Medizin - Berliner Ärzteblatt
Medizin - Berliner Ärzteblatt
Medizin - Berliner Ärzteblatt
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Aktuelle Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen<br />
Aus Fehlern lernen<br />
Der Anspruch seitens der Patienten, über Behandlungsfehler aufgeklärt zu werden, wächst. Auch<br />
wenn die Zahl der Schlichtungsanträge vom Jahr 2005 zum Jahr 2006 um 1,9 Prozent abnahm, ist<br />
eine Verdreizehnfachung in den vergangenen 0 Jahren zu beobachten. Im Jahr 1978 gingen 775 Anträge<br />
ein, 2006 waren es 10 280 Anträge.<br />
Fehler passieren – wo nicht? In<br />
der <strong>Medizin</strong> insbesondere auch,<br />
weil die Rahmenbedingungen<br />
kontinuierlich schlechter werden.<br />
Offiziell aktenkundig werden<br />
40 000 Verdachtsfälle. Etwa<br />
75 Prozent werden dabei außergerichtlich<br />
verglichen. Ein Viertel<br />
der Verfahren landet bei den<br />
Schlichtungsstellen der Ärztekammern.<br />
Wie hoch die Dunkelziffer<br />
nicht bekannt gewordener<br />
Behandlungsfehler ist, weiß niemand.<br />
Patientenvorwürfe<br />
* Zahlen ohne Bayern, da nicht mittels MERS ermittelt<br />
Bislang informierte eine Statistik<br />
lediglich über die Ansprüche und<br />
Entscheidungen und erlaubte keine<br />
konkreten Aussagen zum Inhalt<br />
der erhobenen Anträge.<br />
Dank Computer können nun bundesweit<br />
auch qualitative Informationen<br />
der Begutachtungsverfahren<br />
aufgenommen werden.<br />
Daraus geht für das Jahr 2006<br />
hervor: Die häufigsten Vorwürfe<br />
in der Diagnosestellung lie-<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Ärzteblatt</strong> (Rotes Blatt) 06/2007/120/161<br />
gen für die Hüftgelenkarthrose<br />
vor, gefolgt<br />
von Kniegelenkarthrosen,<br />
Frakturen an Unterschenkel/Sprunggelenk<br />
und Unterarm. An fünfter<br />
Stelle positioniert<br />
sich der Fehlerverdacht<br />
in der Diagnose bösartiges<br />
Mammakarzinom.<br />
Doch die vorgeworfene<br />
Fehl- oder Falschdiagnose<br />
durch bildgebende<br />
Verfahren (Platz ) oder eine<br />
A n a m n e s e / U n t e r s u -<br />
chung (Platz 5) sind nur<br />
ein „Stück des Kuchens“.<br />
Weiter geht es mit Anträgen<br />
bzgl. der Therapie<br />
op./Durchführung<br />
(sogar auf Platz 1), der<br />
Therapie postoperativer<br />
Maßnahmen (Platz 2)<br />
und einer fehlerhaften<br />
Aufklärung durch den<br />
Arzt über potentielle<br />
Risiken (Platz 4). Fehlervorwürfe„konservative<br />
Therapie“ (Platz 6)<br />
und „Pharmaka-Therapie“<br />
(Platz 8) ergänzen<br />
die Liste. Die Gutachter bejahten<br />
für das Jahr 2006 nur bei etwa<br />
einem Fünftel der Anträge ärztliche<br />
Fehler.<br />
Interessanterweise ist nur bei<br />
einem Drittel der Patienten ein<br />
primäres Ziel der Untersuchung<br />
eine finanzielle Entschädigung.<br />
Dagegen zielen 50 Prozent auf<br />
die Ermittlung der genauen Umstände<br />
des Geschehens ab; 46 Prozent<br />
haben den Wunsch nach dem<br />
2006 2005<br />
Sachentscheidungen gesamt 6751 7320<br />
