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Leo Juli / August 2021

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18 POLITIK<br />

MIT TIKTOK IN<br />

DEN BUNDESTAG<br />

FDP Senior wird digitaler Shootingstar<br />

In einem Alter, wo andere sich zur<br />

Ruhe setzen, dreht Thomas Sattelberger<br />

aus München noch einmal ein<br />

großes Rad in der Politik. Nach seiner ersten<br />

Legislaturperiode kandidiert er <strong>2021</strong> eine<br />

weiteres Mal für den Bundestag. leo sprach<br />

mit ihm in seinem Berliner Büro.<br />

Ihre Karriere verlief umgekehrt zu<br />

anderen Politikern: Sie waren zuerst in<br />

der Wirtschaft und gingen dann in die<br />

Politik. Was stört Sie als ehemaliger<br />

Manager am meisten im politischen<br />

Betrieb?<br />

Sattelberger: Schwierig war, wieder komplett<br />

als Lehrling anfangen zu müssen. In der<br />

Politik gilt das Vorleben nicht. Erfahrungen,<br />

Ämter, errungene Würden, gemeisterte Aufgaben,<br />

geschlagene Schlachten – das ist alles<br />

parteiintern so gut wie irrelevant. Mental war<br />

das schon eine Herausforderung. Aber ich<br />

wusste natürlich auch, worauf ich mich einlasse.<br />

Gewohnt war ich die Vorstandsebene<br />

eines Dax-Konzerns, die im Unternehmen<br />

fast absolute Macht ausübt. Das politische<br />

System hingegen ist unberechenbarer, es<br />

geht oft zu wie bei Hofe. Aufstiege und<br />

Stürze passieren viel schneller als in der<br />

Wirtschaft. Reputationsgewinn oder -verlust<br />

ist oft nur eine Frage von Wochen. Sehr<br />

zerbrechlich! Zudem läuft es in der Parteiendemokratie<br />

meist darauf hinaus, das Haar<br />

in der Suppe des anderen zu suchen. Die<br />

Bürger hingegen erwarten Kooperation statt<br />

Parteienstreit. Sie wollen Problemlösungen,<br />

parteiübergreifende Zusammenarbeit – etwa<br />

bei der Energiewende, bei Mobilität, bei<br />

Impfstoffen. Hier steht unsere Demokratie<br />

vor einer Herausforderung, auf die sie bald<br />

neue Antworten liefern muss.<br />

Die Pandemie hat deutlich gezeigt,<br />

wie stark das Land unter geteilten<br />

Zuständigkeiten leidet. Ihr Programm<br />

fordert eine Föderalismusreform. Wie<br />

soll das konkret aussehen?<br />

Sattelberger: Die föderale Machtverteilung<br />

zwischen Bundestag und Bundesrat ist<br />

ja entstanden vor dem Hintergrund des<br />

Nationalsozialismus. Niemand sollte mehr<br />

einfach so durchmarschieren können. Diese<br />

„Checks & Balances“ waren nach 1945 angebracht<br />

und haben unsere bundesdeutsche<br />

Demokratie lange sehr gut getragen. Aber die<br />

Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten<br />

die Digitalisierung und Globalisierung des<br />

21. Jahrhunderts nicht im Blick. Ich sage das<br />

ohne jeden Vorwurf. Wir sollten heute nach<br />

dem Prinzip „Neue Lage, neue Entscheidung“<br />

einige Stellen anpassen: zum Beispiel<br />

das Kooperationsverbot zwischen Bund<br />

und Ländern in der Bildungspolitik komplett<br />

umkehren in ein Kooperationsgebot. Das<br />

Grundgesetz muss Bund und Länder künftig<br />

verpflichten, unser Bildungssystem mit<br />

vereinten Kräften zukunftsfähig zu machen.<br />

Unsere internationalen Wettbewerber lachen<br />

sich doch ins Fäustchen, wenn Bayern<br />

immer über Bremen redet statt über Boston<br />

oder Kuala Lumpur.<br />

Eine weitere Forderung des<br />

Wahlprogramms ist ein Digitalministerium.<br />

Wird sich dieses auch<br />

der Zerschlagung monopolistischer<br />

Internetanbieter wie Google,<br />

Facebook und Amazon annehmen?<br />

Sattelberger: Ich bin ganz entschieden<br />

dafür, Monopole zu entflechten und Internetgiganten<br />

die Grenze aufzuzeigen. Leider<br />

ist das auf dem digitalen Sektor etwas<br />

komplizierter als bei einem<br />

Ölkonzern. Hierbei sind in<br />

Deutschland und Europa<br />

jetzt unsere schlagkräftigen<br />

Kartellbehörden<br />

gefragt. Die brauchen starke politische<br />

Rückendeckung und die nötige (Wo)Manpower,<br />

um loszulegen und zu intervenieren.<br />

Ein künftiges Digitalministerium hingegen<br />

hätte vor allem die Aufgabe, die öffentliche<br />

Verwaltung zu reformieren und endlich die<br />

digitale Infrastruktur auszubauen.<br />

Wie sollen unter dieser Dominanz Ihre<br />

sogenannten „digitalen Freiheitszonen“<br />

funktionieren? Bislang haben die<br />

amerikanischen Techgiganten jedes<br />

vielversprechende Projekt dank ihrer<br />

Börsenfinanzierung aufgekauft.<br />

Sattelberger: Ich nenne sie mittlerweile<br />

übrigens „Innovative Freiheitszonen“. Eine<br />

Säule meines Konzepts ist natürlich das<br />

Wagniskapital. Hier ist in Deutschland viel<br />

Luft nach oben. Es<br />

mangelt per se<br />

nicht am Kapital,

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