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Dissertation

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sich also ein Tausch an. Pohl schlug vor, dass Gudden seinen eigenen Assistenten ins<br />

Reichspostzentralamt gebe und dafür Stierstadt als Assistenten übernehme. Für die Qualitäten<br />

Stierstadts könne Pohl allerdings keine Verantwortung übernehmen, da dieser „nicht aus<br />

meinem Laden hervorgegangen ist“ und er ihn persönlich nicht genau kenne. „Ich bin ja in<br />

der ganzen Angelegenheit vollständig desinteressiert. Betrachten Sie mich nur als Makler,<br />

dem Sie evtl. ganz kurz auf einer Postkarte ein Nein schreiben können.“ 85<br />

Dieser letzte Satz zeigt ganz eindrucksvoll, wie die Verbindungen innerhalb des kollegialen<br />

Netzes wirkten. Selbst wenn Reich und Gudden keine direkte engere Berührung hatten, so<br />

wurden sie über den Makler Pohl in die Lage versetzt, ihren Nachwuchs zu protegieren. 86<br />

Dass Pohl bei jenen Nachwuchswissenschaftlern, die aus seinem eigenen „Laden“<br />

hervorgingen, effektiver vorgehen konnte, legt der geschilderte Vorgang nahe; ein paar<br />

Beispiele sind bei Eckert und Schubert nachzulesen. 87 Dass diese geplante Rochade gerade in<br />

der politisch heißen Zeit Anfang 1933 zur Debatte stand, ist bloß ein Zufall und hat in diesem<br />

Fall nichts mit dem politischen Machtwechsel und den neuen Gesetzen zu tun. Wie der<br />

nächste Abschnitt zeigt, wirkten sich die neue Gesetzeslage in Göttingen gerade in der Physik<br />

besonders stark aus. In einzelnen Fällen hätte aber der Weggang eines Dozenten auch ohne<br />

die gesetzlich legitimierte Vertreibung erfolgen können.<br />

1.2 Personalpolitik an den Physikinstituten im Nationalsozialismus<br />

Der Verlust von Franck und Born für Göttingen 1933 wird meist als Folge der NS-<br />

Gesetzgebung dargestellt. Nun ist es unstrittig, dass die Emigration beider ins Ausland eine<br />

Folge der neuen Gesetze war, doch wenn man den Blickwinkel nicht nur auf Göttingen<br />

richtet, so sieht die Lage etwas anders aus. Es ist nämlich möglich, dass Franck Göttingen<br />

auch dann verlassen hätte, wenn es zu keiner rassistischen Gesetzgebung gekommen wäre. Er<br />

stand seit 1931 in Berufungsverhandlungen mit dem Ministerium wegen der anstehenden<br />

Besetzung des Nernst‘schen Lehrstuhls in Berlin. Ende 1932 stand er an erster Stelle der<br />

Berufungsliste und fuhr im Januar 1933 zu Verhandlungen ins Ministerium. Neben der<br />

In dieser Zeit bekleidete Herbert Ruprecht die Assistentenstelle. Anschließend bekam sie wieder Stierstadt, der<br />

dann mit 31. März 1933 endgültig ausschied. Sein Nachfolger wurde wieder Ruprecht. UAG, Sek. 335.60.<br />

85 Brief Pohl an Gudden, 6. Februar 1933. UAG, Rek. 5250 / 7A.<br />

86 Letztendlich fand kein Tausch mit Guddens Assistent statt, sondern Stierstadt übernahm die<br />

Oberassistentenstelle an der TH Hannover bei Professor Precht. 1934 wurde er Dozent und<br />

wehrwissenschaftlicher Mitarbeiter für das Reichskriegsministerium und das Reichsluftfahrtministerium am<br />

I. Physikalischen Institut der Universität Berlin.<br />

87 Zu Pohls Einfluss in der akademischen Personalpolitik siehe Eckert & Schubert [1986] S. 119-121, 125f.<br />

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