Volltext (PDF) - Monarch - Qucosa
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Jana Voigt<br />
Berufliche Orientierung zwischen Anspruch und Realität
Jana Voigt<br />
Berufliche Orientierung zwischen Anspruch<br />
und Realität<br />
Evaluation ausgewählter<br />
Orientierungsmaßnahmen und ihrer Wirkung<br />
Universitätsverlag Chemnitz<br />
2012
Impressum<br />
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der<br />
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben<br />
sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />
Diese Arbeit hat der Philosophischen Fakultät der Technischen<br />
Universität Chemnitz als Dissertation vorgelegen.<br />
Tag der Einreichung: 25.02.2011<br />
Tag der Verteidigung: 06.07.2011<br />
1. Betreuer: Univ.-Prof. Dr. Volker Bank<br />
(Technische Universität Chemnitz)<br />
2. Betreuer: Univ.-Prof. Dr. Mechtild Oechsle-Grauvogel<br />
(Universität Bielefeld)<br />
1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. Volker Bank<br />
(Technische Universität Chemnitz)<br />
2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. Mechtild Oechsle-Grauvogel<br />
(Universität Bielefeld)<br />
Technische Universität Chemnitz/Universitätsbibliothek<br />
Universitätsverlag Chemnitz<br />
09107 Chemnitz<br />
http://www.bibliothek.tu-chemnitz.de/UniVerlag/<br />
Herstellung und Auslieferung<br />
Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG<br />
Am Hawerkamp 31<br />
48155 Münster<br />
http://www.mv-verlag.de<br />
ISBN 978-3-941003-63-7<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:ch1-qucosa- 86509
Zum Geleit: Berufsorientierung,<br />
ihre Praxis und ihre (fehlende)<br />
Didaktik<br />
von Volker Bank<br />
Geleitwort<br />
Der Übergang von der Schule in das Erwerbsleben stellt einen ersten großen<br />
regelhaften Umbruch im Leben eines jungen Menschen dar. Der<br />
didaktische Schutz der Erziehungsinstitution Schule wird verlassen, der<br />
sich dem Grunde nach auf den Schutz für Leib und Leben, auf die Freiheit<br />
von körperlicher und geistiger Fährnis des wirklichen Lebens erstreckt hat<br />
und dem Ausmaß nach effizienter als das Leben selbst die Dinge gelehrt<br />
hat. Selbst wenn sich im Rahmen der Ausbildung eine neuerliche geschützte<br />
Situation für eine weitere Lebensperiode ergeben wird, ist der Moment<br />
des Übergangs weitestgehend ungeschützt. Die Entscheidungen über die<br />
eigenen beruflichen Interessen können nicht durch Dritte übernommen<br />
werden, welche die Führung übernehmen, wie es gerade zuvor noch in der<br />
Schule der Fall war.<br />
Hat auch diese Entscheidung längst nicht mehr die Qualität eines für den<br />
weiteren Lebensweg absolut bestimmenden Moments, der noch endgültiger<br />
war als selbst die Entscheidung zur Eheschließung, so bleibt doch unbestreitbar<br />
die besondere Relevanz der Wahl eines Berufes. Die Entscheidung<br />
für einen Beruf lässt die Kontingenz eines Ergreifens der übrigen möglichen<br />
Berufe kollabieren, wenigstens für eine geraume Zeit. Hinzu kommt<br />
die Problematik, dass die jungen Menschen, die diese Entscheidung zu treffen<br />
haben, allzu häufig noch kaum die Folgen der Pubertät überwunden<br />
haben, dass sie allzu oft noch nicht ihre eigenen Qualitäten zutreffend einschätzen<br />
können – und damit einer Arbeitsnachfrage gegenüberstehen, die<br />
genau dieses eigentlich erwartet. Je jünger die Menschen sind, die sich dieser<br />
Entscheidung unterziehen müssen, umso einschneidender kann sie sein,<br />
sowohl was das Selbstbewusstsein der eigenen Fähigkeiten anbetrifft als<br />
auch deren Vorhandensein; sowohl was den Überblick über die Optionen<br />
der Welt angeht als auch die Chancen ihrer Wahrnehmung.<br />
Aus pädagogischer Sicht scheint es gleichwohl naheliegend, sich um ein<br />
Führen und Beschützen auch in diesem Lebensbereich wenigstens zu bemühen,<br />
ist doch der Ausgang allen didaktischen Eingreifens stets ungewiss.<br />
Wenngleich die Entscheidungen selbst niemandem abgenommen werden<br />
können, ist es immerhin denkbar, die Qualität der Entscheidungen wie<br />
5
Geleitwort<br />
auch ihre Nachhaltigkeit durch eine Verbesserung der Informationslage bezüglich<br />
der äußeren Bedingungen der Arbeitswelt einerseits wie auch der,<br />
eine bessere Information durch Reflexion der eigenen Handlungspotentiale<br />
andererseits zu betreiben. Auch die Frage der Passung von Ausbildungsbewerber<br />
und Ausbildungsmarkt lässt sich jeweils in einem didaktisch geschützten<br />
Raum untersuchen, wiewohl die praktische Umsetzung mit Bewerbung<br />
und Annahme auf eine Stelle eine Frage der ungeschützten Wirklichkeit<br />
ist und bleibt, ist ein Erfolg in der Regel zuvor mit einer Vielzahl<br />
von Enttäuschungen verbunden, die einer emotionalen Bewältigung bedürfen.<br />
Allenfalls die Vorbereitung auf den emotionalen Stress der Eventualitäten<br />
einer Ablehnung könnte wiederum ein didaktisch verhandelbares<br />
Thema sein.<br />
Letzteres wäre aber unter ‚berufliche Orientierung für Fortgeschrittene‘ zu<br />
rubrizieren und bleibt auch im Rahmen dieser an der Professur für Berufsund<br />
Wirtschaftspädagogik der Technischen Universität Chemnitz entstandenen<br />
Dissertation als Fernziel zu verbuchen. Hier geht es eher um die informationelle,<br />
um die kognitive Seite der Problematik, die als solche unterdessen<br />
umfassend aufgearbeitet wird und in der Evaluation einer Reihe von<br />
kleineren Maßnahmen ihre praktische Relevanz abzusichern trachtet.<br />
Mit der Bearbeitung dieser Thematik kommt Frau Jana Voigt das Verdienst<br />
zu, in einer zwar von den Fallzahlen her begrenzten, dadurch um nichts in<br />
ihrer Aussagekraft eingeschränkten empirischen Studie unseren Erkenntnishorizont<br />
erheblich ausgeweitet zu haben. Dabei kann sie sich auf eine<br />
umfassende theoretische Vorarbeit abstützen, die in dieser Qualität allzu<br />
oft empirisch angelegten Arbeiten fehlt – ein Mangel, der die dann meist<br />
mühevoll erhobenen Daten vollständig oder zu weiten Teilen entwertet.<br />
Hier jedoch folgt einem nominaldefinitorischen und konzeptionelltheoretischen<br />
Teil die Darstellung der Erhebung, ihrer methodologischen<br />
Anlage und inhaltlichen Ausrichtung, bevor abschließend die Ergebnisse<br />
dargelegt und eine interpretatorische Rückbindung zu der vorab erarbeiteten<br />
Theorie samt zusammenfassender Interpretation der Ergebnisse folgt.<br />
Was soll und kann berufliche Orientierung (i.S.v. Orientierungsmaßnahmen)<br />
bewirken? Kontemporäre Dynamik, Kontingenz und Unsicherheit<br />
kennzeichnen die Fragestellung Voigts. Um überhaupt der komplexen<br />
Thematik gerecht werden zu können, wird die sie auf außerschulische (jedoch<br />
nicht allein außerinstitutionelle) Lernorte eingegrenzt. Hingegen wird<br />
eine sehr weite Begrifflichkeit für die Berufsorientierung gewählt, die neben<br />
einer Ausbildungsorientierung gleichwertig auch eine Studienorientierung<br />
umfasst. Das ist aus alltagssprachlicher Sicht durchaus verwirrend. Es ent-<br />
6
Geleitwort<br />
spricht unterdessen einer sich zunehmend durchsetzenden Sichtweise, die<br />
vermutlich angelsächsischer Provenienz ist, gegen die freilich kritisch einzuwenden<br />
ist, dass zugleich eine bestimmte politische Unterstellung getroffen<br />
wird: In dem Moment, in welchem die Ausbildungs- und die Studienentscheidung<br />
als gleichgewichtig behandelt werden, wird paradoxerweise<br />
die Ausbildungsentscheidung verdeckt abgewertet, was eine Fortschreibung<br />
der etablierten Geringschätzung nicht-akademischer beruflicher Bildung<br />
impliziert.<br />
Zu einer Auseinandersetzung mit der Orientierung auf berufliche Tätigkeiten<br />
gehört selbstverständlich auch eine Auseinandersetzung mit beruflichen<br />
Wahltheorien. Die dem beigestellte Auseinandersetzung mit den Inhalten<br />
der klassischen Berufsbildungstheorie, die neben den historischen Grundlagen<br />
in Industrie- und Produktionsschulkonzepten zum Tragen kommt, ist<br />
eine wesentliche gedankliche Grundlage und für alles Weitere von Bedeutung.<br />
Wenn man freilich in den Konzeptionen von Industrieschule und<br />
von Produktionsschule eine berufsorientierende Maßnahme zu erkennen<br />
überzeugt ist, dann hätte man in dieser historischen Betrachtung gerade aus<br />
mitteldeutscher Sicht auf die Polytechnische Oberschule verweisen können.<br />
Der eine oder andere Leser wird sich zunächst fragen, warum angesichts<br />
umfänglicher empirischer Ergebnisse der Lehr-Lern-Forschung ausgerechnet<br />
die Heimannsche Didaktik genutzt wird, deren Ursprünge bis in die<br />
fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückverfolgt werden können.<br />
Welche analytische Kraft in diesem didaktischen Strukturmodell enthalten<br />
ist und mit welchem universalen Anspruch diese für unterrichtliche<br />
Zwecke angelegte Didaktik ausgestattet ist, zeigt sich in der von Jana Voigt<br />
vorgelegten Schrift in beispielgebender Weise. Der instrumentelle Einsatz<br />
dieser Didaktik auf das hier untersuchte Problem der beruflichen Orientierung<br />
ermöglicht es, die im Detail auseinanderfallenden Ansätze, Modelle<br />
und Konzepte zur Berufsorientierung mit einer gedanklich verbindenden<br />
und ordnenden Systematik auszustatten. Mit Hilfe dieses strukturgebenden<br />
Konzepts gewinnt die Evaluation der berufsorientierenden Maßnahmen<br />
und die Darstellung der Details rechtlicher und praktischer Aspekte ihren<br />
eigentlichen Wert: Gerade hier erweist sich die besondere Qualität der neuen<br />
Untersuchung. Denn wenn auch beeindruckt, in welchem Umfang Evaluationsstudien<br />
zu verschiedenen Berufsorientierungsmaßnahmen aufgestöbert<br />
und referiert werden konnten, deren Inspirationsgrad darf als<br />
‚reichlich begrenzt‘ abgetan werden. Hier scheint es nicht zu gewagt,<br />
vorgreifend bilanzieren: So wenig effektiv die berufliche Orientierung im<br />
Wesentlichen zu sein scheint, so wenig elaboriert sind offenbar die dazugehörigen<br />
Studien.<br />
7
Geleitwort<br />
Die Rezipienten dieses Buches werden unterdessen insbesondere die hier<br />
repräsentierte neue Evaluationsstudie rezipieren wollen. Die Fragestel<br />
lungen werden sauber herausgearbeitet, in Hypothesenform umgegossen<br />
und sodann Punkt für Punkt abgearbeitet. Die Darlegung und die Begründung<br />
des Designs und der Durchführung der Studien lässt nichts zu wünschen<br />
übrig. Die Ergebnisse werden abschnittsweise den Hypothesen folgend<br />
dargelegt, nachdem verschiedene Stichprobenmerkmale (Geschlecht,<br />
angestrebter Abschluss, Altersverteilung) beschrieben worden sind. Ansonsten<br />
spielen fast ausschließlich Genderaspekte eine erklärende Rolle,<br />
was durchaus etwas einseitig ist, jedoch die mutmaßlich interessanteren der<br />
realistischerweise überhaupt erzielbaren Resultate erfasst.<br />
Es ist schon sehr beeindruckend, aus wie wenigen Stichprobendaten sich<br />
doch noch eine gehaltvolle Erkenntnisgewinnung betreiben lässt. Die<br />
Stichprobe wird umfassend mit den Möglichkeiten der deskriptiven<br />
Statistik dargestellt. Trotz eines besonderen Fokus auf Genderaspekte erweist<br />
die Deskription sich als nach allen Möglichkeiten ausgewogen und<br />
aussagefähig. Zwar ist die Studie in keinerlei Hinsicht als repräsentativ zu<br />
betrachten, vermutlich noch nicht einmal im Hinblick auf den engeren Erhebungsraum<br />
in Südwestsachsen. Mit dem aufwendigen Paneldesign mit<br />
Follow-up und Kontrollgruppe konnte doch schon gegenüber einer auf<br />
Repräsentativität angelegten Studie einiges an Boden wieder gutgemacht<br />
werden – wenn nicht gar die Früchte der Studie letztlich sogar noch viel<br />
reicher sind, auch ganz ohne die Möglichkeit einer methodisch abgesicherten<br />
Möglichkeit der Verallgemeinerung. Auch methodische Fallstricke – die<br />
vor allem in der ordinalen und teils sogar nur nominalen Qualität der Daten<br />
liegen – werden glücklich umschifft, indem die Symmetrie der Skalen<br />
argumentativ dazu herangezogen worden ist, eine Äquidistanz der Skalenwerte<br />
zu unterstellen und somit eine methodische Weiterverarbeitung als<br />
Intervallskala zu begründen. Selbstverständlich bleibt diese Annahme<br />
heroisch, doch nehmen die Autoren der früheren Evaluationsstudien ihre<br />
methodologischen Probleme zumeist noch nicht einmal bewusst wahr:<br />
Heutzutage ist der Gebrauch mathematisch undefinierter Verfahren dermaßen<br />
zum Standard geworden, dass der Tag nahe scheint, an dem die Division<br />
durch Null endlich eine rationale Zahl produzieren wird. Hier hingegen<br />
wird akkurat nach den Maßgaben kritisch-rationaler Methodologie gearbeitet<br />
und dem Rezipienten kein kruder Positivismus untergeschoben.<br />
Mit einer Rückbindung der Ergebnisse an die vorgefundenen Theorien,<br />
einer Zusammenfassung der getesteten Hypothesen und ihrer Gültigkeit<br />
wird ein guter Schluss gefunden. Unter dem Vorbehalt der Verallgemeinerbarkeit<br />
werden didaktische Konsequenzen folgerichtig aus den Ergebnissen<br />
8
Geleitwort<br />
der Studie hergeleitet. Die Studie bringt gleich eine ganze Reihe von<br />
interessanten Ergebnissen zutage, obzwar schon die Hypothesentests allerdings<br />
eher ernüchternd ausfallen – kaum eine der Hypothesen kann vollumfänglich<br />
beibehalten werden. Das beweist aber gerade so viel, dass nicht<br />
etwa zugunsten eines präjudizierten Ergebnisses der Stichprobenumfang so<br />
lange variiert wurde, bis die Hypothesen stehen, auch solches soll ja bisweilen<br />
vorkommen.<br />
Wie durch eine Parallelisierung von quantitativen Daten und singulären<br />
Äußerungen einzelner Probanden aus den teilstrukturierten Interviews anschaulich<br />
wird. Kommen die Impulse zu einer Teilnahme an berufsorientierenden<br />
Maßnahmen zumeist von den Lehrkräften oder den Eltern der<br />
Jugendlichen. Diese haben anschließend das Gefühl, einigermaßen das Erwartete<br />
bekommen zu haben. Dennoch werden die besuchten Maßnahmen<br />
interessanterweise kaum einmal weiterempfohlen. Hinsichtlich der Auseinandersetzung<br />
mit der Frage der zukünftigen Berufstätigkeit scheint die (ja<br />
prinzipiell freiwillige) Teilnahme an berufsorientierenden Maßnahmen jedoch<br />
ein Hinweis darauf zu geben, dass hier eine Person noch kein ausreichendes<br />
Reflexionsniveau erreicht hat. Wenn dann die Maßnahmen nicht<br />
günstigenfalls zu eindeutigen Ergebnissen führen, wirken sie offenbar eher<br />
lähmend auf den Entscheidungsprozess.<br />
Interessant sind auch die Ergebnisse zur Einschätzung der eigenen beruflichen<br />
Aussichten, nicht nur in der genderspezifischen Betrachtung, sondern<br />
auch hinsichtlich der Erfolgserwartungen, der Einkommenserwartungen<br />
und der Aufstiegserwartungen. Insgesamt ist bei allen Ergebnissen zu<br />
bedenken, dass es sich um Selbsteinschätzungen der Probanden handelt.<br />
Die Veränderungen jedoch, die hier gemessen wurden, lassen sich recht gut<br />
über die Selbsteinschätzungen abbilden. Man wird enttäuscht zur Kenntnisnehmen<br />
müssen, dass das Berufswahlengagement und die Eigenverantwortung<br />
nach einer Maßnahme nicht nachweislich zunehmen. Auch dass<br />
affektive Lernziele erreicht und dass Interessen oder Informationsbereitschaft<br />
beeinflusst werden würden gehört zu den unhaltbaren Hypothesen.<br />
Ferner abzulehnen sind die Annahmen, dass die Gewissheit oder die<br />
Selbstwirksamkeitserwartungen gesteigert würden. Nur die Annahmen,<br />
dass berufsbezogene Kenntnisse verbessert und dass der Erwerb sachbezogener<br />
Kompetenzen angeregt würde, können beibehalten werden.<br />
Kurzum: Im Endergebnis zeichnet die Autorin ein ernüchterndes Bild von<br />
den berufsorientierenden Maßnahmen, dem man nun aber wohlbegründet<br />
mit Empfehlungen für die makrodidaktische und didaktische Gestaltung<br />
von Maßnahmen zur beruflichen Orientierung begegnen kann. Es wäre<br />
9
Geleitwort<br />
wünschenswert, wenn diese Schrift die ihr gebührende breite Aufmerksamkeit<br />
fände – es würde nicht nur für die jungen Menschen helfen, zukünftig<br />
in didaktisch wie makrodidaktisch besser konzipierten Berufsorientierungsmaßnahmen<br />
sich zum Nachdenken über einen zentralen Teil ihrer<br />
zukünftigen Lebensgestaltung anregen lassen zu können. Es wäre auch uns<br />
allen in unserer Rolle als Steuerzahler zu wünschen, dass das derzeit für berufsorientierende<br />
Maßnahmen eingesetzte Geld nicht länger nichts anderes<br />
erreicht als mehr oder minder bloß politische Alibis zu erkaufen.<br />
Chemnitz, im April 2012 Volker Bank<br />
10
Vorwort<br />
Vorwort<br />
An der großen Zahl an populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher<br />
Literatur, den kontinuierlich geführten Debatten und der enormen Vielfalt<br />
an Akteuren und Unterstützungsangeboten im Feld der Berufsorientierung<br />
ist festzustellen, dass die Übergangsthematik zunehmend an Stellenwert<br />
gewinnt. Doch die Schwierigkeiten, die Jugendliche an der Schwelle<br />
zwischen Schule und Arbeitswelt haben, sowie die Initiierung immer neuer<br />
Maßnahmen suggerieren, dass Unterstützungsoptionen bislang unzureichend<br />
greifen.<br />
Innerhalb der vorliegenden Dissertation wird die Wirksamkeit ausgewählter<br />
Interventionen der beruflichen Orientierung evaluiert. Ausgehend vom<br />
definitorisch festgeschriebenen Anspruch und darin implizierten Zielsetzungen<br />
werden mittels primärstatistischer Datenerhebungen Erkenntnisse<br />
zu ihren Effekten gewonnen. Aus den Antworten auf die Frage nach der<br />
Leistungsfähigkeit von berufsorientierenden Aktivitäten werden Schlussfolgerungen<br />
für didaktisches Handeln und den zugehörigen Handlungsrahmen<br />
gezogen. Diese Bilanzierung ist im Fokus maßnahmebezogen und<br />
nicht für alle Orientierungsangebote generalisierbar. Angesichts der Tatsache,<br />
dass auch andere Studien Defizite belegen, zeigt sie dennoch die<br />
zwingende Notwendigkeit und die erforderlichen Schritte zur grundsätzlichen<br />
didaktischen Optimierung von Interventionen auf.<br />
Zum Gelingen der Forschungsarbeit haben Prof. Dr. Volker Bank, Technische<br />
Universität Chemnitz und Prof. Dr. Mechtild Oechsle-Grauvogel,<br />
Universität Bielefeld beigetragen. Ihnen möchte ich an dieser Stelle für die<br />
fachliche Unterstützung danken.<br />
Chemnitz, im April 2012 Jana Voigt<br />
11
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Zum Geleit: Berufsorientierung, ihre Praxis und ihre (fehlende) Didaktik<br />
von Volker Bank.................................................................................................... 5<br />
Vorwort.................................................................................................................11<br />
Inhaltsverzeichnis................................................................................................13<br />
Abbildungsverzeichnis........................................................................................19<br />
Abkürzungsverzeichnis.......................................................................................21<br />
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG ....................................25<br />
1 Einleitung.........................................................................................25<br />
2 Problemaufriss .................................................................................31<br />
2.1 Orientierung auf ein eingeschränktes Spektrum an Ausbildungen ...32<br />
2.2 Unsicherheit und Orientierungslosigkeit...............................................37<br />
2.3 Passungsschwierigkeiten..........................................................................40<br />
2.4 Berufsausbildungs- und Studienabbrüche.............................................45<br />
II THEORETISCHE ASPEKTE DER<br />
BERUFSORIENTIERUNG ............................................47<br />
3 Konzeptionelle Grundgedanken......................................................47<br />
3.1 Klassische Begriffsbestimmung der Berufsorientierung<br />
und definitorische Bezugspunkte im Berufsbegriff .............................48<br />
3.2 Derzeitige Begriffsbestimmung der Berufsorientierung .....................53<br />
4 Theoretische Erklärungsansätze.....................................................57<br />
4.1 Allokationstheoretische Ansätze ............................................................57<br />
4.2 Lerntheoretische Ansätze........................................................................58<br />
4.3 Entscheidungstheoretische Ansätze ......................................................59<br />
4.4 Differenzialpsychologische Ansätze ......................................................61<br />
4.5 Entwicklungstheoretische Ansätze ........................................................63<br />
4.5.1 Laufbahnentwicklungstheorie nach Donald E. Super................64<br />
4.5.2 Berufswahlreifekonzept nach Donald E. Super ..........................67<br />
5 Wurzeln und Entwicklung...............................................................71<br />
5.1 Historische Grundlagen...........................................................................71<br />
5.1.1 Industrieschule ..................................................................................72<br />
5.1.2 Arbeitsschule .....................................................................................73<br />
5.1.3 Produktionsschule ............................................................................75<br />
5.1.4 Weitere historische Ansätze ............................................................76<br />
5.2 Bildungspolitische Grundlagen und schulische Konsolidierung .......78<br />
13
Inhaltsverzeichnis<br />
6 Aktuelle didaktische Umsetzung ....................................................85<br />
6.1 Didaktische Konzepte:<br />
Lerntheoretisches Modell nach Paul Heimann..................................... 85<br />
6.2 Bedingungsfelder didaktischen Handelns............................................. 91<br />
6.2.1 Anthropologische und soziokulturelle<br />
Bedingungen der Zielgruppe(n)...................................................... 91<br />
6.2.2 Bedingungen der Akteure und Institutionen................................ 95<br />
6.3 Entscheidungsfelder didaktischen Handelns........................................ 97<br />
6.3.1 Intentionen ........................................................................................ 97<br />
6.3.2 Inhalte...............................................................................................101<br />
6.3.3 Methoden.........................................................................................103<br />
6.3.3.1 Berufs- und Studienberatung ................................................104<br />
6.3.3.2 Bewerbungstraining, Berufsorientierungsseminar<br />
und -camp ...............................................................................106<br />
6.3.3.3 Erfahrungsaustausch ..............................................................107<br />
6.3.3.4 Erkundung ...............................................................................108<br />
6.3.3.5 Messe und ‚Tag der offenen Tür’ .........................................109<br />
6.3.3.6 Patenschaft...............................................................................109<br />
6.3.3.7 Planspiel....................................................................................110<br />
6.3.3.8 Praktikum und Praxistage ......................................................111<br />
6.3.3.9 Projektarbeit.............................................................................112<br />
6.3.3.10 Schnupperlehre und Schnupperstudium ...........................114<br />
6.3.3.11 Schülerfirma...........................................................................115<br />
6.3.3.12 Werkstatt- und Laborarbeit.................................................116<br />
6.3.4 Medien..............................................................................................116<br />
6.3.4.1 Berufswahlpass........................................................................117<br />
6.3.4.2 Berufsinformationszentrum (BiZ)........................................118<br />
6.3.4.3 Berufsorientierungsmobile ....................................................119<br />
6.4 Einflussfaktoren auf didaktisches Handeln:<br />
Gesetzliche Grundlagen und Richtlinien.............................................119<br />
6.4.1 Normen auf Bundesebene.............................................................121<br />
6.4.2 Normen auf Landesebene .............................................................133<br />
6.4.3 Beispiel: Steuerung der Berufsorientierung<br />
im Freistaat Sachsen .......................................................................138<br />
6.4.3.1 Kernziele und Lehrplanbezüge .............................................142<br />
6.4.3.2 Berufswahlpass........................................................................151<br />
6.4.3.3 Schuleigenes Konzept ............................................................152<br />
6.4.3.4 Qualitätssiegel..........................................................................153<br />
6.4.3.5 Qualitätskriterien.....................................................................153<br />
14
Inhaltsverzeichnis<br />
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT<br />
VON BERUFSORIENTIERUNGSANGEBOTEN .......... 157<br />
7 Wirkungsorientierte Evaluation .................................................... 157<br />
7.1 Theoretische Bezüge innerhalb der Evaluationsforschung..............157<br />
7.2 Forschungsstand.....................................................................................160<br />
7.2.1 Praktika: „Beruf fängt in der Schule an“ .....................................162<br />
7.2.2 Praxistage: „Arbeiten und Lernen in Schule und Betrieb“ .......164<br />
7.2.3 Praxistage und Patenschaften:<br />
„Abschlussquote erhöhen – Berufsfähigkeit steigern“..............165<br />
7.2.4 Patenschaften: „Ada-Lovelace-Projekt“......................................168<br />
7.2.5 Projekttag und Erkundung:<br />
„Girls’Day – Mädchen-Zukunftstag“...........................................169<br />
7.2.6 Projekttag und Erkundung:<br />
„Neue Wege für Jungs – Jungen-Zukunftstag“..........................170<br />
7.2.7 Trainings: „Lehreraktivitäten zur Förderung<br />
geschlechtsunabhängiger Berufswahlorientierungen<br />
im Bereich Naturwissenschaft und Technik“ ............................171<br />
7.2.8 Medienprojekt: „workshop zukunft“...........................................173<br />
7.2.9 Onlinemedien: „Internet – ein Instrument<br />
zur Berufsorientierung?“...............................................................174<br />
8 Primärstatistische Erhebungen ..................................................... 177<br />
8.1 Evaluationsziel und evaluationsleitende Fragestellungen .................177<br />
8.2 Evaluationshypothesen..........................................................................180<br />
8.3 Evaluationsdesign und Evaluationsmethoden ...................................182<br />
8.3.1 Zugang und Charakteristika der in die Evaluation<br />
einbezogenen Orientierungsmaßnahmen und Schulen............187<br />
8.3.2 Realisierung der Pre- und Posttests in den<br />
Orientierungsmaßnahmen und den Schulen..............................193<br />
8.3.3 Umsetzung der Follow-up-Messung in den<br />
Orientierungsmaßnahmen ............................................................195<br />
8.4 Evaluationsinstrumente .........................................................................196<br />
8.5 Datenaufbereitung und Auswertungsmethodik .................................209<br />
9 Ergebnisdarstellung....................................................................... 213<br />
9.1 Merkmale der Evaluationsstichprobe..................................................213<br />
9.2 Impulsgeber für die Teilnahme an Orientierungsmaßnahmen........224<br />
9.3 Erwartungshaltungen an Interventionen.............................................228<br />
9.4 Berufliche Exploration und Kristallisationsniveau des<br />
Bildungs- und Berufsweges ..................................................................231<br />
15
Inhaltsverzeichnis<br />
16<br />
9.5 Bislang genutzte Quellen beruflicher Orientierung<br />
und eingeschätzter Nutzen ....................................................................236<br />
9.6 Engagement für die berufliche Orientierung .....................................243<br />
9.7 Berufswahlbezogene Wertorientierungen und Einstellungen..........246<br />
9.8 Interesse an Berufsfeldern und Ausbildungswünsche ......................251<br />
9.9 Sicherheit und Entschiedenheit hinsichtlich beruflicher<br />
Interessen ................................................................................................259<br />
9.10 Einschätzung individueller beruflicher Chancen.............................262<br />
9.11 Arbeitswelt- und berufsbezogenes Wissen.......................................265<br />
9.12 Informationsbereitschaft und Flexibilität im<br />
Berufsorientierungsprozess.................................................................276<br />
9.13 Eigenverantwortung in der beruflichen Orientierung ....................278<br />
9.14 Allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung.........................................279<br />
9.15 Bewertung der Bedeutsamkeit arbeitsweltbezogener<br />
Kompetenzen und ihrer individuellen Verfügbarkeit .....................281<br />
9.16 Einschätzung der Interventionen.......................................................290<br />
IV SCHLUSSBETRACHTUNG......................................... 301<br />
10 Abschließende Gesamtbilanz....................................................... 301<br />
10.1 Rückbezug auf essenzielle theoretische Aussagen...........................301<br />
10.2 Zusammenfassung empirischer Ergebnisse und<br />
Überprüfung der Hypothesen.............................................................308<br />
10.3 Schlussfolgerungen für didaktisches Handeln im<br />
Feld der Berufsorientierung ...............................................................322<br />
Verzeichnis der verwendeten Literatur ..........................................................335<br />
Anhang................................................................................................................375
Tabellenverzeichnis<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: Grob- und Feinziele der Berufsorientierung nach dem<br />
Berufswahlreifekonzept...............................................................98<br />
Tabelle 2: Kernziele der Klassenstufen .....................................................143<br />
Tabelle 3: Anknüpfungspunkte für Berufsorientierung im<br />
Lehrplan sächsischer Schulen zur Lernförderung .................146<br />
Tabelle 4: Anknüpfungspunkte für Berufsorientierung im<br />
Lehrplan sächsischer Mittelschulen .........................................148<br />
Tabelle 5: Anknüpfungspunkte für Berufsorientierung im<br />
Lehrplan sächsischer Gymnasien .............................................150<br />
Tabelle 6: Qualitätskriterien für die Berufsorientierung im<br />
Freistaat Sachsen.........................................................................155<br />
Tabelle 7: Übersicht der Schulen, aus denen sich die<br />
Teilnehmenden der Kontrollgruppe rekrutierten ..................192<br />
Tabelle 8: Skalenkennwerte .........................................................................205<br />
Tabelle 9: Übersicht über die Evaluationsstichprobe..............................214<br />
Tabelle 10: Anteile guter und schlechter Schülerinnen und Schüler<br />
nach Noten in den Fächern Mathematik, Deutsch,<br />
Englisch in der Kontroll- und der Interventionsgruppe<br />
