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Dissertation

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als die Entwicklung zu Beginn der NS-Herrschaft ist jene nach deren Ende. Gerade in der<br />

Hochphase der Entnazifizierung zwischen 1945 und 1948, wo vielerorts der Lehrkörper<br />

drastisch reduziert wurde, wuchs er in der Göttinger Physik deutlich an. Dieses<br />

erklärungsbedürftige Phänomen wird in der zweiten Hälfte dieses Kapitels eingehend<br />

diskutiert. Es kann hier schon vorausgeschickt werden, dass es sich nicht um eine<br />

Vermehrung der Planstellen handelte, sondern dass eine Reihe von stellenlosen Physikern in<br />

fürsorglicher Weise aufgenommen wurde.<br />

Bei der Frage nach der Qualitätsänderung in der Göttinger Physik interessiert, wie der neue<br />

Anforderungskatalog an Hochschullehrer, der ’Qualitäten‘ wie rückhaltloses Eintreten für den<br />

„nationalen Staat“ und „arische Rasse“ enthielt, sich in der Besetzung der Göttinger<br />

Lehrstühle und der Assistentenstellen auswirkte. Mit dieser Fragestellung rückt die<br />

Berufungspraxis ins Zentrum der Untersuchung. Auch wenn das Hauptinteresse den<br />

Karriereverläufen und ihren Bedingungen in den vierziger Jahren gilt, so ist für ein tieferes<br />

Verständnis die Kenntnis der Vorgeschichte nötig, zum Beispiel die Umstände der<br />

Lehrstuhlnachbesetzungen nach den Vertreibungen des Jahres 1933. Zu Beginn der<br />

Darstellung wird die personelle Ausgangsbasis zu Ende der Weimarer Republik kurz<br />

skizziert.<br />

1.1 Institutionelle und personelle Ausgangssituation<br />

Die Neuordnung der Physikinstitute und -lehrstühle geschah in den Jahren 1920/21 mit der<br />

Neubesetzung des Extraordinariats für angewandte Elektrizität und der beiden Ordinariate für<br />

Experimentalphysik und mathematische Physik. Mit Wirkung vom 1. April 1921 wurden auf<br />

den Lehrstuhl für Experimentalphysik James Franck und auf jenen für mathematische Physik<br />

Max Born berufen. Die außerordentliche Professur für angewandte Elektrizität erhielt im<br />

Oktober 1920 Max Reich, der bei dieser Gelegenheit zum persönlichen Ordinarius ernannt<br />

wurde. Gleichzeitig wurde die außerordentliche Professur für Experimentalphysik, die seit<br />

1916 mit Robert Wichard Pohl besetzt war, zu einem planmäßigen Ordinariat aufgewertet. 69<br />

Diese vier Abteilungen der Göttinger Physik bekamen 1922 neue Institutsnamen: 70<br />

abzulesen sind (S. 95). Nicht nur für Gießen, sondern auch für Göttingen dürfte zutreffen, dass über einem<br />

stabilen Sockel der Ordinarien sich ein in den zwanziger Jahren stetig wachsender Überbau von Nichtordinarien<br />

ausbreitete, der als Folge der NS-Wissenschaftspolitik wieder zusammenschrumpfte.<br />

69 Diese hier verkürzt und vereinfacht dargestellten Verhältnisse in der Abfolge der Lehrstuhlinhaber waren in<br />

Wirklichkeit etwas verwickelter. Dies fürhte dazu, dass sie in der Literatur teilweise so dargestellt sind, als<br />

wurde um 1920 mit Tricks ein neuer Lehrstuhl geschaffen. Am ausgeschmücktesten findet sich diese<br />

Darstellung bei Jungk [1956/90] S. 37. Den Ursprung dieses Mythos lieferte Born in dem kommentierten<br />

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