bull_08_03_Ozean
Credit Suisse bulletin, 2008/03
Credit Suisse bulletin, 2008/03
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Seit 1895 das Magazin der Credit Suisse Nummer 3 Aug./Sept. 20<strong>08</strong><br />
<strong>Ozean</strong><br />
Lebensräume Wohnen auf dem Grund des Meeres<br />
Unerforscht Neuste Technik bringt Licht ins Dunkel<br />
KMU-Umfrage Wissensfaktor wird immer wichtiger<br />
Globale Inflation Hoher Ölpreis zeigt Wirkung<br />
National Gallery Credit Suisse wird neuer Partner<br />
Kofi Annan Einstiger UN-Generalsekretär im Gespräch<br />
Bulletin plus Klassische Musik
NOTFALL MYANMAR<br />
Nach dem Zyklon Nargis sind Hunderttausende obdachlos,<br />
ohne Nahrung und ohne Trinkwasser. Die Not der<br />
Menschen ist unermesslich!<br />
Unsere Teams vor Ort leisten den betroffenen Menschen<br />
erste Hilfe, aber diese Hilfe reicht bei weitem nicht aus.<br />
Mehr als 250 MSF-Mitarbeiter leisten direkte Hilfe vor Ort.<br />
Mit einer Spende können Sie diese Teams unterstützen.<br />
Danke!<br />
PK 12-100-2<br />
www.msf.ch/spende<br />
Tel. <strong>08</strong>48 88 80 80
Editorial <strong>03</strong><br />
Die Fische habens gut. Schliesslich wird die Oberfläche des Planeten Erde<br />
zu 71 Prozent von <strong>Ozean</strong>en bedeckt. Und diese verlieren sich noch in kilometertiefen<br />
Schluchten und Gräben, umsäumt von gigantischen Unterwassergebirgen<br />
und endlosen Weiten. Dort unten in den Tiefen der Meere muss die Freiheit<br />
wahrlich grenzenlos sein.<br />
Wie eng muss den Fischen dagegen die kleine Welt der Erdbewohner<br />
er scheinen, die sich weniger als einen Drittel der Oberfläche teilen. Kommt<br />
dazu, dass die Menschen ihren Wohnraum, niedergepresst von der Schwerkraft,<br />
nur zweidimensional nutzen können. Wollen sie einmal wie die Vögel oder<br />
Fische in die dritte Dimension hinauf- oder hinabsteigen, müssen sie sich<br />
in blecherne Kisten mit Flügeln oder aber in monströse Seegurken aus Stahl<br />
zwängen. Schmunzeln werden die Fische wohl auch über die unbeholfenen<br />
Muschel schalen, mit denen sich die Erdbewohner von einer Insel zur nächsten<br />
bewegen und sich dabei an der Meeresoberfläche schutzlos Wind und<br />
Wetter aussetzen.<br />
Gleichwohl sehen sich die Menschen nur zu gerne als die Herrscher der sieben<br />
Weltmeere. Ganz nebenbei ist die in diesem Zusammenhang gängige Zahl<br />
Sieben eher willkürlich gewählt. Die Geografen unterscheiden heute lediglich<br />
drei <strong>Ozean</strong>e: den Indischen, den Pazifischen und den Atlantischen <strong>Ozean</strong>.<br />
Doch wurden früher je nach Sichtweise und Machtverhältnissen noch weitere<br />
Nebenmeere dazugezählt, wie zum Beispiel das Karibische, das Gelbe und<br />
das Schwarze Meer, die Ost- oder Nordsee oder das Mittelmeer.<br />
Gold Winner<br />
Doch zurück zu den vermeintlichen Herrschern der Meere: Laut dem ame rikanischen<br />
Meeresforscher Stephen Hammond sind heute kaum mehr<br />
als zehn Prozent der <strong>Ozean</strong>e erforscht! Oder noch wahnwitziger ausgedrückt:<br />
Wir wissen praktisch nahtlos Bescheid über die Topografie und die Beschaffenheit<br />
der Mondober fl äche, schicken Sonden und Satelliten zum Mars, aber<br />
was in den Tiefen der <strong>Ozean</strong>e vor unserer Haustür schlummert, darüber wissen<br />
wir praktisch nichts.<br />
Foto: Cédric Widmer<br />
Gold Winner<br />
1. Rang<br />
In einer Zeit, in der die natürlichen Rohstoffe, aber auch der Lebensraum der<br />
Menschen immer knapper werden, wächst unwei gerlich das Interesse an<br />
den weissen Flecken unserer Weltmeere. Allerdings darf es bei den Meeren<br />
zu keinem so unkontrollierten Raubbau kommen wie auf dem Festland.<br />
Der Klimawandel führt uns eindringlich vor Augen, wie verletzlich unser Blauer<br />
Planet ist. Die <strong>Ozean</strong>e sind wichtig fürs Überleben – nicht nur der Fische.<br />
Daniel Huber, Chefredaktor Bulletin
Solway Firth, Cumbria, England, 28. März 2006, 12.00 Uhr
Inhalt<br />
05<br />
18<br />
27 _ Business<br />
28 _ Alois Bischofberger Ein letzter Rück- und<br />
Ausblick des abtretenden Chefökonomen<br />
30 _ Vermögensverwaltung Die Credit Suisse<br />
verstärkt ihr Engagement in Indien<br />
31 _ Nachfolgeseminar Strategien für CEOs von<br />
Familienunternehmen aus Lateinamerika<br />
32 _ Ship Finance Führende Position dank<br />
65 Jahren Erfahrung<br />
33 _ Accessibility Barrieren beim Zugang zu<br />
Bankgeschäften abbauen<br />
34 _ Riva Zukunftweisende Partnerschaft mit dem<br />
italienischen Hersteller von Luxusyachten<br />
35 _ Invest Aktuelle Analysen und Trends<br />
Schwerpunkt <strong>Ozean</strong> Im Nördlichen Eismeer geht ein<br />
Meeresforscher kopfüber den Geheimnissen der <strong>Ozean</strong>e<br />
auf den Grund. Lediglich zehn Prozent der <strong>Ozean</strong>e,<br />
die 72 Prozent der Erdoberfl äche bedecken, sind erforscht.<br />
06 _ <strong>Ozean</strong>e bremsen Erddrehung Wenn der Tag dank<br />
dem Mond und den Gezeiten immer länger wird.<br />
<strong>08</strong> _ Weg vom Festland Auf der Suche nach neuen Lebensräumen<br />
drängt sich immer mehr der Meeresgrund auf.<br />
14 _ Zurück in die Zukunft Die Seefahrt sucht nach neuen<br />
Antriebsformen und greift auf Wind und Sonne zurück.<br />
18 _ Geheimnisse gründen tief Modernste Technik bringt<br />
Licht in das unerforschte Leben der <strong>Ozean</strong>e.<br />
22 _ Ehrgeiziges Hafenprojekt «Tanger Med» soll Marokko<br />
zum Dubai des Mittelmeerraums machen.<br />
43 _ Wirtschaft<br />
44 _ KMU-Umfrage Wissen wird immer mehr<br />
zum entscheidenden Rohstoff<br />
48 _ Island Schafft das Land den Sprung vom<br />
Emerging Market zum Industrieland?<br />
52 _ Globale Inflation Hohe Öl- und Lebensmittelpreise<br />
treiben die Infl ation in die Höhe<br />
54 _ Digitale Deflation Der meistgefragte<br />
Rohstoff Information verbilligt sich<br />
51 _ Bulletin plus «Klassische Musik»<br />
57 _ Sponsoring<br />
58 _ National Gallery Credit Suisse wird neuer<br />
Partner des ehrwürdigen Museums<br />
60 _ Kunstsommer Schweiz Hodler, Balthus,<br />
Segantini laden zum Besuch<br />
61 _ Fussball Ein Dankeschön an Jakob Kuhn<br />
62 _ Mission Südafrika Ottmar Hitzfeld soll die<br />
Schweizer Fussballer an die WM 2010 führen<br />
63 _ Gesellschaft<br />
64 _ «bike to work» Der Umwelt und der<br />
Gesundheit zuliebe mit dem Rad zur Arbeit<br />
65 _ Love Ride Muskelkranke Kinder profi tieren<br />
vom grössten Schweizer Biker-Treffen<br />
66 _ World Science Summit 20<strong>08</strong> Credit Suisse<br />
unterstützt Weltwissenschaftsgipfel<br />
68 _ Children’s Storefront Kindern in Harlem<br />
zu einer besseren Ausbildung verhelfen<br />
Coverfoto: www.oceanexplorer.noaa.gov<br />
Der «Forest Stewardship Council» (FSC) setzt mit<br />
10 Prinzipien und Kriterien den Standard für eine<br />
umwelt- und sozialverträgliche Waldbewirtschaftung.<br />
Schweizer Papier (Z-Offset, mit 30% FSC-Anteil), aus<br />
europäischem Zellstoff, hergestellt von der ISO-14001-<br />
zertifi zierten Ziegler Papier AG, Grellingen.<br />
70 _ Leader Kofi Annan Der ehemalige<br />
UNO-Generalsekretär im Gespräch<br />
Service<br />
62 _ Impressum<br />
43 _ Wissenswert<br />
56 _ Nachlese<br />
74 _ @propos und Online-Link<br />
Ihr Link zu unserem Know-how: www.credit-suisse.com/infocus
Solway Firth, Cumbria, England, 27. März 2006, 5.20 Uhr<br />
Wie Ebbe<br />
und Flut<br />
den Lauf<br />
der Zeit<br />
verändern
<strong>Ozean</strong> Gezeiten<br />
07<br />
Fotos Seite 4 und 6: Michael Marten (www.michaelmarten.com)<br />
«Mein Tag müsste mindestens 30 Stunden haben, damit ich alles<br />
erledigen kann.» Irgendwann in ferner Zukunft könnte der häufig<br />
geäusserte Wunsch Wirklichkeit werden – allerdings erst nach sehr,<br />
sehr langer Zeit. Daran arbeiten Tag für Tag die riesigen <strong>Ozean</strong>e<br />
der Erde und der Mond.<br />
Bekanntlich sind 71 Prozent der Erdoberfläche mit <strong>Ozean</strong>en bedeckt.<br />
Die grossen Wasservorkommen sorgen unter anderem dafür,<br />
dass das Leben in der uns bekannten Form existieren kann. Doch<br />
so merkwürdig es klingen mag, die Weltmeere beeinflussen auch<br />
die irdische Tageslänge. Allerdings brauchen sie dazu die Hilfe des<br />
Mondes. Dieser umkreist die Erde auf einer leicht elliptischen Bahn<br />
und hat heute eine mittlere Entfernung von 384 000 Kilometern.<br />
Dem Mond werden von den Menschen viele Einflüsse zugeschrieben.<br />
Häufig wohl viel mehr, als er tatsächlich ausübt. Ein vom Mond<br />
verursachtes Phänomen ist allerdings ganz offensichtlich und jeden<br />
Tag zweimal zu beobachten – die Gezeiten. Zweimal am Tag steigen<br />
die <strong>Ozean</strong>e an, um danach wieder auf ein tieferes Niveau zu fallen.<br />
Ebbe und Flut zeigen sich als Folge der Umkreisung des Mondes<br />
auf der ganzen Welt als immerwährender Rhythmus.<br />
Die Gezeitenkräfte bewirken sogar, dass auch der feste Erdkörper<br />
durch die Gravitationswirkung von Mond und Sonne eine<br />
Defor mation erfährt, die in Äquatornähe etwa einen halben Meter<br />
erreichen kann.<br />
Mond und <strong>Ozean</strong>e bremsen die Erddrehung<br />
Das regelmässige Spiel von Ebbe und Flut führt dazu, dass durch<br />
die Reibung der Meere auf dem Erdboden die Erddrehung langsam,<br />
aber sicher gebremst wird. Für die Verlangsamung der Erdrotation<br />
sind jedoch nicht nur die Wasserozeane verantwortlich. Auch die<br />
«inneren <strong>Ozean</strong>e», bestehend aus Magma, verursachen Reibungseffekte,<br />
die zur Bremsung der Erddrehung beitragen.<br />
Glücklicherweise ist der Verlust der Geschwindigkeit der Erdrotation<br />
sehr gering. Zurzeit nimmt die Tageslänge auf der Erde in<br />
Ein Tag hat 24 Stunden. Was auf den<br />
ersten Blick sehr banal erscheint,<br />
war nicht immer so und wird auch nicht<br />
so bleiben. Denn der Mond bremst<br />
mit Hilfe der <strong>Ozean</strong>e die Erddrehung,<br />
womit der Tag langsam, aber sicher<br />
länger wird.<br />
Text: Andreas Walker<br />
jedem Jahrhundert um etwa zwei Millisekunden zu. Auf ein Menschenleben<br />
bezogen ist so eine Zeitspanne so gut wie nichts. Denkt<br />
man allerdings in astronomischen Massstäben, sieht die Sache<br />
anders aus. Tatsächlich hat diese geringe Zunahme bereits einen<br />
Einfluss auf unseren Kalender. Denn so klein diese Abweichung<br />
auch sein mag, sie führt dennoch dazu, dass diese Zeitverzögerung<br />
regel mässig korrigiert werden muss. Aus diesem Grunde wurde<br />
letztmals am Ende des Jahres 1998 eine Schaltsekunde eingeschoben.<br />
Über sehr lange Zeiträume betrachtet, macht sich diese<br />
Zeitverzögerung noch deutlich mehr bemerkbar.<br />
Korallen speichern die Tageslänge<br />
Untersucht man Korallen aus der Gegenwart, weisen diese im jährlichen<br />
Skelettzuwachs über 360 Anwachslinien auf – was einer<br />
Anwachslinie pro Tag entspricht. Forscher untersuchten die Wachstumsringe<br />
von fossilen Korallen und fanden heraus, dass vor 400<br />
Millionen Jahren ein Erdentag nur 22 Stunden dauerte und das<br />
Jahr mehr als 400 Tage hatte.<br />
Dreht man die Uhr noch weiter zurück, auf rund 900 Millionen<br />
Jahre vor unserer Zeitrechnung, kommt man auf eine Tageslänge<br />
von nur etwa 18 Stunden. Das damalige Jahr hatte rund 490 Tage.<br />
Seither hat sich die Rotationsgeschwindigkeit der Erdkugel durch<br />
die Gezeitenreibung auf die heutigen 365,26 Umdrehungen pro<br />
Jahr verringert und damit zu unserem gewohnten und selbstverständlichen<br />
24-Stunden-Tag geführt.<br />
Früher glaubte man, dass die Nautilusschalen einen perfekten<br />
Mondkalender aufzeichnen, indem sie bei jedem Mondumlauf einen<br />
Anwachsring produzieren. Die beiden Forscher Peter Kahn und<br />
Stephen Pompea machten mit einem Artikel Ende der Siebzigerjahre<br />
Furore. Sie zeigten anhand der Nautilusschalen auf, dass sich<br />
die Erde früher schneller drehte und der Mond unseren Planeten<br />
in viel geringerem Abstand umkreiste. Aus ihren Untersuchungen<br />
folgerten sie, dass sich der Mond seit Urzeiten etwa einen Meter<br />
pro Jahr von der Erde entfernt hat. Neueste Messungen zeigen<br />
jedoch, dass diese Zahl viel zu hoch geschätzt war.<br />
Mondrotation gebremst<br />
Die Gezeitenreibung hat die Drehung des Mondes um seine Achse<br />
bereits so weit gebremst, dass er uns heute immer dieselbe Seite<br />
zuwendet. Ausser den Apollo-Astronauten hat noch nie ein Mensch<br />
direkt die Rückseite des Mondes gesehen. Die Gezeitenkräfte<br />
zwischen Erde und Mond bewirken ausserdem im System Erde-<br />
Mond, dass sich unser Trabant pro Jahr etwa um 3,8 Zentimeter<br />
von der Erde entfernt.<br />
In 15 Milliarden Jahren würde eine einzige Erddrehung rund 48<br />
heutige Tage lang dauern. Ebenso bräuchte der Mond für eine Erdumdrehung<br />
48 Tage. In dieser sehr fernen Zukunft würden sich<br />
Erde und Mond immer die gleiche Seite zukehren.<br />
Allerdings wird dies kein Mensch mehr erleben. Nach heutiger<br />
Kenntnis wird sich unsere Sonne in etwa fünf Milliarden Jahren zu<br />
einem roten Riesenstern aufblähen, der etwa 100-mal heller ist als<br />
die heutige Sonne und der sich bis zur Merkurbahn ausdehnen wird.<br />
Auf unserer Erde wird dann ein «Backofenklima» herrschen, in dem<br />
die <strong>Ozean</strong>e verdampfen und die Erdoberfläche glühend heiss wird,<br />
sodass alles Leben ausgelöscht wird. Danach kollabiert unsere<br />
Sonne zu einem weissen Zwerg. Wenn die Sonne dieses Stadium<br />
erreicht hat, besitzt sie noch etwa die halbe Masse der heutigen<br />
Sonne, ist jedoch nur noch etwa so gross wie unsere Erde. <<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
<strong>08</strong> <strong>Ozean</strong> Wohnraum<br />
Leben in<br />
den Tiefen<br />
der Meere<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
<strong>Ozean</strong> Wohnraum<br />
09<br />
Der Druck unter Wasser zerbröselt<br />
Kartoffelchips, und wer spricht,<br />
klingt wie Mickymaus. Trotzdem hat der<br />
Mensch nie aufgehört, davon zu<br />
träumen, auf dem Grund der Meere<br />
Kolonien zu errichten.<br />
Text: Ute Eberle<br />
Foto: Pierre Mion, National Geographic Image Collection<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
10<br />
<strong>Ozean</strong> Wohnraum<br />
Ob Lloyd Godson wohl in die Annalen der Unterwasserbesiedlung<br />
eingehen wird? Als der Mann, der den entscheidenden Schritt<br />
schaffte – der Neil Armstrong der <strong>Ozean</strong>eroberung sozu sagen?<br />
Wenn ja, dann werden die Menschen, die in 100 oder 150 Jahren<br />
über Godson lesen und dabei vielleicht in ihrem Unterwasserwohnzimmer<br />
sitzen, hinter grossen Acrylfenstern, die den Blick<br />
freigeben auf Korallengärten; auf Tunnel, welche die Bungalows<br />
der Nachbarn verbinden; auf Mini-U-Boote, die für ausgedehnte<br />
Trips vor den Häusern vertäut sind; dann also werden es sich jene<br />
Menschen vermutlich nicht verkneifen können zu lächeln. Sie<br />
werden feixen über Godsons postautogelb bemaltes, fensterloses<br />
Unterwasserhabitat aus Stahl, das so sehr an einen über dimen sionierten<br />
Werkzeugkasten erinnert. Darüber, dass es nicht im Meer<br />
sass, sondern auf dem Grund eines überfluteten Steinbruchs. Über<br />
die 100 Prozent Luftfeuchtigkeit, die darin herrschten, und über<br />
die Enge. Nur zweieinhalb Meter breit, drei Meter lang und zwei<br />
Meter hoch war das Refugium, in dem der 29-Jährige im April vergangenen<br />
Jahres zwölf Tage unter Wasser lebte. Eine Camping liege,<br />
ein stationäres Fahrrad, ein Chemieklo, ein paar an die Wand geklebte<br />
Bilder – viel mehr passte nicht hinein.<br />
Es fällt ja jetzt schon schwer, nicht über Godson zu schmunzeln.<br />
Schon weil der Meeresbiologe aus Australien in den Videodepeschen,<br />
mit denen er sich fast täglich bei der Aussenwelt meldete, so ansteckend<br />
gut gelaunt wirkt. Wenn er etwa vom Bett aus angelt,<br />
indem er die Rute über die offene Einstiegsluke am Boden seines<br />
Habitats hält – und doch nichts fürs Abendessen fängt. Wenn er<br />
im Schummerlicht auf den zwei Minitrommeln herumscheppert, die<br />
er von seiner Freundin bekommen hat. Oder wenn er leicht konsterniert<br />
feststellt, dass Moskitos seine Unterwasserbehausung<br />
infiltriert haben.<br />
Algenkolonien für die Sauerstoffproduktion<br />
Diese Zeitvertreibe mögen banal wirken. Dennoch hat der Meeresbiologe<br />
in den Augen mancher Grossartiges erreicht. Nicht, dass<br />
er es länger unter Wasser ausgehalten hätte als je ein Mensch vor<br />
ihm. Diese Ehre gebührt – noch – einem Mann namens Rick Presley,<br />
der 1992 ganze 69 Tage im nassen Element ausharrte. Doch Godson<br />
war der Erste, der gezielt versuchte, sich von der Infrastruktur<br />
des Landes unabhängig zu machen. Er produzierte zumindest einen<br />
Teil seines Sauerstoffs selbst, indem er sein Habitat mit einer Algenkolonie<br />
ausstattete. Täglich strampelte er mehrere Stunden auf<br />
dem Ergometer, um die Pumpe anzutreiben, die Wasser durch die<br />
Sauerstoff produzierenden Pflanzen spülte – und erzeugte so auch<br />
gleich den Strom, um seinen Laptop zu speisen. Die Algen absorbierten<br />
zudem das Kohlendioxid, das Godson ausatmete, und sie<br />
eigneten sich sogar zum Konsumieren. «Das Besiedeln des Meeresgrunds<br />
gehört zu den letzten Dingen, die noch unerreicht sind»,<br />
sagte Godson nach seiner Rückkehr an Land. «Wenn wir es intelligent<br />
angehen, könnte das Bauen von Unterwasserkolonien eine<br />
der grössten Errungenschaften des 21. Jahrhunderts werden.»<br />
Einer, den Godsons Erfahrungen ungemein interessierten, war<br />
Dennis Chamberland, ein Bio-Ingenieur und langjähriger Mitar beiter<br />
der US-Raumfahrtbehörde NASA. Denn der Amerikaner möchte<br />
im Frühjahr kommenden Jahres selbst unter Wasser ziehen.<br />
80 Tage will der erfahrene Taucher dann gemeinsam mit seiner Frau<br />
Claudia und einem weiteren Begleiter in einem privat finanzierten<br />
Habitat vor der Küste Floridas verbringen. Und das ist nur zum<br />
Aufwärmen gedacht. Läuft alles nach Plan, wird Chamberland<br />
bereits 2012 eine permanente Kolonie auf dem Boden des Meeres<br />
gründen. Interessenten können sich auf seiner Website bereits um<br />
einen Platz bewerben. «Ich spreche von einer Unterwasserstadt,<br />
einem Wohnort für ganze Familien», wirbt der Amerikaner.<br />
Leben im Meer – warum eigentlich nicht ? Rein rational ist das<br />
äusserst sinnvoll. Schliesslich bedeckt Wasser gut zwei Drittel der<br />
Oberfläche unseres Planeten. Land dagegen ist mit nur 15 Milliarden<br />
Hektar vergleichsweise rar und an manchen Orten – wie<br />
Macao – drängeln sich bereits fast 10 000 Menschen pro Quadratkilometer<br />
trockenen Bodens.<br />
Erste Langzeitversuche in den Sechzigerjahren<br />
Technologisch ist das Überleben unter Wasser ebenfalls kein Problem,<br />
wie wir seit dem 7. September 1962 wissen. Damals wurde<br />
der Belgier Robert Stenuit zum ersten «Aquanauten» der Geschichte.<br />
26 Stunden sass er in einer vier Meter langen Aluminiumröhre, die<br />
60 Meter tief im Mittelmeer baumelte. Fast zeitgleich zogen die<br />
Franzosen Albert Falco und Claude Wesly in die See. Unter dem<br />
Kommando des legendären Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau<br />
verbrachten sie im September 1962 eine ganze Woche in einem<br />
Habitat namens «Conshelf I», einem fünf Meter langen und zweieinhalb<br />
Meter hohen Stahlzylinder, der jenseits von Marseille zehn<br />
Meter tief auf dem Meeresgrund verankert wurde. Schläuche vom<br />
Land versorgten die Aquanauten mit Luft, Infrarotstrahler wärmten<br />
sie, Schaumgummi an den Wänden hielt ihre Behausung trocken<br />
und ein Plattenspieler bot ihnen Unterhaltung. Kuriertaucher brachten<br />
Essen und zweimal pro Tag schwamm ein Arzt in die unterseeische<br />
Wohntonne, um sicherzustellen, dass Falco und Wesly den<br />
dauerhaft erhöhten Druck gut vertrugen.<br />
Damit war der Auftakt gemacht und es folgte eine Phase intensiven<br />
Experimentierens mit dem Wohnen im Meer. 65 Habitate errichtete<br />
die Welt in den folgenden zwei Jahrzehnten. Manche lagen<br />
mit fünf Metern Tiefgang kaum unter der Wellengrenze, andere –<br />
wie das «Sealab III» der US-Marine – mit 300 Metern in einer Zone<br />
tintiger Dunkelheit. Selbst Länder, die gar nicht über eine Küste<br />
verfügen – wie die Tschechoslowakei –, beteiligten sich am Run auf<br />
die neue Lebensform. Zu den bizarrsten Konstruktionen, die in<br />
jenen Tagen auf dem <strong>Ozean</strong>boden errichtet wurden, gehörte ein<br />
Gummizelt, das US-Forscher 1964 in 130 Metern Tiefe nahe der<br />
Bahamas aufschlugen. (Die beiden Aquanauten, die darin übernachteten,<br />
wurden mehrfach aus dem Schlaf gerissen, als ein<br />
mächtiger Zackenbarsch bei seiner Jagd auf Sardinen gegen die<br />
Gummiblase rumste.)<br />
Andere Habitate beeindruckten durch ihre bemerkenswert luxuriöse<br />
Ausstattung. «Die Behausungen verfügen über fast jeden<br />
gewohnten Komfort wie Klimaanlagen, nagelneue Küchen, Kühlschränke,<br />
Telefone und Betriebsfernsehen», schrieb das US-Magazin<br />
«Time» 1963 über «Conshelf II», einen Nachfolger von Falcos<br />
und Weslys Unterwasserrefugium. «Sollten sich die Bewohner drinnen<br />
langweilen, legen sie ihren Tauchapparat an und treten durch<br />
die ‹Haustür›: ein Loch im Boden. Draussen können sie nach Belieben<br />
umherstreifen und schmackhaftes Meeresgetier sammeln,<br />
um es dann in ihren Traumküchen zuzubereiten.» Insgesamt verbrachten<br />
in jenen Tagen über 800 Aquanauten Zeit unter Wasser.<br />
Die ausdauerndsten lebten durchgehend zwei Monate in der Tiefe.<br />
Es war die Ära, in der der Forschungsdrang der Menschheit<br />
ohne hin hohe Wellen schlug. Der Kalte Krieg trieb die Gross mächte<br />
an, das noch Unbekannte zu erobern. Und neben dem All war ><br />
Fotos: Carolina Sarasiti, www.biosub.com.au | Handout, Getty Images | OAR/National Undersea Research Program (NURP), U.S. Navy | Créations Jacques Rougerie<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
<strong>Ozean</strong> Wohnraum<br />
11<br />
1 2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
Vordere Doppelseite Das 1963 unter der Leitung von Jacques-Yves Cousteau verwirklichte Unterwasserrefugium «Conshelf II» lag im Roten<br />
Meer. Über 800 Aquanauten lebten bis zu zwei Monate dort. 1 Der 29-jährige Meeresbiologe Lloyd Godson verbrachte in der zweieinhalb<br />
mal drei Meter grossen Stahlkiste 12 Tage unter Wasser. 2 Bahnbrechend an Lloyd Godsons Versuch war die Tatsache, dass er<br />
zumindest einen Teil seines Sauerstoffs mit Hilfe von Algenkolonien selber herstellte. 3 Das «Sealab III» der US-Marine lag vor der Küste<br />
Kaliforniens in einer Tiefe von 300 Metern. 4 Die Vision «Village sous-marin» wurde 1973 im Auftrag der US-Raumfahrt agentur NASA und<br />
der US-<strong>Ozean</strong>ografiebehörde NOAA entwickelt. Die Station sollte Langzeitforschungsaufenthalte in 40 Metern Tiefe ermöglichen.<br />
5 Das 1977 gebaute «Galathée» war ein teilweise mobiles, frei schwebendes Unterwasserhabitat für den Einsatz in küstennahen Zonen.<br />
Die 56 Kubikmeter grosse Station kann bis zu sieben Bewohner beherbergen.<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
12<br />
<strong>Ozean</strong> Wohnraum<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4 5<br />
1 Vor der Küste Neuenglands soll dereinst in 180 Metern Tiefe die 370 Quadratmeter grosse Tiefseestation Ocean Base One gebaut<br />
werden, die bis zu 60 Bewohnern Platz bieten soll. 2 Der Weg zur Ocean Base One führt über ein Manta-Unterseeboot, das an<br />
einer speziellen Dockingstation anlegt. 3 und 4 Das «Poseidon Undersea Resort» (Bild 3: Zimmer von aussen) soll auf dem Fidschi-<br />
Archipel vor Mystery Island 2009 Wirklichkeit werden (www.poseidonresorts.com). In rund 20 Metern Tiefe sollen 24 Wohneinheiten<br />
5-Stern-Luxus bieten. Dazu gibts unter anderem auch ein Gourmet-Restaurant sowie eine Bibliothek. 5 Die Vision «City in the<br />
Ocean» wurde vom französischen Architekten Jacques Rougerie entworfen und soll dereinst vor der Küste von Abu Dhabi nicht nur<br />
320 Meter in den Himmel ragen, sondern auch viel Lebensraum unter Wasser bieten.<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
<strong>Ozean</strong> Wohnraum<br />
13<br />
Fotos: JMS Naval Archtiects & Salvage Engineers | Poseidon Undersea Resorts | Créations Jacques Rougerie<br />
das vor allem der «innere Kosmos» (wie man die Welt unter Wasser<br />
damals nannte). Visionäre schwärmten von Meeressiedlungen,<br />
deren Bewohner allenfalls gelegentlich an Land kommen würden.<br />
Sie würden ihre Tage damit verbringen, unterseeische Mineralien<br />
abzubauen, nach Öl zu bohren oder Förderplattformen zu warten.<br />
Es wurde selbst darüber nachgedacht, Kernkraftwerke auf dem<br />
Meeres grund zu errichten. «Schon morgen», prophezeite der Aquanaut<br />
pionier Stenuit, «wird ein Siedler seinen Grund und Boden<br />
durch die Bullaugen seiner Unterwasser-Ranch überblicken.»<br />
Doch zunächst kam es nicht dazu. Ein paar Aquanauten starben<br />
bei Tauchunfällen und das Erschrecken darüber war so gross,<br />
dass einige Projekte eingestellt wurden. Auch begann sich abzuzeichnen,<br />
dass die Ölindustrie – ein früher Sponsor von Unterwasserhabitaten<br />
– Dinge wie Bohrungen billiger von Robotern und ROVs<br />
(Remotely Operated Vehicles) ausführen lassen konnte. Und das<br />
er wachende Umweltbewusstsein bremste die einstige Begeisterung<br />
für den Plan, die Meere hemmungslos auszubeuten. Selbst die<br />
spek takulären Mondlandungen wirkten sich aus Sicht der Aquanauten<br />
nachteilig aus, denn sie monopolisierten die Aufmerksamkeit –<br />
die breite Öffentlichkeit vergass die Idee, die <strong>Ozean</strong>e zu besiedeln.<br />
Mehr Menschen leben im All als unter Wasser<br />
Heute leben dank der Internationalen Raumstation mehr Menschen<br />
im All als unter Wasser. Sieht man von einigen militärischen<br />
U-Booten ab, die nomadenhaft in der Tiefsee patrouillieren, besucht<br />
der Mensch die unermessliche Weite der Meere noch immer nur zu<br />
Stippvisiten. Bis zu sechs Gäste etwa können sich nächteweise in<br />
der «Jules’ Undersea Lodge» einmieten, einem ausgemusterten<br />
Unterwasserhabitat aus den Siebzigerjahren, das gut sechs Meter<br />
tief in einer Mangrovenlagune in Key Largo, Florida, liegt. Ganz in<br />
der Nähe ist die «Aquarius» aufgebockt, die einzige Überlebende<br />
der einstigen Flotte unterseeischer Forschungshabitate. Meeresbiologen<br />
quartieren sich für gewöhnlich zehn Tage in ihr ein, um<br />
die umliegenden Korallen zu studieren. Privatsphäre dürfen sie<br />
dabei freilich nicht verlangen. Gerade einmal 14 Meter lang und<br />
drei Meter breit ist die eher spartanisch eingerichtete «Aquarius»<br />
für sechs Bewohner ausgelegt.<br />
Doch noch immer gibt es Menschen, die den Traum von einer<br />
per manenten Präsenz unter den Wellen nicht aufgegeben haben –<br />
und die überzeugt sind, dass die Zeit reif für einen neuen Anlauf<br />
ist. Dennis Chamberland ist denn auch nicht der Einzige, der ernsthaft<br />
an entsprechenden Projekten arbeitet. So ist etwa ein Meeresbiologe<br />
der Universität von Connecticut derzeit dabei, Geld für<br />
gleich zwei hochmoderne Unterwasser habitate aufzutreiben. In<br />
bereits zwei bis vier Jahren hofft Richard Cooper, Gründer der<br />
gemeinnützigen Ocean Technology Found ation, in einem noch nicht<br />
näher benannten tropischen Gewässer mit dem Bau einer zweistöckigen<br />
Meeresbehausung zu beginnen. Anders als fast alle bisherigen<br />
Unterwasserprojekte soll die Station, die für 18 und 40<br />
Meter Tiefe geplant ist, auch für Laien zugänglich sein – etwa für<br />
Freizeittaucher, die mehr Zeit im Nass verbringen wollen.<br />
Langfristig jedoch möchte Cooper ein noch weit ehrgeizigeres<br />
Projekt angehen: eine mit 370 Quadratmetern baumarktgrosse<br />
Tiefseestation vor der Küste Neuenglands. Der niedrigste Punkt<br />
der Ocean Base One läge 180 Meter unter der Oberfläche. Zwei<br />
Kabinen würden darin bis zu 60 Bewohnern Platz bieten. Dabei<br />
würde der Luftdruck des einen Abteils künstlich auf dem Level der<br />
Oberfläche gehalten, um schnelle Ausflüge ans Land zu ermöglichen.<br />
In einer zweiten Kabine würde dagegen der Druck der Umgebung<br />
herrschen: 19 Bar. Dies soll den Bewohnern erlauben,<br />
ausgedehnte Ausflüge unter Wasser zu unternehmen, ohne sich<br />
um die «Bends» sorgen zu müssen. So bezeichnen Taucher jenes<br />
schmerzhafte und potenziell tödliche physische Phänomen, bei dem<br />
der erhöhte Druck unter Wasser Gase im Blut komprimiert, die zu<br />
sprudeln beginnen, wenn der Betroffene zu schnell auftaucht. Erst<br />
gegen Ende ihres Aufenthalts müssten diese Aquanauten schrittweise<br />
an die Verhältnisse des Landes akklimatisiert werden –<br />
ein Prozess, der fast sieben Tage beanspruchen dürfte. Zwischen<br />
50 und 70 Millionen Dollar werde es kosten, Ocean Base One zu<br />
bauen, schätzt Cooper.<br />
5-Stern-Luxussuiten mit Blick auf Korallenriffe<br />
Damit wird sein Projekt vermutlich deutlich billiger ausfallen als das<br />
«Poseidon Undersea Resort», ein Unterwasserhotel, das derzeit<br />
für die Südsee entwickelt wird. Denn das soll 5-Sterne-Luxus auf<br />
dem Grund des <strong>Ozean</strong>s bieten. Geplant sind transparente Aufzüge,<br />
welche die Besucher zwölf Meter tief ins Wasser fahren, von<br />
wo sie trockenen Fusses eine von 24 Suiten betreten, die entlang<br />
eines Korallenriffs aufgereiht werden sollen. Grossflächige Acrylfenster<br />
(auch die Decke wird teils durchsichtig sein) werden es den<br />
Gästen erlauben, selbst vom Bett oder vom zimmereigenen Whirlpool<br />
aus zu beobachten, wie sich ringsherum die Fische im himmelblauen<br />
Wasser tummeln. Ebenfalls unter den Wellen liegen<br />
werden wohl ein Restaurant, ein Konferenzsaal, eine Hochzeitskapelle<br />
und ein Wellnesszentrum. Nach mehreren Rückschlägen<br />
soll das Luxus etablissement nun 2009 nahe einer privaten Insel im<br />
Fidschi-Archipel eröffnet werden. Reservieren darf man bereits<br />
ab 15. September dieses Jahres – vorausgesetzt, man verfügt über<br />
die 15 000 Dollar, die der Aufenthalt im Unterwasserhotel, inklusive<br />
Flug zur Privat insel, Gerüchten zufolge kosten wird.<br />
Noch grandioser soll das «Hydropolis Undersea Resort» ausfallen,<br />
das für die exklusive Jumeirah-Küste vor Dubai entworfen<br />
wurde. Vorgesehen sind durchsichtige Tunnel, durch die Besucher<br />
von der landgelegenen Rezeption zu den Zimmern laufen, die 20<br />
Meter tief im Persischen Golf gebaut werden sollen. Das zehn<br />
Hektar grosse Hotel (dessen Bau ebenfalls bereits Verzögerungen<br />
erlebte) soll unter anderem 220 Räume, ein Kino, eine Klinik<br />
für Schönheitsoperationen und einen unterseeischen Ballsaal enthalten,<br />
heisst es. Auch für den Persischen Golf geplant ist die<br />
«City in the Ocean», ein bereits optisch futuristisch anmutendes<br />
Projekt, das der französische Architekt Jacques Rougerie im Auftrag<br />
von Abu Dhabi erdacht hat. Wie Neptuns Zacken ragen in der<br />
Modellzeichnung drei 320 Meter hohe Wohntürme über die kreisrunde<br />
Siedlung hinaus, die komplett im Wasser errichtet werden<br />
und auch unterseeische Einheiten enthalten soll.<br />
Selbst wenn sich viele dieser visionären Projekte noch im frühen<br />
Planungsstadium befinden – für jene, die sich nach einem Leben<br />
unter den Wellen sehnen, scheinen die Aussichten besser als<br />
seit Jahrzehnten. «Bald werden Familien unter Wasser wohnen und<br />
arbeiten. Kinder werden dort zur Schule gehen und eine neue Generation<br />
wird dort geboren werden – die ersten Bürger einer <strong>Ozean</strong>zivilisation,<br />
deren wichtigste Aufgabe es sein wird, auf die Weltmeere<br />
aufzupassen und sie zu beschützen», schwärmt Meereskolonialist<br />
in spe Chamberland voller Zuversicht. «Das ist keine<br />
Illusion oder Träumerei, sondern ein Plan, der Schritt für Schritt<br />
verwirklicht werden kann.» <<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
14<br />
<strong>Ozean</strong> Schifffahrt<br />
Volle Fahrt<br />
zurück<br />
in die<br />
Zukunft<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
<strong>Ozean</strong> Schifffahrt<br />
15<br />
Foto: Amory Ross<br />
Peter Schenzle trägt die Zukunft auf seiner Gürtelschnalle: die<br />
«Maruta Jaya». Der Segelfrachter wurde bereits in den Achtzigerjahren<br />
von einem deutsch-indonesischen Forschungsteam für den<br />
Warentransport zwischen den indonesischen Inseln entwickelt. Das<br />
Segelwerk, auch «Rigg» genannt, des Dreimastschoners stammte<br />
vom Schiffsbauingenieur Schenzle, der damals für die Hamburgische<br />
Schiffsbauversuchsanstalt (HSVA) arbeitete.<br />
Mit 1050 Quadratmetern hat das so genannte Indosail-Rigg<br />
eine gewaltige Segelfläche, die dem 63 Meter langen Frachter<br />
starke Vortriebskräfte garantiert. Zudem ist das Schiff mit einem<br />
140 - PS-Diesel-Elektro-Antrieb ausgerüstet. Die Segel werden<br />
elektrisch gerefft und eingestellt. Entsprechend braucht es auch<br />
keine grosse und kostspielige Crew wie auf den alten Windjammern.<br />
Doch im Vergleich zu einem Motorschiff dieser Grössenordnung<br />
verbraucht die «Maruta Jaya» rund 70 Prozent weniger Treibstoff.<br />
Der Greenpeace-Schoner «Rainbow Warrior II» wurde ebenfalls mit<br />
einem Indosail-Rigg ausgestattet. Seit 1989 hat das Schiff bei<br />
ver schiedenen Testfahrten bis zu 40 Prozent Treibstoff eingespart.<br />
Schenzles Entwicklung ist also ein Erfolg. Und doch wurde sie von<br />
der kommerziellen Schifffahrt noch nicht aufgenommen, auch wenn<br />
grosse Werften wie die Kieler Lindenau diverse Indosail-Projekte<br />
vom Tanker bis zum Kreuzfahrtschiff in ihren Schubladen liegen<br />
haben sollen.<br />
90 Prozent der Waren auf dem Seeweg<br />
Nun zwingen steigende Schwerölpreise und strenge Umwelt- und<br />
Klimaschutzauflagen die konservativen Reedereien, immer mehr<br />
über alternative Antriebe wie den kostenlosen Wind nachzuden ken,<br />
um Treibstoff zu sparen und damit umweltschonender und nachhaltiger<br />
zu operieren. Immerhin werden 90 Prozent aller Warengüter<br />
weltweit mit Schiffen transportiert. Die Seefahrt bläst aber<br />
auch rund fünf Prozent der weltweiten CO 2 -Emissionen in die<br />
Atmos phäre sowie Schwefel- und Stickoxide, und sie verursacht<br />
Die ölgetriebene Schifffahrt ist für rund<br />
fünf Prozent der weltweiten CO 2 -Emissionen<br />
verantwortlich und damit eine<br />
enorme Umweltbelastung. Nun sucht<br />
sie verstärkt nach alternativen Antrieben<br />
und findet dabei zwei alte Bekannte:<br />
den Wind und die Sonne.<br />
Umweltzerstörungen durch Havarien, Luftverschmutzung in Hafenstädten<br />
und so weiter. Mit der rasant steigenden Welthandelsflotte<br />
steigen auch die Probleme. Erst kürzlich, am «Europäischen Tag<br />
der Meere», diskutierte das Europaparlament darüber, Emissionszertifikate<br />
und hohe Steuern und Gebühren für schwere Frachter<br />
einzuführen, um den Schadstoffausstoss endlich zu verringern.<br />
«Gerade in der Schifffahrt», erklärt Schenzle, «gibt es ein hohes<br />
Potenzial, Nachhaltigkeit umzusetzen. Seetransport ist zehn Mal<br />
so effizient wie die Eisenbahn oder die Strasse. Und sogar hundert<br />
Mal so effizient wie die Luftfahrt. Allerdings sind die komplette<br />
Seefahrt und die dazugehörige Logistik, die Hafenanlagen, die<br />
Umschlags- und Ladetechnik – das gesamte Denken – seit über<br />
100 Jahren auf den billigen Ölpreis ausgerichtet. Deswegen passieren<br />
Veränderungen nur sehr langsam und schleppend und in<br />
sehr kleinen Schritten.»<br />
Seitdem Dampf- und Motorschiffe die Windschiffe Ende des<br />
19. Jahrhunderts von den <strong>Ozean</strong>en in Bücher und Museen verdrängten,<br />
seien sie – so heisst ein weitläufiges Vorurteil – vor allem<br />
etwas für verspielte Romantiker. Tatsächlich interessieren sich aber<br />
auch kluge Visionäre für die scheinbar altmodischen Windschiffe.<br />
Bereits 1967 legte der Hamburger Ingenieur Wilhelm Prölss Pläne<br />
für einen modernen Segelfrachter mit einem revolutionären Rigg<br />
vor – dem Dynarigg, einem Konstrukt aus riesigen, drehbaren<br />
Masten ohne Tauwerk, das es einem 150 Meter langen Schiff ermöglichen<br />
sollte, bis zu 50 Grad gegen den Wind zu segeln. Die<br />
Segel konnten zwischen den Rahen per Knopfdruck eingefahren<br />
und ausgerollt werden und bildeten vom Mastboden bis zur Spitze<br />
eine durchgehende Fläche. Das Schiff sollte die Atlantiküberquerung<br />
nach Prölss’ Berechnungen mit einer Geschwindigkeit von bis<br />
zu 20 Knoten schaffen. Prölss glaubte, dass solche Schiffe spätes<br />
tens im 21. Jahrhundert wieder über die <strong>Ozean</strong>e fahren würden.<br />
Und das zu einer Zeit, als Nachhaltigkeit, Ölpreis und Umweltschutz<br />
noch kein Thema waren. Prölss starb 1974. Sein Schiff hat er nie<br />
fahren sehen. Zwar bekundeten Reeder seit der ersten Ölkrise 1973<br />
immer wieder Interesse am Dynarigg, doch immer nur so lange,<br />
bis der Ölpreis wieder auf ein erträgliches Mass gesunken war.<br />
So mussten fast vier Jahrzehnte vergehen, bis Prölss’ Idee<br />
realisiert wurde. 2006 lief die «Maltese Falcon» vom Stapel, eine<br />
Superyacht, die mit einem vom niederländischen Konstrukteur<br />
Gerard Dijkstra weiterentwickelten Dynarigg ausgerüstet wurde.<br />
Die Yacht mit drei jeweils 58 Meter hohen Masten und einer Segelfläche<br />
von 2396 Quadratmetern finanzierte der US-Milliardär<br />
Tom Perkins. «Der hat mir erzählt, dass er schon lange davon träumte,<br />