zum Zeitpunkt des Pretests.......................................................219<br />
Tabelle 11: Stand der Auseinandersetzung mit der Berufswahl in<br />
der Kontroll- und der Interventionsgruppe zum<br />
Zeitpunkt des Pretests ...............................................................232<br />
Tabelle 12: Zwischen Pre- und Posttest durch die Jugendlichen in der<br />
Kontrollgruppe wahrgenommene Häufigkeit der Thematisierung<br />
der beruflichen Orientierung im Unterricht...........237<br />
Tabelle 13: Am häufigsten genannte Wunschausbildungen der<br />
Jugendlichen in der Kontroll- und der Interventionsgruppe<br />
im Pre- und Posttest .....................................................253<br />
Tabelle 14: Charakteristika von Berufen mit Zukunftschancen<br />
aus Sicht der Jugendlichen in der Kontroll- und der<br />
Interventionsgruppe zum Zeitpunkt des Pretests..................270<br />
Tabelle 15: Veränderungen im arbeitswelt- und berufsbezogenen<br />
Wissen der Jugendlichen in der Kontrollgruppe und<br />
den Interventionsgruppen zwischen Pre- und Posttest ........273<br />
17
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Strukturmodell der Didaktik der Berufsorientierung<br />
nach dem Lerntheoretischen Modell von Heimann ...........90<br />
Abbildung 2: Evaluationsdesign...................................................................186<br />
Abbildung 3: Anteile der Jugendlichen in der Kontroll- und<br />
der Interventionsgruppe nach Geschlecht .........................217<br />
Abbildung 4: Anteile der Jugendlichen in der Kontroll- und<br />
der Interventionsgruppe nach angestrebtem<br />
Schulabschluss ........................................................................218<br />
Abbildung 5: Anteile der Jugendlichen in der Kontroll- und der<br />
Interventionsgruppe nach Klassen-/Kursstufen...............220<br />
Abbildung 6: Anteile der Jugendlichen in der Kontroll- und der<br />
Interventionsgruppe nach Wohnort....................................221<br />
Abbildung 7: Informationsquellen über Orientierungsangebote<br />
für die Jugendlichen der Interventionsgruppe...................225<br />
Abbildung 8: Aussagen zur Erfüllung von Erwartungen der<br />
Jugendlichen in den Interventionsgruppen an die<br />
Orientierungsangebote im Posttest .....................................230<br />
Abbildung 9: Ausbildungspläne der Jugendlichen in der<br />
Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen zum<br />
Zeitpunkt des Pre- und des Posttests..................................233<br />
Abbildung 10: Einschätzung der Nützlichkeit von in der<br />
Vergangenheit genutzten Orientierungsmöglichkeiten<br />
durch die Jugendlichen in der Kontroll- und der<br />
Interventionsgruppe zum Zeitpunkt des Pretests.............241<br />
Abbildung 11: Einschätzung individueller berufsbezogener Chancen<br />
durch die Jugendlichen in der Kontroll- und der<br />
Interventionsgruppe zum Zeitpunkt des Pre- und<br />
des Posttests............................................................................263<br />
Abbildung 12: Bewertung der Wichtigkeit von Kompetenzen für<br />
die Berufsausbildung oder ein Studium durch die<br />
Jugendlichen in der Kontroll- und der Interventionsgruppe<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests nach<br />
Kompetenzbereichen ............................................................282<br />
Abbildung 13: Beurteilung der persönlichen Verfügbarkeit von<br />
Kompetenzen durch die Jugendlichen in der Kontrollund<br />
der Interventionsgruppe zum Zeitpunkt des Preund<br />
des Posttests nach Kompetenzbereichen ...................284<br />
19
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 14: Beurteilung der persönlichen Verfügbarkeit von<br />
Kompetenzen durch die Jugendlichen in der<br />
Kontrollgruppe zum Zeitpunkt des Posttests ...................285<br />
Abbildung 15: Beurteilung der persönlichen Verfügbarkeit von<br />
Kompetenzen durch die Jugendlichen in der<br />
Interventionsgruppe zum Zeitpunkt des Posttests...........286<br />
Abbildung 16: Bewertung des gefundenen Gefallens an den Orientierungsangeboten<br />
durch die Jugendlichen in den<br />
Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Posttests.........292<br />
Abbildung 17: Einschätzung der Nützlichkeit der Orientierungsangebote<br />
durch die Jugendlichen in den<br />
Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Posttests.........294<br />
Abbildung 18: Einschätzung des Vorbereitungsstandes im Berufsorientierungsprozess<br />
durch die Jugendlichen in der<br />
Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen zum<br />
Zeitpunkt des Pre- und des Posttests .................................297<br />
20
Abkürzungsverzeichnis<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
Abs. Absatz<br />
abs. absolut<br />
AiB Auszubildende im Beruf<br />
AG Aktiengesellschaft<br />
allg. allgemein<br />
[B], B.ausb. Berufsausbildung<br />
BeLL Besondere Lernleistung<br />
BiZ Berufsinformationszentrum<br />
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung<br />
BLK Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und<br />
Forschungsförderung<br />
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
BMFSFJ Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen<br />
und Jugend<br />
BMVBS Bundesbehörde für Verkehr, Bauwesen, Städtebau<br />
und Raumordnung sowie das Wohnungswesen<br />
BBiG Berufsbildungsgesetz<br />
BGBl. Bundesgesetzblatt<br />
BOB Berufsorientierung im Betrieb<br />
B.O.S.S. Berufliche Orientierung für Schüler und Studierende<br />
in Mitteldeutschland<br />
BGJ Berufsgrundbildungsjahr<br />
BVJ Berufsvorbereitungsjahr<br />
BW Berufswahl<br />
CMI Career-Maturity-Inventory<br />
DDR Deutsche Demokratische Republik<br />
Deu Deutsch<br />
DJI Deutsches Jugendinstitut e. V.<br />
EBwA Einstellungen zur Berufswahl und beruflichen Arbeit<br />
einf. einfach<br />
Eng Englisch<br />
et al. et al.ii (und andere)<br />
e. V. eingetragener Verein<br />
FHSR Fachhochschulreife<br />
FJ, FSJ Freiwilliges Jahr, Freiwilliges soziales Jahr<br />
FS Förderschule<br />
g gesamt<br />
GD Girls’Day<br />
21
Abkürzungsverzeichnis<br />
22<br />
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />
GG Grundgesetz<br />
GVBl. Gesetz- und Verordnungsblatt<br />
H. Heft<br />
HIS Hochschul-Informations-System<br />
HmS Hauptschulabsolventinnen und -absolventen mit<br />
Schulabschluss<br />
HS Hauptschülerinnen und Hauptschüler<br />
HSA Hauptschulabschluss<br />
HSR Hochschulreife<br />
HwO Handwerksordnung<br />
IAB Institut für Arbeitsmarktforschung<br />
IG Interventionsgruppe(n)<br />
IHK Industrie- und Handelskammer<br />
JobG JobGalaxy<br />
JobGF JobGalaxy Future<br />
KFZ Kraftfahrzeug<br />
KFZT (Schnupperpraktikum) Kraftfahrzeugtechnik<br />
KG Kontrollgruppe<br />
KMK Kultusministerkonferenz<br />
K/V (Schnupperpraktikum) Konditorei/Verkauf<br />
LAK JBH Landesarbeitskreises Jugendberufshilfe<br />
LAS Landesarbeitsgemeinschaft Schule-Wirtschaft Sachsen<br />
LSJ Landesarbeitsstelle Schule – Jugendhilfe Sachsen e. V.<br />
m männlich<br />
Ma Mathematik<br />
MR Mittlerer Rangplatz<br />
n Anzahl der Werte<br />
nds. niedersächsisch<br />
NSchG Niedersächsisches Schulgesetz<br />
o. J. ohne Jahresangabe<br />
OloV Qualitätsstandards zur Optimierung der lokalen<br />
Vermittlungsarbeit bei der Schaffung und Besetzung<br />
von Ausbildungsplätzen in Hessen<br />
p p-Wert, Ergebnis des statistischen Signifikanztests<br />
(probability)<br />
PISA Programme for International Student Assessment<br />
Pos. Position<br />
Post Posttest<br />
Pre Pretest<br />
qualif. qualifizierender
Abkürzungsverzeichnis<br />
RSA Realschulabschluss<br />
[S] Studium<br />
SächsABl. Sächsisches Amtsblatt<br />
SchulG Schulgesetz<br />
SD Standardabweichung<br />
sdw Stiftung der Deutschen Wirtschaft e. V.<br />
SGB Sozialgesetzbuch<br />
Slehre Schnupperlehre<br />
SMK Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport<br />
SMUL Sächsischen Staatsministerien für Umwelt und Landwirtschaft<br />
SMS Sächsisches Staatsministerium für Soziales<br />
SMWA Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit<br />
SWA Schule – Wirtschaft/Arbeitsleben<br />
SWE Selbstwirksamkeitserwartung<br />
TC Technik/Computer (Unterrichtsfach)<br />
TIMSS Third International Mathematics and Science Study<br />
UV Unterschiedshypothese<br />
U/H Unternehmen/Hochschule<br />
Verf. Verfasserin<br />
VH Veränderungshypothese<br />
VwV; VV Verwaltungsvorschrift<br />
w weiblich<br />
WD Wehrdienst<br />
WodoU Woche der offenen Unternehmen<br />
WTH Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales (Unterrichtsfach)<br />
�<br />
Mittelwert<br />
ZEW Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH<br />
z. T. zum Teil<br />
ZV Zivildienst<br />
23
I Thematische Einführung<br />
1 Einleitung<br />
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 1 Einleitung<br />
Verkürzte Innovationszyklen, die Implementierung neuer Technologien<br />
sowie fortwährende ökonomische Rationalisierungsprozesse bestimmen<br />
heute die Arbeitswelt. Eng mit diesen Entwicklungen verknüpft sind ein<br />
anhaltender Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt und ein gesellschaftlicher<br />
Wandel. Charakteristisch für diese Veränderungen sind nicht nur eine<br />
zunehmende soziale und räumliche Mobilität 1 sowie höhere und andere<br />
Qualifikationsanforderungen 2, sondern auch die Individualisierung von<br />
Arbeitszeiten und Arbeitsformen und damit einhergehend die Erosion des<br />
Normalarbeitsverhältnisses 3. Bildungs-, Arbeits- und Berufsbiografien sind<br />
gekennzeichnet von Brüchen, Unterbrechungen und Neuorientierungen.<br />
Aus Dynamik der Entwicklungen resultieren veränderte Muster der Lebensführung,<br />
von Lebensläufen und von Berufsbiografien. Mehr denn je ist<br />
ein aktives biografisches Selbstmanagement möglich und notwendig. Insbesondere<br />
der Übergang von der Schule in die Arbeitswelt 4, der heute im<br />
Schnitt mit neunzehn Jahren erfolgt 5 und die dortige dauerhafte Verankerung<br />
sind zu einer anspruchsvollen Herausforderung, zu einem Abschnitt<br />
1 Während sich die soziale Mobilität auf Veränderungen hinsichtlich des sozialen Status (Auf-<br />
oder Abstieg) einer Person bezieht, umfasst die räumliche Mobilität die Bewegung im geografischen<br />
Raum (Ab- und Auswanderung).<br />
2 Einerseits besteht ein Trend zu höherer schulischer Bildung. Beschäftigungsmöglichkeiten für<br />
An- und Ungelernte in Unternehmen verringern sich. Anderseits erfordern u. a. die Globalisierung,<br />
die Zunahme des Dienstleistungssektors oder der Bedeutungszuwachs wissensbasierter<br />
Arbeitsorganisationen neben rein fachlichen Kompetenzen, wie IT-Wissen und Fremdsprachenkenntnissen,<br />
auch methodische, soziale und personale Kompetenzen, wie Selbstlern- und Teamfähigkeit,<br />
abstraktes Denkvermögen und Systemdenken (vgl. Esser 2007, S. 5 und S. 15).<br />
3 Unter Erosion des Normalarbeitsverhältnisses wird entsprechend Kress die „zunehmende<br />
Verbreitung nicht-normaler, sog. atypischer Beschäftigungsverhältnisse“ verstanden. „Darunter<br />
fallen Teilzeitarbeit, befristete Beschäftigung, Zeit- und Leiharbeit, geringfügige Beschäftigung,<br />
Scheinselbständigkeit, Heim- und Telearbeit und Niedriglohnbeschäftigung. Diesen Beschäftigungsverhältnissen<br />
fehlen ein oder mehrere Merkmale des Normalarbeitsverhältnisses (Vollzeit,<br />
Dauer, Stabilität, kollektive Interessenvertretung, Ableitung von Sozialversicherungsansprüchen).“<br />
(Kress 1998, S. 492)<br />
4 In Bezug auf den Übergang von der Schule in die Arbeitswelt wird in der Regel von zwei<br />
Schwellen ausgegangen: Die so genannte ‚1. Schwelle’ bezeichnet den Übergang von der Schule<br />
in eine Berufsausbildung oder ein Studium, die ‚2. Schwelle’ den Übergang von der Berufsausbildung<br />
oder dem Studium in die Erwerbstätigkeit. Im Rahmen dieser Schrift bezieht sich die Formulierung<br />
‚Übergang von der Schule in die Arbeitswelt’ auf die 1. Schwelle und schließt Maßnahmen<br />
des Übergangssystems ein.<br />
5 Das durchschnittliche Alter der Jugendlichen mit neu abgeschlossenem Berufsausbildungsvertrag<br />
liegt heute bei 19,4 Jahren. Demgegenüber betrug das Durchschnittsalter der Schüler an Berufsschulen<br />
1970 nur 16,6 Jahre (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung 2009b, S. 156).<br />
25
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 1 Einleitung<br />
struktureller Unsicherheit und Zukunftsungewissheit geworden (vgl. von<br />
Wensierski et al. 2005, S. 40 f.; vgl. Kahlert, Mansel 2007, S. 7 ff.). Unabhängig<br />
von der Bildungsschicht werden die ersten zehn bis fünfzehn Jahre<br />
des Erwerbslebens zunehmend von befristeten Arbeitsverträgen, temporärer<br />
Arbeitslosigkeit, Teilzeit- und Mehrfachjobs charakterisiert (vgl. Albert<br />
et al. 2010, S. 41). Zu konstatieren ist, dass Bildungs-, Arbeits- und Berufsbiografien<br />
gestaltungsoffener und weniger standardisiert sind. Nicht<br />
mehr nur eine einmalige berufliche Entscheidung, sondern eine Reihe von<br />
Bildungs-, Ausbildungs-, Weiterbildungs-, Berufs- und Arbeitsplatzentscheidungen<br />
ist im Lebensverlauf zu treffen, ohne deren Folgen im Einzelnen<br />
absehen zu können (vgl. Oechsle 2001, S. 2 f.; vgl. von Wensierski et<br />
al. 2005, S. 52 f.; vgl. Stamm 2007, S. 83). Einige Jugendliche sind von dieser<br />
Anforderung derart überfordert, dass sie neben einer vorsichtigen<br />
„Schritt-für-Schritt“ oder resignativen „Mal-sehen-was-kommt“-Strategie6 (Walther, Stauber 2007, S. 36) versuchen, Zeit durch ein Moratorium<br />
zwischen schulischer und beruflicher Ausbildung zu gewinnen, was zu<br />
einer weiteren Ausdifferenzierung und Komplexitätssteigerung des Überganges<br />
führt (vgl. Oechsle 2005, S. 3 f.; vgl. Knauf, Oechsle 2007, S. 143 f.).<br />
Junge Menschen müssen folglich aus einer Vielfalt von Möglichkeiten<br />
selektieren, aber gleichzeitig auch Optionen offen halten, um flexibel genug<br />
auf bessere Angebote reagieren zu können. Gestaltungsmöglichkeiten und<br />
Handlungschancen stehen Risiken, Widersprüchlichkeiten, Irrwege und<br />
Sackgassen gegenüber (vgl. Wahler, Witzel 1996, S. 18). So geht die Freiheit<br />
zur Individualisierung des eigenen Lebensverlaufes beispielsweise mit<br />
strukturellen und ökonomischen Barrieren oder mit normativ begründeten<br />
Hindernissen, wie geschlechtsspezifischen Zuschreibungen einher (vgl.<br />
Lemmermöhle-Thüsing et al. 1994, S. 10 f.; vgl. Westhoff 1996, S. 138).<br />
Zur Erfüllung dieser Aufgaben stehen Jugendlichen unterschiedliche individuelle<br />
Ressourcen, ein unterschiedliches biografisches Kapital, zur Verfügung.<br />
Dazu zählen neben den Bildungsabschlüssen auch materielle Bedingungen<br />
oder die soziale Herkunft.<br />
An der großen Menge an populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher<br />
Literatur, den kontinuierlich geführten Debatten und der enormen Vielfalt<br />
an Akteuren und Unterstützungsoptionen im Feld der Berufsorientierung<br />
ist festzustellen, dass die Übergangsthematik zunehmend an Stellenwert<br />
6 Walther und Stauber unterscheiden vier zentrale Handlungsstrategien am Übergang zwischen<br />
Schule und Arbeitswelt: „Wählen zu können als zentraler Vergesellschaftungsmodus individualisierter,<br />
demokratischer Konsumgesellschaften; Optionen offen halten als Reaktion auf gestiegene<br />
Ungewissheit und Flexibilitätsanforderungen; Vereinbaren als Anforderung aus der Fragmentierung<br />
und Entgrenzung von Teilübergängen; und Selbstinszenierung als notwendige Form der<br />
Selbstvergewisserung und Identitätsarbeit“ (Walther, Stauber 2007, S. 36 f.).<br />
26
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 1 Einleitung<br />
gewinnt. Doch die Schwierigkeiten, die Jugendliche haben, sowie die<br />
Initiierung immer neuer Maßnahmen suggerieren, dass berufsorientierende<br />
Angebote bislang unzureichend greifen. Aufgrund der hohen Relevanz der<br />
Phase des Übergangs von der Schule in die Arbeitswelt für individuelle<br />
Lebensverläufe und gesellschaftliche Integration ist folglich die Wirksamkeit<br />
entsprechender Förder- und Unterstützungsangebote zu hinterfragen.<br />
Zwar liegen zahlreiche Dokumentationen und Erfahrungsberichte vor, jedoch<br />
mangelt es an systematischen empirischen Studien, die Rückschlüsse<br />
auf die Wirksamkeit von Berufsorientierungsmaßnahmen zulassen. Anliegen<br />
dieser Arbeit ist es daher, ausgehend vom definitorisch festgeschriebenen<br />
Anspruch der Berufsorientierung und darin implizierten Zielsetzungen<br />
mittels primärstatistischer Datenerhebungen Erkenntnisse zu ihren Effekten<br />
zu gewinnen. Im Fokus stehen die Fragen: Was soll Berufsorientierung<br />
bewirken und wo liegen ihre Grenzen und Defizite? bzw. Wo decken<br />
sich Anspruch und Realität und wo gehen sie auseinander?<br />
Gegenstand der Arbeit bilden das begriffliche Verständnis und theoretische<br />
Ansätze zur Erklärung des Verlaufes des Berufsorientierungsprozesses und<br />
der Berufswahl. Es werden die Entwicklung der Berufsorientierung und ihr<br />
aktueller Umsetzungsstand beschrieben. Didaktischen Aspekten wird dabei<br />
zentraler Stellenwert beigemessen. Ausgehend von den genannten thematischen<br />
Schwerpunkten wird Berufswahlreife als anzustrebendes Richtziel<br />
beruflicher Orientierung7, als Veränderungsdimension in Evaluationsmaßnahmen<br />
und zur Prüfung der Wirksamkeit identifiziert. Unter Reflexion<br />
ihrer einzelnen Komponenten, die gleichzeitig Wirksamkeitsindikatoren<br />
darstellen, wird mittels einer summativen Evaluation untersucht, ob sich infolge<br />
der Nutzung von Berufsorientierungsangeboten u. a. das Berufswahlengagement<br />
und die Eigenverantwortung für die Berufsorientierung, das<br />
berufliche und arbeitsweltbezogene Wissen oder das Interesse der Jugendlichen<br />
an ausgewählten Berufsfeldern verändern. Entsprechende Hypothesen<br />
mit erkenntnisleitender Funktion konturieren die Untersuchung und<br />
dienen dazu, sich der Fragestellung nach der Erreichung der intendierten<br />
Effekte der Berufsorientierung zu nähern. Das vorrangige Interesse gilt außerschulisch<br />
implementierten Maßnahmen. Jedoch finden auch schulische<br />
Aktivitäten Berücksichtigung. Die außerschulische Berufsorientierung wird<br />
fokussiert, weil sich die bisherige Forschung, sofern disponibel, vor allem<br />
auf den schulischen Bereich bezieht. Anzuführen sind beispielsweise<br />
Untersuchungen zum Praktikum und zu Praxistagen (vgl. Bastian et al.<br />
2007; vgl. Bergzog 2008; vgl. Beinke 2008b; vgl. Solga et al. 2010; vgl.<br />
7 Innerhalb der Arbeit werden die Begriffe Berufsorientierung und berufliche Orientierung<br />
synonym verwendet.<br />
27
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 1 Einleitung<br />
Solga, Kretschmann 2010). Die Evaluation ist quasiexperimentell in einem<br />
Pretest-Posttest-Follow-up-Design angelegt. Methodisch findet eine Kombination<br />
aus quantitativen und qualitativen Forschungsverfahren Anwendung.<br />
Da sich die Evaluationsstudie auf nur wenig erforschtes Gebiet bezieht,<br />
ist sie als Erkundung zu verstehen. Priorität hat nicht die Erlangung<br />
einer vertieften analytischen Kenntnis der Problematik, sondern vielmehr<br />
eine die wenigen empirischen Untersuchungen ergänzende Exploration des<br />
Forschungsgegenstandes. Es stehen weniger generalisierbare und auf alle<br />
Orientierungsmaßnahmen bezogene Aussagen, sondern vielmehr interventionsbezogene<br />
Aspekte sowie Schlussfolgerungen für einzelne didaktische<br />
Ansätze im Blickpunkt.<br />
Grundlage der Arbeit an der aufgezeigten Zielstellung bilden einerseits die<br />
beschriebenen empirischen Untersuchungen. Andererseits stützt sie sich<br />
auf eine Analyse wissenschaftlicher Fachliteratur und von Publikationen<br />
aus der Sparte der sogenannten ‚grauen Literatur’ (Programmhefte,<br />
Tagungsunterlagen, Webseiten, Berichte). Gleichfalls erfolgt eine Auswertung<br />
themenbezogener Gesetzestexte und bildungspolitischer Dokumente.<br />
Die Arbeit ist analog den aufgezählten Gegenstandsbereichen in vier<br />
Schwerpunkte gegliedert (I Thematische Einführung, II Theoretische Aspekte der<br />
Berufsorientierung, III Empirische Analyse der Wirksamkeit von Berufsorientierungsangeboten,<br />
IV Schlussbetrachtung) und unterteilt sich in zehn Kapitel. Jugendliche<br />
haben zum Teil erhebliche Probleme, den Übergang zwischen Schule<br />
und Arbeitswelt erfolgreich zu bewältigen. Die Orientierung auf ein eingeschränktes<br />
Spektrum an Ausbildungsberufen und Studiengängen, Unsicherheit<br />
und Orientierungslosigkeit in Bezug auf die Vielfalt an beruflichen<br />
Optionen, fehlendes Wissen über Berufe und die Arbeitswelt, eine<br />
mangelnde Fähigkeit zur realistischen Selbsteinschätzung sowie Berufsausbildungs-<br />
und Studienabbrüche kennzeichnen ihre Situation. Aus dem<br />
Blickwinkel der beiden Perspektiven, Individuum und Arbeitswelt, werden<br />
im nächsten zweiten Kapitel ausgewählte Problemfelder, die kennzeichnend<br />
für den Übergang Jugendlicher zwischen Schule und Arbeitswelt und<br />
gleichzeitig Indikatoren für die Notwendigkeit einer Überprüfung der<br />
Wirksamkeit von Berufsorientierung sind, dargelegt.<br />
Klassische definitorische Grundgedanken und Bezugspunkte der Berufsorientierung<br />
sowie das aktuelle Begriffsverständnis stehen im Mittelpunkt<br />
des dritten Kapitels. Die getroffene Auswahl an Definitionen spiegelt eine<br />
mangelnde Präzisierung des Begriffes und eine hohe Bedeutungsheterogenität<br />
wider. Dabei ist das aktuelle Begriffsverständnis von weitaus<br />
höherer Komplexität geprägt als traditionelle Auffassungen, was als Indiz<br />
28
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 1 Einleitung<br />
für die wachsenden Anforderungen an die Berufsorientierung gewertet<br />
werden kann. Berufsorientierung wird nicht mehr als punktuelle Wahl,<br />
sondern vielmehr als langfristiger Prozess verstanden, der sowohl personenbezogene<br />
Klarheit und eine individuelle Standortbestimmung als auch<br />
eine Ausrichtung und Anpassung an die Anforderungen des Ausbildungsund<br />
Arbeitsmarktes abverlangt und in Berufswahlreife mündet.<br />
Inwiefern sich der dem aktuellen Verständnis von Berufsorientierung<br />
zugrunde liegende Gedanke der Prozessorientierung auch in den Theorien<br />
der Berufswahl wiederfindet, zeigt das vierte Kapitel. Es werden Ansätze verschiedener<br />
wissenschaftlicher Fachdisziplinen skizziert, die ihren Fokus jeweils<br />
auf spezifische Komponenten der Berufsorientierung (z. B. Entscheidung,<br />
Entwicklung, Allokation) legen. Mit dem dargelegten Anspruch an<br />
die Berufsorientierung als Prozess und dem Ziel der Erlangung von Berufswahlreife<br />
gehen entwicklungstheoretische Erklärungsansätze und hierbei<br />
insbesondere die Laufbahnentwicklungstheorie mit dem Berufswahlreifekonzept<br />
von Donald E. Super am deutlichsten konform. Sie liefern<br />
Impulse für didaktisches Handeln im Feld der Berufsorientierung und Ansatzpunkte<br />
zur Evaluation der Wirksamkeit von Interventionen, wodurch<br />
sie wesentliche Grundlagen zur Bearbeitung der vorliegenden Fragestellung<br />
schaffen.<br />
Nicht nur die Heterogenität in den Begriffsdefinitionen, auch die Vielfalt<br />
an theoretischen Erklärungsansätzen signalisieren einen stetigen Veränderungsanspruch<br />
an die Berufsorientierung. Ihr Entwicklungsweg sowie ihre<br />
schulische wie außerschulische Konsolidierung werden innerhalb des fünften<br />
und sechsten Kapitels aufgegriffen. Historische Wurzeln sind bereits in den<br />
Konzepten der Industrieschule, der Arbeitsschule und der Produktionsschule<br />
zu finden. Die Ideen und Prinzipien dieser Ansätze wirken bis heute<br />
nach und finden mehr oder weniger Eingang in pädagogisches Handeln im<br />
Feld der Berufsorientierung, die insbesondere in den fünfziger, sechziger<br />
und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts sowie aktuell Entwicklungsschwerpunkte<br />
zu verzeichnen hat. Aufbauend auf dem historischen Blickwinkel<br />
wird der derzeitige Stand der Berufsorientierung aus didaktischer<br />
Perspektive beleuchtet. Auf Grundlage des lerntheoretischen Modells nach<br />
Paul Heimann erfolgt eine Analyse der Intentionen, Inhalte, Methoden und<br />
Medien, der zielgruppen- und institutionenbezogenen Bedingungen und<br />
des Handlungsrahmens, in welchen die Berufsorientierung eingebettet ist.<br />
Die einzelnen didaktischen Komponenten werden in einem Strukturmodell<br />
zusammengeführt und beschrieben. Das so identifizierte System ist Abbild<br />
der derzeitigen Gestalt von Berufsorientierung und zugleich Grundlage zur<br />
Charakterisierung der für die Wirkungsanalyse herausgegriffenen Interven-<br />
29
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 1 Einleitung<br />
tionen. Zugleich bilden die auf Basis des aktuellen Begriffsverständnisses<br />
und dem Berufswahlreifekonzept spezifizierten Intentionen von Berufsorientierung<br />
den Ausgangspunkt für die empirische Untersuchung, die im<br />
Mittelpunkt des siebten bis neunten Kapitels steht.<br />
Zu Beginn des siebten Kapitels wird eine Zusammenfassung vorliegender<br />
Studien und bisheriger Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit von Orientierungsmaßnahmen<br />
vorgenommen, die ihren Anfang in theoretischen Bezügen<br />
innerhalb der Evaluationsforschung nimmt. Es schließt sich im achten<br />
Kapitel eine Skizzierung der eigenen Erhebung zur Wirksamkeitsevaluation<br />
an. Da ein insgesamt wenig erforschtes Gebiet bearbeitet wurde, hatte nicht<br />
die Erlangung einer vertieften analytischen Kenntnis der Problematik,<br />
sondern vielmehr die Exploration des Forschungsgegenstandes Priorität.<br />
Nach der Illustration des Evaluationszieles, evaluationsleitenden Fragestellungen<br />
und den Evaluationshypothesen folgt eine Beschreibung des in<br />
einem Pretest-Posttest-Follow-up-Design angelegten Untersuchungsverlaufes,<br />
der zu prüfenden Interventionen und der angewendeten Methoden.<br />
Ebenso wird ein Überblick zu den Evaluationsinstrumenten gegeben. Im<br />
Anschluss folgen im neunten Kapitel Darlegungen zur Untersuchungsstichprobe<br />
sowie zu den Evaluationsergebnissen.<br />
Der Verifizierung bzw. Falsifizierung der Hypothesen sowie der Beantwortung<br />
der formulierten Frage nach den Wirkungen der Berufsorientierung<br />
im Verhältnis zu ihren Zielsetzungen widmet sich das zehnte Kapitel.<br />
Integriert sind ferner eine methodische und inhaltliche Reflexion der Forschungsarbeit<br />
sowie eine Diskussion praktischer Konsequenzen für didaktisches<br />
Handeln im Feld der Berufsorientierung.<br />
30
2 Problemaufriss<br />
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
Die beruflichen Perspektiven junger Menschen auf dem Ausbildungsmarkt<br />
stehen trotz vereinzelter regionaler und berufsbezogener Engpässe derzeit<br />
so gut wie nie seit der Wiedervereinigung (vgl. Bundesvereinigung der<br />
Deutschen Arbeitgeberverbände et al. 2008; vgl. Bundesministerium für<br />
Bildung und Forschung 2010a, S. 9). Dies scheint zumindest dann zuzutreffen,<br />
wenn Jugendliche über berufliche Pläne und über einen Realschulabschluss<br />
oder das Abitur verfügen. Jungen und Mädchen ohne Schulabschluss<br />
oder mit einem Hauptschulabschluss sind in ihren Anschlussbemühungen<br />
deutlich öfter mit Problemen konfrontiert. Fünfzehn Monate nach<br />
Verlassen der Schule haben 31% von ihnen noch keine Ausbildung, hier<br />
verstanden als Berufsausbildung bzw. Studium, begonnen. Bei den Jugendlichen<br />
mit mittlerem Abschluss sind es lediglich 19% (vgl. Krekel, Ulrich<br />
2009, S. 15). Unter Berufsausbildung werden betriebliche, überbetriebliche,<br />
außerbetriebliche und schulische Ausbildungen zusammengefasst. Betriebliche<br />
(oder duale) Berufsausbildungen sind dadurch gekennzeichnet, dass<br />
praktische Unterweisungen in einem Unternehmen und theoretische<br />
Lektionen in der Berufsschule erfolgen. Bei überbetrieblichen Berufsausbildungen<br />
werden berufsspezifische praktische Kurse in von den Innungen<br />
oder Kammern eingerichteten Werkstätten oder Bildungszentren durchgeführt.<br />
Die Ausbildungsform wird von Auszubildenden aus verschiedenen<br />
Betrieben genutzt, wenn diese einzelne Ausbildungsteile nicht selbst in<br />
adäquater Weise erbringen können. Außerbetriebliche Berufsausbildungen<br />
werden überwiegend (mehr als 50% der Kosten des praktischen Teils der<br />
Ausbildung) über staatliche Programme und über die Bundesagentur für<br />
Arbeit finanziert. Außerbetrieblich bezieht sich demnach nicht auf den<br />
Lernort, sondern vielmehr auf die Form der Finanzierung. Viele der Auszubildenden<br />
in außerbetrieblichen Berufsausbildungen erlernen ihren Beruf<br />
in unmittelbarem Kontakt mit Unternehmen. Zum Teil werden sie sogar<br />
vollständig von Betrieben ausgebildet, die dafür staatliche Unterstützung<br />
erhalten. Durch die Finanzierung soll dem Fehlen dualer Ausbildungsplätze<br />
entgegen gewirkt werden. Eine schulische Berufsausbildung können<br />
Jugendliche mittels Vollzeitunterricht an staatlichen oder privaten Berufsfachschulen,<br />
Fachschulen oder Fachakademien erhalten. In die Ausbildungszeit<br />
sind teilweise Praktika in Unternehmen integriert (vgl. Bundesagentur<br />
für Arbeit 2010a).<br />
31
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
In ihren Chancen auf eine Ausbildung wesentlich stärker beeinträchtigt als<br />
Mädchen und Jungen ohne Schulabschluss sind indessen diejenigen, die am<br />
Ende der Schulzeit keine klare berufliche Orientierung haben (vgl. Rademacker<br />
2009, S. 28). Doch stellen die im allgemeinbildenden Schulsystem<br />
erreichten Bildungsabschlüsse einerseits zwar eine wichtige Einstiegsvoraussetzung<br />
für den Ausbildungsmarkt dar, andererseits werden sie jedoch<br />
auch immer stärker inflationiert. Ein hoher Schulabschluss sichert keinen<br />
Berufsausbildungsvertrag bzw. keine Studienimmatrikulation, schon gar<br />
nicht, wenn der Berufsweg den persönlichen Wünschen und Interessen<br />
entsprechen soll. Erreichte Ausbildungsabschlüsse garantieren, beispielsweise<br />
aufgrund der Dynamik in der Entwicklung von Berufsbildern und ihrer<br />
immer stärkeren Ausdifferenzierung, keinen sicheren Arbeitsplatz oder<br />
einen beruflichen Aufstieg (vgl. Freimuth 1994, S. 35 f.; vgl. Walther, Stauber<br />
2007, S. 31). Nachfolgend werden einzelne Problemfelder, die kennzeichnend<br />
für den Übergang Jugendlicher zwischen Schule und Arbeitswelt<br />
sind und Schlussfolgerungen für die Notwendigkeit von Korrekturen in der<br />
Gestaltung der Berufsorientierung zulassen, dargelegt. Zu identifizieren<br />
sind dabei zwei bipolar zueinanderstehende Problemfacetten: Zum einen<br />
eine personenbezogene Betrachtungsweise mit Schwierigkeiten in der individuellen<br />
Standortbestimmung und einem Prozess des sich Zurechtfindens<br />
(Selbstorientierung). Zum anderen Probleme in der beruflichen Ausrichtung<br />
und durch die von außen an die Jugendlichen herangetragene Anforderungen<br />
der Arbeitswelt (vgl. Butz 2008b, S. 49 f.). Zunächst stehen die<br />
individuumbezogenen und daran anschließend die arbeitsweltbezogenen<br />
Defizite im Mittelpunkt der Ausführungen.<br />
2.1 Orientierung auf ein eingeschränktes<br />
Spektrum an Ausbildungen<br />
Jugendliche reflektieren nur einen kleinen Ausschnitt ihrer beruflichen<br />
Möglichkeiten. Bei der Wahl ihrer Berufsausbildung bzw. ihres Studiums<br />
konzentrieren sie sich einerseits auf Berufsbezeichnungen. Diese<br />
32<br />
„haben eine Signalfunktion (Vorstellungsbilder), eine Selektionsfunktion<br />
(Filter, um sich näher damit zu beschäftigen oder auch nicht) und eine<br />
Selbstdarstellungsfunktion (für die eigene soziale Verortung der oder des<br />
Jugendlichen).“ (Programmstelle beim Bundesinstitut für Berufsbildung<br />
2008, S. 7).
