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FINE Das Weinmagazin 53. Ausgabe - 02/2021

Die Themen dieser Ausgabe sind: MOSEL Karthäuserhof - Aufwachen Dornröschen, wir sind da! WEIN UND SPEISEN Jürgen Dollase im Restaurant >> DIE ENTE in Wiesbaden TASTING Das große Chardonnay-Tasting WEIN UND ZEIT Die Geschichte des Lübecker Weinhauses Tesdorpf CHAMPAGNE Buntes Blech mit Sammlerwert RHEINHESSEN Weingut Wechsler - Bauchgefühl und Spitzenlage TOSKANA Fattoria Le Mortelle DIE PIGOTT KOLUMNE Die neue Blüte des Beaujolais

Die Themen dieser Ausgabe sind:

MOSEL Karthäuserhof - Aufwachen Dornröschen, wir sind da!
WEIN UND SPEISEN Jürgen Dollase im Restaurant >> DIE ENTE in Wiesbaden
TASTING Das große Chardonnay-Tasting
WEIN UND ZEIT Die Geschichte des Lübecker Weinhauses Tesdorpf
CHAMPAGNE Buntes Blech mit Sammlerwert
RHEINHESSEN Weingut Wechsler - Bauchgefühl und Spitzenlage
TOSKANA Fattoria Le Mortelle
DIE PIGOTT KOLUMNE Die neue Blüte des Beaujolais

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JÄGER UND<br />

SAMMLER<br />

WIE BORDEAUX AN DER PREISSCHRAUBE DREHT<br />

Globalisierung, Klimawandel und zuletzt die Corona-Pandemie haben das Wesen der Bordeaux-<br />

Subskription verändert. Rentiert sie sich für die Käufer noch? Teil zwei unserer Geschichte der<br />

Bordeaux-Subskription wirft einen Blick in die jüngere Vergangenheit und die bewegte Gegenwart.<br />

