23.12.2012 Aufrufe

Dissertation

Dissertation

Dissertation

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

0.1 Thema und Forschungsstand<br />

6<br />

0 Einleitung<br />

Diese Arbeit möchte in erster Linie zwei Prozesse untersuchen: die Nazifizierung und die<br />

Entnazifizierung der Physik an der Universität Göttingen. Damit steht die politische<br />

Beeinflussung der Wissenschaft im Zentrum der Untersuchung, die am Beispiel eines lokal<br />

und disziplinär begrenzten Teilbereichs der Hochschulwissenschaft durchgeführt wird. Unter<br />

Nazifizierung ist jene Veränderung des Wissenschaftsbetriebs zu verstehen, die ihn in<br />

ideologischer und personeller Hinsicht sowie bezogen auf die Forschungsinhalte und<br />

Anwendungen auf die Ziele des NS-Staates ausgerichtet hat. 1 Wie tiefgreifend die<br />

Universitäten nazifiziert wurden, ob man überhaupt von einer Nazifizierung sprechen solle<br />

und ob sich der Einfluss des NS-Staates von anderen staatlichen Eingriffen grundlegend<br />

unterscheide, ist Gegenstand neuester vergleichender Studien. 2 Die Entnazifizierung ist<br />

demgegenüber ein Prozess, der von den Alliierten und den Deutschen in zwei fast<br />

entgegengesetzte Richtungen gelenkt wurde. Dementsprechend besitzt auch der Begriff<br />

Entnazifizierung zwei unterschiedliche Bedeutungen: Ursprünglich bezeichnet er die<br />

Rückgängigmachung der Nazifizierung. Unter alliierter Führung wurde an den Universitäten<br />

das Personal politisch überprüft, Wiedergutmachung der NS-Vertreibungspolitik gefordert<br />

und die Forschung entmilitarisiert und kontrolliert. 3 Von deutscher Seite wurde die<br />

Entnazifizierung bald zu einem Prozess umgewandelt, der in den meisten Fällen zu einer<br />

Bescheinigung der jeweiligen politischen Unverdächtigkeit führte, und in diesem Sinn wurde<br />

1 Von einer Nazifizierung der deutschen Hochschulen wurde bereits unmittelbar nach Ende der NS-Herrschaft<br />

gesprochen. In dem erstmals 1946 publizierten Buch Hitler’s Professors schreibt Max Weinreich [1946/99]<br />

S. 240: „As time progressed, the bulk of university scholars, of scholarly periodicals, of publishing houses was<br />

entirely Nazified.“ Der amerikanische Universitätskontrolloffizier Daniel Penham äußerte im Februar 1946 ganz<br />

ähnlich: „Heidelberg University, as well as all of the German Universities, had been, over a period of twelve<br />

years, Nazified to the core.“ Zitiert nach Remy [2002] S. 146. Zu einer Einschätzung dieses wie des<br />

gegenteiligen Standpunkts der deutschen Professoren siehe Schildt [1997]; Führ [1993].<br />

2 In diesem Zusammenhang äußerte sich kürzlich Walker [2003]a S. 1 skeptisch. Obwohl in den vergangenen<br />

drei Jahrzehnten viele ausgezeichnete Studien zu der Verbindung von Wissenschaft und Nationalsozialismus<br />

verfasst wurden, stehe man heute immer noch vor der Frage, ob, und wenn ja, welchen spezifischen Einfluss der<br />

Nationalsozialismus auf die Wissenschaften nahm. Siehe auch das Kapitel „Nazifizierung und Entnazifizierung“<br />

in Walker [1990/92] und [1994]a zur Anwendung des Begriffspaars auf die Physik. Zur Physik im<br />

Nationalsozialismus siehe Hentschel & Hentschel (Hrsg.) [1996].<br />

3 Zur Forschungskontrolle siehe die zeitgenössischen Berichte Frowein [1950]a, [1950]b; sowie die historischen<br />

Arbeiten Stamm [1981]; Osietzky [1984]; Cassidy [1994], [1996] und Heinemann [2001]. Zur<br />

Forschungsplanung siehe die wissenschaftshistorischen Arbeiten Eckert [1990]; Carson [1999]; Mertens [1996]<br />

sowie die Darstellung des damals beteiligten Zierold [1984].

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!