dieses Rigg zu bauen», erzählt Schenzle, «weil er der Meinung<br />
war, dass diese Idee zu gut ist, um nicht verwirklicht zu werden.»<br />
Auf seiner Jungfernfahrt über den Atlantik schaffte der «Falke»<br />
eine Spitzengeschwindigkeit von rund 24 Knoten (rund 43 km/h).<br />
Text: Ingo Petz<br />
Windschiffe als Touristenattraktion<br />
Bei touristischen Kreuzfahrten im oberen Preissegment haben<br />
neuartige Windschiffe durchaus das Potenzial, sich eine Marktnische<br />
zu erobern. Dies beweisen die Erfolge der beiden Windjammer<br />
«Sea Cloud» und «Sea Cloud II» sowie der «WindCruiser». Dass<br />
aber moderne Frachter, die allein mit Hilfe der Windkraft fahren,<br />
die Motorschiffe im grossen Massstab verdrängen könnten, halten<br />
Experten für unwahrscheinlich. «Reine Segelschiffe könnten vielleicht<br />
gewisse Nischen besetzen», so Schenzle. «Aber realisti schere<br />
Lösungen sind im Moment kombinierte Antriebe, also Wind- ><br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
16<br />
<strong>Ozean</strong> Schifffahrt<br />
Umweltsünder Schifffahrt Lange galt die Schifffahrt<br />
als besonders umweltfreundlich. Dabei<br />
sind die rund 40 000 Frachter, Kreuzfahrtschiffe,<br />
Fischtrawler und Fähren in einem ähnlichen<br />
Masse wie der Flugverkehr für rund fünf Prozent<br />
der weltweiten CO 2 -Emissionen verantwortlich.<br />
Durch das starke Wachstum der Welthandelsflotte,<br />
haben Experten ausgerechnet, werden die Emissionen<br />
bis zum Jahr 2020 schätzungsweise um<br />
75 Prozent steigen. In jüngster Zeit häufen sich die<br />
Forderungen, die Schifffahrt umweltpolitisch an<br />
die Kandare zu nehmen. Die Experten des Weltklimarates<br />
(IPCC) beispielsweise empfahlen in einem<br />
Bericht von 2007 ausdrücklich, Tanker und Frachter<br />
mit Zusatzsegeln aufzurüsten – als eine Massnahme,<br />
um den Treibstoffverbrauch und damit den<br />
CO 2 -Ausstoss einzudämmen.<br />
schiffe mit Motoren oder Motorschiffe mit einer Windunterstützung.»<br />
Denn die Entwicklungskosten für revolutionäre Schiffe wie beispielsweise<br />
für den vom Dänen Knud E. Hansen konzipierten 215 Meter<br />
langen Segelfrachter «Windship 1» sind immens. Und die Risikobereitschaft<br />
der Reeder hat enge Grenzen, nämlich die der Wirtschaftlichkeit<br />
und Rentabilität. Zudem ist die Verladetechnik nicht<br />
für grosse Schiffe mit mehreren Masten entwickelt worden. Deswegen,<br />
meint Schenzle, seien kurzfristige Lösungen interessanter<br />
und attraktiver, wie sie beispielsweise von der Firma SkySails<br />
angeboten werden. Das Hamburger Unternehmen produziert Flugdrachen,<br />
die Tanker und Frachter mit der Kraft des Windes über die<br />
Meere ziehen. Stefan Wrage, Gründer von SkySails, geht davon<br />
aus, dass Reeder mit seinem Zusatzantrieb bis zu 35 Prozent Treibstoff<br />
einsparen können. Bei einem kleinen, 87 Meter langen Frachter<br />
wären das immerhin rund 280 000 Euro pro Jahr. Bis 2015 will<br />
Wrage 1500 Drachen verkaufen.<br />
Im März dieses Jahres beendete die MS Beluga SkySails, der<br />
erste Grossfrachter, der von einem 160 Quadratmeter grossen<br />
Drachen gezogen wird, seine Jungfernfahrt. Der Erfolg der Hamburger<br />
zeigt, dass alternative Antriebskonzepte auch von Reedereien<br />
nicht mehr nur als romantische Spinnerei abgetan, sondern<br />
mittlerweile sehr ernst genommen werden. «Solche kleinen Neuerungen<br />
sind wichtig», urteilt Heinz Otto vom Bundesverband Wind-<br />
Energie (BWE) in Hamburg. «Aber sie können nur der Einstieg in<br />
die nachhaltige Schiffsbetriebstechnik sein. Denn die Windnutzung<br />
hat ein noch viel grösseres Potenzial, um Energie einzusparen und<br />
damit Emissionen zu verringern.» Otto wirbt seit über 30 Jahren<br />
bei Politikern und Reedereien für windbetriebene Schiffe. Eine<br />
Arbeit, die er als «sehr mühsamen Kampf» bezeichnet. «Die Reeder<br />
sind Gefangene ihres weltweiten Konkurrenzdrucks», erklärt er,<br />
«sie haben einfach keine Zeit investiert, um eine Zukunft nach dem<br />
Öl zu durchdenken.»<br />
Schon in den Achtzigerjahren hatten japanische Reeder Tanker<br />
und Frachter wie den «Usuki Pioneer» oder den «Shin Aitoku<br />
Marumit» mit starren Segelkonstruktionen versehen, die bei der<br />
Hafeneinfahrt zusammengeklappt werden konnten. Allerdings<br />
setzten sich diese Neuerungen trotz ihres Erfolges nicht durch,<br />
da die Wartungs- und Reparaturkosten unerwartet hoch waren<br />
und der niedrige Ölpreis niemanden zum langfristigen Sparen und<br />
Umdenken zwang.<br />
Ein anderer Zusatzantrieb, der gerade seine Wiederentdeckung<br />
erlebt, ist der Flettner-Rotor. Er wurde bereits in den Zwanzigerjahren<br />
in Norddeutschland entwickelt. Auch diesem Antrieb wird<br />
eine grosse Zukunft vorausgesagt. Der Rotor besteht aus einem<br />
senkrecht stehenden, rotierenden Zylinder, der zwar nicht besonders<br />
schön aussieht, aber durch den so genannten Magnus-Effekt<br />
eine sehr effektive Schubkraft erzeugt. Bei gleicher Angriffsfläche<br />
kann er die zehnfache Triebkraft eines normalen Segels entwickeln.<br />
Bläst der Wind gegen den rotierenden Zylinder, wird er auf der<br />
vorderen Zylinderseite mitgerissen und strömt dort schneller. Auf<br />
der rückwärtigen Zylinderseite wird er abgebremst und strömt langsamer.<br />
Die daraus resultierenden Sog- und Staudruckkräfte erzeugen<br />
die Vorwärtsbewegung. Zurzeit wird ein 130 Meter langer<br />
Frachter mit vier Flettner-Rotoren in einer Kieler Werft gebaut.<br />
«Der Vorteil gegenüber einem Segel ist ein deutlich geringerer Platzbedarf<br />
bei höherem Schub», sagt Jacob-Heye Waldecker, Schiffbau-Projektingenieur<br />
bei Lindenau. Der französische Meeresforscher<br />
Jacques-Yves Cousteau hatte in den Achtzigern das Forschungsschiff<br />
«Alcyone» bauen lassen, das ebenfalls mit Hilfe<br />
aktiver Strömungsbeeinflussung fuhr. Allerdings wird die «Alcyone»<br />
nicht über Rotoren betrieben, sondern über ein so genanntes<br />
Turbosail, das bis zu 30 Prozent der Vortriebsleistung generiert.<br />
Auch die reine Sonnenenergie könnte der Schifffahrt den Weg<br />
in eine umweltfreundlichere Zukunft weisen. Bereits seit den<br />
Achtzigern wurde in verschiedenen Projekten mit Solarantrieben,<br />
Solarfolien für Segel oder den Tragflächen von Flugzeugen nachempfundenen<br />
Solarflügeln experimentiert. 2007 gelang dem<br />
Schweizer Katamaran «Sun21» die erste Atlantiküberquerung –<br />
nur mit Hilfe der Sonnenenergie. Allerdings schafft das kleine, 14<br />
Meter lange Boot lediglich eine Durchschnittsgeschwindigkeit von<br />
fünf bis sechs Knoten. Als Antrieb für grosse Handelsschiffe wird<br />
die Solaren ergie aufgrund ihrer begrenzten Leistungsfähigkeit und<br />
ihres grossen Flächenbedarfs somit wohl unbrauchbar bleiben.<br />
Aber denkbar ist, dass reine Solarboote wie beispielsweise kleine<br />
Fähren oder Ausflugsboote zur Erkundung von küstennahen Naturschutzgebieten<br />
oder Seen die Motorschiffe verdrängen, vor allem<br />
in sonnenreichen Regionen. Zudem ist natürlich ein Hybridantrieb<br />
mit Solarenergie denkbar, so wie ihn der australische «Solarailor»<br />
nutzt. Das Boot bietet Platz für 600 Personen und spart mit seinem<br />
Solarantrieb rund 40 Prozent Treibstoff.<br />
Intelligente Kombination aller alternativen Antriebe<br />
Eine sehr futuristische Vision hat die schwedische Reederei Wallenius<br />
Wilhelmsen entwickelt. Auf der Expo 2005 in Japan stellte<br />
sie die «Orcelle» vor, einen Trimaran-Frachter, der Platz für 10 000<br />
Autos bietet und der nur mit regenerativer Energie betrieben wird –<br />
und zwar mit Wind, Seegang, Solarenergie und zwischengespeichertem<br />
Wasserstoff. Auch Schenzle hält solche abenteuerlustigen<br />
Projekte künftig für notwendig. «Die intelligente Kombination von<br />
Windkraft und Solarenergie als Antriebe der Zukunft ist ja nur<br />
der erste Schritt», sagt er. «Wenn wir wirklich einmal ernsthaft die<br />
Chance zum vollends emissionsfreien Seetransport nutzen wollen,<br />
dann muss sich vieles ändern. Nicht nur in der technischen Hardware,<br />
sondern auch vom Energiemanagement der Erzeuger und<br />
Verbraucher an Bord bis zur flexiblen Organisation saison- und<br />
wetterabhängiger Reisezeiten und Hafenabfertigungen im Rahmen<br />
der Transportkette.» Mit anderen Worten: Die Schifffahrt der Zukunft<br />
steht erst an ihrem Anfang. <<br />
Fotos: Amory Ross | SkySails | Alexis Rosenfeld, Science Photo Library | Dylan Cross<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
<strong>Ozean</strong> Schifffahrt<br />
17<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
Einstiegsseite und 1 «Maltese Falcon»: Die 88 Meter lange Superyacht wurde im Auftrag des US-Milliardärs Tom Perkins gebaut. Sie verfügt<br />
über ein spezielles Segelwerk (Dynarigg), bei dem die drei Grosssegel fest an drehbaren Masten befestigt sind. 2 Erstflug des Sky-<br />
Sails-Zugdrachenantriebs auf der MS Beluga SkySails. 3 Die im Auftrag von Jacques-Yves Cousteau konstruierte «Alcyone» verfügt über<br />
zwei abgewandelte Flettner-Rotoren. Bei diesen so genannten Turbosails wird ebenfalls der Magnus-Effekt des Windes an Zylindern<br />
ausgenutzt, doch kommt es im Innern zu keiner Rotation. 4 Der in der Schweiz gebaute Katamaran «Sun21» überquerte als erstes Motorboot<br />
ausschliesslich mit Hilfe von Sonnenenergie den Atlantik und fuhr am 8. Mai 2007 im Hafen von New York ein.<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
18 <strong>Ozean</strong> Entdecker<br />
Geheimnisse<br />
des<br />
<strong>Ozean</strong>s<br />
gründen<br />
tief<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
<strong>Ozean</strong> Entdecker<br />
19<br />
Foto: Peter Batson, DeepSeaPhotography.com<br />
Die Bedeutung der <strong>Ozean</strong>e für das Leben auf dem Planeten Erde<br />
ist unbestritten. Sie sind nicht nur für den Welthandel und das<br />
Wohlergehen der Konjunktur entscheidend, sondern auch ein wesentlicher<br />
Bestandteil des Lebenser haltungssystems Erde. Die<br />
<strong>Ozean</strong>e spielen eine zentrale Rolle in der Aufrechterhaltung des<br />
Sauerstoff-Kohlenstoff-Gleichgewichts in der Atmosphäre und in<br />
der Regulierung des Erdklimas. Das sind die Fakten, die bisher<br />
erwiesen sind. Aber in den Weiten der Weltmeere wimmelt es noch<br />
von unentdeckten Lebewesen und Ressourcen, die für die Menschheit<br />
von unermesslichem Wert sein können. «Um herauszufinden,<br />
was dort draussen darauf wartet, entdeckt zu werden, müssen wir<br />
noch viel mehr in die Forschung investieren», sagt Steve Hammond,<br />
Direktor des Office of Ocean Exploration (OOE) der amerikanischen<br />
Wetter- und <strong>Ozean</strong>ografiebehörde NOAA (National Oceanic and<br />
Atmospheric Administration).<br />
Technologische Fortschritte haben die Meereswissenschaften<br />
grundlegend verändert und ermöglichen es, in immer grössere Tiefen<br />
vorzudringen. Trotzdem sind rund 90 Prozent der <strong>Ozean</strong>e noch<br />
unerforscht. «Es wurde schon oft gesagt und trifft tatsächlich zu:<br />
Wir wissen mehr über die Oberfläche von Mond und Mars als über<br />
die Topografie unseres eigenen Planeten. Und obwohl es sicher<br />
wichtig ist, andere Planeten zu erkunden, ist es mindestens ebenso<br />
wichtig, dass wir unseren eigenen erforschen und verstehen»,<br />
betont Hammond, der seit über 40 Jahren als <strong>Ozean</strong>ograf arbeitet.<br />
Die Meeresforschung ist in vielerlei Hinsicht mit der Weltraum- und<br />
Planetenforschung vergleichbar. Beide liefern neue Erkenntnisse<br />
über den Ursprung und das Innenleben unseres Planeten. Und wie<br />
im Weltraum ist auch die bemannte Erforschung des unwirtlichen<br />
Meeresbodens kostspielig, schwierig und bisweilen gefährlich. Um<br />
den Gefahren und Komplikationen des erhöhten Drucks in der Tiefe<br />
zu begegnen, besteht ein Trend zur unbemannten Erforschung<br />
mittels teurer, aber leistungsfähiger ferngesteuerter Fahrzeuge<br />
(ROV) und, seit kurzem, autonomer Unterwasserfahrzeuge (AUV).<br />
Der französische Meeresforscher Jacques-<br />
Yves Cousteau war mit seinen weltweit<br />
aus gestrahlten Dokumentarfilmen<br />
für die <strong>Ozean</strong>e, was Neil Armstrong<br />
für den Mond – er führte den Menschen<br />
ein bislang unbekanntes Universum<br />
vor Augen. Trotz seines viel beachteten<br />
Lebenswerks und der Arbeiten<br />
unzähliger anderer Forscher weiss<br />
die Menschheit heute noch immer<br />
mehr über die Oberfläche des Mondes<br />
als die der <strong>Ozean</strong>e.<br />
Text: Michèle Bodmer<br />
Diese neuen Technologien machen es möglich, mehr von dieser<br />
unermesslichen Umgebung zu erforschen.<br />
Während der zweiten Amtszeit von Bill Clinton wurde eine präsidiale<br />
Kommission zur Erforschung der Meere gebildet mit dem<br />
Auftrag, die Entwicklung eines Meeresforschungsprogramms ins<br />
Auge zu fassen, das die Erkundung unbekannter und wenig bekannter<br />
Meeresgebiete sowie wissenschaftliche Fortschritte ermöglichen<br />
sollte. Die Ergebnisse der Kommission, veröffentlicht in einem<br />
Bericht mit dem Titel «Discovering Earth’s Final Frontier: A US<br />
Strategy for Ocean Exploration», zeigten, dass die <strong>Ozean</strong>e eine<br />
Grundlage des Lebens auf diesem Planeten darstellen und für die<br />
Wirtschaft, die öffentliche Gesundheit und die Umwelt von Bedeutung<br />
sind. Die Kommission schrieb ausserdem Geschichte, als sie<br />
eine nationale Strategie für die Erforschung der Weltmeere erarbeitete<br />
– weltweit die erste ihrer Art. Aufgrund dieser Strategie gründete<br />
die NOAA als zivile Meeresbehörde der USA 2001 das Office<br />
of Ocean Exploration (OOE). «Das Forschungsprojekt der NOAA<br />
dringt an Orte vor, wo noch nie zuvor ein Mensch war, und führt<br />
entsprechende Untersuchungen durch, um zu ermitteln, was an<br />
einer bestimmten Stelle des Meeres vor sich geht, und die dortigen<br />
Lebensformen zu erkunden», erklärt Hammond.<br />
Eine der Hauptaufgaben des OOE ist die Kartierung des Meeresbodens,<br />
um einen grundlegenden Rahmen und Kontext für die<br />
Erforschung zu liefern. Einige der bekanntesten Meeresbodenkarten<br />
wurden vor mehreren Jahrzehnten von der National Geographic<br />
Society und der US Navy veröffentlicht. Karten jüngeren Datums<br />
beruhen auf der Satellitenaltimetrie, und zusammen bieten diese<br />
Karten einen Einblick in die oftmals erstaunlich komplexe Topografie<br />
des Meeresbodens. Aber nach Ansicht von Experten sind sie zu<br />
wenig detailgenau. «Diese gut bekannten Karten könnten den Eindruck<br />
vermitteln, dass es nicht mehr viel zu entdecken gibt», meint<br />
Hammond, der zugleich betont, dass «die <strong>Ozean</strong>e bis heute nahezu<br />
unerforscht sind».<br />
Die Meere bleiben ein Geheimnis<br />
Nach Ansicht von Hammond, der zunächst als leitender Wissenschaftler<br />
und seit vier Jahren als Direktor beim OOE arbeitet, kennen<br />
wir bei einem Grossteil der <strong>Ozean</strong>e die Topografie des Meeresbodens<br />
nicht im Detail. Wir wissen auch nicht wirklich, wie das Meer<br />
funktioniert, das gilt insbesondere für die Tiefsee. «Auf jeder Mission<br />
werden bemerkenswerte Entdeckungen gemacht, von denen<br />
jede auf ihre Art bedeutend ist. In den <strong>Ozean</strong>en lebt eine unglaubliche<br />
Vielzahl von Arten, nicht nur Fische. Es gibt auch Wir bellose<br />
und Mikroorganismen, die das Potenzial für biomedizinische und<br />
andere technische Anwendungen bieten», so Hammond.<br />
Mit Hilfe von akustischer Überwachungstechnologie, Kartierungen,<br />
ROV und hochauflösenden Kameras ist es den Wissenschaftlern<br />
des OOE gelungen, Vulkane auf dem Meeresboden zu<br />
lokalisieren, Eruptionen zu filmen und wertvolle Wasserproben aus<br />
den Tiefen des nordöstlichen und westlichen Pazifiks zu sammeln.<br />
«Wir haben Mikroorganismen entdeckt, die in Wassertemperaturen<br />
von über 100 Grad Celsius leben und in einem giftigen Chemikaliengemisch,<br />
das aus Schloten aufsteigt, aufblühen», erklärt Hammond.<br />
Diese und andere seltsame Mikroorganismen, die nach tiefen Vulkanausbrüchen<br />
in gewaltigen Heisswasserfontänen entdeckt wurden,<br />
waren der Schlüssel zur Entdeckung riesiger, über die ganze Welt<br />
verteilter mikrobieller Ökosysteme, die in vulkanisch aktiven Zonen<br />
unter dem Meeresboden existieren. ><br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
20<br />
<strong>Ozean</strong> Entdecker<br />
1<br />
2 3<br />
1 Der Schwarze Anglerfisch ist ein zwergenhafter Tiefseeräuber. Die Männchen sind deutlich kleiner als die Weibchen und leben als<br />
ständige Parasiten am Weibchen, bis die Blutgefässe der beiden Tiere miteinander verwachsen. Das Männchen zerfällt allmählich und<br />
wird zur reinen Spermienquelle. 2 Drei Borstenwürmer leben im Hohlraum dieser Muschel, die während einer NOAA-Expedition von<br />
einem bemannten Tauchboot geborgen wurde. 3 Röhrenwürmer bedecken einen Sulfidschlot (Zooarium), der von NOAA-Wissenschaftlern<br />
in den Tiefen vor der Westküste Nordamerikas im Pazifischen Feuerring, einer Kette von aktiven Vulkanen, entdeckt wurde.<br />
Mikrobiologen, die Proben aus solchen Fontänen untersucht haben,<br />
vermuten, dass die Biomasse der Ökosysteme unter dem Meeresboden<br />
mit der Biomasse aller Lebensformen an Land konkurrieren<br />
könnte. «Viele dieser Mikroorganismen leben in einer an Schwermetallen<br />
reichen Chemikaliensuppe, die für jedes Landlebewesen<br />
toxisch wäre», erläutert Hammond. «Mikrobiologen sagen gerne, dass<br />
die Entdeckung dieser Organismen vergleichbar ist mit der Entdeckung<br />
von Leben auf einem anderen Planeten. Aber es kommt noch<br />
besser: Diese Mikroorganismen haben auch das Potenzial, wenn<br />
sie genetisch verändert werden, pharmazeutische Anwendungen<br />
zu ermöglichen oder Produktionsprozesse zu katalysieren. Oder sie<br />
könnten für die Säuberung der Umwelt eingesetzt werden.» Anders<br />
gesagt, Mikroorganismen aus der Tiefe könnten in verschmutzten<br />
Landstrichen zum Einsatz gelangen, um diese durch die selektive<br />
Entfernung toxischer Substanzen zu säubern.<br />
Die <strong>Ozean</strong>e drohen zu übersäuern<br />
Nach jüngsten Erkenntnissen der <strong>Ozean</strong>ografen des OOE gibt es<br />
auf dem Meeresboden hunderte von Vulkanen, die nicht nur einzigartige<br />
Ökosysteme beherbergen, sondern unter anderem auch<br />
das Treibhausgas Kohlendioxid (CO 2 ) ausstossen. Obwohl Unterwasservulkane<br />
bereits seit Jahrmillionen CO 2 ins Meer abgeben,<br />
beginnen Meeresforscher erst jetzt zu verstehen, welche Rolle<br />
diese neuen Quellen von ozeanischem CO 2 im globalen Kohlenstoffkreislauf<br />
der <strong>Ozean</strong>e spielen. Das Meer bindet ausserdem<br />
atmosphärisches CO 2 , und dieser Prozess erhöht den Säuregrad<br />
der <strong>Ozean</strong>e, da die Menschen erheblich zum Anstieg des CO 2 -Gehalts<br />
in der Erdatmosphäre beitragen. «Wenn man CO 2 ins Wasser<br />
gibt, entsteht Kohlensäure», erklärt Hammond. «Diese Versauerung<br />
hat das Potenzial, die Biologie des Meeres beträchtlich zu stören.<br />
Unterwasservulkane, die CO 2 ausstossen, tragen zur Versauerung<br />
des umliegenden Wassers bei und können deshalb als äusserst<br />
wertvolle natürliche Labors angesehen werden, die uns helfen zu<br />
verstehen, wie das Leben im Meer auf erhöhte Säure kon zen tra tionen<br />
reagiert und was zu erwarten ist, wenn sich der gegenwärtige<br />
Trend fortsetzt.» Gemäss Hammond hat der Planet in seiner geologischen<br />
Vergangenheit bereits mehrere Zyklen der Meeresversauerung<br />
durchlaufen. Deshalb fragen sich heute manche Leute,<br />
was denn die Aufregung soll. Der Unterschied besteht darin, dass,<br />
obwohl der Planet solchen Zyklen schon früher ausgesetzt war,<br />
heute auch von Menschen verursachtes CO 2 in die Erdatmosphäre<br />
gelangt. «Die Wahrheit ist, dass wir den natürlichen Zustand des<br />
Meeres messbar verändern», meint Hammond.<br />
Obwohl die Diskussionen darüber wohl noch Jahre dauern werden,<br />
was gegen diese alarmierende Tatsache zu tun ist, werden die<br />
Forscher des OOE ihren Teil dazu beitragen, Politiker, Wissenschaftler<br />
und die Öffentlichkeit mit Informationen zur Meeresökologie zu<br />
versorgen, die für weit reichende Entscheidungen wesentlich sind.<br />
Fotos: David Shale, DeepSeaPhotography.com | www.oceanexplorer.noaa.gov<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
<strong>Ozean</strong> Entdecker<br />
21<br />
4 5<br />
6 7 8<br />
4 In 190 Metern Tiefe überlagern sich hydrothermale Spalten und Korallenriffgemeinschaften. 5 Die «Okeanos Explorer» wird demnächst<br />
vom Office of Ocean Exploration der NOAA in Dienst genommen. 6 An aktiven Rauchschloten kommt es zu Ausfällungen von Eisen-, Kupferund<br />
Zinksulfid aus 230 ºC heisser Flüssigkeit. 7 Das ferngesteuerte Unterwasserfahrzeug «Hercules» wird für biologische und geologische<br />
Untersuchungen in der Tiefsee eingesetzt. 8 Ein Eistaucher schaut durchs Einstiegsloch zurück an die Oberfläche. Der Taucher<br />
gehörte zu einem internationalen Team von Wissenschaftlern, welches das Kanadische Becken im arktischen <strong>Ozean</strong> erkundete.<br />
«Die Meeresforschung ist genau für diese Formen der politischen<br />
und gesellschaftlichen Diskussion relevant. Wir sind darauf angewiesen,<br />
dass die Forscher ihre Untersuchungen fortsetzen und<br />
ausdehnen, damit wir verstehen, wie sich das Meer verändert, und<br />
angemessen darauf reagieren können», erklärt Hammond.<br />
Ein Flaggschiff für die Meeresforschung<br />
Aus diesem Grund wird das Office of Ocean Exploration demnächst<br />
ein globales Forschungsschiff in Dienst nehmen, das ausschliesslich<br />
für die Meeresforschung unterwegs sein wird. Bisher hat das<br />
OOE die Wasserfahrzeuge der NOAA sowie amerikanische Hochschulschiffe<br />
eingesetzt, aber dieses Schiff namens «Okeanos<br />
Explorer» macht es möglich, das ganze Jahr über weltweite Forschungsexpeditionen<br />
zu unternehmen. Alles, was die Wissenschaftler<br />
entdeckten, werde dank einer innovativen Satellitenverbindung<br />
und High-Definition-Breitbandvideo online und in Echtzeit<br />
in Nachrichtenredaktionen, Hörsälen und Wohn zimmern zu sehen<br />
sein, erklärt Hammond. «Wir wollen, dass Zuschauer und Wissenschaftler<br />
auf der ganzen Welt dabei sind, wenn unsere <strong>Ozean</strong>ografen<br />
ihre Entdeckungen machen. Das hat es in dieser Art bisher<br />
noch nie gegeben. Wir sind überzeugt, dass die ‹Okeanos Explorer›<br />
so etwas wie Cousteaus ‹Calypso› werden wird – also ein<br />
berühmtes Meeresforschungsschiff, an das sich die Leute noch<br />
lange erinnern werden.» <<br />
Prinzipien der Meereskompetenz Bei der Meereskompetenz<br />
geht es um die Erkenntnis, dass das<br />
Meer für das Verständnis des Planeten Erde von<br />
zentraler Bedeutung ist. Um die Entwicklung der<br />
Meereskompetenz zu fördern, haben die NOAA und<br />
andere Organisationen sieben Prinzipien erarbeitet.<br />
1. Die Erde verfügt über einen grossen <strong>Ozean</strong><br />
mit einer Vielzahl von Eigenschaften.<br />
2. Das Meer und das Leben im Meer bestimmen<br />
die wesentlichen Charakteristika der Erde.<br />
3. Das Meer ist ein wichtiger Einflussfaktor<br />
für Wetter und Klima.<br />
4. Das Meer macht die Erde bewohnbar.<br />
5. Das Meer unterstützt eine grosse Vielfalt<br />
an Lebensformen und Ökosystemen.<br />
6. Das Meer und die Menschen sind untrennbar<br />
miteinander verbunden.<br />
7. Das Meer ist weitgehend unerforscht.<br />
Weitere Informationen unter:<br />
www.coexploration.org/oceanliteracy<br />
www.oceanexplorer.noaa.gov<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
22 <strong>Ozean</strong> Tanger<br />
Am<br />
Schnittpunkt<br />
der<br />
Handelsströme<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
<strong>Ozean</strong> Tanger<br />
23<br />
Die marokkanische Stadt Tanger will<br />
mit einem gewaltigen Hafenprojekt ein<br />
zweites Dubai an der Meerenge von<br />
Gibraltar werden. Bis 2015 soll «Tanger<br />
Med» mit öffentlichen und privaten<br />
Mitteln in der Höhe von drei Milliarden<br />
Euro zu einem der führenden Warenund<br />
Container-Umschlagplätze des<br />
Mittel meerraums ausgebaut werden.<br />
Text: Beat Stauffer<br />
Foto: Driss Manchoube<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
24<br />
<strong>Ozean</strong> Tanger<br />
Ksar es-Sghir war bis vor kurzem ein von der Welt abgeschiedener<br />
Ort am Ufer des Mittelmeers, gut 30 Kilometer östlich von Tanger.<br />
Ein marokkanisches Dorf wie tausend andere auch: Ein paar<br />
wenige kleine Läden, einfache Cafés und Restaurants entlang der<br />
Hauptstrasse, eine Moschee, bescheidene Wohnhäuser sowie ein<br />
paar Dutzend Neubauten in einem undefinierbaren Stil; hingeklotzt<br />
von Rückkehrern aus Europa. Im Café sitzt Mourad, ein kräftiger<br />
Mann Mitte dreissig. Kleidung und gegerbte Haut verraten seine<br />
bäuerliche Herkunft. Er trinkt einen Kaffee. Sein Blick schweift<br />
über die alten Gärten mit Olivenbäumen zur Mündung eines kleinen<br />
Flusses ins Meer. «In Ksar es-Sghir ist eine neue Zeit angebrochen»,<br />
sagt Mourad trocken. «Nichts ist mehr, wie es bisher<br />
war.» Was dies genau be deutet, lässt sich erst ausserhalb des<br />
Dorfes erahnen. Da werden mit einem Mal die gewaltigen Infrastrukturarbeiten<br />
sichtbar, die in Angriff genommen oder bereits<br />
vollendet worden sind. Im Minutentakt dröhnen denn auch schwere<br />
Sattelschlepper und riesige Bau maschinen durch die Hauptstrasse.<br />
Eine neue Autobahn und eine Eisenbahnlinie schwingen<br />
sich auf einer kühn angelegten Trasse über Brücken und Dämme<br />
durch die hügelige Landschaft. Keine fünf Kilometer ausserhalb<br />
des Dorfs steht man schliesslich vor den gewaltigen Anlagen<br />
des neuen Container- und Fährhafens, der hier in kürzester Zeit<br />
aus dem Boden gestampft worden ist.<br />
Gigantische Containerbrücken aus China<br />
Die einst von Surfern als Geheimtipp gehandelte, abgelegene Bucht<br />
mit ihrem schönen Sandstrand ist nicht wiederzuerkennen. Von<br />
einer weit ins Meer hinausragenden Mole geschützt, ist hier ein<br />
hochmoderner Tiefseehafen mit einem 800 Meter langen Pier,<br />
gigantischen Containerbrücken sowie riesigen Umlade- und Stapelflächen<br />
entstanden. Das gesamte Gelände hinter der eigentlichen<br />
Hafenanlage befindet sich noch im Rohbau. Wie überdimensionierte<br />
Insekten fahren grosse Baumaschinen mit ohrenbetäubendem<br />
Gekreisch durch das aufgewühlte Erdreich und modellieren das<br />
weiträumige Gelände. Schon bald werden hier Lagerhallen, Verwaltungsgebäude,<br />
Umschlagplätze und riesige Hangars entstehen.<br />
«Als im März dieses Jahres die ersten fünf gewaltigen Containerbrücken<br />
aus China per Schiff angeliefert und montiert wurden»,<br />
sagt Mourad, «ist es mir beinahe schwindlig geworden.» Irgendwie<br />
wagten weder Mourad noch seine Kollegen aus dem Dorf richtig<br />
dran zu glauben, dass die hochfahrenden Pläne tatsächlich umgesetzt<br />
würden. Doch vor gut einem Jahr, im Juli 2007, nahm der<br />
erste Terminal den Betrieb auf. Nun arbei tet Mourad, der noch vor<br />
kurzem von der Landwirtschaft und dem Schmuggel lebte, auf einer<br />
der zahlreichen Baustellen von «Tanger Med» – und erhofft sich,<br />
auch ein kleines Stück vom Fortschritt und Wohlstand abschneiden<br />
zu können, der sich hier auf drastische und unübersehbare Weise<br />
ankündigt.<br />
Das Projekt Tanger Méditerrannée – kurz Tanger Med genannt –<br />
ist das ehrgeizigste Projekt Marokkos. Es soll entscheidend dazu<br />
beitragen, die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern.<br />
Und die sind alles andere als gering: Ein immer noch viel zu<br />
hohes Bevölkerungswachstum, Heerscharen von arbeitslosen oder<br />
zu prekären Bedingungen angestellten jungen Menschen; Hunderttausende<br />
schliesslich, die am Rand der grossen Städte knapp an<br />
der Armutsgrenze leben. Und überall der drängende Wunsch nach<br />
einem besseren Leben, wie es das so nahe und dennoch für die<br />
allermeisten unerreichbare Europa Tag für Tag via TV-Kanäle vorspiegelt.<br />
Eine tief greifende soziale Unrast ist die Folge, welche die<br />
Fundamente der Alaouitenmonarchie jederzeit erschüttern könnte.<br />
Und da ist eine erstarkte islamistische Be wegung, die der Frustration<br />
breiter Bevölkerungsschichten immer fordernder Ausdruck<br />
verleiht. Manche Beobachter meinen denn auch, dass nur noch ein<br />
gewaltiger Schritt nach vorn den Fortbestand des heutigen politischen<br />
Systems garantieren könne.<br />
So ist es kein Wunder, dass die treibende Kraft hinter Tanger<br />
Med der marokkanische König Mohamed VI. ist. In Rekordzeit hat<br />
er das anspruchsvolle Projekt, in das der marokkanische Staat<br />
bereits mehr als eine Milliarde Euro an Steuergeldern investiert hat,<br />
durchgepeitscht. Die absolutistischen Befugnisse des Monarchen,<br />
fehlende Einsprachemöglichkeiten sowie der geschickte Entscheid,<br />
die Umsetzung des Projekts einer eigens gegründeten Agentur<br />
namens Tangier Med Special Agency (TMSA) zu übertragen, haben<br />
diese rasche Umsetzung überhaupt erst ermöglicht. Angesichts der<br />
Schwerfälligkeit der marokkanischen Verwaltung muss dies als<br />
reife Leistung bezeichnet werden.<br />
Die Idee, die strategisch einzigartige Lage von Tanger wirtschaftlich<br />
zu nutzen, ist naheliegend. Denn der neue Tiefseehafen befindet<br />
sich nicht nur direkt an der Meerenge von Gibraltar, die Jahr<br />
für Jahr von mehr als 100 000 Schiffen durchquert wird, sondern<br />
auch am Kreuzungspunkt der Warenströme in west-östlicher und<br />
nord-südlicher Richtung. Dazu kommt, dass bis heute nur wenig<br />
Häfen existieren, in denen Containerschiffe der neusten Ge neration<br />
und Supertanker – sie weisen eine Länge von rund 400 Metern<br />
auf – anlegen können. Aufgrund des enorm gestiegenen Warenaustausches<br />
zwischen Europa, dem Maghreb, den USA und dem<br />
Fernen Osten besteht laut Experten ein dringender Bedarf an<br />
neuen Tiefseehäfen, in denen die Containerfracht auf andere,<br />
kleinere Schiffe oder auf die Strasse und die Schiene umgeladen<br />
werden kann. Genau dafür ist Tanger prädestiniert. So erscheinen<br />
die hochtrabenden Pläne, mit Tanger Med nach dem Vorbild von<br />
Dubai eine weltweit bedeutende Drehscheibe für den internationalen<br />
Güterverkehr ins Leben zu rufen, durchaus realistisch.<br />
Beteiligung der Genfer Reederei MSC<br />
Für die Realisierung des neuen Tiefseehafens hat die marokkanische<br />
Regierung die weltbesten Firmen mit Erfahrung in der Verwirklichung<br />
derartiger Grossprojekte engagiert. Zu ihnen gehören<br />
etwa der französische Baumulti Bouygues und die weltgrösste<br />
Reederei A. P. Møller-Maersk, aber auch die in Genf ansässige<br />
Mediterranean Shipping Company MSC, die je nach Berechnungsart<br />
Nummer zwei oder drei der Branche ist. Diese Firmen haben<br />
sich zu Konsortien zusammengetan, die im Auftrag der TMSA den<br />
neuen Tiefseehafen und die dazugehörige Infrastruktur errichten.<br />
Marokko ist es schliesslich auch gelungen, diese internationalen<br />
Firmen sowie die EU zur Mitfinanzierung des Projekts zu gewinnen;<br />
rund zwei Drittel der gesamten Baukosten von rund drei Milliarden<br />
Euro sollen auf diese Weise finanziert werden.<br />
Nur ein Jahr nach der offiziellen Einweihung des Hafens durch<br />
König Mohamed VI. soll noch in diesem Sommer ein zweiter Terminal<br />
dem Betrieb übergeben werden. Doch damit nicht genug;<br />
bereits sind die Ausschreibungen für eine zweite Ausbauetappe im<br />
Gang, die bis 2012 realisiert werden soll. Damit würde Tanger Med<br />
in absehbarer Zeit der bedeutendste Hafen Afrikas und einer der<br />
ganz grossen Frachthäfen im gesamten Mittelmeerraum sein. Doch<br />
Tanger will nicht nur eine der wichtigsten Drehscheiben für den ><br />
Foto: TMSA<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
<strong>Ozean</strong> Tanger<br />
25<br />
Tanger Med I<br />
Containerterminals 1 und 2;<br />
Kapazität 3 Millionen TEU<br />
Fahrzeugterminal;<br />
Kapazität 1 Million Fahrzeuge<br />
(eröffnet 2007)<br />
CT3<br />
CT4<br />
Tanger Med II<br />
Containerterminals 3 und 4;<br />
Kapazität 5 Millionen TEU<br />
(Eröffnung 2012)<br />
Fährhafen<br />
Kapazität 7 Millionen<br />
Passagiere,<br />
700 000 Lastwagen<br />
Lagerungsterminal<br />
Ölterminal<br />
STEP<br />
(Eröffnung 2009)<br />
CT1<br />
Logistikfreizone<br />
CT2<br />
0 m 500 m 1000 m<br />
Vordere Doppelseite Im Juli 2007 nahm der erste Terminal von Tanger Med I seinen Betrieb auf. Bis zu 400 Meter lange Containerschiffe<br />
können an der neu gebauten Pier anlegen. Bis 2015 soll die Kapazität des strategisch ideal gelegenen Hafens kontinuierlich auf<br />
3,5 Millionen Container pro Jahr hochgefahren werden. Diese Seite Satellitenbild und Planungsskizze: Zusätzlich zum Containerhafen<br />
entsteht ein Fährhafen für sieben Millionen Passagiere und 700 000 Fahrzeuge im Jahr. Bereits begonnen wurde auch mit der Planung<br />
und Realisierung von Tanger Med II. Dieser zweite Containerhafen soll bis im Jahr 2012 fertiggestellt sein.<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
26<br />
<strong>Ozean</strong> Tanger<br />
Mythos Tanger Nur wenige Städte zehren so stark<br />
von einem Mythos wie Tanger. Die Stadt an der<br />
Meerenge von Gibraltar und damit an der Stelle, wo<br />
sich die Wasser von Mittelmeer und Atlantik mischen,<br />
kann auf eine mehr als dreitausendjährige bewegte<br />
Geschichte zurückblicken. Es ist eine Geschichte,<br />
die von der ständigen Vermischung und Befruchtung<br />
aller Mittelmeerkulturen, von Handel und von militärischen<br />
Eroberungszügen geprägt ist. Den heutigen,<br />
eher abenteuerlichen Ruf verdankt Tanger<br />
in erster Linie seinem Sonderstatus als Stadt unter<br />
internatio naler Verwaltung zwischen 1923 und 1956.<br />
In dieser relativ kurzen Periode wurde Tanger zum<br />
Fluchtort für Orientsucher und Literaten, für Exzentriker,<br />
Milliar därinnen und Liebhaber hübscher<br />
Jungs und nicht zuletzt auch zum Horchposten für<br />
Spione in der Zeit des Kalten Kriegs.<br />
Bis 1956 war Tanger auch die wichtig ste Touristendestination<br />
Marokkos. Mit der Erlangung der ma rokkanischen<br />
Unabhängigkeit verlor die Stadt ihr<br />
in ternationales Statut und damit auch ihre einzigartige<br />
Ausstrahlung. Nun wurde Tanger zunehmend<br />
zum Zentrum für Schlepper und Schmuggler, zum<br />
Warteraum für Flüchtlinge, zum Umschlagplatz<br />
für du biose Geschäfte aller Art, als Stadt schliesslich,<br />
in der «Drogen barone» aus dem Rifgebirge das<br />
Sagen hatten. Der Amts antritt des heutigen Königs<br />
Mohamed VI. im Jahr 1999 stellt für Tanger eine<br />
Zäsur dar: Im Gegensatz zu seinem verstorbenen<br />
Vater Hassan fördert Mohamed VI. die Stadt nach<br />
Kräften und verbringt auch regel mässig Ferien in<br />
seinem Palast.<br />
internationalen Handel im Mittelmeerraum werden, sondern seine<br />
exzellente Lage auch als Produktionsstandort nutzen. Bereits seit<br />
zehn Jahren besteht in der Nähe des Flughafens eine Freihandelszone,<br />
die Tanger Free Zone, in der sich inzwischen etwa 150 Unternehmen<br />
angesiedelt haben. Weitere Logistik- und Industriefreizonen<br />
auf einer Fläche von insgesamt zehn Quadratkilometern<br />
entstehen nun in unmittelbarer Nähe des neuen Hafens. Dort können<br />
die aus der ganzen Welt angelieferten Güter – etwa Textilien,<br />
Auto mobil- und Flugzeugkomponenten – weiterverarbeitet werden.<br />
Bereits heute ist Tanger ein begehrter Standort für die Just-intime-Produktion;<br />
die Auslieferung der hergestellten Produkte an<br />
die grossen Verbraucherzentren in Europa ist von Tanger aus innert<br />
24 bis 48 Stunden möglich – ein gewaltiger Vorteil gegenüber den<br />
Produktionsstätten im Fernen Osten.<br />
All diese Standortvorteile haben auch den französischen Automobilkonzern<br />
Renault überzeugt. Zusammen mit seinem japanischen<br />
Schwesterunternehmen Nissan will er in der neu geschaffenen<br />
Industriezone von Tanger ein Werk errichten, in dem bereits ab dem<br />
Jahr 2010 Fahrzeuge für den gesamten Maghreb, aber auch für die<br />
Ausfuhr nach Europa montiert werden. Grosse Pläne bestehen auch<br />
im Tourismussektor: Entlang der noch weitgehend unerschlossenen<br />
Küste in der Umgebung von Tanger sollen tausende neuer Hotelbetten<br />
entstehen. Insgesamt – so erhoffen sich die marokkanischen<br />
Behörden – werden auf diese Weise in den nächsten zehn Jahren<br />
in der Region Tanger gegen 150 000 Arbeitsplätze geschaffen. All<br />
diese Projekte haben eine Aufbruchstimmung erzeugt und einen<br />
noch nie gesehenen Bauboom ausgelöst.<br />
«Ich spüre heute eine starke Hoffnung in der Stadt», sagt etwa<br />
der Schriftsteller und Kolumnist Lotfi Akalay. «Denn all die neuen<br />
Projekte bestehen nicht nur auf dem Papier, sondern sind sehr<br />
konkret erlebbar.» Tanger vollziehe zurzeit eine «tief greifende und<br />
positive Verwandlung». Das ist nicht selbstverständlich in einer<br />
Stadt, die während der letzten 50 Jahre stagnierte und in der vor<br />
nicht allzu langer Zeit lediglich Drogenbarone und Schlepperbosse<br />
als Investoren auftraten. Akalay gibt damit wohl die Meinung der<br />
überwiegenden Mehrheit der Tangerois wieder, die in den gigantischen<br />
Projekten eine einmalige Chance für ihre Stadt und die<br />
Region erblicken. Und Tanger putzt sich tatsächlich heraus. Überall<br />
werden baufällige Gebäude renoviert, werden Strassen, Plätze<br />
