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Credit Suisse bulletin, 2008/03

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Wirtschaft Weltweite Infl ation 53<br />

angeführt, aber im Wesentlichen liegen den<br />

Preissteigerungen fundamentale Faktoren<br />

zugrunde. Auf der Nachfrageseite haben<br />

die Konsumenten in den Schwellenländern<br />

mit zunehmendem Wohlstand ihre Ernährungsgewohnheiten<br />

geändert. Der Durchschnittsverbrauch<br />

an Fleisch, dessen Produktion<br />

besonders viel Getreide und Wasser<br />

beansprucht, hat in den Schwellenländern<br />

rasant zugenommen.<br />

Auf der Angebotsseite verzeichneten<br />

mehrere Kulturpflanzen in den letzten Jahren<br />

stagnierende oder sogar rückläufige Ernten,<br />

was teilweise auf Klimaänderungen zurückzuführen<br />

ist. Historisch gesehen folgen die<br />

Inlandspreise für Nahrungsmittel nicht immer<br />

den weltweiten Preisschwankungen.<br />

Das liegt zum Teil an regulatorischen Verzerrungen<br />

wie Subventionen und Zöllen sowie<br />

der damit verbundenen Abschottung der<br />

inländischen Nahrungsmittelpreise von der<br />

Entwicklung auf den Weltmärkten. Dennoch<br />

war der zuletzt starke Anstieg der weltweiten<br />

Nahrungsmittelpreise in den meisten<br />

Ländern mit einer deutlichen Zunahme der<br />

Nahrungsmittelinflation verbunden.<br />

Die höheren Ölpreise lassen sich weitgehend<br />

mit einer nach wie vor robusten Konjunktur<br />

in vielen Schwellenländern erklären,<br />

auch wenn sich das Wachstum in den USA<br />

und anderen Industrieländern verlangsamt<br />

hat. Die trotz markant gestiegener Preise<br />

starke Nachfrage aus den Schwellenländern<br />

ist zumindest teilweise darauf zurückzuführen,<br />

dass viele Entwicklungsländer versucht<br />

haben, die Inlandspreise durch Subventio nen<br />

nach oben zu begrenzen, um ihre Volkswirtschaften<br />

vor der Entwicklung auf den internationalen<br />

Energiemärkten abzuschirmen. In<br />

China beispielsweise haben sich die Benzinpreise<br />

seit 2000 nur verdoppelt, während sie<br />

in den USA fast um das Dreifache gestiegen<br />

sind. Die Ölnachfrage dürfte sich abschwächen,<br />

sobald sich die Konsumenten anstelle<br />

von künstlich tief gehaltenen Inlandspreisen<br />

mit Preisen konfrontiert sehen, die näher am<br />

Weltmarktniveau liegen. Dies sollte überdies<br />

helfen, das Nachfragewachstum einzudämmen<br />

und weitere Preisanstiege zumindest<br />

kurzfristig zu begrenzen.<br />

Andererseits sind die Bedenken hinsichtlich<br />

der Vorräte wie schon bei den Nahrungsmitteln<br />

in jüngster Zeit gewachsen. Die Internationale<br />

Energieagentur (IEA) hat angedeutet,<br />

dass sie ihre langfristigen<br />

Vor rats prognosen nach unten korrigieren<br />

werde, was in den letzten Wochen zu einer<br />

markanten Neubewertung der langfristigen<br />

Preiserwartungen geführt hat. Die steigen de<br />

Inflation hat die Kaufkraft amerikanischer<br />

Konsumenten bereits gesenkt. So gaben<br />

die Konsumenten in den USA im ersten<br />

Quartal beispielsweise 109 Milliarden Dollar<br />

für Benzin aus. Dies entspricht einer Zunahme<br />

von rund 30 Prozent gegenüber dem<br />

Vorjahreszeitraum. Die steigen de Inflation<br />

hat auch negative Auswirkungen auf die Gewinne<br />