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
Das Image von Berufen und ihre Bezeichnungen führen dazu, dass Jugendliche<br />
sich mehr oder weniger für bestimmte Ausbildungen interessieren.<br />
Berufsausbildungen mit einem hohen Überhang an unbesetzten Ausbildungsstellen<br />
waren zum Ausbildungsjahr 2008/2009 beispielsweise Fachmann/-frau<br />
für Systemgastronomie (ca. 15% unbesetzt), Restaurantfachmann/-fachfrau<br />
(ca. 12%), Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk<br />
(ca. 10%) oder Fleischer/-in (ca. 9%) (vgl. Eberhard et al. 2009, S. 9).<br />
Demgegenüber verzeichnen die Ausbildungsberufe Tierpfleger/-in (ca.<br />
59%), Gestalterin für visuelles Marketing (ca. 49%), Mediengestalter/-in<br />
Bild und Ton (ca. 34%) und Fotograf/-in (ca. 34%) einen hohen Überhang<br />
an erfolglosen, nicht vermittelten Bewerberinnen und Bewerbern (vgl. ebd.,<br />
S. 10). Eberhard et al. zeigen eindrucksvoll, wie allein durch sprachkosmetische<br />
Korrekturen steuernd auf Bewerberzahlen Einfluss genommen werden<br />
kann. So ist die Nachfrage beispielsweise der Ausbildungsberufe<br />
Schauwerbegestalter/-in und Verlagskaufmann/-frau infolge der Umbenennung<br />
in ‚Gestalter/-in für visuelles Marketing’ und ‚Medienkaufmann/frau<br />
Digital und Print’ maßgeblich gestiegen (vgl. ebd., S. 12) 8. Neben<br />
prestigeträchtigen Berufsbezeichnungen orientieren sich Mädchen und<br />
Jungen andererseits auch immer noch stark an traditionellen Rollenbildern.<br />
Sie münden oft in ‚Frauenberufe’ bzw. ‚Männerberufe’, was die Segmentierung<br />
männer- und frauendominierter Berufsfelder fördert (vgl. Lemmermöhle-Thüsing<br />
et al. 1994, S. 11; vgl. Klevenow 1996, S. 107). Zu den Begrifflichkeiten<br />
‚Frauenberufe’ und ‚Männerberufe’ sowie den so genannten<br />
‚Mischberufen’ erfolgt in der Literatur eine sehr uneinheitliche Darstellung,<br />
wie Beinke et al. bestätigen (vgl. Beinke et al. 1991, S. 62). Die Unterscheidung<br />
orientiert sich einerseits an bestehenden Rollenzuschreibungen und<br />
Typisierungen. Andererseits basieren die Definitionen auf statistischen<br />
Werten. Analysiert wird hierbei die Verteilung von Frauen und Männern<br />
innerhalb eines Berufes. Eine umfangreiche definitorische Auseinandersetzung<br />
nehmen Nissen et al. vor (vgl. Nissen et al. 2003, S. 46 ff.).<br />
Letztendlich ist das Berufswahlverhalten so stabil, dass sich die Liste der<br />
Wunschausbildungsberufe und -studiengänge bei Mädchen und bei Jungen<br />
seit Jahren nur geringfügig ändert. Obgleich in Deutschland etwa 350 staat-<br />
8 Vgl. zu diesem Abschnitt auch die Ausführungen zu den Disparitäten von Berufsausbildungsplatznachfrage<br />
und -angebot nach Berufen des Bundesinstitutes für Berufsbildung (vgl. Bundesinstitut<br />
für Berufsbildung 2009b, S. 325 f.).<br />
33
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
lich anerkannte Ausbildungsberufe 9 im dualen System existieren, entscheiden<br />
sich kontinuierlich etwa 50% aller männlichen Jugendlichen für einen<br />
der zwanzig von Jungen am stärksten nachgefragtesten Berufe (vgl. Anhang<br />
1). Dazu gehören z. B. die Berufsausbildungen zum Kraftfahrzeugmechatroniker,<br />
zum Industriemechaniker, zum Elektroniker oder zum Metallbauer.<br />
Bei den Mädchen greifen seit Jahren circa 70% auf zwanzig Berufe<br />
im Verwaltungs-, Dienstleistungs- und sozialen Bereich, wie z. B. Bürokauffrau,<br />
Kauffrau im Einzelhandel, Arzthelferin, Friseurin oder Verkäuferin<br />
zurück (vgl. Anhang 2). 10 Dabei unberücksichtigt bleiben allerdings die<br />
schulischen Berufsausbildungen, wie z. B. diejenigen des Gesundheits- oder<br />
Erziehungsbereiches, die ein deutlich breiteres Berufswahlspektrum von<br />
Mädchen erkennen lassen (vgl. Fußnote 9). Relevant ist dies vor allem im<br />
Kontext der zunehmenden Tertiärisierung des Beschäftigungssystems,<br />
denn von der wachsenden Bedeutung des Dienstleistungssektors gegenüber<br />
dem produzierenden Gewerbe profitieren vorrangig Frauen.<br />
9 Staatlich anerkannt und vollqualifizierend ist ein Ausbildungsberuf dann, wenn für ihn eine<br />
Ausbildungsordnung erlassen wurde, die deutschlandweit eine geordnete und einheitliche betriebliche<br />
Berufsausbildung im gesamten Bundesgebiet gewährleistet. Seit der Verabschiedung<br />
des Berufsbildungsgesetzes (1969) ist die Zahl der staatlich anerkannten Ausbildungsberufe, bedingt<br />
durch Aufhebungen, Zusammenfassungen, Umstrukturierungen (Anpassung an den technologischen<br />
Wandel), stark gesunken. Anfang der 1970er Jahre belief sich ihre Zahl noch auf<br />
rund 600. Das Bundesinstitut für Berufsbildung führt eine Liste, die nach unterschiedlichen Kriterien<br />
sortiert werden kann, z. B. nach Berufsgruppe, Verordnungsdatum, Ausbildungsdauer (vgl.<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung 2011). Neben den bundeseinheitlich geregelten Berufsausbildungen<br />
im dualen System gibt es etwas mehr als zwanzig bundesweit einheitlich und rund 120<br />
landesrechtlich geregelte schulische Berufsausbildungen. Hinzu kommen Ausbildungen, die<br />
durch interne Regelungen der Bildungsträger geregelt sind (vgl. Schwertner 2010, o. S.). Daraus<br />
resultieren von Bundesland zu Bundesland erhebliche Unterschiede bezogen auf die Organisation<br />
und die Inhalte des schulischen Teils der Berufsausbildung im dualen System (vgl. Hoeckel,<br />
Schwartz 2010, S. 10).<br />
10 Hauptschulabsolventinnen und -absolventen mit Schulabschluss bevorzugen die Ausbildungsberufe<br />
Verkäuferin/Verkäufer (ca. 6% aller Hauptschulabsolventinnen und -absolventen mit<br />
Schulabschluss und ca. 43% aller Auszubildenden im Beruf) und Kauffrau/Kaufmann im Einzelhandel<br />
(ca. 6% aller HmS und ca. 27% aller AiB), Friseur/in (ca. 5% aller HmS und 52% aller<br />
AiB), Fachverkäufer/in im Lebensmittelhandwerk (ca. 5% aller HmS und ca. 66% aller AiB),<br />
Kraftfahrzeugmechatroniker/in (ca. 5% aller HmS und ca. 35% aller AiB; vgl. Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung 2008a, S. 134). Jugendliche ohne Schulabschluss finden sich in<br />
den Ausbildungsberufen Maler/in und Lackierer/in (ca. 6% aller HmS und ca. 7% aller AiB),<br />
Hauswirtschaftshelfer/in (ca. 6% aller HmS und ca. 39% aller AiB), Friseur/in (ca. 4% aller HmS<br />
und ca. 4% aller AiB), Werker/in Gartenbau (ca. 4% aller HmS und 53% aller AiB), Bau- und<br />
Metallmaler/in (ca. 3% aller HmS und ca. 40% aller AiB; vgl. ebd. S. 135). In Bezug auf Schülerinnen<br />
und Schüler ohne Schulabschluss ist im Blick zu behalten, dass diese sich zum Großteil<br />
auf Rehabilitationsausbildungen, auch als Werkerberufe nach §66 BBiG und §42m HwO bezeichnet,<br />
konzentrieren (müssen). Zum einen sind ihre Chancen auf eine erfolgreiche Bewerbung<br />
für einen Ausbildungsberuf im dualen oder Schulberufssystem gering. Zum anderen liegt bei den<br />
Jugendlichen oft eine Beeinträchtigung der individuellen Lernfähigkeit vor, die dazu führen kann,<br />
dass die theoretischen Lernanforderungen in regulären Berufsausbildungen nicht bewältigt werden<br />
können. Um diesen jungen Menschen dennoch eine Ausbildung zu ermöglichen, schuf der<br />
Gesetzgeber besondere Regelungen nach §66 BBiG und §42m HwO. Derzeit sind 61 Berufe in<br />
Rehabilitationsausbildungen erlernbar (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2010b).<br />
34
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
Zu den zwanzig am stärksten besetzten Studienfächern zählen bei den Jungen<br />
u. a. Maschinenbau/-wesen, Informatik oder Elektrotechnik/Elektronik<br />
(vgl. Anhang 3). Mädchen bevorzugen Fachrichtungen wie Erziehungswissenschaften,<br />
Sozialwesen oder Psychologie (vgl. Anhang 4). Veränderungen<br />
am Spektrum der Fachrichtungen sind ebenso wie bei den Berufsausbildungen<br />
im Vergleich zwischen dem Wintersemester 2000/2001,<br />
2004/2005 und 2007/2008 so gut wie nicht auszumachen. Dennoch lässt<br />
sich bei der Wahl von Studiengängen ein markanter Unterschied im Vergleich<br />
zur Wahl von Ausbildungsberufen finden: Es gibt eine Vielzahl von<br />
Überschneidungen bei den zwanzig am meisten gewählten Fachrichtungen<br />
von Jungen und Mädchen. Im Wintersemester 2007/2008 gehörten immerhin<br />
zehn dieser Studiengänge sowohl zur ‚Hitliste’ von jungen Männern<br />
als auch von jungen Frauen. Zu nennen sind beispielsweise Betriebswirtschaftslehre,<br />
Wirtschaftswissenschaften, Germanistik/Deutsch, Mathematik<br />
oder Rechtswissenschaften. Offen bleibt hingegen inwieweit die Jugendlichen<br />
ihr Spektrum an gewählten Studiengängen im Zeitverlauf erweiterten.<br />
Zwar suggeriert die Datenlage (vgl. Anhang 3 f.), dass sich vor allem<br />
Mädchen bei der Studienfachwahl zunehmend breiter orientieren und sich<br />
öfter als Jungen für andere Studiengänge als die zwanzig meist gewählten<br />
entscheiden. Durch die Ausdifferenzierung von Studiengängen infolge der<br />
Bologna-Reformen ist dies jedoch nicht eindeutig zu belegen.<br />
Während Unternehmen in den neunziger Jahren noch die Einstellung von<br />
Männern aufgrund ihrer physischen Voraussetzungen und Belastbarkeit,<br />
beruflicher Kenntnisse und Erfahrungen oder betrieblicher oder gesetzlicher<br />
Auflagen präferierten (vgl. Schober, Rauch 1996, S. 26 ff.) und sich<br />
die gängigen Argumente gegen eine Ausbildung und/oder Beschäftigung<br />
von Frauen in gewerblich-technischen oder ingenieurwissenschaftlichen<br />
Berufen auf deren geringere körperliche Belastungsfähigkeit, nicht kalkulierbare<br />
Schwangerschaften, die Fristigkeit der weiblichen Arbeitskraft<br />
(Familienpause), die Krankheitshäufigkeit und Probleme in der Zusammenarbeit<br />
mit Kollegen bezogen (vgl. Thege 1994, S. 27), werben heute mit<br />
Blick auf den Fachkräftemangel immer mehr Unternehmen aktiv auch junge<br />
Frauen. Dessen ungeachtet hat sich die Zahl der Studentinnen in den<br />
Ingenieurwissenschaften trotz der signalisierten Offenheit von Handwerk<br />
und Industrie in den letzten Jahren nicht verändert (vgl. Isserstedt et al.<br />
2010, S. 4). Der Erfolg der Bemühungen wird dadurch getrübt, dass Mädchen<br />
in technischen Berufen Anforderungen vermuten, denen sie sich nicht<br />
gewachsen fühlen. Sie erkennen sich selbst die nötigen Fähigkeiten ab und<br />
werden darin vom Elternhaus und Gleichaltrigen noch bestärkt (vgl.<br />
Driesel-Lange, Hany 2005, S. 5). Dies mag auch daran liegen, dass sich z. B.<br />
35
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
in Verwaltungen, Unternehmen und Hochschulen immer noch die Existenz<br />
und Stabilität der Geschlechterverhältnisse und -zuweisungen spiegelt<br />
und sich die Akzeptanz und Wertschätzung von Mädchen häufig im Rahmen<br />
geschlechtsstereotyper Zuschreibungen bewegt. Bonnemann-Böhner<br />
et al. halten dazu fest:<br />
36<br />
„Solange die theoretische und praktische Teilhabe von Mädchen und<br />
Frauen an der Definition und Gestaltung von Arbeit, Wissenschaft, Kultur<br />
und Ökonomie nicht als notwendige Voraussetzung und Bedingung<br />
des derzeit gesellschaftlichen Überlebens begriffen wird, solange werden<br />
Mädchen keine geschlechteroffene Identität ausbilden.“ (Bonnemann-<br />
Böhner et al. 1994, Vorwort o. S.)<br />
Angesichts der, wenn auch von kleinen Veränderungen geprägten, Orientierung<br />
auf ein eingeschränktes Spektrum an Ausbildungen erscheint es<br />
wenig verwunderlich, wenn Jugendliche unterschiedlicher Schulformen,<br />
trotz der Überzeugung vom hohen gesellschaftlichen Wert beruflicher Bildung<br />
(vgl. Stauber 2007, S. 135), nicht durchweg zuversichtlich sind, was<br />
die Erfüllung ihrer beruflichen Wünsche angeht. Nach den Shell-<br />
Jugendstudien glaubten im Jahr 2002 nur etwa 68% der Jungen und Mädchen<br />
ihre Berufsvorstellungen realisieren zu können. Im Jahr 2006 waren es<br />
rund 64% und im Jahr 2010 circa 71% (vgl. Langness et al. 2006, S. 73; vgl.<br />
Leven et al. 2010, S. 115). Jugendliche schätzen die Situation und ihre<br />
Chancen im Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt demnach<br />
realistisch ein. Sie haben Sorgen, keinen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz zu<br />
finden oder diesen zu verlieren. 2002 hegten 55%, 2006 immerhin 69% und<br />
2010 62% Angst vor Arbeitslosigkeit (vgl. Langness et al. 2006, S. 75; vgl.<br />
Leven et al. 2010, S. 117). Wenig optimistisch sind insbesondere Jugendliche<br />
in den neuen Bundesländern und, trotz besserer Ausgangssituation<br />
aufgrund höherer Bildungsabschlüsse, die Mädchen. Zwar nehmen die Jungen<br />
an Gymnasien und Realschulen die Minderheit ein (vgl. Bundesministerium<br />
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2009, S. 22 ff.), zeigen im<br />
Durchschnitt schlechtere schulische Leistungen, bleiben häufiger sitzen<br />
und sind öfter sozial auffällig, dennoch sind ihre Chancen auf dem Ausbildungs-<br />
und Arbeitsmarkt letztendlich deutlich besser als die von Mädchen.<br />
Der Bildungsaufstieg junger Frauen ist kein Garant für Chancengleichheit<br />
im Berufsleben. Sie müssen sich häufiger als Jungen um Berufsausbildungsplätze<br />
bewerben, machen häufiger Abstriche von ihren beruflichen<br />
Wunschvorstellungen und münden seltener in ihre Wunschberufe ein (vgl.<br />
Freimuth 1994, S. 35 f.; vgl. Schober, Rauch 1996, S. 54 f.; vgl. Lemmermöhle<br />
2002, S.131; vgl. Frauenbüro der Stadt Göttingen 2004, S. 2). Ähnliches<br />
gilt in Bezug auf die Situation von Mädchen nach Absolvierung eines
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
Studiums. Studentinnen haben größere Probleme bei der Stellenfindung als<br />
ihre männlichen Kommilitonen und werden häufiger unterhalb ihrer<br />
eigentlichen Qualifikation beschäftigt (vgl. Ramm 2001, S. 29). Die Konzentration<br />
von Mädchen auf frauendominierte Ausbildungen geht mit<br />
schlechteren Ausgangsbedingungen einher: Die Verdienste sind vergleichsweise<br />
gering, die Beschäftigungssicherheit ist niedriger und die Aufstiegsmöglichkeiten<br />
sind schwieriger (vgl. Bonnemann-Böhner et al. 1994,<br />
S. 1; vgl. Bredemeier de Diego et al. 1995, S. 7 f.; vgl. Kühnlein, Paul-<br />
Kohlhoff 1996, S. 115; vgl. Nissen et al. 2003, S. 51 ff.; vgl. Bundesministerium<br />
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2009, S. 58 f.). Auch wenn<br />
in der Wirtschaftskrise 2009 vor allem männliche Arbeitnehmer ihre Beschäftigung<br />
verloren haben, da Männerdomänen wie die Bauwirtschaft<br />
oder die Automobilindustrie besonders stark von den Entwicklungen betroffen<br />
waren, ist in männerdominierten Berufsgruppen bereits in der Berufsausbildung<br />
z. B. in Hinsicht auf Ausbildungszeiten, Überstunden und<br />
Regelungen zum Überstundenausgleich, auf die Anzahl der Urlaubstage,<br />
den Urlaubszeitpunkt sowie auf die Ausbildungsvergütung eine deutliche<br />
Besserstellung der Auszubildenden festzustellen (vgl. Beinke 1991, S. 22;<br />
vgl. Deutscher Gewerkschaftsbund 2009, S. 45 ff.). Das zunehmende Interesse<br />
an Jungen in der öffentlichen, politischen und pädagogischen Diskussion<br />
ist demnach zu einseitig und verliert die schlechtere berufliche Ausgangslage<br />
vieler Mädchen aus dem Blick.<br />
Doch nicht nur für junge Frauen, generell für Jugendliche ohne Schulabschluss<br />
sowie mit Hauptschul- oder Realschulabschluss ist der Berufseinstieg<br />
problembehaftet. Unternehmen bilden bevorzugt Personen mit<br />
höherem Schulabschluss aus, die so als Konkurrenten um Berufsausbildungsstellen<br />
auftreten (vgl. Schudy 2002, S. 11 f.; vgl. von Wensierski et al.<br />
2005, S. 40 f.; vgl. Glaesser 2007, S. 81).<br />
2.2 Unsicherheit und<br />
Orientierungslosigkeit<br />
In Anbetracht der Vielzahl an Berufsausbildungen sowie von immer neuen,<br />
insgesamt über 16.000 Bachelor- und Masterstudiengängen an Berufsakademien,<br />
Fachhochschulen, Hochschulen und Universitäten 11, die einem<br />
11 Die Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland erfasst in ihrer Statistik<br />
insgesamt 16.045 Studiengänge an Universitäten oder Hochschulen mit Promotionsrecht, an<br />
Fachhochschulen oder Hochschulen ohne Promotionsrecht und an Kunst- und Musikhochschulen<br />
(vgl. Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland 2011).<br />
37
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
stetigen Wandel unterworfen sind, ist es nachvollziehbar, wenn Jugendliche<br />
schlichtweg orientierungslos auf ein kleines, aber eben sehr präsentes, weil<br />
überproportional häufig besetztes Spektrum an Ausbildungen zurückgreifen.<br />
Hinzu kommt, dass viele Schülerinnen und Schüler nur vage oder<br />
gar keine Vorstellungen darüber haben, in welchem Beruf sie einmal tätig<br />
sein wollen, was sie in der Berufsausbildung, im Studium und im gewählten<br />
Beruf erwartet oder was ihre Interessen, Fähigkeiten, Bedürfnisse und<br />
Werthaltungen sind, wie in zahlreichen Publikationen immer wieder festgestellt<br />
wird (vgl. Schanne 1990, S. 12; vgl. Ermert, Friedrich 1990, S. 9; vgl.<br />
Stark et al. 1997, S. 105; vgl. Schmid, Barmettler 2001, S. 3). Junge Frauen<br />
und Männer beklagen, dass ihnen niemand sagen könne, welche Berufe zukünftig<br />
gefragt sind oder sie gehen davon aus, dass es angesichts der Situation<br />
auf dem Arbeitsmarkt und der häufig erforderlichen beruflichen Neuorientierungen<br />
nicht notwendig sei, sich auf einen Beruf festzulegen. Sie<br />
schieben die Berufswahl hinaus, überlassen sie dem Zufall oder haben<br />
Schwierigkeiten sich überhaupt entscheiden zu können, wie die folgende<br />
Aussage eines Jugendlichen zeigt:<br />
38<br />
„Man steht hier so und alle Türen sind so offen noch und man kann sich<br />
nicht entscheiden, was soll man denn machen! Bei so 'nem Angebot, da<br />
wird man erschlagen und alles könnte falsch sein.“ (belegt in Knauf,<br />
Oechsle 2007, S. 143)<br />
Optimistischer formuliert ein anderer Jugendlicher die Situation:<br />
„Wenn alles chaotisch ist, ist meine jetzige Entscheidung allemal richtig.“<br />
(belegt in Westhoff 1996, S. 147)<br />
Haubrich und Preiß belegen mit ihrer Studie, dass Jugendliche sogar bis<br />
zum Abschluss der Schule<br />
„nur sehr geringe Kenntnisse über in Frage kommende Ausbildungsplätze,<br />
über Inhalt und Form von Ausbildungsberufen, über die jeweilige<br />
Arbeitsmarktsituation und am wenigsten über die betriebliche Alltagsrealität“<br />
haben (Haubrich, Preiß 1996, S. 80).<br />
Ebenso ist ihnen keine realistische Einschätzung der Chancen und Risiken<br />
ihrer Wunschausbildung möglich. Nach einer Untersuchung von Lange aus<br />
dem Jahr 1978 wächst das faktische Wissen über verschiedene Aspekte der<br />
Berufs- und Arbeitswelt mit höherer Schulbildung. Interessant ist hierbei,<br />
dass die Jugendlichen das eigene berufliche Wissen dann geringer einschätzen.<br />
Lange begründet dies mit Differenzen hinsichtlich der Art des Informationserwerbes<br />
und in Bezug auf praktische Erfahrungen. Demnach<br />
haben Mädchen und Jungen, die kein Abitur anstreben, deutlich mehr
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
Möglichkeiten für direkte Erlebnisse in der beruflichen Praxis als Abiturientinnen<br />
und Abiturienten, die Informationen überwiegend indirekt über<br />
eine theoretische Auseinandersetzung mit der Berufs- und Arbeitswelt beziehen<br />
(z. B. durch Lektüre von Berufs- und Studieninformationsmaterialien).<br />
Schülerinnen und Schüler aus Gymnasien erreichen so zwar einen<br />
höheren Informationsstand, besitzen aber weniger hautnahe Erfahrungen<br />
und fühlen sich so weniger informiert. Mit zunehmender Höhe der Schulbildung<br />
wird dies durch eine kritische Haltung in Bezug auf das eigene Wissen<br />
bestärkt (vgl. Lange 1978, S. 89 ff.). Die durch die intensive Auseinandersetzung<br />
mit Fragen der Berufs- und Studienwahl einhergehende Verunsicherung<br />
kann nach Ermert und Friedrich jedoch positiv bewertet werden,<br />
wenn sie dazu führt, dass Entscheidungsgrundlagen durch eine Verbreiterung<br />
der Informationen optimiert werden. Sie sprechen in diesem Zusammenhang<br />
von einer ‚produktiven Verunsicherung’, die die Rationalität der<br />
Entscheidung für eine Ausbildung erhöht (vgl. Ermert, Friedrich 1990,<br />
S. 33). Zu wenig Beachtung findet beim Ansatz der ‚produktiven Verunsicherung’,<br />
dass die Suche nach Informationen schon bei geringen Bemühungen<br />
leicht in einer unüberschaubaren Informationsflut endet, die eher<br />
Verwirrung als Klarheit hervorruft. In Anbetracht der zahlreichen Informationsquellen<br />
ist es daher nicht verwunderlich, wenn in einer Studie der Bertelsmann<br />
Stiftung schulformübergreifend von etwa der Hälfte aller Schülerinnen<br />
und Schüler statt einem Mangel an Informationen eher die<br />
Schwierigkeit sich in der Informationsvielfalt zurechtzufinden beklagt wird<br />
(vgl. Bertelsmann Stiftung 2005, S. 13). Selbst Eltern, Lehrende sowie Berufsberaterinnen<br />
und Berufsberater sind von der Fülle der Informationen<br />
überfordert (vgl. Beinke, Wascher 1993, S. 7). Hinzu kommt eine institutionelle<br />
Vielfalt und eine hohe Intransparenz hinsichtlich der Zuständigkeiten<br />
von bei der Berufsorientierung unterstützenden Akteuren (vgl. Kapitel<br />
1), aber auch, und dies trifft besonders benachteiligte 12 Jugendliche, ein<br />
Wettbewerb der Leistungs- und Kostenträger um Unzuständigkeit. Ermert<br />
12 Die Formulierung ‚benachteiligt’ wird innerhalb dieser Schrift für alle Jugendlichen eingesetzt,<br />
bei denen Probleme im Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt auftreten. Aufgrund unterschiedlichster<br />
Benachteiligungsfaktoren ist die Gruppe der Benachteiligten äußerst heterogen.<br />
Benachteiligend können u. a. wirken: „1. Soziale Faktoren wie soziale Schicht, Migrationshintergrund<br />
und Nationalität, regionale Herkunft, Religion, Geschlecht, 2. Individuelle Faktoren<br />
wie psychische und physische Beeinträchtigungen, Verhaltensauffälligkeiten oder Lern- und<br />
Leistungsschwierigkeiten, 3. Brüche und/oder Instabilitäten in der Schulbiographie, 4. Außerschulische<br />
Problemlagen wie multiproblematische Herkunftsfamilien mit Gewalterfahrungen,<br />
Lebensprobleme, Sinn- und Identitätssuche, Protest- und Autonomiebeweise, 5. Marktbenachteiligungen,<br />
die durch die konjunkturelle Lage, strukturelle Einflussfaktoren und regionale Inhomogenitäten<br />
des Bildungssystems verursacht werden.“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
2008d, S. 42 f.)<br />
39
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
und Friedrich stellen schließlich selbst fest, dass „die bewußte Wahrnehmung<br />
des Berufswahlprozesses in seiner ganzen Komplexität und Risikohaftigkeit<br />
zu lethargischer bzw. angstbesetzter Orientierungslosigkeit“ führen<br />
kann (Ermert, Friedrich 1990, S. 34).<br />
2.3 Passungsschwierigkeiten<br />
Während vorangehend aus der Perspektive der Jugendlichen ersichtliche<br />
Probleme beleuchtet wurden, soll sich nunmehr auf Aspekte aus dem<br />
Blickwinkel von Unternehmen und anderen Institutionen konzentriert<br />
werden. Laut jährlicher Unternehmensbefragungen des Deutschen<br />