und andere Infrastrukturanlagen erneuert. Angesichts dieser Aufbruchstimmung<br />
haben kritische Stimmen einen schweren Stand.<br />
Nur vereinzelt wagen es Intellektuelle und Künstler, die rasante<br />
Entwicklung kritisch zu hinterfragen.<br />
Gefahr von sozialen Spannungen?<br />
Zu ihnen gehört der Wirtschaftsprofessor Najib Boulif, der die islamistische<br />
Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) als<br />
Abgeordneter im Parlament vertritt. Boulif ist nicht prinzipiell gegen<br />
das Projekt Tanger Med. Doch er kritisiert vor allem den Umstand,<br />
dass die sozialen Folgen des Megaprojekts vollkommen ausser Acht<br />
gelassen worden seien. «Bis zum Jahr 2012 wird in der Region von<br />
Ksar es-Sghir eine neue Stadt mit über 120 000 Einwohnern entstehen»,<br />
sagt Boulif. «Das wird das Leben der dortigen Bevölkerung<br />
vollkommen verändern und eine gewaltige Dynamik auslösen.» Viele<br />
der Bewohner würden von den Ereignissen richtiggehend überrumpelt,<br />
befürchtet der Professor. Eine solche Entwicklung sei schlecht<br />
und führe unweigerlich zu sozialen Spannungen.<br />
Bedenken äussert auch der aus Marokko stammende Ökonome<br />
Najib Harabi, der an der Fachhochschule Nordwestschweiz unterrichtet.<br />
Zwar erachtet Harabi die Wahl des Standorts Tanger aus<br />
strategischer Sicht als hervorragend. Doch die lokale Bevöl kerung<br />
sei viel zu wenig einbezogen worden, so Harabi; es sei ein typisches<br />
«Top-down»-Vorgehen, bei dem alle wichtigen Entscheide auf<br />
höchster Regierungsebene getroffen worden seien. Dennoch<br />
glaubt Harabi daran, dass Tanger Med gesamthaft für Marokko<br />
positive Auswirkungen haben wird. Der Politologe und Publizist<br />
Omar Brouksy zweifelt hingegen daran, dass das Riesenprojekt<br />
das Land wirklich voranbringen kann. Marokkos Probleme seien<br />
vielmehr struktureller Art, und deshalb könne auch ein Bauprojekt<br />
wie Tanger Med keine wirkliche Lösung bringen.<br />
Auch in Ksar es-Sghir wissen die Menschen, dass sich das Rad<br />
nicht mehr zurückdrehen lässt. «Alle wollen jetzt möglichst viel von<br />
Tanger Med profitieren», sagt Mourad. Sie verkaufen Land, bewerben<br />
sich um einen Arbeitsplatz oder hoffen vielleicht auf kleinere<br />
Aufträge von den Firmen, die sich schon bald im Industriegebiet<br />
ansiedeln werden. «Sollen wir etwa Rücksicht nehmen auf die Alten,<br />
die immer noch vom früheren beschaulichen Leben träumen?», ruft<br />
er ungehalten aus. Hundertmal lieber arbeite er im ultramodernen<br />
Hafen statt DVDs, Medikamente und spanischen Käse über den<br />
Zoll zu schmuggeln. Für Mourad und viele andere in Ksar es-Sghir<br />
spricht einiges dafür, dass mit Tanger Med eine neue, bessere Zeit<br />
angebrochen ist. <<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Credit Suisse Business 27<br />
Business<br />
Informationen aus der Welt der Credit Suisse<br />
Übersicht 28_Alois Bischofberger_Seine letzte ökonomische Einschätzung 30_Indien_Vermögensverwaltung<br />
31_Nachfolgeseminar 32_Ship Finance_65 Jahre Erfahrung 33_Accessibility Day 34_Riva_Erfolgreiche Partnerschaft<br />
Fotos: Grandi Giardini | Credit Suisse<br />
Italien von seiner blühenden<br />
Seite Es ist reizvoll, ein Land<br />
auf den Spuren seiner Gärten<br />
und Parks zu entdecken, und umgekehrt<br />
können Touristen einem<br />
privaten Gartenbesitzer entscheidend<br />
bei der Finanzierung des<br />
teuren Unterhalts helfen. Um diese<br />
beiden Anliegen zu koordinieren,<br />
gründete Judith Wade 1997 den<br />
Zusammenschluss «I Grandi Giardini<br />
Italiani», dem mittlerweile 70<br />
der schönsten historischen Gärten<br />
Italiens in 13 Regionen angehören<br />
(im Bild das Centro Botanico Moutan<br />
in Vitorchiano). «Die Credit<br />
Suisse ist seit 2006 Partner der<br />
Grandi Giardini», erklärt Franco<br />
Müller, Head Market Area Italy.<br />
«Einerseits unterstützen wir gerne<br />
die Absicht, historische Gärten für<br />
die Nachwelt zu erhalten. Anderseits<br />
bieten uns die Gärten auch<br />
eine ideale Plattform für Konzerte<br />
oder andere Anlässe.» Der Einsatz<br />
von Grandi Giardini hat sich<br />
gelohnt: Bereits werden die Gärten<br />
von jährlich über fünf Millionen<br />
Personen besucht. tg<br />
www.grandigiardini.it<br />
Bank-now honoriert Umweltbewusstsein<br />
«Mit unserem<br />
neuen Angebot Lease-now Eco<br />
geben wir unseren Kunden die<br />
Möglichkeit, gleichzeitig die Umwelt<br />
und den eigenen Geldbeutel<br />
zu schonen», erklärt Erich Wild,<br />
CEO von Bank-now. Entscheidet<br />
sich ein Kunde für einen schadstoffarmen<br />
Personenwagen, profitiert<br />
er mit der Finanzierung durch<br />
Lease-now Eco von einem Vorzugszins,<br />
der rund ein Prozent<br />
unter dem marktüblichen Zinssatz<br />
liegt. Zudem gehen pro abgeschlossenem<br />
Lease-now Eco-Vertrag<br />
50 Franken als Spende an<br />
Klimaprojekte. Zurzeit entsprechen<br />
rund 500 Fahrzeugmodelle den<br />
Anforderungen von Lease-now Eco.<br />
Kriterium ist ein CO 2 -Ausstoss<br />
bis maximal 140 g/km, was dem<br />
EU-Ziel <strong>08</strong>/09 entspricht. Banknow<br />
ist seit Anfang 2007 als rechtlich<br />
eigenständige Tochter gesellschaft<br />
der Credit Suisse Group<br />
in den Bereichen Kredit- und<br />
Leasinggeschäfte tätig. Bank-now<br />
beschäftigt rund 270 Mitarbeitende,<br />
verteilt auf den Hauptsitz<br />
Horgen sowie 21 weitere Filialen<br />
in der Schweiz. schi<br />
www.bank-now.ch<br />
www.lease-now.ch/eco<br />
Auf dem Meer in Kiel und<br />
Monaco Die Unternehmer familie<br />
Muhrmann besitzt mit der neuen<br />
UCA eine Hochseeyacht der Extraklasse.<br />
Der 26 Meter lange Maxi-<br />
Racer ist die grösste je in Deutschland<br />
gebaute Hightech-Regattayacht<br />
aus Kohlefaser: ein Traum für<br />
jeden Segler, mit der UCA einmal<br />
die Nordsee befahren zu können.<br />
Dank einer Partnerschaft mit Klaus<br />
Muhrmann kann dies die Credit<br />
Suisse Deutschland viermal im Jahr<br />
jeweils rund einem Dutzend Kunden<br />
der Unternehmerberatung ermöglichen.<br />
Startpunkt des drei Tage<br />
dauernden Abenteuers ist der Kieler<br />
Yachtclub. Bei Windgeschwindigkeiten<br />
bis zu 36 Knoten stellt das<br />
Segeln mit der UCA eine Heraus-<br />
forderung dar, die man nie mehr<br />
vergisst. Bereits seit 15 Jahren ist<br />
die Credit Suisse Monaco Partner<br />
des Yacht Club de Monaco.<br />
Die Zusammenarbeit konzentriert<br />
sich in erster Linie auf die Segelregatta<br />
Credit Suisse Primo Cup<br />
sowie das traditionelle Yachtmen’s<br />
Dinner, dem normalerweise<br />
auch Fürst Albert beiwohnt. tg<br />
www.uca5000.de<br />
www.yacht-club-monaco.mc<br />
Minergie – ein Gebot der<br />
Stunde Liegenschaften sind<br />
die mit Abstand grössten Energiefresser<br />
der Schweiz. Sie verbrauchen<br />
über 50 Prozent der gesamten<br />
Energie und verursachen<br />
rund 45 Prozent des CO 2 -Ausstosses.<br />
Deshalb wurde vor zehn<br />
Jahren der zertifizierte Baustandard<br />
Minergie geschaffen. Würde<br />
dieser konsequent angewendet,<br />
könnte der Energieverbrauch im<br />
Gebäudebereich um 60 bis 70<br />
Prozent gesenkt werden – nota bene<br />
mit Komfortgewinn. Die Credit<br />
Suisse wendet bei ihren Neu- und<br />
Umbauten den Minergiestandard<br />
konsequent an und weist deshalb<br />
mehr minergiezertifi zierte Bürofl<br />
ächen auf als jedes andere<br />
Schweizer Unternehmen. Folgerichtig<br />
unterstützte die Credit<br />
Suisse im Juni die erste Internationale<br />
Minergie-Fach tagung als<br />
Patronatspartner. schi<br />
www.credit-suisse.com/wohnen<br />
Credit Suisse<br />
Unternehmertum<br />
künstlerisch<br />
umgesetzt<br />
Art & Entrepreneurship –<br />
mit der Möglichkeit,<br />
per Website an der Kunstauktion<br />
teilzunehmen.<br />
Die Credit Suisse, die ihre<br />
Gründung den Visionen des<br />
Unternehmers Alfred Escher<br />
verdankt, erachtet Unternehmerinnen<br />
und Unternehmer<br />
als treibende Kraft hinter<br />
unzähligen Innovationen in<br />
Wissenschaft, Wirtschaft und<br />
Kultur. Anfang 20<strong>08</strong> hat die<br />
Credit Suisse zusammen mit<br />
der Kuratorin Michelle Nicol<br />
die Wanderausstellung «Art &<br />
Entrepreneurship» realisiert.<br />
19 junge Künstler aus aller<br />
Welt haben dafür ihre Vorstellungen<br />
der fünf Unternehmereigenschaften<br />
«vision», «knowledge»,<br />
«network», «family»<br />
und «contributing to society»<br />
umgesetzt. Entstanden ist<br />
eine anregende Ausstellung,<br />
die im März in Dubai und<br />
Ende Juni in New York auf<br />
ausgesprochen grosses Interesse<br />
stiess. Nächstmals zu<br />
erleben sind die Kunstwerke<br />
vom 4. bis 6. September in<br />
Berlin, am 17./18. September<br />
in Moskau sowie vom 9. bis<br />
12. Oktober in Genf. Am 24.<br />
November fi ndet als Abschluss<br />
in London eine Auktion der<br />
Kunstwerke statt. Der Erlös<br />
geht je zur Hälfte an die<br />
Künstler und die gemeinnützige<br />
Organisation Room to<br />
Read. schi<br />
www.credit-suisse.com/<br />
artandentrepreneurship<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
28<br />
Credit Suisse Business<br />
Rückblick<br />
«Dieser massive Anstieg des Ölpreises<br />
überraschte uns alle»<br />
Ende Juni trat Alois Bischofberger, während 22 Jahren Chefökonom der<br />
Credit Suisse, in den Ruhestand. Im Interview mit dem Bulletin schaut er<br />
einerseits zurück auf seine 35 Jahre bei der Credit Suisse und<br />
anderseits gibt er ein letztes Mal eine ökonomische Einschätzung der<br />
wirtschaftlichen Entwicklung in den nächsten Monaten.<br />
Bulletin: Können Sie sich noch an Ihren<br />
ersten Arbeitstag vor 35 Jahren bei der<br />
damaligen SKA erinnern?<br />
Alois Bischofberger: Ja, sehr gut. Ich hatte<br />
damals meinen Arbeitsplatz an der Selnaustrasse<br />
in der Nähe des Paradeplatzes. Dort<br />
hat mich mein Chef am ersten Tag den verschiedenen<br />
Kolleginnen und Kollegen im<br />
Haus vorgestellt, unter anderem auch den<br />
Redaktoren des Bulletin. Wie Sie sehen, war<br />
ich mit dem Bulletin vom ersten Tag an eng<br />
verbunden.<br />
Aber einen Computer gabs damals<br />
noch nicht an Ihrem Arbeitsplatz.<br />
Nein, das war damals noch sehr mechanisch<br />
und handgestrickt.<br />
Wie präsentierte sich das wirtschaftliche<br />
Marktumfeld?<br />
Damals, also Anfang 1973, war eine sehr<br />
spannende Zeit. Das war noch vor der ersten<br />
grossen Erdölkrise. Diese Zeit war geprägt<br />
vom Übergang zu fl exiblen Wechselkursen.<br />
Das Floating der Währungen führte insbesondere<br />
zu einer massiven Aufwertung des<br />
Schweizer Frankens gegenüber dem US-<br />
Dollar. Durch die Erstarkung des Frankens<br />
sank der Kurs des Dollars innerhalb von<br />
wenigen Jahren von zirka 4.30 Franken auf<br />
etwas mehr als 2 Franken.<br />
Die Wirtschaft ist geprägt von Zyklen.<br />
Wie viele Berg- und Talfahrten<br />
haben Sie während Ihrer Zeit bei der<br />
Credit Suisse verfolgt?<br />
Es müssen deren vier gewesen sein.<br />
Gibt es einzelne Zyklen, die in Ihrer<br />
Erinnerung speziell herausragen?<br />
Noch gut kann ich mich an die Krise Mitte der<br />
Siebzigerjahre erinnern. 1975 und 1976 erlebten<br />
wir in der Schweiz eine tiefe Rezession,<br />
bei der das Bruttoinlandsprodukt in nur<br />
zwei Jahren um zehn Prozent sank. Dann<br />
folgte in den späten Siebzigerjahren der<br />
zweite Ölpreisschock, verbunden mit einem<br />
massiven Anstieg der Infl ationsraten. Paul<br />
Volcker, der 1979 neu eingesetzte Chairman<br />
des Federal Reserve Board, musste die Infl<br />
ation mit einer markant restriktiven Geldpolitik<br />
bekämpfen und war damit zum Glück<br />
letztendlich erfolgreich. Aber damals stiegen<br />
die kurzfristigen Zinsen in den USA auf<br />
20 Prozent. In der Schweiz lagen sie bei<br />
12 Prozent, was natürlich zu einer deutlichen<br />
Abschwächung der Wirtschaft führte.<br />
Haben sich die Zeitspannen oder<br />
auch die Ausprägungen der Zyklen in den<br />
vergangenen Jahrzehnten verändert ?<br />
Ja, die Ausschläge waren in den Siebzigerund<br />
auch noch in den frühen Achtzigerjahren<br />
ausgeprägter. Das hat sich in den vergangenen<br />
Jahren sowohl nach unten wie nach<br />
oben etwas eingeebnet. Dafür gibt es für<br />
mich zwei Gründe: zum einen den Rückgang<br />
der Infl ationsraten seit den frühen Achtzigerjahren,<br />
zum anderen die Globalisierung. In<br />
der heutigen, globalisierten Welt profi tieren<br />
wir davon, dass die Entwicklungen in den<br />
verschiedenen Volkswirtschaften und Re gionen<br />
nicht völlig synchron verlaufen. So wird<br />
zum Beispiel heute der Abschwung in den<br />
USA durch eine gute Konjunktur in den aufstrebenden<br />
Schwellenländern zum Teil aufgefangen.<br />
Sie sprachen vorher von einer eher<br />
mechanischen Arbeitsweise in den Anfängen<br />
Ihrer beruflichen Karriere. Heute sorgen<br />
moderne Kommunikationssysteme für eine<br />
regelrechte Datenflut. Wie hat sich die<br />
Arbeit eines Bankökonomen verändert?<br />
Die Informationsfl ut und insbesondere auch<br />
die Geschwindigkeit, mit der sich Informationen<br />
verbreiten, sind heute tatsächlich gewaltig.<br />
Die neuen technischen Hilfsmittel haben<br />
unsere Arbeit stark verändert, aber nicht unbedingt<br />
vereinfacht. Wir müssen aus dieser<br />
immensen Fülle von Informationen die richtigen<br />
und wichtigen Daten herauspicken, um<br />
aus diesen schliesslich einigermassen zutreffende<br />
Schlussfolgerungen zu ziehen.<br />
Was war rückblickend Ihre grösste<br />
Fehleinschätzung?<br />
Keine sticht besonders krass hervor. Es kam<br />
aber natürlich immer wieder vor, dass meine<br />
Erwartungen nicht erfüllt wurden.<br />
Können Sie dafür ein konkretes Beispiel<br />
nennen?<br />
Sehr überraschend kam für mich der massive<br />
Anstieg des Erdölpreises, wie wir ihn momentan<br />
erleben.<br />
Sehr spannend muss für Sie sicher<br />
auch das Jahr 1989 mit dem Fall der<br />
Berliner Mauer gewesen sein. Wie absehbar<br />
war der Zusammenbruch des Ostblocks<br />
für Sie als Ökonom?<br />
Dass dieser Zusammenbruch nicht zuletzt<br />
aus ökonomischen Gründen irgendwann<br />
kommen musste, zeichnete sich bereits in<br />
den Achtzigerjahren ab. Und natürlich gab<br />
es auch schon vorher Zweifel an der Beständigkeit<br />
des kommunistischen Systems. Doch<br />
in den Achtzigerjahren häuften sich die Anzeichen,<br />
dass vor allem die Sowjetunion mit<br />
ihren enormen Rüstungsausgaben immer<br />
mehr an ihre wirtschaftlichen Grenzen kam<br />
oder sie sogar schon überschritten hatte.<br />
Dann wurde auch immer mehr der schwache<br />
Zustand der verschiedenen Ostblock-Wirtschaften<br />
bekannt. Aber dass es 1989 schliesslich<br />
so schnell gehen würde, das überraschte<br />
mich dann doch.<br />
Stehen wir heute wieder an einem<br />
globalen Wendepunkt der wirtschaftlichen<br />
Machtverhältnisse?<br />
Ja, ich denke schon. Wir sind heute im Bereich<br />
der Energie und der industriellen und<br />
landwirtschaftlichen Rohstoffe mit einem<br />
markanten Preisauftrieb konfrontiert. Es zeigt<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Credit Suisse Business 29<br />
Foto: Stefan Walter<br />
«Die Schweiz ist eines jener Länder, die Nutzen aus dem Anstieg der Rohstoff- und Rohölpreise<br />
ziehen können», sagt Alois Bischofberger, während 22 Jahren Chefökonom der Credit Suisse.<br />
Zur Person<br />
Der heute 64-jährige Alois Bischofberger trat 1973 in die Credit Suisse<br />
ein und wurde 1986 Chefökonom der Bank. 1997 wurde er zusätzlich zum<br />
volkswirtschaftlichen Berater der Geschäftsleitung und 2004 zum Chefökonomen<br />
der Credit Suisse Group berufen. Alois Bischofberger war bis<br />
2006 während 15 Jahren Schatzmeister der Stiftung für wissenschaftliche<br />
Forschung an der Universität Zürich. Zudem war er Mitglied verschiedener<br />
Fachorganisationen, darunter die International Conference of Commercial<br />
Bank Economists, der Council of Economists des Conference Board und<br />
die Société Universitaire Européenne de Recherches Financières.<br />
Alois Bischofberger ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.<br />
sich immer mehr, dass diese Preissteigerungen<br />
nun doch auf die Konsumentenpreise<br />
übergreifen. Zudem dürften die Rohstoffnotierungen<br />
im langfristigen Vergleich überdurchschnittlich<br />
hoch bleiben. Dieser Strukturwandel<br />
führt global gesehen zu einer<br />
Neuverteilung des Wohlstands und der Einkommen.<br />
Davon profitieren werden insbesondere<br />
die Rohstoff produzierenden Volkswirtschaften.<br />
Sie werden dadurch Kapital<br />
akkumulieren können, das sie wiederum Unternehmen<br />
in westlichen Ländern zur Verfügung<br />
stellen werden. Die Bedeutung vieler<br />
Schwellenländer wird also eindeutig steigen.<br />
Auch wird die Aufgabe der Zentralbanken<br />
schwieriger, weil der Infl ationsdruck auf der<br />
einen Seite tendenziell steigt und das Wachstum<br />
auf der anderen tendenziell sinkt. Entsprechend<br />
steht die Geldpolitik vor der<br />
Heraus forderung, den Teuerungsauftrieb zu<br />
bekämpfen, ohne die sowieso schwächere<br />
Konjunktur abzuwürgen.<br />
Wie gut ist die Schweiz gegen diese<br />
Umwälzungen gewappnet?<br />
Die Schweiz ist eines jener Länder, die Nutzen<br />
aus dem Anstieg der Rohstoff- und Rohölpreise<br />
ziehen kann, weil ihre Industrien<br />
Produkte im Bereich der Energieersparnis respektive<br />
der effi zienteren Nutzung von Energie<br />
anbieten. Diese Güter und Dienst leistungen<br />
werden sich einer erhöhten Nachfrage<br />
erfreuen. Als Folge der steigenden Preise<br />
wächst zudem der Wohlstand in den Rohstoff<br />
produzierenden Ländern. Es entsteht eine<br />
Mittelschicht, die am Kauf von Konsumgütern<br />
interessiert ist. Auch in diesem Bereich steht<br />
die Schweiz gut da, gerade im Luxussegment.<br />
Nehmen wir unsere Uhrenindustrie, der es<br />
heute nicht zuletzt dank des Aufschwungs in<br />
den Schwellenländern sehr gut geht.<br />
Wird der Schweizer Finanzplatz und<br />
damit auch die Schweizer Finanzbranche in<br />
den nächsten zehn Jahren an Bedeutung<br />
verlieren oder gewinnen?<br />
Die Konkurrenz wird auf jeden Fall intensiver.<br />
Neue Finanzplätze wie zum Beispiel Singapur<br />
werden mit Sicherheit eine wichtigere Rolle<br />
spielen. Umso wichtiger ist es, dass der Finanzplatz<br />
Schweiz seine Wettbewerbsfähigkeit<br />
beibehält und sich verstärkt in diesem<br />
immer intensiveren globalen Wettbewerb behauptet.<br />
Ich denke, dass die Rahmenbedingungen<br />
nach wie vor günstig sind, weil die<br />
Schweiz ein guter Standort für Finanzdienstleistungen<br />
ist, nicht zuletzt aufgrund ihrer<br />
jahrzehntelangen Erfahrung und ihres guten<br />
Rufs in diesem Geschäft.<br />
Daniel Huber<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
30<br />
Credit Suisse Business<br />
Indien – ein Markt von zunehmender Bedeutung<br />
Die Credit Suisse verstärkt<br />
ihr Engagement in Indien<br />
Die Credit Suisse weitet ihre Geschäftstätigkeit in Indien<br />
aus. Wie sie am 22. Mai in Mumbai bekanntgab, will sie<br />
innerhalb der nächsten drei Jahre zu den drei wichtigsten<br />
Vermögensverwaltern gehören.<br />
Einsatz für Indien: Mickey Doshi (links) und Puneet Matta.<br />
Am 12. Mai 2000 überschritt die Bevölke rung<br />
Indiens die Milliardengrenze. Kein anderes<br />
Land wächst derzeit schneller. Indien beeindruckt<br />
aber keineswegs nur mit seinem demografi<br />
schen, sondern auch mit seinem wirtschaftlichen<br />
Wachstum. Und daran dürfte<br />
sich auch in Zukunft nichts ändern. An der<br />
von der Credit Suisse in Hongkong organisierten<br />
Asian Investment Conference verlieh<br />
jedenfalls der indische Finanzminister Shri<br />
Palaniappan Chidambaram seiner Zuversicht<br />
Ausdruck, dass sein Land für die nächsten<br />
fünf bis zehn Jahre ein Wachstum von jährlich<br />
neun Prozent erreichen werde.<br />
Indien bald die Nummer drei der Weltwirtschaft<br />
«Indien hat das Potenzial, sich bis<br />
2050 zur drittgrössten Wirtschaftsmacht der<br />
Welt nach China und den USA zu ent wickeln,<br />
mit grossem Abstand vor Japan, Brasilien<br />
und Russland», betont auch Mickey Doshi,<br />
Länderverantwortlicher der Credit Suisse<br />
Indien. Diese anhaltende überdurchschnittliche<br />
Dynamik verdankt Indien nicht zuletzt<br />
der Tatsache, dass es eines der Länder mit<br />
der jüngsten Bevölkerung ist. «In den nächsten<br />
20 Jahren nimmt die arbeitsfähige Bevölkerung<br />
Indiens von knapp 700 Millionen auf<br />
über 950 Millionen Menschen zu. Indien ist<br />
gewillt und imstande, die dazu nötigen<br />
Arbeitsplätze zu schaffen.» Prozentual noch<br />
stärker, nämlich um 30 Prozent jährlich,<br />
schnellt die Zahl vermögen der Privatpersonen<br />
empor. Bis ins Jahr 2012 wird gemäss<br />
Analysen die Zahl der Haushalte mit Finanzanlagen<br />
von über einer Million US-Dollar auf<br />
300 000 ansteigen – und dementsprechend<br />
das zu verwaltende Vermögen die 1000-Milliarden-Marke<br />
überschreiten. Eine nationale<br />
Besonderheit ist, dass die Inder ihr Geld<br />
grösstenteils im Lande selbst anlegen.<br />
Integrierte Lösungen anbieten Die Credit<br />
Suisse gestaltet diesen Prozess aktiv mit.<br />
Nachdem sie Anfang 20<strong>08</strong> vom Securities<br />
and Exchanges Board of India (SEBI) eine<br />
Portfolio-Manager-Lizenz für Indien erwarb,<br />
hat sie nun am 22. Mai das Vermögensverwaltungsgeschäft<br />
in Indien offi ziell eröffnet.<br />
Als dessen Leiter gab Puneet Matta, der seit<br />
18 Jahren im indischen Bankensektor tätig ist,<br />
ambitiöse Ziele bekannt: «Wir starten mit<br />
rund 20 Mitarbeitenden, doch schon bald<br />
sollen es 40 sein. Nach Mumbai werden wir<br />
auch in Neu-Delhi und Bangalore Büros eröffnen.<br />
In drei Jahren wollen wir zu den drei<br />
wichtigsten Vermögensverwaltern in Indien<br />
gehören.»<br />
Wie wird das möglich sein? «Unsere grosse<br />
Stärke ist die Strategie der integrier ten<br />
Bank», so Matta weiter. «Wir profitieren davon,<br />
dass wir im Investment Banking bereits<br />
seit über zehn Jahren erfolgreich in Indien<br />
tätig sind und dass ausgesprochen viele<br />
Kunden integrierte Lösungen benötigen. Es<br />
herrscht eine grosse Nachfrage nach Produkten,<br />
die auch die Beratung bei Kapitalbeschaffung,<br />
Börsengängen und bei der<br />
Nachfolgeplanung einschliesst. Dabei bringen<br />
wir unser weltweites Netzwerk und<br />
Know-how ein.»<br />
Drei Viertel der vermögenden Inder sind<br />
Jungunternehmer, die nun nach dem ersten<br />
Jahrzehnt der Expansion mehr und mehr an<br />
finanzielle Sicherheit und Vorsorge denken.<br />
«Bis anhin betrieben viele Firmeninhaber keine<br />
strikte Trennung zwischen Unternehmenskapital<br />
und Privatvermögen», führt Mickey<br />
Doshi aus. «Die Unternehmensgewinne fl ossen<br />
direkt in die nächsten Wachstumspläne.<br />
Je mehr das Vermögen allerdings wuchs,<br />
desto mehr stieg bei den Unternehmern das<br />
Bedürfnis nach Beratung, wie sie die Ver mögensanteile<br />
entfl echten, ihre privaten Assets<br />
sichern und für die nächste Generation langfristig<br />
anlegen können.»<br />
Inder auch im Ausland beraten Im Ausland<br />
leben vergleichsweise wenige Inder –<br />
rund 25 Millionen. Auch sie richten sich<br />
geschäftlich und privat sehr stark auf ihre<br />
Heimat aus. «Allein im Jahr 2007 sind 27 Milliarden<br />
Dollar von im Ausland lebenden<br />
Indern in Indien investiert worden», erklärt<br />
Raj Sehgal, Market Leader für Indien in<br />
Dubai. Die Credit Suisse hat zur Betreuung<br />
der im Ausland lebenden Inder spezialisierte<br />
Teams in Dubai, London, Singapur und Zürich<br />
aufgebaut.<br />
Andreas Schiendorfer<br />
Foto: Credit Suisse<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Credit Suisse Business 31<br />
Credit Suisse Investment & Family Business Program in Zürich<br />
Eine gut vorbereitete Nachfolge<br />
trägt massgebend zum Erfolg bei<br />
Familienunternehmen machen in Lateinamerika 98 Prozent aller<br />
Firmen aus. Davon bleibt jedoch kaum ein Drittel in Familienhänden.<br />
Mit dem Investment & Family Business Program geht die Credit Suisse<br />
auf das Bedürfnis der Kunden nach ausgereiften und individuellen<br />
Strategien für eine Nachfolgeregelung ein.<br />
In Amerika und Lateinamerika generieren<br />
Familienunternehmen bis zu drei Viertel des<br />
gesamten Bruttoinlandsprodukts – und zählen<br />
deshalb zu den wichtigsten Grundpfeilern<br />
der Wirtschaft. Allerdings überleben zwei<br />
Drittel dieser Unternehmen die ersten fünf<br />
Jahre ihres Bestehens nicht, und nur zwölf<br />
Prozent können ihre Firma bis in die dritte<br />
Generation retten. Diesen Tatsachen trug<br />
die Credit Suisse auch heuer Rechnung und<br />
lud bereits zum zweiten Mal zum Investment<br />
& Family Business Program ins Zentrum<br />
Bocken in Horgen bei Zürich ein. Dort<br />
traf sich Mitte Mai dieses Jahres eine Gruppe<br />
von 24 lateinamerikanischen aktuellen<br />
und zukünftigen CEOs von Familienunternehmen<br />
zu einem Seminar zum Thema Nachfolge.<br />
Dieses Angebot kommt dem Bedürfnis<br />
der Kunden nach ausgereiften und individuell<br />
auf das eigene Unternehmen ausgerichteten<br />
Finanzstrategien entgegen. Indem die Credit<br />
Suisse den Teilnehmern andere Perspektiven<br />
aufzeigt und den Zugang zu Wissen und<br />
Information vermittelt, will sie Unternehmer<br />
unterstützen, die ein finanziell gesundes und<br />
strategisch durchdachtes Business aufbauen<br />
möchten. So erhielten die Teil neh mer die<br />
Gelegenheit, sich über aktuelle Trends und<br />
Prognosen des Finanzmarktes zu informieren<br />
und dank verschiedener Redner einen Einblick<br />
in die Strategie der Credit Suisse zu<br />
gewinnen. Der Fokus jedoch lag auf dem<br />
zweitägigen Seminar, in dem sich die CEOs<br />
intensiv mit den Herausforderungen einer<br />
erfolgreichen Strategie, Führung und Nachfolgeregelung<br />
ihrer Firma auseinandersetzen<br />
konnten. Dieses fand unter der Leitung eines<br />
füh renden Experten im Bereich Management<br />
von Familienunternehmen statt, Professor<br />
Er nesto J. Poza von der Thunderbird School<br />
of Global Management. Für ihn stellt das<br />
Thema Nachfolge ein entscheidendes Element<br />
für ein erfolgreiches Familien business<br />
dar. Und hier sieht er ein grosses Potenzial,<br />
weshalb sein Ziel des Seminars in erster<br />
Linie eine Veränderung des Bewusstseins<br />
ist: «Ich will meinen Teilnehmern vermitteln,<br />
dass die Herausforderung entscheidend und<br />
riesig ist, wenn es um die Nach folgeregelung<br />
und Kontinuität eines Familienunternehmens<br />
geht. Viele Unternehmer glauben, dass, nur<br />
weil die Familienmitglieder gut miteinander<br />
auskommen, auch der Betrieb automatisch<br />
gut geführt sei und man sich auch geschäftlich<br />
verstehe. Das ist ein grosser Irrtum. Das<br />
allein reicht nicht für eine erfolgreiche Führung.»<br />
Weitere wichtige Aspekte seien das<br />
Denken hin zu nachhaltigen, individuellen<br />
Stra tegien, eine offene Kommunikationskultur<br />
und das Bewusstsein der Einzigartigkeit<br />
einer Firma. Mit diesem Inhalt vermochte<br />
Professor Poza schliesslich auch viele Teilnehmer<br />
des Seminars zu begeistern.<br />
Mit dem Rahmenprogramm schliesslich<br />
wurde der Kreis wieder geschlossen: Die<br />
Teilnehmer waren zu einem Rundgang durch<br />
die Fabrik von BMW Sauber Formel 1 eingeladen<br />
– auch diese ein ehemaliges Familienunternehmen<br />
– wo sie anschliessend durch<br />
den Chef Dr. Mario Theissen einen Einblick<br />
in die momentane Entwicklung und Situation<br />
der Firma erhielten.<br />
Regula Gerber<br />
Fotos: Rainer Wolfsberger | Credit Suisse<br />
Professor Ernesto J. Poza: «Wenn Wissen und Geist einer Firma<br />
über Generationen hinweg weitervermittelt werden, ist das für ein<br />
Familienunternehmen von unschätzbar grossem Wert.»<br />
Wolfgang Rother im Gespräch mit Dr. Mario Theissen (rechts),<br />
der trotz des momentan strengen Rennkalenders die Zeit fand,<br />
den Teilnehmern Rede und Antwort zu stehen.<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
32<br />
Credit Suisse Business<br />
Schiffsfinanzierungen sind ein wichtiges Geschäft<br />
Der Welthandel findet fast<br />
ausschliesslich zur See statt<br />
Die Finanzierung von Frachtschiffen ist für Banken wie<br />
die Credit Suisse ein wichtiges Geschäft. Die Auftragsbücher<br />
der Schiffswerften sind weltweit gut gefüllt.<br />
Die Flotten wachsen momentan im zweistelligen Prozentbereich<br />
. Und auch in den kommen den Jahren wird eine<br />
grosse Nachfrage nach Seetransportkapazitäten erwartet.<br />
Die Credit Suisse verfügt über 65 Jahre Erfahrung in Ship Finance.<br />
Fast 95 Prozent des Welthandels werden<br />
über See abgewickelt. Drei Viertel der<br />
Schiffsneubauten werden über normale<br />
Bankkredite fi nanziert. 2006 bestellten Reeder<br />
Schiffsneubauten im Rekordwert von<br />
231,5 Milliarden Dollar, wie der Schiffsmakler<br />
Clarkson PLC berichtet. «Nach Jahren, in<br />
denen die Er trags lage enttäuschend war, erfreut<br />
sich der Seetransport seit fünf Jahren<br />
eines richtig gehenden Booms. Das wiederum<br />
erfreut unsere Kundschaft», bestätigt John<br />
Häfelfi nger, stellvertretender Leiter Ship Finance<br />
der Credit Suisse. «Obwohl das Kreditvolumen<br />
beträchtlich angestiegen ist, bleibt<br />
die Bank bei den Parametern sehr konservativ,<br />
was von der erstklassi gen Kundschaft<br />
so erwartet und geschätzt wird», so Häfelfinger<br />
weiter. Doch was macht die in Basel<br />
ansässige Einheit Ship Finance der Credit<br />
Suisse genau?<br />
Schiffsfinanzierungen bereits seit 1943<br />
Die Credit Suisse eröffnete ihre erste Schiffsfi<br />
nan zierungsgesellschaft 1943 unter dem<br />
Namen Schweizerische Schiffshypothekenbank.<br />
Heute trägt sie den Namen Credit<br />
Suisse Ship Finance, und sie gehört, was das<br />
Kre dit volumen angeht, zu den zehn grössten<br />
Schiffsfinanzierungsgesellschaften. Rund<br />
600 Schiffe werden fi nanziert, der grösste<br />
Teil der Kredite geht nach Griechenland,<br />
Italien, Deutschland, Hongkong, Grossbritannien<br />
und Russland. Zu den Kunden der<br />
Credit Suisse gehören einige der weltweit<br />
bekann testen Reedereien. Die Mehrzahl befi<br />
ndet sich noch immer im Besitz von vermögenden<br />
Privatleuten. «Aufgrund der weltumspannenden<br />
Organisation der Credit<br />
Suisse können diese Kunden einen grossen<br />
Nutzen aus der langjährigen Erfahrung der<br />
Bank in Private Banking, Investment Banking<br />
und Asset Management ziehen», betont<br />
Häfelfinger. «Wir setzen unsere Kunden mit<br />
den anderen Divisionen der Bank in Verbindung,<br />
wann immer sie für unsere Produkte<br />
oder Dienstleistungen Interesse zeigen.»<br />
Schwerpunkt kommerzielle Frachtschiffe<br />
Um die Risiken zu verringern und sich nicht<br />
in Nischenmärkten zu verlieren, vergibt die<br />
Credit Suisse ausschliesslich Kredite für<br />
kommerzielle Hochseeschiffe wie Containerschiffe,<br />
Öl- und Produkttanker, Massengutfrachter,<br />
Chemikalien- und Gastransporter.<br />
Diese Strategie hat sich gelohnt, denn seit<br />
mehr als 20 Jahren hat die Schiffsfi nanzierung<br />
der Credit Suisse keinen einzigen Kredit<br />
abschreiben müssen. Ein Frachtschiff<br />
kostet je nach Grösse und Alter zwischen 20<br />
und 180 Millionen Dollar. Die Credit Suisse<br />
bietet Schiffseignern Kredite für Schiffsneubauten<br />
vor und nach Fertigstellung, die<br />
üblicherweise 60 bis 70 Prozent des jeweiligen<br />
Marktwertes abdecken. Diese Kredite<br />
sind immer abgesichert. Die Verzinsung erfolgt<br />
in der Regel nach LIBOR (London Interbank<br />
Offered Rate). Dazu kommt noch eine<br />
Prämie, deren Höhe von der Bonität des Kreditnehmers<br />
abhängt. Die Rückzahlungen<br />
erfolgen meist vierteljährlich. Die Kredite<br />
müssen getilgt sein, bevor das Schiff 20<br />
Jahre alt ist.<br />
Nachfrage nach neuen Containerschiffen<br />
Schätzungen zufolge werden etwa 90 Prozent<br />
aller weltweit produzierten Fertigwaren<br />
in Seecontainern transportiert. Gegenwärtig<br />
stehen Schif fe mit einer Gesamttonnage von<br />
etwa 6,4 Millionen TEU in den Auftragsbüchern<br />
der Werften, wobei 1 TEU einer 20-<br />
Fuss-Con tainereinheit entspricht. Wenn man<br />
weiss, dass die grösste Containerschiffsreederei<br />
der Welt, die dänische A. P. Moller-<br />
Maersk , über eine Gesamttonnage von etwa<br />
1,9 Millionen TEU verfügt, kann man sich eine<br />
Vorstellung von der Grösse des Auftragsvolumens<br />
machen. Heute werden in der<br />
Regel grössere Containerschiffe mit mehr<br />
als 4000 TEU nach gefragt. Clarkson PLC<br />
schätzt, dass dieses Jahr die Containerschifffl<br />
otte um rund 1,2 Millionen TEU wachsen<br />
wird. 2009 dürften sogar 1,8 Millio nen<br />
TEU hinzukommen.<br />
«Alle diese Schiffe brauchen eine solide<br />
Finanzierung. Somit bieten sich für unseren<br />
Bereich vielfältige Geschäfts möglichkeiten»,<br />
ist sich Meike Mättig, Leiterin Execution and<br />
Support von Ship Finance der Credit Suisse,<br />
sicher.<br />
Dorothée Enskog<br />
Fotos: «ORION» BULKERS GmbH & Co. KG | Credit Suisse<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
«Accessibility Day» bei der Credit Suisse<br />
200 sprechende Bancomaten und neu<br />
auch Kontoauszüge in Blindenschrift<br />
Im Rahmen der «informatica<strong>08</strong>» fand im Uetlihof der Credit Suisse der<br />
«Accessibility Day» statt, der zeigte, welche Chancen Informationstechnologien<br />
für Menschen mit Behinderungen bieten. Die Credit Suisse<br />
nimmt in diesem Bereich eine Pionierrolle in der Schweiz ein.<br />
FÜR MICH.<br />
Die Klafs Sauna- und<br />
Wellness-Welt.<br />
«Accessibility» steht für den Abbau von<br />
Barrieren für Menschen mit Behinderungen.<br />
Mit viel Humor schilderte der seit<br />
seiner Geburt gehbehinderte Fernsehmoderator<br />
Alex Oberholzer, dass in seiner<br />
Studienzeit die grösste Herausforde r ung<br />
nicht das Stu dium, sondern die vielen Stufen<br />
zur Biblio thek waren.<br />
Der «Accessibility Day» der Credit Suisse<br />
hatte wirklich keine Barrieren.<br />
Die Stolpersteine der Informatik Noch<br />
sind längst nicht alle Barrieren im Alltag<br />
beseitigt. Doch haben gerade die grossen<br />
Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
vielen Menschen<br />
mit Behinderungen zu etwas mehr Unabhängigkeit<br />
und Selbstständigkeit verholfen.<br />
Allerdings baut die moderne IT<br />
nicht nur Hindernisse ab, sondern schafft<br />
gleichzeitig wieder neue. «Umso wichtiger<br />
ist es deshalb, die Möglichkeiten der Informations-<br />
und Kommunikationstechnologie<br />
konsequent an den Bedürfnissen<br />
aller Benutzer auszurichten», betonte<br />
Claude Honegger, CIO Switzerland der<br />
Credit Suisse.<br />
Das Internet ist ein wichtiges Instrument<br />
für die Entwicklung zu mehr Eigenständigkeit<br />
der Betroffenen. «Dank des Internets<br />
ist es blinden Menschen erstmals<br />
möglich, bestimmte Geschäfte selbstständig<br />
zu tätigen, die bislang die Assistenz einer<br />
sehen den Person erforderten», erklärt<br />
Markus Riesch, Leiter Forschung und Entwicklung<br />
der Stiftung «Zugang für alle».<br />
René Jaun erblindete vor zehn Jahren<br />
vollständig. Heute bewertet er für die Stiftung<br />
«Zugang für alle» die Barriere freiheit<br />
von Internetseiten. Er erläuterte auf der<br />
«Accessibility»-Tagung die typischen Programmierungsfehler<br />
bei nicht barrierefreien<br />
Seiten: Blinde User erkennen durch<br />
eine spezielle Software den Inhalt der Internetseiten.<br />
Hierbei ist entscheidend, dass<br />
die Links zu weiteren Seiten mit adäquaten<br />
Text beschreibungen unterlegt sind.<br />
Barrierefreies Online-Banking Die<br />
Credit Suisse legt grossen Wert auf die<br />
barrierefreie Programmierung ihrer Internetseiten.<br />
Bislang sind das Direct Net, der<br />
Privatkunden-Bereich und das elektro nische<br />
Magazin «In Focus» barrierefrei und<br />
von der Stiftung «Zugang für alle» zertifiziert.<br />
«Alle Prozesse in der IT wollen wir<br />
zukünftig so gestalten, dass Accessibility<br />
bei der Programmierung berücksichtigt<br />
wird», versichert Alireza Darvishy, Projektleiter<br />
der «Accessibility»-Tagung. So sollen<br />
neue Internetseiten so flexibel sein,<br />
dass sich Schriftfarbe, Schriftgrösse und<br />
Hintergrund leicht verändern lassen.<br />
Credit Suisse auf Pionierpfaden Bis<br />
Jahresende werden in der Schweiz 200<br />
Bancomaten umgebaut, deren Funktionen<br />
über Kopfhörer abgehört werden können.<br />
Ausserdem steht der Service in Deutsch,<br />
Englisch, Französisch und Italienisch zur<br />
Verfügung. «Das sind die ersten viersprachig<br />
kommunizierenden Bancomaten der<br />
Welt», schätzt Darvishy. Gleich zeitig wurde<br />
die Höhe der Bancomaten so abgesenkt,<br />
dass Kunden mit Rollstühlen alle<br />
Tasten erreichen. Ab August ist der Kontoauszug<br />
in Blinden schrift oder extragrosser<br />
Schriftgrösse verfügbar.<br />
Anja Papp<br />
Sauna/Sanarium<br />
Dampfbad/ Dusche<br />
SANOSPA/Whirlpool<br />
Weitere Informationen erhalten Sie in<br />
unserem kostenlosen 170seitigen Übersichtskatalog.<br />
Klafs AG<br />
Oberneuhofstrasse 11<br />
CH-6342 Baar<br />
Telefon 041 760 22 42<br />
Fax 041 760 25 35<br />
baar@klafs.ch, www.klafs.ch<br />
Weitere Geschäftsstellen in: Bern, Ried-Brig VS,<br />
Chur GR, Clarens VD, Dietlikon ZH, Roggwil TG.