Von STEFAN PEGATZKY<br />

Foto: Johannes Grau<br />

Es war eine Weltpremiere: Zum ersten Mal in der<br />

jahrzehntelangen Geschichte der En-Primeur-<br />

Verkostung des neuen Bordeauxjahrgangs fand<br />

die Präsentation nicht nur in Bordeaux, sondern auch<br />

in einer Handvoll weiterer Weinmetropolen statt:<br />

Hongkong, Zürich, Brüssel, Paris, Tokyo, Shanghai<br />

und Frankfurt am Main. Am 29. Juni 2<strong>02</strong>0 durfte eine<br />

handverlesene Auswahl von Händlern und Kritikern<br />

im Festsaal des Gesellschaftshauses Palmengarten in<br />

drei Durchgängen und unter strikter Einhaltung aller<br />

Hygiene- und Abstandsregeln etwa 100 Flaschen mit<br />

Fassproben des 2019er-Jahrgangs degustieren, die die<br />

Union des Grands Crus de Bordeaux bereitgestellt<br />

hatten. Covid-19 machte es möglich: Nicht wir, die<br />

»Wine Professionals« aus aller Welt, mussten die alljährliche<br />

Pilgerfahrt ins Bordelais auf uns nehmen.<br />

Diesmal war tatsächlich der Wein zu uns gekommen.<br />

Auch wenn die Verkostung einige Monate<br />

nach dem gewohnten Termin im Frühjahr durchgeführt<br />

wurde und die Bewertungen der weltweit<br />

wichtigsten Weinkritiker nicht wie üblicherweise<br />

vor, sondern mitten in die Verkündung der jeweiligen<br />

Handelspreise veröffentlicht wurden, so waren sich<br />

die Beobachter doch einig, dass den Organisatoren<br />

ein Coup gelungen war. Die Anpassungsfähigkeit<br />

und Innovationskraft des Bordelais in dieser<br />

globalen Krise verdiene Anerkennung, befand die<br />

britische Weinhandelsplattform Liv-ex. Auch die<br />

Subskription selbst wurde zum Erfolg: hervorragender<br />

Jahrgang, moderate Preise und eine hohe<br />

Kundennachfrage. Nichts, so schien es, konnte dem<br />

Geschäftsmodell des Bordelaiser Handels etwas<br />

anhaben – weder Trump’sche Strafzölle noch<br />

drohender Brexit, Unruhen in Hongkong oder gar<br />

eine weltweite Pandemie. Da wurde die Nachricht,<br />

dass die En-Primeur-Verkostung des 2<strong>02</strong>0er-Jahrgangs<br />

in Bordeaux erneut abgesagt werden musste,<br />

fast schon mit einem Schulterzucken hingenommen.<br />

Dabei fehlt es nicht an Warnungen, die das traditionsreiche<br />

Subskriptionsgeschäft mit Bordeauxweinen<br />

am Abgrund wähnen. Vorwürfe von Intransparenz,<br />

Marktmanipulation, Blasenbildung und Überteuerung<br />

sind nur einige Misstöne, die das Marketingorchester<br />

des Handels stören. Nicht nur für Weinfreunde,<br />

Sammler und Investoren stellt sich im<br />

Frühsommer 2<strong>02</strong>1 die Frage: Ist der Kauf per Subskription<br />

prinzipiell noch das richtige Instrument,<br />

und rentiert sie sich im derzeitigen wirtschaftlichen<br />

Umfeld? Vor allem aber ist eins zu beantworten: Ist<br />

2<strong>02</strong>0 ein guter Jahrgang?<br />

Achtung, Schwindelgefahr<br />

<strong>Das</strong> Problem von Bordeaux, so hat es vor gut zwei<br />

Jahrzenten Thierry Gardinier, der damalige Besitzer<br />

von Château Phélan-Ségur, formuliert, »ist nicht der<br />

Preis, sondern die Preispolitik«. Um das zu verstehen,<br />

muss man drei Jahrzehnte zurückgehen: Damals<br />

begann, nachdem sich die Bordeaux-Subskription<br />

mit dem 1982er-Jahrgang endgültig etablieren konnte<br />

(siehe <strong>FINE</strong> 1/2<strong>02</strong>1), für Sammler und Händler<br />

