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Credit Suisse bulletin, 2008/03
Credit Suisse bulletin, 2008/03
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Leader Kofi Annan<br />
71<br />
«Der Klimawandel verursacht eine<br />
gefährliche Kettenreaktion»<br />
Interview: Mandana Razavi<br />
Eineinhalb Jahre sind vergangen, seit Kofi Annan sein Amt<br />
als Generalsekretär der Vereinten Nationen an seinen Nachfolger<br />
übergeben hat. Doch der Mann, der von der Öffentlichkeit als<br />
«moralisches Gewissen der Welt» bezeichnet wird, setzt sich weiterhin<br />
für die Schwächsten ein – und mobilisiert dafür die Stärksten.<br />
Foto: Larry W. Smith, epa, Keystone<br />
Bulletin: Nach Ablauf Ihrer Amtszeit als<br />
Generalsekretär der Vereinten Nationen<br />
haben Sie sich neuen Projekten zugewandt:<br />
Zusammen mit dem Aus sen ministe<br />
rium der Schweiz und der Stadt<br />
Genf haben Sie das «Global Humanitarian<br />
Forum» gegründet. Wie kam es dazu?<br />
Kofi Annan: Wir haben uns die humanitäre<br />
Situation in der Welt angesehen und uns dabei<br />
gefragt, wie wir als Gesellschaft am besten<br />
an diese Probleme herangehen können.<br />
Wir wollten uns diesem Thema auf systematische<br />
Weise annähern, um nachhaltig etwas<br />
bewirken zu können. So kamen wir auf die<br />
Idee, ein Forum zu gründen, das sich auf<br />
globaler Ebene mit den humanitären Problemstellungen<br />
unserer Zeit befasst. Wir<br />
versuchten, möglichst viele Experten und<br />
Meinungsführer aus ganz unterschiedlichen<br />
Bereichen – wie etwa aus Universitäten, Regierungen,<br />
der Privatwirtschaft, dem Militär<br />
oder aus Nichtre gierungsorganisationen – zu<br />
überzeugen und an einen Tisch zu bringen.<br />
Das Forum wurde letzten Oktober ins<br />
Leben gerufen. Wie geht es weiter?<br />
Das erste Jahrestreffen fand am 24. und<br />
25. Juni statt. Wir haben beschlossen, uns<br />
im ersten Jahr auf den Zusammenhang zwischen<br />
dem Klimawandel und der prekären<br />
humanitären Situation in den ärmsten Ländern<br />
zu konzentrieren und mit vereinten<br />
Kräften nach Lösungen zu suchen. Erstaunlicherweise<br />
denken auch heutzutage noch<br />
viele Menschen, dass der Klimawandel etwas<br />
ist, das irgendwann einmal – in ferner<br />
Zukunft – auf uns zukommt. Sie betrachten<br />
die Entwicklungen der Umwelt gewissermassen<br />
als abstraktes Problem. So wissen<br />
zwar viele, dass es wichtig ist, die Treibhausgasemissionen<br />
weltweit drastisch zu<br />
reduzieren, um drohende Umweltkatastrophen<br />
zu verhindern, aber die Menschen sind<br />
sich viel zu wenig im Klaren darüber, dass<br />
der Klimawan del bereits stattfindet und unsere<br />
Umwelt schon stark davon betroffen<br />
ist. Dabei ist es entscheidend, die Dringlichkeit<br />
dieses Problems zu erkennen, zumal der<br />
Klimawandel einen direkten Einfluss auf das<br />
Leben der Menschen hat – besonders auf<br />
jene in den Entwicklungsländern. So verursacht<br />
er in einigen Ländern lange und<br />
schwere Trockenperioden, die wiederum<br />
fatale Auswirkungen auf die Produktivität<br />
der Landwirtschaft haben. Als Folge davon<br />
nehmen Unterernährung und Krankheiten<br />
dramatisch zu.<br />
Sie verweisen hier also auf das<br />
Phänomen einer Kettenreaktion?<br />
Genau. In manchen Regionen dehnt sich die<br />
Wüste mit einer Geschwindigkeit von über<br />
sieben Kilometern pro Jahr aus. Es ist absolut<br />
zwingend, so rasch als möglich Massnahmen<br />
zu ergreifen, um diese gefährlichen<br />
Entwicklungen unter Kontrolle zu bringen<br />
und diese Regionen zu entlasten. Die Menschen<br />
dieser Länder sind die ärmsten, die<br />
am leichtesten verwundbaren und die mit<br />
den geringsten Ressourcen. Wir müssen<br />
dringend einen Weg finden, sie zu unterstützen,<br />
und ihnen helfen, sich an die veränderten<br />
Umweltbedingungen anzupassen.<br />
Noch sind die Auswirkungen des<br />
Klimawandels nicht für alle spürbar.<br />
Wie dramatisch ist die Situation wirklich?<br />
Wie dramatisch die Situation in einigen Ländern<br />
bereits ist, sehen und hören wir immer<br />
wieder: So leben beispielsweise die Menschen<br />
zahlreicher Städte, die sich nahe am<br />
Meeresspiegel befinden, in ständiger Bedrohung<br />
vor Überflutung. Der Präsident der<br />
Malediven, der an einem unserer Semi- ><br />
Credit Suisse Bulletin 3/<strong>08</strong>