34<br />
Credit Suisse Business<br />
Eine Partnerschaft im Zeichen von Tradition und Innovation<br />
Riva: Wenn Brand und<br />
Lifestyle sich verbinden<br />
Die Meere bieten der Credit Suisse die Grundlage für wichtige Geschäfte<br />
(Artikel «Ship Finance» auf Seite 32). Darüber hinaus finden zu Wasser<br />
einzigartige Veranstaltungen mit Gästen, Kunden und Mitarbeitenden statt.<br />
Besonders attraktiv und exklusiv sind in Partnerschaft mit Riva organisierte<br />
Anlässe wie die Riva Trophy oder der Besuch in der Schiffswerft am Iseosee.<br />
Es gibt nicht viele Unternehmen, die älter<br />
sind als die 1856 gegründete Credit Suisse<br />
und einen vergleichbar wertvollen Brand besitzen.<br />
Riva gehört zweifellos dazu. Gegründet<br />
wurde die Cantieri Riva in Sarnico am<br />
Iseosee bereits im Jahr 1842 durch Pietro<br />
Riva. Ab den 1920er-Jahren spezialisierte<br />
sich Serafi no Riva in der dritten Generation<br />
auf Rennboote, während sich sein heute 86-<br />
jähriger Sohn Carlo ab 1949 mehr und mehr<br />
auf die luxuriöse Ausstattung seiner Boote<br />
konzentrierte und so den «Mythos Riva» begründete.<br />
Seit 2000 gehört die Riva-Gruppe<br />
mit Produktionsstandorten in Sarnico, La<br />
Spezia und Ancona zum Ferretti-Konzern.<br />
Die Riva-Luxusyachten kosten im Minimum<br />
1,3 Millionen Euro, doch sind die Auftragsbücher<br />
weit voraus gefüllt. Das Erfolgsrezept?<br />
«Unser Motto heisst ‹Tradition und<br />
Innovation›», erklärt Ferruccio Rossi, Verwaltungsratsdelegierter<br />
von Riva. «Tradition in<br />
unserer Arbeitsweise und Philosophie, verbunden<br />
mit Innovation, weil wir stets vorwärtsschauen<br />
müssen.» Neues Design, neue<br />
Technologie, neue Projekte: Jedes Boot hat<br />
eine andere Farbe, ein eigenes Holz, eine<br />
andere Verkleidung, sodass jedes zum Einzelstück<br />
wird.<br />
«Tradition und Innovation sind natürlich<br />
verbindende Elemente zwischen unseren<br />
Unternehmen», ergänzt Franco Müller, Head<br />
Market Area Italy. «Und es kommt die Passion<br />
hinzu: die Leidenschaft, mit der wir unsere<br />
Arbeit verrichten, vor allem aber auch<br />
die starke emotionale Bindung, die wir bei<br />
Kunden und Mitarbeitenden für die Riva-<br />
Boote feststellen.»<br />
Bei Riva verbinden sich Qualität, Eleganz<br />
und guter Geschmack. Deshalb intensivierte<br />
die Credit Suisse im letzten Jahr<br />
20<strong>08</strong> führte die Riva Trophy nach Miami und Palma de Mallorca. Im August folgt ein gemeinsamer<br />
Anlass in Porto Cervo auf Sardinien, und im September wird die Schiffswerft in Sarnico besucht.<br />
die lose Zusammenarbeit. «Mit der Credit<br />
Suisse haben wir eine tolle Partnerschaft<br />
im Bereich Kommunikation und Events», bestätigt<br />
Ferruccio Rossi. «Das hat 2007 mit<br />
der gemeinsamen Organisation von Anlässen<br />
in Portofino, Saint-Tropez und Cala di<br />
Volpe in Sardinien begonnen. Unsere Reederfamilie<br />
organisiert die Riva Trophy, und<br />
es werden Wettbewerbe im Wasser und an<br />
Land mit Galadinners organisiert. So verbringen<br />
wir jeweils drei einzigartige Tage<br />
miteinander.»<br />
Andreas Schiendorfer<br />
Fotos: Riva<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Credit Suisse Invest 35<br />
Credit Suisse Invest<br />
Analysen und Prognosen<br />
Übersicht 36_Ausblick Global 38_Ausblick Schweiz 40_Prognosen 42_Investment Focus<br />
Highlights Juli 20<strong>08</strong><br />
Inhalt<br />
Die Schwellenländer dürften auch in den kommenden Jahren<br />
den grössten Beitrag zum Weltwirtschaftswachstum leisten.<br />
Stark steigende Rohstoffpreise und möglicherweise deutlich<br />
restriktive Zentralbanken stellen jedoch Risiken dar.<br />
Internationale Notenbanken werden restriktiver, da die<br />
Inflation noch immer am Steigen ist. In den USA steht<br />
jedoch unter anderem die prekäre Lage an den Finanzmärkten<br />
raschen Zinserhöhungen im Wege.<br />
Ausblick Global<br />
Schwellenländer dominierende<br />
Kraft in der Weltwirtschaft<br />
Ausblick Schweiz<br />
Leichte Abschwächung,<br />
weiterhin robuster Konsum<br />
Investment Focus<br />
Water<br />
Als Ressource unterschätzt wie keine Andere<br />
Aktienmarkt Aufgrund hoher Lebensmittel- und Ölteuerung<br />
bei einer gleichzeitigen Neigung der Zentralbanken zu Zinserhöhungen<br />
bleibt das Umfeld für Aktien schwierig. Wir bevorzugen<br />
defensive Titel aus den Sektoren Pharma, IT und<br />
Telekom.<br />
Rohstoffpreise haben eine beeindruckende Performance<br />
abgeliefert. Aufgrund von steigenden Zinsen verlieren<br />
Rohstoffe jedoch derzeit an Attraktivität und wir raten Anlegern<br />
daher zu Vorsicht und Diversifikation.<br />
Der Schweizer Franken ist gegenüber dem Euro unterbewertet.<br />
Daran dürfte sich jedoch kurzfristig wenig ändern,<br />
da die gestiegene Volatilität an den Währungsmärkten<br />
durch den stärkeren Zinsvorteil des Euro ausgeglichen wird.<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
36<br />
Credit Suisse Invest<br />
Ausblick Global<br />
Die Weltwirtschaft ist im ersten Halbjahr stärker gewachsen als erwartet. Die Schwellenländer tragen den<br />
Löwenanteil zum globalen Wirtschaftswachstum bei, und daran sollte sich in den kommenden Jahren wenig ändern.<br />
Steigende Rohstoffpreise und Zinserhöhungen von vielen Zentralbanken dürften jedoch die Dynamik etwas<br />
bremsen. Wir sind daher vorsichtig, was Aktien anbelangt, und auch die übermässigen Renditen von Rohstoffen<br />
dürften zumindest kurzfristig der Vergangenheit angehören.<br />
Konjunktur<br />
Leichte Abschwächung nach<br />
starkem Jahresbeginn<br />
Die Weltwirtschaft ist in der ersten Jahreshälfte insgesamt stärker<br />
gewachsen als von vielen erwartet. In den USA zeigte sich zwar eine<br />
deutliche Abschwächung, jedoch blieb das Wachstum positiv. Für<br />
die USA lässt sich eine deutliche Veränderung in der Zusammensetzung<br />
der Nachfrage feststellen. Während die Binnenwirtschaft, vor<br />
allem der private Konsum (aufgrund hoher Energiepreise, strafferer<br />
Kreditbedingungen und einer Verschlechterung am Arbeitsmarkt)<br />
schwach ist, profi tieren die Exporteure von der robusten globalen<br />
Nachfrage. Die aufstrebenden Volkswirtschaften haben im letzten<br />
Jahr entscheidend zum globalen Wachstum beigetragen (siehe Chart).<br />
Während vor allem hohe Infl ation und möglicherweise notwendige<br />
restriktive Massnahmen der lokalen (Geld-)politik Risiken darstellen,<br />
dürften diese Länder ihre globale Führungsrolle behalten. th<br />
Aufgrund des geringeren Ausmasses der Kreditkrise, neuen<br />
Handelsverflechtungen und starker Binnennachfrage dürften<br />
aufstrebende Volkswirtschaften robust bleiben.<br />
Quelle: IMF, BIZ, Credit Suisse<br />
YoY%, 2007<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
–1<br />
Reales BIP<br />
Realer Konsum<br />
USA EMU andere Industriestaaten<br />
Entwicklungsländer Global<br />
Reale Investitionen<br />
Zinsen und Obligationen<br />
Notenbanken weiterhin auf Straffungskurs<br />
Der globale Infl ations- und Zinstrend zeigt weiter nach oben. Die Infl<br />
ation für den Euroraum ist mit rund 4%, doppelt so hoch als das<br />
Infl ationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB), und in mehreren<br />
Schwellenländern hat die Infl ation inzwischen zweistellige Werte erreicht<br />
(vgl. Abbildung). Die EZB zeigt sich fest entschlossen, die<br />
Infl ation zu bekämpfen, und hat im Juli die Leitzinsen angehoben. Das<br />
Finanzsystem weist nach wie vor Stresssymptome auf. So sehen sich<br />
beispielsweise einige der grössten US-Finanzinstitute mit extrem<br />
hohen Finanzierungskosten konfrontiert. Dies stellt ein Hindernis für<br />
die Fed und andere Zentralbanken dar, die aufgrund dieser Umstände<br />
die Zinsen eher tiefer halten könnten, als wenn sie sich nur auf<br />
die Infl ation und die Realwirtschaft konzentrieren würden. th<br />
Die Inflation ist weltweit angestiegen. Besonders deutlich<br />
zeigt sich dieser Trend in den aufstrebenden<br />
Volkswirtschaften. Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
YoY%<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
01.00<br />
01.01 01.02 01.<strong>03</strong> 01.04 01.05 01.06 01.07 01.<strong>08</strong><br />
BRIC CPI<br />
G3 CPI<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Credit Suisse Invest 37<br />
Aktienmarkt<br />
Inflationsängste lasten schwer auf Aktien<br />
Die globalen Aktienmärkte befi nden sich nach wie vor in einer schwierigen<br />
Situation, hauptsächlich aufgrund der unvermindert stark ansteigenden<br />
Öl- und Lebensmittelpreise. Zentralbanken sehen sich weltweit<br />
gezwungen, dem steigenden Infl ationsdruck mit Zinserhöhungen<br />
entgegenzutreten, was sich wiederum negativ auf die Aktienmärkte<br />
auswirkt. Der anstehenden Berichtssaison in den USA dürfte unserer<br />
Ansicht nach entscheidende Bedeutung zukommen. Allgemein wird<br />
mit einem Gewinnrückgang von 8% gegenüber dem Vorjahr gerechnet,<br />
wobei insbesondere Finanzdienstleister und zyklische Konsumgüterhersteller<br />
schlecht abschneiden dürften. Wir empfehlen Investoren<br />
in diesem schwierigen Umfeld, sich auf defensive globale<br />
Sektoren wie Pharma, IT und Telekom zu konzentrieren, die noch<br />
immer ein positives Gewinnwachstum aufweisen. db<br />
Mit einem erwarteten KGV 20<strong>08</strong> von 12.2 für den MSCI World<br />
sind Aktien attraktiv bewertet. Quelle: Credit Suisse, Reuters<br />
26<br />
24<br />
22<br />
20<br />
18<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
01.90 01.92 01.94 01.96 01.98 01.00 01.02 01.04 01.06 01.<strong>08</strong><br />
MSCI World Index KGV nächste 12 Monate<br />
Durchschnitt (+/– 1 Standardabweichung)<br />
Währungen<br />
USD auf Käufe ausländischer<br />
Zentralbanken angewiesen<br />
Der US-Dollar dürfte unserer Meinung nach auf drei Monate weiter<br />
unter Druck bleiben. Dollarnegative Faktoren sind ein tiefes Zinsniveau,<br />
schwaches Wachstum des privaten Konsums, die Abschwächung<br />
auf dem Immobilienmarkt sowie ein hohes Leistungsbilanzdefi<br />
zit, um nur einige zu nennen. Es ist zwar richtig, dass der US-Dollar<br />
inzwischen gegenüber den europäischen Währungen deutlich unterbewertet<br />
ist. Doch für eine nachhaltige Dollarerstarkung müssten<br />
vor allem ausländische private Investoren die US-Wertschriftenmärkte<br />
als attraktiv erachten. Dies scheint zumindest im ersten Quartal<br />
noch nicht der Fall gewesen zu sein, haben doch ausländische Notenbanken<br />
praktisch 100% des US-Leistungsbilanzdefi zits fi nanziert.<br />
Während wir auf zwölf Monate eine leichte Dollarerholung erwarten,<br />
sollten Anleger auf drei Monate gegenüber dem Greenback weiterhin<br />
vorsichtig bleiben. mh<br />
Das US-Handelsbilanzdefizit ist zwar jüngst gesunken,<br />
aufgrund des tiefen Zinsniveaus in den USA sind es<br />
aber vor allem ausländische Zentralbanken, die das Defizit<br />
finanzieren – im 1. Quartal zu 100%. Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
%<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
–20<br />
–40<br />
<strong>03</strong>.00<br />
<strong>03</strong>.01 <strong>03</strong>.02 <strong>03</strong>.<strong>03</strong> <strong>03</strong>.04 <strong>03</strong>.05 <strong>03</strong>.06 <strong>03</strong>.07 <strong>03</strong>.<strong>08</strong><br />
Anteil des US Leistungsbilanzdefizits, welches durch ausländischen<br />
offiziellen Sektor finanziert wird<br />
Rohstoffe<br />
Rohstoffe – Die Unsicherheit steigt<br />
Der Aufwärtstrend bei den Rohstoffpreisen hat sich auch im Juni<br />
fortgesetzt. Abhängig vom Index haben Rohstoffe mittlerweile eine<br />
YTD-Performance von 25%–45% erreicht. Zwar denken wir, dass<br />
der langfristige Trend auch weiterhin nach oben zeigt, dennoch raten<br />
wir Investoren zu mehr Vorsicht bei direkten Rohstoffi nvestments.<br />
Das Umfeld für Rohstoffe wird derzeit schwieriger. Das weltweite<br />
Wirtschaftswachstum schwächt sich ab, und aufgrund hoher Infl ationsraten<br />
haben Zentralbanken weltweit damit begonnen, die Zinsen<br />
zu erhöhen. Da Rohstoffe keine Zinsen oder Dividenden abwerfen,<br />
machen höhere Zinsen eine Anlage in Rohstoffe weniger attraktiv.<br />
Zudem gibt es politische Initiativen, um den Rohstoffpreisanstieg zu<br />
begrenzen. Als Folge davon sollten Rohstoffi nvestoren in den nächsten<br />
Monaten mehr Volatilität und eine tiefere Rendite erwarten. tm<br />
Rohstoffe mit beeindruckender Performance seit<br />
Jahresbeginn Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
Index, January 20<strong>08</strong> = 100<br />
150<br />
140<br />
130<br />
120<br />
110<br />
100<br />
90<br />
01.<strong>08</strong> 02.<strong>08</strong> <strong>03</strong>.<strong>08</strong> 04.<strong>08</strong> 05.<strong>08</strong><br />
06.<strong>08</strong><br />
07.<strong>08</strong><br />
Dow Jones AIG Commodity Index CRB Index<br />
S&P GSCI Commodity Index Rogers International Commodity Index<br />
UBS Constant Maturity Commodity Index<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
38<br />
Credit Suisse Invest<br />
Ausblick Schweiz<br />
Die Indikatoren für die Schweizer Wirtschaft zeigen erste Anzeichen von Schwäche, wenngleich gerade das Exportwachstum<br />
deutlich von den Schwellenländern unterstützt wird. Auch der private Konsum dürfte robust bleiben, da<br />
die Beschäftigungs- und Lohnentwicklung Impulse liefern. Sollte es zu deutlichen Lohnsteigerungen kommen, besteht<br />
weiterhin das Risiko einer Zinserhöhung seitens der SNB. Wir halten den Schweizer Aktienmarkt für attraktiv,<br />
da viele Unternehmen über Preissetzungsmacht verfügen, werden jedoch vorsichtiger. Der Schweizer Franken dürfte<br />
schwach bleiben, da die Zinsdifferenz gegenüber dem Euro gestiegen ist.<br />
Konjunktur<br />
Privatkonsum gewinnt an<br />
konjunktureller Bedeutung<br />
Der Privatkonsum tritt aktuell als konjunkturelles Standbein stärker<br />
hervor. Die privaten Konsumausgaben dürften 20<strong>08</strong> das Vorjahresniveau<br />
um 1.9% übersteigen. Im kommenden Jahr ist mit einer weiterhin<br />
robusten, jedoch weniger schwungvollen Konsumkonjunktur zu<br />
rechnen (+1.6%). Feste Umsatzaktivität und hohe Kundenfrequenz<br />
im Detailhandel sind Zeugen der Konsumdynamik. Positive Impulse<br />
kommen insbesondere von der Arbeitsmarktentwicklung. Die Beschäftigung<br />
steigt spürbar an. Zudem bleiben die Frühindikatoren<br />
der Arbeitsnachfrage mehrheitlich freundlich. Die Arbeitslosenrate<br />
sinkt auch 20<strong>08</strong> weiter. In der Spitze ist ein Rückgang bis auf 2.3%<br />
bzw. bis auf 2.6% im Jahresmittel 20<strong>08</strong> wahrscheinlich. Auch setzt<br />
die Lohn- und Gehaltsentwicklung konsumanregende Impulse. Die<br />
Lohntüte dürfte 20<strong>08</strong> so stark gefüllt werden wie seit sieben Jahren<br />
nicht mehr. Das freundliche Konsumbild wird indes durch die aktuelle<br />
Eintrübung der Konsumentenstimmung etwas relativiert. mn<br />
Early Birds der Arbeitsnachfrage weiter auf Nordkurs<br />
Quelle: BFS, Jobpilot<br />
Index<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Q1 1998 Q1 2000 Q1 2002 Q1 2004 Q1 2006<br />
Q1 20<strong>08</strong><br />
Index der offenen Stellen (BfS) Jobpilot-Index Publicitas Index<br />
Indikator der Beschäftigungsaussichten (BfS)<br />
Index<br />
1.10<br />
1.<strong>08</strong><br />
1.06<br />
1.04<br />
1.02<br />
1.00<br />
0.98<br />
0.96<br />
Top-Thema<br />
Die Euro <strong>08</strong> – ein Konjunkturturbo?<br />
Aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist zu konstatieren, dass bei<br />
einem Schweizer Bruttoinlandsprodukt (BIP) von knapp CHF 480<br />
Mrd. der Effekt des sportlichen Grossanlasses Euro <strong>08</strong> zu klein ist,<br />
um ihn von anderen makroökonomischen Vorgängen zu unterscheiden.<br />
Die positiven gesamtwirtschaftlichen Effekte dürften insgesamt<br />
kaum nennenswert ausfallen und einen geringen Beitrag zum BIP in<br />
der Höhe von maximal 0.1% – 0.2% im Sommerhalbjahr beisteuern.<br />
Insgesamt dürften sich die positiven wirtschaftlichen Effekte auf<br />
einzelne Branchen (v.a. Hotellerie, Restauration, Detailhandel) konzentrieren.<br />
Zudem regte die Euro <strong>08</strong> die Produktion öffentlicher<br />
Güter an, im Einzelnen: Image, Erlebnisnutzen, kollektive Begeisterung.<br />
Dies hebt den individuellen Wohlstand der Schweizer Bevölkerung,<br />
und das zu einem Zeitpunkt, in dem konjunkturelle Unsicherheit<br />
die Konsum- und Investitionsstimmung der privaten Haushalte<br />
belastet. mn<br />
Freundlicher Geschäftsgang im Detailhandel<br />
Quelle: KOF<br />
Index<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
–10<br />
–20<br />
–30<br />
–40<br />
–50<br />
04.94<br />
04.96 04.98 04.00 04.02 04.04 04.06 04.<strong>08</strong><br />
Geschäftsgang Detailhandel<br />
Geschäftsgang Detailhandel<br />
(glatte Komponente)<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Credit Suisse Invest 39<br />
Zinsen und Obligationen<br />
Weiterhin unverändertes Zinsziel der SNB<br />
Die SNB beliess den Leitzins im Juni unverändert. Zwar geht sie davon<br />
aus, dass die Infl ation 20<strong>08</strong> deutlich höher ausfallen wird als<br />
ursprünglich erwartet, doch die Abschwächung der Weltwirtschaft<br />
dürfte mittelfristig zu einer Entlastung führen. Allerdings zeigen sich<br />
nun erste Anzeichen von Überhitzung am Arbeitsmarkt. Die Lohnstückkosten<br />
steigen stark an, und dies beinhaltet das Risiko einer<br />
dauerhaft höheren Infl ation. SNB-Direktor Thomas Jordan betonte,<br />
dass die SNB mit einer Zinserhöhung reagieren müsse, falls die<br />
Gewerkschaften einen vollen Ausgleich der Teuerung durchsetzen<br />
könnten. Eine Zinserhöhung im September erscheint somit denkbar.<br />
Der Geldmarkt preist derzeit sogar drei Zinserhöhungen ein, was<br />
unserer Ansicht nach jedoch überzogen ist. Daher besteht leichtes<br />
Abwärtspotenzial bei den Anleihenrenditen. mt<br />
Ein starker Anstieg der Lohnstückkosten birgt Risiken für<br />
die Preisstabilität. Eine Zinserhöhung der SNB im September<br />
bleibt daher eine Option. Quellen: Datastream, Credit Suisse<br />
YoY %-change<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
–2<br />
–4<br />
–6<br />
–8<br />
YoY %-change<br />
1.6<br />
1.4<br />
1.2<br />
1<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0<br />
06.98 06.00 06.02 06.04 06.06<br />
06.<strong>08</strong><br />
Lohnstückkosten<br />
Kerninflation (3M Durchschnitt)<br />
Aktienmarkt<br />
Defensive Sektoren bevorzugen<br />
Im Vergleich zu den übrigen europäischen Aktienmärkten sind wir<br />
langfristig gegenüber Schweizer Aktien weiterhin positiv eingestellt.<br />
Hiesige Blue Chips sind attraktiv bewertet, profi tieren von einer unvermindert<br />
starken Nachfrage aus den Schwellenländern und einem<br />
tiefen Schweizer Franken. Zudem verfügen zahlreiche Schweizer<br />
Unternehmen dank ihrem guten Image und dem hohen Qualitätsstandard<br />
ihrer Produkte über eine starke Preissetzungsmacht. Dies<br />
erlaubt es ihnen, steigende Rohstoffkosten über Preiserhöhungen<br />
an ihre Kunden weiterzugeben. Gegenüber den nach wie vor herrschenden<br />
Unsicherheiten an den globalen Aktienmärkten sind jedoch<br />
auch Schweizer Aktien nicht immun, weshalb wir vorwiegend<br />
Engagements in defensiven Sektoren wie z. B. Pharma und Telekom<br />
empfehlen. db<br />
Der Swiss Leader Index, der die 30 liquidesten<br />
Schweizer Aktien abbildet, verlor seit Jahresbeginn 21%<br />
(per 14.07.20<strong>08</strong>). Quelle: Credit Suisse, Bloomberg<br />
SLI Index performance seit Jahresanfang<br />
1300<br />
1250<br />
1200<br />
1150<br />
1100<br />
1050<br />
1000<br />
17.1.<strong>08</strong> 14.2.<strong>08</strong> 13.3.<strong>08</strong> 10.4.<strong>08</strong> 8.5.<strong>08</strong> 5.6.<strong>08</strong><br />
3.7.<strong>08</strong><br />
Währungen<br />
Franken im Spannungsfeld<br />
von Zinsen und Volatilität<br />
Derzeit handelt der Schweizer Franken (CHF) zum Euro (EUR) weiterhin<br />
auf historisch hohen Niveaus. Langfristige Modelle wie z. B.<br />
die Kaufkraftparität zeigen, dass der EUR deutlich überbewertet ist.<br />
Kurzfristig stellen jedoch die Zinsdifferenz sowie die Volatilität die<br />
Haupteinfl ussgrössen dar. Diese beiden Einfl ussgrössen wirken derzeit<br />
in entgegengesetzte Richtungen. Der Zinsnachteil des CHF zum<br />
EUR ist weiterhin sehr hoch, was den EUR unterstützt. Diese Zinsdifferenz<br />
dürfte sich erst auf zwölf Monate leicht einengen, weshalb<br />
wir längerfristig eine Erstarkung des Frankens erwarten. Die höhere<br />
Volatilität ist positiv für den CHF. Unter Berücksichtigung der<br />
Volatilität ist die Attraktivität des CHF als Finanzierungswährung für<br />
Carry Trades deshalb markant tiefer als noch 2007. Dies spricht unserer<br />
Meinung nach für ein Kursniveau um die EUR/CHF 1.60 im<br />
Drei monatshorizont. mh<br />
Wenn man den Zinsvorteil des EUR in das Verhältnis zur<br />
Volatilität (risikobereinigte Zinsdifferenz) setzt,<br />
ist der EUR weit weniger attraktiv als noch im 2007<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
EUR/CHF in %<br />
1.68<br />
1.66<br />
1.64<br />
1.62<br />
1.60<br />
1.58<br />
1.56<br />
1.54<br />
01.07 05.07 09.07<br />
EUR/CHF Wechselkurs<br />
11.07<br />
Carry (EUR 3-Monats-Libor dividiert durch<br />
implizite Volatilität EUR/CHF 3 Monate)<br />
0.60<br />
0.55<br />
0.50<br />
0.45<br />
0.40<br />
0.35<br />
0.30<br />
0.25<br />
0.20<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
40<br />
Credit Suisse Invest<br />
Überblick Prognosen 15. Juli 20<strong>08</strong><br />
Aktien und Rohstoffe: Ausgewählte Indices<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
Auswahl Kurs YTD Ausblick 12M Ziele<br />
3M<br />
S&P 500 1’228.30 –16.3% 1’350<br />
SMI 6’573.15 –22.5% 8’400<br />
FTSE-100 5’233.50 –18.9% 6’000<br />
Euro Stoxx 50 3’167.39 –28.0% 3’500<br />
Nikkei 225 12’754.56 –16.7% 15’000<br />
Reales BIP-Wachstum in %<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
2007 20<strong>08</strong>E 2009E<br />
CH 3.2 1.9 1.6<br />
EWU 2.7 1.7 1.3<br />
USA 2.9 1.2 1.6<br />
GB 2.8 1.8 1.5<br />
Japan 2.2 1.3 2.0<br />
Gold 978.95 19.9% 1’000<br />
Öl 145.42 41.9% 125<br />
Dow Jones AIG<br />
Commodity Index<br />
457.896 11.63% 465<br />
Devisen (Wechselkurse)<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
15. 7. 20 0 8 3M 12M<br />
USD/CHF 1.01 0.99 – 1.<strong>03</strong><br />
EUR/CHF 1.61 1.54 – 1.58<br />
JPY/CHF 0.96 0.99 – 1.<strong>03</strong><br />
EUR/USD 1.59 1.52 – 1.56<br />
USD/JPY 105 98 – 102<br />
EUR/JPY 167 152 – 156<br />
EUR/GBP 0.79 0.82 – 0.84<br />
GBP/USD 2.01 1.85 – 1.89<br />
EUR/SEK 9.48 8.95 – 9.15<br />
EUR/NOK 8.<strong>03</strong> 7.40 – 7.60<br />
AUD/USD 0.98 0.88 – 0.92<br />
NZD/USD 0.77 0.68 – 0.72<br />
USD/CAD 1.00 0.98 – 1.02<br />
Schweizer Wirtschaft ( Veränderung gegenüber Vorjahr in %)<br />
Quelle: Credit Suisse<br />
Inflation in %<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
2007 20<strong>08</strong>E 2009E<br />
CH 1.1 2.2 1.4<br />
EWU 2.2 3.7 2.5<br />
USA 3.2 4.5 3.0<br />
GB 2.3 3.2 2.4<br />
Japan 0.3 2.0 1.6<br />
Kurzfristzinsen 3M-Libor<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
15. 7. 20 0 8 3M 12M<br />
CHF 2.80 2.9 – 3.1<br />
EUR 4.96 4.6 – 4.8<br />
USD 2.79 3.1– 3.3<br />
GBP 5.82 4.8 – 5.0<br />
JPY 0.92 0.7 – 0.9<br />
Rendite 10-j. Staatsanleihen<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
15. 7. 20 0 8 3 M 12M<br />
CHF 3.09 2.9 – 3.1<br />
EUR 4.39 4.6 – 4.8<br />
USD 3.82 3.1 – 3.3<br />
GBP 4.86 4.8 – 5.0<br />
JPY 1.56 1.7 – 1.9<br />
2007 20<strong>08</strong>E 2009E<br />
Bruttoinlandprodukt (real) 3.1 1.9 1.6<br />
Privater Konsum 2.1 1.9 1.6<br />
Öffentlicher Konsum 0.1 0.2 0.3<br />
Ausrüstungsinvestitionen 7.2 3.7 1.6<br />
Bauinvestitionen –2.9 –3.1 –2.2<br />
Exporte 9.9 3.5 3.5<br />
Importe 5.2 2.5 3.8<br />
Beschäftigung 2.7 1.6 0.5<br />
Arbeitslosenquote (%) 2.8 2.6 2.7<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Credit Suisse Invest 41<br />
Wichtige Information<br />
Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden von Credit Suisse per angegebenem Datum erstellt und können sich ohne<br />
vorherige Mitteilung ändern. Der Bericht wurde einzig zu Informationszwecken publiziert und ist weder ein Angebot noch eine Auf forderung<br />
seitens oder im Auftrag von Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder ähnlichen Finanzinstrumenten oder zur Teilnahme<br />
an einer spezifi schen Handelsstrategie in irgendeiner Rechtsordnung. Der Bericht wurde ohne Berücksichtigung der Zielsetzungen, der<br />
fi nanziellen Situation oder der Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt. Der Bericht enthält keinerlei Empfehlungen rechtlicher Natur<br />
oder hinsichtlich Inves titionen, Rechnungslegung oder Steuern. Er stellt auch in keiner Art und Weise eine auf die persönlichen Umstände<br />
eines Anlegers zugeschnittene oder für diesen angemessene Inves tition oder Strategie oder eine andere an einen bestimmten Anleger<br />
gerichtete Empfehlung dar. Verweise auf frühere Entwicklungen sind nicht unbedingt mass gebend für künftige Ergebnisse.<br />
Die Informationen stammen aus oder basieren auf Quellen, die Credit Suisse als zuver lässig erachtet. Dennoch kann keine Gewähr für die<br />
Richtigkeit oder Vollständigkeit der Informationen geleistet werden. Credit Suisse lehnt jede Haftung für Verluste aus der Verwendung<br />
dieses Berichts ab.<br />
WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN DAVON DÜRFEN IN DIE VEREINIGTEN STAATEN VERSANDT, DORTHIN<br />
MITGENOMMEN ODER AN US- PERSONEN ABGEGEBEN WERDEN. Örtliche Gesetze oder Vorschriften können die Verteilung von<br />
Research-Berichten in bestimmten Rechtsordnungen einschränken.<br />
Dieser Bericht wird von der Schweizer Bank Credit Suisse verteilt, die der Zulassung und Re gulierung durch die Eidgenössische Bankenkommission<br />
untersteht.<br />
Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung der Credit Suisse weder ganz noch auszugsweise vervielfältigt werden.<br />
Copyright © 20<strong>08</strong> Credit Suisse Group und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten.<br />
Impressum Invest<br />
Herausgeber Credit Suisse, Postfach 2, 8070 Zürich Redaktion Martin Neff (mn), Dr. Anja Hochberg (ah), Marcus Hettinger (mh), Tobias Merath (tm), David Brönnimann (db), Fabian Heller (fh),<br />
Hervé Prettre (hp), Thomas Herrmann (th) Marketing Veronica Zimnic E-Mail redaktion.<strong>bull</strong>etin@credit-suisse.com Internet www.credit-suisse.com/infocus Inserate Pauletto Gmbh, Miriam Dudek,<br />
Kleinstrasse 16, 80<strong>08</strong> Zürich, Telefon und Fax +41 43 268 54 56 Druck NZZ Fretz AG Nachdruck gestattet mit dem Hinweis «Aus dem Bulletin der Credit Suisse»<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
42<br />
Credit Suisse Invest<br />
Investment Focus<br />
Das Investment Focus ist eine thematische Publikation basierend auf Ideen der Credit Suisse Research Abteilung.<br />
Neben den wichtigsten Fakten zu attraktiven Investmentthemen wird diese Präsentation durch die Vorstellung von passen den<br />
Anlagelösungen ergänzt.<br />
Unterschätzte Ressource<br />
Water<br />
Natürliche Ressourcen, einst frei verfügbar,<br />
werden je länger je mehr zu knappen, ja sogar<br />
zu Luxusgütern.<br />
Trinkwasserreserven beispielsweise verringern<br />
sich zusehends. Grösstenteils lässt<br />
sich dies auf den verschwenderischen Verbrauch<br />
natürlicher Reserven zurückführen<br />
(im selben Zeitraum, in dem sich die Weltbevölkerung<br />
verdoppelt hat, ist der Wasserverbrauch<br />
auf das Vierfache angestiegen). Anderseits<br />
führt auch die globale Erwärmung<br />
zum Abschmelzen der Gletscher (welche einen<br />
Anteil von 69% aller Süsswasserreserven<br />
ausmachen).<br />
Es müssen beträchtliche Investitionen in<br />
die Wasserversorgungsinfrastruktur getätigt<br />
werden um den Wasserverbrauch sparsamer<br />
und effi zienter zu machen. Davon wiederum<br />
profi tieren ausgewählte Unternehmen. Lesen<br />
Sie mehr über Investitionsmöglichkeiten im<br />
Investment Focus Water.<br />
Boomender Luxusgütermarkt<br />
Luxury<br />
Die Anzahl reicher Menschen steigt stetig an<br />
und Wohlstand ist zu etwas geworden, was<br />
nun für eine breitere Bevölkerungsschicht erreichbar<br />
wird. Luxus bezeichnet etwas das<br />
über das übliche Mass (den Standard) hinausgeht<br />
und ist für einige erstrebenswert,<br />
nicht aber erreichbar, für andere jedoch eine<br />
Möglichkeit seinen Erfolg auszudrücken.<br />
Ein Schlüsselaspekt einer Luxusmarke ist<br />
das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer grossartigen,<br />
wertvollen Tradition. Alter und eine<br />
«Story» sind Voraussetzungen für die Schaffung<br />
einer solchen Marke und genau diese<br />
schaffen Markteintrittsbarrieren.<br />
Es gibt einige Möglichkeiten wie sie in<br />
diesen Markt investieren können über die sie<br />
mehr im Investment Focus Luxury erfahren<br />
können.<br />
Auf der Überholspur<br />
Emerging Markets<br />
Emerging Markets (EM) wurden lange Zeit<br />
unterschätzt und von Investoren als zu riskant<br />
eingestuft. Das Bild der EMs hat sich in den<br />
letzten Jahren jedoch drastisch geändert, dies<br />
vor allem aufgrund der hohen Dynamik<br />
dieser Länder.<br />
EMs zeigen hohe Eigenkapitalrenditen<br />
und starke makroökonomische Daten. Durch<br />
politische Stabilität und eine vernünftige<br />
Geld- und Konjunkturpolitik haben sie das<br />
Vertrauen vieler Anleger gewonnen. Sie entkoppeln<br />
sich immer mehr vom Wirtschaftswachstum<br />
in den westlichen Ländern und<br />
legen ein eigenes Tempo vor.<br />
Im Investment Focus Emerging Markets<br />
zeigen wir Ihnen die interessantesten Regionen<br />
und wie sie an deren Aufwärtstrend<br />
partizipieren können.<br />
Die Credit Suisse bietet eine breite Palette an Anlagelösungen wie<br />
Strukturierte Produkte, Alternative Anlagen, Foreign Exchange<br />
Produkte und Mutual Funds zu diesen und weiteren Themen an.<br />
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihren persönlichen<br />
Kunden berater oder an untenstehenden Kontakt.<br />
Kontakt Maria Dolores Lamas, Managing Director, Head of Financial<br />
Products & Investment Advisory<br />
Telefon +41 44 333 31 22<br />
E-Mail structured.investments@credit-suisse.com<br />
Internet www.credit-suisse.com/structuredproducts<br />
