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Dissertation

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leugnete aber nicht seine wissenschaftliche Herkunft. In einer Würdigung von Lenards<br />

Verdiensten anlässlich des 80. Geburtstags, publiziert im Mai 1942, bezeichnete es Kossel als<br />

Glück, in Lenards Institut gearbeitet zu haben. Er würdigte Lenards Arbeiten aus der Zeit um<br />

die Jahrhundertwende, ging aber mit keinem Wort auf Lenards Nähe zum<br />

Nationalsozialismus oder die Entwicklung der „Deutschen Physik“ ein. 112 Kossel hielt auf<br />

diese Weise politische Distanz und sicherte sich durch die alleinige Würdigung der in der<br />

Fachwelt anerkannten Leistungen Lenards seine eigene wissenschaftliche Anerkennung<br />

innerhalb des Kollegenkreises. Er schaffte es, zu so gegensätzlichen Physikern wie Lenard<br />

und Laue gute Beziehungen zu behalten. Es lässt sich also schließen, dass sowohl Kossel wie<br />

auch Joos 1933/34 nicht als eindeutige Nationalsozialisten gelten konnten, ungeachtet der<br />

Unmöglichkeit, den Begriff „eindeutiger Nationalsozialist“ klar zu definieren.<br />

Da die Fakultät das geforderte Urteil über Joos und Kossel verweigerte und sich über die<br />

politische Haltung der Kandidaten verschlossen hielt, wurde nun der Göttinger Rektor aktiv<br />

und erkundigte sich persönlich bei seinem Danziger Amtsgenossen über Kossel. Das Urteil<br />

des Rektors der TH Danzig, Pohlhausen, fiel ambivalent aus. Er äußerte sich kritisch zu<br />

Kossels Qualitäten als Wissenschaftler. Kossel trüge zwar einen guten Namen, ob er<br />

allerdings auch an einem großen Experimentalphysik Institut ganz am Platze wäre, stand für<br />

Pohlhausen nicht fest. Die Seminarteilnehmer klagten über Kossel, dass er über die neuesten<br />

Fortschritte in der Physik nicht auf dem Laufenden sei. Pohlhausen bekam von Kollegen auch<br />

die Auskunft, dass eine „nochmalige Berufung etwas unverdient sei“. Positiv bewertete er,<br />

dass Kossel sich als Rektor in Kiel „sehr brav gegen links geschlagen“ habe.<br />

„Deutschnational im guten Sinne, nie Soldat gewesen, kein Pg., aber durchaus Verständnis<br />

für die nat.soz. Auffassungen.“ In politischer und kollegialer Hinsicht erschien Kossel dem<br />

Danziger Rektor nicht hundertprozentig verlässlich. Die Frage, ob es eine gedeihliche<br />

Zusammenarbeit mit anderen Kollegen geben könne, quittierte er mit: „ja?“ 113 Also auch<br />

Kossels politisches Kapital war mit Makel versehen. Als Deutschnationaler genoss er nur<br />

eingeschränktes Vertrauen bei den Nationalsozialisten.<br />

Eine Woche nach der ministeriellen Anfrage zu Kossel und Joos berichtete der Göttinger<br />

Dekan dem Rektor über eine Unterredung mit Pohl. Die Namen Kossel und Joos werden<br />

111 Siehe Lemuth & Stutz [2003]. Zu Joos Haltung siehe auch die geglättete Nachkriegsdarstellung seines<br />

Kollegen Meißner [1954]. Allgemeine Überlegungen zu Klassifizierungen von Naturwissenschaftlern in der Zeit<br />

von 1900 bis 1933 liefert Harwood [1993].<br />

112 Kossel [1942].<br />

113 Rektor der TH Danzig, Pohlhausen, an den Göttinger Rektor Neumann, 14. Dezember 1934. UAG,<br />

Rek. 3206b.<br />

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