Industrie- und Handelskammertags (DIHK) können Betriebe immer weniger<br />
die von ihnen angebotenen Ausbildungsplätze besetzen. Von 2004 zu<br />
2008 vergrößerte sich der Anteil der Firmen mit unbesetzten Stellen von<br />
12% auf 21% (Ostdeutschland: 30%). Besonders betroffen sind kleinere<br />
Betriebe und Unternehmen im Bereich der privaten Dienstleistungen, im<br />
Handel, Verkehrs- bzw. Nachrichtenwesen, im produzierenden Gewerbe,<br />
im Gastgewerbe, aber auch Banken und Versicherungen (vgl. Gericke et al.<br />
2009, S. 1 f.). Unternehmen und weitere Organisationen sehen bei der Gewinnung<br />
neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwei wesentliche Schwierigkeiten:<br />
Einerseits fehlt es an Bewerberinnen und Bewerbern. Vom Ausbildungspakt<br />
wird diesbezüglich ein Passungs- oder auch Mismatch-Problem angeführt<br />
(vgl. Ausbildungspakt 2006, S. 3). Es bezeichnet die Diskrepanz<br />
zwischen Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftenachfrage bezüglich Qualifikationen,<br />
Berufen, Informationen bzw. regionaler Verteilung. Der Qualifikationsmismatch<br />
bezieht sich auf Unstimmigkeiten zwischen den Leistungsvoraussetzungen<br />
von Stelleninteressenten und den Qualifikationsanforderungen<br />
der zu besetzenden Stelle. Ein beruflicher Mismatch bezeichnet<br />
den Zustand, bei dem zwischen den Ausbildungswünschen der Jugendlichen<br />
und dem Ausbildungsstellenangebot der Betriebe ein Ungleichgewicht<br />
besteht. Bezug zu nehmen ist hier auf die in Kapitel 2.1 geschilderte<br />
Problematik eines hohen Überhangs an unbesetzten Berufsausbildungsstellen<br />
und an erfolglosen Bewerberinnen und Bewerbern aufgrund des Images<br />
von Berufen. Ein Informationsmismatch entsteht aufgrund dessen, dass<br />
nicht alle Bewerberinnen und Bewerber sämtliche Informationen zum<br />
Ausbildungsangebot und nicht alle Betriebe Kenntnisse über alle potenziellen<br />
Fachkräfte haben können. Ursachen für einen regionalen Mismatch<br />
zwischen Angebot und Nachfrage sind in (nicht vorhandener) regionaler<br />
Mobilität, der Bewerberzusammensetzung vor Ort sowie der lokalen<br />
40
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
Attraktivität und Infrastruktur zu finden (vgl. Gericke et al. 2009, S. 2).<br />
Insbesondere hinsichtlich des beruflichen Mismatchs kommt das eingeschränkte<br />
Berufswahlverhalten Jugendlicher zum Tragen und es lässt sich<br />
erneut ein Indikator für die Optimierung der Berufsorientierung ausfindig<br />
machen.<br />
Andererseits bemängeln Unternehmen, analog zur Einschätzung der<br />
Jugendlichen selbst, das ungenügende Informationsniveau der Schulabgängerinnen<br />
und -abgänger über Ausbildungen sowie unzureichende Voraussetzungen<br />
zur Aufnahme einer solchen (vgl. Hundt 2003, S. 1; vgl. Ausbildungspakt<br />
2006, S. 3). Betriebe beklagen Schwierigkeiten, geeignete Bewerberinnen<br />
und Bewerber für ihre Ausbildungsstellen zu finden. Nach<br />
Einschätzung von Unternehmensangehörigen fehlt es Jugendlichen an<br />
realistischer Selbsteinschätzung,<br />
„unternehmerischem Denken, an Eigeninitiative, Verantwortungsbereitschaft<br />
und Risikofreudigkeit, aber auch an grundlegenden ökonomischen<br />
Kenntnissen - Eigenschaften und Fähigkeiten, die in der derzeitigen und<br />
künftigen Arbeitswelt mehr denn je“ von Bedeutung sind (Schober 2001,<br />
S. 8).<br />
Gefordert werden auch bessere Deutsch- und Mathematikkenntnisse und<br />
Zusatzqualifikationen, wie Computer- und Fremdsprachenkenntnisse (vgl.<br />
Famulla 2001, S. 5 f.). Zusammengefasst wird diese Kritik auch unter den<br />
Stichworten ‚mangelnde Ausbildungsreife’. Synonym zur Ausbildungsreife<br />
werden die Begriffe ‚Ausbildungseignung’ und ‚Ausbildungsfähigkeit’ verwendet.<br />
Eine Definition und ausführliche Auseinandersetzung mit dem<br />
Terminus der Ausbildungsfähigkeit findet sich bei Schlemmer (vgl.<br />
Schlemmer 2008). Bezogen auf akademische Ausbildungen wird von Studierfähigkeit<br />
gesprochen. Der Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs,<br />
eine Expertengruppe bestehend aus Vertreterinnen und<br />
Vertretern der Dachverbände der Wirtschaft, hat unter Beteiligung der<br />
Bundesagentur für Arbeit, des Bundesinstituts für Berufsbildung und von<br />
Akteuren aus berufsbildenden Schulen folgende Definition des Begriffes<br />
Ausbildungsreife erarbeitet:<br />
„Eine Person kann als ausbildungsreif bezeichnet werden, wenn sie die<br />
allgemeinen Merkmale der Bildungs- und Arbeitsfähigkeit erfüllt und die<br />
Mindestvoraussetzungen für den Einstieg in die berufliche Ausbildung<br />
mitbringt. Dabei wird von den spezifischen Anforderungen einzelner Berufe<br />
abgesehen, die zur Beurteilung der Eignung für den jeweiligen<br />
Beruf herangezogen werden (Berufseignung). Fehlende Ausbildungsreife<br />
zu einem gegebenen Zeitpunkt schließt nicht aus, dass diese zu einem<br />
späteren Zeitpunkt erreicht werden kann.“ (Bundesagentur für Arbeit<br />
2009b, S. 13)<br />
41
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
Gerade der letzte Aspekt wird in der Diskussion um die Ausbildungsreife<br />
nur allzu oft vergessen. Statt als förderbarer Entwicklungsprozess wird<br />
Ausbildungsreife vielmehr als Istzustand gesehen. Diese Gefahr trägt auch<br />
der „Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife“ in sich. Er skizziert Mindestanforderungen<br />
an Jugendliche, die eine Berufsausbildung aufnehmen möchten.<br />
Neben den Grundfertigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen sind zu<br />
einem großen Anteil personelle und soziale Kompetenzen aufgeführt. Die<br />
Beschreibung erfolgt in den fünf Kategorien Schulkenntnisse, Testleistungen<br />
in Leistungstests, physische Merkmale, psychologische Merkmale<br />
des Arbeitsverhaltens und der Persönlichkeit und Berufswahlreife (vgl.<br />
Bundesagentur für Arbeit 2009b, S. 17). Die Zusammenstellung bietet<br />
Orientierung für Akteure im Feld der Berufsorientierung und die Chance<br />
auf eine gezieltere Förderung. Der Katalog kann jedoch auch als Instrument<br />
zur Selektion von Jugendlichen Einsatz finden (vgl. Butz, Deeken<br />
2010, S. 15). Fakt ist, dass viele der im Kriterienkatalog beschriebenen<br />
Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Tugenden sich mit den im Rahmen<br />
eines Expertenmonitors des Bundesinstitutes für Berufsbildung ermittelten<br />
Aspekten von Ausbildungsreife decken. Konkret gehört für mehr als<br />
vier Fünftel der Expertinnen und Experten aus Betrieben, Berufsschulen<br />
und überbetrieblichen Bildungsstätten, Kammern, Wirtschaftsverbänden<br />
u. a. Institutionen zur Ausbildungsreife:<br />
42<br />
„Zuverlässigkeit, die Bereitschaft zu lernen, die Bereitschaft, Leistung zu<br />
zeigen, Verantwortungsbewusstsein, Konzentrationsfähigkeit, Durchhaltevermögen,<br />
Beherrschung der Grundrechenarten, einfaches Kopfrechnen,<br />
Sorgfalt, Rücksichtnahme, Höflichkeit, Toleranz, die Fähigkeit zur<br />
Selbstkritik, Konfliktfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und zu guter Letzt<br />
die Bereitschaft, sich in die betriebliche Hierarchie einzuordnen.“ (Ehrenthal<br />
et al. 2005, S. o. S.).<br />
Inwieweit sich die Ausbildungsreife von Jugendlichen in den letzten Jahren<br />
und Jahrzehnten verschlechtert hat, ist diskussionsbedürftig. Entgegen der<br />
betrieblichen Sicht weist die Thüringer Studie zur „Ausbildungsfähigkeit<br />
von Regel- und Berufsschülern“ jungen Menschen deutliche Stärken in der<br />
Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz aus (vgl. Winkler 2003, S. 13 f.).<br />
Auch die Ausführungen von Hustedt mit Bezug zu Untersuchungen des<br />
Psychologischen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit belegen über mehrere<br />
Jahrzehnte hinweg eine Zunahme von allgemeiner Intelligenz, von<br />
logisch-schlussfolgerndem Denken sowie von Problemlösefähigkeiten bei<br />
Schülerinnen und Schülern (vgl. Hustedt 1998, S. 162). Wie Ehrenthal et al.<br />
konstatieren, beklagten Unternehmer bereits in den sechziger Jahren, dass<br />
mindestens ein Viertel der Lehrlinge nicht richtig rechnen und schreiben
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
könne und attestierten ihnen eine unzureichende Ausbildungsreife (vgl.<br />
Ehrenthal et al. 2005, S. o. S.). Vor diesem Kontext ist eine kritische Auseinandersetzung<br />
mit der Debatte zur Verschlechterung der Ausbildungsreife<br />
und mit der Angemessenheit von Maßstäben erforderlich. Vor dem<br />
Hintergrund der geschilderten gesellschaftlichen Veränderungen, dem<br />
Wandel der Arbeitswelt sowie den damit einhergehenden gewachsenen Anforderungen<br />
in Berufsfeldern und Ansprüchen an Jugendliche zum einen,<br />
aber auch der Gestaltung und den Möglichkeiten des Schulsystems oder<br />
den Veränderungen in den Familien der Jugendlichen zum anderen, ist<br />
gründlich zu prüfen, inwieweit die derzeitig vorherrschende Defizitperspektive,<br />
die auf den Erfahrungen und Vorstellungen älterer Generationen innerhalb<br />
anderer gesellschaftlicher Rahmenbedingungen beruht, von einer<br />
potenzialorientierten Sichtweise auf Jugendliche abgelöst werden kann und<br />
sollte. Hier liegt auch ein Ansatzpunkt, um dem mit dem demografischen<br />
Wandel verbundenen schrumpfenden Nachfragepotenzial nach betrieblichen<br />
Berufsausbildungen zu begegnen. So wird u. a. von Krekel und<br />
Ulrich keine sich verringernde Nachfrage, sondern weiterhin ein zu geringes<br />
Angebot an Berufsausbildungsplätzen gesehen, deren Ursachen in<br />
Mängeln der Ausbildungsmarktbilanzierung zu suchen sind:<br />
„Seit der Berufsbildungsberichterstattung Mitte der 1970er-Jahre ist es<br />
Tradition, jährlich zum Stichtag 30. September Bilanz zu ziehen. Bis dahin<br />
sind aber bereits viele erfolglose Ausbildungsstellenbewerber in teilqualifizierende<br />
Bildungsgänge des Übergangssystems eingemündet. Diese<br />
Jugendlichen zählen zum Bilanzierungsstichtag zu den ‚versorgten Ausbildungsstellenbewerbern’,<br />
auch dann, wenn sie noch auf Ausbildungsplatzsuche<br />
sind. Da sie nicht zu den erfolglosen Ausbildungsplatznachfragern<br />
gerechnet werden, erschienen die Bilanzen selbst in den Jahren<br />
des größten Ausbildungsplatzmangels weitgehend ausgeglichen. … Das<br />
Übergangssystem trug somit in den letzten Jahren nicht nur dazu bei, Jugendliche<br />
mit Reifedefiziten weiterzuqualifizieren, sondern hatte auch<br />
ganz wesentlich die Funktion, die Ausbildungsmarktbilanz rein rechnerisch<br />
zu stabilisieren.“ (Krekel, Ulrich 2009, S. 7)<br />
Aufgrund des stetigen Defizits an Ausbildungsplätzen hatten Absolventinnen<br />
und Absolventen von Maßnahmen des Übergangssystems 13 gegenüber<br />
Schulabgängerinnen und -abgängern wenig Chancen und so wuchs die Zahl<br />
der Altbewerbungen beständig (vgl. ebd., S. 7). Betriebe, und hierbei sind<br />
13 Dem Übergangssystem werden außerschulische Maßnahmen und schulische Bildungsgänge<br />
zugeordnet, die zu keinem qualifizierten Berufsabschluss führen, wie z. B. das Berufsvorbereitungsjahr<br />
(BVJ) und das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ), soweit es nicht als erstes Ausbildungsjahr<br />
anerkannt wird oder aber die berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen der Bundesagentur<br />
für Arbeit.<br />
43
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
vor allem Klein- und mittlere Unternehmen anzuführen, reagieren bis heute<br />
auf den drastischen Rückgang der Schülerzahlen weder mit einer wachsenden<br />
Bereitschaft für die Ausbildung noch mit einem gesteigerten Engagement<br />
für die Integration von Jugendlichen aus dem Übergangssystem.<br />
Zwar ist die Zahl der neu abgeschlossenen Berufsausbildungsverträge in<br />
den letzten Jahren angestiegen. Bis zum Jahr 2009 erreichte sie, auch unter<br />
dem Umstand der im gleichen Jahr wirkenden Wirtschaftskrise, jedoch<br />
nicht den Stand des Jahres 1999 (vgl. Bundesministerium für Bildung und<br />
Forschung 2010a, S. 11). 14 Unternehmen präferieren oft Schulabgängerinnen<br />
und -abgänger mit besten Noten und ausgeprägten Kompetenzen und<br />
bevorzugen bei aus ihrer Sicht mangelnder Ausbildungsreife von Jugendlichen<br />
eine Nichtbesetzung von Ausbildungsstellen. Aus ökonomischer<br />
Perspektive lässt sich der Wunsch nach Bewerberinnen und Bewerbern, die<br />
sofort einsetzbaren Fachkräften entsprechen, gut nachvollziehen. Unternehmen<br />
setzen Auszubildende heute früher und häufiger für produktive<br />
Tätigkeiten ein und organisieren ihre Ausbildung so weitaus kostengünstiger,<br />
wenn hierfür die entsprechenden Voraussetzungen bei den Jugendlichen<br />
vorliegen. Die Bruttokosten lagen 2007 im Durchschnitt bei<br />
15.288 Euro je Auszubildenden. Die Erträge durch produktive Leistungen<br />
der Jugendlichen bei durchschnittlich 11.692 Euro, was eine Steigerung um<br />
48% seit dem Jahr 2000 ist (vgl. Pfeifer, Wenzelmann 2009, S. 6 ff.). Losgelöst<br />
von finanziellen Vorteilen bleibt mitunter völlig ungeachtet, welchen<br />
Beitrag sie selbst leisten können und in einer Ausbildung leisten müssen,<br />
um (benachteiligte) Jugendliche zu rekrutieren und ihren Kompetenzzuwachs<br />
zu fördern, denn wie Gericke et al. beleuchten, sind betriebliche<br />
Voraussetzungen und Strategien ebenso entscheidend für das Risiko, Ausbildungsstellen<br />
nicht besetzen zu können. So steht ein kurzfristiges, wenig<br />
planvolles und relativ einseitiges Anwerbeverhalten in deutlichem Zusammenhang<br />
mit unbesetzten Stellen (vgl. Gericke et al. 2009, S. 9). Dahingegen<br />
sind die Durchführung von Betriebspraktika und von Informationsveranstaltungen<br />
an allgemeinbildenden Schulen sowie die Beteiligung an Messen<br />
wichtige Instrumente der Bewerberfindung (vgl. ebd., S. 4). Ebenso<br />
scheint die Auswertung von Arbeitsproben neben den Bewerbungsunterlagen<br />
eine Strategie zur erfolgreichen Besetzung von Stellen zu sein. In Hinblick<br />
auf diese die Organisation von Ausbildung betreffenden Punkte kehrt<br />
sich die Frage der Ausbildungsreife um und ist auch für die Unternehmen<br />
14 Die Ausbildungsleistungen sind im Osten und Westen Deutschlands nahezu identisch, wobei<br />
die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage an Berufsausbildungen in Ostdeutschland häufiger<br />
mittels staatlicher Programme geschlossen wird. Dieses Ausbilden ‚über Bedarf’ verbindet sich<br />
allerdings mit ungünstigen Effekten auf die Übernahme- und Beschäftigungschancen Jugendlicher.<br />
44
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
selbst zu prüfen. Anpassungsleistungen können nicht nur einseitig den<br />
Jugendlichen aufgebürdet werden, auch Firmen müssen prüfen, inwiefern<br />
sie ihre Anforderungen modifizieren bzw. welchen Beitrag sie zur Förderung<br />
von Schülerinnen und Schülern leisten können. Solange vor allen<br />
Dingen benachteiligten Jugendlichen immer wieder die Botschaft übermittelt<br />
wird, dass sie chancenlos sind und kein Unternehmen auf sie ‚wartet’,<br />
wird es schwer sein, sie auf Basis dieser Perspektivlosigkeit zu Anstrengungen<br />
für eine Ausbildung zu motivieren. Mit Blick auf die parallel zur sinkenden<br />
Zahl der Schulabgängerinnen und -abgänger wachsenden Zahl der<br />
in die Verrentung wechselnden Erwerbspersonen, gehen Krekel und Ulrich<br />
davon aus, dass „der Druck, aber auch das Engagement der Wirtschaft, die<br />
Ausbildungsreife und den Zugang dieser Jugendlichen in Berufsausbildung<br />
sicherzustellen, wachsen“ (Krekel, Ulrich 2009, S. 8).<br />
2.4 Berufsausbildungs- und<br />
Studienabbrüche<br />
Die Entscheidung für einen Ausbildungsberuf oder Studiengang auf<br />
Grundlage von fehlenden Kenntnissen oder einer falschen Erwartungshaltung<br />
gestützt auf inadäquaten Informationen kann nicht nur für die Jugendlichen<br />
selbst, sondern auch für Unternehmen folgenreich sein. Die Berufsausbildungs-<br />
und Studienrealität bringt schnell Enttäuschungen mit<br />
sich, wenn sie sich nicht mit den persönlichen Vorstellungen, Erwartungen<br />
und Fähigkeiten deckt. Eine verringerte Arbeitsmotivation, berufliche Unzufriedenheit<br />
und Berufs-ausbildungs- und Studienabbrüche sind das Resultat<br />
(vgl. Schanne 1990, S. 12 f.; vgl. Feller 1996, S. 174 ff.). Wie die „Studienabbruchstudie<br />
2005“ des Hochschul-Informations-Systems (HIS) aufzeigt,<br />
brechen 25% der deutschen Studierenden das Studium ab (vgl.<br />
Heublein et al. 2005, S. 1). Im Bereich der Berufsausbildung verhält es sich<br />
ähnlich. Im Jahr 2008 wurden rund 22% der Ausbildungsverträge revidiert<br />
(vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2010a, S. 28). Wenngleich<br />
viele Jugendliche die Berufsausbildung in einem anderen Betrieb<br />
fortsetzen oder in einem anderen Beruf neu starten und Studienabbrecher<br />
häufig ihr Studium in einem weiteren Studiengang neu aufnehmen, kann<br />
die hohe Zahl an aufgelösten Ausbildungsverträgen und Studienabbrüchen<br />
als weiterer Indikator für die Notwendigkeit einer besseren Berufsorientierung<br />
angesehen werden (vgl. Famulla 2001, S. 5 f.; vgl. Pätzold 2008,<br />
45
I THEMATISCHE EINFÜHRUNG – 2 Problemaufriss<br />
S. 606; vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2009, S. 51) 15.<br />
Für Berufsausbildungs- oder Studienabbrecher besteht die Gefahr, nicht<br />
erneut in das berufliche Bildungssystem einzumünden und keine langfristige<br />
Integration am Arbeitsmarkt zu erfahren. Studien zu Ursachen der vorzeitigen<br />
Lösung von Berufsausbildungsverträgen lassen erkennen, dass ein<br />
höheres Informationsniveau bezüglich Arbeitstätigkeiten im Ausbildungsberuf<br />
und in Hinsicht auf Anforderungen im Berufsleben sowie Praxiserfahrungen<br />
beim Einstieg bzw. während der Berufsausbildung Unzufriedenheiten<br />
und Probleme in der Ausbildungszeit verringern können (vgl. Westdeutscher<br />
Handwerkskammertag 2002, S. 23; vgl. Bergzog o. J., S. 1). Vor<br />
allem Mädchen bemängeln die unzureichende Verbindung von Lehrinhalt<br />
und Berufspraxis sowie fehlende Praxiskontakte. Unternehmen und Gewerkschaften<br />
fordern daher verstärkt eine lebensnahe, anschauliche Berufsorientierung,<br />
eine intensivere Auseinandersetzung mit Bildung und Bildungszielen<br />
sowie eine Praxis- und Handlungsausrichtung in der Bildung<br />
(vgl. Famulla 2001, S. 5 f.; vgl. Deutscher Industrie- und Handelstag o. J.,<br />
S. 274). Inwieweit diesen Appellen konzeptionell und gleichfalls im didaktischen<br />
Handeln Rechnung getragen wird, zeigt der Themenschwerpunkt<br />
II Theoretische Aspekte der Berufsorientierung mit den integrierten Einzelkapiteln.<br />
15 In Bezug auf Berufsausbildungsabbrüche können neben unerfüllten Erwartungen bei den Vertragsparteien<br />
auch wirtschaftliche Probleme oder Änderungen der Rechts- und Eigentumsverhältnisse<br />
der Ausbildungsbetriebe Ursachen für eine Vertragslösung darstellen (vgl. Bundesinstitut<br />
für Berufsbildung 2009b, S. 150).<br />
46
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 3 Konzeptionelle Grundgedanken<br />
II Theoretische Aspekte<br />
der Berufsorientierung<br />
3 Konzeptionelle Grundgedanken<br />
Die das Handlungsfeld der Berufsorientierung beschreibenden Begriffe reichen<br />
von ‚Berufsfindung’ (vgl. Beinke, Wascher 1993; vgl. Lemmermöhle-<br />
Thüsing et al. 1994; vgl. Haubrich, Preiß 1996; vgl. Lappe 1996; vgl. Beinke<br />
2006), ‚Berufsfindungsprozess’ (vgl. Bredemeier de Diego et al. 1995; vgl.<br />
Kühnlein, Paul-Kohlhoff 1996), ‚Arbeitsweltorientierung’ (vgl. Dedering<br />
2005) bis zu ‚Bildungslaufbahnberatung’ (vgl. Frauenbüro der Stadt Göttingen<br />
2004). Während Berufsorientierung in der Vergangenheit als Unterstützung<br />
einer rationalen Berufswahl mit einem Fokus auf das Normalarbeitsverhältnis<br />
etabliert war, ist aktuell eine begriffliche Erweiterung festzustellen,<br />
welche die eigentliche Berufswahl in den Hintergrund rücken lässt.<br />
Beide Perspektiven werden nachfolgend auf der Basis von Definitionen<br />
verschiedener Autorinnen und Autoren vorgestellt. Beginnend mit diesen<br />
konzeptionellen Grundlagen wird im Themenschwerpunkt II Theoretische<br />
Aspekte der Berufsorientierung herausgearbeitet, welches Verständnis und welche<br />
theoretischen Bezüge und Erklärungsansätze die Berufsorientierung<br />
prägen. Es werden die Entwicklungsschritte ihrer schulischen und außerschulischen<br />
Konsolidierung nachgezeichnet. Eine Bestandsaufnahme zur<br />
didaktischen Umsetzung rundet den Themenkomplex ab. Diese Vorarbeiten<br />
liefern Informationen zum Anspruch der Berufsorientierung sowie daraus<br />
erwachsenden relevanten Wirkungsfaktoren und wesentlichen Evaluationskriterien.<br />
Die didaktische Analyse trifft Aussagen zur Implementation<br />
der Berufsorientierung und konstruiert ein Abbild von den für die forschungspraktische<br />
Umsetzung der Wirkungsevaluation maßgeblichen Rahmen-<br />
und Handlungsbedingungen.<br />
47
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 3 Konzeptionelle Grundgedanken<br />
3.1 Klassische Begriffsbestimmung der<br />
Berufsorientierung und definitorische<br />
Bezugspunkte im Berufsbegriff<br />
Im klassischen Verständnis von Berufsorientierung gehört diese zum Gesamtkomplex<br />
der vorberuflichen Bildung16 (vgl. Dedering 1994, S. 269; vgl.<br />
Schelten 2004, S. 49). Ermert und Friedrich definieren die Berufsorientierung<br />
in Anlehnung an Dibbern in einem weiteren und in einem engeren<br />
Sinne. Berufsorientierung im weiteren Sinne vermittelt<br />
„grundlegende Kenntnisse, Einsichten und kritische Reflexionen über die<br />
Bereiche Gesellschaft, Technik und Wirtschaft und deren Zusammenhang<br />
als Bildungsgefüge beruflicher Tätigkeiten“ (Dibbern 1979, S. 34<br />
zitiert nach Ermert, Friedrich 1990, S. 2).<br />
Berufsorientierung im engeren Sinne umfasst hingegen die individuelle Berufswahlvorbereitung,<br />
mit dem Ziel der<br />
„Hinführung der Schüler zur Fähigkeit, sich selbständig, eigenverantwortlich,<br />
persönlichkeitsbezogen und sachkundig im Prozeß der Berufswahl<br />
entscheiden zu können.“ (Ermert, Friedrich 1990, S. 2)<br />
Bei Beinke und Wascher sind die Begriffe Berufsorientierung, Berufsfindung<br />
und Berufswahl stark ineinander verwoben bzw. überlappen einander.<br />
Sie verstehen unter Berufsorientierung einen<br />
„Entscheidungsprozeß des Informiertwerdens, des Sich-Informierens<br />
und der Informationsverarbeitung - zu einer Entscheidung unter Zeitdruck<br />
und Zwängen.“ (Beinke, Wascher 1993, S. 18)<br />
Als Berufsfindung wird hingegen<br />
„jener Prozess bezeichnet, der der Berufsentscheidung vorangeht. In ihm<br />
ist zugleich das pädagogische Verhältnis von Suchendem und bei der Suche<br />
Helfenden und Beratenden angedeutet.“ (Beinke 2006, S. 15, vgl. Beinke,<br />
Wascher 1993, S. 11)<br />
16 Nach Dedering beziehen sich die Lerninhalte der vorberuflichen Bildung auf berufliche Anforderungen<br />
und Bildungsgänge, ohne jedoch die Berufsausbildung vorwegzunehmen. (vgl.<br />
Dedering 1994, S. 269).<br />
48
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 3 Konzeptionelle Grundgedanken<br />
Wenig trennscharf zur Berufsorientierung und Berufsfindung17 wird die<br />