Intranet http://buffet.csintra.net/focus<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Credit Suisse Wirtschaft<br />
43<br />
Wissenswert Aus dem ABC der Finanzwelt<br />
Waves and Ripples<br />
Kurzfristige Marktbewegungen<br />
und ihre Auswirkungen<br />
In der Finanzwelt gibt es viele Metaphern, die auf das Meer zurückgehen. Sie wurden<br />
in den Dreissigerjahren von Robert Rhea, einem der ersten Marktanalysten, geprägt.<br />
Langfristige Marktbewegungen werden zum Beispiel als «Tides» (Gezeiten) bezeichnet<br />
und die tägliche Bewegung des Marktes als «Wave» (Welle). Investoren, die sich täglich<br />
mit dem Markt beschäftigen, beobachten also die täglichen Wellen des Marktes.<br />
Kurzfristige Markt bewegungen werden «Ripples» genannt. Man könnte den Ausdruck<br />
als Kräuselung oder Wellung übersetzen, doch ein Ripple kann mehr sein als ein Kräuseln<br />
des Wassers. Wie bei einem ins Wasser geworfenen Stein, der weite Ringe an<br />
der Wasseroberfl äche ziehen kann, können einzelne Ereignisse weitreichende Konsequenzen<br />
haben. Solche Konsequenzen nennt man «Ripple Effects». Ein aktuelles Beispiel<br />
ist die Subprime-Krise. Das Geschehen in den USA hat weltweit Ripple Effects zur<br />
Folge gehabt. Auch die momentan ansteigenden Konsumgüterpreise sind ein Ripple<br />
Effect der teureren Rohstoffe. jbo<br />
Fotos: Walter Bibikow, Getty Images | Yellow Dog Productions, Getty Images | Getty Images | Steven Puetzer, Prisma<br />
Shark Watchers<br />
Firmen, die An- und Verkäufe<br />
von Aktien beobachten<br />
Flipper<br />
Investoren, die auf schnelle<br />
Gewinne setzen<br />
«Whale Watching» ist ein bekannter Sport tierliebender Abenteurer. Analog gibt es<br />
natürlich auch ein «Shark Watching», das es Haifreunden erlaubt, ihre Lieblinge zu beobachten.<br />
Aber hier geht es nicht um eine Tour hinaus aufs Meer. Die Haifi sch-Metapher<br />
ist in der Finanzwelt weit verbreitet. So gibt es neben «Finanzhaien» auch «Haifi sch-<br />
Beobachter», Shark Watchers. Das sind Firmen, die den Handel mit Aktien beobachten.<br />
Sie verfolgen die Bewegungen der Aktie ihres Kunden im Markt und analysieren die<br />
An- und Verkäufe dieser Aktie. Ziel ist es, Parteien zu identifi zieren, die Aktien anhäufen,<br />
um so eine unerwünschte Übernahme möglichst schnell zu erkennen. Das ermöglicht<br />
dem Kunden eine rechtzeitige Abwehr.<br />
Zur Abwehr gibt es spezifi sche Massnahmen, die man Shark Repellents, also Haifi<br />
schabwehr, nennt. Beispiele für solche Abwehrmethoden sind «Safe Harbour»-Strategien.<br />
Hierbei kann sich zum Beispiel eine Firma A, die fi nanziell nicht gut genug dasteht,<br />
um einen nötigen Kredit aufnehmen zu können, mit der Firma B zusammentun, die besser<br />
gestellt ist. B nimmt also den Kredit auf, leiht ihn an A weiter und kann gleichzeitig von<br />
einer Steuer erleichterung profi tieren. Trotz der guten Absicht, die hinter Shark Repellents<br />
steckt, sind diese nicht immer erfolgreich, da sie zur Schwächung eines Unternehmens<br />
führen können. jbo<br />
Wir erinnern uns: Flipper war der freundliche Delfi n, der in den Siebzigerjahren die Kinder<br />
vor den Bildschirm lockte. Die Flipper der Finanzwelt sind nicht so freundlich. Flipper<br />
sind Händler, die den schnellen Gewinn suchen. Sie halten eine Aktie oft nur kurz, zwischen<br />
24 und 48 Stunden, oder handeln mit IPO-Aktien bereits vor dem Börsengang,<br />
um selbst dann Gewinne zu erzielen, wenn die Aktie noch Startschwierigkeiten hat.<br />
Flipper sind durch ihren täglichen Einsatz sehr anfällig auf kurzfristige Marktbewegungen.<br />
Sie können an einem Tag ein Vermögen machen und es am nächsten wieder verlieren.<br />
Ihre Strategie ist das Gegenteil derjenigen von Warren Buffett. Sie beobachten eine<br />
Aktie nicht über Jahre und investieren dann langfristig. Sie zeichnen sich eher durch<br />
Spekulationen auf schnelle Gewinne aus.<br />
Obgleich Hollywood den Unterhaltungswert von Flippern erkannt hat und mit deren<br />
Darstellung in Filmen immer wieder die Kassen füllt, verlieren die Flipper in der wirklichen<br />
Welt meist mehr, als sie gewinnen. So haben sie mit unserem nassen Serien-Freund vor<br />
allem Folgendes gemeinsam: Sie sind schnell, tauchen überall da auf, wo etwas läuft,<br />
und machen nebst bemerkenswerten Saltos nicht selten grandiose Bauchlandungen. jbo<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
44<br />
Wirtschaft KMU<br />
Wird Wissen trotz<br />
Datenflut knapp?<br />
Wissen<br />
Informationen<br />
Daten<br />
Erkennen/Erfahren von Muster<br />
Erkennen/Erfahren von Zusammenhang<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Wirtschaft KMU<br />
45<br />
In der modernen Wissensgesellschaft wird Wissen immer mehr zur zentralen<br />
Ressource der Wirtschaft und zu einer Grundlage des Zusammenlebens.<br />
Das bestätigt auch die diesjährige KMU-Umfrage der Credit Suisse, die ganz im<br />
Zeichen des Megatrends Wissensgesellschaft steht.<br />
Text: Christian Etzensperger und Claude Maurer, Credit Suisse Economic Research<br />
Historisch unterscheidet man anhand des<br />
dominanten Produktionsfaktors zwischen<br />
Agrar-, Industrie- und Wissensgesellschaft.<br />
In der Agrargesellschaft war der Boden die<br />
dominante Ressource. Er blieb es bis weit<br />
ins 19. Jahrhundert hinein. Die darauffolgende<br />
Industriegesellschaft fusste anfangs<br />
auf dem Faktor Arbeit. Als die Arbeitskräfte<br />
knapp wurden, substituierte man sie sukzessive<br />
durch Maschinen, für deren Antrieb<br />
man natürliche Ressourcen einsetzte. In<br />
der Schweiz wurde man bezüglich Bodenschätzen<br />
kaum fündig. Dank gutem Bildungs<br />
sys tem ( Volksschule, Hochschulen,<br />
Berufslehre) war hingegen die Ressource<br />
Human kapital nicht knapp.<br />
Deshalb setzte die Tertiarisierung, der Wandel<br />
von der Industrie- über die Dienst leistungs-<br />
zur Wissensgesellschaft, hierzu lande<br />
früh ein. Einerseits wurden Dienst leis tun gen<br />
im Vergleich zu Produkten immer wichtiger.<br />
Auch wurden Produkte zunehmend von<br />
Dienstleistungspaketen begleitet, die mehr<br />
Wertschöpfung generierten als die Produkte<br />
selbst. Andererseits wurden Dienst leis tungen<br />
technologischer. Unter steigendem Kostendruck<br />
setzte die Standardisierung und<br />
Automatisierung von Dienstleistungen ein,<br />
was die Wissensintensität auch erhöhte.<br />
Kennzeichnendes Merkmal der Wissensgesellschaft<br />
ist eine noch nie dagewesene<br />
Datenflut. Gibt man bei Google beispielsweise<br />
«Wissen» ein, erscheinen mehr als<br />
100 Millionen Einträge. Würde ein Erwerbstätiger<br />
pro Sekunde seiner Arbeitszeit jeweils<br />
die Information eines Eintrags erfassen,<br />
so wäre er damit über 20 Jahre lang<br />
beschäftigt. Wie viele zusätzliche Einträge<br />
bis dann bestünden, ist kaum abzuschätzen.<br />
Auch dies ist bezeichnend für die Wissensgesellschaft:<br />
Die Welt ist unübersichtlich<br />
geworden.<br />
Trotz der Datenflut ist Wissen eine knappe<br />
Ressource geblieben. Der Kontrast zwischen<br />
Datenflut und knappem Wissen wirkt<br />
nur auf den ersten Blick paradox. Rohe<br />
Daten sind eine blosse Ansammlung von<br />
Symbolen, eine a priori sinnleere Flut von<br />
Einsen und Nullen. Diese Daten müssen zuerst<br />
in einen Zusammenhang gebracht werden,<br />
womit sie zu Informationen werden.<br />
Auch Informationen sind keineswegs<br />
knapp. Informationsfirmen wie Bloomberg<br />
oder Reuters speisen sie unablässig in ihre<br />
Kanäle ein. Unzählige Informationen werden<br />
täglich bekannt gegeben, übermittelt, gedruckt,<br />
hochgeladen oder präsentiert. Wissen<br />
ist aber nicht gleich der Summe solcher<br />
Informationshäppchen.<br />
Hartes und weiches Wissen<br />
Wissen impliziert nämlich stets die Fähigkeit,<br />
eine Prognose zu machen, also eine Aussage,<br />
die über das hinausgeht, was in einer<br />
Information schon steht. Wissen beinhaltet<br />
also das Erkennen von Mustern und Gesetzmässigkeiten.<br />
Weiter können hartes,<br />
fakti sches Wissen und weiches, auf Erfahrung<br />
beruhendes Wissen unterschieden<br />
werden. Hartes Wissen kann formuliert ><br />
Standardisierung von Dienstleistungen<br />
Wie beurteilen Sie den Ausbildungsstand Ihrer Mitarbeitenden?<br />
Fast 80 Prozent der KMU erachten den Ausbildungsgrad ihrer Mitarbeitenden als gut<br />
oder sogar sehr gut. Quelle: Credit Suisse Economic Research KMU-Umfrage 20<strong>08</strong><br />
20% Sehr gut ausgebildet<br />
3% Weiss nicht/Keine Angabe<br />
2% Ungenügend ausgebildet<br />
18% Genügend ausgebildet<br />
Geschäftsleitung<br />
Mitarbeitende<br />
Projektleiter/Abteilungschef<br />
Keine spezielle Person/Instanz<br />
Eine spezielle Abteilung<br />
57% Gut ausgebildet<br />
Wer ist in Ihrem Unternehmen zuständig für Innovationen?<br />
Innovation ist Chefsache: 84 Prozent der Befragten siedelten die Wissensentstehung<br />
bei der Direktion an. Quelle: Credit Suisse Economic Research KMU-Umfrage 20<strong>08</strong><br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
46<br />
Wirtschaft KMU<br />
Chancen und Risiken der Megatrends<br />
Erachtete 2007 noch eine Mehrheit die Globalisierung als Risiko, überwiegen heute<br />
die positiven Stimmen. Quelle: Credit Suisse Economic Research KMU-Umfrage 20<strong>08</strong><br />
Technologie<br />
Wissensgesellschaft<br />
Wertewandel<br />
Globalisierung<br />
Demografie<br />
Ressourcenknappheit<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%<br />
eher Chancen weder noch eher Risiken<br />
Hitparade der Megatrends Die Megatrends der Zukunft bergen für die<br />
kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mehr Chancen als Risiken.<br />
Dies zeigt die diesjährige Umfrage der Credit Suisse unter knapp<br />
1600 KMU. Der Optimismus ist mit der Hochkonjunktur leicht gestiegen.<br />
52 Prozent (Vorjahr: 48 Prozent) der KMU bewerten die Auswirkungen<br />
der sechs Megatrends (technologischer Fortschritt, Wissens gesellschaft,<br />
Wertewandel, Globalisierung, Demografie und Ressourcenknappheit)<br />
zusammengenommen als chancenreich. Für knapp<br />
25 Prozent (Vorjahr: 29 Prozent) überwiegen die Risiken. Dies ergibt<br />
einen Überhang (Chancen minus Risiken) an optimistischen Antworten<br />
von 27 Prozent (Vorjahr: +19 Prozent). Vor allem die Globalisierung<br />
wird in der aktuellen Umfrage deutlich optimistischer eingeschätzt als<br />
letztes Jahr. 2007 wurde sie noch überwiegend als Risiko gesehen;<br />
20<strong>08</strong> sind nun aber die Optimisten in der Überzahl. Die Tatsache,<br />
dass viele Unternehmen angesichts des ausgetrockneten Schweizer<br />
Arbeitsmarkts Personal nur im Ausland rekrutieren konnten, dürfte<br />
diesen Stimmungsaufschwung mit beeinflusst haben. Pessimistischer<br />
eingeschätzt als 2007 wird einzig die Ressourcenknappheit. Für<br />
dieses Verdikt dürfte hauptsächlich die Rohstoffpreisentwicklung<br />
verantwortlich sein.<br />
Als am chancenreichsten wird der technologische Fortschritt eingeschätzt.<br />
Beinahe 80 Prozent der KMU stimmt er optimistisch.<br />
Auch in der Wissensgesellschaft – dem diesjährigen Schwerpunktthema<br />
– erkennen die KMU überwiegend Chancen. Der Überhang<br />
an zuversichtlichen KMU beträgt beinahe zwei Drittel. In der Tat spricht<br />
einiges für diesen Optimismus, wie Sie der Studie entnehmen<br />
können. Ebenfalls als wirtschaftlich positive Entwicklung werden der<br />
facettenreiche Wertewandel sowie der Aufsteiger des Jahres 20<strong>08</strong> –<br />
die Globalisierung – taxiert. Hinsichtlich des Mega trends Demografie<br />
halten sich Chancen und Risiken die Waage. Bezüglich der Ressourcenknappheit<br />
fallen die Umfrageergebnisse dagegen pessimistisch<br />
aus. Für eine Mehrheit der KMU überwiegen die Risiken bei<br />
diesem Megatrend.<br />
und etwa in einer Betriebsanleitung niedergeschrieben<br />
werden. Damit ist es konservierbar<br />
und transportierbar und letztlich auf<br />
eine andere Person übertragbar. Weiches<br />
Wissen hingegen ist intuitiv und entzieht<br />
sich der geschlossenen Form einer Anleitung<br />
oder eines Lehrbuches. Weiches<br />
Wissen dreht sich ums Know-how, nicht<br />
ums Know-what. Fahrradfahren ist ein anschauliches<br />
Beispiel hierfür.<br />
Konsequenzen für die Unternehmen<br />
Bevor das Internet zu einer Selbstverständlichkeit<br />
wurde, galten die Konzentration und<br />
der einfachere Austausch von In for ma tio nen<br />
als eigentliche Begründung für die Exis tenz<br />
der Unternehmung. Daten und Informationen<br />
waren knappe Güter, mit denen man in<br />
abgeschotteten Forschungs- und Entwicklungsabteilungen<br />
(F& E) hantierte. Die damaligen<br />
Wissensarbeiter waren eine Elite in<br />
weissen Kitteln, die das eingezäunte Gärtchen<br />
ihrer Kompetenz sorgsam pflegten. Generierte<br />
die Forschung eine gewinnversprechende Innovation,<br />
wurde diese wenn möglich mit einem<br />
Patent vor Trittbrettfahrern geschützt. In der<br />
Wissensgesellschaft, wo Wikipedia, Google,<br />
Open Source und Time to Market längst Eingang<br />
in den Sprach gebrauch gefunden haben,<br />
wirkt das (karikierte) F& E-Modell antiquiert.<br />
Sicher ist, dass die Veränderung der Umwelt<br />
Anpassungen innerhalb der Unternehmung<br />
erfordert. Dank virtueller Vernetzung und<br />
globaler Datenflut ist nicht mehr die Information<br />
an sich der Flaschenhals, sondern<br />
ihre durch menschliche Intelligenz gefilterte<br />
und aufbereitete Form, das Wissen. Innovationen<br />
in diesen Prozessen sind folglich die<br />
künftigen Erfolgsfaktoren.<br />
Für den Schritt in die Wissensökonomie<br />
sind qualifizierte Arbeitskräfte zwingend. In<br />
der Schweiz scheint diese Voraussetzung<br />
erfüllt. Knapp vier von fünf KMU gaben in<br />
der diesjährigen KMU-Umfrage an, dass<br />
der Bildungsstand ihrer Mitarbeitenden, gemessen<br />
an deren Tätigkeit bzw. Funktion,<br />
gut bis sehr gut ist. Arbeitskräfte sind aber<br />
derzeit knapp. Auch hier ist das Verdikt eindeutig:<br />
84 Prozent der KMU bekunden momentan<br />
Schwierigkeiten, eine freie Stelle<br />
innert vernünftiger Frist zu besetzen. Beinahe<br />
die Hälfte bewertet diese Schwierigkeiten<br />
sogar als sehr gross.<br />
Trotzdem stimmt der Megatrend Wissensgesellschaft<br />
die KMU optimistisch (siehe<br />
Textbox). In der Tat spricht einiges für diesen<br />
Optimismus. Das kapitalintensive F&E-Modell<br />
lag für die meisten KMU aufgrund der<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
fehlenden Finanzkraft immer schon ausser<br />
Reichweite. Laut Umfrage können oder wollen<br />
sich nur drei Prozent der KMU eine spezielle<br />
Abteilung leisten. Die kurzen Wege in<br />
der KMU und die Vernetzung erweisen sich<br />
als Wettbewerbsvorteile in der modernen<br />
Wissensgesellschaft. Die Umfrage zeigt<br />
aber: Die KMU spielen ihre Vorteile nicht<br />
genügend aus.<br />
Laut Umfrage gilt die Wissensentstehung<br />
in den KMU als Chefsache. 84 Prozent<br />
der Befragten äussern sich entsprechend.<br />
Chefsache wird aber allzu wörtlich genommen.<br />
Nur 36 Prozent antworten, dass sie<br />
die Mitarbeitenden in die Wissensentstehung<br />
einbeziehen (Mehrfachnennungen<br />
möglich). Es ergibt aber keinen Sinn, sich<br />
ausschliesslich auf das Wissen Einzelner<br />
abzustützen. Denn genauso wie im Internet<br />
Informationen breit gestreut sind, verteilen<br />
sich im Unternehmen Wissen und gute<br />
Ideen über sämtliche Mitarbeitende. Die<br />
Umfrage zeigt auch, dass die KMU eine zu<br />
technologische Sicht der Innovationen haben.<br />
Das Potenzial der Prozessinnovationen<br />
wird unterschätzt. Die Mehrheit der KMU<br />
setzt auf Produktinnovationen, mehr als ein<br />
Drittel sogar ausschliesslich.<br />
design made in germany<br />
Fazit: Know-how statt Know-what<br />
Wissen wird nicht knapp. Allerdings hat es<br />
sich auch nicht dramatisch vermehrt, wie die<br />
Expansion des Internets und die digitale<br />
Datenflut glauben machen könnten. Vielmehr<br />
hat die Datenflut traditionelle Strategien<br />
und Methoden der Wissensgewinnung<br />
obsolet gemacht. Darauf müssen die Unternehmen<br />
reagieren. Den im Vergleich zu<br />
Grosskonzernen agilen KMU dürfte dies<br />
wenig Kopfzerbrechen bereiten. Dennoch<br />
kann festgehalten werden, dass der bewusste<br />
Umgang mit der Ressource Wissen<br />
noch wenig entwickelt ist. Besonders in<br />
Bezug auf Pro zess innovationen sowie den<br />
Einbezug aller Mitarbeitenden besteht unausgeschöpftes<br />
Potenzial. Deshalb will die<br />
Credit Suisse am Schluss der Studie den<br />
KMU mit konkreten Handlungsempfehlungen<br />
beratend zur Seite stehen. <<br />
Modus Executive 284/81<br />
Klare Haltung in jeder Position.<br />
Modus Executive ist seit 14 Jahren ein Garant für Form,<br />
Funktion und Ergonomie. Rücken, Sitz und Armlehne<br />
sind in feinstem Leder eingefasst. Sie können sich auf<br />
luxuriösen Sitzkomfort einstellen.<br />
Die KMU-Umfrage wurde Ende Januar 20<strong>08</strong><br />
im Rahmen des «Forums Zukunft KMU»<br />
lanciert. An der Umfrage nehmen sowohl<br />
Kunden als auch Nichtkunden der Credit<br />
Suisse teil. Die jährlich erscheinende<br />
Publikation dazu finden Sie im Internet<br />
unter www.credit-suisse.com/research<br />
(Schweizer Wirtschaft/Branchen).<br />
www.wilkhahn.ch
48<br />
Wirtschaft Island<br />
Stürmische Zeiten<br />
für Island<br />
BIP<br />
Krónur<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Wirtschaft Island 49<br />
Island durchlebte in den vergangenen Jahren eine Achterbahnfahrt. Insbesondere in<br />
den Jahren 2005 und 2006 liess die boomende Wirtschaft den Wohlstand und den<br />
Konsum, aber auch die Nachfrage ausländischer Investoren nach isländischen Aktien<br />
und Anleihen in die Höhe schiessen. Diesem Höhenflug setzte die internationale<br />
Hypothekenkrise ein schmerzhaftes vorzeitiges Ende.<br />
Text: Sven Schubert, FX Research, und Elena Guglielmin, Credit Research<br />
Island zählt zu den reichsten Ländern der<br />
Erde, wenn man das Bruttoinlandsprodukt<br />
(BIP) pro Kopf als Massstab nimmt. Schenkt<br />
man dem Human Development Report Glauben,<br />
so ist Island sogar das Land mit der<br />
höchsten Lebensqualität vor Schweden und<br />
Norwegen. Islands Ratings, sei es für den<br />
Sovereign selbst oder auch für Unternehmen,<br />
befinden sich auf Augenhöhe mit denen<br />
der industrialisierten Nachbarn. Demnach<br />
sollte kein Zweifel bestehen, dass Island<br />
zu den Industrienationen zu zählen ist.<br />
Allerdings lassen isländische Anlagen in<br />
den letzten Jahren andere Schlussfolgerungen<br />
zu. Seit dem Ausbruch der Hypothekenkrise<br />
im Juli 2007 haben lediglich der<br />
Turkmenistan-Manat, der Guinea-Franc<br />
und die Seychellen-Rupie eine schlechtere<br />
Performance als die Isländische Krone aufzuweisen.<br />
Seitdem wertete die Krone gegenüber<br />
dem US-Dollar um insgesamt 21<br />
Prozent ab.<br />
Die Ergebnisse scheinen noch extremer,<br />
führt man sich vor Augen, dass der US-Dollar<br />
gegenüber den meisten Währungen der<br />
Welt selbst deutlich verloren hat, gegenüber<br />
dem Euro und dem Schweizer Franken zirka<br />
15 Prozent. Die isländische Wirtschaft verzeichnete<br />
in dieser Dekade eine Achterbahnfahrt<br />
mit durchschnittlich zwar hohen Wachstumsraten<br />
von zirka vier Prozent, jedoch<br />
einer äusserst volatilen Inlandsnachfrage,<br />
die in dieser Zeitspanne bereits zwei Kontraktionsphasen<br />
(2001 und 2007) durchlebt<br />
hat. Die erhöhte Volatilität ist auf die stark<br />
gestiegenen makroökonomischen Ungleichgewichte<br />
zurückzuführen. Die Wechselkursvolatilität<br />
steht dem in nichts nach und war<br />
in den letzten Jahren sogar deutlich höher<br />
als die vieler Emerging Markets.<br />
Der isländische Wirtschaftsboom der<br />
Jahre 2004/05 mit Wachstumsraten von<br />
über sieben Prozent wurde von einem<br />
starken Konsum – im Umfeld eines äusserst<br />
engen Arbeitsmarktes mit Arbeitslosenraten<br />
unter vier Prozent – angetrieben. Auch der<br />
starke Zustrom an ausländischen Arbeitskräften<br />
konnte die Situation nicht entspannen,<br />
da das Beschäftigungswachstum ebenfalls<br />
einen hohen Anstieg verzeichnete.<br />
Externe Faktoren erhöhten Verwundbarkeit<br />
Stark gestiegene Immobilienpreise – beeinflusst<br />
durch niedrige Hypothekenzinssätze –<br />
unterstützten den Konsum über eine Beleihung<br />
zukünftiger Erträge ebenfalls. Neben<br />
dem starken Konsum erfuhren Investitionen<br />
starke Impulse. Atemberaubende Investitionsprojekte<br />
in den Aluminium- und Energiesektor,<br />
die auch auf Kritik von Umweltschützern<br />
stiessen, wurden von der Regierung<br />
genehmigt. Des Weiteren haben auch externe<br />
Faktoren zu einem boomenden Konsum<br />
beigetragen. Die hohe Liquidität an den<br />
internationalen Finanzmärkten und der un-<br />
Volatile Krone<br />
Volatilität in %<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Türkei-Krise Brasilien-Krise Herabstufung des<br />
Island-Ratings<br />
00 01 02 <strong>03</strong> 04 05 06 07 <strong>08</strong><br />
Durchschnitt Zentral- und Osteuropa Durchschnitt Lateinamerika<br />
Isländische Krone Durchschnitt G10<br />
gezügelte Appetit internationaler Investoren<br />
sorgten für eine starke Nachfrage nach<br />
Aktien und Anleihen. Insbesondere risikobehaftete<br />
Anlagen wurden verstärkt gesucht,<br />
da diese eine attraktive Risikoprämie<br />
aufwiesen. Neben der Hausse an den internationalen<br />
Aktienmärkten legte auch der<br />
lokale Index OMX ICEX 15 zwischen 20<strong>03</strong><br />
und dem Ausbruch der Hypothekenkrise um<br />
stattliche 500 Prozent zu. Über den gesteigerten<br />
Wohlstand der in Aktien investierten<br />
Isländer war diese Entwicklung auch zuträglich<br />
für stärkeren Konsum.<br />
Auch führten die Privatisierung und die<br />
damit verbundene starke Expansion des<br />
isländischen Bankensektors zu einem deutlich<br />
besseren Zugang zu kreditfinanziertem<br />
Konsum für private Haushalte. Insbesondere<br />
Kredite in Fremdwährung erfreuten<br />
sich grösster Beliebtheit. Starke Kapitalzuflüsse<br />
sorgten für eine signifikante Aufwertung<br />
der Krone von 27 Prozent zwischen ><br />
Die Volatilität der Isländischen Krone war in den letzten Jahren höher als die vieler<br />
Emerging Markets. Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
Turbulenzen im isländischen<br />
Bankenmarkt<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
50<br />
Wirtschaft Island<br />
Isländische Banken Die ungünstigen Marktbedingungen des<br />
vergangenen Jahres haben sich auf die isländischen Banken noch<br />
negativer ausgewirkt als auf andere. Das liegt zum einen an ihrer<br />
überwiegend auf das Grosskundengeschäft ausgerichteten Struktur,<br />
vor allem jedoch an der schlechten Stimmung an den Märkten. Das<br />
Bankensystem in Island ist durch eine starke Konzentration gekennzeichnet.<br />
Das Vermögen der drei grössten kommerziellen Banken<br />
Kaupthing, Glitnir und Landsbanki macht zusammen knapp 90<br />
Prozent des Gesamtvolumens aus. Doch scheint der Markt für Bankdienstleistungen<br />
übersättigt; eine Konsolidierung hat bisher<br />
kaum stattgefunden. Das Geschäftsmodell der Grossbanken beruht<br />
überwiegend auf dem Grosskundengeschäft. Das Handelseinkommen<br />
ist in den vergangenen zwei Quartalen aufgrund schwieriger<br />
Marktbedingungen zurück gegangen. Die grundlegenden<br />
Gewinne aus dem Kern geschäft der drei Banken zeigen aber weiterhin<br />
ein solides Wachstum; darüber hinaus haben die Institute ihre<br />
Anlagenbasis verbreitert. Die Qualität der Anlagen ist solide, Risiken<br />
aus dem Geschäft mit Subprimes und komplexen Paketen sind<br />
vernachlässigbar. Die Expansion ins Ausland hat vor allem bei<br />
Kaupthing die Einnahmen diversifizierung gefördert, wodurch das<br />
Institut gut vor Marktschwankungen geschützt ist. Ausserdem<br />
zeichnen sich die isländischen Banken durch hohe Kosteneffizienz<br />
und eine solide Kapitalausstattung aus. Die Liquidität – im Grosskundengeschäft<br />
der entscheidende Faktor – ist bei den drei grössten<br />
Banken solide bis hoch. Trotz ihrer insgesamt gesunden Grundlage<br />
sind die isländischen Banken nervösen Reaktionen der Märkte<br />
ausgesetzt, vor allem aufgrund der Befürchtung, die Institute<br />
könnten angesichts ihrer dominierenden Grösse in der heimischen<br />
Wirtschaft im Bedarfsfall nicht von der Regierung aufgefangen<br />
werden. Inzwischen hat sich die Stimmung leicht gebessert, gleichzeitig<br />
hat die isländische Regierung begonnen, vorausschauender<br />
auf die Ungleichgewichte in der heimischen Wirtschaft zu reagieren.<br />
Anstieg der Volatilität. Der Auslöser ist an<br />
ers ter Stelle bei makroökonomischen Ungleichgewichten<br />
zu suchen, die eine grosse<br />
Angriffsfläche für externe Schocks bieten.<br />
Das hohe Leistungsbilanzdefi zit von derzeit<br />
15 Prozent wird vornehmlich über so<br />
genannte Portfolioinvestitionen (Aktien- und<br />
Anleihenzufl üsse) fi nanziert. Diese weisen<br />
eine deutlich höhere Volatilität auf als Direktinvestitionen.<br />
Während Port folio inves ti tio nen<br />
schnell liquidierbar sind und relativ sensibel<br />
auf die Entwicklungen an den internationalen<br />
und isländischen Finanzmärkten reagieren,<br />
haben Nettodirektinvesti tionen (NDI) ein<br />
strategisches Anlageziel. So fallen beispielsweise<br />
Mehrheitsbeteiligungen ausländischer<br />
Investoren an isländischen Unternehmen sowie<br />
«Investitionen auf der grünen Wiese» in<br />
diese Kategorie. NDI sind demnach nicht so<br />
schnell liquidierbar und reagieren weniger<br />
sensibel auf temporäre Veränderungen an<br />
Finanzmärkten.<br />
Der Auslöser für den erneuten Verfall der<br />
Isländischen Krone seit Anfang 20<strong>08</strong> ist<br />
jedoch insbesondere im Zusammenhang<br />
mit den Turbulenzen im isländischen Bankensektor<br />
zu suchen. Ausländische Banken<br />
verlangen für Kredite an isländische Banken<br />
mittlerweile eine deutliche Risikoprämie,<br />
die dazu geführt hat, dass die Zinsdifferenz<br />
zwischen Island und dem Ausland<br />
geschrumpft ist.<br />
Keine Erholung der Krone vor 2009<br />
2000 und 2005 und somit für eine Besserstellung<br />
der im Ausland verschuldeten Haushalte,<br />
was wiederum zu einem Anstieg des<br />
Konsums und des real verfügbaren Einkommens<br />
führte.<br />
Stark betroffen von der Hypothekenkrise<br />
In den Jahren 2006 und 2007 zeigte die isländische<br />
Wirtschaft Anzeichen einer Überhitzung,<br />
die Infl ation stieg auf über neun Prozent.<br />
Zusätzlich stiegen die makroökonomischen<br />
Ungleichgewichte der isländischen<br />
Volkswirtschaft. Der starke Konsum und die<br />
grossen Investitionsprojekte sorgten in Kombination<br />
mit einer niedrigen isländischen<br />
Sparquote für stark ansteigende Importe<br />
und somit für ein steigendes Leistungsbilanzdefizit,<br />
das auf internationalen Finanzmärkten<br />
finanziert werden musste. Ende 2006<br />
erreichte das Defizit extreme 25 Prozent im<br />
Verhältnis zum BIP. Die Isländische Zentralbank<br />
reagierte zwar und erhöhte den Leitzinssatz<br />
seit 2004 um zirka zehn Prozent auf<br />
nunmehr 15,5 Prozent, allerdings blieb der<br />
Effekt auf das Kreditwachstum vorerst beschränkt,<br />
denn die Hypothekarkreditsätze<br />
blieben im selben Zeitraum nahezu konstant.<br />
Der stockende Transmissionsmechanismus<br />
erklärt sich einerseits durch die Tatsache,<br />
dass Hypothekenzinssätze in Island für eine<br />
deutlich längere Zeitperiode fixiert sind als<br />
in vielen anderen Ländern. Anderseits sorgte<br />
der Wettkampf um Marktanteile zwischen<br />
den Privatbanken und dem staatlichen<br />
Housing Financing Fund (HFF) für anhaltend<br />
niedrige Zinsen.<br />
In einem Umfeld überschüssiger Liquidität<br />
auf den internationalen Finanzmärkten<br />
Mitte der Dekade und hohem Risikoappetit<br />
internationaler Investoren stellte sich die<br />
Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits als<br />
relativ einfach dar. Der Ausbruch der Hypothekenkrise<br />
änderte jedoch die isländischen<br />
Bedingungen deutlich und brachte die Isländische<br />
Krone und den Bankensektor eindeutig<br />
unter Druck.<br />
Die Isländische Krone verzeichnete in<br />
den vergangenen Jahren einen enormen<br />
Um die Isländische Krone auf dem derzeitigen<br />
Niveau zu stabilisieren, könnten weitere<br />
Zinserhöhungen notwendig werden, gar<br />
bis zu 20 Prozent. Positiv zu werten ist die<br />
Tatsache, dass die Isländische Zentralbank<br />
ihre Devisenreserven kürzlich deutlich aufgestockt<br />
hat. Skandinavische Zentralbanken<br />
haben ihr zusätzlich Kreditlinien eingeräumt.<br />
Dies hat sicherlich eine noch stärkere<br />
Korrektur der Krone verhindert.<br />
Entscheidend für eine Erholung der Krone<br />
wird jedoch die Entwicklung des isländischen<br />
Bankensektors sein. Die Liquiditätssituation<br />
der Banken muss durch die<br />
Zentralbank weiter verbessert werden. Allerdings<br />
erwarten wir auch, dass erst dann<br />
mit einer nachhaltigen Aufwertung gerechnet<br />
werden kann, wenn die Hypo theken krise<br />
keine Belastung mehr für die Finanzmärkte<br />
darstellt und die isländische Wirtschaft über<br />
eine anhaltend restriktive Geldpolitik verfügt,<br />
die die makroökonomischen Ungleichgewichte<br />
weiter reduziert. Damit ist allerdings<br />
nicht vor 2009/2010 zu rechnen. <<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Bulletin plus –<br />
zum Kulturengagement<br />
der Credit Suisse<br />
Der Klassiksommer erklingt in den schönsten Tönen. Beim gesellschaftlichen Engagement<br />
der Credit Suisse spielt die klassische Musik seit der Gründung eine zentrale Rolle.<br />
Vor rund 25 Jahren wurden die traditionellen Vergabungen mäzenatischen Charakters<br />
durch eine konsequente Sponsoringtätigkeit ergänzt. In der Schweiz arbeitet die<br />
Credit Suisse partnerschaftlich mit den wichtigsten Orchestern, Institutionen und Festivals<br />
zusammen, nicht zuletzt in der Nachwuchsförderung. Seit 2006 wird diese Strategie<br />
weltweit umgesetzt – mit erfreulichem Erfolg. Salzburger Festspiele, New York Philharmonic,<br />
Bolshoi Theatre ... Bestellen Sie das Bulletin plus Klassische Musik und schenken Sie es<br />
anderen Musikfreunden.
