18 <strong>Ozean</strong> Entdecker Geheimnisse des <strong>Ozean</strong>s gründen tief Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>
<strong>Ozean</strong> Entdecker 19 Foto: Peter Batson, DeepSeaPhotography.com Die Bedeutung der <strong>Ozean</strong>e für das Leben auf dem Planeten Erde ist unbestritten. Sie sind nicht nur für den Welthandel und das Wohlergehen der Konjunktur entscheidend, sondern auch ein wesentlicher Bestandteil des Lebenser haltungssystems Erde. Die <strong>Ozean</strong>e spielen eine zentrale Rolle in der Aufrechterhaltung des Sauerstoff-Kohlenstoff-Gleichgewichts in der Atmosphäre und in der Regulierung des Erdklimas. Das sind die Fakten, die bisher erwiesen sind. Aber in den Weiten der Weltmeere wimmelt es noch von unentdeckten Lebewesen und Ressourcen, die für die Menschheit von unermesslichem Wert sein können. «Um herauszufinden, was dort draussen darauf wartet, entdeckt zu werden, müssen wir noch viel mehr in die Forschung investieren», sagt Steve Hammond, Direktor des Office of Ocean Exploration (OOE) der amerikanischen Wetter- und <strong>Ozean</strong>ografiebehörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration). Technologische Fortschritte haben die Meereswissenschaften grundlegend verändert und ermöglichen es, in immer grössere Tiefen vorzudringen. Trotzdem sind rund 90 Prozent der <strong>Ozean</strong>e noch unerforscht. «Es wurde schon oft gesagt und trifft tatsächlich zu: Wir wissen mehr über die Oberfläche von Mond und Mars als über die Topografie unseres eigenen Planeten. Und obwohl es sicher wichtig ist, andere Planeten zu erkunden, ist es mindestens ebenso wichtig, dass wir unseren eigenen erforschen und verstehen», betont Hammond, der seit über 40 Jahren als <strong>Ozean</strong>ograf arbeitet. Die Meeresforschung ist in vielerlei Hinsicht mit der Weltraum- und Planetenforschung vergleichbar. Beide liefern neue Erkenntnisse über den Ursprung und das Innenleben unseres Planeten. Und wie im Weltraum ist auch die bemannte Erforschung des unwirtlichen Meeresbodens kostspielig, schwierig und bisweilen gefährlich. Um den Gefahren und Komplikationen des erhöhten Drucks in der Tiefe zu begegnen, besteht ein Trend zur unbemannten Erforschung mittels teurer, aber leistungsfähiger ferngesteuerter Fahrzeuge (ROV) und, seit kurzem, autonomer Unterwasserfahrzeuge (AUV). Der französische Meeresforscher Jacques- Yves Cousteau war mit seinen weltweit aus gestrahlten Dokumentarfilmen für die <strong>Ozean</strong>e, was Neil Armstrong für den Mond – er führte den Menschen ein bislang unbekanntes Universum vor Augen. Trotz seines viel beachteten Lebenswerks und der Arbeiten unzähliger anderer Forscher weiss die Menschheit heute noch immer mehr über die Oberfläche des Mondes als die der <strong>Ozean</strong>e. Text: Michèle Bodmer Diese neuen Technologien machen es möglich, mehr von dieser unermesslichen Umgebung zu erforschen. Während der zweiten Amtszeit von Bill Clinton wurde eine präsidiale Kommission zur Erforschung der Meere gebildet mit dem Auftrag, die Entwicklung eines Meeresforschungsprogramms ins Auge zu fassen, das die Erkundung unbekannter und wenig bekannter Meeresgebiete sowie wissenschaftliche Fortschritte ermöglichen sollte. Die Ergebnisse der Kommission, veröffentlicht in einem Bericht mit dem Titel «Discovering Earth’s Final Frontier: A US Strategy for Ocean Exploration», zeigten, dass die <strong>Ozean</strong>e eine Grundlage des Lebens auf diesem Planeten darstellen und für die Wirtschaft, die öffentliche Gesundheit und die Umwelt von Bedeutung sind. Die Kommission schrieb ausserdem Geschichte, als sie eine nationale Strategie für die Erforschung der Weltmeere erarbeitete – weltweit die erste ihrer Art. Aufgrund dieser Strategie gründete die NOAA als zivile Meeresbehörde der USA 2001 das Office of Ocean Exploration (OOE). «Das Forschungsprojekt der NOAA dringt an Orte vor, wo noch nie zuvor ein Mensch war, und führt entsprechende Untersuchungen durch, um zu ermitteln, was an einer bestimmten Stelle des Meeres vor sich geht, und die dortigen Lebensformen zu erkunden», erklärt Hammond. Eine der Hauptaufgaben des OOE ist die Kartierung des Meeresbodens, um einen grundlegenden Rahmen und Kontext für die Erforschung zu liefern. Einige der bekanntesten Meeresbodenkarten wurden vor mehreren Jahrzehnten von der National Geographic Society und der US Navy veröffentlicht. Karten jüngeren Datums beruhen auf der Satellitenaltimetrie, und zusammen bieten diese Karten einen Einblick in die oftmals erstaunlich komplexe Topografie des Meeresbodens. Aber nach Ansicht von Experten sind sie zu wenig detailgenau. «Diese gut bekannten Karten könnten den Eindruck vermitteln, dass es nicht mehr viel zu entdecken gibt», meint Hammond, der zugleich betont, dass «die <strong>Ozean</strong>e bis heute nahezu unerforscht sind». Die Meere bleiben ein Geheimnis Nach Ansicht von Hammond, der zunächst als leitender Wissenschaftler und seit vier Jahren als Direktor beim OOE arbeitet, kennen wir bei einem Grossteil der <strong>Ozean</strong>e die Topografie des Meeresbodens nicht im Detail. Wir wissen auch nicht wirklich, wie das Meer funktioniert, das gilt insbesondere für die Tiefsee. «Auf jeder Mission werden bemerkenswerte Entdeckungen gemacht, von denen jede auf ihre Art bedeutend ist. In den <strong>Ozean</strong>en lebt eine unglaubliche Vielzahl von Arten, nicht nur Fische. Es gibt auch Wir bellose und Mikroorganismen, die das Potenzial für biomedizinische und andere technische Anwendungen bieten», so Hammond. Mit Hilfe von akustischer Überwachungstechnologie, Kartierungen, ROV und hochauflösenden Kameras ist es den Wissenschaftlern des OOE gelungen, Vulkane auf dem Meeresboden zu lokalisieren, Eruptionen zu filmen und wertvolle Wasserproben aus den Tiefen des nordöstlichen und westlichen Pazifiks zu sammeln. «Wir haben Mikroorganismen entdeckt, die in Wassertemperaturen von über 100 Grad Celsius leben und in einem giftigen Chemikaliengemisch, das aus Schloten aufsteigt, aufblühen», erklärt Hammond. Diese und andere seltsame Mikroorganismen, die nach tiefen Vulkanausbrüchen in gewaltigen Heisswasserfontänen entdeckt wurden, waren der Schlüssel zur Entdeckung riesiger, über die ganze Welt verteilter mikrobieller Ökosysteme, die in vulkanisch aktiven Zonen unter dem Meeresboden existieren. > Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>