STADTBLATT Juni 2021

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media buch des monats Weiße Finsternis Florian Wacker EISMEERPARABEL Bücher über die Arktis gibt es viele. Auch über Roald Amundsen und seinen Forschungs-Dreimaster „Maud“. Aber Wacker gelingt es, der Eismeergeschichte eine neue Dimension abzugewinnen. Es geht um einen einsamen Gewaltmarsch durch die Leere einer grandiosen Landschaft und um ein Bootswrack, das zum Grab wird. Um zwei Seeleute und ihre Liebe zu Liv, einer selbstbewusst starken Frau, die ein Leben lebt wie zu früh für ihre Zeit. Ein symbolhaftes Buch wundervoll verdichteter Sprache, atembeklemmender Wendungen. Eine sehnsuchtsvolle Feier der Schönheit, der Herausforderungen des Lebens. Ein Buch, dass einen so melancholischen Schluß hat, dass dir die Tränen kommen. Fast am Ende sagt ein mythischer Hirsch zu einem Halbtoten: „Ich vergesse Dich nicht, atme die kalte Luft und lass das Meer Meer sein und das Eis Eis sein, hab keine Angst, mein Freund, folge mir, steh jetzt endlich auf und folge mir.“ HARFF-PETER SCHÖNHERR Berlin Verlag, 20 EUR Was, wenn wir einfach die Welt retten? Frank Schätzing WARNUNG Die Bundesregierung legt im Eilverfahren ein neues Klimaschutzgesetz auf, die Grünen werden voraussichtlich erstmals eine Bundeskanzlerin stellen, US-Präsident Joe Biden macht sich für den Umweltschutz stark – die Umwelt rückt immer stärker in den Fokus. Endlich. Auch wenn es, so die Meinung vieler Klimaforscher, eher 5 nach 12 ist. So ruft der Bestseller-Autor im Untertitel seines neuen Sachbuchs auch auf zum: „Handeln in der Klimakrise“. Jetzt. Nicht morgen. Schätzing gelingt hier ein Kunststück: Er schafft es, das Thema Klima wie einen Thriller zu erzählen. Anders gesagt: Es ist spannend bis zur letzten Seite. Schätzing versorgt seine Leser*innen zugleich mit aktuellen News aus den Klima-Wissenschaften und verliert dabei den Plot nicht aus den Augen – die Welt zu retten. Jetzt. Nicht morgen. Ein Idealist, der daran glaubt, dass ein Buch wie seines die Menschen in Bewegung versetzt, sie aufrüttelt, aktiviert. Wer die rund 300 Seiten gelesen hat, kann gar nicht anders, als zu versuchen, die Welt – zumindest im Kleinen – zu retten. MARS Kiepenheuer & Witsch, 20 EUR Wenn die Hoffnung stirbt, geht’s trotzdem weiter Jean Peters WAHNWITZIG Jean Peters verbindet laut eigener Aussage Kunst, Aktivismus und Journalismus. Er ist Autor beim „Neo Magazin Royale“ und dem Recherchezentrum Correctiv, er hat die Seebrücke und das Peng Kollektiv mitgegründet, und er hat Beatrix von Storch eine Torte ins Gesicht geschmissen. Jetzt hat er ein Buch über seine Aktionen „aus dem subversiven Widerstand“ geschrieben, so der Untertitel. Darin erzählt er von den verschiedenen Aktionen des Peng Kollektivs wie der Verleihung eines Friedenspreises an die Waffenindustrie, der Unterwanderung der Klimaleugner-Bewegung oder wie Peters als Google-Manager 2014 auf der Re:publica neue Methoden der Überwachung anpries. Peters stellt sich dabei keineswegs als moderner Robin Hood dar, sondern berichtet auch vom Scheitern. Insgesamt ist es ein wahnwitziges Dokument darüber, wie subversive und gut getarnte Aktionen Wahrheiten ins Licht zerren können. Peters schreibt klug und unterhaltsam über Missstände und diejenigen, die sie zu verantworten haben. BOBBY FISCHER S. Fischer, 21 EUR Vom Aufstehen Helga Schubert WÄRME „Etwas erzählen, was nur ich weiß. Und wenn es jemand liest, weiß es noch jemand. Für die wenigen Minuten, in denen er die Geschichte liest, in der unendlichen, eisigen Welt.“ Die Bachmann-Preisträgerin, DDR-Schriftstellerin und Psychotherapeutin Helga Schubert, Jahrgang 1940, erzählt in 29 Geschichten ihr Leben, in dem sich u. a. die Erfahrung zweier Diktaturen des 20. Jahrhunderts reflektiert. Dieses Leben ist unspektakulär und gerade deshalb repräsentativ für die Verheerungen, die politische Gegebenheiten im privaten Bereich anrichten könne. Wie viele aus der „Generation Kriegskinder“ verliert Schubert ihren Vater, der 1941 fällt und eine verbitterte, eisige Mutter zurücklässt. Die rettende Wärme findet das Flüchtlingskind bei der Großmutter. Spricht die Erzählerin in der Mitte des Buches noch von sich selbst als „der Tochter“, um sich so weit wie möglich von der eigen sinnigen Mutter zu distanzieren, schlägt sie am Ende versöhnlichere Töne an. Ein leises, tröstliches Stück Literatur. ANJA MEHRMANN dtv, 22 EUR Die Stadt Osnabrück und die Osnabrücker Stiftungen unterstützen in der Zeit der Corona-Pandemie Künstlerinnen und Künstler, freie Kulturträger, Vereine und Initiativen. www.kulturmarathon-os.de PROJEKTE. FÖRDERER. LEUTE. INFOS.
