rik August / September 2021
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WAHL 31<br />
Turnbeutelvergesser in der Schule. Man sucht sich den aus,<br />
arbeitet sich an ihm ab, um selber Stärke innerhalb der<br />
sozialen Gruppe zu entwickeln. So etwas regt mich auf und<br />
ekelt mich auch geradezu an, wenn es um Fragen von sozialer<br />
Ungleichheit und Ungerechtigkeit geht. Es kann niemand<br />
mit offenen Augen absprechen, dass wir in puncto sexuelle<br />
und geschlechtliche Vielfalt Ungleichheiten rechtlicher,<br />
wie auch gesellschaftlicher Art haben. Man kann darüber<br />
reden, wie weit vorne in einem Wahlprogramm das Thema<br />
auftauchen soll, wie viel Raum es einnehmen soll. Da geht es<br />
um das Wie, aber es darf nicht mehr um das Ob gehen.<br />
Was sich als Links verstehende Menschen endlich mal<br />
begreifen sollten ist, wer sich für die Rechte von sagen wir<br />
mal trans* Personen einsetzt, hat sich damit nicht gegen<br />
einen höheren Mindestlohn oder ein gerechtes Rentensystem<br />
eingesetzt. Man kann beides gleichzeitig und noch<br />
vieles andere mehr machen. Meine Aufmerksamkeitsspanne<br />
reicht jedenfalls für mehr als ein Thema. Und die meisten<br />
Menschen, die ich kenne, schaffen es auch, mehreres<br />
gleichzeitig zu diskutieren. Und es hängt ja auch kausal<br />
zusammen. Wenn man einer Minderheit angehört, es muss<br />
noch nicht mal eine sexuelle oder geschlechtliche sein, dann<br />
hat man das statistisch eindeutig nachgewiesen Risiko, viel<br />
eher in sozial schwächere Schichten abzusinken, viel mehr<br />
Probleme zu haben, einen Job zu bekommen oder ihn zu<br />
behalten. Beim Wohnen ist es das gleiche.<br />
Im Bereich Rassismus auch. Da würde ich gerne<br />
noch mal auf eine Aussage von Dir zurückkommen,<br />
die ich damals einfach nicht nachvollziehen konnte.<br />
Bezüglich der Homophobie des Islamismus und der<br />
Reaktion der Linken darauf ...<br />
Mir ging es gar nicht nur um die Schnittstelle von Islamismus<br />
und Homophobie. Das ist ein Beispiel, wie es ja rund um den<br />
Mord in Dresden diskutiert wurde. In meinem Beitrag im Spiegel<br />
ging es um den Mord an Samuel Paty, dem französischen<br />
Lehrer der Mohammed-Ka<strong>rik</strong>aturen im Unterricht gezeigt hat.<br />
Ich kenne auch genügend Gruppen, Leute und Medien aus<br />
dem links-fortschrittlichen oder wie-auch-immer Spektrum,<br />
die sich natürlich mit diesen Fragen beschäftigen, ja. Meine<br />
Unterstellung ist nicht, dass das niemand tut oder dass es ein<br />
Schweigekartell geben würde. Aber ich finde man merkt bei<br />
vielen von uns – und auch bei mir selber merke ich das – eine<br />
Art Tapsigkeit, wenn es einfach nur um die Begrifflichkeiten<br />
geht. Darum, das Kind beim Namen zu nennen. Da muss<br />
ich jetzt gar nicht über Islamismus reden, sondern ich finde<br />
man kann autoritäre faschistoide Weltbilder einfach als<br />
solche benennen. Und die können bei Neonazi-Gruppen<br />
wie auch bei den Muslimbrüdern auftreten. Das muss<br />
unterschiedlich bekämpft werden, weil es über andere<br />
Orte und Kontexte kultiviert und weitergegeben oder in<br />
familiären Zusammenhängen tradiert wird. Soziologisch ist<br />
mir klar, dass das nicht von den selben Sozialarbeiter*innen<br />
und Politikwissenschaftler*innen bekämpft werden kann.<br />
Aber in seiner Auswirkung auf die betroffenen Gruppen<br />
macht es überhaupt keinen Unterschied, ob meine<br />
individuellen Freiheiten und Rechte von einer islamistischen<br />
Terrororganisation oder von einer kartoffeldeutschen<br />
Neonazi-Gruppe eingeschränkt werden. Das finde ich<br />
einfach nur wichtig, dass wir da in der Qualifizierung solcher<br />
Angriffe, solcher Mordanschläge, was auch immer, dass wir<br />
da Scheiße nicht nach Geruch sortieren, um es mal auf gut<br />
Deutsch zu sagen.<br />
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*Interview: Christian Knuth<br />
Das ganze Interview gibt es unter männer.media