Berufswahl gesehen als<br />
„ein soziales Kooperationssystem, in dem von den beteiligten Subsystemen<br />
(Unterricht, Beratung, Familiengespräche) Informationsleistungen<br />
eingebracht werden, die in den individuellen Entscheidungsprozeß<br />
eingehen“ (Beinke, Wascher 1993, S. 14; vgl. Beinke 2006,<br />
S. 16).<br />
Für Müller ist der Begriff Berufsorientierung ein „Sammelausdruck“ für<br />
verschiedene berufswahlvorbereitende Maßnahmen (vgl. Müller 2002,<br />
S. 183). Schudy identifiziert vier Dimensionen von Berufsorientierung: Er<br />
verweist zum einen auf die Haltung eines Jugendlichen, beruflich orientiert<br />
zu sein. Etikettiert ist diese Form, ähnlich wie bei Dedering, als subjektive<br />
Berufsorientierung, d. h. Arbeit und Beruf haben im individuellen Lebensentwurf<br />
einen hohen Stellenwert. Analog zur „Berufsorientierung im weiteren<br />
Sinne“ wird von Schudy des Weiteren eine arbeitsweltbezogener Allgemeinbildung<br />
als Dimension der Berufsorientierung benannt. „Gemeint<br />
ist die erschließende Auseinandersetzung mit den vielfältigen Facetten und<br />
den sozialen, ökonomischen und technischen Grundlagen der Arbeitswelt“<br />
(Schudy 2002, S. 9 f.) mit dem Ziel der Entwicklung von Handlungsfähigkeit.<br />
Eine bewusste Ausrichtung von Inhalten, Methoden und Sozialformen<br />
auf die sich wandelnden Anforderungen beruflicher Tätigkeiten erkennt<br />
Schudy als Berufsorientierung von Bildungsinhalten und Unterrichtsmethoden<br />
und damit dritte Dimension. Als letzte und die in der schulpädagogischen<br />
und bildungspolitischen Diskussion geläufigste Bedeutungsvariante<br />
sieht er Berufsorientierung im Sinne von Berufswahlvorbereitung.<br />
Sie ist weitgehend an Dibberns „Berufsorientierung im engeren Sinne“ ausgerichtet<br />
„auf die Aneignung von Kenntnissen, Erkenntnissen, Erfahrungen und<br />
Fähigkeiten, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen …, eine<br />
rationale, d. h. zwischen subjektiven Interessen und Voraussetzungen<br />
sowie objektiven aktuellen und - so weit vorhersehbar - zukünftigen Ausbildungs-<br />
bzw. Arbeitsmarktbedingungen vermittelnde Entscheidung für<br />
einen ‚Start-’ bzw. ‚Erstberuf’ zu treffen.“ (ebd.)<br />
17 An dieser Stelle sollen zwei weitere Definitionen zur Berufsfindung ergänzt werden, an denen<br />
sichtbar wird, wie wenig trennscharf die Begriffsbestimmungen sind. Lemmermöhle-Thüsing<br />
et al. beschreiben Berufsfindung als einen „Prozeß, der sowohl durch die widersprüchlichen Anforderungen,<br />
Möglichkeiten und Gefährdungen der Berufs- und Arbeitswelt bestimmt ist als<br />
auch dadurch, wie Jugendliche die vorgefundene Wirklichkeit wahrnehmen und interpretieren,<br />
sich ihr anpassen oder sie ihren Wünschen und Interessen entsprechend zu gestalten suchen.“<br />
(Lemmermöhle-Thüsing et al. 1994, S. 10) Nach Haubrich und Preiß ist Berufsfindung „das Resultat<br />
der Verarbeitung verschiedener Lebens- und Arbeitserfahrungen, die die Individuen in ihrem<br />
beruflichen Sozialisationsprozeß durchlaufen; dies erfordert ein permanentes Ausbalancieren<br />
individueller Interessen und objektiver Möglichkeiten, auch unter Zuhilfenahme institutioneller<br />
Unterstützungsleistungen.“ (Haubrich, Preiß 1996, S. 78)<br />
49
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 3 Konzeptionelle Grundgedanken<br />
Laut Schudy findet sich die Berufsorientierung mit ihren vier Bedeutungsvarianten<br />
in „Lern-, Informations- und Erfahrungsangeboten“ wieder.<br />
Wiewohl sich die einzelnen definitorischen Ansätze im Detail unterscheiden,<br />
finden sie mit dem Anliegen der Unterstützung der Berufs- bzw. Berufserstwahl<br />
und dem Einbezug pädagogischer Interventionen18 gemeinsame<br />
Grundelemente und Bezugspunkte. Mit Blick auf die Literatur ist<br />
nicht unerwähnt zu lassen, dass der Begriff der Berufswahl zum Teil heftig<br />
diskutiert wird. 19 So lasten ihm Haubrich und Preiß Irreführung an, weil er<br />
„das grundsetzlich verbriefte Recht freier Wahl und demzufolge auch die<br />
Existenz eines auswahlfähigen, qualifizierten Angebots unterstellt“<br />
(Haubrich, Preiß 1996, S. 78). Auch Imdorf sieht die freie Berufswahl als<br />
eine Ideologie an, „die eine institutionell stark eingeschränkte Wahl mit einer<br />
selbstbestimmten Wahl gleichsetzt“ (Imdorf 2005, S. 120 f.). Die Existenz<br />
vorhandener Berufsbildungsstrukturen wird vernachlässigt und subjektiv-individuelle<br />
Entscheidungsmöglichkeiten überbetont, d. h. der erforderliche<br />
Kompromiss zwischen individuellen Präferenzen und realisierbaren<br />
Möglichkeiten findet zu wenig Beachtung.<br />
Zentral ist darüber hinaus der Beruf, dem generell in Deutschland eine<br />
hohe, traditionell gewachsene Bedeutung zukommt. Aufgrund seines hohen<br />
Stellenwertes soll er im Folgenden tiefergehende Betrachtung finden.<br />
Zum Berufsbegriff sind in der Literatur facettenreiche Definitionen nachzulesen.<br />
20 Den Ausgangspunkt definitorischer Auseinandersetzungen bilden<br />
die Betrachtungen Luthers. Er unterschied in seiner 90. Predigt zwei<br />
Aspekte des Berufes. Luther erkannte einerseits den geistlichen Beruf als<br />
Vollzugsform des christlichen Glaubens. Er versteht diesen als allgemeine<br />
und gleiche Berufung, der sich jeder zu stellen und zu bewähren hat.<br />
Andererseits sieht er den äußerlichen Beruf (z. B. Knecht, Herr), der sich<br />
18 Der Begriff der Intervention wird hier nicht im psychologischen Begriffsverständnis, sondern<br />
unter pädagogischem Blickwinkel betrachtet. Demnach ist sie als Form von Erziehung und Bildung,<br />
d. h. als äußere Einflussnahme zur Entwicklungsförderung, die individuelle Prozesse des<br />
Lernens begünstigt zu verstehen. Sie umfasst pädagogisches Handeln, welches zur Aktivierung<br />
und Information von Jugendlichen im Berufsorientierungsprozess beiträgt. Sie ist nicht als Reparatur<br />
im Erziehungsprozess, welche dazu dient unerwünschte Phänomene zu beseitigen, zu verstehen.<br />
19 Zur Diskussion vgl. auch Kühnlein, Paul-Kohlhoff 1996, S. 114; vgl. Herzog et al. 2006, S. 41f.<br />
Zu Begriffsbestimmungen zur Berufswahl vgl. Lange 1978, S. 54 und S. 142 f.; vgl. Dauenhauer<br />
1978, S. 134; vgl. Bußhoff 1989, S. 13 ff.; vgl. Beinke et al. 1991, S. 18; vgl. Wahler, Witzel 1996,<br />
S. 11; vgl. Meier 2002, S. 148 f.; vgl. Oechsle 2005, S. 4 f. Zur Diskussion vgl. auch Kühnlein,<br />
Paul-Kohlhoff 1996, S. 114; vgl. Herzog et al. 2006, S. 41f.<br />
20 Zur Definition, aber auch Diskussion des Berufsbegriffes und von Berufsbildern vgl. auch die<br />
Ausführungen von Schanne 1990, S. 116; vgl. Dedering 1994, S. 269; vgl. Lemmermöhle-<br />
Thüsing et al. 1994, S. 32; vgl. Hainmüller 1996, S. 19 ff.; vgl. Klevenow 2000, S. 18; vgl. Sloane<br />
et al. 2004, S. 117 f.; vgl. Beinke 2006, S. 11 ff.; Arnold, Gonon 2006, S. 76 f. vgl. Kahlert, Mansel<br />
2007, S. 7 ff.; vgl. Walter, Walther 2007, S. 81.<br />
50
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 3 Konzeptionelle Grundgedanken<br />
individuell in der Wahrnehmung gesellschaftlicher Rollen unterscheidet<br />
(vgl. Luther 1531/1908, S. 300). Die Vielzahl der den Ansätzen Luthers<br />
folgenden Definitionsversuche wird in der Literatur oft zu beruflichen<br />
Leitbildern zusammengefasst. Eine gut strukturierte Synopse von Elementen<br />
und Aspekten von Berufsdefinitionen und -vorstellungen findet sich<br />
bei Dostal et al. (vgl. Dostal et al. 1998, S. 442). Exemplarisch herangezogen<br />
wird an dieser Stelle der Definitionsansatz von Stooß. Er untergliedert<br />
den Berufsbegriff in drei Dimensionen: Funktion, Qualifikation und sozialer<br />
Status. Unter Funktion versteht er die mit dem Beruf verbundenen charakteristischen<br />
Arbeitsaufgaben: „Die Aufgabenfelder werden in Prozessen<br />
volkswirtschaftlicher Arbeitsteilung bestimmt. Mit ihnen ist zugleich Zweck<br />
und Ziel der in einem Beruf zu verrichtenden Tätigkeiten festgelegt“<br />
(Stooß 1987, S. 103). Sie kombinieren Arbeitsmittel und ein bestimmtes<br />
Arbeitsumfeld. Unter Qualifikation fasst Stooß Kenntnisse, Fähigkeiten,<br />
Fertigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen, die zur Ausübung eines<br />
Berufes notwendig sind, zusammen. Mit dem sozialen Status ist die Aussage<br />
verbunden, dass alle Berufe für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gleich<br />
wichtig seien, aber sich nach Wertschätzung, Image und Ansehen unterscheiden<br />
(vgl. ebd., S. 106; vgl. Kapitel 2.1). So sind beispielsweise<br />
Differenzen in der betrieblichen Position des Einzelnen (z. B. Teammitglied,<br />
Teamleiter) oder in der Zugehörigkeit zu Organisationseinheiten<br />
(z. B. Abteilung) zu finden. Berufstätig zu sein heißt unter Beachtung der<br />
drei Dimensionen demnach nicht nur<br />
„erwerbstätig zu sein, seinen Lebensunterhalt zu verdienen und Rentenansprüche<br />
zu erwerben. Die Verwirklichung eigener Vorstellungen und<br />
Ziele, Sinnerfüllung des Daseins, in die Gesellschaft integriert zu sein,<br />
Ansehen und Achtung zu genießen - etwas zu sein und zu gelten -, all das<br />
verbindet sich mit dem Begriff, mit Vorstellungen einzelner über ihre berufliche<br />
Integration und mit Vorgaben der Gesellschaft zur Erwerbsarbeit,<br />
die zu Berufsbildern verdichtet sind. Beruf umschließt immer beides:<br />
den einzelnen mit seinen Chancen zur persönlichen Entfaltung und gesellschaftlich<br />
gefügte Gebilde, durch die vorgegeben ist, in welchen Formen<br />
sich Erwerbsarbeit vollziehen soll.“ (ebd., S. 101)<br />
In einer früheren Veröffentlichung fasst Stooß den Berufsbegriff sogar<br />
noch weiter:<br />
� „Beruf bestimmt darüber, welche Arbeitsaufgabe dauerhaft - oder zumindest<br />
doch über längere Perioden hinweg - übernommen wird (Sinnfrage);<br />
� er entscheidet darüber, unter welchen Bedingungen jemand arbeitet (Anforderungen/Belastungen);<br />
51
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 3 Konzeptionelle Grundgedanken<br />
� Beruf bindet den einzelnen ein ins Netz sozialer Sicherheit oder enthält<br />
die Chance, aus eigener Kraft solche Sicherheit zu erreichen (Versorgungschance);<br />
� Beruf ist die Brücke zwischen dem Zuschnitt der Arbeitsplätze in Betrieben<br />
und Behörden und den Angeboten zur Ausbildung personaler Fähigkeiten<br />
(Qualifikationsfrage).<br />
� Beruf meint immer auch Perspektiven, die sich dem einzelnen zur Stabilisierung<br />
und Verbesserung seiner gesellschaftlichen Position bieten (Status-<br />
und Karrierefrage).<br />
� Beruf und Status regeln Art und Umfang der Teilhabe an materiellen und<br />
immateriellen Gütern der Gesellschaft (Frage nach den Gratifikationen).<br />
� Beruf entscheidet auch über die Art der sozialen Kontakte am Arbeitsplatz<br />
und in der Freizeit; Beruf entscheidet schließlich darüber, in welchem<br />
Ausmaß jemand über die Ausgestaltung der Arbeitsaufgabe – und<br />
in weiterem Sinne über die Struktur und Fortentwicklung der Berufemuster<br />
– mitbestimmen kann (Frage nach der Autonomie).“ (Stooß<br />
1985, S. 199).<br />
Im allgemeinen Sprachgebrauch findet der Begriff des Berufes häufig eine<br />
nicht eindeutig abgegrenzte Verwendung. Als ein Gegenbild fungiert der<br />
Terminus Job. Er bezeichnet in Abgrenzung zum Beruf<br />
„eine ‚Tätigkeit zum Geldverdienen’, die in einer Arbeitsgesellschaft<br />
höchster Arbeitsteiligkeit als voraussetzungslose, schnell zu lernende<br />
Teilaufgabe definiert ist und die eher kurzfristig wechselnd abgeleistet<br />
wird, ohne daß auf dieser Basis eine stabile Identifikation mit der Aufgabe<br />
entsteht. In dynamischen Wirtschaften ist diese Form der Erwerbstätigkeit<br />
in der Lage, schnell auf neue Herausforderungen einzugehen, sie<br />
zeigt aber dort Probleme, wo befriedigende Leistungen nur mit längerfristiger<br />
Identifikation möglich sind.“ (Dostal et al. 1998, S. 440; vgl. auch<br />
Nerdinger et al. 2008, S. 189 f.).<br />
Eine Komponente der Begriffe Job und Beruf sowie der hier aufgeführten<br />
Definitionen zur Berufsorientierung ist der Begriff der Arbeit. Darunter<br />
verstehen Huisinga und Lisop<br />
“jegliche, auch spielerische Tätigkeit, jedoch stets im Sinne der Bewußtwerdung,<br />
der Gestaltung und Reflexion von Leben. Im gesellschaftlich<br />
arbeitsteiligen Verständnis fassen wir darunter die Erwerbsarbeit, die<br />
öffentliche Arbeit sowie die private Reproduktionsarbeit. Arbeit ist sinnerfüllte<br />
Tätigkeit, insofern in ihr und durch sie menschliche Potentiale<br />
entäußert und angeeignet werden und insofern sie das Medium der Befriedigung<br />
der Lebenskräfte und Lebensbedürfnisse ist.“ (Huisinga, Lisop<br />
1999, S. 17).<br />
52
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 3 Konzeptionelle Grundgedanken<br />
Einer Arbeit nachzugehen, setzt demnach nicht zwingend das Erlernen eines<br />
Berufes voraus. Unter dem Blickwinkel des eingangs geschilderten<br />
Strukturwandels auf dem Arbeitsmarkt und des gesellschaftlichen Wandels<br />
sprechen Soziologen (vgl. Baethge, Baethge-Kinsky 1998) von der Erosion<br />
des Berufsprinzips und hinterfragen inwieweit das traditionelle Bild von<br />
Beruflichkeit noch zeitgemäß ist und weiter als Bezugspunkt dienen kann.<br />
Wenn der Beruf nicht mehr Grundlage für die Berufsorientierung ist, welches<br />
Leitkonzept hätte sie dann? Aus pädagogischer Sicht und speziell im<br />
Kontext der nachfolgenden aktuellen Definitionen von Berufsorientierung<br />
ist die Auflösung des Berufskonzeptes klar zurückzuweisen. Der Beruf umfasst,<br />
wie dargelegt, eben nicht nur Funktionalität in einer sich immer<br />
schneller veränderten Arbeitswelt und fachliche Flexibilität. Beruflichkeit<br />
ist gleichfalls individuelle Identitätsbildung. Sie vermittelt sozialen Status<br />
und die Erkennbarkeit des eigenen Wertes in der Gesellschaft. Sie sichert<br />
kompetentes Handeln in einem bewährten Funktionscluster und steht damit<br />
im Kontrast zu Job und Arbeit, welche auf schnell angelernte einzelne<br />
Funktionen setzen, die unmittelbar der Dynamik der Entwicklung auf dem<br />
Arbeitsmarkt unterliegen (vgl. Bank 2009, S. 10 f.).<br />
3.2 Derzeitige Begriffsbestimmung der<br />
Berufsorientierung<br />
Aktuelle begriffliche Auslegungen orientieren sich an den bestehenden Definitionen<br />
von Berufsorientierung als Berufswahlvorbereitung, weiten diese<br />
jedoch aus bzw. bündeln deren Kernelemente. Nach Brauer-Schröder et al.<br />
ist der Schwerpunkt,<br />
„Schüler in einem umfassenden Sinne zur Arbeits-, Berufs- und Studienwahl<br />
zu befähigen. Sie soll aber darüber hinaus Lebenschancen eröffnen<br />
und erweitern, Verständnis und Einsicht auch im Zusammenleben mit<br />
anderen fördern, Handlungsoptionen verdeutlichen, die Entscheidungs-<br />
und Handlungsfähigkeit steigern sowie Eigenverantwortung und Selbstständigkeit<br />
stärken. Berufsorientierender Unterricht umfasst daher alle<br />
zielgerichteten Aktivitäten, die dazu beitragen, die Fähigkeiten und Möglichkeiten<br />
der Jugendlichen zur Berufswahl, zur Bewältigung der Anforderungen<br />
der Arbeitswelt und zur Mitgestaltung derselben [zu – Anm. d.<br />
Verf.] verbessern.“ (Brauer-Schröder et al. o. J., S. 5).<br />
Hierzu zählen die Vermittlung von Orientierungswissen über den Wirtschaftsraum<br />
und seine beruflichen Möglichkeiten, Kenntnisse des Arbeits-<br />
und Wirtschaftssystems und die Fähigkeit berufsorientierende Informa-<br />
53
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 3 Konzeptionelle Grundgedanken<br />
tionen und Projekte nutzen zu können. Auch die „Entwicklung personaler,<br />
fachlicher, methodischer, interkultureller und sozialer arbeits- und berufsweltrelevanter<br />
Kompetenzen, … die Urteils-, Entscheidungs- und Handlungskompetenz“<br />
(ebd.) sowie die Fähigkeit zur Einschätzung der eigenen<br />
Entwicklungs- und Leistungspotenziale sind Voraussetzungen für eine erfolgreiche<br />
Berufswahl. Der Beitrag von Berufsorientierung liegt zusätzlich<br />
in der Persönlichkeitsstärkung und der Motivation, „das Leben nach der<br />
Schule mit der heute notwendigen Offenheit, Zielstrebigkeit und Frustrations-<br />
und Ambiguitätstoleranz anzugehen.“ (ebd., S. 6)<br />
Dedering unterscheidet zwischen einer allgemeinen und einer speziellen<br />
Berufsorientierung. Die allgemeine Berufsorientierung setzt er mit einer<br />
Arbeitsorientierung gleich, die „sich auf die komplexe Arbeitswelt mit ihren<br />
Bereichen Technik, Wirtschaft, Haushalt und Beruf“ (Dedering 2005,<br />
S. 216 f.) bezieht. Sein Anspruch an Berufsorientierung geht dabei über eine<br />
bloße Kenntnisvermittlung hinaus:<br />
„Die Lernenden sollen allgemeine Arbeitskompetenzen erwerben, mit<br />
denen sie die Arbeitswelt verstehen und mitgestalten können. Hierzu gehört<br />
die Motivation und Fähigkeit, die erworbenen Kompetenzen<br />
lebensbegleitend zu erweitern und zu vertiefen. Gegenstand der Arbeitsorientierung<br />
sind prinzipiell alle Arbeitsformen - neben Erwerbsarbeit<br />
auch Eigenarbeit (Hausarbeit u. a.) und Gesellschaftsarbeit (freiwillige soziale<br />
Tätigkeiten). Meist steht jedoch die Beschäftigung mit Erwerbsarbeit<br />
und die Vorbereitung auf die Berufsrolle im Vordergrund.“ (ebd.,<br />
S. 116 f.)<br />
Gegenstand der speziellen Berufsorientierung sind Maßnahmen der Berufsfindung:<br />
„Sie beziehen sich zum einen auf die Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation<br />
(objektive Seite des Berufsfindungsprozesses) und zum anderen auf<br />
die konkreten Berufswünsche und -erwartungen sowie die allgemeinen<br />
Lebensvorstellungen der Schülerinnen und Schüler (subjektive Seite des<br />
Berufsfindungsprozesses).“ (ebd.)<br />
Die Betonung der Entwicklung von Berufswahlreife ist charakteristisch für<br />
aktuelle Definitionen von Berufsorientierung. Bußhoff führt aus, dass im<br />
pädagogisch-normativen Begriffsgebrauch die Berufswahlreife, als eine<br />
Qualifikation der Berufswählenden, das Leitziel der Berufsorientierung darstellt.<br />
Dahingegen wird sich bei der psychologisch-empirischen Verwendung<br />
des Begriffes auf den Ist-Stand der Berufswahlreife konzentriert. Um<br />
einer Bedeutungsverwechslung durch die mehrdeutige Begriffsverwendung<br />
vorzubeugen, schlägt er für den pädagogisch-normativen Verwendungssinn<br />
54
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 3 Konzeptionelle Grundgedanken<br />
die Nutzung des Begriffes ‚Berufswahlkompetenz’ vor (vgl. Bußhoff 1989,<br />
S. 65). In diesem Zusammenhang ist auf Ratschinski zu verweisen. Er stellt<br />
fest, dass hinsichtlich des Gegenstandsbereiches und der Definitionselemente<br />
die Ansätze der Berufswahlkompetenz, der Berufswahlreife, der<br />
Berufslaufbahnreife, der Laufbahnadaptivität, der persönlichen Adaptivität<br />
und teilweise der Ausbildungsreife vergleichbar sind (vgl. Ratschinski o. J.,<br />
S. 10). Dem hinzuzufügen ist die Hochschulreife. Darüber hinaus sind derzeitige<br />
Begriffsbestimmungen durch eine stärkere Ausrichtung auf den<br />
skizzierten Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft<br />
sowie den damit einher gehenden Veränderungen gekennzeichnet. Sie beschreiben<br />
die Berufswahl als Teil des Berufsorientierungsprozesses, der aus<br />
einer Reihe von Bildungs-, Ausbildungs-, Weiterbildungs-, Berufs- und Arbeitsplatzentscheidungen<br />
besteht (vgl. Famulla 2001, S. 11). Berufsorientierung<br />
ist damit nicht länger eine gesteuerte Orientierung auf einen Beruf,<br />
sondern vielmehr ein eigenverantwortlich zu bewältigender Prozess, der die<br />
Entscheidung für einen ersten Schritt in der Bildungs-, Arbeits- und Berufsbiografie<br />
und die sich daran anschließende kontinuierliche Erweiterung<br />
und Vertiefung von Kompetenzen im Sinne eines lebensbegleitenden Lernens<br />
einschließt (vgl. Wissenschaftliche Begleitung 2008b, S. 1 f.; vgl. Butz<br />
2006, S. 2 f.). Dies ist jedoch nicht als Ablösung des Berufsbegriffes zu<br />
interpretieren. Vielmehr ist seine Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit geeignet,<br />
um die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aufzunehmen<br />
(in Zusammenhang mit der Berufsorientierung z. B. als Kommunikationsbasis<br />
über die Charakteristika der Arbeitswelt oder den Zugang zu<br />
Berufen; vgl. Dostal et al. 1998, S. 458). Hervorzuheben ist in Abgrenzung<br />
bzw. Ausweitung der traditionellen Definitionen das biografische Verständnis<br />
von Berufsorientierung als<br />
„lebenslanger Prozess der Annäherung und Abstimmung zwischen Interessen,<br />
Wünschen, Wissen und Können des Individuums auf der einen<br />
und Möglichkeiten, Bedarf und Anforderungen der Arbeits- und Berufswelt<br />
auf der anderen Seite. Beide Seiten, und damit auch der Prozess der<br />
Berufsorientierung, sind sowohl von gesellschaftlichen Werten, Normen<br />
und Ansprüchen, die wiederum einem Wandel unterliegen, als auch den<br />
technologischen und sozialen Entwicklungen im Wirtschafts- und Beschäftigungssystem<br />
geprägt.“ (Butz 2008b, S. 50).<br />
Jugendliche müssen auf diese Herausforderungen vorbereitet und motiviert<br />
werden, selbstständig die Schritte auf dem Weg ihrer Bildungs-, Arbeits-<br />
und Berufsbiografie zu gehen. Berufsorientierung hat damit auch die Aufgabe,<br />
Jugendliche zum Entwerfen eines eigenen Zukunftskonzeptes zu befähigen.<br />
Dafür ist, neben dem Wissen über die Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation,<br />
55
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 3 Konzeptionelle Grundgedanken<br />
56<br />
„über Berufe und die in der Berufswelt erwarteten Anforderungen vor allem<br />
ein Wissen des Akteurs über sich selbst, über die eigenen [!] Leistungsbereitschaft,<br />
die eigenen Einstellungen und Orientierungen, das eigene<br />
Lernkonzept und Leistungsverhalten und das eigene Selbstbild“<br />
Voraussetzung. „Berufsorientierung muss die Entwicklung der Arbeitshaltung<br />
wie auch der Einstellung zur eigenen Zukunft thematisieren und<br />
dazu beitragen, dass die Jugendlichen Chancen erkennen und diese für<br />
die eigene Berufsbiografie nutzen können.“ (Lumpe 2006, S. 1)<br />
Als Bildungs- und Lernprozess findet sie sowohl in formellen, organisierten<br />
Lernumgebungen als auch informell im alltäglichen Leben statt. Daher versteht<br />
Famulla unter Berufsorientierung zusätzlich zu den bereits aufgeführten<br />
Punkten auch „alle Aktivitäten, die dazu beitragen, die Entscheidungsfähigkeit<br />
der Jugendlichen bei der Gestaltung ihrer Arbeits- und Berufsbiographie<br />
zu verbessern.“ (Famulla 2004, S. 4)<br />
Gelegentlich wird zwischen Berufs- und Studienorientierung unterschieden.<br />
Mit Blick auf diese letzte Definition, wie auch aus der Perspektive der im<br />
nächsten Kapitel umrissenen theoretischen Konzepte der Berufswahl, erscheint<br />
eine begriffliche Trennung jedoch gegenstandslos und vor allem in<br />
Hinblick auf die Auswirkungen für die Praxis wenig argumentierbar. Inwiefern<br />
sich der dem aktuellen Verständnis von Berufsorientierung zugrunde<br />
liegende Gedanke der Prozessorientierung in den Theorien wiederfindet,<br />
wird nachfolgend hinterfragt.
