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Credit Suisse bulletin, 2008/03

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<strong>Ozean</strong> Wohnraum<br />

13<br />

Fotos: JMS Naval Archtiects & Salvage Engineers | Poseidon Undersea Resorts | Créations Jacques Rougerie<br />

das vor allem der «innere Kosmos» (wie man die Welt unter Wasser<br />

damals nannte). Visionäre schwärmten von Meeressiedlungen,<br />

deren Bewohner allenfalls gelegentlich an Land kommen würden.<br />

Sie würden ihre Tage damit verbringen, unterseeische Mineralien<br />

abzubauen, nach Öl zu bohren oder Förderplattformen zu warten.<br />

Es wurde selbst darüber nachgedacht, Kernkraftwerke auf dem<br />

Meeres grund zu errichten. «Schon morgen», prophezeite der Aquanaut<br />

pionier Stenuit, «wird ein Siedler seinen Grund und Boden<br />

durch die Bullaugen seiner Unterwasser-Ranch überblicken.»<br />

Doch zunächst kam es nicht dazu. Ein paar Aquanauten starben<br />

bei Tauchunfällen und das Erschrecken darüber war so gross,<br />

dass einige Projekte eingestellt wurden. Auch begann sich abzuzeichnen,<br />

dass die Ölindustrie – ein früher Sponsor von Unterwasserhabitaten<br />

– Dinge wie Bohrungen billiger von Robotern und ROVs<br />

(Remotely Operated Vehicles) ausführen lassen konnte. Und das<br />

er wachende Umweltbewusstsein bremste die einstige Begeisterung<br />

für den Plan, die Meere hemmungslos auszubeuten. Selbst die<br />

spek takulären Mondlandungen wirkten sich aus Sicht der Aquanauten<br />

nachteilig aus, denn sie monopolisierten die Aufmerksamkeit –<br />

die breite Öffentlichkeit vergass die Idee, die <strong>Ozean</strong>e zu besiedeln.<br />