52<br />
Wirtschaft Weltweite Infl ation<br />
Stärkere Inflation in den<br />
Schwellenländern<br />
Eine Tankfüllung oder Heizöllieferung kostet heute wesentlich mehr als noch vor ein<br />
paar Monaten. In vielen Ländern werden Güter des täglichen Bedarfs, darunter<br />
Nahrungsmittel, immer teurer. Das spiegelt sich in den weltweit steigenden Inflationsraten.<br />
Ein Trend, der seinen Preis fordert – aber nicht überall den gleich hohen.<br />
Europa<br />
+6%<br />
China<br />
+22.1%<br />
Text: Marcel Thieliant, Research Analyst, Zürich<br />
Steigende Nahrungsmittel- und Energiepreise<br />
spiegeln die Entwicklung auf den<br />
Weltmärkten wider und sind derzeit die treibenden<br />
Kräfte für die höhere Inflation. Nicht<br />
nur der Ölpreis hat sich seit 2001 nahezu<br />
versiebenfacht, auch die Weltmarktpreise<br />
für Nahrungsmittel haben sich im gleichen<br />
Zeitraum fast verdoppelt. In der Folge hat<br />
sich die Inflation weltweit beschleunigt, insbesondere<br />
in Schwellenländern wie China<br />
und Brasilien.<br />
Dort sind die Inflationsraten deutlich höher<br />
als in den anderen Ländern, was teilweise<br />
damit zu tun hat, dass die Konsumenten in<br />
Schwellenländern einen höhe ren Anteil ihres<br />
Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben<br />
als in hoch entwickelten Ländern. In China<br />
stiegen die Nahrungsmittelpreise im April<br />
gegenüber dem Vorjahr um 22,1 Prozent,<br />
verglichen mit nur 6 Prozent im Euroraum.<br />
Dies lässt sich damit erklären, dass die<br />
Preise des Nahrungsmitteleinzelhandels<br />
auch von anderen Faktoren abhängen; hierzu<br />
gehören etwa die Miete des Geschäftslokals,<br />
die Löhne der Angestellten oder jene<br />
der Fabrikangestellten. Weil die Löhne und<br />
Mieten in den Indu strieländern einen grösseren<br />
Einfluss auf die Nahrungsmittelpreise<br />
haben, sind die Preise des Nahrungsmitteleinzelhandels<br />
im Euroraum weniger stark<br />
gestiegen als die weltweiten Preise.<br />
Die Spekulation wurde als Grund für den<br />
steilen Anstieg der Nahrungsmittelpreise<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Wirtschaft Weltweite Infl ation 53<br />
angeführt, aber im Wesentlichen liegen den<br />
Preissteigerungen fundamentale Faktoren<br />
zugrunde. Auf der Nachfrageseite haben<br />
die Konsumenten in den Schwellenländern<br />
mit zunehmendem Wohlstand ihre Ernährungsgewohnheiten<br />
geändert. Der Durchschnittsverbrauch<br />
an Fleisch, dessen Produktion<br />
besonders viel Getreide und Wasser<br />
beansprucht, hat in den Schwellenländern<br />
rasant zugenommen.<br />
Auf der Angebotsseite verzeichneten<br />
mehrere Kulturpflanzen in den letzten Jahren<br />
stagnierende oder sogar rückläufige Ernten,<br />
was teilweise auf Klimaänderungen zurückzuführen<br />
ist. Historisch gesehen folgen die<br />
Inlandspreise für Nahrungsmittel nicht immer<br />
den weltweiten Preisschwankungen.<br />
Das liegt zum Teil an regulatorischen Verzerrungen<br />
wie Subventionen und Zöllen sowie<br />
der damit verbundenen Abschottung der<br />
inländischen Nahrungsmittelpreise von der<br />
Entwicklung auf den Weltmärkten. Dennoch<br />
war der zuletzt starke Anstieg der weltweiten<br />
Nahrungsmittelpreise in den meisten<br />
Ländern mit einer deutlichen Zunahme der<br />
Nahrungsmittelinflation verbunden.<br />
Die höheren Ölpreise lassen sich weitgehend<br />
mit einer nach wie vor robusten Konjunktur<br />
in vielen Schwellenländern erklären,<br />
auch wenn sich das Wachstum in den USA<br />
und anderen Industrieländern verlangsamt<br />
hat. Die trotz markant gestiegener Preise<br />
starke Nachfrage aus den Schwellenländern<br />
ist zumindest teilweise darauf zurückzuführen,<br />
dass viele Entwicklungsländer versucht<br />
haben, die Inlandspreise durch Subventio nen<br />
nach oben zu begrenzen, um ihre Volkswirtschaften<br />
vor der Entwicklung auf den internationalen<br />
Energiemärkten abzuschirmen. In<br />
China beispielsweise haben sich die Benzinpreise<br />
seit 2000 nur verdoppelt, während sie<br />
in den USA fast um das Dreifache gestiegen<br />
sind. Die Ölnachfrage dürfte sich abschwächen,<br />
sobald sich die Konsumenten anstelle<br />
von künstlich tief gehaltenen Inlandspreisen<br />
mit Preisen konfrontiert sehen, die näher am<br />
Weltmarktniveau liegen. Dies sollte überdies<br />
helfen, das Nachfragewachstum einzudämmen<br />
und weitere Preisanstiege zumindest<br />
kurzfristig zu begrenzen.<br />
Andererseits sind die Bedenken hinsichtlich<br />
der Vorräte wie schon bei den Nahrungsmitteln<br />
in jüngster Zeit gewachsen. Die Internationale<br />
Energieagentur (IEA) hat angedeutet,<br />
dass sie ihre langfristigen<br />
Vor rats prognosen nach unten korrigieren<br />
werde, was in den letzten Wochen zu einer<br />
markanten Neubewertung der langfristigen<br />
Preiserwartungen geführt hat. Die steigen de<br />
Inflation hat die Kaufkraft amerikanischer<br />
Konsumenten bereits gesenkt. So gaben<br />
die Konsumenten in den USA im ersten<br />
Quartal beispielsweise 109 Milliarden Dollar<br />
für Benzin aus. Dies entspricht einer Zunahme<br />
von rund 30 Prozent gegenüber dem<br />
Vorjahreszeitraum. Die steigen de Inflation<br />
hat auch negative Auswirkungen auf die Gewinne<br />
der Unternehmen, sofern diese die<br />
höheren Faktorkosten nicht weitergeben<br />
können. Insbesondere in den USA, wo sich<br />
die Inlandsnachfrage momentan abschwächt,<br />
bekunden die Unternehmen Mühe, ihre Preise<br />
zu erhöhen.<br />
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass<br />
eine höhere Inflation zu höheren Inflationserwartungen<br />
und somit zu Lohnerhöhungen<br />
führt. Aus höheren Löhnen könnten wiederum<br />
höhere Preise resultieren, falls die Unternehmen<br />
versuchen, ihre Gewinnmargen<br />
zu wahren. Im Extremfall entsteht daraus<br />
eine Lohn-Preis-Spirale.<br />
Es gibt mehrere Gründe, weshalb das<br />
Risiko einer länger anhaltenden Inflation in<br />
den Schwellenländern grösser ist. Die Löhne<br />
sind nach wie vor niedrig, und oft mangelt<br />
es an qualifiziertem Personal. Demgegenüber<br />
sehen sich Arbeitnehmer in den Industrieländern<br />
weiterhin einem internationalen<br />
Wettbewerb ausgesetzt, was ihre Lohnforderungen<br />
begrenzen dürfte. Ausserdem haben<br />
Schwellenländer tragen die Hauptlast<br />
Höhere Nahrungsmittelpreise bergen grössere Risiken für Schwellenländer,<br />
da die Bevölkerung ärmer ist und ein grösserer Anteil der Ausgaben auf Nahrungsmittel<br />
entfällt. Quelle: World Bank, inländische Quellen, Credit Suisse<br />
Philippinen<br />
Vietnam*<br />
Thailand*<br />
China<br />
Malaysia*<br />
Indonesien<br />
Südafrika<br />
Brasilien<br />
Euroraum<br />
Indien<br />
USA<br />
sie in den letzten Jahren von einer stabilen<br />
Inflation auf niedrigem Niveau profitiert.<br />
Viele werden deshalb die zurzeit hohen Inflationsraten<br />
als vorübergehendes Phänomen<br />
erachten, das die Realeinkommen zwar<br />
kurzfristig schmälern wird, aber schon bald<br />
wieder nachlassen könnte.<br />
Demgegenüber haben die Konsumenten<br />
in den Schwellenländern in jüngster Zeit immer<br />
wieder Phasen hoher Inflation erlebt<br />
und dürften deshalb befürchten, dass diese<br />
zurückkehren. Nahrungsmittel machen einen<br />
beträchtlichen Anteil am Warenkorb<br />
von armen Konsumenten in den Schwellenländern<br />
aus, weshalb der steile Anstieg der<br />
Nahrungsmittelpreise zu einer existenziellen<br />
Bedrohung werden kann. Aus diesem Grund<br />
dürften die Arbeitnehmer in den Schwellenländern<br />
hartnäckiger Lohnerhöhungen fordern<br />
als in den Industrieländern.<br />
Viele Unternehmen in den Industrieländern<br />
haben die Preise ihrer Produkte zwar<br />
angehoben, um den höheren Faktorkosten<br />
Rechnung zu tragen, aber die meisten konnten<br />
diese Kostensteigerungen wegen der<br />
rückläufigen Nachfrage nicht vollumfänglich<br />
weitergeben. In den meisten Schwellenländern<br />
bleibt der Konsum dagegen robust,<br />
und viele Unternehmen arbeiten an der<br />
Kapazitätsgrenze. Ihnen bieten sich daher<br />
mehr Anreize und Möglichkeiten, die Preise<br />
zu erhöhen. <<br />
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%<br />
Gewichtung von Nahrungsmitteln im Konsumentenpreisindex (KPI)<br />
Bevölkerung mit weniger als 1 Dollar pro Tag in % der Gesamtbevölkerung<br />
(* unter 2%)<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
54<br />
Wirtschaft Digitale Defl ation<br />
Mehr fürs Geld dank<br />
digitaler Deflation<br />
Während die Preise der meisten Rohstoffe steigen, sinken die Kosten des vielleicht<br />
wichtigsten Rohstoffs – Information – rapide. Dieses Phänomen wird als digitale Deflation<br />
bezeichnet, eine Entwicklung, die deflationären Technologien eigen ist.<br />
Text: Steven Soranno, Equity Research Analyst, New York<br />
Digitale Bits sind für die Wirtschaft, was<br />
Nanopartikel für die Physik sind. Schrumpft<br />
Materie grössenmässig unter die «Nanoschwelle»,<br />
ändern sich die Grundregeln der<br />
Physik. Einer wirtschaftlichen Grundregel<br />
zufolge können die Unternehmen für verbesserte<br />
Produkte höhere Preise verlangen,<br />
weil die Konsumenten diesen einen höheren<br />
Wert zuschreiben. Aber Produkte, die mit<br />
der Digitalisierung in Berührung kommen,<br />
sinken im Preis, obwohl sie qualitativ besser<br />
werden. Ein Leitsatz der Informationstechnologie,<br />
das Moore’sche Gesetz, besagt,<br />
dass sich der Preis von Computer- oder<br />
Halbleiterleistung etwa alle 18 Monate halbiert,<br />
was erstaunlicherweise noch immer<br />
Gültigkeit hat. Der Preis für die Speicherung<br />
und Übertragung/Bandbreite von Information<br />
sinkt dennoch viel schneller.<br />
Nehmen wir ein Beispiel neueren Datums:<br />
Das iPhone debütierte 2007 für 599<br />
Dollar. In diesem Jahr folgte ein erheblich<br />
verbessertes Modell – zu einem Drittel des<br />
Preises. Hatte sich Apple beim Preis für das<br />
erste iPhone gründlich verkalkuliert? Nein.<br />
Das Unternehmen schuf mit dem Anfangsmodell<br />
vielmehr eine neue Produktkategorie,<br />
indem es Geräte für den Telefonmarkt produzierte,<br />
diese aber weiterentwickelte und<br />
damit im Wesentlichen den Mobildatenmarkt<br />
auf baute. Im neuen Markt wird Mehrwert<br />
durch Dienstleistungen geschaffen, die über<br />
das digitale Netz bereitgestellt werden.<br />
Apple versucht das Gerät möglichst preiswert<br />
unter möglichst viele Nutzer auf der<br />
ganzen Welt zu bringen. Man verkaufe die<br />
margenstarken Rasierklingen und ver scherble<br />
die margenschwachen Halter umsonst<br />
dazu. Rasierklingen von Gillette entsprechen<br />
den Geschäftsmail-, Werbe- und Spiel-<br />
Diens ten von Apple und Research in Motion.<br />
Das iPhone ist nur ein Beispiel einer digitalen<br />
Umwälzung, die bewirkt, dass etablierte<br />
Industrien durch digitale Technologien<br />
neu erschaffen werden. Die Preise in<br />
diesen Branchen sinken rapide, und wirtschaftlicher<br />
Mehrwert lässt sich viel effizienter<br />
erzeugen. Sinkende Preise bedeuten<br />
aber nicht, dass die Unternehmen unrentabel<br />
werden. In einer Informationswirtschaft<br />
ist die Produktionsleistung direkt mit der<br />
Foto: Apple<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Wirtschaft Digitale Defl ation 55<br />
Rate der Informationsübertragung verbunden.<br />
Höhere Informationsübertragungsraten verbessern<br />
die Ideenerzeugung, Gedankenentwicklung<br />
und Innovation und helfen so, die<br />
Produktivität weltweit zu steigern.<br />
Während die Fundamentaldaten zur Nachfrage<br />
aus den Schwellenländern die globale<br />
Infrastruktur unter Druck setzen, reduziert<br />
das verstärkte digitale Fundament der globalen<br />
Infrastruktur den zugrunde liegenden<br />
Inflationsdruck. So revolutioniert beispielsweise<br />
die Digitalisierung das Bildungsdilemma,<br />
indem sie die Ausbreitung von Bildung<br />
in Regionen ermöglicht, die sich bisher kein<br />
tragfähiges System leisten konnten. Flachbildschirme<br />
und Breitbandanschlüsse, über<br />
die der Unterricht von Lehrern in Südafrika<br />
und Grossbritannien in äthiopische Schulzimmer<br />
übertragen wird, sind nur ein Beispiel.<br />
Während die Entwicklung der Schwellenländer<br />
die weltweite Nachfrage nach Arbeitskräften<br />
erhöht und die Löhne in die<br />
Höhe treibt, vergrössert die erweiterte globale<br />
Bildungsinfrastruktur das Angebot. Ein<br />
höheres Arbeitskräfteangebot dürfte zusammen<br />
mit einer höheren organisatorischen<br />
Produktivität – ermöglicht durch<br />
die Digitalisierung – dafür sorgen, dass die<br />
Weltwirtschaft bedeutend produktiver wird<br />
und dass sich zwischen Arbeitskräfteangebot<br />
und -nachfrage wieder ein Gleichgewicht<br />
einstellt.<br />
Informationsaustausch virtuell fördern<br />
Telepräsenz-Technologien wie Videokonferenzen<br />
oder virtuelle Sitzungen breiten sich<br />
rasant aus und helfen, Reisekosten – und<br />
CO 2 -Emissionen – einzusparen und gleichzeitig<br />
die Informationsübertragungsraten zu<br />
erhöhen. Viele Fortune-500-Unternehmen<br />
haben Massnahmen zugunsten des virtuellen<br />
Büros ergriffen. Ziel ist es, die Fixkosten<br />
zu senken und den Informationsaustausch<br />
unter den Mitarbeitenden zu fördern.<br />
Das grösste Hindernis dieser Initiativen liegt<br />
in der Regel in der organisatorischen Trägheit<br />
und nicht in der technischen Machbarkeit.<br />
Wir gehen davon aus, dass die organisatorische<br />
Trägheit unwiderruflich den Geboten<br />
der Effizienz und des Wettbewerbs<br />
weichen wird, insbesondere weil immer<br />
mehr Vertreter der «digitalen Generation»<br />
ins Erwerbsleben eintreten.<br />
Vor dem Internetzeitalter wurde das Branding<br />
weitgehend von der Werbung in den<br />
Massenmedien, zum Beispiel im Fernsehen,<br />
und von der Kontrolle der Endverbraucherverteilung<br />
– dazu gehörte die Sicherung der<br />
Entwicklung hin zu digitalen Gratisprodukten<br />
bes ten Regalflächen – bestimmt. Im Zeitalter<br />
der sozia len Vernetzung und der Pro duktbewer<br />
tung durch Amazon-Kunden können<br />
die Konsumenten rasch auf Informationen<br />
über den wahren Wert von Produkten zugreifen<br />
und sind nicht auf ein von den Vermarktern<br />
gestaltetes «Wertimage» angewiesen.<br />
In den eigenen vier Wänden haben die<br />
Kon sumenten heute Zugang zu einer viel<br />
brei teren Produktauswahl, als es noch vor<br />
zehn Jahren vorstellbar war. Angesichts der<br />
schwindenden Bedeutung ihrer herkömmlichen<br />
Marketinginstrumente müssen Einzelhändler<br />
zunehmend vom Preis Gebrauch<br />
machen, nicht zuletzt weil ein wachsender<br />
Teil des globalen Vermögens auf die Internetgeneration<br />
entfällt.<br />
Beim Einkaufen können die Konsumenten<br />
heute in weniger als fünf Minuten effizientere<br />
Preisvergleiche anstellen als noch<br />
vor wenigen Jahren in fünf Tagen. Diese<br />
Revolution der Informationsverfügbarkeit<br />
erhöht die Macht des Konsumenten gegenüber<br />
dem Unternehmen und steigert die Bedeutung<br />
von kundenorientierten Faktoren<br />
wie Preis und Leistung. Diese Eigenschaften<br />
ermöglichen den Kunden zudem, Produkte<br />
mit höherer individueller Nutzbarkeit<br />
zu kaufen, was das Wirtschaftssystem noch<br />
effizienter werden lässt, weil somit weniger<br />
Doppelanschaffungen getätigt werden, weniger<br />
verschwendet und eine höhere Produktivität<br />
generiert wird.<br />
Nehmen wir zum Beispiel zwei Produkte,<br />
die je zehn Dollar kosten. Das eine wurde<br />
Anfang der Neunzigerjahre in einem Geschäft<br />
vor Ort gekauft, das andere heute<br />
über das Internet. Das erste Produkt hat<br />
für den Konsumenten eine Nutzbarkeit von<br />
65 Prozent, während die übrigen 35 Prozent<br />
die Ineffizienz darstellen, die sich aus der<br />
Tatsache ergibt, dass die Produktauswahl<br />
in den Geschäften vor Ort beschränkt ist<br />
und die Vermarkter eine wahrgenommene<br />
Nutzbarkeit geschaffen haben, welche die<br />
tatsächliche Nutzbarkeit übertrifft. Das andere<br />
Produkt hat einen Nutzbarkeitsfaktor<br />
von 80 Prozent bei weniger Verschwendung,<br />
weil die Konsumenten aus einem grösseren<br />
Angebot auswählen konnten und im Internet<br />
problemlos Zugang zu Bewertungen von<br />
bisherigen Käufern haben. Aufgrund herkömmlicher<br />
Inflationszahlen ergeben sich<br />
zwischen den beiden keine Kostenunterschiede.<br />
Aber Produkt 1 kostet effektiv 1.67<br />
Dollar pro Nutzbarkeitseinheit, Produkt 2<br />
dagegen 1.25 Dollar, also rund 25 Prozent<br />
weniger. Die zugrunde liegenden Effekte<br />
werden von üblichen Inflationszahlen somit<br />
nicht erfasst.<br />
Wirkung auf die Inflation nutzen<br />
Die Auswirkungen der Digitalisierung auf<br />
das globale Wirtschaftssystem sind vielfältig<br />
und multidimensional. Während sich dieses<br />
System einem grundlegend neuen Paradigma<br />
angleicht, dürfte sich sein unmittelbarer<br />
Einfluss auf die Inflation immer stärker bemerkbar<br />
machen. Diejenigen, die dies verstehen,<br />
werden sich im Laufe der Entwicklung<br />
dieses Paradigmas einen wichtigen<br />
Vorteil verschaffen können. <<br />
Physisch vorhandene Produkte, die Geld kosten, sind heute gratis als digitale Version<br />
mit erheblich verbesserter Funktionalität erhältlich. Quelle: Credit Suisse<br />
Physisches Produkt, das Geld kostet<br />
Fotoalben<br />
Kalender<br />
Filme/Shows<br />
Telefonieren<br />
Post/Briefe/Schreibwaren<br />
Dokumente<br />
Schreibmaschinen<br />
Microsoft Office<br />
Karten<br />
Versand<br />
Plattenspieler<br />
Zeitungen<br />
Bücher<br />
Musik<br />
Videospiele<br />
Digitale Gratisversion<br />
Photobucket<br />
iCal<br />
YouTube<br />
Skype<br />
Yahoo! Mail<br />
Adobe Acrobat<br />
AbiWord<br />
Google Docs<br />
Google Maps<br />
Amazon free shipping<br />
Microsoft Media Player<br />
CNN-Website<br />
pagebypagebooks.com<br />
Pandora.com<br />
Candystand.com<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
56<br />
Wirtschaft Nachlese<br />
Blogging<br />
for Business<br />
Everything You Need to Know<br />
and Why You Should Care<br />
Von Shel Holtz und<br />
Ted Demopoulos<br />
Taschenbuch<br />
247 Seiten<br />
ISBN -13 : 978-1419536458<br />
Warum sollten Unternehmen, egal ob gross oder klein, Blogging als Teil ihrer Unternehmensstrategie<br />
in Betracht ziehen? Dieser Frage geht «Blogging for Business»<br />
auf den Grund. Wie Audio, Video und Print ist Blogging im Prinzip nichts anderes<br />
als ein Kommunikationsmittel. Einen Blog zu eröffnen, bedeutet jedoch mehr, als<br />
sich einfach nur dem aktuellen Blogtrend anzuschliessen. Wie die Autoren betonen,<br />
sollte die Eröffnung eines Blogs einem bestimmten Zweck dienen. «Die<br />
besten Unternehmensblogs wurden eingerichtet, um ein bestimmtes Unter nehmensziel<br />
zu unterstützen. Wer herausfi nden will, welche Art von Blog für ihn in Frage<br />
kommt, sollte zunächst seine Schwerpunkte und Ziele defi nieren, um zu bestimmen,<br />
wo die eigenen Möglichkeiten liegen.» Bereits seit mehreren Jahren betreiben<br />
Unternehmen wie Sun Microsystems, IBM und Boeing Blogs als Teil ihrer Kommunikationsstrategie.<br />
Auf die Frage, warum er so viel Zeit auf seinen Blog «verschwende»,<br />
antwortete Jonathan Schwartz, CEO von Sun Microsystems, im Mai<br />
20<strong>08</strong>: «Weil ich im Hinblick auf unsere Strategie und unsere unternehmerische<br />
Tätigkeit auf Klarheit setze – und das nicht nur alle zwölf Monate in unserem Jahresbericht.»<br />
Seine Antwort ist unter http://blogs.sun.com/jonathan nachzulesen.<br />
Wer die Eröffnung eines Blogs zur Erweiterung seiner Kommunikationsstrategie<br />
in Erwägung zieht, fi ndet in diesem Buch Informationen zum Verständnis der Funktionsweise<br />
von Blogs und praktische Hinweise zum Erstellen, Bekanntmachen und<br />
Verwalten von Unternehmensblogs sowie zur Auswertung der Ergebnisse. Im Plauderton<br />
werden auch die technischeren Aspekte des Themas verständlich und interessant<br />
dargestellt. So kommen die Autoren ihrem Ziel, noch mehr Unternehmen<br />
für die Blogosphäre zu gewinnen, sicher ein gutes Stück näher. mb<br />
Blue Ocean Strategy<br />
How to Create Uncontested<br />
Market Space and Make<br />
the Competition Irrelevant<br />
Von W. Chan Kim und<br />
Renée Mauborgne<br />
Gebundene Ausgabe<br />
256 Seiten<br />
ISBN-13: 978-1591396192<br />
© getAbstract.<br />
Unter www.getabstract.com fi nden<br />
Sie eine fünfseitige Zusammenfassung<br />
dieses Buchs.<br />
Lassen Sie die Konkurrenz hinter sich und bringen Sie Ihr Unternehmen in neue,<br />
profi tablere Gewässer. «Blue Ocean Strategy» weist den Weg. Das Buch liefert<br />
einen klaren Rahmen zur Bestimmung und Umsetzung herausragender Strategien<br />
in allen Bereichen der Industrie. W. Chan Kim und Renée Mauborgne warten mit<br />
inspirierenden Untersuchungen zum Einfl uss innovativer Ideen auf alte Industrien<br />
auf. Innerhalb eines bestehenden Marktes entwickeln Firmen Strategien, um miteinander<br />
in Konkurrenz zu treten und sich Vorteile gegenüber ihren Rivalen zu<br />
verschaffen. Ein mörderischer Konkurrenzkampf entsteht, der das Wasser blutrot<br />
färbt. Der Verlust von Marktanteilen, Gewinn- und Wachstumseinbussen schaffen<br />
einen «roten <strong>Ozean</strong>». Das unternehmerische Anliegen sollte sich folglich auf die<br />
Entwicklung einer Blue-Ocean-Strategie konzentrieren.<br />
Allein die faszinierenden Beispiele von Firmen, die ihre Blue-Ocean-Strategie<br />
entwickelt haben, machen dieses Buch lesenswert. Manager können die Regeln<br />
und Prinzipien mit Hilfe der Hinweise der Autoren problemlos befolgen. Ein wichtiger<br />
Ratgeber für alle, die das von Konkurrenzhaien heimgesuchte Gewässer<br />
gegen die Ruhe des offenen blauen Meeres eintauschen möchten. © getAbstract<br />
Finanzanlagen –<br />
eine Herausforderung<br />
für KMU<br />
Geheftete Broschüre<br />
36 Seiten<br />
Herausgeber Credit Suisse<br />
Economic Research<br />
Barliquidität in Form von sofort verfügbaren Zahlungsmitteln erhält dem Unternehmen<br />
die Zahlungsfähigkeit und ist Treibstoff für das Wachstum. Sie bringt aber<br />
keine oder nur wenig Erträge. Eine Studie der Credit Suisse hat nun ergeben,<br />
dass die durchschnittliche Barliquidität seit dem Jahr 2000 sowohl im Verhältnis<br />
zum Umsatz als auch zur Bilanzsumme deutlich angestiegen ist und mittlerweile<br />
mehr als acht Prozent beträgt. Dementsprechend werden die verschiedenen<br />
Anlage möglichkeiten zu wenig genutzt. Es ist jedoch für die Unternehmen – die<br />
globalen Konzerne genauso wie die KMU, die in dieser Studie speziell angesprochen<br />
werden – wichtig, vielleicht sogar überlebenswichtig, die Mittelbewirtschaftung<br />
mit Planung und Weitsicht auf die Ziele und Bedürfnisse des Unternehmens<br />
abzustimmen. Da in der Praxis jeder Fall etwas anders gelagert ist, liefert die<br />
Studie keine Patentrezepte. Doch die minutiöse Analyse der aktuellen Situation<br />
ist geeignet, die Aufmerksamkeit der Verantwortlichen auf diesen wichtigen, im<br />
Tagesgeschäft oft vernachlässigten Aspekt zu lenken. schi<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Credit Suisse Sponsoring 57<br />
Sponsoring<br />
Informationen aus der Welt der Credit Suisse<br />
Übersicht 58_National Gallery in London wird neuer Partner der Credit Suisse 60_Sehenswerter Schweizer Kunstsommer<br />
61_Eine Fussball-Ära geht zu Ende 62_Mission Südafrika: Der Ball rollt weiter<br />
Fotos: Niklaus Spoerri, remote.ch | Olivier Maire, Photopress<br />
Nachwuchsförderung im<br />
Film Bereits zum vierten Mal<br />
findet vom 25. September bis<br />
5. Oktober das Zurich Film Festival<br />
unter der Leitung von Direktor<br />
Karl Spoerri statt. Wiederum werden<br />
24 Wettbewerbsfi lme in den<br />
Sparten «Bester Spielfilm»,<br />
«Bester Dokumentarfilm» und<br />
«Bestes Debüt» um das «Goldene<br />
Auge» sowie Regie- und Promotionspreise<br />
in der Gesamthöhe<br />
von 200 000 Franken antreten.<br />
Wer wird nach dem Produzenten<br />
Albert S. Ruddy neuer Jurypräsident?<br />
Wem wird nach Stephen<br />
Frears (2006) und Oliver Stone<br />
(2007) die Ehrung «A Tribute to»<br />
zuteil? Erstmals wird dieses Jahr<br />
auch ein Golden Icon Award für<br />
Schauspieler oder Filmemacher<br />
ver geben. schi<br />
www.zurichfilmfestival.org<br />
Golf-Nachwuchsförderung<br />
Die Credit Suisse unterstützt den<br />
Schweizer Golfsport seit vielen<br />
Jahren – seit 1993 die Swiss Golf<br />
Foundation (SGF), seit 1999 die<br />
Association Suisse de Golf (ASG)<br />
und seit 2005 auch die Swiss<br />
PGA, den Dachverband der Golf-<br />
Professionals in der Schweiz. Von<br />
der Nachwuchsförderung profitieren<br />
alle ASG-Golfclubs in vielfältiger<br />
Weise. An den Credit Suisse<br />
Junior Golf Academies können<br />
Jugendlich e in zwei Camps kostenlos<br />
unter professioneller Anleitung<br />
dreieinhalb Tage intensiv<br />
trainieren. Zudem laufen seit 2006<br />
die Nachwuchsmeisterschaften für<br />
die Kategorien U16 und U18 mit<br />
fünf Qualifikationsturnieren und<br />
einem Final turnier Ende Oktober<br />
unter dem Namen Credit Suisse<br />
Junior Tour. «Wettkampferfahrung<br />
ist enorm wichtig. Wenn wir Jungen<br />
und Mädchen schon früh ermöglichen,<br />
unter Druck Leistungen<br />
zu erbringen, leistet die Credit<br />
Suisse Junior Tour einen grossen<br />
Beitrag zur Förderung junger<br />
Talente», sagte Sandra Caviezel,<br />
Leiterin Spon soring Credit Suisse<br />
Private Banking, am Roundtable-<br />
Gespräch an lässlich des SwissGolf<br />
Day im Golfclub Breitenloo. Ein<br />
besonderes Augenmerk wird auch<br />
auf die Unterstützung der Spieler<br />
beim Übertritt vom Amateur- zum<br />
Profi status gelegt. Diesem Zweck<br />
dient die Credit Suisse Challenge,<br />
die seit 2006 im Golfclub Wylihof<br />
ausgetragen wird. tg<br />
Wieder ein Stechen in Crans-<br />
Montana? Vom 4. bis 7. September<br />
wird in Crans-Montana<br />
wiederum das Omega European<br />
Masters ausgetragen. Bei Redaktionsschluss<br />
war die Startliste<br />
noch nicht definitiv bekannt, doch<br />
besteht kein Zweifel daran, dass<br />
am wichtigsten Golfturnier in der<br />
Schweiz ein hochkarätiges Teilnehmerfeld,<br />
angeführt von Lee<br />
Westwood und Rory McIlroy, mitmacht.<br />
Vielleicht wird es wieder<br />
so spannend wie 2007, als sich der<br />
Australier Brett Rumford (Bild<br />
oben) erst im Stechen gegen den<br />
Engländer Philipp Archer durchsetzte.<br />
Dritter wurde mit einem<br />
Schlag Rückstand der Waliser<br />
Bradley Dredge. tg<br />
Gewinnt Sir Robert Charles<br />
in Bad Ragaz? Aus der europäischen<br />
Tour der Berufs-Seniorengolfer<br />
ist das Bad Ragaz PGA<br />
Seniors Open nicht mehr wegzudenken.<br />
Um den Titel spielen<br />
vom 8. bis 10. August alle Sieger<br />
der letzten Jahre: Carl Mason<br />
(England, Sieger 2007), Juan<br />
Quiros (Spanien, Sieger 2006),<br />
Terry Gale (Australien, Sieger<br />
2005) sowie Horacio Carbonetti<br />
(Argentinien, Sieger 20<strong>03</strong> und<br />
2004). Zwei Stars aus unterschiedlichen<br />
Generationen gehören<br />
ebenfalls zum engsten Favoritenkreis:<br />
der 51-jährige italienische<br />
Ryder-Cup-Held Costantino<br />
Rocca, Zweiter im Vorjahr, sowie<br />
der bereits 72-jährige Neuseeländer<br />
Sir Robert Charles, der<br />
dieses Jahr beim New Zealand<br />
Open sensationell den Cut auf der<br />
regulären Tour geschafft hat. tg<br />
Der historische Sieg weckt<br />
Hoffnungen Zu Beginn der<br />
diesjährigen Formel-1-Saison hätten<br />
wohl die wenigsten geglaubt,<br />
dass die Zielsetzung von BMW-<br />
Motorsportdirektor Mario Theissen<br />
– erster Sieg für das BMW-<br />
Sauber-Team – realistisch sein<br />
könnte. Doch es folgte Podestplatz<br />
um Podestplatz. Und der grossartige<br />
Doppelsieg von Robert<br />
Kubica vor Nick Heidfeld am 8. Juni<br />
auf dem Circuit Gilles Villeneuve<br />
in Montreal hat nun alle Zweifler<br />
endgültig eines Besseren belehrt.<br />
Kubica setzte sich mit diesem<br />
Sieg auch in der Jahreswertung<br />
vorübergehend vor Hamilton an die<br />
Spitze. Fährt BMW-Sauber nun<br />
gar um den Weltmeistertitel mit?<br />
Verfolgen Sie das Renngeschehen<br />
hautnah auf www.credit-suisse.<br />
com/f1. schi<br />
Credit Suisse<br />
Musik in den<br />
Bergen<br />
Neben dem Fussball wartete<br />
der Sommer 20<strong>08</strong> auch mit<br />
einigen kulturellen Überraschungen<br />
auf. So feierte das<br />
Estival Jazz im Tessin seinen<br />
vielbeachteten 30. Geburtstag,<br />
während beim Festival<br />
d’Opéra Avenches mit Graziella<br />
Contratto erstmals eine<br />
Frau am Dirigentenpult stand.<br />
Und zum Glück für Kulturinteressierte<br />
ist der Sommer<br />
noch längst nicht zu Ende.<br />
Ebenfalls von der Credit Suisse<br />
unterstützt – und zwar seit<br />
1986 – wird das Davos Festival,<br />
das vom 26. Juli bis<br />
9. August zahlreiche Spitzenbegabungen<br />
der klassischen<br />
Musik versammelt. Das Festival<br />
ist einzigartig, da es Gelegenheit<br />
bietet, Nachwuchstalente<br />
im intimen Rahmen zu<br />
hören – Talente notabene,<br />
denen man später sehr oft<br />
wieder in den grossen Sälen<br />
der Welt begegnet. Die kontinuierlich<br />
steigenden Besucherzahlen<br />
und die Tatsache,<br />
dass viele Erstbesucher zu<br />
treuen Gästen werden, sagen<br />
alles über die aussergewöhnliche<br />
Qualität des Festivals.<br />
Spitzenleistungen ohne Berührungsängste,<br />
musikalische<br />
Tradition ohne Erstarrung: Das<br />
alles sind Gründe, die einen<br />
Ausflug nach Davos musikalisch<br />
reizvoll machen. Seit<br />
2007 steht das Davos Festival<br />
übrigens unter einer neuen<br />
Leitung. Die Intendantin<br />
ist keine Unbekannte: Sie<br />
heisst Graziella Contratto. nm<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
58<br />
Credit Suisse Sponsoring<br />
Historische Partnerschaft mit der National Gallery<br />
Credit Suisse unterstützt die National Gallery<br />
bei der Förderung der Kunst des Entdeckens<br />
Die Credit Suisse ist seit kurzem Partner der National Gallery. Die dreijährige Partnerschaft<br />
beinhaltet unter anderem die Finanzierung einer grösseren Ausstellung pro Jahr.<br />
Den Auftakt macht «Radical Light», die im Juni eröffnet wurde. Nicholas Penny, Direktor<br />
der Gallery, äussert sich zur speziellen Vereinbarung und zur Ausstellung.<br />
Bulletin: Dass ein britisches Museum<br />
überhaupt eine Partnerschaft mit einem<br />
privaten Unternehmen wie der Credit<br />
Suisse eingeht, ist eher ungewöhnlich.<br />
Was waren Ihre Beweggründe?<br />
Nicholas Penny: Eine solche Zusammenarbeit<br />
war für uns sehr erstrebenswert, weil wir<br />
uns dadurch nicht ständig um die fi nanzielle<br />
Unterstützung sorgen müssen. Ein Direktor<br />
verbringt viel Zeit mit der Suche nach fi nanziellen<br />
Mitteln, die ihm anderenfalls für die<br />
Planung von Ausstellungen und die Qualitätskontrolle<br />
zur Verfügung stünde.<br />
Wer unternahm den ersten Schritt ?<br />
Wir sind auf die Credit Suisse zugegangen,<br />
weil sie bereits 2004 die Ausstellung «Raphael:<br />
From Urbino to Rome» gesponsert<br />
hatte. Es lag auf der Hand, sie auch für diese<br />
Ausstellung über den italienischen Divisionismus<br />
anzufragen, da die Credit Suisse in einigen<br />
Monaten die gleiche Ausstellung am<br />
Zürcher Kunsthaus mitfi nanziert. Man antwortete<br />
uns: «Lassen wir diese Ausstellung einen<br />
Moment beiseite. Wir sind auf der Suche<br />
nach einer Galerie, mit der wir eine weitergehende<br />
Partnerschaft eingehen können.» Wir<br />
staunten nicht schlecht und waren natürlich<br />
hoch erfreut, das zu hören (lacht).<br />
Was umfasst diese Partnerschaft ?<br />
Der Hauptzweck dieser in einem ersten<br />
Schritt auf drei Jahre beschränkten Partnerschaft<br />
besteht darin, Ausstellungen zu sponsern,<br />
wie aktuell «Radical Light», und unser<br />
gut etabliertes Ausbildungsprogramm zu unterstützen.<br />
Die Credit Suisse wird spezielle<br />
Ausbildungsprojekte für Schul- und Gemeindeorganisationen<br />
einbringen, die sie bereits unterstützt.<br />
Die Vereinbarung umfasst einen<br />
Aspekt, der für die breite Öffentlichkeit wichtig<br />
ist: Wir lassen das Museum jeweils mittwochs<br />
auch am Abend bis 21 Uhr geöffnet.<br />
Dieser wesentliche Bestandteil unseres Angebots<br />
wird ein anderes, jüngeres Publikum in<br />
die Gallery locken.<br />
Welche Aspekte dieser Geschäftsbeziehung<br />
sind für die Gallery noch von<br />
Bedeutung?<br />
Langfristig sehe ich für uns den grössten<br />
Vorteil darin, dass wir von der Credit Suisse<br />
lernen können, die Dinge aus globaler Perspektive<br />
zu betrachten. Diese Sicht fehlt uns<br />
bisher noch. Auch können wir unsere Zusammenarbeit<br />
mit anderen Institutionen verbessern,<br />
insbesondere in Asien. Das ist wichtig,<br />
denn immer mehr Besucher kommen aus<br />
China und Indien nach London. Die Credit<br />
Suisse verfügt in dieser Hinsicht über Erfahrung,<br />
hat sie doch im vergangenen Februar<br />
bereits die Asien-Tournee der New Yorker<br />
Philharmoniker mitfi nanziert. Ich werde zwar<br />
kaum die halbe Belegschaft der Gallery nach<br />
China schicken, plane aber weitere Partnerschaften<br />
mit Institutionen in Asien.<br />
Die National Gallery erhält staatliche<br />
Unterstützung. Weshalb ist das<br />
Sponsoring von Unternehmen so wichtig?<br />
Tatsache ist, dass die National Gallery immer<br />
schon eine öffentlich-private Partnerschaft<br />
war. Es gab von Anfang an eine Vereinbarung<br />
zwischen der Privatwirtschaft und der öffentlichen<br />
Hand. Es waren Privatpersonen, welche<br />
die Notwendigkeit einer Nationalgalerie<br />
erkannten. Sie dachten dabei auch an den<br />
Louvre und an das äusserst erfolgreiche Musée<br />
Napoléon. Die National Gallery war ein<br />
Zugeständnis des Parlaments an einen kleinen<br />
Kreis von Interessenten, die ihre Kunstwerke<br />
spendeten. Das war im Jahr 1824. Die<br />
Sammlung vergrösserte sich durch Zukäufe<br />
und Spenden und wurde 1831 in das heutige<br />
Gebäude am Trafalgar Square verlegt. Es sei<br />
darauf hingewiesen, dass die Gallery unter<br />
der Leitung eines Kuratoriums steht und der<br />
Staat keinen direkten Einfl uss hat. Eine weitere<br />
wichtige Tatsache, von der viele nichts<br />
wissen, ist, dass die Werke der Gallery zu<br />
rund einem Drittel durch Schenkung oder<br />
Vermächtnis erworben wurden, und das ist<br />
viel. Berücksichtigt man nur die Werke einiger<br />
berühmter Maler, ist dieser Anteil sogar<br />
noch höher.<br />
Wann begann die Gallery nach<br />
Firmensponsoren zu suchen?<br />
Das war 1991, als der Sainsbury-Flügel eröffnet<br />
wurde. Er bot uns viel Platz, um grössere<br />
Ausstellungen zu zeigen.<br />
Kommen wir zur Ausstellung «Radical<br />
Light». Wie würden Sie sie umschreiben?<br />
Es ist eine grossartige Ausstellung, denn sie<br />
befasst sich mit einer Kunstrichtung, die<br />
praktisch unbekannt ist. Kunsthistorikern ist<br />
der Divisionismus zwar bekannt, aber viele,<br />
die in Grossbritannien Kunstgeschichte studierten,<br />
haben diese Werke kaum je gesehen.<br />
Dennoch handelt es sich nicht um eine<br />
jener Ausstellungen, deren Erfolg von vornherein<br />
feststeht, da ihr Thema wenig bekannt<br />
ist. Ihr wohnt eine Dimension des Entdeckens<br />
inne, und obwohl die Gemälde eher<br />
melancholisch, beunruhigend und ge spenstisch<br />
anmuten, hinterlassen sie zugleich einen<br />
tiefen Eindruck. Es geht um ernsthafte<br />
Kunst, die von den Besuchern ein gewisses<br />
Mass an emotionalem Engagement erfordert.<br />
Das ist ein Risiko, da die Leute heute auf sofortige<br />
Befriedigung aus sind.<br />
Warum gehen Sie bei einer Ausstellung<br />
ein solches Risiko ein?<br />
Bis zu einem gewissen Grad sollten Ausstellungen<br />
stets etwas Neues bieten. Man kann<br />
eine neue Seite eines Künstlers kennenlernen,<br />
der bereits bekannt ist und allen gefällt,<br />
oder man zeigt den Leuten Aspekte der<br />
Kunst, die sie noch nicht kennen. Das gehört<br />
zu unserer Mission. Wenn die Gallery nur Bilder<br />
zeigen würde, die allen bekannt sind und<br />
gefallen, gäbe es heute nicht viele solche<br />
Werke. Beispielsweise stiessen viele der<br />
Bilder, welche die Gallery im 19. Jahrhundert<br />
erworben hatte, nur bei einer Minderheit auf<br />
Interesse und entsprachen nicht dem Geschmack<br />
des breiten Publikums. Dieser As-<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Credit Suisse Sponsoring 59<br />
Fotos: Galleria d’Arte Moderna, Milano (Gam 1718) © Comune di Milano. All rights reserved | Alexander Sauer | The National Gallery London<br />
pekt wird oft vergessen, wenn man an die<br />
Entstehung grosser Sammlungen denkt.<br />
Können Sie die Bewegung des Divisionismus<br />