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
Einen theoretischen Beitrag zur Erklärung des Ablaufes der Berufsorientierung<br />
mit der Berufswahl und zur Beschreibung einflussnehmender Faktoren<br />
leisten verschiedene als Berufswahltheorien zusammengefasste Ansätze,<br />
die seit den fünfziger Jahren entwickelt wurden. Sie beleuchten die Facetten<br />
des Orientierungsprozesses aus der Perspektive unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen,<br />
wie der Psychologie oder der Soziologie und systematisiert<br />
nach spezifischen Komponenten der Berufsorientierung (z. B. Entscheidung,<br />
Entwicklung, Allokation). Die theoretische Auseinandersetzung<br />
mit der Berufswahl geht auf Frank Parsons zurück. Nach seinem Ansatz<br />
sollte die Berufswahl auf einer Analyse der Persönlichkeit und des Arbeitsplatzes<br />
sowie einer Zuordnung durch professionelle Beratung beruhen.<br />
Personen sollten ihre individuellen Eignungen, Fähigkeiten und Interessen<br />
erkennen, sich Wissen über die „Erfolgsbedingungen“ und Entwicklungsmöglichkeiten<br />
in Berufsbereichen aneignen und diese Informationen für<br />
eine fundierte Berufswahl nutzen (vgl. Parsons, 1909, S. 8). Da die Berufswahltheorien<br />
in der Literatur bereits häufig beschrieben sind, 21 soll hier nur<br />
eine überblicksartige Darstellung der am beständigsten herangezogenen<br />
Erklärungsansätze gegeben werden, ohne Konzepte einzelner Vertreterinnen<br />
und Vertreter und durch Kritik veranlasste Veränderungen innerhalb<br />
der Theorien unter Heranziehung der Primärquellen nachzuzeichnen. Ziel<br />
ist nicht die erschöpfende Darstellung von Perspektiven, zu diesem Zweck<br />
sei auf Bußhoff 1989 sowie Brown und Brooks 1994 verwiesen, sondern<br />
ein Blick auf die grundsätzliche Konzeption einzelner Modelle. Lediglich<br />
der entwicklungstheoretische Ansatz von Donald E. Super, die Laufbahnentwicklungstheorie<br />
mit dem Berufswahlreifekonzept, findet aufgrund seiner<br />
Relevanz für die vorliegende Arbeit detailgenauere Betrachtung.<br />
4.1 Allokationstheoretische Ansätze<br />
Im Rahmen allokationstheoretischer Ansätze wird die Berufswahl als Zuweisung<br />
(Allokation) verstanden. Sie ist ein Vorgang, bei dem sich für das<br />
Individuum aus einer Vielzahl beruflicher Möglichkeiten ein individueller<br />
21 Die Theorien werden beispielsweise von folgenden Autoren ausführlich beleuchtet: vgl. Hoppe<br />
1980, S. 98; vgl. Müller 1983, S. 157 ff.; vgl. Bußhoff 1989, S. 13 ff.; vgl. Schanne 1990,<br />
S. 300 ff.; vgl. Dedering 1994, S. 301 ff.; vgl. Meyer-Haupt 1996, S. 309 ff.; vgl. Kühnlein, Paul-<br />
Kohlhoff 1996, S. 121 ff.; vgl. Beinke 1999, S. 67 ff.; vgl. Thüringer Koordinierungsstelle 2001,<br />
S. 16 ff.; vgl. Dimbath 2003, S. 124 ff.; vgl. Imdorf 2005, S. 121 ff.; vgl. Herzog et al. 2006,<br />
S. 14 ff.; vgl. auch Beinke 2006, S. 29 ff.<br />
57
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
Weg ergibt. Hierbei werden Handlungsmöglichkeiten und die Entscheidungsfähigkeit<br />
durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen, sogenannte<br />
Zuweisungsfaktoren, d. h. kulturelle und soziale Einflüsse (u. a. Schichtzugehörigkeit,<br />
Geschlecht, Familie, Gruppe der Gleichaltrigen) sowie ökonomische<br />
Einflüsse (z. B. allgemeine Wirtschaftslage, lokale Wirtschaftslage,<br />
Einkommensverhältnisse, Verdienstmöglichkeiten) eingeschränkt (vgl.<br />
Ermert, Friedrich 1990, S. 16; Beinke 1999, S. 76). Berufliches Handeln<br />
und berufliche Möglichkeiten erfahren durch diese Zuweisungsfaktoren eine<br />
kontinuierliche Einengung. Zwar integriert die Theorie auch die Annahme,<br />
dass das Individuum den Berufswahlprozess selbst mitgestaltet,<br />
ausschlaggebend für die Berufswahl sind jedoch die genannten Einflussfaktoren<br />
und damit eine gesellschaftliche Steuerung und nicht individuelle<br />
Neigungen, Interessen und Fähigkeiten (vgl. Dedering 1994, S. 301 ff.).<br />
Obgleich in vielen empirischen Untersuchungen die enorme Rolle von sozialen<br />
und ökonomischen Determinanten nachgewiesen werden konnte, so<br />
ist an allokationstheoretischen Ansätzen zu kritisieren, dass die Zuweisungsfaktoren<br />
zu wenig detaillierte Erklärungen liefern und individuelle<br />
Probleme Jugendlicher im Berufsorientierungsprozess nur unkonkret erfasst<br />
werden. Aussagen über Mechanismen und den Verlauf der Orientierung<br />
und Selektion sind unzureichend untersetzt. Zu den wesentlichsten<br />
Vertretern dieser Erklärungsrichtung zählen Hansjürgen Daheim und<br />
Theodor Scharmann.<br />
4.2 Lerntheoretische Ansätze<br />
Tragende Elemente der lerntheoretischen Erklärungsperspektive sind Erkenntnisse<br />
der allgemeinen Lernforschung. Berufswahl ist demnach das<br />
Resultat von Lernprozessen. Basis des Ansatzes sind durch Faktoren wie<br />
Geschlecht, Ethnizität oder körperliche Eigenschaften sowie Umweltbedingungen<br />
(familiäre Bedingungen, Einflüsse der Nachbarschaft und Gemeinde,<br />
Quantität und Qualität von Bildungsangeboten, technische Entwicklungen,<br />
wirtschaftliche Lage u. a.) ausgelöste Lernerfahrungen, die in<br />
die Entwicklung eines Selbstkonzeptes und von Problemlösungsmethoden<br />
münden (vgl. Bußhoff 1989, S. 29). Unter Selbstkonzept wird die Wahrnehmung<br />
der eigenen Person (reales Selbstkonzept) und die Vorstellungen,<br />
wie man idealerweise sein möchte (ideales Selbstkonzept) verstanden (vgl.<br />
Thüringer Koordinierungsstelle 2001, S. 17). Problemlösungsmethoden<br />
umfassen entsprechend des Ansatzes kognitive und pragmatische Fähigkeiten<br />
sowie emotionale Dispositionen, mit denen an die Lösung von berufswahlrelevanten<br />
Problemen herangegangen wird, wie z. B. Planungskompe-<br />
58
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
tenz, Organisationsfähigkeit und Entscheidungsbereitschaft. Diese auf Lernerfahrungen<br />
beruhende Problemlösungsmethoden und Überzeugungen<br />
über das eigene Selbst werden generalisiert und auf die Situation der Berufswahl<br />
angewandt. Dass heißt, in Folge der generalisierten Selbstbeobachtungen<br />
werden Interessen entwickelt, die Einfluss auf das Spektrum an<br />
Wunschberufen haben (vgl. Herzog et al. 2006, S. 19). Alle berufswahlrelevanten<br />
Handlungen können Lernprozesse herausfordern, die wiederum<br />
Auswirkungen auf das bestehende Selbstkonzept und die aktuelle Problemlösefähigkeit<br />
haben und in zukünftigem Handeln Anwendung finden. Es<br />
ergibt sich so eine Kette von Lernerfahrungen, die die vorberufliche und<br />
berufliche Laufbahn beeinflusst (vgl. Bußhoff 1987, S. 179 f.; vgl. Bußhoff<br />
1989, S. 32). Lerntheoretische Ansätze lassen, trotz eines hohen Grades an<br />
Plausibilität durch abgesicherte Ergebnisse aus der allgemeinen Lernforschung,<br />
wesentliche Berufswahlprobleme unerklärt. So bleibt offen, wie<br />
häufig Lernerfahrungen gemacht werden müssen, damit Fähigkeiten und<br />
Interessen Aufnahme in das Selbstkonzept und Problemlösekonzept finden<br />
oder wie die Berufswahl verläuft, wenn keine Interessenschwerpunkte gebildet<br />
werden. Ebenso wird der Entscheidungsdruck, der auf Jugendlichen<br />
lasten kann, vernachlässigt. Lerntheoretische Ansätze machen jedoch darauf<br />
aufmerksam, dass die Berufswahl durch gezielte Lernprozesse beeinflussbar<br />
ist (vgl. Bußhoff 1989, S. 32). Zu den Vertretern dieses Erklärungsansatzes<br />
gehören John Krumboltz und Albert Bandura.<br />
4.3 Entscheidungstheoretische Ansätze<br />
Entscheidungstheoretische Ansätze sind variantenreich und differieren in<br />
Annahmen zur Struktur der Entscheidungssituation, zum Ablauf des Entscheidungsprozesses<br />
und zum Verhalten des Entscheidungssubjektes. Gemeinsam<br />
ist den Ansätzen das Interesse an der Entscheidung selbst. Unter<br />
entscheidungstheoretischem Blickwinkel ist die Berufswahl eine komplexe,<br />
mehrstufige Serie von Entscheidungen. Idealtypisch und stark vereinfacht<br />
lässt sich der Entscheidungsablauf wie folgt darstellen:<br />
� Wahrnehmung des Problems,<br />
� Durchdenken möglicher Handlungsalternativen,<br />
� Informationssuche und -verarbeitung unter Einbeziehung vergangener<br />
Erfahrungen und unter Einfluss von Interaktionspartnerinnen<br />
und -partnern (z. B. Eltern, Freunde, Lehrkräfte, Berufsberaterinnen<br />
und -berater u. a.) hinsichtlich der eigenen Fähigkeiten, Interessen<br />
und Werthaltungen, aber auch in Bezug auf Inhalte und Anforderungen<br />
von Ausbildungen,<br />
59
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
� Verknüpfung der gewonnenen Informationen, Bewertung der Handlungsalternativen<br />
und Festlegung von prioritären Handlungszielen,<br />
Entwicklung von Handlungsentwürfen 22 unter Nutzung einer individuellen<br />
Entscheidungsregel,<br />
� Auswahl der am stärksten gewünschten Alternative und damit (vorläufige)<br />
Festlegung auf einen Handlungsentwurf,<br />
� Umsetzung des Handlungsentwurfes, gegebenenfalls Durchführung<br />
von aus Erfahrungen resultierenden Korrekturen oder Aufgabe des<br />
Handlungsentwurfes, wodurch der Entscheidungsprozess wieder mit<br />
der Phase der Informationssuche und -verarbeitung weitergeführt<br />
wird,<br />
� Abschluss des Entscheidungsprozesses, sofern in der Phase nach der<br />
Entscheidung keine Probleme (z. B. Enttäuschung aufgrund unerfüllter<br />
Erwartungen) auftreten (vgl. Bußhoff 1987, S. 178 f.).<br />
Unterschieden werden offene und geschlossene Entscheidungsmodelle.<br />
Offene Varianten werden auch als Modelle „gebundener (begrenzter)<br />
Rationalität“ und geschlossene als Modelle „ungebundener Rationalität“<br />
bezeichnet (vgl. Herzog et al. 2006, S. 22). 23 Geschlossene Entscheidungsmodelle<br />
gehen von einer klar strukturierten Entscheidungssituation aus,<br />
d. h. Handlungsalternativen und Handlungskonsequenzen sind dem Berufswählenden<br />
bekannt, berufliche Ziele sind mit Prioritäten versehen und<br />
es können Entscheidung getroffen werden, die auf die optimale Handlungsalternative<br />
ausgerichtet ist (vgl. Bußhoff 1989, S. 39 f.). Bei den<br />
offenen Entscheidungsmodellen hingegen wird angenommen, dass der Berufswählende<br />
über Handlungsalternativen und Handlungskonsequenzen<br />
nur unzureichend informiert ist und nicht über eine Zielrangfolge und geeignete<br />
Entscheidungsregeln verfügt. Entscheidungssituationen sind damit<br />
Problemsituationen, das Entscheidungsverhalten wird als Problemlöseverhalten<br />
begriffen. Entscheidungen werden nicht nach idealen Standards,<br />
sondern vielmehr bei subjektiv als ausreichend eingeschätzten Grundlagen,<br />
dazu gehören Informationen, eine Abschätzung der Folgen der Entscheidung<br />
u. a., getroffen (Annahme der begrenzten Rationalität). Der Entscheidungsprozess<br />
ist kein linearer Vorgang, sondern schließt Wiederho-<br />
22 „Ein Entwurf bezeichnet eine imaginierte Kette von Teilhandlungen, die auf ein Handlungsziel<br />
- etwa einen Beruf - hinführt.“ Entwurfsgrundlagen sind „eigene Erfahrungen ebenso wie gesellschaftlich<br />
typisierte, in Sozialisationsprozessen aufgenommene Handlungsabläufe“ (Dimbath<br />
2007, S. 165).<br />
23 Brown differenziert des Weiteren zwischen normativen oder präskriptiven und deskriptiven<br />
Modellen. „Normative Entscheidungsmodelle erklären, wie man Entscheidungen treffen sollte;<br />
deskriptive Modelle untersuchen, wie die tatsächlichen Entscheidungen der Menschen ausfallen.“<br />
(Brown 1994, S. 427)<br />
60
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
lungen, Überlagerungen sowie die unvollständige Ausführung einzelner<br />
Phasen ein (vgl. ebd., S. 40). Ein Großteil der Ansätze basiert tendenziell<br />
auf dem offenen Entscheidungsmodell. Kritikpunkte an entscheidungstheoretischen<br />
Ansätzen sind vor allem in den überzogenen Erwartungen an<br />
die Fähigkeit Berufswählender rationale Entscheidungen treffen zu können,<br />
zu finden. Ebenso steht die Frage, wie sinnvoll und realisierbar der Anspruch<br />
einer allumfassenden Information vor dem Hintergrund stetiger<br />
Veränderungen in der Arbeitswelt ist (vgl. Wahler, Witzel 1996, S. 15 f.).<br />
Hinzu kommt, dass Individuen entsprechend Ergebnissen verhaltenswissenschaftlicher<br />
Forschung nur über eine eingeschränkte Informationsverarbeitungskapazität<br />
verfügen und auf Überbeanspruchung mit Vereinfachungsstrategien<br />
reagieren. Dadurch werden Informationen nur<br />
ausschnitthaft verarbeitet (begrenzte Rationalität). Der entscheidungstheoretische<br />
Anspruch, der auf einer möglichst umfassenden Kenntnisvermittlung<br />
berufs- und arbeitsweltbezogener Informationen basiert, erscheint<br />
damit eher fragwürdig (vgl. Ermert, Friedrich 1990, S. 14 ff.). Die Ansätze<br />
sind allerdings tragfähig, sofern sie nicht idealtypisch, sondern realitätsnah,<br />
problem- und schülerorientiert angewandt werden und auf die Vermittlung<br />
von Entscheidungskompetenz zielen (vgl. Klippert 1987, S. 42 ff.). Das<br />
vielfältige Spektrum an entscheidungstheoretischen Erklärungen spiegelt<br />
sich in den Ansätzen von Heinz Ries, David V. Tiedemann, Victor H.<br />
Vroom und Elmar Lange wider.<br />
4.4 Differenzialpsychologische Ansätze<br />
Unter den differenzialpsychologischen Erklärungen der Berufswahl sind<br />
unterschiedlich bezeichnete Ansätze (z. B. Matching-Modell, Trait-Factor-<br />
Theorie) zusammengefasst. Es wird davon ausgegangen<br />
„dass jede Person über ein spezifisches Muster von Persönlichkeitsmerkmalen<br />
(Fähigkeiten, Interessen, Wertvorstellungen u. a.) verfügt und<br />
jeder Beruf durch ein typisches Muster von Anforderungen und Befriedigungsangeboten<br />
gekennzeichnet ist.“ (Bußhoff 1989, S. 33)<br />
Die Berufswahl ist entsprechend der Ansätze als Zuordnung von persönlichen<br />
Eigenschaften zu Merkmalen von Berufen verstehen. Charakteristisch<br />
für differenzialpsychologische Ansätze ist die detaillierte Erfassung<br />
der Persönlichkeitsstruktur des Berufswählenden sowie die Analyse von<br />
Zusammenhängen zur späteren Berufszugehörigkeit sowie von Produktivität,<br />
Erfolg und Zufriedenheit im gewählten Beruf (vgl. Herzog et al. 2006,<br />
61
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
S. 15). Es wird die Annahme vertreten, dass die Wahrscheinlichkeit von beruflicher<br />
Leistungsfähigkeit und Wohlbehagen im Beruf steigt, je genauer<br />
das Persönlichkeitsprofil und das Berufsprofil übereinstimmen (vgl. ebd.).<br />
Holland, bedeutendster Vertreter der Erklärung der Berufswahl als Zuordnungsprozess,<br />
unterscheidet sechs idealtypische Grundtypen der Persönlichkeit.<br />
Kennzeichnend für die Typen sind spezifische Fähigkeiten, berufliche<br />
Präferenzen, Interessen, Einstellungen, Wertvorstellungen und Problemlösungsstile<br />
(vgl. Holland, 1997, l7 ff.). Analog zur Klassifizierung von<br />
Persönlichkeiten nimmt Holland auch eine Typologisierung von Arbeitsumgebungen<br />
bzw. Berufsbereichen vor (vgl. ebd., 41 ff.). Die Persönlichkeitstypen<br />
und Umwelten stehen in Interaktion. Die Wechselwirkungen beeinflussen<br />
das Berufswahlverhalten. Holland fasst dies mit folgenden vier<br />
Hauptaussagen zusammen:<br />
62<br />
„1. In our culture, most persons can be categorized as one of six personality<br />
types: Realistic, Investigative, Artistic, Social, Enterprising,<br />
or Conventional. …<br />
2. There are six model environments: Realistic, Investigative, Artistic,<br />
Social, Enterprising, and Conventional. …<br />
3. People search for environments that will let them exercise their<br />
skills and abilities, express their attitudes and values, and take on<br />
agreeable problems and roles. …<br />
4. Behavior is determined by an interaction between personality and<br />
environment.” (ebd. S. 2 ff.)<br />
An differenzialpsychologischen Ansätzen wird bemängelt, dass sie die<br />
Komplexität der Berufswahl und des Berufsorientierungsprozesses nur unzureichend<br />
berücksichtigen. Aussagen, wie eine Passung zwischen einer<br />
Person und einem Beruf erfolgt, werden vernachlässigt (vgl. Herzog et al.<br />
2006, S. 15). Die geschilderten Schwierigkeiten von Jugendlichen im Berufsorientierungsprozess<br />
belegen die Gefahr, sie durch die zugemuteten<br />
Selbstexplorations- und Informationsaufgaben über ihre eigene Person sowie<br />
die daran anschließende Suche nach und Zuordnung von passenden<br />
Berufsfeldern zu überfordern (vgl. Lappe 1996, S. 315 f.). Berufswahl wird<br />
zudem mehr als statischer und punktueller Vorgang, statt als lebenslanger<br />
Prozess verstanden (vgl. Bußhoff 1989, S. 39).
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
4.5 Entwicklungstheoretische Ansätze<br />
Im Rahmen entwicklungstheoretischer Erklärungsansätze wird die Berufswahl<br />
als lebenslanger Prozess, während dem sich die Persönlichkeitsstruktur<br />
des Berufswählers herausbildet und Veränderungen unterworfen ist,<br />
verstanden. Im Mittelpunkt des Ansatzes stehen beruflich relevante Persönlichkeitsmerkmale<br />
(Einstellungen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen) in<br />
verschiedenen Lebensphasen sowie die Persönlichkeitsentwicklung fördernde<br />
oder hemmende Einflussfaktoren (vgl. Bußhoff 1989, S. 15 f.). Es<br />
wird davon ausgegangen, dass der Berufswahlprozess bereits im frühkindlichen<br />
Alter beginnt. Im Vorschulalter werden erste berufliche Vorstellungen<br />
übernommen und in Spielrollen wiedergegeben. Sind die Berufswünsche<br />
bis in das Grundschulalter noch phantasiereich, werden sie mit<br />
zunehmendem Alter differenzierter und realistischer (vgl. Bußhoff 1987,<br />
S. 180). Die Entwicklung beruflicher Vorstellungen geht mit der Ein- und<br />
Ausgrenzung von Wunschberufen einher, was in Form vorläufiger beruflicher<br />
Festlegungen im Alter von 12 bis 14 Jahren zum Ausdruck kommt.<br />
Es wird demnach davon ausgegangen, dass eine Präferenz von Berufen mit<br />
geringem Detailwissen über Berufe, gegebenenfalls sogar noch vor der<br />
Nutzung berufsorientierender Maßnahmen, stattfindet. Wesentliche Determinanten<br />
des Entwicklungsprozesses sind das Selbstkonzept und durch<br />
gesellschaftliche Erwartungen definierte Entwicklungsaufgaben. 24 Zu den<br />
Charakteristika des Prozessverlaufes zählen ein zunehmender Realitätsbezug,<br />
steigende Irreversibilität der beruflichen Laufbahn sowie deren zunehmende<br />
Einengung (vgl. Thüringer Koordinierungsstelle 2001, S. 15).<br />
Entwicklungstheoretische Ansätze liefern wichtige Hinweise auf die praktische<br />
Herangehensweise in der Berufsorientierung, vernachlässigen jedoch<br />
entscheidungs- und lerntheoretische Erkenntnisse. Während Eli Ginzberg<br />
den Grundstein für die entwicklungspsychologisch orientierte Erforschung<br />
der Berufswahl legte, erarbeiteten Donald E. Super, Anne Roe und Linda S.<br />
Gottfredson weiterführende Modelle.<br />
24 Erläuterungen zum Verständnis des Selbstkonzeptes und der Entwicklungsaufgaben werden<br />
im Kapitel 4.5.2 ergänzt.<br />
63
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
4.5.1 Laufbahnentwicklungstheorie nach<br />
Donald E. Super<br />
Fruchtbar für das Verständnis der Berufsorientierung als Prozess und als<br />
Kontur für die hier vorliegende Fragestellung dienlich, erscheint die entwicklungstheoretische<br />
Perspektive und hierbei insbesondere die Laufbahnentwicklungstheorie<br />
(career development theory) von Donald E. Super. Sie<br />
verbindet Erkenntnisse der psychologischen Berufswahl- und Laufbahnforschung<br />
mit Ergebnissen ausgedehnter Längsschnittstudien über vorberufliche<br />
und berufliche Entwicklung im Jugend- und Erwachsenenalter. Einerseits<br />
wird sie dem aktuellen Verständnis von Berufsorientierung und der<br />
darin eingeschlossenen Berufserstwahl als Entwicklungsaufgaben, die mehr<br />
oder weniger erfolgreich bewältigt werden können, gerecht. Andererseits<br />
liefert der Erklärungsansatz Bezugspunkte für die Organisation und Evaluation<br />
von Berufsorientierungsangeboten und ist daher hier von besonderem<br />
Interesse. Die Laufbahnentwicklungstheorie wurde von Super im<br />
Laufe mehrerer Jahrzehnte immer wieder kritisch reflektiert und fortgeschrieben.<br />
Zahlreiche Veröffentlichungen dokumentieren seine fortwährende<br />
Auseinandersetzung mit der Theorie (u. a. Super 1957, 1980, 1981,<br />
1994). Er selbst versteht sie als „assembly of segmental theories”, also einer<br />
Kombination von Einzeltheorien (vgl. Super 1981, S. 26). Über Supers wissenschaftliche<br />
Arbeit wird in der Literatur häufig honorierend reflektiert.<br />
Dem ungeachtet wurde der Ansatz zumindest im deutschsprachigen Raum<br />
bis heute wenig kritisch diskutiert und fortentwickelt. Lediglich Karl Heinz<br />
Seifert nahm das Konzept auf und richtete seine Forschung auf die Laufbahnreife<br />
(„career maturity“ bzw. „career adaptability“), einer wesentlichen<br />
Komponente der Theorie Supers, aus (vgl. Seifert 1987, 1991, 1993).<br />
Der Laufbahnentwicklungstheorie liegen im Wesentlichen folgende Annahmen<br />
zugrunde: Individuen verfügen über eine individuelle Persönlichkeit<br />
und unterscheiden sich von anderen in Fähigkeiten, Bedürfnissen,<br />
Wertvorstellungen, Interessen, Eigenschaften und Selbstkonzepten. Parallel<br />
dazu erfordert jeder Beruf spezielle Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale.<br />
Jeder Mensch eignet sich aufgrund persönlicher Charakteristika für<br />
eine Reihe von Berufen und jeder Beruf steht für verschiedene Personen<br />
offen (vgl. Super 1994, S. 222). Lebens- und Arbeitsbedingungen verändern<br />
sich mit der Zeit. Parallel dazu wandeln sich durch gesammelte Berufserfahrungen<br />
auch die beruflichen Interessen und Fähigkeiten. Die Lebenslaufbahn<br />
ist somit eng mit der beruflichen Entwicklung verbunden. Der<br />
berufliche Veränderungsprozess kann nach Super in die fünf Stadien oder<br />
64
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
Lebensstufen („life stages“) Wachstum im Kindesalter („growth“), Erkundung<br />
(„exploration“) in der Adoleszenz, der Konsolidierung bzw. Etablierung<br />
(„establishment“) im frühen Erwachsenenalter, der Erhaltung des erreichten<br />
beruflichen Status („maintenance“) im mittleren Erwachsenenalter<br />
sowie des Rückzuges aus dem Berufsleben („decline“) im späten Erwachsenenalter<br />
unterteilt werden:<br />
“The Growth Stage extends from conception to about the age of fourteen.<br />
It is followed by the Exploratory Stage, which includes the period<br />
from about age fifteen to about twenty-five. The Establishment Stage<br />
comes next, including the years from twenty-five to about forty-five.<br />
Then comes the Maintenance Stage, which ends at about sixty-five. The<br />
final stage is that of Decline, beginning at about sixty-five.” (Super 1957,<br />
S. 71 f.)<br />
Dieses Laufbahnmodell charakterisiert den allgemeinen Rahmen beruflicher<br />
Entwicklung. Um die Vielfalt unterschiedlicher beruflicher Laufbahnen<br />
zu erfassen, erarbeitete Super Laufbahnmuster („career patterns“) für<br />
Frauen und Männer, die sich durch das erreichte berufliche Niveau sowie<br />
den Grad an Stabilität in und am Wechsel von beruflichen Tätigkeiten unterscheiden.<br />
Er beschreibt für Männer vier und für Frauen sieben verschiedene<br />
Laufbahnmuster, die als realitätsorientierte Abwandlungen eines idealtypisch<br />
entworfenen Lebensverlaufes zu verstehen sind (vgl. ebd., S. 73 ff.).<br />
Zu den Phasen der Exploration, der Etablierung, der Erhaltung und des<br />
Rückzuges formuliert Super: „The processes of exploration, establishment,<br />
maintenance, and decline are not simply vocational, but involve all aspects<br />
of life and living.“ (ebd., S. 72) Dies zieht nach sich, dass eine Destabilisierung<br />
z. B. infolge von veränderten Arbeitsbedingungen, persönlichen Erlebnissen<br />
oder auch Krankheit die Möglichkeit zum (neuerlichen) Wachstum,<br />
zur (Neu-)Erkundung und (Neu-)Etablierung sowie zum Übergang<br />
von einer Stufe zur nächsten bietet. Interessant ist hierbei der Ansatz, dass<br />
sich demnach die Lebensstufen in kleinerer Form, als Minizyklen, auch an<br />
den Schnittstellen der einzelnen Phasen wiederfinden (vgl. Super 1980,<br />
S. 222 und S. 254). So durchläuft ein Jugendlicher zu Beginn seiner Berufsausbildung<br />
zunächst eine Wachstumsphase in der neuen Rolle als Auszubildender<br />
und erkundet das Wesen und die Anforderungen der Rolle.<br />
Später etabliert er sich in der Rolle als Auszubildender und erhält diese aufrecht,<br />
wenn er erfolgreich ist. Wie deutlich wird, sind demnach mit der Lebens-<br />
und Berufslaufbahn eine Reihe von Lebens- und Berufsrollen einzunehmen.<br />
Super unterscheidet neun Lebensrollen, die zum Teil parallel ausgelebt<br />
werden können (vgl. ebd., S. 234 f. und S. 283 f.).<br />
65
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
In jedem Stadium ist die Bewältigung durch gesellschaftliche Erwartungen<br />
definierter beruflicher Entwicklungsaufgaben und die Herausbildung korrespondierender<br />
Einstellungen und Kompetenzen erforderlich (vgl. ebd.,<br />
S. 228). Für die Phase der Exploration, die in der Jugendzeit bzw. im<br />
frühen Erwachsenenalter gelagert und damit für diese Arbeit von Bedeutung<br />
ist, konstatiert Super die enge Verknüpfung u. a. von Erwachsenwerden,<br />
erster Partnerschaft, die Entwicklung der Einsicht über die eigene Person<br />
oder das Finden eines Berufes (vgl. Super 1957, S. 72). Er hält fest:<br />
66<br />
„The exploratory activities of adolescents involve … self-exploration and<br />
occupational exploration. The latter includes both finding out about types<br />
of careers and finding out about the kinds of education which prepare for<br />
these occupations.” (ebd., S. 92)<br />
Zu den zentralen Aufgaben der Explorationsphase gehören demnach die<br />
Abklärung bzw. Entwicklung von beruflichen Selbstkonzepten 25 (u. a. berufliche<br />
Wünsche, Interessen und Werte), die Kristallisation und Spezifizierung<br />
von zum Selbstkonzept passenden beruflichen Präferenzen (Identifikation<br />
und zielgerichtete Exploration von Laufbahnalternativen, Einengung<br />
und Reihung der Auswahl), die Spezifikation der präferierten Laufbahnalternativen<br />
(Selektion eines konkreten Ausbildungs- und Berufszieles<br />
sowie passender Alternativen), die Entscheidung für eine konkrete Laufbahnalternative<br />
sowie deren Planung und Realisierung (Studienimmatrikulation<br />
oder Unterzeichnung Ausbildungsvertrag und Eintritt in Berufsausbildung<br />
oder Studium; vgl. ebd., S. 187; vgl. Super 1980, S. 272). Das Stadium<br />
ist vor allem durch die Entwicklung von beruflichen Zielen und einer<br />
beruflichen Zukunftsperspektive gekennzeichnet. Die Zufriedenheit mit<br />
dem gewählten Beruf und der beruflichen Laufbahn sowie mit dem beruflichen<br />
Erfolg ist abhängig von den Realisierungsmöglichkeiten der eigenen<br />
Vorstellungen sowie adäquaten Ausdrucksmöglichkeiten u. a. für Fähigkeiten,<br />
Bedürfnisse, Wertvorstellungen und Selbstkonzepte (vgl. Super 1957,<br />
S. 188; vgl. Super 1980, S. 224; vgl. Ratschinski o. J., S. 4 f.).<br />
25 Super definiert das Selbstkonzept, in Übereinstimmung mit dem realen Selbstkonzept des lerntheoretischen<br />
Ansatzes, als Verständnis bzw. die Vorstellung über die eigene Person, das in Rollen,<br />
Situationen, Funktionen und zwischenmenschlichen Beziehungen erlebt wird (vgl. Bußhoff<br />
1989, S. 21). Entwickelt wird nicht nur ein Selbstkonzept, sondern eine Kombination von<br />
Selbstkonzepten (vgl. Super 1980, S. 240).