ein äußerst erfolgreiches Jahrzehnt, in dem sehr<br />

gute Qualitäten auf ansehnliche Wertsteigerungen<br />

trafen. Nach vier schwachen bis mittleren Jahren<br />

von 1991 bis 1994 wurde der mit einigem Vorschusslob<br />

bedachte 1995er sehnsüchtig erwartet. So entwickelte<br />

sich der allenfalls gute Jahrgang zum bis dato<br />

zweitteuersten des Jahrhunderts. Tatsächlich war es<br />

nicht zuletzt wegen wirtschaftlich guter Rahmenbedingungen<br />

zum Einstieg asiatischer Händler aus<br />

Hongkong und Singapur in den Subskriptionsmarkt<br />

gekommen – kein Wunder, dass der 1996er-Jahrgang<br />

noch einmal eins draufsetzte. Weinkritiker Robert<br />

Parker sagte schon damals voraus, dass gegenüber<br />

den 2010er-Zahlen die »Stratosphärenpreise« der<br />

1996er wie Schnäppchen aussehen würden. Als<br />

1996 zudem der chinesische Premierminister Li<br />

Peng einen Toast bei der Präsentation des neunten<br />

Fünfjahresplans zum Anlass nahm, die Segnungen<br />

moderaten Rotweingenusses zu preisen und so die<br />

Geburtsstunde des Weinmarkts in Festlandlandchina<br />

einleitete, wollte der gierige Bordelaiser Handel<br />

auch für den schwachen 1997er deutliche Preisaufschläge<br />

durchsetzen: der erste echte Sündenfall<br />

des Bordelais nach der Katastrophe von 1973/74.<br />

Danach ging es Schlag auf Schlag und nahezu<br />

immer nur nach oben: Der 2000er sah einen<br />

einzigartigen Hype um die drei Nullen und<br />

eine Subskriptionskampagne ohne »Schamgrenze«<br />

(Kühler & Kühler, Bordeaux-Kompass 20<strong>02</strong>/03),<br />

wobei vor allem die Preise an der Spitze der Pyramide<br />

regelrecht explodierten. Tatsächlich hatte sich der<br />

Schwerpunkt des Handels mittlerweile weg von<br />

den traditionellen Märkten Westeuropa und Nordamerika<br />

hin zu den Schwellenländern insbesondere<br />

in Asien verlagert. Gleichzeitig veränderte Bordeauxwein<br />

durch neue Investmentfonds seine Natur, er verwandelte<br />

sich, wie Stephan Brooks es in »Bordeaux.<br />

People, Power and Politics« (2001) ausdrückte, »von<br />

einem Getränk in ein Sammlerstück«. Nach einer<br />

kurzen Atempause in den schwachen Folgejahren<br />

gelangten jedenfalls die klassifizierten Gewächse des<br />

als neuer Jahrhundertjahrgang (vorschnell) hochgejubelten<br />

2003ers fast auf gleichem Preisniveau<br />

in den Markt wie 2000 – was etwa dem 2,7-fachen<br />

Preis des herausragenden Jahrgangs 1990 entsprach.<br />

Dann kam der hervorragende 2005er – und<br />

wieder brachen alle Dämme: Nun katapultierte sich<br />

der Preis gegenüber dem Vorjahr noch einmal um<br />

mehr als 188 Prozent nach oben (laut Benjamin<br />

Lewin in »What Price Bordeaux?«). Es folgte<br />

2009 mit Robert Parkers legendärem 19-fachen<br />

100-Punkte-Scoring und einer nochmaligen Preisexplosion<br />

um 150 Prozent gegenüber dem Vorjahr<br />

(gemäß Preisindex »Bordeaux 500« von Liv-ex),<br />

Nichts scheint dem Geschäftsmodell des Place<br />

de Bordeaux etwas anhaben zu können: Weder<br />

Trump’sche Strafzölle, drohender Brexit, Unruhen in<br />

Hongkong noch eine weltweite Pandemie.<br />

bis schließlich mit dem noch einmal elf Prozent<br />

teureren 2010er-Jahrgang auf dem Höhepunkt der<br />

chinesischen Liebesaffäre mit Bordeaux das bisherige<br />

Allzeithoch des Subskriptionsgeschäfts erreicht war.<br />

Danach gingen die Preise (nicht zuletzt wegen der<br />

Finanzkrise und dem chinesischen Antikorruptionsgesetz)<br />

zurück, aber nicht in dem Maße, das Kritiker<br />

zufriedengestellt hätte. Der mäßige 2011er wurde fast<br />

so teuer verkauft wie der 2005er, es folgten schwache<br />

bis mittlere Jahre (2012–2014), die niemand so recht<br />

wollte, bis 2015 und 2016 erneut an der Preisschraube<br />

drehten, wodurch der 2016er – trotz Trump und<br />

Brexit-Angst – fast auf das Niveau des 2009ers gehievt<br />

wurde. Der mäßige 2017er erlebte mit Preisen, die<br />

denen des 2015ers entsprachen, wieder eine verfehlte<br />

Preispolitik des »Place de Bordeaux«. Nach<br />

erneuten Preiserhöhungen für den 2018er gab es<br />

allerdings für den sehr guten 2019er während der<br />

völlig unübersichtlichen, von Corona geprägten<br />

Kampagne den ersten echten Lichtblick der vergangenen<br />

Jahrzehnte – mit Preisen unterhalb des<br />

2015er-Jahrgangs.<br />

Investoren sind skeptisch<br />

Es verwundert also nicht, dass langjährige Bordeauxliebhaber,<br />

von denen viele bereits in den 1980ern mit<br />

dem Kauf begonnen haben, mit einigem Misstrauen<br />

auf die diesjährige Subskription schauen. Argumente,<br />

dass schließlich auch die Qualität der Weine<br />

immer besser geworden sei, überzeugen nur bedingt.<br />

Da werden Investitionen in Keller und Weinberge<br />

angeführt, verbesserte Produktionsverhältnisse, die<br />

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HINTERGRUND <strong>FINE</strong> 2 | 2<strong>02</strong>1 65

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