etwas genauer erklären? Handelt<br />
es sich überhaupt um eine Bewegung?<br />
Es ist eine Bewegung. Doch wie defi niert<br />
man in der Malerei eine Bewegung? Die einfachste<br />
Form einer Bewegung ergibt sich,<br />
wenn einige Künstler oder Schriftsteller vereinbaren,<br />
der gleichen Gruppe anzugehören<br />
und sich einen Namen zu geben. Es gibt auch<br />
lose assoziierte Künstlergruppen, die ihren<br />
Namen oft von Kritikern erhalten. Die Impressionisten<br />
sind ein solches Beispiel. Bei den<br />
Divisionisten war es dasselbe. Man kannte<br />
sich und hatte gemeinsame Ideen und Vorstellungen.<br />
Die Leute werden sofort erkennen,<br />
dass diese Bilder vieles gemeinsam haben.<br />
Zu den offensichtlichsten Ähnlichkeiten<br />
gehört das Auftragen der Farben in einer<br />
Vielzahl von Punkten und Strichen, ähnlich<br />
wie beim französischen Pointillismus. Die<br />
Werke der National Gallery reichen bis ins<br />
frühe 20. Jahrhundert. Sie deckt dadurch<br />
auch einiges des umstrittenen Gebiets ab,<br />
bei dem man nicht genau weiss, ob die Kunst<br />
deshalb wichtig ist, weil sie den Futurismus<br />
und Modernismus vorwegnimmt, oder weil es<br />
sich um den Höhepunkt verschiedener Formen<br />
der realistischen Malerei und der Naturmalerei<br />
handelt.<br />
Angesichts des Namens der<br />
Aus stellung gehe ich davon aus, dass auch<br />
das Licht eine bedeutende Rolle spielt.<br />
Ich hätte gleich zu Beginn erwähnen sollen,<br />
dass die Darstellung des Lichts der grosse<br />
gemeinsame Nenner ist. Die Bewegung entstand<br />
auch durch die Erforschung der Optik<br />
und Physik des Lichts. Licht ist manchmal<br />
geradezu schmerzhaft, dies gilt beispielsweise<br />
für sehr helles Sonnenlicht, aber auch<br />
für die Lichtverhältnisse am frühen Morgen,<br />
wenn Gegenstände nur schwer zu unterscheiden<br />
sind. Es geht nie um einfache Formen<br />
des Lichts.<br />
Welches sind Ihre weiteren Pläne<br />
für das Museum?<br />
Zurzeit versuche ich mich darauf zu konzentrieren,<br />
gewisse unerwünschte Entwicklungen<br />
zu verhindern (lacht). Ich habe noch<br />
viel vor mit der Gallery. Als seriöser Wissenschaftler,<br />
oder vielmehr als wissenschaftlich<br />
orientierter Kurator, aus dem ein Direktor geworden<br />
ist, bin ich bestrebt, unsere Aus- und<br />
Weiterbildungsarbeit auszubauen, damit wir<br />
zu einem Zentrum des vertieften Studiums der<br />
Kunstgeschichte werden. Michèle Bodmer<br />
Oben «Morning» von Vittore Grubicy de Dragon (1851–1920) ist eine Leihgabe der Mailänder<br />
Galleria d’Arte Moderna für die «Radical Light»-Ausstellung. Mehr als 60 Gemälde sind zu<br />
sehen. Unten links Die National Gallery am Londoner Trafalgar Square. Unten rechts Direktor<br />
Nicholas Penny hat grosse Hoffnungen für die Ausbildungsabteilung der National Gallery.<br />
Penny ist seit März dieses Jahres im Amt.<br />
Radical Light: Italiens divisionistische Maler<br />
Sainsbury-Flügel , 18. Juni–7. September 20<strong>08</strong>:<br />
täglich 10.00–18.00 Uhr;<br />
mittwochs 10.00–21.00 Uhr<br />
www.nationalgallery.org.uk<br />
Organisiert wird die Ausstellung von<br />
der National Gallery in London und dem<br />
Kunsthaus Zürich.<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
60<br />
Credit Suisse Sponsoring<br />
Ein sommerlicher Gang durch die Schweizer Kunstmuseen<br />
Der ganze Weltzauber der Farben und Schatten<br />
In den Museen ist es kühl und still – ein Grund hineinzugehen. Zudem kann<br />
man das «Geheimnis Schweiz» ergründen. Die Ausstellung «Enigma Helvetia»<br />
in Lugano und die Begegnungen mit Ferdinand Hodler in Bern, Balthus<br />
in Martigny und Segantini in St. Moritz bringen wertvolle neue Erkenntnisse.<br />
«Das Kunstwerk wird eine neu erfasste Ordnung<br />
der Dinge offenbaren und schön sein<br />
durch die Idee des Ganzen, die es enthüllt»,<br />
sagt Ferdinand Hodler. Und weiter: «Der ganze<br />
Weltzauber der Farben und Schatten leitet<br />
sich vom Licht ab.»<br />
Wer gedacht hat, Hodler bereits bestens<br />
zu kennen, wird ihn nach dem Besuch der<br />
Ausstellung «Ferdinand Hodler. Eine symbolistische<br />
Vision» im Kunstmuseum Bern und<br />
dem Studium des Standards setzenden Katalogs<br />
in einem neuen Licht sehen und sich<br />
seinem Weltzauber umso lieber zuwenden.<br />
Tatsächlich gehört Ferdinand Hodler zu<br />
den am meisten unterschätzten Schweizer<br />
Künstlern. In der Wahrnehmung der breiten<br />
Öffentlichkeit wird er nämlich nach wie vor<br />
auf sein Image als kämpferischer Nationalkünstler<br />
reduziert, das entstanden ist im Zeichen<br />
des geistigen Widerstands vor dem<br />
Zweiten Weltkrieg. Die bis zum 10. August<br />
dauernde Ausstellung zeigt Hodlers eigenständigen<br />
Beitrag zum europäischen Symbolismus<br />
auf . Von zentraler Bedeutung unter<br />
den 150 präsentierten Bildern sind die symbolistischen<br />
Hauptwerke des Kunst museums<br />
Bern, die dank Léonard Gianadda, Kunst -<br />
mäzen und Direktor der Fondation Pierre<br />
Gianadda in Martigny, restauriert wurden.<br />
Ein Gang ins Wallis lohnt sich ebenfalls:<br />
In der Fondation Pierre Gianadda wird aus<br />
Anlass seines hundertsten Geburtstags der<br />
2001 verstorbene Künstler Balthus mit einer<br />
Retrospektive gewürdigt. Gezeigt wird bis<br />
zum 23. November seine ganze Schaffensbreite<br />
mit Porträts, Landschaften und natürlich<br />
den verführerischen Nymphen, die letztlich<br />
das «Mysterium Balthus» begründeten.<br />
Wie soll man die Ausstellung angehen? Der<br />
Künstler selbst liefert die Antwort: «Balthus<br />
ist ein Maler, über den man nichts weiss. Und<br />
nun, lasst uns die Bilder betrachten.»<br />
Oben Hodler. Der Tag, erste Fassung, 1899, Öl auf Leinwand, Kunstmuseum Bern.<br />
Unten links Balthus. La Toilette de Cathy, 1933, Öl auf Leinwand, Paris, Centre Georges Pompidou.<br />
Unten rechts Giovanni Segantini. Mittag in den Alpen, 1891, Öl auf Leinwand, Segantini Museum.<br />
In Lugano realisierten das städtische und<br />
das kantonale Kunstmuseum mit «Enigma<br />
Helvetia» ihre erste gemeinsame Ausstellung.<br />
Sie bietet einen Überblick über das Kunstschaffen<br />
in der Schweiz und vermag dank<br />
interdisziplinärem Ansatz dem Betrachter<br />
«die Kunst, Bräuche und Mythen der modernen<br />
Schweiz» gewinnbringend zu erhellen.<br />
Mit der bis zum 14. September dauernden<br />
Sonderausstellung «Segantinis Magd: Muse<br />
und Modell» feiert das Segantini Museum<br />
den 150. Geburtstag von Giovanni Segantini.<br />
Das Museum selbst wurde vor genau 100<br />
Jahren eingerichtet.<br />
Andreas Schiendorfer<br />
Die Credit Suisse unterstützt das Museo<br />
d’Arte in Lugano seit 1992, die Fondation<br />
Pierre Gianadda in Martigny seit 1996 und<br />
das Kunstmuseum Bern seit 2005. Die Segantini-<br />
Ausstellung wird vom Jubiläumsfonds<br />
der Credit Suisse Foundation mitfinanziert.<br />
Fotos: Peter Lauri Photographie, Bern | Jean-Claude Planchet | Fredy Lochau, Foto Flury, Pontresina<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Credit Suisse Sponsoring 61<br />
Seit 1993 Hauptsponsor des Schweizerischen Fussballverbands<br />
Ein Dankeschön an Jakob Kuhn<br />
und seine Fussballfamilie<br />
Die im Juni in der Schweiz und in Österreich durchgeführte<br />
Fussballeuropameisterschaft bleibt in guter Erinnerung.<br />
Und der zurückgetretene National trainer Jakob Kuhn ebenso.<br />
Fotos: Andreas Meier | Photopress | Sebastian Schiendorfer<br />
73 Länderspiele der Schweizer Nationalmannschaft<br />
hat Jakob «Köbi» Kuhn als Trainer<br />
entscheidend geprägt. Die Bilanz fällt positiv<br />
aus: 32 Siege – 18 Unentschieden – 23 Niederlagen.<br />
Oder anders ausgedrückt: drei<br />
End rundenteilnahmen in Folge, die Europameisterschaft<br />
2004 in Portugal, die Weltmeis<br />
terschaft 2006 in Deutschland und die<br />
Europa meisterschaft 20<strong>08</strong> in der Schweiz<br />
und in Österreich.<br />
Resultatmässig schnitten die Schweizer<br />
an der WM 2006 erfolgreicher ab als in der<br />
Schweiz, doch spielerisch wussten sie an<br />
der Heim-EM durchaus zu gefallen. Noch<br />
sind die Schweizer nicht gut genug, um nach<br />
dem Titel zu greifen, doch so beherzt, dass<br />
sich die junge «Nati» in die Herzen der Bevölkerung<br />
spielte beziehungsweise ihren<br />
Platz dort behauptete. In dieser Hinsicht war<br />
die dritte Partie gegen Portugal die entscheidende:<br />
Kuhn, der den Begriff der Fussballfamilie<br />
kreierte, hat erreicht, dass die Familie<br />
auch zusammenhält, wenn die bewusst hoch<br />
gesteck ten Ambitionen sich nicht erfüllen.<br />
Die Credit Suisse, welche den Schweizer<br />
Fussball schon vor der Ära Kuhn förderte<br />
und ihn auch in Zukunft fördern wird, ist<br />
dank bar, dass sie Jakob Kuhn während seiner<br />
Amtszeit begleiten durfte. Es waren sieben<br />
fette Jahre (denen keine magere folgen<br />
sollen), gerade auch in menschlicher Hinsicht.<br />
Die Zusammenarbeit mit Jakob Kuhn,<br />
beispielsweise beim Drehen mehrerer unvergesslicher<br />
Fernsehspots, bei Kundenanlässen<br />
und natürlich im Umfeld der Nationalmannschaft,<br />
war für die Mitarbeitenden des<br />
Sponsorings der Credit Suisse ausgesprochen<br />
angenehm.<br />
Auch sonst hat die Credit Suisse mit<br />
Blick auf die Europameisterschaft allen<br />
Grund zur Zufriedenheit, für das Wetter war<br />
sie ja, fürwahr, nicht zuständig. Doch der<br />
Hauptsponsor hat in Feusisberg den Berufsleuten<br />
– Spielern wie Medienschaffenden –<br />
ihre Arbeit erleichtert und hat den Fans mit<br />
verschiedenen Aktionen zahlreiche positive<br />
Erlebnisse ermöglicht. Andreas Schiendorfer<br />
Oben Gilt auch für uns: «Merci Köbi!» Mitte links Der erste Schweizer Sieg an einer Europameisterschaft.<br />
Mitte rechts Journalisten aus aller Welt im Medienzentrum in Feusisberg.<br />
Unten links Öffentliche Anlässe der Credit Suisse: Daniel Gygax erfüllt im Flughafen Zürich<br />
Autogrammwünsche. Unten rechts Attraktive Kundenanlässe: Benedikt Weibel (rechts),<br />
Dele gierter des Bundesrats der Euro 20<strong>08</strong>, bespricht mit Stéphane Chapuisat (Mitte) und<br />
Hans Baumgartner, Leiter Firmenkunden Schweiz – KMU, den Auftritt im Stade de Suisse.<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
62<br />
Credit Suisse Sponsoring<br />
Die Fussballer bleiben am Ball<br />
Die Mission Südafrika hat begonnen<br />
Der neue Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld hat keine Zeit für Experimente.<br />
Nach einem einzigen Vorbereitungsspiel beginnt im September die<br />
WM-Qualifikation. Und im Oktober könnte bereits eine Vorentscheidung fallen.<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Credit Suisse<br />
Postfach 2<br />
CH-8070 Zürich<br />
Telefon +41 44 333 11 11<br />
Fax +41 44 332 55 55<br />
Redaktion<br />
Daniel Huber (dhu) (Head of Publications), Marcus Balogh (ba),<br />
Michèle Bodmer (mb), Dorothée Enskog (de), Regula Gerber (rg),<br />
Mandana Razavi (mar), Andreas Schiendorfer (schi)<br />
E-Mail<br />
redaktion.<strong>bull</strong>etin@credit-suisse.com<br />
Mitarbeit an dieser Ausgabe<br />
Ute Eberle, Ingo Petz, Beat Stauffer, Andreas Walker;<br />
Anja Papp; Joy Bolli (jbo), Christian Etzensperger,<br />
Claude Maurer, Sven Schubert, Steven Soranno, Marcel<br />
Thieliant; Michael Krobath (mk); Peter Hossli, Urs Schwarz,<br />
Cornelia Stauffer; Andreas Thomann (ath)<br />
Internet<br />
www.credit-suisse.com/infocus<br />
Marketing<br />
Veronica Zimnic (vz)<br />
Korrektorat<br />
text control, Zürich<br />
Übersetzungen<br />
Credit Suisse Sprachendienst<br />
Gestaltung<br />
www.arnold.inhaltundform.com:<br />
Daniel Peterhans, Arno Bandli, Monika Häfliger,<br />
Petra Feusi (Projekt management)<br />
Inserate<br />
Pauletto GmbH, Miriam Dudek, Kleinstrasse 16,<br />
CH-80<strong>08</strong> Zürich, Telefon und Fax 043 268 54 56<br />
Beglaubigte WEMF-Aufl age 2007<br />
145 733<br />
ISSN-Registrierung<br />
ISSN 1423-1360<br />
Druck<br />
NZZ Fretz AG /Zollikofer AG<br />
Ottmar Hitzfeld hat bewiesen, dass er auch mit scheinbar kleinen Teams Grosses leisten kann:<br />
1984 stieg er mit dem SC Zug in die Nationalliga B auf, 1985 wurde er mit Aarau Cupsieger.<br />
Kaum ist die Europameisterschaft vorbei,<br />
wartet auf die Nationalmannschaft schon das<br />
nächste Grossereignis: Im September beginnt<br />
die Qualifi kation für die WM 2010. Chef<br />
der Mission Südafrika ist der neue Nationalcoach<br />
Ottmar Hitzfeld. Von den Medien als<br />
Messias gefeiert, wird vom Erfolgstrainer<br />
nicht nur die WM-Qualifi kation erwartet, sondern<br />
auch, dass er mit dem jungen und talentierten<br />
Team die Lücke zu den besten Nationen<br />
schliesst. Die Zeit für lange Experimente<br />
fehlt, ein einziges Freundschaftsspiel – am<br />
20. August in Genf gegen Zypern – muss reichen.<br />
Deshalb ist anzunehmen, dass er mehrheitlich<br />
am bisherigen Team festhält. Offen<br />
ist, welches System Hitzfeld wählt. Und –<br />
falls er sich wie bei den Bayern für 4-4-2 entscheidet<br />
– auf wen er neben Alex Frei als<br />
zweite Sturmspitze setzt. Ist es Blaise N’Kufo,<br />
der unter Jakob Kuhn nie so richtig in Fahrt<br />
gekommen ist? Eren Derdiyok? Oder entdeckt<br />
er gar eine neue Perle?<br />
Der Weg nach Südafrika sieht aus wie<br />
ein Spaziergang. Doch er könnte sich zur<br />
anspruchsvollen Bergtour entwickeln, denn<br />
auf die Schweiz warten unangenehme Gegner.<br />
Am 6. September muss die Schweiz in<br />
Israel und am 10. September in Zürich gegen<br />
Luxemburg bestehen, und im Oktober folgen<br />
das Heimspiel gegen Lettland sowie das<br />
Auswärtsspiel gegen Griechenland. Bereits<br />
diesen Herbst könnte also eine Vorentscheidung<br />
fallen. Hitzfelds Magie muss schnell<br />
wirken. Wir glauben daran. Michael Krobath<br />
Redaktions kommission<br />
René Buholzer (Head of Public Policy), Monika Dunant (Head<br />
of Communications Private Banking), Urs P. Gauch (Leiter<br />
Firmenkunden Schweiz-Grossunternehmen), Fritz Gutbrodt<br />
(Head Chairmans Offi ce), Angelika Jahn (Investment Services<br />
& Products), Hubert Lienhard (Asset Management Distribution<br />
Services), Andrés Luther (Head of Group Communications),<br />
Charles Naylor (Head of Corporate Communications),<br />
Fritz Stahel (Credit Suisse Economic Research), Christian<br />
Vonesch (Head of Private & Business Banking Aarau)<br />
Erschei nt im 114. Jahrgang<br />
(5 x pro Jahr in deutscher, französischer, italienischer und<br />
englischer Sprache). Nachdruck von Texten gestattet mit dem<br />
Hinweis «Aus dem Bulletin der Credit Suisse».<br />
Adress änderungen<br />
bitte schriftlich und unter Beilage des Original-Zustellcouverts<br />
an Ihre Credit Suisse Geschäftsstelle oder an:<br />
Credit Suisse, ULAZ 12, Postfach 100, 8070 Zürich.<br />
Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken.<br />
Sie bedeutet kein Angebot und keine Aufforderung seitens<br />
der Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften.<br />
Hinweise auf die frühere Performance garantieren nicht<br />
notwendi gerweise positive Entwicklungen in der Zukunft.<br />
Die Analysen und Schlussfolgerungen in dieser Publikation<br />
wurden durch die Credit Suisse erarbeitet und könnten<br />
vor ihrer Weitergabe an die Kunden von Credit Suisse bereits<br />
für Transaktionen von Gesellschaften der Credit Suisse<br />
Group verwendet worden sein. Die in diesem Dokument vertretenen<br />
Ansichten sind diejenigen der Credit Suisse<br />
zum Zeitpunkt der Drucklegung. (Änderungen bleiben vorbehalten.)<br />
Credit Suisse ist eine Schweizer Bank.<br />
Fotos: Steffen Schmidt, Keystone, Photopress | Cédric Widmer<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Credit Suisse Gesellschaft 63<br />
In der Gesellschaft<br />
Die Credit Suisse ist überzeugt, dass die unternehmerische Verantwortung gegenüber der<br />
Gesellschaft und der Umwelt ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ist.<br />
Übersicht 64_«bike to work» 65_Love Ride 66_Science Festival 68_Children’s Storefront 69_News international<br />
Etwas für die eigene Gesundheit und die Umwelt tun: Im Juni nahmen rund 1000 Mitarbeitende der Credit Suisse an der nationalen Aktion «bike to<br />
work» teil und legten den Arbeitsweg oder einen Teil davon mit dem Fahrrad zurück; so auch Kimchi Mazzetti-Nguyen in Genf. Nichts spricht<br />
dagegen, die Aktion freiwillig fortzusetzen. Im Gegenteil: Erst jetzt kommen die wirklich sonnigen Tage! Der Sommer lädt zum Radfahren ein.<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
64<br />
Gesellschaft «bike to work»<br />
Die Schweiz ist ein Land<br />
der Radfahrer<br />
Erfreulich viele Mitarbeitende der Credit Suisse haben im Juni an der Aktion<br />
«bike to work» teilgenommen – ein Engagement im Zeichen der Emissionsreduktion<br />
und der Gesundheitsförderung im Unternehmen.<br />
Text: Cornelia Stauffer<br />
Auf der Suche nach Mitarbeitenden, die<br />
mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen, wird<br />
man bei der Credit Suisse erfreulicherweise<br />
schnell fündig. «Ich fahre jeden Tag,<br />
bei jedem Wetter mit meinem Citybike zur<br />
Arbeit», erzählt Marco Lucheschi. «Da ich<br />
in Lugano wohne und arbeite, benötige ich<br />
für die drei Kilometer nur rund acht Minuten.»<br />
Am Morgen wecke ihn die frische<br />
Luft und auf dem Rückweg könne er gelegentlich<br />
Angestautes abstrampeln, ergänzt<br />
Lucheschi, der auch in seiner Freizeit regelmässig<br />
Velotouren unternimmt. Die Teilnahme<br />
an der Aktion «bike to work» war für<br />
ihn deshalb eine Selbstverständlichkeit –<br />
und gleichzeitig eine willkommene Chance,<br />
Teamkollegen zu animieren, ebenfalls mit<br />
dem Rad zur Arbeit zu kommen – und dies<br />
im Idealfall nicht nur im Juni.<br />
«Jeder Einzelne von uns kann dazu beitragen,<br />
schädliche Emissionen zu vermeiden,<br />
zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit»,<br />
erklärt Ulrich Körner, CEO Credit Suisse<br />
Schweiz. «Deshalb unterstützen auch wir die<br />
Aktion ‹bike to work›.» Die Credit Suisse<br />
befindet sich mit dieser Einstellung in guter<br />
Gesellschaft. Dieses Jahr sind bereits 873<br />
Schweizer Unternehmen an der von der Non-<br />
Profit-Organisation «Pro Velo» lancierten<br />
Aktion beteiligt. Die Aktion sei umso wertvoller,<br />
so Körner weiter, weil durch die Teilnahme<br />
auch gleichzeitig ein Beitrag zur<br />
Gesundheitsförderung im Unternehmen geleistet<br />
werden könne.<br />
Um die Aktion zusätzlich zu fördern,<br />
wurde laut Koordinator Otti Bisang, Credit<br />
Suisse Public Policy – Sustainability Affairs,<br />
ein Wettbewerb für Viererteams ausgeschrieben.<br />
«Der Preis steht sicher nicht im<br />
Vordergrund, aber wir ver suchen damit, den<br />
Teamgedanken zu stärken», so Bisang. «Der<br />
Juni gehört in der Schweiz zu den regenintensiven<br />
Monaten. Gerade bei schlechtem<br />
Wetter ist die Mo tivation, aufs Fahrrad zu<br />
steigen, sicher grösser, wenn eine gewisse<br />
Sozialkontrolle durchs Team spielt.»<br />
Der Erfolg, den die Aktion bei den Mitarbeitenden<br />
der Credit Suisse hatte, gab ihm<br />
Recht. Insgesamt haben sich 950 Personen<br />
für diese Aktion angemeldet, wobei viele<br />
von ihnen eine Kombination zwischen Bahnund<br />
Radfahrt gewählt haben. Zudem weiss<br />
Bisang von vielen, die während dieser Zeit<br />
inoffiziell, gewissermassen ausser Konkurrenz,<br />
mitgemacht haben, weil sie zwar nicht<br />
täglich, aber immerhin sporadisch mit dem<br />
Rad zur Arbeit fahren wollten. «Die Emissionseinsparungen,<br />
die ein einzelner Mitarbeitender<br />
an einem Arbeitstag auf diese<br />
Weise macht, sind natürlich nicht riesig,<br />
aber wenn man das Auto fahren einen Monat<br />
lang konsequent durch Radfahren ersetzt,<br />
summiert sich das. Multipliziert man dies<br />
alles mit der Anzahl Aktionsteilnehmer und<br />
berücksichtigt man zu dem, wie viele andere<br />
Schweizer Unternehmen ebenfalls mitmachen,<br />
so ist der Beitrag zum Umweltschutz<br />
doch weit mehr als nur symbolisch.»<br />
Otti Bisang ist überzeugt, dass die Ak tion<br />
das Umweltbewusstsein bei den Mitarbeitenden<br />
der Credit Suisse gefördert hat: «Die<br />
Teilnehmenden von ‹bike to work› werden<br />
sicher auch in ihrer Freizeit vermehrt Rad<br />
fahren. Und wer regelmässig Rad fährt, ist<br />
sensibilisierter und dadurch auch motivierter,<br />
noch mehr für die Umwelt zu tun – etwa indem<br />
man darauf achtet, weniger Kopien zu<br />
machen oder den Computer während der<br />
Mittagspause abzuschalten.»<br />
Ulrich Körner sieht diese Aktion in einem<br />
weiteren wichtigen Zusammenhang: «Die<br />
Credit Suisse ist als erstes Grossunternehmen<br />
in der Schweiz bereits seit 2006<br />
treibhausgasneutral. Sie will dieses Ziel bis<br />
2009 auch weltweit erreichen. Wir wollen<br />
unseren Energieverbrauch also nicht nur<br />
stabilisieren, sondern weltweit senken. Die<br />
Aktion ‹bike to work› findet daher auch im<br />
Rahmen unserer globalen Corporate-Citizenship-Initiative<br />
‹Bekenntnis zum Klimaschutz›<br />
statt», so Körner.<br />
Selbstverständlich begeisterte die Aktion<br />
auch Angehörige anderer Nationalitäten. So<br />
benötigte beispielsweise Kimchi Mazzetti-<br />
Nguyen in Genf für den Hin- und Rückweg<br />
zur Arbeit mit dem Fahrrad rund 40 Minuten.<br />
«Ich habe mir vorgenommen, jeden Tag eine<br />
halbe Stunde Sport zu treiben», erklärt die<br />
fitte Vietnamesin, die in ihrer Heimat mit<br />
dem Velo als Haupttransportmittel aufgewachsen<br />
sei. Sie radle aus Leidenschaft<br />
und lasse sich daher weder durch Regen<br />
noch durch Schnee von ihrer Fahrt abhalten.<br />
«Ich mache auch jedes Jahr bei den autofreien<br />
Tagen ‹slowUp› mit», ergänzt Kimchi<br />
Mazzetti-Nguyen. <<br />
slowUp – ein Land bewegt sich Auf einem 30 Kilometer langen<br />
Strassenstück wurde im Jahr 2000 ein autofreier Erlebnistag für<br />
Velofahrer realisiert. Mittlerweile nehmen über 400 000 Personen<br />
an 13 Veranstaltungen teil. «Im Rahmen des Corporate Volunteering<br />
unterstützen Freiwillige der Credit Suisse Procap bei der<br />
Begleitung von Menschen mit einem Handicap. Das ist eine Bereicherung<br />
für alle Teilnehmer, insbesondere auch für unsere<br />
Mit ar beitenden», erklärt Zahra Darvishi vom Volunteering Office.<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Im Dienste eines<br />
guten Zwecks<br />
Weinklimaschränke<br />
Einen Tag pro Jahr für eine gute Sache verbringen?<br />
«Selbstverständlich», lautete die Antwort von zahlreichen<br />
Mitarbeitenden der Credit Suisse in der Schweiz.<br />
Sie haben die Ärmel hochgekrempelt und sich als Freiwillige<br />
in wohltätigen Organisationen engagiert.<br />
Text: Urs Schwarz<br />
Foto: Urs Schwarz<br />
Obwohl die Freiwilligenarbeit in der Schweiz<br />
eine lange Tradition hat, steckt das Corporate<br />
Volunteering noch in den Kinder schuhen.<br />
2006 schenkte die Credit Suisse diesem<br />
Thema in der Schweiz erstmals Beachtung.<br />
Auf Initiative von Hanspeter Kurzmeyer,<br />
Leiter Privatkunden Schweiz, engagierten<br />
sich die Bank und ihre Mitarbeitenden für<br />
den Suppentag, eine Aktion der Schweizer<br />
Wohltätigkeitsorganisation Schweizer Tafeln,<br />
die sich für die Bekämpfung der Armut in<br />
der Schweiz einsetzt. Durch den Erfolg der<br />
Aktion sind die Mitarbeitenden und die Bank<br />
in Sachen Corporate Volunteering auf den<br />
Geschmack gekommen.<br />
Im Rahmen ihrer weltweiten Corporate<br />
Citizenship Initiative hat die Credit Suisse<br />
das Corporate-Volunteering-Programm im<br />
April 20<strong>08</strong> offiziell auch in der Schweiz<br />
lanciert. Hierzulande arbeitet die Bank mit<br />
sieben Non-Profit-Organisationen aus den<br />
Bereichen Community Development und Bildung<br />
zusammen. «Die Zielsetzungen dieser<br />
Organisationen decken sich voll und ganz<br />
mit den unsrigen», erklärt Fritz Gutbrodt,<br />
Marcel Huly (rechts) und Biker Max<br />
trafen sich an der Wohltätigkeitsveranstaltung<br />
Love Ride Switzerland.<br />
Leiter Chairman’s Office, Credit Suisse.<br />
«Volunteering ist ein wichtiger Eckpfeiler<br />
unserer Unternehmenskultur», unterstreicht<br />
auch Ulrich Körner, CEO Credit Suisse<br />
Schweiz. «Sein Nutzen kann nicht hoch genug<br />
eingeschätzt werden, fördert es doch<br />
nicht nur die Sozial- und Fachkompetenz,<br />
sondern trägt auch zur Reputation unseres<br />
Unternehmens bei.»<br />
Zu den Partnern gehört neben dem<br />
Schwei zerischen Roten Kreuz auch das<br />
Bergwaldprojekt, das sich für die Erhaltung<br />
der Bergwälder einsetzt. Procap, Plusport<br />
und Love Ride Switzerland sind Initiativen<br />
zugunsten von Behinderten, während die<br />
Stiftung «Hoffnung für Menschen in Not»<br />
Unterstützung für Bedürftige bietet.<br />
Die Organisation Young Enterprise Switzerland<br />
verfolgt ein anderes Ziel: jungen<br />
Menschen wirtschaftliches und finanzielles<br />
Grundwissen zu vermitteln, um sie besser<br />
auf die Herausforderungen des Arbeitsmarktes<br />
vorzubereiten. Neben der Unterstützung<br />
dieser offiziellen Partnerorganisationen fördern<br />
die einzelnen Geschäftsregionen in der<br />
Schweiz auch lokale Freiwilligenprojekte.<br />
Mitarbeiten de der Credit Suisse werden ermuntert,<br />
sich einen Tag pro Jahr freiwillig<br />
für ein Projekt einer Partnerorganisation der<br />
Bank einzusetzen, für den sie von der Credit<br />
Suisse entschädigt werden.<br />
Der Love Ride Switzerland, der am 4. Mai<br />
in Dübendorf bei Zürich stattfand, ist eine<br />
jährliche Benefi zveranstaltung, bei der sich<br />
die Bikerszene trifft, um Spenden für Wohltätigkeitsorganisationen<br />
zu sammeln, welche<br />
muskelkranke und behinderte Kinder<br />
unterstützen. Zahlreiche Mitarbeitende der<br />
Bank nutzten die Gelegenheit, an der Veranstaltung<br />
mitzuwirken. So auch Marcel Huly.<br />
Der Junior Banker half bei der Regelung<br />
des Verkehrs der über 10 000 angereisten<br />
Motorradfahrer mit. <<br />
Nur EuroCave<br />
bietet 100% Schutz<br />
bei der Lagerung<br />
Ihrer Weine.<br />
Schützen Sie sich vor Kopien, vertrauen<br />
Sie dem Original EuroCave!<br />
Nur EuroCave widmet sich seit 30<br />
Jahren ganz der Innovation rund um<br />
die perfekte Weinlagerung. Das<br />
erworbene Know-How ist auf dem<br />
Markt unerreicht. Dank konstanter<br />
Temperatur, permanenter Zuluft,<br />
optimaler Luftfeuchtigkeit, Vibrationsund<br />
Lichtschutz garantiert Ihnen das<br />
Original das Klima eines Naturkellers.<br />
Achtung vor verlockenden Kopien:<br />
Sie bieten nur die Funktion eines<br />
normalen Kühlschrankes und schaden<br />
Ihren Weinen! Ein intensiver Vergleich<br />
lohnt sich – um böse Überraschungen<br />
zu verhindern! EuroCave – mehrfach<br />
kopiert, aber nie erreicht!<br />
Jetzt den Katalog anfordern:<br />
KLIMAWATT AG<br />
Generalvertretung EuroCave<br />
Seestrasse 18, 8802 Kilchberg<br />
Telefon 044 716 55 44<br />
www.klimawatt.ch
66<br />
Gesellschaft Klimawandel<br />
Radikale Wege finden<br />
Um verheerende Folgen des Klimawandels abzuwenden, verlangten Wissenschaftler<br />
und Stadtplaner an dem von der Credit Suisse unterstützten World Science Summit<br />
in New York radikale Massnahmen.<br />
Text: Peter Hossli<br />
Der Physiker Steven Chu, Direktor des Lawrence<br />
Berkeley National Laboratory, spricht<br />
deutliche Worte: «Schaffen wir bis 2050<br />
nicht die Klima umkehr, dann geht in den<br />
USA die Produktion der Nahrungsmittel um<br />
20 Prozent zurück.» Auf den Bergen, so seine<br />
Begründung, liege dann zu wenig Schnee,<br />
um in Kalifornien die Felder mit Wasser zu<br />
versorgen. «Amerika wird hungern.»<br />
Ausser Frage stehe, dass Wälder verdorren<br />
und Küsten überfl utet werden, sagte<br />
Nobelpreisträger Chu. «Nur mit umwälzender<br />
Technologie lässt sich eine Klimakatastrophe<br />
noch abwenden.» Er war erster Redner<br />
der Gesprächsrunde «Radikale Wissenschaft<br />
für einen sich erwärmenden Planeten» am<br />
World Science Summit Ende Mai in New<br />
York. Etliche angesehene Wissenschaftler<br />
würden derzeit nonstop über revolutionäre<br />
Ideen nachdenken, beschrieb er die Aufbruchstimmung<br />
unter Forschern.<br />
Forschung an synthetischen Pflanzen<br />
Chu skizzierte, wie mit Hilfe der Nanotechnologie<br />
neuartige Solarzellen entstehen.<br />
Dann stellte er genveränderte Gräser vor,<br />
aus denen weit komplexere Zuckerarten und<br />
somit hochwertigere Biokraftstoffe gewonnen<br />
werden sollen, als das mit Mais oder<br />
Zuckerrohr möglich sei. Es werde an synthetischen<br />
Pflanzen gearbeitet, die mit Photosynthese<br />
Energie erzeugen. Zum Schluss<br />
zeigte Chu ein Bild der Erde, aufgenommen<br />
vom Mond. «Ist der Blaue Planet nicht wunderschön?»,<br />
fragte er. «Er ist einmalig und<br />
nicht ersetzbar.»<br />
Ein Ansinnen, das der chinesische Umweltminister<br />
Zhenhua Xie teilt. Das rasante<br />
Wachstum seines Landes sei «nicht nachhaltig»,<br />
sagte er. Handle sein Land nicht<br />
rasch, würde der Wirtschaftsboom irreparable<br />
Schäden anrichten. Wohl deshalb erteilte<br />
die chinesische Regierung dem britischen<br />
Ingenieurbüro Arup den Auftrag, auf<br />
einer Insel bei Shanghai die umweltfreundliche<br />
Modellstadt Dongtan zu bauen. Arup-<br />
Direktor Peter Head stellte das Projekt vor<br />
und erklärte, warum jede Stadt der Welt sich<br />
an Dongtan orientieren müsse. «Vor 100<br />
Jahren standen jedem Menschen acht Hektaren<br />
Land zur Verfügung», sagte er. «Heute<br />
sind es noch zwei, doch leben wir so, als ob<br />
diese Verschiebung nie passiert wäre.»<br />
Bis 2010 will Head die erste Phase abschliessen.<br />
Vorerst 7000 Menschen ziehen<br />
dann in Dongtan ein und leben umweltneutral.<br />
Auf eine halbe Million Menschen könne<br />
die Stadt im Lauf der Jahrzehnte anwachsen.<br />
Sie liegt am Meer, sodass Materialien<br />
per Schiff ankommen. Strom wird in Dongtan<br />
durch Wind und in von organischem<br />
Abfall betriebenen Kraftwerken erzeugt.<br />
Umweltfreundlich sind die Baustoffe der<br />
Häuser. Das Wasser wird rezykliert. Es gibt<br />
ein hervorragendes öffentliches Verkehrssystem,<br />
dazu Fahrrad- und Fusswege.<br />
Sämtliche Autos fahren mit Brennstoffzellen<br />
oder Elektrizität. Die Stadt sei daher weit<br />
ruhiger, was ihre Lebensqualität stark erhöhe,<br />
sagte Head. In unmittelbarer Nähe<br />
von Dongtan sollen die meisten Lebensmittel<br />
der Bewohner wachsen.<br />
Das ist Dickson Despommier nicht nahe<br />
genug. «Wir brauchen die Fläche von Brasilien,<br />
um bis 2050 drei Milliarden Menschen<br />
mehr zu ernähren», sagte der Professor für<br />
Umweltschutz und Gesundheit an der Columbia<br />
University. «Brasilien ist aber vergeben.»<br />
Da bereits 80 Prozent des globalen<br />
Agrarlandes bebaut seien, will er mitten in<br />
Städten Kohl und Kartoffeln, Wein oder<br />
Weizen anpflanzen. Bis zum Jahr 2<strong>03</strong>0 würden<br />
80 Prozent der Menschen in Städten<br />
leben. «Dort, wo Menschen leben, muss das<br />
Essen wachsen», so Despommier. «Das ist<br />
nicht nur möglich, es ist zwingend. Nur<br />
wenn wir die Natur allein lassen, kann sie<br />
sich erholen.»<br />
Wohn-, Büro- und Pflanzhäuser<br />
Seit acht Jahren entwickelt er mit seinen<br />
Studenten das kuriose Konzept der vertikalen<br />
Landwirtschaft. Gläserne Wolkenkratzer<br />
sollen sowohl Treib-, Wohn- und<br />
Büro häuser sein. Bewässern will er die<br />
Pflanzen mit städtischem Abwasser. Solarzellen<br />
entlang der Hochhäuser liefern die<br />
Energie für die vertikalen Bauernhöfe. Er<br />
hofft, in der Stadt Incheon bei Seoul einen<br />
ersten Turm errichten zu können, in dem<br />
Reis und Erdbeeren angepflanzt, aber auch<br />
Hühner und Shrimps gezüchtet werden.<br />
Nicht primär der Staat, vor allem der Privatsektor<br />
sei die treibende Kraft hinter revolutionären<br />
Projekten, lautete der Konsens der<br />
Debatte. «Investoren haben erkannt, dass<br />
sie mit radikalen Ideen die Erde retten und<br />
Geld verdienen können», sagte Peter Head.<br />
Ob sich das Klimaproblem nicht von selbst<br />
löse, wenn das Fass Rohöl dereinst 250<br />
Dollar koste, lautete eine Frage aus dem<br />
Publikum. «Das reicht nicht aus», sagte<br />
Physiker Chu und erinnerte an den Ölschock<br />
der Siebzigerjahre. Kaum fielen die Preise,<br />
sank die Dringlichkeit. «Wir befinden uns in<br />
einer Krise. Menschen sind aber eine Gattung,<br />
die Krisen gut meis tert.» <<br />
Fotos: Charly Kurz<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Gesellschaft Klimawandel<br />
67<br />
Peter Head ist der<br />
Direktor der britischen<br />
Ingenieurfirma Arup.<br />
Er entwickelt in China<br />
die umweltfreundliche<br />
Modellstadt Dongtan.<br />
«Die Zukunft ist grün»<br />
Oben Ende Mai fand in den ehrwürdigen Hallen der Columbia University in New York der<br />
von der Credit Suisse unterstützte World Science Summit statt. Unten Anlässlich der<br />
hochdotierten Podiumsdiskussion rund um die Erderwärmung diskutierten von links nach<br />
rechts: Steven Chu, Direktor des Lawrence Berkeley National Laboratory; Peter Head,<br />
Direktor bei der britischen Firma Arup, Professor Dickson Despommier, Columbia University;<br />
Andy Karsner, Assistant Secretary for Energy; Walter Isaacson, Präsident und CEO des<br />
Aspen Institute.<br />
Bulletin: Eine grüne Modellstadt neu aufzubauen,<br />
scheint realistisch, aber wie<br />
verwandeln Sie bestehende Metropolen in<br />
grüne Städte?<br />
Peter Head: Es braucht dazu Partnerschaften<br />
zwischen der Privatwirtschaft und der öffentlichen<br />
Hand. Deren Ziel muss es sein, den Ausstoss<br />
von Kohlenstoffen zu vermindern. Wir<br />
haben Modelle erstellt, in denen Städte und<br />
Regionen mit 100000 bis 200000 Menschen<br />
in einem Zeitraum von 30 Jahren begrünt werden<br />
können.<br />
Wie soll das gehen?<br />
Im Vordergrund stehen bessere öffentliche Verkehrsmittel,<br />
Fahrrad- und Fussgängerzonen.<br />
Die Nahrungsmittelproduktion muss in oder an<br />
den Rand von Städten verlegt werden. Städte<br />
sollen dichter bebaut werden, sodass Freiräume<br />
für Parks entstehen.<br />
Der Traum von der Modellstadt existiert<br />
seit Jahrzehnten. Projekte in Brasilien,<br />
in Mexiko oder in Australien führten aber zu<br />
leblosen Kunststädten.<br />
Head: Oft fehlt bei geplanten Städten die<br />
Authentizität. Es ist wichtig, die Kultur, die Geschichte<br />
und die natürliche Umgebung eines<br />
Ortes zu verstehen und bei der Planung einzubeziehen.<br />
So kann eine kulturell dynamische<br />
Stadt entstehen, die organisch wächst.<br />
In der Regel entscheidet der Markt über<br />
das Wachstum einer Stadt. Der Markt lässt<br />
sich nicht planen.<br />
Head: Der Plan einer Modellstadt muss sich<br />
am kommerziellen Wert des Landes orientieren.<br />
Wir schaffen nur Rahmenbedingungen für den<br />
Privatsektor, umweltgerecht zu bauen. Effiziente<br />
Nutzung von Ressourcen wird der künftige<br />
Antrieb für Wirtschaftswachstum sein. Die Zukunft<br />
ist grün.<br />
Sowohl in Europa wie in Asien und den<br />
USA gibt es Initiativen für grünere Städte.<br />
Warum gerade jetzt?<br />
Head: Anleger haben den Umweltschutz als<br />
Investmentmöglichkeit erkannt. Viele Führungskräfte<br />
sehen ihn als gutes Geschäft. Sprach<br />
man früher von Corporate Responsibility, ist der<br />
Umweltschutz heute ein knallhartes Geschäft<br />
geworden. hoss<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
68<br />
Gesellschaft Volunteering<br />
Eine unkonventionelle Schule in Harlem<br />
The Children’s Storefront<br />
«The Children’s Storefront», eine gebührenfreie Privatschule im New Yorker Stadtbezirk<br />
East Harlem, will ihren Schülern eine solide Ausbildung anbieten. Das jährliche Betriebsbudget<br />
von 3,6 Millionen Dollar wird fast vollständig über Private finanziert. Die Credit<br />
Suisse gehört zu den wichtigsten Spendern von Geld, aber auch von Freiwilligenarbeit.<br />
Text: Dorothée Enskog<br />
«The Children’s Storefront» wurde 1966 vom<br />
Dichter Ned O’Gorman als «Auffangzentrum»<br />
für Kinder aus Harlem gegründet. Seither hat<br />
sich die Einrichtung zu einer eigenständigen<br />
Schule für Kinder vom Vorschulalter bis zur<br />
achten Klasse entwickelt. Harlem, der Stadtteil,<br />
in dem die Schule liegt, kämpft mit Sozialproblemen<br />
verschiedenster Art und weist ein<br />
mittleres Einkommen von 16 600 Dollar sowie<br />
die höchste Dichte an Notunterkünften und<br />
Drogenbehandlungszentren des gesamten<br />
Stadtbezirks Manhattan auf.<br />
Neben einem geordneten und abwechslungsreichen<br />
Unterrichtsplan verfügt die<br />
Schule in Harlem auch über ein Nachmittags-<br />
und Bereicherungsprogramm, um die<br />
akademische Entwicklung der Schüler zu<br />