der Unternehmen, sofern diese die<br />

höheren Faktorkosten nicht weitergeben<br />

können. Insbesondere in den USA, wo sich<br />

die Inlandsnachfrage momentan abschwächt,<br />

bekunden die Unternehmen Mühe, ihre Preise<br />

zu erhöhen.<br />

Ein weiteres Risiko besteht darin, dass<br />

eine höhere Inflation zu höheren Inflationserwartungen<br />

und somit zu Lohnerhöhungen<br />

führt. Aus höheren Löhnen könnten wiederum<br />

höhere Preise resultieren, falls die Unternehmen<br />

versuchen, ihre Gewinnmargen<br />

zu wahren. Im Extremfall entsteht daraus<br />

eine Lohn-Preis-Spirale.<br />

Es gibt mehrere Gründe, weshalb das<br />

Risiko einer länger anhaltenden Inflation in<br />

den Schwellenländern grösser ist. Die Löhne<br />

sind nach wie vor niedrig, und oft mangelt<br />

es an qualifiziertem Personal. Demgegenüber<br />

sehen sich Arbeitnehmer in den Industrieländern<br />

weiterhin einem internationalen<br />

Wettbewerb ausgesetzt, was ihre Lohnforderungen<br />

begrenzen dürfte. Ausserdem haben<br />

Schwellenländer tragen die Hauptlast<br />

Höhere Nahrungsmittelpreise bergen grössere Risiken für Schwellenländer,<br />

da die Bevölkerung ärmer ist und ein grösserer Anteil der Ausgaben auf Nahrungsmittel<br />

entfällt. Quelle: World Bank, inländische Quellen, Credit Suisse<br />

Philippinen<br />

Vietnam*<br />

Thailand*<br />

China<br />

Malaysia*<br />

Indonesien<br />

Südafrika<br />

Brasilien<br />

Euroraum<br />

Indien<br />

USA<br />

sie in den letzten Jahren von einer stabilen<br />

Inflation auf niedrigem Niveau profitiert.<br />

Viele werden deshalb die zurzeit hohen Inflationsraten<br />

als vorübergehendes Phänomen<br />

erachten, das die Realeinkommen zwar<br />

kurzfristig schmälern wird, aber schon bald<br />

wieder nachlassen könnte.<br />

Demgegenüber haben die Konsumenten<br />

in den Schwellenländern in jüngster Zeit immer<br />

wieder Phasen hoher Inflation erlebt<br />

und dürften deshalb befürchten, dass diese<br />

zurückkehren. Nahrungsmittel machen einen<br />

beträchtlichen Anteil am Warenkorb<br />

von armen Konsumenten in den Schwellenländern<br />

aus, weshalb der steile Anstieg der<br />

Nahrungsmittelpreise zu einer existenziellen<br />

Bedrohung werden kann. Aus diesem Grund<br />

dürften die Arbeitnehmer in den Schwellenländern<br />

hartnäckiger Lohnerhöhungen fordern<br />

als in den Industrieländern.<br />

Viele Unternehmen in den Industrieländern<br />

haben die Preise ihrer Produkte zwar<br />

angehoben, um den höheren Faktorkosten<br />

Rechnung zu tragen, aber die meisten konnten<br />

diese Kostensteigerungen wegen der<br />

rückläufigen Nachfrage nicht vollumfänglich<br />

weitergeben. In den meisten Schwellenländern<br />

bleibt der Konsum dagegen robust,<br />

und viele Unternehmen arbeiten an der<br />

Kapazitätsgrenze. Ihnen bieten sich daher<br />

mehr Anreize und Möglichkeiten, die Preise<br />

zu erhöhen. <<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%<br />

Gewichtung von Nahrungsmitteln im Konsumentenpreisindex (KPI)<br />

Bevölkerung mit weniger als 1 Dollar pro Tag in % der Gesamtbevölkerung<br />

(* unter 2%)<br />

Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>

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