FREMDIN DERHEIMAT„Kann Mamaabgeschobenwerden?“ Kani, 1710 / POLITIKA /
Österreichs Gesetzeslage verweigert Tausendenhier geborenen Menschen die Staatsbürgerschaft.Die Abschiebungen der letzten Zeit lösen ein neuesGefühl der Angst unter den Kindern der Diasporaaus. Junge Menschen erzählen, wie es ist,wenn man in der Heimat nie zu Hause ist.Text: Anna Jandrisevits, Fotos: Zoe OpratkoKann Mama abgeschoben werden?“, schreibt Kaniihrer Schwester. Die 17-Jährige macht sich Sorgen.Auf Instagram hat sie von den Abschiebungen inWien erfahren, sie hat Menschen gesehen, die mitten in derNacht ihr Zuhause verloren haben. Mit Schrecken hat sie dieGeschichte von den Kindern Tina, Lea, Sona und Ashot undihren Müttern verfolgt. Kanis Eltern sind Kurden aus dem Iran.Sie selbst hat die österreichische Staatsbürgerschaft, ihreMutter jedoch nicht. Kann ihrer Mutter also dasselbe passieren?Kanis Schwester beruhigt sie, sagt ihr, dass Mamanichts geschehen wird. Es ist ein Gespräch, das viele mitihren Geschwistern, Kindern, Müttern und Vätern in Österreichführen. Dass sie niemals „richtig“ dazugehören werden, fühlensie schon lang. Aber diese Angst ist neu: Könnten sie oder ihreLiebsten einfach weggeschickt werden?Um erst einmal zu beruhigen: Österreich schiebt niemandenab, der sich legal im Land aufhält.Auch nicht Kanis Mutter, die eineAufenthaltsgenehmigung hat. Diedramatischen Abschiebungen habenallerdings gezeigt, dass „Illegalität“moralisch dann absurd und grausamwird, wenn Kinder sie erben. Unabhängigdavon, ob sie hier geborenwurden, hier aufwuchsen, zur Schulegehen und verwurzelt sind: Wie etwa im Fall der 12-jährigenTina. Die Frage, warum Kinder wie sie nicht längst ÖsterreicherInnenwerden konnten, drängt sich ebenso auf, wie diegenerelle Frage: Warum wird man nicht per Geburt Österreicherinund Österreicher? Denn es betrifft nicht nur Extremfälleim Asylbereich, sondern alltäglich viele Migrantenkinder zweiterund dritter Generation.PROZESS VOLLER HÜRDENMehr als 220.000 Menschen sind in diesem Land geboren,haben aber keine österreichische Staatsbürgerschaft. WeitereTausende leben schon seit Jahrzehnten in Österreich undstehen vor massiven Einbürgerungshürden. In fast keinemanderen Land ist es so schwierig, die Staatsbürgerschaft zuIn fast keinem anderenLand ist es so schwierig,die Staatsbürgerschaft zubekommen, wie in Österreich.bekommen, wie in Österreich. Laut einer Studie des „MigrantIntegration Policy Index“, die 52 Länder untersucht hat, istÖsterreich beim Zugang zur Einbürgerung gemeinsam mitBulgarien Schlusslicht in Europa. Europäische Spitzenreiterbei der Einbürgerung sind Portugal und Schweden und selbstin den USA sind dort geborene Menschen automatisch US-Staatsbürger. Hierzulande schaut man stattdessen auf denPass der Eltern, es gilt das Abstammungsprinzip (Ius sanguinis),und nicht das Geburtsrecht, das den Geburtsort berücksichtigt(Ius soli). So haben selbst hier geborene Kinder erstnach sechs Jahren Aufenthalt die Möglichkeit der Einbürgerungund müssen denselben komplizierten und kostspieligen Prozessdurchlaufen, wie neu Zugezogene: Sie müssen bis zu 2000Euro bezahlen, Deutsch- und Integrationsnachweise erbringenund dürfen oft nicht einmal harmlose Verkehrsdelikte begangenhaben.Diese österreichische Gesetzeslageführt nicht nur zur Ungleichbehandlung,sie nimmt Jugendlichen dasGefühl von Zugehörigkeit. Im Extremfalldroht die Abschiebung, wieEnde Jänner in Wien, als die Kindermitten in der Nacht mit einem riesigenPolizeiaufgebot vor den Augen ihrerprotestierenden MitschülerInnenabgeschoben wurden. Diese Geschehnisse sind keine Einzelfälle.In Österreich stehen Hunderte Kinder und Jugendlichevor ihrer Abschiebung. „Wer hat das Recht, sie einfach soabzuschieben und ihnen das alles zu nehmen?“, fragt sichMeri. Seit 18 Jahren ist Wien ihr Zuhause, wie Kani ist sie hiergeboren, aufgewachsen und geht zur Schule. Österreich istihr Leben. Trotzdem hat Meri die mazedonische und nicht dieösterreichische Staatsbürgerschaft, weil ihre Eltern sie zwarbeantragt aber nie bekommen haben. Wenn die Zeit kommt,will sie unbedingt die Staatsbürgerschaft beantragen. „Daswäre eigentlich nur die Bestätigung von dem, was ich eh schonbin.“Infolge der Abschiebungen in Wien hat die MenschenrechtsorganisationSOS Mitmensch eine Initiative für die faire Einbürge-/ POLITIKA / 11
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