fördern und ihnen nach Schulschluss und<br />
während der Sommerferien, wenn manche<br />
von ihnen unbeaufsichtigt und somit anfällig<br />
für negative Einflüsse sind, einen sicheren<br />
Hort zu bieten.<br />
Banker leisten positiven Beitrag<br />
In diesem Jahr sind rund 170 Schülerin nen<br />
und Schüler eingeschrieben, die neben dem<br />
regelmässigen Unterricht in Fächern wie<br />
Mathematik, Geschichte und Englisch auch<br />
von einer breiten Palette ausserschulischer<br />
Aktivitäten wie Gospelchor, Kunst, Leichtathletik<br />
und afrikanischem Tanz profitieren.<br />
Bei der Koordination all dieser Aktivitäten<br />
wird das 40-köpfige Schulpersonal von 70<br />
Freiwilligen unterstützt, die im Schulzimmer<br />
und in der Bibliothek wie auch hinter den<br />
Kulissen beim Spendensammeln und in der<br />
Verwaltung aushelfen.<br />
Nachhilfe und Hausaufgabenbetreuung<br />
werden ebenfalls angeboten, und hier macht<br />
sich das Engagement der Mitarbeitenden<br />
der Credit Suisse bemerkbar. Im letzten<br />
Jahr leisteten mehr als 110 Mitarbeitende<br />
der Bank insgesamt 430 Stunden Freiwilligenarbeit<br />
für die «Children’s Storefront»,<br />
hauptsächlich in Form von Nachhilfe.<br />
Banker leisten positiven Beitrag<br />
Zweimal im Monat besucht eine Gruppe junger<br />
Investmentbanker zusammen mit Managing<br />
Director Eileen Urban die Schule, um<br />
den Kindern Nachhilfeunterricht zu erteilen.<br />
«Zu viert oder fünft helfen wir Zweit-, Drittund<br />
Viertklässlern in den wichtigsten Fächern,<br />
vor allem Mathematik und Lesen. Ich<br />
denke, die involvierten Nachwuchsbanker<br />
sind mit Freude bei der Sache, denn die<br />
Kinder zeigen sich fleissig und interessiert»,<br />
erklärt Urban.<br />
Ein weiterer «Volunteer» ist Managing<br />
Director George Weiksner, der sich über<br />
100 Stunden im Jahr als Mitglied des Schulvorstands<br />
engagiert, Karriereberatung bietet,<br />
Nachhilfeunterricht erteilt und an Halloween<br />
Kürbisse bemalt. «Es ist für mich eine<br />
sehr bereichernde Erfahrung», sagt er. «Für<br />
Kinder aus heruntergekommenen Stadtquartieren<br />
ist Schulbildung das wichtigste<br />
Mittel, die vielen Benachteiligungen zu überwinden,<br />
denen sie sich gegenübersehen. Ich<br />
ermuntere andere dazu, von dieser Möglichkeit<br />
Gebrauch zu machen und etwas für das<br />
Wohl ihrer Gemeinde zu tun.»<br />
«The Children’s Storefront» ist die wichtigste<br />
Wohltätigkeitsorganisation der Investment<br />
Banking Division der Credit Suisse in<br />
New York. «Wir sammeln auch an unserer<br />
Weihnachtsfeier Geld für die Schule», sagt<br />
Urban. Zu den weiteren Projekten in der<br />
Pipeline gehören eine Büchersammelaktion,<br />
Weihnachtsgeschenke für die Schüler und<br />
die Beteiligung an einem Theaterprojekt mit<br />
Kindergärtnern in einem Pflegeheim.<br />
Ziel der Schule ist es, die Kinder nicht nur<br />
akademisch auf das Erwachsenenleben vorzubereiten,<br />
sondern ihnen in Zusammenarbeit<br />
mit Familien und Gemeindemitgliedern<br />
auch den sozialen und emotionalen Rückhalt<br />
zu bieten, den sie für die Weiterbildung<br />
benötigen. «Wir wollen jedes Kind dazu befähigen,<br />
sein Potenzial zu erreichen, indem<br />
wir den Schülern die Möglichkeit zu einer<br />
hervorragenden Ausbildung geben. Wir kombinieren<br />
die offene Aufnahmepolitik des<br />
amerikanischen Schulsystems mit dem rigorosen<br />
akademischen Lehrplan einer Privatschule.<br />
Dieser Ansatz hat sich als äusserst<br />
erfolgreich erwiesen», erklärt die Leiterin<br />
der «Children’s Storefront», Kathy Egmont.<br />
Fast 93 Prozent aller «Storefront»-Absolventen<br />
machen den Highschool-Abschluss<br />
und 75 Prozent besuchen danach ein College.<br />
Diese Zahlen liegen deutlich über der<br />
Durchschnittsrate von 33 Prozent für Highschool-Abschlüsse<br />
in der Stadtgegend.<br />
Banker leisten positiven Beitrag<br />
«Wenn Kinder die Highschool nicht abschliessen,<br />
hat das enorme Folgekosten.<br />
Die Arbeitslosigkeit unter jenen, die keinen<br />
Abschluss besitzen, ist doppelt so hoch wie<br />
bei jenen mit einem Bachelor», sagte Rob<br />
Shafir, CEO der Region Americas, anlässlich<br />
der jährlichen Frühlingsgala der Schule<br />
am 19. Mai in New York. «Eine Investition in<br />
‹The Children’s Storefront› macht sich deshalb<br />
definitiv bezahlt», erklärte er vor 500<br />
Gönnern der Schule. Die Credit Suisse war<br />
Ehren gast der Veranstaltung und spendete<br />
der Schule in diesem Jahr einen Betrag<br />
von 250 000 Dollar. <<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Gesellschaft Meldungen 69<br />
Kurze Meldungen<br />
Fotos: Credit Suisse<br />
Drei Millionen für die Katastrophenhilfe<br />
in China und Myanmar gesammelt<br />
In der Geschäftsregion Asia Pacifi c lassen<br />
Mitarbeitende der Credit Suisse von Zeit zu<br />
Zeit ihre Geschäftsgarderobe zu Hause und<br />
erscheinen stattdessen in Jeans zur Arbeit.<br />
Doch nicht ohne Folgen: Die Jeansträger<br />
verpfl ichten sich zu einer Geldspende für<br />
einen wohltätigen Zweck. Das Geld, das die<br />
Mitarbeitenden am bisher letzten «Jeans Day» Ende Mai 20<strong>08</strong> spendeten,<br />
ging an Hilfs- und Wiederaufbauprojekte in China und<br />
Myanmar. Am 12. Mai 20<strong>08</strong> hatte ein Erdbeben der Stärke 7,9 auf<br />
der Richterskala die nordwestchinesische Provinz Sichuan erschüttert.<br />
Das Erdbeben hinterliess 80 000 Tote oder Vermisste und über<br />
fünf Millionen Obdachlose. Zehn Tage zuvor hatte ein Wirbelsturm<br />
Südostasien heimgesucht. Der Zyklon «Nargis» zerstörte weite Teile<br />
Myanmars und forderte 130 000 Tote oder Vermisste.<br />
Mit der «Jeans Day»-Spendenaktion vom 23. Mai 20<strong>08</strong> kamen<br />
allein durch die Mitarbeitenden der Credit Suisse in der Region<br />
Asia Pacifi c fast 500 000 Franken zusammen. Weitere 200 000<br />
Franken wurden von Mitarbeitenden der Bank über andere Kanäle<br />
gespendet. Der Katastrophenhilfsfonds der Credit Suisse Foundation<br />
besserte die Spendenaktion der Mitarbeitenden durch den<br />
doppelten Beitrag auf, sodass insgesamt über zwei Millionen Franken<br />
überwiesen werden konnten. Ausserdem leistete das Unternehmen<br />
zwei Sofortspenden in Höhe von je 500 000 Franken für<br />
Nothilfeprojekte in Myanmar und China. Der gesamte Spen denbetrag<br />
beläuft sich somit auf über drei Millionen Franken. de<br />
Führende CEOs befassen sich mit<br />
dem Thema Klimawandel<br />
Am 20. Juni 20<strong>08</strong> wurde dem japanischen Premierminister Yasuo<br />
Fukuda, der im Juli Gastgeber des jährlichen G8-Gipfels auf Hokkaido<br />
(Japan) ist, ein an die Führer der G8-Staaten gerichteter Bericht<br />
mit detaillierten Empfehlungen zum Klimawandel für die Zeit<br />
nach 2012 vorgelegt. Die «CEO Climate Policy Recommendations<br />
to G8 Leaders» werden von den CEOs der 100 grössten multi natio<br />
na len Unternehmen unterstützt, darunter auch Brady Dougan,<br />
CEO der Credit Suisse. Diese Gruppe von CEOs der weltgrössten<br />
Unternehmen plädiert für ein neues, «umweltpolitisch wirksameres<br />
und wirtschaftlich effi zienteres» politisches Rahmenwerk als Nachfolger<br />
des Kyoto-Abkommens. Die Empfehlungen gehen von einer<br />
starken Führungsrolle aller Regierungen, insbesondere jener der<br />
wichtigsten Wirtschaftsmächte, aus. mb<br />
Innovative Mittelbeschaffung für<br />
Bildungsprojekt in Pakistan<br />
«Dragon’s Den» heisst eine beliebte britische Fernsehshow, bei der<br />
künftige Unternehmer ihre Geschäftsideen möglichen Investoren<br />
vorstellen. Die Credit Suisse in London hat dieses Konzept für<br />
einen gemeinnützigen Zweck übernommen: Bei der ersten Charity<br />
Dragon’s Den Competition wurden fünf Finalisten von einer internen<br />
Jury, die total 100 000 Pfund verteilen konnte, ins «Kreuzverhör»<br />
genommen. Den Hauptpreis gewann Ali Atif, der die Organisation<br />
The Citizen Foundation (TCF) unterstützt, welche in Pakistan bislang<br />
455 Schulen gebaut hat. Diese werden von rund 55 000 Schülern<br />
und Schülerinnen besucht, die sonst keine Bildungschance<br />
erhalten hätten. Als besonders preiswürdig wurde die Mittelbeschaffung<br />
erachtet: Atif und seine Freunde gründeten eigens die<br />
Firma CV Boosters, in der freiwillige Finanzspezialisten Schulung<br />
und Beratung anbieten, sei es beim Schreiben von Bewerbungsbriefen<br />
oder Führen von Vorstellungsgesprächen. Der gesamte<br />
Erlös fl iesst zur TCF nach Pakistan. Den zweiten Preis gewann<br />
Giles Keating mit dem Projekt VoiceMail4All, das Obdachlosen in<br />
London einen kostenlosen Voicemail-Zugang zur Verfügung stellt,<br />
damit potenzielle Arbeitgeber leichter mit ihnen in Kontakt treten<br />
können. (Siehe auch www.credit-suisse.com/verantwortung) schi<br />
«Giving Back Awards» in New York<br />
würdigen Freiwilligenarbeit<br />
Am 30. April war die Credit Suisse Americas<br />
Foundation zum dritten Mal Gastgeberin der<br />
«Giving Back Awards». An diesem Event<br />
werden tausende von Mitarbeitenden der<br />
Credit Suisse gewürdigt, die sich während<br />
des Jahres freiwillig in gemeinnützigen Organisationen<br />
engagieren. «Die ‹Giving Back<br />
Awards› bieten der Credit Suisse Gelegenheit, sich bei allen Mitarbeitenden<br />
zu bedanken, die in ihrem Umfeld einen herausragenden<br />
Beitrag geleistet haben», sagte Eric Eckholdt, Exe ku tiv direk tor<br />
der Foundation, an der Veranstaltung. «Dieser Anlass bietet den<br />
Anwesenden ausserdem Einblick in die Vielfalt der freiwilligen Einsätze,<br />
die wir leisten.»<br />
Die Veranstaltung wurde von fast 500 Mitarbeitenden in<br />
New York besucht und über Videokonferenz für Mitarbeitende in<br />
ganz Nord- und Lateinamerika übertragen. Robert Shafi r, CEO<br />
Asset Management und CEO Region Americas der Credit Suisse,<br />
eröffnete die Veranstaltung. In seiner Rede betonte er die Zielsetzung<br />
der Bank, etwas an die Gemeinden, in denen sie tätig ist,<br />
zurückzugeben. Ausserdem gelte es, den Einsatz der Mitarbeitenden<br />
für Organisationen zu würdigen, die von der Credit Suisse<br />
unterstützt werden. «Es ist wichtig, dass wir diejenigen Personen<br />
anerkennen und belohnen, die helfen, diesen Geist innerhalb der<br />
Bank zu entwickeln», erklärte er. Ausgezeichnet wurden herausragende<br />
Beiträge in den folgenden Kategorien: «Most Valuable<br />
Volunteer», «Branch Offi ce of the Year», «Department/Division of<br />
the Year», «Fundraiser of the Year», «Innovator of the Year», «Leadership,<br />
Mini-Grant of the Year», «Champion of the Year», «Rookie of<br />
the Year» und «Unsung Heroes».<br />
Die jährlich stattfi ndende Veranstaltung wird von der Credit<br />
Suisse Americas Foundation unterstützt. Die Stiftungsräte der<br />
Foundation überreichten den zahlreichen Mitarbeitenden und Teams<br />
für ihre herausragenden Leistungen im vergangenen Jahr die<br />
«Giving Back Awards». mb<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Leader Kofi Annan<br />
71<br />
«Der Klimawandel verursacht eine<br />
gefährliche Kettenreaktion»<br />
Interview: Mandana Razavi<br />
Eineinhalb Jahre sind vergangen, seit Kofi Annan sein Amt<br />
als Generalsekretär der Vereinten Nationen an seinen Nachfolger<br />
übergeben hat. Doch der Mann, der von der Öffentlichkeit als<br />
«moralisches Gewissen der Welt» bezeichnet wird, setzt sich weiterhin<br />
für die Schwächsten ein – und mobilisiert dafür die Stärksten.<br />
Foto: Larry W. Smith, epa, Keystone<br />
Bulletin: Nach Ablauf Ihrer Amtszeit als<br />
Generalsekretär der Vereinten Nationen<br />
haben Sie sich neuen Projekten zugewandt:<br />
Zusammen mit dem Aus sen ministe<br />
rium der Schweiz und der Stadt<br />
Genf haben Sie das «Global Humanitarian<br />
Forum» gegründet. Wie kam es dazu?<br />
Kofi Annan: Wir haben uns die humanitäre<br />
Situation in der Welt angesehen und uns dabei<br />
gefragt, wie wir als Gesellschaft am besten<br />
an diese Probleme herangehen können.<br />
Wir wollten uns diesem Thema auf systematische<br />
Weise annähern, um nachhaltig etwas<br />
bewirken zu können. So kamen wir auf die<br />
Idee, ein Forum zu gründen, das sich auf<br />
globaler Ebene mit den humanitären Problemstellungen<br />
unserer Zeit befasst. Wir<br />
versuchten, möglichst viele Experten und<br />
Meinungsführer aus ganz unterschiedlichen<br />
Bereichen – wie etwa aus Universitäten, Regierungen,<br />
der Privatwirtschaft, dem Militär<br />
oder aus Nichtre gierungsorganisationen – zu<br />
überzeugen und an einen Tisch zu bringen.<br />
Das Forum wurde letzten Oktober ins<br />
Leben gerufen. Wie geht es weiter?<br />
Das erste Jahrestreffen fand am 24. und<br />
25. Juni statt. Wir haben beschlossen, uns<br />
im ersten Jahr auf den Zusammenhang zwischen<br />
dem Klimawandel und der prekären<br />
humanitären Situation in den ärmsten Ländern<br />
zu konzentrieren und mit vereinten<br />
Kräften nach Lösungen zu suchen. Erstaunlicherweise<br />
denken auch heutzutage noch<br />
viele Menschen, dass der Klimawandel etwas<br />
ist, das irgendwann einmal – in ferner<br />
Zukunft – auf uns zukommt. Sie betrachten<br />
die Entwicklungen der Umwelt gewissermassen<br />
als abstraktes Problem. So wissen<br />
zwar viele, dass es wichtig ist, die Treibhausgasemissionen<br />
weltweit drastisch zu<br />
reduzieren, um drohende Umweltkatastrophen<br />
zu verhindern, aber die Menschen sind<br />
sich viel zu wenig im Klaren darüber, dass<br />
der Klimawan del bereits stattfindet und unsere<br />
Umwelt schon stark davon betroffen<br />
ist. Dabei ist es entscheidend, die Dringlichkeit<br />
dieses Problems zu erkennen, zumal der<br />
Klimawandel einen direkten Einfluss auf das<br />
Leben der Menschen hat – besonders auf<br />
jene in den Entwicklungsländern. So verursacht<br />
er in einigen Ländern lange und<br />
schwere Trockenperioden, die wiederum<br />
fatale Auswirkungen auf die Produktivität<br />
der Landwirtschaft haben. Als Folge davon<br />
nehmen Unterernährung und Krankheiten<br />
dramatisch zu.<br />
Sie verweisen hier also auf das<br />
Phänomen einer Kettenreaktion?<br />
Genau. In manchen Regionen dehnt sich die<br />
Wüste mit einer Geschwindigkeit von über<br />
sieben Kilometern pro Jahr aus. Es ist absolut<br />
zwingend, so rasch als möglich Massnahmen<br />
zu ergreifen, um diese gefährlichen<br />
Entwicklungen unter Kontrolle zu bringen<br />
und diese Regionen zu entlasten. Die Menschen<br />
dieser Länder sind die ärmsten, die<br />
am leichtesten verwundbaren und die mit<br />
den geringsten Ressourcen. Wir müssen<br />
dringend einen Weg finden, sie zu unterstützen,<br />
und ihnen helfen, sich an die veränderten<br />
Umweltbedingungen anzupassen.<br />
Noch sind die Auswirkungen des<br />
Klimawandels nicht für alle spürbar.<br />
Wie dramatisch ist die Situation wirklich?<br />
Wie dramatisch die Situation in einigen Ländern<br />
bereits ist, sehen und hören wir immer<br />
wieder: So leben beispielsweise die Menschen<br />
zahlreicher Städte, die sich nahe am<br />
Meeresspiegel befinden, in ständiger Bedrohung<br />
vor Überflutung. Der Präsident der<br />
Malediven, der an einem unserer Semi- ><br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
72<br />
Leader Kofi Annan<br />
In seiner zehnjährigen Tätigkeit<br />
als Generalsekretär stellte Kofi Annan<br />
in diversen Krisensituationen sein<br />
diplomatisches Geschick eindrucksvoll<br />
unter Beweis: So bemühte er<br />
sich um die Zustimmung des Iraks zu<br />
den Resolutionen des Sicherheitsrats<br />
und unterstützte den Übergang zu<br />
einer Zivilregierung in Nigeria. Nach der<br />
Unabhängigkeitserklärung Ost-<br />
Timors und den darauffolgenden Ausschreitungen<br />
und Terrorakten der<br />
indonesischen Milizen im September<br />
1999 beauftragte er eine UN-Delegation<br />
mit der Übergangsverwaltung<br />
und dem Ziel, Ost-Timor zur Gründung<br />
eines unabhängigen Staates zu<br />
ver helfen. Weiter setzte Annan<br />
die Bekämpfung von HIV und Aids auf<br />
die Traktandenliste der UNO, die bis<br />
zum damaligen Zeitpunkt eine adäquate<br />
Auseinandersetzung mit diesem<br />
Thema versäumt hatte. Ein weiteres<br />
Beispiel seines Schaffens war<br />
die Lancierung des Global Compact,<br />
dessen Ziel es ist, den Herausforderungen<br />
der Globalisierung in den<br />
Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen<br />
und Umwelt zu be gegnen.<br />
Die Amtszeit Kofi Annans endete am<br />
31. Dezember 2006. Seither hat er<br />
sich unter anderem als Chef vermittler<br />
in der kenianischen Krise betätigt<br />
und engagiert sich mit dem Global<br />
Humanitarian Forum und der Alliance<br />
for a Green Revolution in Africa<br />
weiterhin tatkräftig im humanitären<br />
Bereich. Kofi Annan ist in zweiter<br />
Ehe mit der schwedischen Rechtsanwältin<br />
Nane Lagergren verheiratet und<br />
hat zwei Kinder aus erster Ehe.<br />
nare in Genf teilnahm, berichtet, dass die<br />
Einwohner der Malediven das Meer über<br />
Jahrtausende hinweg als «mächtigen Freund»<br />
und Quelle des Lebens angesehen hätten.<br />
Die Einstellung der einheimischen Menschen<br />
habe sich in den letzten Jahren jedoch<br />
grundlegend geändert. Das Meer sei für sie<br />
zum Feind geworden, denn der stetig ansteigende<br />
Meeresspiegel bedrohe mittlerweile<br />
ihre gesamte Existenz. Sie seien daher gezwungen,<br />
unverzüglich Massnahmen zu ergreifen,<br />
um sich zu schützen.<br />
Welchen Beitrag kann die Privatwirtschaft<br />
leisten?<br />
Wir erwarten vom Privatsek tor, dass er mit<br />
weiteren Innovationen aufwartet – etwa indem<br />
sowohl Know-how als auch fi nanzielle<br />
Mittel in «grüne Technologien» investiert<br />
werden. Ich bin der Überzeugung, dass es<br />
sich für diejenigen, die ihr Fachwissen , ihre<br />
Kreativität und ihr Geld in diesen Geschäftsbereich<br />
fl iessen lassen, langfristig lohnen<br />
wird. Ich glaube, dass die Entwicklung «Greening<br />
of the World» ähnlich wichtig für unsere<br />
Gesellschaft werden könnte wie einst die<br />
industrielle Revolution. Viele kreative Köpfe<br />
und innovative Firmen fokussieren momentan<br />
auf dieses Thema. Und ich denke, sie<br />
sind auf dem richtigen Weg.<br />
Und abgesehen von den erhofften<br />
Innovationen aus der Wirtschaftswelt ?<br />
Natürlich gibt es diverse andere Instrumente,<br />
mittels derer die Privatwirtschaft uns unterstützen<br />
kann. So könnte man nach Möglichkeiten<br />
suchen, um den Bauern Risikoversicherungen<br />
anzubieten, die sie bei Ernteausfällen<br />
auffangen, oder man könnte Menschen<br />
Zugang zu finanziellen Mitteln ermöglichen,<br />
die normalerweise keinerlei Zugang zu Geld<br />
haben und die auch niemanden zum Thema<br />
Finanzierung um Rat fragen können. Der<br />
Privatsektor kann einen weiteren wichtigen<br />
Beitrag leisten, indem er den Aufbau von<br />
kleinen und mittelgrossen Unternehmen in<br />
Entwicklungsländern unterstützt und fördert.<br />
Dies nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern<br />
auch indem man die Menschen vor Ort<br />
bei Vertragsverhandlungen und in Finanzangelegenheiten<br />
berät. Ganz besonders<br />
Mikrounternehmungen sind auf das Knowhow<br />
und die Kompetenz grösserer Wirtschaftskonzerne<br />
angewiesen, um ihr Geschäft<br />
zum Laufen zu bringen. Erfreulicherweise<br />
engagieren sich immer mehr Wirtschaftsunternehmen<br />
im Bereich der Mikrofinanz.<br />
Doch egal auf welchem Weg sich der Privatsektor<br />
einbringen will: Es ist wichtig, sicherzustellen,<br />
dass der eingeschlagene Weg<br />
nachhaltig ist. Nur nachhaltig geplante<br />
Massnahmen büssen nicht schon nach kurzer<br />
Zeit ihre Wirkung ein.<br />
Viele grosse Unternehmen haben<br />
in den letzten Jahren den Global Compact<br />
unterzeichnet, einen Pakt, der zwischen<br />
Unternehmen und der UNO geschlossen<br />
wird, mit dem Ziel, die Globalisierung<br />
sozialer und ökologischer zu gestalten.<br />
Greift der Global Compact Ihrer Meinung<br />
nach überhaupt noch weit genug?<br />
Das Ziel und die Absichten des Global Compact<br />
waren sicherlich ein guter Anfang. Wir<br />
haben den Global Compact 1999 in Davos<br />
lanciert. Mittlerweile haben fast 4000 Unternehmen<br />
aus aller Welt den Global Compact<br />
unterschrieben. Das ist ein beachtlicher<br />
Erfolg. Aber wenn ich mir die Situation der<br />
Umwelt heute anschaue, denke ich, dass<br />
noch mehr getan werden sollte. Wir müssen<br />
alle noch besser zusammenarbeiten, um die<br />
Treibhausgasemissionen weiter redu zieren<br />
zu können. Es sollten dringend weitere Anpassungen<br />
in diversen Bereichen wie etwa<br />
Infrastruktur und Verkehr vorgenommen<br />
werden. Es gilt jedoch einen Weg zu finden,<br />
der auch den ärmeren Ländern ermöglicht,<br />
mit diesen Anpassungen umgehen zu können.<br />
Denn all diese Anpassungen, die zur<br />
Reduktion der Treibhausgase dringend nötig<br />
sind, werden eine gewaltige Menge an fi nanziellen<br />
Mitteln verschlingen. Also müssen wir<br />
uns so schnell als möglich um neue Finanzierungsmöglichkeiten<br />
bemühen. Vielleicht<br />
sollten wir es eher so sehen: Je grösser die<br />
Herausforderung, desto besser können wir<br />
unsere Kreativität und Innovationskraft unter<br />
Beweis stellen.<br />
Das Global Humanitarian Forum ist<br />
keineswegs das einzige Projekt, für das<br />
Sie sich engagieren. Als Vorsitzen der der<br />
Alliance for a Green Revolution in Africa<br />
(AGRA) bemühen Sie sich um die<br />
Verbesserung der Lage in Ihrer Heimat.<br />
Was steht hinter diesem Projekt?<br />
Für dieses Projekt war die grosse Besorgnis<br />
über die mangelnde Produktivität der afrikanischen<br />
Bauern – und damit die Besorgnis<br />
um den generellen Mangel an Nahrung in<br />
Afrika – ausschlaggebend. Daher habe ich<br />
vor ungefähr fünf Jahren eine Studie beim<br />
InterAcademy Council in Auftrag gegeben.<br />
Das ist ein Zusammenschluss von verschiedenen<br />
renommierten wissenschaftlichen<br />
Instituten und Akademien aus aller Welt.<br />
In der Studie sollte die Situation der afrikanischen<br />
Agrarwirtschaft analysiert werden:<br />
Wir wollten feststellen, wo genau die Pro-<br />
Foto: Mathias Luedecke<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Leader Kofi Annan<br />
73<br />
bleme liegen und in welchen Bereichen Verbesserungsmöglichkeiten<br />
bestehen, damit<br />
man so rasch als möglich eine Produktivitätssteigerung<br />
in der Landwirtschaft erreichen<br />
und die Bauern besser unterstützen<br />
kann. Die InterAcademy hat einen sehr fundierten<br />
Bericht abgeliefert, den wir dann<br />
diversen Führungskräften und einflussreichen<br />
Personen in ganz Afrika zukommen<br />
liessen. Der Bericht stiess auf grosses Interesse<br />
und der Stein kam ins Rollen: Vor<br />
zwei Jahren haben wir die Alliance for a<br />
Green Revolution ins Leben gerufen. Gründungsmitglieder<br />
sind etwa die Bill & Melinda<br />
Gates Foundation oder die Rockefeller<br />
Foundation. Die Kernidee war, Möglichkeiten<br />
zu finden, den Kleinbauern zu helfen: Sie<br />
sind die Hauptnahrungslieferanten in Afrika.<br />
Wir möchten sicherstellen, dass die Bauern<br />
und Bäuerinnen alles Nötige erhalten, um<br />
produktiv wirtschaften zu können. Und ich<br />
spreche hier bewusst von den Bäuerinnen,<br />
denn es sind vielfach die Frauen, die die<br />
Felder bewirtschaften.<br />
Angesichts der immer noch schwierigen<br />
Situation in Afrika scheinen die<br />
Ziele, die man sich gesteckt hat, ambitioniert.<br />
Wie gehen Sie bei der AGRA vor,<br />
um sie zu erreichen?<br />
Wir müssen versuchen, den Bauern qualitativ<br />
hochwertige res Saatgut zu besorgen,<br />
damit sie höhere Erträge erwirtschaften<br />
können. Wichtig ist auch, dass es besonders<br />
widerstandsfähig gegenüber Pflanzenschädlingen<br />
ist. Zudem müssen wir nach<br />
Wegen suchen, die Bodenqualität zu verbessern.<br />
Durch das Klima und die ständige<br />
Hitze ist der Boden in Afrika stark beansprucht<br />
und ausgelaugt. Wenn wir hier eine<br />
Lösung finden, könnten die Erträge der<br />
Landwirtschaft signifikant gesteigert werden.<br />
Ein ganz zentraler Punkt ist auch die<br />
Sicherstellung einer zuverlässigen Wasserversorgung.<br />
Zudem arbeiten wir daran, Lösungen<br />
für die Lagerung von Lebensmitteln<br />
zu suchen. Wir möchten mit Afrika zusammen<br />
an sämtlichen Aspekten der Wertschöpfungskette<br />
arbeiten, die den Anschluss<br />
des Kontinents an den Markt verbessern,<br />
und hoffen, dass wir durch all diese Massnahmen<br />
in zirka fünf Jahren die afrikanische<br />
Nahrungsmittelkapazität verdoppeln oder<br />
sogar verdreifachen können. <<br />
Kofi Annan war Gastreferent am ersten<br />
Credit Suisse Salon, der am 23. April im<br />
Museum Rietberg in Zürich stattfand.<br />
Lebensweg eines Krisenmanagers<br />
Sein Verständnis für fremde Kulturen und sein Verhandlungsgeschick sind<br />
legendär. Erworben hat Annan diese Eigenschaften bereits in der Jugend.<br />
Als Kofi Atta Annan am 8. April 1938 als<br />
ältester Sohn einer grossen, wohlhabenden<br />
Familie in Ghana das Licht der Welt erblickte,<br />
waren die Vereinten Nationen noch nicht<br />
einmal gegründet. Die Organisation, die<br />
später seinen Lebensweg massgeblich prägen<br />
würde, sollte erst sieben Jahre später<br />
ins Leben gerufen werden. Kofi Annan verbrachte<br />
den grössten Teil seiner Kindheit in<br />
Kumasi, einer Provinzhauptstadt an der<br />
Goldküste. Sein Vater war ein angesehener<br />
Geschäftsmann und Regionalpolitiker, dessen<br />
Tätigkeit es mit sich brachte, dass Kofi<br />
und seine Geschwister häufig die Schule<br />
wechseln mussten. Die Kinder waren von<br />
Anfang an mit unterschiedlichen Kulturen<br />
konfrontiert: So lehrte man sie in der Familie<br />
afrikanische Bräuche, zugleich stand das<br />
Land damals noch unter britischer Kolonialherrschaft.<br />
Toleranz, Anpassungsfähigkeit<br />
und Verständnis für andere Kulturen waren<br />
also Werte, die sich Annan früh aneignete.<br />
Mit 16 Jahren kam er auf ein Eliteinternat,<br />
wo man erstmals bemerkte, was für ein geschickter<br />
Redner und Vermittler er war. Neben<br />
seinen ausgeprägten kom munikativen<br />
Fähigkeiten fiel auch sein sportliches Talent<br />
als Sprinter auf. Annans Internatszeit endete<br />
1957, dem Jahr der Unabhängigkeit Ghanas.<br />
Er kehrte in seine Heimatstadt Kumasi zurück<br />
und begann mit dem Wirtschaftsstudium.<br />
Die neue Situation der Unabhängigkeit<br />
in Ghana rief in ihm den Wunsch hervor,<br />
sich – wie schon sein Vater – politisch zu engagieren,<br />
um sich am Aufbau des «neuen»<br />
Landes beteiligen zu können. Er trat dem<br />
Studentenrat bei. An einem Studentenkongress<br />
wurde ein Vertreter der Ford-Stiftung<br />
auf den charismatischen jungen Mann aufmerksam.<br />
Er riet Annan, sich für ein Stipendium<br />
in den Vereinigten Staaten zu bewerben.<br />
Er bekam tatsächlich einen Platz an<br />
einem College in Minnesota, verliess seine<br />
Heimat und setzte sein Studium auf einem<br />
anderen Kontinent fort.<br />
Er beteiligte sich weiterhin oft an Rhetorikwettbewerben<br />
und hielt bewegende Reden<br />
über das Gefälle zwischen Arm und<br />
Reich, gewann sogar einen landesweiten<br />
Wettbewerb. 1961 schloss er sein Studium<br />
in Minnesota ab und folgte dann einem<br />
Freund in die Schweiz, um dort noch ein<br />
weiteres Jahr am Hochschulinsti tut für internationale<br />
Studien der Universität Genf zu<br />
studieren. Wie viele seiner Kommilitonen<br />
bewarb sich auch Annan um einen Job bei<br />
den Vereinten Nationen, 1962 erhielt er<br />
schliesslich eine befristete Stelle bei der<br />
Weltgesundheitsorganisation (WHO). Er erhielt<br />
ein Folgeangebot und trat eine Stelle<br />
als Verwaltungs- und Finanzfachmann an.<br />
Nach drei Jahren bei der WHO zog es ihn<br />
jedoch zurück nach Afrika. Er nahm einen<br />
Posten als Personalreferent bei der UN-Wirtschaftskommission<br />
in Äthiopien an. Danach<br />
arbeitete er bei den Notfallstreitkräften der<br />
Vereinten Nationen in Ismailia und schliesslich,<br />
wieder zurück in Genf, im Büro des<br />
Hohen Flüchtlingskommissars. Anschliessend<br />
übernahm er die Personalleitung der<br />
United Nations Emergency Force in Kairo.<br />
Von 1975 bis 1976 verliess Annan die UNO,<br />
um endlich in seine Heimat Ghana zurückzukehren<br />
und die Förderung des Tourismus<br />
vor Ort zu organisieren.<br />
Doch auch in Ghana hielt es ihn nicht lange:<br />
Wieder kehrte er zu den Vereinten Nationen<br />
zurück und arbeitete als Beigeordneter<br />
Generalsekre tär in unterschiedlichen Positionen.<br />
Im Jahr 1993 wurde Annan vom damaligen<br />
UNO-Generalsekretär Boutros<br />
Boutros-Ghali zum Untergeneralsekretär<br />
mit dem Aufgabenbereich Friedenssicherung<br />
ernannt. 1995 wurde er als Sonderbeauftragter<br />
des Generalsekretärs nach Zagreb<br />
entsandt. Seine Leistungen im Zusammenhang<br />
mit der Organisation verschiedener<br />
Kriseneinsätze in Somalia, Ruanda und dem<br />
ehemaligen Jugoslawien verschafften Kofi<br />
Annan Anerkennung auf dem internationalen<br />
diplomatischen Parkett.<br />
Am 13. Dezember 1996 wurde Annan<br />
vom UN-Sicherheitsrat als erster Schwarzafrikaner<br />
zum UN-Generalsekretär gewählt. In<br />
seiner zehnjährigen Tätigkeit als Generalsekretär<br />
der Vereinten Nationen trug Annan wesentlich<br />
zur Bewältigung diverser schwieriger<br />
politischer Situationen bei. Für seine zahlreichen<br />
Verdienste um die Menschlichkeit wurde<br />
Kofi Annan 2001 mit dem Friedensnobelpreis<br />
geehrt. Er übergab sein Amt am<br />
31. Dezember 2006 dem damaligen südkoreanischen<br />
Aussenminister Ban Ki-moon.<br />
Seither engagiert sich Kofi Annan weiterhin<br />
– und aus tiefster Überzeugung – für die<br />
Ärmsten dieser Welt. mar<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
74<br />
Auf einen Klick www.credit-suisse.com/infocus<br />
@propos<br />
Meine California Connection<br />
michele.bodmer@credit-suisse.com<br />
Meine beste Freundin lernte ich in Malibu kennen.<br />
Wir waren eine kleine Gruppe von Jungredakteuren,<br />
die ihren Uniabschluss seit ein<br />
oder zwei Jahren in der Tasche hatten. Wir arbeiteten<br />
für verschiedene Magazine eines Verlagshauses,<br />
das zu Fuss keine zehn Minuten<br />
vom Strand entfernt lag. Die Bezahlung war<br />
mickrig, das Arbeitspensum gross, doch wir<br />
jungen Schreiberlinge wussten das Optimum<br />
aus unserem attraktiven Standort herauszuholen:<br />
Im Sommer vergnügte sich unsere Clique<br />
über Mittag jeweils beim Wellenreiten.<br />
Eines Tages stiess eine junge Frau dazu.<br />
Trotz viel guten Willens konnte sie eines nicht<br />
verbergen: Sie war absolut keine Wassernixe.<br />
Tapfer versuchte sie immer wieder, auf einer<br />
Welle zu reiten – bis sie schliesslich, wie zu befürchten<br />
war, selbst von einer erfasst und verschluckt<br />
wurde. Mit bangen Blicken hielten wir<br />
von unseren Surfbrettern aus Ausschau nach<br />
ihrem auftauchenden Kopf. Nach einer gefühlten<br />
Ewigkeit strandete sie schliesslich – etwas<br />
ramponiert, wie uns schien. Sie erhob sich sogleich<br />
wieder, gab zu unser aller Verwunderung<br />
ein herzhaftes Lachen von sich, schüttelte den<br />
Sand von ihrem Badeanzug, ergriff ihr Brett<br />
und stürmte zurück zu uns ins Wasser.<br />
Das war der Moment, in dem unsere Freundschaft<br />
besiegelt wurde. Eine Freundschaft, die<br />
auch nach elf Jahren immer noch hält. Das<br />
Ungewöhnliche daran ist, dass ich seit acht<br />
Jahren in Zürich lebe. Das Band, das uns zwischen<br />
meinen alljährlichen Ferien in Kalifornien<br />
zusammenhält, heisst E-Mail. Viele mögen kritisieren,<br />
dass die E-Mail-Kommunikation die<br />
echte Kommunikation zerstört hat. Ich bin da<br />
ganz anderer Meinung. Für meine Freundin<br />
und mich ist es das zentrale Kommunikationsmittel.<br />
Mindestens zwei, drei Mal pro Woche<br />
erwarte ich morgens in der Inbox eine ausführliche,<br />
vor Witz und Häme nur so strotzende<br />
Replik auf mein E-Mail-Elaborat vom Vortag.<br />
Diese Mail – dieser Link zu meiner Vergangenheit,<br />
zu meinem Geburtsstaat Kalifornien, zu<br />
meiner Freundin – versetzt mich jeweils für den<br />
ganzen Rest des Tages in gute Laune. Und<br />
abends verfasse ich dann eine meiner Ansicht<br />
nach um einiges witzigere, aber ebenso ausführliche<br />
Antwort, an der sie sich ihrerseits<br />
beim Morgenkaffee ergötzen kann. Also: Bringen<br />
Sie Ihre Finger in Stellung und senden Sie<br />
Ihren Freunden und Verwandten noch heute<br />
einen elektronischen Brief. Sie werden es<br />
nicht bereuen.<br />
credit-suisse.com/infocus<br />
Online-Forum mit Peter Sauber<br />
Der Rennsportpionier steht den<br />
Bulletin-Lesern Rede und Antwort<br />
Seit über 50 Jahren sind Rundstrecken-Rennen in der Schweiz verboten.<br />
Die Schweiz kennt auch keine Automobilindustrie. Insofern mutet es<br />
schon fast wie ein Wunder an, dass am vergangenen 8. Juni gleich zwei<br />
in der Schweiz produzierte Fahrzeuge einen Doppelsieg in der prestigeträchtigsten<br />
Rennserie der Welt einfuhren. Dem Polen Robert Kubica<br />
kam die Ehre zu, im Grand Prix von Kanada am Steuer seines BMW<br />
Sauber F1.<strong>08</strong> den ersten Sieg seines Rennstalls in der Formel 1 zu holen.<br />
Dank seinem Teamkollegen Nick Heidfeld, der als Zweiter durchs Ziel<br />
raste, wurde daraus gleich ein doppelter Erfolg. Dieser historische Sieg<br />
hat vor allem einen Vater: Peter Sauber. 1993 war es, als der Rennsportpionier<br />
mit seinem im Jahr 1970 gegründeten Team in die Formel 1 zog.<br />
Ein veritabler Sprung ins Haifi schbecken, mussten doch in den letzten<br />
Jahren die meisten der kleinen Privatteams früher oder später vor den<br />
finanzstarken Automobilgiganten kapitulieren. Nicht so Peter Sauber,<br />
dessen Rennstall sich 13 Jahre lang mehr als wacker schlug und mitten<br />
im idyllischen Zürcher Oberland eines der effizientesten Teams der<br />
modernen Formel 1 aufbaute. Mehr als einmal konnten die Leute aus<br />
Hinwil einem der Grossen ein Bein stellen. Sechsmal fuhr ein Sauber-<br />
Fahrer aufs Podest, und im Jahr 2001 schaffte man sogar den hervorragenden<br />
vierten Platz in der Konstrukteurswertung. Erfolgreich verlief<br />
auch die Regelung der Nachfolge: Mit BMW übernahm ein Weltkonzern<br />
mit einer renommierten Rennsportgeschichte Anfang 2006 die Führung.<br />
Die Autos wurden weiterhin in Hinwil gebaut, wo auch der moderne Windkanal<br />
steht. Die Motoren und die Getriebe kamen neu aus München.<br />
Mit den grösseren fi nanziellen Mitteln stellte sich auch der grosse Erfolg<br />
ein: In nur zwei Saisons fanden die Boliden aus Hinwil den Anschluss<br />
an die absolute Spitze. Das freut nicht nur die zahlreichen Fans, sondern<br />
auch die Credit Suisse, seit 2001 «Offi cial Partner» des Rennstalls. ath<br />
Die Bulletin-Leser haben die einmalige Gelegenheit, Peter Sauber in<br />
unserem Online-Forum ihre Fragen zu stellen. Die Antworten werden<br />
zeitversetzt im Internet aufgeschaltet, zudem wird der Fragesteller<br />
per E-Mail benachrichtigt, sobald die Antwort auf seine Frage eingetroffen<br />
ist. Das Forum startet am 4. August und läuft bis zum 14. August.<br />
Mehr Infos unter: www.credit-suisse.com/f1.<br />
Fotos: Cédric Widmer | Martina Meier, Eva-Maria Züllig<br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
Empfehlenswerte<br />
Fluggesellschaften sind<br />
deutlich angekreuzt.<br />
–<br />
QUALITÄT, SWISS MADE.<br />
–<br />
Wir sind dem Symbol verpflichtet, mit dem wir uns schmücken dürfen. Das Schweizerkreuz steht für einen hohen Anspruch an Qualität in allen Bereichen<br />
unseres Angebots. Ein Anspruch, dem wir täglich gerecht werden wollen. SWISS wurde an den Business Traveller Awards 2007 als beste Airline im<br />
Europaverkehr ausgezeichnet. Dabei wurden speziell unser Kabinenpersonal, der Kabinenkomfort und der Service am Boden als überdurchschnittlich<br />
bewertet. Auf SWISS.COM erfahren Sie, was wir sonst noch alles tun, um unseren Gästen jeden Flug so angenehm wie möglich zu gestalten.<br />
SWISS.COM
Ihre Pension in Ihren Händen.<br />
von Clariden Leu.<br />
Mit MyPension hat Clariden Leu ein transparentes und flexibles Anlagekonzept für die Zeit nach Ihrer Pensionierung<br />
entwickelt. Als anspruchsvoller Kunde bestimmen Sie über die Anlage Ihres Kapitals. Dabei entscheiden Sie nicht nur, wie<br />
hoch Ihr regelmässiges Einkommen sein soll, sondern auch, auf welche Performance Sie am Kapitalmarkt abzielen. Profitieren<br />
Sie von unserer Kompetenz im Private Banking und den Vorzügen einer individuellen Beratung. Wir freuen uns auf<br />
Ihren Anruf unter 058 205 50 50 oder über Ihre E-Mail: info.mypension@claridenleu.com<br />
a CREDIT SUISSE GROUP company<br />
www.claridenleu.com/mypension