Mehr Menschen leben im All als unter Wasser<br />

Heute leben dank der Internationalen Raumstation mehr Menschen<br />

im All als unter Wasser. Sieht man von einigen militärischen<br />

U-Booten ab, die nomadenhaft in der Tiefsee patrouillieren, besucht<br />

der Mensch die unermessliche Weite der Meere noch immer nur zu<br />

Stippvisiten. Bis zu sechs Gäste etwa können sich nächteweise in<br />

der «Jules’ Undersea Lodge» einmieten, einem ausgemusterten<br />

Unterwasserhabitat aus den Siebzigerjahren, das gut sechs Meter<br />

tief in einer Mangrovenlagune in Key Largo, Florida, liegt. Ganz in<br />

der Nähe ist die «Aquarius» aufgebockt, die einzige Überlebende<br />

der einstigen Flotte unterseeischer Forschungshabitate. Meeresbiologen<br />

quartieren sich für gewöhnlich zehn Tage in ihr ein, um<br />

die umliegenden Korallen zu studieren. Privatsphäre dürfen sie<br />

dabei freilich nicht verlangen. Gerade einmal 14 Meter lang und<br />

drei Meter breit ist die eher spartanisch eingerichtete «Aquarius»<br />

für sechs Bewohner ausgelegt.<br />

Doch noch immer gibt es Menschen, die den Traum von einer<br />

per manenten Präsenz unter den Wellen nicht aufgegeben haben –<br />

und die überzeugt sind, dass die Zeit reif für einen neuen Anlauf<br />

ist. Dennis Chamberland ist denn auch nicht der Einzige, der ernsthaft<br />

an entsprechenden Projekten arbeitet. So ist etwa ein Meeresbiologe<br />

der Universität von Connecticut derzeit dabei, Geld für<br />

gleich zwei hochmoderne Unterwasser habitate aufzutreiben. In<br />

bereits zwei bis vier Jahren hofft Richard Cooper, Gründer der<br />

gemeinnützigen Ocean Technology Found ation, in einem noch nicht<br />

näher benannten tropischen Gewässer mit dem Bau einer zweistöckigen<br />

Meeresbehausung zu beginnen. Anders als fast alle bisherigen<br />

Unterwasserprojekte soll die Station, die für 18 und 40<br />

Meter Tiefe geplant ist, auch für Laien zugänglich sein – etwa für<br />

Freizeittaucher, die mehr Zeit im Nass verbringen wollen.<br />

Langfristig jedoch möchte Cooper ein noch weit ehrgeizigeres<br />

Projekt angehen: eine mit 370 Quadratmetern baumarktgrosse<br />

Tiefseestation vor der Küste Neuenglands. Der niedrigste Punkt<br />

der Ocean Base One läge 180 Meter unter der Oberfläche. Zwei<br />

Kabinen würden darin bis zu 60 Bewohnern Platz bieten. Dabei<br />

würde der Luftdruck des einen Abteils künstlich auf dem Level der<br />

Oberfläche gehalten, um schnelle Ausflüge ans Land zu ermöglichen.<br />

In einer zweiten Kabine würde dagegen der Druck der Umgebung<br />

herrschen: 19 Bar. Dies soll den Bewohnern erlauben,<br />

ausgedehnte Ausflüge unter Wasser zu unternehmen, ohne sich<br />

um die «Bends» sorgen zu müssen. So bezeichnen Taucher jenes<br />

schmerzhafte und potenziell tödliche physische Phänomen, bei dem<br />

der erhöhte Druck unter Wasser Gase im Blut komprimiert, die zu<br />

sprudeln beginnen, wenn der Betroffene zu schnell auftaucht. Erst<br />

gegen Ende ihres Aufenthalts müssten diese Aquanauten schrittweise<br />

an die Verhältnisse des Landes akklimatisiert werden –<br />

ein Prozess, der fast sieben Tage beanspruchen dürfte. Zwischen<br />

50 und 70 Millionen Dollar werde es kosten, Ocean Base One zu<br />

bauen, schätzt Cooper.<br />

5-Stern-Luxussuiten mit Blick auf Korallenriffe<br />

Damit wird sein Projekt vermutlich deutlich billiger ausfallen als das<br />

«Poseidon Undersea Resort», ein Unterwasserhotel, das derzeit<br />

für die Südsee entwickelt wird. Denn das soll 5-Sterne-Luxus auf<br />

dem Grund des <strong>Ozean</strong>s bieten. Geplant sind transparente Aufzüge,<br />

welche die Besucher zwölf Meter tief ins Wasser fahren, von<br />

wo sie trockenen Fusses eine von 24 Suiten betreten, die entlang<br />

eines Korallenriffs aufgereiht werden sollen. Grossflächige Acrylfenster<br />

(auch die Decke wird teils durchsichtig sein) werden es den<br />

Gästen erlauben, selbst vom Bett oder vom zimmereigenen Whirlpool<br />

aus zu beobachten, wie sich ringsherum die Fische im himmelblauen<br />

Wasser tummeln. Ebenfalls unter den Wellen liegen<br />

werden wohl ein Restaurant, ein Konferenzsaal, eine Hochzeitskapelle<br />

und ein Wellnesszentrum. Nach mehreren Rückschlägen<br />

soll das Luxus etablissement nun 2009 nahe einer privaten Insel im<br />

Fidschi-Archipel eröffnet werden. Reservieren darf man bereits<br />

ab 15. September dieses Jahres – vorausgesetzt, man verfügt über<br />

die 15 000 Dollar, die der Aufenthalt im Unterwasserhotel, inklusive<br />

Flug zur Privat insel, Gerüchten zufolge kosten wird.<br />

Noch grandioser soll das «Hydropolis Undersea Resort» ausfallen,<br />

das für die exklusive Jumeirah-Küste vor Dubai entworfen<br />

wurde. Vorgesehen sind durchsichtige Tunnel, durch die Besucher<br />

von der landgelegenen Rezeption zu den Zimmern laufen, die 20<br />

Meter tief im Persischen Golf gebaut werden sollen. Das zehn<br />

Hektar grosse Hotel (dessen Bau ebenfalls bereits Verzögerungen<br />

erlebte) soll unter anderem 220 Räume, ein Kino, eine Klinik<br />

für Schönheitsoperationen und einen unterseeischen Ballsaal enthalten,<br />

heisst es. Auch für den Persischen Golf geplant ist die<br />

«City in the Ocean», ein bereits optisch futuristisch anmutendes<br />

Projekt, das der französische Architekt Jacques Rougerie im Auftrag<br />

von Abu Dhabi erdacht hat. Wie Neptuns Zacken ragen in der<br />

Modellzeichnung drei 320 Meter hohe Wohntürme über die kreisrunde<br />

Siedlung hinaus, die komplett im Wasser errichtet werden<br />

und auch unterseeische Einheiten enthalten soll.<br />

Selbst wenn sich viele dieser visionären Projekte noch im frühen<br />

Planungsstadium befinden – für jene, die sich nach einem Leben<br />

unter den Wellen sehnen, scheinen die Aussichten besser als<br />

seit Jahrzehnten. «Bald werden Familien unter Wasser wohnen und<br />

arbeiten. Kinder werden dort zur Schule gehen und eine neue Generation<br />

wird dort geboren werden – die ersten Bürger einer <strong>Ozean</strong>zivilisation,<br />

deren wichtigste Aufgabe es sein wird, auf die Weltmeere<br />

aufzupassen und sie zu beschützen», schwärmt Meereskolonialist<br />

in spe Chamberland voller Zuversicht. «Das ist keine<br />

Illusion oder Träumerei, sondern ein Plan, der Schritt für Schritt<br />

verwirklicht werden kann.» <<br />

Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>

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