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CHECK Ost #1

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COMMUNITY<br />

Wer die PrEP (Präexpositionsprophylaxe)<br />

nimmt, braucht sich um HIV nicht mehr<br />

viele Sorgen zu machen. Um andere STI, also<br />

Geschlechtskrankheiten, aber schon. Aus Fachkreisen<br />

wird berichtet, dass sich STI immer<br />

weiterverbreitet: Vom asiatischen Super-Tripper<br />

in England, der so oft mutiert ist, dass kein<br />

Medikament mehr hilft – bis hin zum Befund<br />

des Berliner Hausarztes, der besagt, dass die<br />

Syphilis leider schon im dritten Stadium und<br />

somit echt schwer zu behandeln ist. Dass mehr<br />

STI diagnostiziert werden, liegt einerseits daran,<br />

dass mehr Leute zum Testen gehen. Die PrEP<br />

bekommt man nicht ohne vorherigen HIV-Test,<br />

bei dem auch oft nach anderen Infektionen<br />

geschaut wird. Man hat also mehr Ergebnisse.<br />

Andererseits liegt es klar daran, dass die PrEP<br />

eben nicht vor Tripper und Co. schützt. Man bekommt<br />

also kein HIV, dafür aber alles andere.<br />

BAREBACK-SEX IST<br />

VERHANDLUNGSSACHE<br />

Hand aufs Herz, wer kennt das: In der Hitze<br />

des Gefechts und nach vielleicht einem Bier<br />

zu viel ist man schnell entkleidet und zu allem<br />

bereit. Man will einfach nur noch mehr. Näher.<br />

Rein. Und wenn grade kein Kondom zur Hand<br />

ist, beginnt für gewöhnlich das Verhandeln: Ich<br />

bin aber gesund, nehme die PrEP, bin unter der<br />

Nachweisgrenze, whatever. Und manchmal<br />

kippt die Stimmung dann von „aufgeheizt“ ins<br />

leicht Bedrohliche. Zwar ist ein Spruch wie<br />

„Jetzt hab’ dich nicht so“ noch keine Nötigung<br />

oder emotionale Erpressung, aber normalisiert<br />

man somit nicht das Nicht-Akzeptieren von<br />

Grenzen? Wenn ich der Meinung bin, es sei ok<br />

Sex ohne Kondom zu haben, hat der andere<br />

das schließlich auch so zu sehen.<br />

Ein kanadischer Blogger drückt es so aus:<br />

Wir befinden uns in einem Kulturkrieg, der<br />

größtenteils von PrEP angeheizt wird. Bareback-Sex<br />

ändert sich vom Verhandlungsgut<br />

zur Erwartungshaltung und Nachfrage. Die<br />

Praktiken, die den sozialen Kontext von Bareback-Sex<br />

in Richtung einer Erwartung oder<br />

gar Forderung bewegen, begünstigen direkt<br />

eine Vergewaltigungskultur. Denn sie beinträchtigen<br />

die Akzeptanz einer Person, die ihre<br />

eigenen Zustimmungsbedingungen festlegt, in<br />

diesem Fall den Gebrauch von Kondomen.<br />

CONDOM-SHAMING<br />

ALS SYMPTOM EINER<br />

VERGEWALTIGUNGSKULTUR<br />

Dazu muss man wissen, dass der junge Mann<br />

im Kontext dieser Aussage angibt, grau-vergewaltigt<br />

worden zu sein. Vor dem Akt wurde der<br />

Gebrauch eines Kondoms vereinbart. Der Sexpartner<br />

hielt sich aber nicht an die Absprache,<br />

was der junge Mann erst etwas später merkte.<br />

Eine solche Hinterlist nennt man im Englischen<br />

„Stealthing“ und wird in vielen Ländern<br />

als Sexualdelikt und schwere Körperverletzung<br />

eingestuft.<br />

Man kann nun argumentieren, dass das Risiko<br />

von unsafe Sex bei Einnahme der PrEP heute<br />

hauptsächlich ein eher bakterielles Problem<br />

ist. Aber man kann nicht einfach behaupten,<br />

dass diejenigen, die Bareback-Sex zunächst<br />

ablehnen, allesamt schlecht informiert sind<br />

und gegen HIV-positive wettern wollen.<br />

Wie beim Bodyshaming macht auch beim<br />

Condom-Shaming der Ton die Musik. Klar<br />

muss man nicht mit Männern schlafen,<br />

die man nicht attraktiv findet. Man<br />

muss auch kein Kondom benutzen,<br />

wenn man das nicht<br />

will. Aber demjenigen zu<br />

vermitteln, er sei durch sein<br />

Aussehen oder seine Einstellung<br />

zu Safer Sex weniger wert<br />

oder privilegiert, ist nicht ok.<br />

Und wer die PrEP oder U=U* als Argument<br />

einsetzt, um den Zustimmungskontext<br />

seines Partners durch seinen<br />

eigenen zu ersetzen, der verschiebt damit<br />

nicht nur den Kontext von wissenschaftlicher<br />

Autorität. Er entlarvt Condom-Shaming als<br />

eine einseitige Verhandlungstaktik, die dazu<br />

dient, sich etwas zu nehmen, was der andere<br />

nicht bereit ist zu geben. Und genau das meint<br />

der junge Blogger, wenn er von Vergewaltigungskultur<br />

spricht.<br />

Vielleicht lässt es sich so einfacher ausdrücken:<br />

Wenn in deinem Profil schon „Keine Fetten“<br />

und „Keine Kondome“ steht, dann kannst<br />

du auch „bitte“ dazu schreiben. (ts)<br />

*undetectable = untransmissable<br />

(dt.: Unter der Nachweisgrenze = nicht ansteckend)<br />

<strong>CHECK</strong> OST <strong>#1</strong><br />

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