hörbar spielbar sehbar Eric Stenbock „Eine wahre Vampirgeschichte“. Ein Fremder klopft eines Abends an die Tor des Schlosses der Familie Wronski. Er hat den Zug verpasst und bittet um eine Unterkunft. Er tritt ein und bringt ein Geheimnis mit ins Haus. In der Steiermark des Jahres 1894 spielt das Hörspiel, das sich klassischem Grusel widmet. Lübbe Audio, ca. 9 EUR Jo Nesbø „Fledermausmann“. Eine norwegische Schauspielerin wird in Australien ermordet. Der Polizist Inger Holter wird nach Down Under geschickt. Inger scheint ein zufälliges Opfer eines Serienkillers zu sein, der es vielleicht auf blonde Frauen abgesehen hat? Der Ex- Punkmusiker Nesbø bietet einmal mehr eine Story schwarz wie die Nacht. Hörbuch Hamburg, ca. 15 EUR Ewald Arenz „Der große Sommer“. Irgendwann in den 1980er Jahren. Der 16 Jahre alte Frieder muss den Sommer bei seinem Opa verbringen, während sich der Rest der Familie am Meer vergnügt. Er ahnt nicht, dass er den Sommer seines Leben erleben wird. Eine Geschichte über das Erwachsenwerden und das ganze Drumherum ... DAV, ca. 21 EUR CHRISTIAN LUKAS Wer das 2018 veröffentlichte „Subnautica“ gemocht hat, darf die Fortsetzung Subnautica: Below Zero (Unknown Worlds Entertainment; 30 EUR; Xbox One, Windows 10, Nintendo Switch, PS4, PS5, Xbox Series X) nicht verpassen. Du landest in der arktischen Eiswüste des Alienplaneten 4546B, um dem Geheimnis deiner verschwundenen Schwester auf den Grund zu gehen. Zur Verfügung stehen dir dabei nur ein paar Ausrüstungsteile, die Ressourcen die du vor Ort findest und die Überreste einst besetzter, aber nun verlassener Forschungsstationen. Im Fabrikator deiner Basis kannst du neue, nützliche Tools herstellen, die dir das Überleben an Land und im Wasser erleichtern. So kannst du deinen Seatruck nun auch kreativ ausbauen, einrichten und individuell gestalten. In den rund 25 Stunden voller Story-Elemente, Survival- Abenteuer, Teleportation und natürlich Erkundungen des tiefen, geheimnisvollen Ozeans mitsamt aller Kreaturen, seien sie feindlich oder freundlich gesinnt, kann eine ganze Menge entdeckt werden – und: Gewalt ist nicht nötig. Dich erwartet ein Kontrast aus bunten, surrealen Monstern und süßen, vieräugigen Penglings, wunderschöner Umgebung und Überlebenskampf. Auch für jeden, der den Vorgänger nicht gespielt hat! HANNAH-SOPHIE HILDEBRANDT Die Mitchells gegen die Maschinen. Familie Mitchell bringt Töchterchen Katie zur Uni. Auf dem Weg dorthin bricht eine Roboterapokalypse aus. Die Maschinen aber haben die Rechnung ohne diese Familie gemacht. Kritik: Als hätte Pixar einen Film während einer LSD- Erfahrung gedreht. Corona hat einen Kinostart verhindert. Netflix Nevers. Ende des 19. Jahrhunderts entwickeln in London viele Frauen (und einige wenige Männer) sonderbare Fähigkeiten. Die junge Witwe Amalia True führt ein Asyl für die teils geächteten Frauen. Mehr lässt sich kaum über die Serie sagen, ohne wichtige Aspekte zu spoilern. Temporeich ist sie, großartig ausgestattet, fantasiereich, komplex in der Figurengestaltung. Geheimtipp! Sky A Hard Day. Polizist Gun-su hat einen wirklich beschissenen Tag. Seine Mutter stirbt, dann gerät er ins Visier interner Ermittlungen und auf dem Weg zur Beerdigung verursacht er einen tödlichen Unfall ... Dumm nur, dass seine Tat beobachtet worden ist. Spannend, originell, schwarzhumorig, kommt der Film mit sechs Jahren Verspätung nach Deutschland. Busch Media, BD, 13,99 EUR Boss Level. Roy wird um 12.47 Uhr erschossen, in die Luft gesprengt, massakriert. Jeden Tag. Denn kaum ist er tot, beginnt der Tag neu. Und Roy hat keine Ahnung, warum ihm das passiert oder wer ihm nach dem Leben trachtet. Die Actionvariante von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ lässt es ordentlich krachen und menscheln. Bestes Popcornkino. Universum, DVD, ca. 10 EUR Sherlock Holmes. Kuriosität aus Opas TV-Schränkchen. 1967 entstand eine WDR-Serie ausschließlich auf britischen Drehbüchern basierend. Die Fälle sind durchaus überraschend, die Umsetzung jedoch sehr im Bühnenspiel verhaftet. Dennoch eine interessante Entdeckung. Pidax, 19 EUR CHRISTIAN LUKAS
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