Medizin - Berliner Ärzteblatt
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Praxis & Recht<br />
Überstunden in der Arztpraxis<br />
Arbeit ohne Ende?<br />
Die Arbeit in einem Heilberuf bringt erhebliche arbeitszeitliche Belastungen mit sich. Während die<br />
Belastungsgrenze des Freiberuflers oftmals lediglich durch die eigene Gesundheit und die Bedürfnisse<br />
der Familie definiert wird, gelten für den Arbeitnehmer rechtliche Vorgaben, die vom Arbeitgeber<br />
einzuhalten sind.<br />
Dem Schutz der Sicherheit und<br />
der Gesundheit des Arbeitnehmers<br />
dient das Arbeitszeitgesetz.<br />
Dieses sieht als Grundregel eine<br />
werktägliche Arbeitzeit von acht<br />
Stunden vor, die auf bis zu zehn<br />
Stunden verlängert werden kann,<br />
wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten<br />
im Durchschnitt<br />
acht Stunden werktäglich nicht<br />
überschritten werden. Die regelmäßige<br />
wöchentliche Höchstarbeitszeit<br />
beträgt 48 Stunden. Das<br />
Arbeitszeitgesetz erlaubt demnach<br />
jährlich 48 Wochenstunden<br />
in 48 Wochen (52 Jahreswochen<br />
minus vier Wochen Mindesturlaub<br />
gemäß Bundesurlaubsgesetz).<br />
Das ergibt eine Jahresarbeitszeit<br />
von 2 04 Stunden. Mehr<br />
geht nicht.<br />
Diese öffentlich-rechtliche Vorgabe,<br />
die im Übrigen straf- und<br />
bußgeldbewährt ist, steckt allerdings<br />
nur den generellen Rahmen<br />
zulässiger Beschäftigung ab. Sie<br />
sagt nichts darüber aus, ob der<br />
Arbeitgeber im Einzelfall Überstunden,<br />
d. h. die Überschreitung<br />
der dem Arbeitsvertrag zugrunde<br />
liegenden Arbeitszeit, anordnen<br />
darf. Denn grundsätzlich gilt,<br />
dass der Arbeitnehmer ohne ausdrückliche<br />
Vereinbarung nicht<br />
verpflichtet ist, Überstunden zu<br />
leisten. Eine solche Vereinbarung<br />
befindet sich bei der Tätigkeit<br />
in einer Arztpraxis regelmäßig<br />
im Arbeitsvertrag, aber auch<br />
Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen<br />
können entsprechende<br />
Regelungen enthalten. Ohne derartige<br />
Vereinbarung kann der Ar-<br />
Foto: AOK<br />
Arbeitszeit: Zu leistende Überstunden<br />
regeln<br />
beitgeber Überstunden nur in<br />
unvorhersehbaren Not- oder Ausnahmefällen<br />
einseitig anordnen,<br />
wenn dies zur Abwehr von Gefahren<br />
oder zur Wahrung erheblicher<br />
betrieblicher Interessen erforderlich<br />
ist. Widersetzt sich der<br />
Arbeitnehmer dieser Verpflichtung,<br />
die aus seiner Treuepflicht<br />
gegenüber dem Arbeitgeber hergeleitet<br />
wird, kann dies eine Abmahnung<br />
und sogar eine Kündigung<br />
rechtfertigen.<br />
Um auf Personalengpässe in<br />
der Praxis – beispielsweise durch<br />
Krankheit – reagieren zu können,<br />
empfiehlt sich daher die Aufnahme<br />
einer entsprechenden Klausel<br />
in den Arbeitsvertrag, die folgendermaßen<br />
lauten könnte: „Die regelmäßige<br />
Arbeitszeit beträgt 40<br />
Stunden pro Woche. Der Arbeitnehmer<br />
ist verpflichtet, bei Bedarf<br />
auf Anordnung des Arbeitgebers<br />
bis zu fünf Überstunden<br />
pro Woche zu leisten.“<br />
Ist die Vergütung der Überstunden<br />
nicht ausdrücklich im Arbeits-<br />
oder in einem anwendbaren<br />
Tarifvertrag geregelt, sind<br />
diese gesondert zu vergüten bzw.<br />
mit Freizeit auszugleichen. Allerdings<br />
muss der Arbeitgeber nur<br />
die Überstunden kompensieren,<br />
die er angeordnet oder geduldet<br />
hat, die also mit seinem „Wissen<br />
und Wollen“ geleistet wurden.<br />
Im Streitfall trifft den Arbeitnehmer<br />
die Darlegungs- und Beweislast.<br />
Hierzu gehören alle tatsächlichen<br />
Voraussetzungen, aus<br />
denen sich ergibt, dass angeordnete<br />
oder zumindest geduldete<br />
sachdienliche Überstunden geleistet<br />
wurden.<br />
Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung,<br />
nach der alle anfallenden<br />
Überstunden mit dem Monatsentgelt<br />
pauschal abgegolten werden,<br />
ist mangels Bestimmtheit unwirksam.<br />
Vielmehr muss in einem Arbeitsvertrag<br />
die Höchstzahl der<br />
pauschal vergüteten Überstunden<br />
pro Monat festgelegt werden,<br />
beispielsweise: „Mit dem Monatsgehalt<br />
sind zehn Überstunden im<br />
Monat abgegolten.“<br />
Um Streitigkeiten zu vermeiden,<br />
empfiehlt sich daher für jeden<br />
Praxisinhaber, von vornherein<br />
Regelungen hinsichtlich der<br />
Möglichkeit der Anordnung von<br />
Überstunden sowie deren Vergütung<br />
in den Arbeitsvertrag aufzunehmen.<br />
Dr. Christopher Liebscher, LL.M.,<br />
Rechtsanwälte Meyer-Köring v. Dan-<br />
witz Privat, Telefon: 030/206298-6,<br />
E-Mail: liebscher@mkvdp.de<br />
16 06/2007/120/160 (Rotes Blatt) <strong>Berliner</strong> <strong>Ärzteblatt</strong>