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Tanya gründete OXUS, das erste persische Fernsehen für geflüchtete
Menschen aus Afghanistan in Österreich.
Hattest du Angst?
Ja, viel. Denn mein Leben warf zu viele
Fragen auf: Warum ich allein bin, was
ich für eine Familie haben muss, die mir
erlaubt, als Flüchtling allein zu kommen...
Deswegen habe ich die ersten fünf
Jahre Abstand zu meiner Community
genommen – bis ich 2015 zu biber in die
Akademie kam.
Wo hast du vor der biber-Journalismus-
Akademie gearbeitet?
Am Flughafen.
Wie war das für dich? Immerhin warst
du in deinem Leben davor ein Star mit
Chauffeur.
Psychisch war ich damals nicht gut
beieinander. Ich war in Afghanistan
„Jemand“. Ich war eine sehr bekannte
Frau, die aus einer bekannten Familie
kommt und auf einmal bin ich hier ein
Flüchtling, eine Afghanin, eine Muslima.
Das war sehr schwierig für mich. Und
auch wenn meine Arbeit am Flughafen
okay war, es war nicht meine Branche.
Also habe ich den Wiedereinstieg in
meinen Beruf gewagt – und bei der
Fairversity-Messe bin ich auf die biber-
Akademie gestoßen.
Du hast auch begonnen, dich in deiner
Community zu engagieren. Warum?
In den fünf Jahren Abstand von meiner
Community war ich meistens in der
österreichischen Gesellschaft unterwegs.
Da habe ich gemerkt: Alle haben mich
respektiert, bis sie sie erfahren haben,
dass ich aus Afghanistan komme. Dann
sind sie auf Distanz gegangen. Damals
habe ich mich gefragt, warum die Leute
so denken. Durch biber habe ich mehr
erfahren und auch mehr Nachrichten
gehört. Ich habe plötzlich realisiert,
welch negatives Image die Afghanen
in Österreich haben. Also habe ich
begonnen, etwas zu machen, um die
Integration der afghanischen Leute zu
beschleunigen und das negative Image
zu bekämpfen.
Was machst du genau bei deinem Medienprojekt
OXUS?
Ich mache die positiven Beispiele sichtbar.
In der afghanischen Community
„
Wenn du keine Familie,
keinen Bruder hier
hast, bist du dann noch
eine gute Frau?
“
haben wir genügend Jugendliche, die
etwas geschafft haben. Sie haben eine
Ausbildung, eine Arbeit… 30-40 Prozent
arbeiten in sehr guten Bereichen und
bringen gute Leistungen. Aber niemand
berichtet darüber. Nur wenn einer etwas
Schlimmes gemacht hat, dann explodiert
das wie eine Bombe und betrifft alle
Afghanen. Das ist schade. Deswegen
habe ich OXUS gegründet, das erste
persische Fernsehen für geflüchtete
Menschen aus Afghanistan in Österreich.
Einmal um zu informieren, was in Österreich
im Bereich Asyl, Integration und
Co passiert. Das zweite Ziel: Wir wollen
afghanische Jugendliche und Frauen
motivieren.
Wobei motivieren?
Afghanische Frauen sind in einer nichtoffenen
Gesellschaft aufgewachsen. Sie
wurden in Afghanistan stets unterdrückt.
Ob im Bildungsbereich, in der Arbeit und
in der Gesellschaft – Frauen werden diskriminiert.
Wenn sie nun hierherkommen,
dann wollen sie meist schnell heiraten.
Die Heirat steht im Mittelpunkt für
afghanische Frauen. Das ist Tradition. Sie
haben Angst, zu alt zu werden und dass
sie dann keiner mehr will. Deswegen ist
es auch für Familien sehr wichtig, dass
sie ihre Töchter schnell verheiraten.
Auch in Österreich?
Ja, auch für die meisten afghanischen
Frauen in Österreich. Karriere ist keine
wichtige Sache. Deswegen machen wir
bei OXUS Portraits und Reportagen über
starke Frauen, die zum Beispiel trotz oder
mit Mann und Kindern Karriere gemacht
haben und sich in der Community engagieren.
Wir erreichen damit wirklich gute
Aufrufzahlen: Zuletzt hat eine Reportage
eine halbe Million Aufrufe und 1.800
Shares gehabt. Und auch für Wirbel in
der Community gesorgt.
Worum ging es da?
Es war eine Reportage über eine Frau,
die in Wieneine erfolgreiche Unternehmerin
ist. Aber das Problem für
unsere Community war, dass sie einen
arabischen Mann geheiratet hat. Denn
Heiraten mit anderen Kulturen sind ein
Tabu für afghanische Frauen. Obwohl
ihr Ehemann Muslim war. Es ging um
seine Nationalität, er stammt aus dem
Irak. So wie für Österreicher Menschen
aus Afghanistan keine gute „Bewertung“
genießen, so ist das auch bei uns in
Afghanistan mit Ländern wie dem Irak.
Sehen die Frauen das auch so – oder
würden sie gerne einen Nicht-Muslim
oder Nicht-Afghanen heiraten?
Ich glaube, die afghanischen Frauen sind
offener als die Männer. Für eine gebildete
afghanische Frau ist es kein Problem
einen Mann aus einem anderen Land,
einer anderen Religion oder Kultur zu
heiraten. Aber trotzdem ist es schwer.
Weil sie damit ein anderes Bild in der
Gemeinschaft bekommen wird – ein
negatives.
In deinen zahlreichen Projekten gehst du
auch die Problematik der Analphabetin-
© OXUS TV
34 / EMPOWERMENT SPECIAL /