flügel, die heute<br />
von führenden Pianisten weltweit für die besten Instrumente gehalten werden.<br />
Die über Generationen hinweg erworbenen Fertigkeiten, mit Bedacht ausgewählte<br />
Herstellungsverfahren und Materialien, sensible Hinwendung zu jedem Detail und<br />
unübertroffene Innovationen sind die Basis für die heutigen Instrumente. Dabei<br />
haben die Yamaha-Klavierbauer stets eine Vision vor Augen: Das Erreichen höchster<br />
Perfektion mit einem breitgefächerten, klaren Klang, der leicht und deutlich im Raum<br />
schwebt und zu den glücklichsten Momenten eines Spiel- und Musikgenusses führt.<br />
Sehen Sie bitte weitere Informationen unter www.premiumpianos.com
ZUSAMMEN GEHT MEHR.<br />
Ein erfolgreiches Team braucht wie jedes Orchester mehr als nur hervorragende Solisten:<br />
Teamgeist. Bei uns in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe gibt jeder sein Bestes, damit im<br />
Zusammenspiel aller das Beste entsteht: Erfolg. Für uns, unsere Partnerbanken vor Ort und<br />
ganz besonders für unsere Kunden. www.dzbank.de