„Das gehörtsich nicht füreine Somali“42 / EMPOWERMENT SPECIAL /
Sihaam Abdillahi ist 17 Jahre alt, politische Aktivistin– und Teil der Somali-Community in Wien. In ihremGastkommentar erzählt sie, wie sie sich trotzder traditionellen und patriarchalen Werte ihrerCommunity eine Stimme verschafft hat.© Zoe OpratkoSchämst du dich nicht, dassman dein Gesicht überallsieht?“ – Sätze wie diesendurfte ich mir von meinerCommunity schon oft anhören. Ich binSomali und Aktivistin. Das eine schließtfür mich das andere nicht aus. Abermein Umfeld will es nicht verstehen.Aufgrund der traditionalistischen Haltungvon vielen in der Community gibt essehr wenige somalische Flint*(Anm. d.Red.: Frauen, Lesben, Inter, Non-Binary,Trans)- Personen, die sich den Raumnehmen und ihre Geschichten erzählen.Sie haben die Befürchtung, siekönnten in Ungnade fallen. UnsereCommunity ist so darauf versessen, dassein Mädchen nur dann wirklich glänzenkann, wenn sie sich zurückhält. Dasheißt konkret: Wenn sie im Haushalt hilftund die große weite und ein wenig verkorksteWelt meidet. Nicht aufzufallen isteine Tugend, die jedes Somali Mädchenbesitzen sollte.ICH VERSCHAFFE MIREINE STIMME UND NERVEWEISSE ALTE CIS-MÄNNERMein Aktivismus ist von meiner intersektionalen(Anm. d. Red,: Intersektionalbedeutet die Überschneidung mehrererDiskriminierungskategorien) Identitätgeprägt. Als schwarze Hijabi und alsFlint*-Person bin ich eine Zielscheibefür rassistische, sexistische und faschistischeSprüche und genau dagegenkämpfe ich. Und obwohl meine Familiesich mit meinem Aktivismus identifizierenkann – immerhin behandle ich Themenwie Antirassismus, Politik, oder Bildung-, stellen sie mir immer die ein- und dieselbeFrage: „Warum musst du diejenigesein, die das thematisiert?“ Ich antworteihnen darauf, dass ich nicht länger aufeine idealisierte Heldin, die mich repräsentiert,warten werde. Ich will selbstdiese Heldin sein. Sie sind zwar nichtbegeistert davon, dass ich schon mit 17derart politisiert bin. Ich habe ihnen aberbewusst gemacht, dass ich sicher nichtaufhören werde. Die Dickköpfigkeit liegtin der Familie. Selbst als ich als ersteschwarze Hijabi Landesschulvertreteringeworden bin und das eigentlich nurzelebrieren wollte, ist es einigen negativaufgestoßen. Warum ist es so verwerflich,gesehen und gehört werden zuwollen, wenn weiße alte Männer unsereCommunity als ein Pack voller gewalttätiger,ungebildeter Asylanten darstellen?Sollte nicht eine Lobeshymne gesungenwerden, wenn ich den Menschenzeige, was unsere Community alles zubieten hat? Das einmalige und kaum zuübertreffende Essen zum Beispiel, denZusammenhalt innerhalb der Community,die Schönheit unserer Festtageund unsere traditionelle Kleidung, dieunsere Verbundenheit zu unserem Landrepräsentiert. Oder liegt es schlicht undeinfach daran, dass ich eine weiblichassoziierte Person bin?Ich bin da draußen, verschaffe mireine Stimme und nerve weiße alteCis-Männer. Ich zeige ihnen mit meinerStärke und meinem Durchhaltevermögen,dass ich hergekommen bin, um zubleiben. Und ich soll damit aufhören,damit ich eine gute Hausfrau* werde?Damit ich mir diktieren lasse, wie ich seinsoll? Sicher nicht.ICH ENTFERNE TOXISCHEMENSCHEN AUS MEINEMLEBEN. NATÜRLICHHÖFLICH, WIE SICH DASFÜR EINE SOMALI ZIEMT.Am Anfang dachte ich, dass ich gezwungenbin, eine Art Doppelleben zu führen.Zu verheimlichen, dass ich auf Demosgehe und meine Erfolge, wie beispielsweisedie Wahl in die Landesschulvertretungoder auch den Sieg beimRedewettbewerb „Sag‘s Multi“ oder auchdie Tatsache, dass ich im Landesteamder Aktion Kritischer SchülerInnen Wienbin, geheim zu halten.Die somalische Community tendiertdazu, zu denken, dass eine Flint*-Personam besten aufgehoben ist, wenn siesich lediglich in den Kreisen ihrer Familieaufhält. Kritisch und auffallend zu seinwürden nur der Reputation der Flint*-Person schaden und nach außen solltesie wie ein stets eleganter, zurückhaltenderSchatten sein, der weder gesehen,noch gehört wird.Aber das widerspricht meiner Natur.Ich liebe es, auf Demos zu gehen, undich feiere gerne mit meinen geliebtenMenschen meine hart erarbeiteten Erfolgeund auch Niederlagen. Wie kurz nachdem Terroranschlag im November, als ichkurz davor war aufzugeben, weil ich esnicht mehr geschafft habe, mich von denHassnachrichten nicht treffen zu lassen.Ich habe aufgehört, toxische Menschen– seien es Leute aus der somalischenCommunity oder die alten weißenMänner, die mich verunsichern möchtenund mich meiner Stimme und meinerStärke berauben wollen – zu rechtfertigen.Manche Menschen in meinerUmgebung wollen mich daran hindern,ich selbst zu sein, und deshalb sprecheich ihren Meinungen jeglichen Wert ab.Ich weiß, wer ich bin und wohin ich will,und was ich will – das ist alles, was zählt.Und so entferne ich sie aus meinemLeben. Natürlich mache ich das höflich,wie sich das für eine Somali ziemt. ●Zur Autorin: Sihaam Abdillahi ist 17Jahre alt, Landesschülervertreterin undpolitische Aktivistin. Sie setzt sich fürSelbstbestimmung und Ermächtigungjunger Frauen ein./ EMPOWERMENT SPECIAL / 43
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