11949 10496<br />
Gesamtzahl der Vorwürfe<br />
(Bezug auf Sachentscheidungen, max. 4/Sachentscheidungen)<br />
Die häufigsten Vorwürfe *<br />
(Bezug auf Gesamtzahl der Vorwürfe)<br />
Therapie op., Durchführung 2998<br />
Therapie postop. Maßnahmen 861<br />
Diagnostik, bildgebende Verfahren 858<br />
Aufklärung, Risiko 654<br />
Diagnostik, Anamnese/Untersuchung 636<br />
Therapie, konservativ 599<br />
Diagnostik, allgemein 539<br />
Therapie, Pharmaka 477<br />
Indikation 474<br />
Therapie op., Verfahrenswahl 397<br />
Erläuterung: Begutachtungsanträge können einen oder mehrere Behandlungsfehlervorwürfe<br />
betreffen. Bei mehreren Vorwürfen werden maximal die vier wichtigsten statistisch<br />
erfasst. Deshalb ist die Zahl der unter "Gesamtzahl der Vorwürfe" angegebenen Vorwürfe<br />
größer als die Bezugszahl der Sachentscheidungen.<br />
* gegliedert nach den Teilbereichen äzrtlicher Tätigkeit<br />
Quelle: Bundesstatistik der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen,<br />
Grafik: BÄ<br />
Fachgebietseinteilung der Antragsgegner 2006<br />
* Zahlen ohne Bayern, da nicht mittels MERS ermittelt<br />
Praxis Klinik<br />
Hausärztlich tätiger Arzt 389 Unfallchirurgische<br />
Orthopädie<br />
1063<br />
Orthopädische Chirurgie 336 Allgemeinchirurgie 943<br />
Allgemeinchirurgie 249 Orthopädische Chirurgie 629<br />
Frauenheilkunde 239 Frauenheilkunde 418<br />
Innere <strong>Medizin</strong> 218 Innere <strong>Medizin</strong> 395<br />
Unfallchirurgie Orthopädie 190 Anästhesiologie und<br />
Intensivmedizin<br />
179<br />
Augenheilkunde 149 Urologie 166<br />
Radiologie 98 Neurochirurgie 164<br />
Haut- und Geschlechtserkrankungen<br />
79 HNO-Heilkunde 134<br />
Urologie 71 Geburtshilfe 134<br />
Quelle: Bundesstatistik der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen,<br />
Grafik: BÄ<br />
Ausdruck des Bedauerns. Dies berichtete<br />
Rechtsanwalt Ralf Großbölting<br />
(Kanzlei für Wirtschaft<br />
und <strong>Medizin</strong>, kwm) in einem Gespräch.<br />
Großbölting bezieht sich<br />
dabei auf die 20-jährige Erfahrung<br />
aus der <strong>Medizin</strong>rechtskanzlei<br />
kwm mit über 250 Arzthaftpflichtfällen<br />
pro Jahr.<br />
10 280 Anträge gingen im Jahr<br />
2006 laut Statistik bei den Schlichtungsstellen<br />
der Bundesärztekammer<br />
ein. Dabei liegt bei der<br />
Betrachtung der Fachgebietsabteilungen<br />
in der Praxis der hausärztlich<br />
tätige Arzt an Spitze. In<br />
der Klinik ist es die unfallchirurgische<br />
Orthopädie.<br />
Das neue „Medical Error Reporting<br />
Systems“ (MERS) soll die Fehlerhäufigkeiten<br />
vor allem erkennen,<br />
um sie für die Fortbildung<br />
und Qualitätssicherung zu nutzen.<br />
Mit dem Vorbild der USA?<br />
Diese plant mit einer Kampagne<br />
gegen <strong>Medizin</strong>fehler – „5 Million<br />
Lives“ – innerhalb von zwei Jahren<br />
(bis Dezember 2008), die Zahl<br />
der <strong>Medizin</strong>fehler um 5 Millionen<br />
zu verringern. (www.ihi.org)<br />
Dr. Alexandra Weber<br />
17<br />
Praxis & Recht