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
4.5.2 Berufswahlreifekonzept nach<br />
Donald E. Super<br />
Werden die phasentypischen Entwicklungsaufgaben unzureichend oder<br />
nicht erfolgreich bearbeitet, ist die Bewältigung chronologisch späterer<br />
Aufgaben gefährdet (vgl. Super 1980, S. 223), d. h. die weitere berufliche<br />
Entwicklung ist beeinträchtigt, was in Bezug auf die eben beleuchtete Phase<br />
der Exploration beispielsweise in Studienverzögerungen, in der Unzufriedenheit<br />
mit der Ausbildung oder im Berufsausbildungs- oder Studienabbruch<br />
zum Ausdruck kommen kann.<br />
„Als wesentliche personale Voraussetzung bzw. Bedingung für die Bewältigung<br />
der beruflichen Entwicklungsaufgaben und für das Treffen selbstkonzeptgemäßer<br />
und realistischer beruflicher Entscheidungen ist die altersgemäße<br />
Entwicklung der Berufs- bzw. Laufbahnwahlreife anzusehen.“<br />
(Seifert 1991, S. 89; vgl. Super 1980, S. 223)<br />
Mit anderen Worten sei Berufswahlreife die<br />
„Fähigkeit und Bereitschaft zur Inangriffnahme und effektiven Bewältigung<br />
der mit der Berufswahl zusammenhängenden phasentypischen beruflichen<br />
Entwicklungsaufgaben“ (Seifert 1987, S. 188; vgl. Super 1980,<br />
S. 223 und S. 228).<br />
Das erfolgreiche Herangehen an die Entwicklungsaufgaben kann zum einen<br />
durch die Erleichterung der Herausbildung von Fähigkeiten und Interessen<br />
und zum anderen durch die Förderung der Entwicklung des Selbstkonzeptes<br />
gesteuert werden. Super sieht darin einen Synthese- und Kompromissprozess,<br />
der durch eine intensive Exploration eigener Interessen,<br />
Fähigkeiten und beruflichen Wertorientierungen und der dazu offenbar<br />
passenden beruflichen Möglichkeiten gefördert werden kann (vgl. Super<br />
1980, 223). Dazu stehen Jugendlichen eine Vielzahl von Möglichkeiten zur<br />
Verfügung:<br />
„These opportunities are found first in the home and in the neighborhood,<br />
then, as horizons and the scope of activities broaden, in the school<br />
and church, and then in community activities such as clubs and part-time<br />
or vacation employment.” (Super 1957, S. 82; vgl. Super 1980, S. 223 f.)<br />
Berufswahlreife kann demnach „durch vorberufliche Erfahrungen, durch<br />
den Einfluss von signifikanten Bezugspersonen und durch berufliche<br />
Orientierungs- und Beratungsmaßnahmen wesentlich gefördert werden“<br />
(Seifert 1991, S. 90, vgl. auch Seifert 1987, S. 188). Sie ist also ein umfassender<br />
personaler Entwicklungsprozess und Voraussetzung für eine mög-<br />
67
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
lichst durchdachte und eigenverantwortliche Berufswahl, die nicht einmalig<br />
ist, sondern mehrfach in der Bildungs-, Arbeits- und Berufsbiografie<br />
durchgeführt werden kann (vgl. Müller 1983, S. 159 f.; vgl. Seifert 1987,<br />
S. 188; vgl. Dedering 1994, S. 307; vgl. Köppl 1994, S. 6). Dieses Verständnis<br />
weist auch Parallelen zur Beschreibung der Berufswahlreife und ihren<br />
Indikatoren im Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife auf (vgl. Kapitel 2.3).<br />
Berufswahlreife, als Selbsteinschätzungs- und Informationskompetenz bezeichnet,<br />
wird wie folgt definiert:<br />
68<br />
„Jugendliche kennen ihre eigenen Bedürfnisse und berufsbedeutsamen<br />
Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse und können diese mit wesentlichen<br />
Aspekten und Anforderungen von Berufen in Beziehung setzen.<br />
Sie nutzen vorhandene Informationsmöglichkeiten, um sich über Berufe<br />
und deren Anforderungen zu informieren. Jugendliche können ihre Motive<br />
für eine Berufswahlentscheidung wahrnehmen und benennen.“<br />
(Bundesagentur für Arbeit 2009b, S. 58).<br />
Der Zeitpunkt, an dem die für eine Berufswahl erforderlichen Einstellungen,<br />
Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten erworben und Entscheidungen<br />
getroffen werden können, variiert. Das jeweilige Entwicklungsniveau<br />
der Berufswahlreife wird bestimmbar durch die Feststellung der<br />
Ausprägung folgender Einstellungen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen:<br />
„(1) berufliche Planungsbereitschaft und Planungsaktivität (berufliche<br />
Zukunftsorientierung und Engagement bei der Studien- und Berufswahlvorbereitung);<br />
(2) Sicherheit und Entschiedenheit bei der Laufbahnwahl (Klarheit und<br />
Differenziertheit der beruflichen Identität);<br />
(3) berufliche Explorationsbereitschaft (Bereitschaft zur Inanspruchnahme<br />
und Nutzung beruflicher Informationsquellen);<br />
(4) Entscheidungskompetenz (Kenntnisse und Fertigkeiten über das<br />
berufliche Entscheidungsverhalten, vor allem in Hinblick auf die<br />
Berücksichtigung von Selbstkonzeptmerkmalen bei der Laufbahnplanung;<br />
Laufbahnwissen);<br />
(5) allgemeine Informiertheit über die Arbeits- und Berufswelt; Informiertheit<br />
über die präferierten Berufe.“ (Seifert 1991, S. 89; vgl.<br />
auch Bußhoff 1989, S. 23)<br />
Die Laufbahnentwicklungstheorie mit dem Berufswahlreifekonzept spiegelt<br />
das aktuelle Verständnis von Berufsorientierung in vielen Punkten wider.<br />
Im Kontext dieser Arbeit sind zwei weitere Anknüpfungspunkte zu finden.<br />
Unter pädagogischer Perspektive (pädagogisch-normativer Begriffsgebrauch)<br />
besteht das Potenzial des Berufswahlreifekonzeptes vor allem in
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 4 Theoretische Erklärungsansätze<br />
der Eignung als Grundlage für die Entwicklung von Berufsorientierungsangeboten<br />
sowie zur Formulierung und Konkretisierung von Maßnahmezielen,<br />
denn die definierten Entwicklungsaufgaben können gleichzeitig als<br />
Zielbereiche von Interventionen angesehen werden (vgl. Seifert 1987,<br />
S. 189 f.). Es kann zur Prüfung der Konzept- und Entwicklungsangemessenheit<br />
eingesetzter Methoden und Medien genutzt werden und erlaubt<br />
Schlussfolgerungen für den Einsatz und die Gestaltung von Maßnahmen<br />
(vgl. ebd., S. 186). Aus psychologischer Sicht (psychologisch-empirische<br />
Begriffsverwendung) ist die Berufswahlreife ein Entwicklungsindex, der<br />
mittels Tests zur Erfassung von Ausgangslagen und Veränderungen einsetzbar<br />
ist. Sie ist damit gleichzeitig als Veränderungsdimension in Evaluationsmaßnahmen<br />
und zur Prüfung der Effektivität und der Effizienz von<br />
Programmen und Maßnahmen nutzbar. Betont werden muss in diesem Zusammenhang,<br />
dass Messungen der Berufswahlreife zwangsläufig immer nur<br />
eine Momentaufnahme des Entwicklungsstandes wiedergeben können. Der<br />
Prozess der Reifung wird dabei unzureichend widergespiegelt.<br />
Nicht nur die zahlreichen Begriffsdefinitionen, auch die Vielfalt an theoretischen<br />
Erklärungsansätzen verdeutlichen einen stetigen Veränderungsanspruch<br />
an die Berufsorientierung. Ihr Entwicklungsweg und ihre Konsolidierung<br />
im schulischen und außerschulischen Kontext werden innerhalb<br />
der folgenden Kapitel nachgezeichnet.<br />
69
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 5 Wurzeln und Entwicklung<br />
5 Wurzeln und Entwicklung<br />
Die Wurzeln der Berufsorientierung liegen in der Dynamisierung der Gesellschaft<br />
im 18. und 19. Jahrhundert. Mit politischen Veränderungen und<br />
industriellen Umbrüchen entstanden neue Schulkonzepte, welche die Verknüpfung<br />
von Arbeit und Lernen postulierten. Charakteristisch sind diese<br />
Aspekte beispielsweise für die Industrieschule, die Arbeitsschule oder die<br />
Produktionsschule, obzwar sich die Konzepte hinsichtlich des Stellenwertes<br />
handwerklich-praktischer und geistiger Lernaktivitäten sowie des Zusammenspiels<br />
von allgemeiner und beruflicher Bildung. unterscheiden. Es<br />
handelt sich hierbei weniger um geschlossene Ansätze, sondern vielmehr<br />
um pädagogische Ideen und Bewegungen, die sich von den traditionellen<br />
Schulkonzepten abgrenzten. Wenngleich sie sich nicht als Ganzes durchsetzen<br />
konnten, so sind einzelne pädagogische Prinzipien immer wieder in<br />
Konzepte der vorberuflichen Bildung integriert worden und liefern bis heute<br />
Impulse zur Gestaltung der Berufsorientierung (vgl. von Wensierski et al.<br />
2005, S. 46 ff.). Je nach Schulform gestalteten sich die Bemühungen zur Integration<br />
von berufs- bzw. arbeitsweltbezogenen Inhalten in die allgemeinbildende<br />
Schule mehr oder weniger erfolgreich. Im Folgenden wird nachgezeichnet,<br />
wie Berufsorientierung historisch gewachsen ist und welche<br />
bildungspolitischen Grundlagen ihre Konsolidierung prägten.<br />
5.1 Historische Grundlagen<br />
Anlass zur Auseinandersetzung mit der vorberuflichen Bildung gab die Ablösung<br />
der ständischen Ordnung mit der Zuweisung des Berufs für jeden<br />
einzelnen nach dem System göttlicher Gnade und Vorsehung und die Postulierung<br />
der freien Berufswahl entsprechend der Begabung mit Ende des<br />
18. Jahrhunderts (vgl. Beinke 2006, S. 17). Nach dem bislang praktizierten<br />
Prinzip der handwerklichen Meisterlehre sahen die gängigen Zunftvorstellungen<br />
und -ordnungen nach der erfolgten Berufswahl keinen Berufswechsel<br />
vor bzw. war dieser nach dem Leitbild der Zunfterziehung stark diskreditiert.<br />
Der berufliche Werdegang war konsequent geregelt, was eine Korrektur<br />
des Berufsweges weitgehend ausschloss (vgl. ebd., S. 17). Um die<br />
Entscheidungsfähigkeit Jugendlicher für einen Beruf zu verbessern, sollten<br />
sie vor der Berufswahlentscheidung die Berufswirklichkeit kennen lernen<br />
und berufliche Erfahrungen sammeln. Praktisch umgesetzt wurde dies<br />
durch eine zwei bis vier Wochen andauernde Probezeit der Lehrlinge, die<br />
allerdings unsystematisch gestaltet wurde, wenige Einblicke ermöglichte<br />
71
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 5 Wurzeln und Entwicklung<br />
und mehr auf das gegenseitige Kennenlernen ausgerichtet war (vgl. Stratmann<br />
1993, S. 212 f.). Das Handwerk hatte so „einen ‚Vorraum’ geschaffen,<br />
von dem aus der Jugendliche direkten Einblick in den erwählten Beruf<br />
nehmen und den er ohne juristische Folgen wieder verlassen konnte“<br />
(Stratmann 1999, S. 101).<br />
Die traditionelle Meisterlehre war den raschen wirtschaftlichen und technologischen<br />
Änderungen bald immer weniger gewachsen. Zunft und Familie<br />
konnten die Jugendlichen nicht mehr im notwendigen Maße auf die Berufswahl<br />
und das Erwerbsleben vorbereiten. Die Schwierigkeiten und Widersprüchlichkeiten<br />
schildert Stratmann wie folgt: Einerseits sollten Jugendliche<br />
einen Beruf wählen, der ihren Fähigkeiten und Interessen entsprach,<br />
der im gesellschaftlichen Wandel Bestand hatte, d. h. krisenbeständig<br />
war und der ihnen und der Gesellschaft Nutzen brachte. Andererseits<br />
sollte der Beruf den Lebensunterhalt absichern und nicht über oder unter<br />
dem Stand der Eltern liegen (vgl. ebd., S. 120 ff.).<br />
Um den Mangel an Wissen über verschiedene Berufe zu begegnen wurden<br />
Lexika mit Berufsbeschreibungen entwickelt. Um die Jahrhundertwende<br />
engagierten sich zudem Frauenbewegungen, die Fürsorge oder Berufsverbände<br />
(Handwerksinnungen) mehr und mehr für die Berufsberatung (vgl.<br />
Hillmert 1996, S. 13). Die Krise der Berufserziehung mündete schließlich<br />
auch in zahlreiche neue Schulkonzepte, wie die der Industrie-, der Arbeitsund<br />
der Produktionsschule.<br />
5.1.1 Industrieschule<br />
Unter dem Einfluss des pädagogischen Realismus und des Merkantilismus<br />
wurden Ende des 18. Jahrhunderts neue Schulen mit realitätsbezogenen<br />
Fächern gegründet. 26 Am stärksten Verbreitung fand in Deutschland die<br />
maßgeblich von Ferdinand Kindermann (1740-1801) geprägte Industrieschule.<br />
Sie hatte eine Erziehung zur ‚Industriösität’ zum Ziel, d. h. die Entwicklung<br />
von Persönlichkeiten, die fleißig, kreativ und produktiv waren<br />
und damit dem frühkapitalistischen Menschenideal entsprachen (vgl. Dedering<br />
1996, S. 255). Der Unterricht schloss neben dem Elementarunterricht<br />
(z. B. Lesen, Schreiben, Rechnen, Gesang) auch praktischen Arbeitsunterricht<br />
(z. B. Spinnen, Weben, Drechseln) ein und wurde durch eine starke<br />
Ausrichtung auf die Industrie charakterisiert. Konzeptionell wurde die In-<br />
26 Die Vertreter des pädagogischen Realismus sprachen sich für eine stärkere Praxisorientierung<br />
des Lernens aus (vgl. Dedering 1996, S. 255). Merkantilismus bezeichnet die auf Reichtum gerichtete<br />
Wirtschaftsweise des absolutistischen Staates (vgl. Dedering 1996, S. 255).<br />
72
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 5 Wurzeln und Entwicklung<br />
dustrieschule von einem philanthropisch-idealistischen Motiv, welches auf<br />
die frühzeitige Vorbereitung von Jugendlichen auf ihre Rolle als Erwerbstätige<br />
(um so die Wirtschaftlichkeit des Staates zu erhöhen) sowie die Bildung<br />
von Charaktereigenschaften, wie Arbeitswille und Sparsamkeit abzielte, geprägt.<br />
Der praktische Unterricht wurde in Form bezahlter Arbeit ausgeführt.<br />
Dies trug zur Refinanzierung der Schule bei, ersparte niederen Bevölkerungsschichten<br />
das Schulgeld und erhöhte somit die Attraktivität des<br />
Schulbesuchs (vgl. Eichner 1996, S. 11 ff.).<br />
Neben Kindermann wurde das Konzept der Industrieschule maßgeblich<br />
von Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) beeinflusst. Auch er verfolgte<br />
die Vorstellung einer Verbindung von allgemeiner Bildung und Industrie.<br />
Bildung, als Zusammenspiel von Kopf, Herz und Hand, sollte vor allem<br />
den Zweck der Anwendung in der Industrie haben. Pestalozzi betonte die<br />
Prinzipien der Ganzheitlichkeit als Basis von Bildung und Individualität.<br />
Prioritär war für ihn ein Erkenntnisgewinn aus interessenorientierten und<br />
realitätsbezogenen Fragestellungen unter Einbeziehung von Erfahrungsund<br />
Buchwissen. Selbsttätigkeit, Anschauung, Lebensnähe, natürliches<br />
Lernen und Orientierung am Kind waren elementare Bestandteile seines<br />
Bildungskonzeptes (vgl. Eichner 1996, S. 14 ff.).<br />
Weil sie die bildenden Komponenten der Arbeit zu wenig berücksichtigte<br />
und ihr Beitrag zur Vorbereitung auf den Beruf und zur Persönlichkeitsentwicklung<br />
hinter ökonomischen Ansprüchen zurückstand, hatte die Industrieschule<br />
schnell den Ruf einer profit- und zweckgesteuerten Schulform<br />
(vgl. Dedering 1996, S. 256). Wenngleich das Scheitern der Industrieschule<br />
aufgrund der mangelnden didaktischen Reflexion unumgänglich war,<br />
ist ihr Grundgedanke, durch praktische Tätigkeiten in der Schule Jugendliche<br />
für die Arbeitswelt vorzubereiten und gleichzeitig ihre Persönlichkeitsentwicklung<br />
zu befördern, erhalten geblieben. ‚Industriösität’ und Ausbildungsreife<br />
liegen vom Grundgedanken her nah beieinander. Damals wie<br />
heute postulieren Unternehmen diese Aspekte, um junge Menschen früher<br />
und häufiger für produktive Tätigkeiten einsetzen und so kostengünstiger<br />
bzw. gewinnorientierter arbeiten zu können.<br />
5.1.2 Arbeitsschule<br />
Beeinflusst durch den Verfall der Industrieschule und die aufkommende<br />
neuhumanistische Pädagogik wurden die Themen Arbeit und Beruf in den<br />
folgenden Jahrzehnten aus dem Unterricht zurückgedrängt. Die Pädagogen<br />
des Neuhumanismus sprachen sich für eine strikte Trennung zwischen der<br />
73
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 5 Wurzeln und Entwicklung<br />
Allgemein- und der Berufsbildung aus. Prägend waren die Vorstellungen<br />
Wilhelm von Humboldts (1767-1835), wie er sie im Litauischen Schulplan<br />
postulierte:<br />
„Alle Schulen aber, deren sich nicht ein einzelner Stand, sondern die ganze<br />
Nation, oder der Staat für diese annimmt, müssen nur allgemeine<br />
Menschenbildung bezwecken. - Was das Bedürfniß des Lebens oder eines<br />
einzelnen seiner Gewerbe erheischt, muß abgesondert, und nach vollendetem<br />
allgemeinen Unterricht erworben werden. Wird beides vermischt,<br />
so wird die Bildung unrein, und man erhält weder vollständige Menschen,<br />
noch vollständige Bürger einzelner Klassen. Denn beide Bildungen - die<br />
allgemeine und die specielle - werden durch verschiedene Grundsätze geleitet.<br />
Durch die allgemeine sollen die Kräfte, d. h. der Mensch selbst gestärkt,<br />
geläutert und geregelt werden; durch die specielle soll er nur Fertigkeiten<br />
zur Anwendung erhalten.“ (von Humboldt 1959, S. 111 f.)<br />
Von Humboldt betonte die Gegensätzlichkeit von allgemeiner und spezieller,<br />
also beruflicher Bildung, wobei er die Allgemeinbildung als zwingend<br />
vorrangig betrachtete. In Folge dieser Ausrichtung wurden Lerninhalte und<br />
Methoden der Vermittlung zunehmend lebensferner. Es wurde eine Trennung<br />
von Lernen und Arbeiten, von Kopf- und Handarbeit vollzogen. Erst<br />
infolge reformpädagogischer Bewegungen in der entstehenden Industriegesellschaft<br />
zum Ende des 19. Jahrhunderts gewann Arbeit in der Schule wieder<br />
einen Stellenwert. Zu nennen sind hier die Ansätze der Arbeitsschule<br />
von Georg Kerschensteiner (1854-1932) oder Hugo Gaudig (1860-1923).<br />
Kerschensteiner setzte die Ideen Pestalozzis um und rückte durch die Einführung<br />
von Fächern mit praktisch akzentuierten Inhalten und entsprechenden<br />
Fachräumen (z. B. Schulküche, Werkstätten für Holz- und Metallverarbeitung)<br />
die selbstständige, erfahrungsorientierte und praxisbezogene<br />
Bildung und Erziehung (Experimente, Exkursionen, Produktion von Gegenständen)<br />
in den Mittelpunkt (vgl. Dedering 1996, 257). Sein Konzept<br />
erprobte er didaktisch und organisatorisch in mehreren Schulversuchen.<br />
Kerschensteiner setzte sich parallel zu konzeptionellen Fragen stark mit<br />
dem Arbeitsbegriff, der für ihn geistige Arbeit und manuelle Tätigkeiten<br />
einschloss, auseinander. Nach Ansicht Kerschensteiners war Arbeit dann<br />
bildungswirksam, wenn sie zur gedanklichen Auseinandersetzung anregte<br />
sowie zu einer positiven Arbeitseinstellung und zur Persönlichkeitsentwicklung<br />
führte (Kerschensteiner 1968, S. 54 ff.). Arbeit sollte sinnhaft, nützlich<br />
und lebensbezogen sein. Sie sollte Wachstum ermöglichen und Selbstprüfungsmöglichkeiten<br />
einschließen. Die frühzeitige Erfahrbarkeit von Arbeitsprozessen<br />
und die Beschäftigung mit der Arbeitswelt sind maßgeblich<br />
für Kerschensteiners Bildungsvorstellungen. Im Verständnis von Kerschensteiner<br />
ist Arbeitserziehung eine allgemeine Berufsvorbereitung, die<br />
74
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 5 Wurzeln und Entwicklung<br />
Jugendliche z. B. durch Wecken von Arbeitsfreude und Kennenlernen von<br />
Arbeitsmethoden in die Lage versetzt einen Beruf zu erlernen. Gaudig ergänzt<br />
in diesem Zusammenhang:<br />
„Wertvoll erscheint uns auch, so wenig wir die Schule zu einer Berufsschule<br />
werden lassen möchten, die Bedeutung manueller Arbeit für das<br />
nationale Berufsleben. Nicht nur, daß alle Schüler, auch die für intellektuelle<br />
Berufe bestimmten, Fühlung mit dem Handwerk und der Technik<br />
gewinnen und so vor falscher Einschätzung der Handarbeit als eines<br />
banausischen Tuns bewahrt werden – unsere Schüler empfangen auch<br />
aus dem Reiz der manuellen Tätigkeit den Antrieb, bei der Berufswahl<br />
das eigentliche Handwerk und die technischen Berufe ins Auge zu fassen<br />
und sich so nicht voreilig und gegen ihr Können für die Fabrikarbeit oder<br />
für gelehrte Berufe zu entscheiden.“ (Gaudig 1969, S. 30)<br />
Gaudig betont in Anlehnung an Kerschensteiner den durch die Selbsttätigkeit<br />
der Schülerin/des Schülers bestimmten Charakter der Arbeitsschule.<br />
Im Mittelpunkt steht das geistige und manuelle Wirken, zu dem die Schule<br />
verhelfen soll. Sie ist die Werkstatt, wo unter Anleitung Erkenntnis und<br />
Fertigkeit arbeitend erworben und neue Arbeitstechniken, vor allem, um<br />
neues Wissen zu erlangen, gewonnen werden (vgl. Gaudig 1969, S. 31).<br />
Die Konzepte der Arbeitsschule bildeten den Ausgangspunkt für grundlegende<br />
Reformen im Volksschulbereich und im beruflichen Bildungswesen<br />
und führten zur generellen Aufnahme praktischer Fächer, wie z. B. Werken<br />
oder Technisches Zeichnen in den schulischen Fächerkanon (vgl. Eichner<br />
1996, S. 17 ff.). An den Konzepten der Arbeitsschule wurde neben der einseitig<br />
handwerklichen Ausrichtung auch die den Bedürfnissen der industriellen<br />
Entwicklung wenig gerecht werdende Bildung beanstandet. Zu Beginn<br />
des 20. Jahrhunderts musste die Arbeitsschule daher einen starken<br />
Bedeutungsverlust erfahren. Doch gehört das ‚Werken’, im Sinne von<br />
Handwerken und der manuellen Arbeit an einem Werk oder einem Produkt,<br />
auch heute noch zu einer wichtigen Methode arbeitsweltbezogenen<br />
Lernens. Konkrete Umsetzung erfährt sie beispielsweise durch Schülerfirmen<br />
(vgl. Kapitel 6.3.3.11).<br />
5.1.3 Produktionsschule<br />
Auf Grundlage des Bildungskonzeptes von Karl Marx (1818-1883) entwickelte<br />
Pawel Petrowitsch Blonskij (1884-1941) das Konzept der Arbeitsschule<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts weiter. Mit seiner Idee des polytechnischen<br />
Unterrichts verfolgte Marx das Anliegen, Lernen und produktive<br />
Arbeit sowie die Vermittlung von Naturwissenschaften, Technik und Pro-<br />
75
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 5 Wurzeln und Entwicklung<br />
duktion zu verknüpfen. Durch polytechnischen Unterricht sollte statt einer<br />
Vorbereitung auf eine spezielle Arbeitstätigkeit eine generelle Vorbereitung<br />
auf die Arbeitswelt mit ihren wechselnden Anforderungen erreicht werden.<br />
Die allseitige Entfaltung der Persönlichkeit zur produktiv nutzbaren Kraft<br />
stand im Mittelpunkt. Diese Bildungsvorstellung von Marx griff Blonskij in<br />
seinem Konzept der Produktionsschule auf. Die Schulform kombiniert Arbeiten<br />
und Lernen, indem Schule selbst zur industriellen Produktionsstätte<br />
wird. Arbeit ist Ausgangspunkt für Unterricht und somit Bildungsquelle.<br />
Vorbehalte wurden dem Ansatz, der nach einer nur kurzen Realisierungsphase<br />
bereits um 1920 Revidierung erfuhr, vor allem aufgrund seiner engen<br />
Ausrichtung auf die Industrie entgegengebracht. Hervorgehoben werden<br />
muss dessen ungeachtet der Gedanke, Arbeit in der unmittelbaren Arbeitswelt<br />
zu vollziehen, was bis heute in Form von Praktika in der schulischen<br />
Bildung erhalten blieb (vgl. Dedering 1996, S. 258 f.). Die Ideen<br />
Blonskijs wurden später von Paul Oestreich (1878-1959) und dem „Bund<br />
Entschiedener Schulreformer“ aufgegriffen und unter dem Tenor einer<br />
‚Lebensschule’ (vgl. ebd., S. 483) bzw. einer ‚Einheits-, Lebens- und Produktionsschule’<br />
(vgl. Oestreich 1921; Bundesministerium für Bildung und<br />
Forschung 2006, S. 50) weiterentwickelt. Die Kinder und Jugendlichen<br />
waren in Branchen wie der Landwirtschaft, dem Handwerk, der Industrie<br />
und dem Handel tätig. Basis dafür bildeten Lernorte wie die Schuldruckerei,<br />
die Schulzeitung, die Schulbibliothek, die schulische Station für drahtlose<br />
Telegrafie oder während mehrwöchiger Praktika auch Unternehmen.<br />
In Abgrenzung zur Industrie- und Arbeitsschule ist jedoch vor allem die<br />
Idee Oestereichs prägnant, über die pädagogische Einrichtung Schule<br />
Änderungen in der Gesellschaft bewirken zu können. Neben besseren individuellen<br />
Entwicklungschancen verstand er die Produktionsschule als<br />
Ausgangspunkt für eine Reform der Gesellschaftsstrukturen (vgl. Deutscher<br />
Paritätischer Wohlfahrtsverband 2007, S. 21). Der Produktionsschulansatz<br />
hat bis heute Bestand und vereint zahlreiche pädagogische Einflüsse,<br />
sowohl in seinem theoretischen Konzept, als auch in seinen Realisierungsansätzen.<br />
5.1.4 Weitere historische Ansätze<br />
Die Vorbereitung auf einen Beruf und die Arbeitswelt u. a. durch praktische<br />
Erfahrungen sowie die Verortung von beruflicher Bildung in der<br />
Allgemeinbildung spielte nicht nur in den Konzepten der Industrie-, Arbeits-<br />
und Produktionsschule eine Rolle. So verfolgte bereits Johann Julius<br />
Hecker (1707-1768) mit der Gründung seiner ökonomisch-mathematischen<br />
76
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 5 Wurzeln und Entwicklung<br />
Realschule in Berlin das Ziel, Kindern und Jugendlichen durch eigene Arbeit<br />
in verschiedenen handwerklichen Berufen zu mehr Orientierung zu<br />
verhelfen. Er ergänzte den Unterricht nicht nur durch praktische Übungen,<br />
sondern auch durch Exkursionen zu Handwerksmeistern (vgl. Beinke 2006,<br />
S. 21).<br />
Ausgangspunkt für den Ansatz Eduard Sprangers (1882-1963) war der<br />
durch die sozioökonomischen Veränderungen infolge der wissenschaftlichtechnischen<br />
Revolution des 19. Jahrhunderts einhergehende Werteverfall.<br />
Seinem pädagogischen Ansatz ging die Reflexion der humanistischen Bildungs-<br />
und Erziehungsziele auf ihre Eignung für die geänderten gesellschaftlichen<br />
Bedingungen voraus. Mit dem Ziel berufliche und allgemeine<br />
Bildung stärker zu verknüpfen, mündete sein Konzept in der Forderung<br />
nach stärkerer Einbeziehung von Arbeit und Beruf unter Berücksichtigung<br />
von Lebensweltbezug, Humanität, Erziehung zu Autonomie und demokratischem<br />
Handeln. Spranger engagierte sich für die Reform der Volkshochschule<br />
und des beruflichen Bildungswesens und sprach sich für eine begabungsorientierte<br />
Gliederung des Schulsystems aus. In seiner Bildungskonzeption<br />
der Volkshochschule war insbesondere die Berufswahlvorbereitung<br />
dominierend. Nach seinen Vorstellungen sollten besonders die letzten<br />
Schuljahre der Berufsvorbereitung unabhängig von einer speziellen Berufsausbildung<br />
dienen. Da er die Berufswahlentscheidung Jugendlicher,<br />
z. B. aufgrund des Alters oder einer unzureichender Urteilsfähigkeit als<br />
problembehaftet ansah, war es für Spranger von Bedeutung, dass die<br />
Jugendlichen durch eigenes Tun ein Verständnis für Arbeitsprozesse entwickelten<br />
und bei der Berufsfindung beraten wurden. Während Spranger zunächst<br />
wie Kerschensteiner Arbeit als lebenslange Tätigkeit und Sinnerfüllung<br />
sah, revidierte er seine Arbeitsdefinition später infolge des Wandels<br />
der Berufs- und Arbeitswelt und forderte eine intensivere Vorbereitung der<br />
Jugendlichen auf die geänderten Arbeitsformen und -bedingungen im<br />
Rahmen der beruflichen Bildung (vgl. Eichner 1996, S. 22 ff.).<br />
Aloys Fischer (1880-1937) postulierte eine praxis- und lebensweltbezogene<br />
Bildung und Erziehung. Für ihn war daher eine Bildungskonzeption maßgeblich,<br />
die alle Wissens- und Lebensbereiche sowie die Persönlichkeitsentfaltung<br />
einschließt. Er forderte eine eigenständige Bildungskonzeption für<br />
die Volkshochschule, die das Leben zum Gegenstand und Ausgangspunkt<br />
der Bildung und die Erziehung Jugendlicher zu selbstverantwortlichen Persönlichkeiten<br />
unterstützt. Tragendes Element war dabei die Arbeit, welche<br />
die Schul- und Lebenswelt verknüpfen und zur seelisch-geistigen Reifung<br />
junger Menschen beitragen sollte. Der Selbsttätigkeit und selbständigen<br />
Auswahl einer sinnhaften Arbeit durch junge Menschen wies Fischer eine<br />
77
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 5 Wurzeln und Entwicklung<br />
propädeutische Bildungsfunktion zu. Lehrende gestalteten den Unterricht<br />
offen und flexibel und unterstützten den Wissenserwerb über die aktive<br />
Auseinandersetzung mit Aufgaben vor allem durch die Bereitstellung erforderlicher<br />
Hilfsmittel (vgl. ebd., S. 26 ff.).<br />
Anliegen Theodor Litts (1880-1962) war es, den infolge des zweiten Weltkrieges<br />
einsetzenden Strukturwandel in der Arbeits- und Wirtschaftswelt zu<br />
beleuchten und in einer Bildungskonzeption zu berücksichtigen. In der<br />
Prüfung des Bildungsgehaltes und des Bildungswertes der Industrie sowie<br />
von Technik in Zusammenhang mit Individuum und Gesellschaft sah er<br />
die Lösung zur Überwindung der vorherrschenden Humboldtschen Bildungstheorie.<br />
Ohne ein konkretes didaktisches Konzept zu verfassen,<br />
machte er sich für die Zusammenführung von allgemeiner und beruflicher<br />
Bildung stark. Charakteristisch für seinen Bildungsansatz sind die Integration<br />
der Naturwissenschaften, der Technik und der modernen Arbeitswelt<br />
und das Bestreben, über Anregung von kritischer Reflexion und Interpretation<br />
der Lebens- und Arbeitswelt eigenverantwortliche Entscheidungen zu<br />
fördern. Litt sah im Zusammenspiel von Denken, Erkennen und Handeln<br />
die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung des Geistes (vgl. ebd., S. 32 ff.).<br />
5.2 Bildungspolitische Grundlagen und<br />
schulische Konsolidierung<br />
Entwicklungsschwerpunkte der Berufsorientierung sind in den fünfziger,<br />
sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu verzeichnen. Das<br />
Schulsystem wurde den veränderten Produktionsmethoden und differenzierten<br />
beruflichen Anforderungen immer weniger gerecht. Zunächst als<br />
Reaktion auf den Mangel an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen sowie fehlende<br />
Qualifikationen bei den Jugendlichen in der Wiederaufbauphase nach<br />
dem zweiten Weltkrieg, später als Maßnahme gegen den Arbeitskräftemangel<br />
zur Zeit des wirtschaftlichen Aufstiegs Deutschlands kam insbesondere<br />
von Seiten des aufstrebenden Mittelstandes in Gewerbe und Handel<br />
die Forderung nach realistischeren Lehrplänen auf. Parallel verwiesen<br />
Berufspädagogen, wie Heinrich Abel, unterstützt durch soziologische und<br />
sozialpsychologische Studien 27, auf die Schwierigkeiten Jugendlicher im<br />
Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt. Sie forderten zum einen eine<br />
bessere Ausbildung junger Menschen durch Institutionen der Berufsausbil-<br />
27 Anzuführen ist insbesondere Helmut Schelskys Studie „Die skeptische Generation“ (vgl.<br />
Schelsky 1957).<br />
78
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 5 Wurzeln und Entwicklung<br />
dung, zum anderen aber auch eine intensivere Vorbereitung durch die allgemeinbildenden<br />
Schulen (vgl. Dedering 2002, S. 17). Kritik wurde auch<br />
gegenüber der Berufsaufklärung durch die sogenannten Berufsberatungsämter<br />
geübt, die den Befunden der Berufsforschung zu wenig Beachtung<br />
schenkte. Man besann sich auf die historischen arbeits- und berufsorientierenden<br />
Bildungskonzepte und nahm deren Ansätze und Ideen zur Arbeitserziehung<br />
in die praktisch ausgerichtete Volksschule auf, die zum Zwecke<br />
der Berufsorientierung auf ein neuntes Volksschuljahr ausgeweitet wurde.<br />
Neben einer Reaktion auf die Übergangsprobleme gewannen im Zuge der<br />
Erweiterung der Volksschule auch die Vorbereitung auf die Berufs- und<br />
Arbeitswelt sowie die Erkundung der heimatlichen Arbeitswelt und Betriebspraktika<br />
an Bedeutung. Die Verengung der Perspektive auf die Volksschule<br />
und die Ausweitung auf die Hinführung zur Berufs- und Arbeitswelt<br />
kennzeichneten so den Entwicklungsverlauf der schulischen Berufsorientierung<br />
(vgl. Dedering 2002, S. 18; vgl. Dammer 2002, S. 41).<br />
1964 empfahl der Deutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen<br />
in seinem Hauptschulgutachten eine bis zum 10. Schuljahr verlängerte<br />
Hauptschule, die als Eingangsstufe des beruflichen Bildungswesens<br />
fungieren sollte. Mit der Schaffung des neuen Faches Arbeitslehre<br />
wurde die Hauptschule aufgefordert, stärker auf die Hinführung zur Arbeitswelt<br />
sowie auf die Vorbereitung für berufliche Bildungswege hinzuwirken.<br />
Mit der Arbeitslehre war der Anspruch einer manuellen, intellektuellen<br />
und charakterlichen Erziehung zur Arbeit verbunden. Das neue Unterrichtsfach<br />
sollte eine am praktischen Tun orientierte Berufswahlhilfe integrieren<br />
(vgl. Dedering 1994, S. 268; vgl. Dedering 2002, S. 19; vgl. Dammer<br />
2002, S. 46). Formulierungen wie „Praktische Arbeit“, „Grundzüge des<br />
Arbeitens in der modernen Produktion“, ,,handwerkliches Arbeiten“,<br />
„Grundzüge der arbeitsteiligen rational geplanten maschinellen Produktionsweise“,<br />
,,Produktionsweisen in Landwirtschaft, Handel und Industrie“<br />
waren kennzeichnend für die Überlegungen des Deutschen Ausschusses<br />
(vgl. Pleiß 1982, S. 103 f.). Definiert wurde die Arbeitslehre als „Schul- und<br />
Hochschuldisziplin, die sich mit der ‚Einführung in Arbeit, Beruf, Wirtschaft,<br />
Technik und Gesellschaft’ beschäftigt und als Teil der Berufs- und<br />
Wirtschaftspädagogik auch die Berufswahl und Berufsaufklärung zum Gegenstand<br />
hat.“ (Dauenhauer 1978, S. 10). Jedoch erfolgte keine detaillierte<br />
didaktische Untersetzung des Faches und der zu leistenden Berufsorientierung,<br />
was zu großen Unsicherheiten in der Umsetzung führte. Um den Intentionen<br />
des Deutschen Ausschusses zu entsprechen, wurde die Arbeitslehre<br />
schließlich durch eine Fülle von Inhalten und Themenaspekten geprägt,<br />
was u. a. Pleiß (vgl. Pleiß 1982, S. 108), Dedering (vgl. Dedering<br />
79
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 5 Wurzeln und Entwicklung<br />
1996, S. 258 f.) und Hainmüller (vgl. Hainmüller 1996, S. 19 ff.) ausgiebig<br />
diskutieren und was von Wensierski (vgl. von Wensierski et al. 2005,<br />
S. 58 f.) als Profillosigkeit der Arbeitslehre konstatiert. Dennoch ist festzuhalten,<br />
dass mit der Einführung des Faches das Profil der Hauptschule wesentlich<br />
zeitgemäßer gestaltet werden konnte.<br />
Die Veränderungen in der Arbeitswelt (z. B. Auflösung traditioneller Berufsbilder<br />
und Probleme des beruflichen Bildungswesens, wie unbesetzte<br />
Lehrstellen oder Ausbildungsabbrüche) führten dazu, dass der Berufsorientierung<br />
in der Öffentlichkeit mehr Beachtung geschenkt und diese kontrovers<br />
diskutiert wurde. Auch empirische Befunde und die bereits vorgestellten<br />
Theorien zur Berufswahl (vgl. Kapitel 4) verschafften einen neuen Blick<br />
auf die schulische Berufsorientierung. In der Folge dessen setzen sich Bildungspolitiker<br />
und Pädagogen stärker für eine vorberufliche Bildung in der<br />
Schule ein, was sich in didaktischen Entwürfen zur Berufswahlvorbereitung<br />
und Arbeitslehre, in Positionspapieren und Erlassen bildungspolitischer Institutionen<br />
und Gremien niederschlug. Richtungsweisende Impulse gingen<br />
dabei vor allem von der Kultusministerkonferenz, dem Deutschen Bildungsrat<br />
und der Bundesanstalt für Arbeit28 aus (vgl. Müller 1983, S. 36 ff.;<br />
vgl. von Wensierski et al. 2005, S. 48).<br />
Die „Empfehlungen zur Hauptschule“ der Kultusministerkonferenz (1969) maßen<br />
der Berufsorientierung bereits deutlich höheren Stellenwert bei. Sie<br />
wurde als eigenständiges Unterrichtsfeld vorgeschlagen, das „auf der<br />
Grundlage praktischen Tuns und theoretischer Durchdringung“ sowie in<br />
Betriebserkundungen und Betriebspraktika eine „Orientierung über Berufsfelder,<br />
Berufsgruppen und Berufe“ erlaubte, die „am Ende der 9. Klasse zu<br />
einer revidierbaren Berufsfeldentscheidung“ führen sollte (Kultusministerkonferenz<br />
1969, S. 29).<br />
Der Deutsche Bildungsrat sprach sich in seinen Empfehlungen (1970) für<br />
eine Berufsbildungsberatung als grundsätzliche Aufgabe aller allgemeinbildenden<br />
Schulen aus, welche kombiniert mit der beruflichen Orientierung<br />
zu Berufsfeldern, Berufsbildern und Berufschancen im Fach Arbeitslehre<br />
eine fundierte Berufswahl ermöglichte (vgl. Deutscher Bildungsrat 1970,<br />
S. 91).<br />
28 Bereits um die Jahrhundertwende engagierten sich insbesondere die Frauenbewegung, die Fürsorge<br />
oder Berufsverbände (Handwerksinnungen) für eine Berufsberatung. Nach Ende des zweiten<br />
Weltkrieges war den Ländern die Schaffung öffentlicher und unparteiischer Beratungs- und<br />
Vermittlungsinstitutionen möglich. 1935 wurde der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung<br />
durch ein Monopolgesetz die alleinige Zuständigkeit für Berufsberatung<br />
und Vermittlung übertragen. In den Nachkriegsjahren wurde die Arbeitsverwaltung jedoch wieder<br />
auf die Länder übertragen. 1952 erfolgte die Gründung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung<br />
und Arbeitslosenversicherung, die 1969 in die Bundesanstalt für Arbeit, heute Bundesagentur<br />
für Arbeit umbenannt wurde (vgl. Hillmert 1996, S. 13 ff.).<br />
80
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 5 Wurzeln und Entwicklung<br />
Mit dem §32 des Arbeitsförderungsgesetzes von 1969 verpflichtete sich die<br />
Bundesanstalt für Arbeit zur Kooperation mit Einrichtungen der allgemeinen<br />
und beruflichen Bildung. Parallel dazu ging auch die Schule die Verpflichtung<br />
ein, eine Vorbereitung auf die Arbeitswelt zu leisten, welche die<br />
Basis für die Arbeit der Berufsberatung legte. Daran schloss sich im Jahr<br />
1971 die „Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung“<br />
zwischen der Kultusministerkonferenz und der Bundesanstalt für Arbeit<br />
an, die später durch länderspezifische Vereinbarungen ergänzt und zuletzt<br />
2004 modifiziert wurde (vgl. Kultusministerkonferenz et al. 2004; vgl.<br />
Jenschke 2006, S. 104; vgl. Dimbath 2007, S. 166; vgl. Kapitel 6.4.2). Die<br />
Rahmenvereinbarung legte u. a. eine Zusammenarbeit bei berufsaufklärenden<br />
Maßnahmen, wie Schulbesprechungen, Elternveranstaltungen,<br />
Vortragsveranstaltungen, Seminaren oder Betriebserkundungen, Projekttagen<br />
oder Projektwochen, den Betriebspraktika oder Veranstaltungen zur<br />
Lehrerfortbildung fest (vgl. Bundesanstalt für Arbeit et al. 2001, S. 2; vgl.<br />
Dedering 2002, S. 21).<br />
Resultierend aus den pädagogischen und bildungspolitischen Vorschlägen<br />
und Gesetzen reagierten die Bundesländer in den sechziger und siebziger<br />
Jahren des 20. Jahrhunderts mit der Schaffung von Lehrplänen und Arbeitsmaterialien<br />
für das Fach Arbeitslehre an der Haupt- und Gesamtschule. Die Berufsorientierung<br />
wurde in unterschiedlicher didaktischer Form, entweder<br />
als zentrales Aufgabenfeld, als wählbarer Schwerpunktbereich in einem Berufsfeld,<br />
in Betriebserkundungen und Betriebspraktika29 oder als übergreifendes<br />
Prinzip in der Arbeitslehre eingebettet (vgl. Dedering 2002, S. 21).<br />
Einhergehend mit unterschiedlichen schulischen Voraussetzungen und<br />
politischen Eingriffen gestaltete sich die didaktische Umsetzung der Berufsorientierung<br />
uneinheitlich und defizitär. Als Reaktion darauf, gab die<br />
Bundesanstalt für Arbeit 1974 ein Gutachten zur Entwicklung eines Curriculums<br />
„Berufswahlunterricht“ in Auftrag, welches in den Folgejahren Grundlage für<br />
eine Reihe von Modellversuchen war, die wesentlichen Einfluss auf die<br />
Entwicklung der Arbeitslehre hatten (vgl. Dedering 2002, S. 22 f.). In den<br />
80er Jahren wurden vielfältige Versuche unternommen, mit konzeptionellen<br />
Änderungen die schulische Berufsorientierung so zu gestalten, dass sie<br />
29 Die Gesellschaft für Arbeit, Technik und Wirtschaft im Unterricht unterzog die Etablierung<br />
von Betriebspraktika einer kritischen Würdigung und stellte 13 Thesen im Kontext des Faches<br />
Arbeitslehre auf. Unter anderem werden der Arbeitslehre Wirkungsdefizite und dem Betriebspraktikum<br />
mangelnde theoretische und empirische Fundierung attestiert. Die Gesellschaft<br />
spricht sich gegen eine Überfrachtung mit Intentionen und für eine kritischere Auseinandersetzung<br />
mit den Betriebspraktika aus, wenngleich sie dieses als sinnvolle Ergänzung zum Arbeitslehreunterricht<br />
sehen. Empfehlungen zur Ausgestaltung von Praktika runden die Thesen ab (vgl.<br />
Gesellschaft für Arbeit 1981, S. 240 f.).<br />
81
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 5 Wurzeln und Entwicklung<br />
dem Strukturwandel der Arbeit und den veränderten Anforderungen an<br />
Jugendliche in der Arbeitswelt gerecht wurde. Neben weiteren Modellversuchen,<br />
die Aspekte wie die Orientierung am ganzheitlichen Berufsbegriff<br />
(vgl. Famulla 1985), handlungsorientierten Berufswahlunterricht (vgl. Klippert<br />
1987), Berücksichtigung des Geschlechteraspektes bei der Berufsorientierung<br />
(vgl. Lemmermöhle-Thüsing et al. 1994) oder integrative Berufswahlvorbereitung,<br />
die verschiedene didaktische Ansätze der Berufsorientierung<br />
vereint (vgl. Beinke 1987) in den Mittelpunkt stellten, erhielt auch die<br />
Weiterentwicklung der Lehrpläne für das Fach Arbeitslehre Aufmerksamkeit<br />
(vgl. Dedering 2002, S. 24). Neue Erkenntnisse der Berufsorientierung<br />
fanden kaum Eingang, jedoch wurden bei der Umsetzung des Unterrichts<br />
stärker außerschulische Dienstleistungen zur Berufsorientierung einbezogen.<br />
Später folgten Bemühungen, die berufsorientierende Grundbildung<br />
schulformübergreifend stärker zu verankern. 1987 stellte die Kultusministerkonferenz<br />
auf die Sekundarstufe I angepasste Materialien zur Arbeitslehre<br />
bereit, die allerdings unverbindlich und offen waren. Die Unterrichtung<br />
der Arbeitslehre, die nunmehr die Themenbereiche Wirtschaft, Technik,<br />
Haushalt und Beruf integrierte, war als eigenständiges Fach, Fächerverbund<br />
oder als Bestandteil anderer Fächer möglich. Später wurden die Materialien<br />
auf die Sekundarstufe II ausgeweitet, die sich 1992 in der „Gemeinsamen<br />
Empfehlung zur Zusammenarbeit von Schule, Berufsberatung und Studienberatung in<br />
der gymnasialen Oberstufe und in berufsbildenden Schulen“ durch die Kultusministerkonferenz,<br />
die Bundesanstalt für Arbeit und die Hochschulrektorenkonferenz<br />
niederschlug (vgl. Kultusministerkonferenz et al. 1992). Die trilaterale<br />
Empfehlung ist noch heute die Grundlage für die Zusammenarbeit der<br />
Institutionen und zielte vor allem auf eine Koordination und Verknüpfung<br />
der Aktivitäten ab.<br />
Neue Akzente bekam die Arbeitslehre auch in Folge der Vereinigung<br />
Deutschlands im Oktober 1990. In den Nachwendejahren wurde zwar in<br />
den neuen Bundesländern rasch den westdeutschen Curricula gefolgt, doch<br />
die Suche nach Möglichkeiten zur Ausgestaltung schulischer Berufsorientierung<br />
in den neuen Bundesländern rückte auch die Divergenzen der Arbeitslehre<br />
wieder stärker ins Blickfeld. Auch wenn die Konzepte der Polytechnischen<br />
Oberschulen zur vorberuflichen Bildung des Bildungssystems<br />
der DDR und damit Erfahrungen u. a. in Bezug auf praktisches Lernen in<br />
Unternehmen und die Kooperation mit diesen im Rahmen von Patenschaften<br />
keine Berücksichtigung im Ganzen fanden, gelang in den Lehrplänen<br />
von Fächern mit Arbeitsweltbezug eine neue Akzentuierung. Parallel zur<br />
Vermittlung technischen Allgemeinwissens gewann das Lehren von ökonomischen<br />
Sachverhalten an Bedeutung (vgl. Beinke 1992, S. 7; vgl. von<br />
82
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 5 Wurzeln und Entwicklung<br />
Wensierski et al. 2005, S. 46 ff.). Wenngleich die Kultusministerkonferenz<br />
die Vorbereitung auf die Arbeitswelt 1993 als verbindliche Aufgabe aller<br />
Schulen deklarierte, so lag in der mangelnden Detailgenauigkeit, wie diese<br />
Vorbereitung zu erfolgen habe, ein ausschlaggebender Grund, dass die<br />
Bundesländer die Berufsorientierung entsprechend ihrer individuellen Vorstellungen<br />
sehr uneinheitlich gestalteten (vgl. Dedering 2002, S. 26; vgl. von<br />
Wensierski et al. 2005, S. 46 ff.). Auch heute noch erfolgt die Umsetzung<br />
der Berufsorientierung auf Bundeslandebene äußerst heterogen, wie die<br />
Ausführungen im Folgekapitel zeigen werden.<br />
83
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Bereits 1978 bemängelte Lange, dass schulische Hilfestellungen zur Berufswahl<br />
eher unzureichend sind (vgl. Lange 1978, S. 58 f.). Nach wie vor<br />
wird die pädagogische Unterstützung der Schule in Bezug auf die Berufsorientierung<br />
stark kritisiert, was nicht zuletzt auf den im Kapitel 2 geschilderten<br />
Problemen beruht. Kritikpunkte beziehen sich u. a. auf die mangelhafte<br />
fachliche Einbindung, die heterogene Organisation und die uneinheitliche<br />
didaktische Ausgestaltung der Berufsorientierung in den einzelnen<br />
Schulformen (vgl. von Wensierski et al. 2005, S. 50 f.). Mit dem Problemdruck<br />
sind außerschulische Ressourcen für die Berufsorientierung verstärkt<br />
ins Blickfeld gerückt und neue Konzepte und Instrumente entwickelt worden.<br />
Oechsle konstatiert dazu:<br />
„Noch nie gab es so vielfältige, zahlreiche und umfassende Angebote zur<br />
Berufsorientierung wie gegenwärtig – von Seiten der Berufsberatung und<br />
der Schule, aber auch der Wirtschaft und vieler anderer Institutionen bis<br />
hin zu vermehrten Angeboten privater Anbieter.“ (Oechsle 2005, S. 5 f.;<br />
vgl. Schober 2001, S. 9)<br />
Die Vielfalt der Berufsorientierung spiegelt sich in ihren Definitionen und<br />
theoretischen Erklärungsansätzen wie auch in ihrer Didaktik wider. Im vorliegenden<br />
Kapitel wird der Stand der Berufsorientierung aus didaktischer<br />
Perspektive beschrieben.<br />
6.1 Didaktische Konzepte:<br />
Lerntheoretisches Modell<br />
nach Paul Heimann<br />
Zur systematischen Analyse (und ebenso zur Planung) von Lehr- und<br />
Lernprozessen und damit auch der Berufsorientierung sind didaktische<br />
Theorien, Modelle und Konzepte dienlich. 30 Manstetten unterscheidet<br />
zwölf Modelle, die er drei Konzeptkategorien zuordnet (primär inhaltlich<br />
akzentuierte Konzepte, primäre methodisch orientierte Konzeptionen und<br />
integrative Konzepte; vgl. Manstetten 1983, S. 80 ff.). Kron differenziert<br />
zwischen 17 Modellen, die unter den fünf Leitbegriffen Bildung, Lernen,<br />
Interaktion, System und Konstruktion stehen (vgl. Kron 2004, S. 74 ff.).<br />
30 Zum Zusammenhang und zur Unterscheidung von Theorien, Modellen und Konzepten siehe<br />
Kron (vgl. Kron 2004, S. 59 ff.).<br />
85
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Unabhängig vom jeweiligen Fokus sind zwei Interessensschwerpunkte zu<br />
erkennen. Einerseits werden Strukturen (Strukturmodelle) und andererseits<br />
Verläufe (Planungs- und Verlaufsmodelle) pädagogischer Interventionen<br />
erfasst, deren Komplexität sich so auf eine überschaubare Anzahl von Faktoren<br />
oder Elementen reduzieren lässt (vgl. Kron 2004, S. 61). Unter der<br />
Vielzahl verschieden akzentuierter didaktischer Konzepte wird für die innerhalb<br />
dieses Kapitels vorgesehene Auseinandersetzung mit dem Stand<br />
der Berufsorientierung und ihrer Didaktik 31 aufgrund seiner hohen Strukturierungskraft<br />
das lerntheoretische Modell nach Heimann (vgl. Heimann<br />
1962, S. 407 ff.) herangezogen. Es ist das älteste der Strukturmodelle.<br />
Wenngleich jüngere Formen deutlich kleinteiliger sind, ist der Differenzierungsgrad<br />
als ausreichend zur Beleuchtung der hier wesentlichen Aspekte<br />
einzuschätzen. Heimann akzentuiert die Didaktik vom Begriff des Lernens<br />
her, d. h. alle „didaktischen Unterfangen dienen dem Zweck, Lernen zu initiieren“<br />
(Kron 2004, S. 97). Infolgedessen konzentriert sich das Modell,<br />
entgegen vielen anderen nicht nur auf den Unterricht als Ort des Lernens,<br />
sondern erkennt didaktische Prozesse auch an anderen Lernorten (vgl.<br />
Manstetten 1983, S. 87 ff.). Dies lässt es als prädestiniert für die Anwendung<br />
im Kontext der Berufsorientierung, die nicht nur im Unterricht und<br />
in der Schule verortet ist, erscheinen. Als allgemeindidaktisches Modell ist<br />
es fachdidaktisch unbestimmt und lässt sich auf alle pädagogischen Interventionen<br />
anwenden. Die Besonderheit des Modells liegt darin, dass es<br />
nicht nur auf das reine Geschehen direkt während des pädagogischen Handelns<br />
begrenzt ist, sondern auch Bedingungen und Einflussfaktoren auf<br />
dieses berücksichtigt. Zur Analyse und Planung didaktischer Prozesse hält<br />
es die Struktur- und Faktorenanalyse vor. Die Strukturanalyse (erste Reflexionsebene)<br />
ist auf die formal konstant bleibenden Elemente pädagogischer<br />
Interventionen ausgerichtet (Heimann 1962, S. 415). Dazu gehören Intentionen,<br />
Inhalte, Methoden und Medien als sogenannte Entscheidungsfelder. Unter<br />
Intentionen fasst Heimann pädagogische Zielstellungen zusammen, die er<br />
kategorisiert in eine kognitive Dimension (Wissensvermittlung und Aufbau<br />
begründeter Überzeugungen), in eine pragmatische Dimension (Entwicklung<br />
von Fähigkeiten, Fertigkeiten) und in eine emotionale Dimension<br />
(Aufbau von Gesinnungen und Haltungen; vgl. ebd., S. 417). Inhalte sind<br />
den Erkenntnisbereichen der Wissenschaften (z. B. Naturwissenschaften),<br />
den Techniken (Kulturtechniken wie Schreiben, Lesen und Rechnen sowie<br />
31 In der Literatur ist eine Vielfalt an Definitionen der Didaktik zu finden. Entsprechend Kron ist<br />
sie nach fünf Gegenstandsfeldern bestimmbar: als Wissenschaft vom Lehren und Lernen, als<br />
Theorie oder Wissenschaft vom Unterricht, als Theorie der Bildungsinhalte, als Theorie der<br />
Steuerung von Lernprozessen, als Anwendung psychologischer Lehr- und Lerntheorien (vgl.<br />
Kron 2004, S. 42).<br />
86
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
psychomotorische Inhalte, d. h. körperliche Fähigkeiten und Fertigkeiten)<br />
sowie den Pragmata (inhaltlich definierte Könnensbereiche wie beispielsweise<br />
die Durchführung einer technischen Montage, das Erstellen von Bewerbungsunterlagen,<br />
oder das Bestehen eines Vorstellungsgesprächs) zuzuordnen,<br />
die Heimann als strukturell vorgegebene Grundformen sieht (vgl.<br />
ebd., S. 418 f.). Die Methoden gliedert Heimann in fünf Kategorien: Artikulationsformen,<br />
Organisationsformen, Lehr-Lern-Weisen, methodische Modelle<br />
und didaktische Prinzipien (vgl. ebd., S. 420). Mittels dieser Verfahren<br />
sollen die Intentionen und Inhalte gelehrt werden. Als Medien bezeichnet er<br />
Mittel, die herangezogen werden, um sich über Intentionen, Themen und<br />
Methoden zu verständigen (vgl. ebd., S. 421). Dazu gehören beispielsweise<br />
Bücher, Bilder, Symbole, Formeln, Modelle, Werkzeuge, Filme, Internet,<br />
Flipchart, Whiteboard oder Notebook und Beamer.<br />
Jedem didaktischen Handeln liegen, unter Beachtung der Elemente zweier<br />
Bedingungsfelder, Entscheidungen in Hinblick auf die Intentionen, Inhalte,<br />
Methoden und Medien zugrunde. Die Bedingungsfelder umfassen zum einen<br />
anthropologische (in der Person begründete) Aspekte und zum anderen<br />
situative, soziale, kulturelle, gesellschaftliche (im sozialen Umfeld begründete)<br />
Faktoren, durch die das didaktische Handeln beeinflusst wird und durch die<br />
es variabel wird. Die Entscheidungsfelder werden also an den jeweiligen institutionellen<br />
Bedingungen vor Ort bzw. der Zielgruppe ausgerichtet. Die<br />
Gewichtung einzelner Komponenten obliegt der jeweiligen Lehrkraft32, worin Heimann didaktische Freiheit und pädagogische Verantwortung<br />
zugleich begründet sieht.<br />
Die geschilderten Interdependenzen sind wesentliches Charakteristikum<br />
des Modells. Die wechselseitige Abhängigkeit besteht dabei nicht nur zwischen<br />
Entscheidungs- und Bedingungsfeldern, sondern trifft auch innerhalb<br />
der Felder an sich zu. So werden Entscheidungen zur Gestaltung von<br />
Interventionen beispielsweise daran ausgerichtet, welche Absichten an welchen<br />
Inhalten unter Verwendung welcher Methoden und Medien verwirklicht<br />
werden können.<br />
Didaktisches Handeln ist nach Heimann in ein Situationsgefüge eingebettet,<br />
welches wiederum Einfluss auf die einzelnen Entscheidungs- und Bedingungsfelder<br />
nimmt. Hier setzt die Faktorenanalyse als zweite Reflexionsstufe<br />
an, bei der es gilt, „die wirkliche Motivation unserer didaktischen Entscheidungen<br />
und die Gründe für die tatsächliche Verlaufsform“ aufzudecken<br />
(ebd., S. 422). Sie ist demnach als „Aufsuchen der Bedingungen, die den<br />
32 Die Begriffe Lehrender, Ausbilder, Pädagoge, Akteur und ihre jeweils weibliche Form werden<br />
in diesem Kapitel synonym verwendet.<br />
87
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
faktischen Unterricht bestimmen“ (Kron 2004, S. 96) zu verstehen. Die<br />
Faktorenanalyse ist ein Instrumentarium zur Suche nach Gründen für die<br />
Planung oder den Ablauf bzw. für damit in Zusammenhang stehende didaktische<br />
Entscheidungen, d. h. für die Festlegung bestimmter Ziele, Themen,<br />
Methoden und Medien des Unterrichts. Die Basis der Faktorenanalyse<br />
bilden Normen, Fakten und didaktische Formen. Mit der Normenkritik soll geklärt<br />
werden, welche normenbildende (zielsetzende), meist ideologische<br />
Faktoren in pädagogisches Handeln eingeflossen sind, z. B. Schulgesetze<br />
oder Anordnungen. In der Faktenbeurteilung geht es um die Aufdeckung von<br />
objektiven Tatbeständen, die beispielsweise von Wissensformen und Wissenschaften<br />
repräsentiert werden. Der Begriff der Wissensformen bezieht<br />
sich u. a. auf Darstellungsvarianten der Geschichts-, Literatur- und Religionswissenschaften<br />
(z. B. Mythen, religiöse Überlieferungen), aber auch<br />
auf Formen wie Bilder oder Diagramme. Schließlich werden in der Formenanalyse<br />
methoden- und stilbildende Faktoren hinterfragt. Nach Heimann ist<br />
es wichtig zu erkennen, dass Methoden einem historischen Wandel unterliegen<br />
und dass sie sich stets in ihrer Zeit neu begründen. Auf Basis überlieferter<br />
Methoden geht es ihm des Weiteren um didaktische Phantasie, um<br />
kreative Weiterentwicklung von methodischen Ansätzen und um das Finden<br />
eines individuellen Lehrstils (vgl. Heimann 1962, S. 423 ff.; vgl. Tenberg<br />
2006, S. 49) 33. Übertragen auf das Feld der Berufsorientierung lässt<br />
sich das Strukturmodell Heimanns wie in Abbildung 1 dargestellt veranschaulichen.<br />
Obgleich sich die Komplexität der Berufsorientierung durch<br />
das Modell Heimanns, welcher vorrangig einzelne Unterrichtsvorhaben im<br />
Blick hatte, auf eine überschaubare Anzahl von Faktoren oder Elementen<br />
reduzieren lässt, erscheint die Möglichkeit einer vollständigen Darstellung<br />
aller Entscheidungs- und Bedingungsfaktoren, Normen, Fakten und Formen<br />
sowie ihrer Interdependenzen illusorisch. Heimann selbst hält zu Bildungsvorgängen<br />
im Allgemeinen und damit auch zur Berufsorientierung<br />
fest:<br />
33 Zum Verständnis des Modells vgl. auch Manstetten 1983, S. 89; vgl. von Martial 1996,<br />
S. 143 ff.; vgl. Kron 2004, S. 92 ff.; vgl. Kaiser, Pätzold 2006, S. 218 ff.; vgl. Schilling 2008,<br />
S. 19 f. Das lerntheoretische Modell weist Bezugspunkte zu den von Kremer und Sloane unterschiedenen<br />
Stufen der Mikro-, Meso- und Makroebene auf. Die Mikroebene konzentriert sich<br />
auf Ziele, Inhalte, Methoden und Medien, auf den Lernenden sowie Akteure, die die Gestaltung<br />
von Lernprozessen beeinflussen. Sie wird von der Mesoebene umgeben. Die Mesoebene bezieht<br />
sich auf die Ebene der Institutionen (z. B. Schule, Unternehmen). Auf dieser Ebene erfolgt die<br />
Vermittlung zwischen Mikro- und Makroebene. Es werden strategische Entscheidungen für ein<br />
bestimmtes Agieren getroffen und die Vernetzung mit anderen Institutionen gesteuert. Die<br />
Makroebene umfasst sowohl die Mikro- als auch die Mesoebene. Die Makroebene schließt das<br />
gesellschaftliche, das politische und das wirtschaftliche Umfeld ein, in dem Institutionen handeln.<br />
Ebenso wie Heimann in Bezug auf die einzelnen Strukturelemente konstatiert, sehen auch Kremer<br />
und Sloane zwischen den einzelnen Ebenen Interdependenzen (vgl. Kremer, Sloane 2001,<br />
S. 6 f.).<br />
88
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
„Diese Vorgänge theoretisch abzubilden ist deshalb so schwierig, weil jeder<br />
Einzelprozeß praktisch sein eigenes theoretisches Äquivalent besitzt,<br />
das keine völlige Entsprechung in irgendeinem didaktischen System hat,<br />
sondern im Augenblick der Ereignung solcher Lehr- und Lernprozesse<br />
erst gebildet werden muß und danach mit der Situation wieder zerfällt,<br />
weil es keinen absoluten, sondern nur einen situationsbezogenen Geltungswert<br />
besitzt, eine Gesetzmäßigkeit übrigens, die für didaktische Augenblickssituationen<br />
und umgreifende Zeitsituationen gleichermaßen<br />
gilt.“ (Heimann 1962, S. 412)<br />
Die in der Abbildung illustrierten Elemente geben einen Überblick über<br />
denkbare Gestaltungsoptionen der Berufsorientierung und einflussnehmende<br />
Komponenten. In den nachfolgenden Ausführungen gilt die Aufmerksamkeit<br />
insbesondere den ‚Konstanten’ also den Entscheidungsfeldern<br />
der Berufsorientierung, während die Bedingungsfelder aufgrund ihrer<br />
hohen Variabilität und damit erschwerten Fassbarkeit zurückstehen. Analog<br />
Heimann werden dabei die anthropologischen und soziokulturellen Bedingungen<br />
der Zielgruppe(n) und der Lehrenden von Berufsorientierung<br />
betrachtet. Jedoch werden diese, bezogen auf die Pädagoginnen und Pädagogen<br />
bzw. Akteure der Berufsorientierung, als interne und externe institutionelle<br />
Bedingungen bezeichnet (vgl. Schilling 2008, S. 27 f.). Hinsichtlich<br />
der beeinflussenden Faktoren wird das Hauptaugenmerk auf Darstellungen<br />
zu den normenbildenden Komponenten liegen. Diese fanden zwar im<br />
vorangegangen Kapitel schon Erwähnung, genügten dort aber nicht hinreichend<br />
aktueller Ausführung. Fakten und Formen wurden demgegenüber<br />
bereits intensiver beleuchtet.<br />
Formschaffend für die Berufsorientierung wird der Einfluss an Methoden,<br />
die ihren Ursprung z. B. in Ansätzen wie der Industrie-, Arbeits- und Produktionsschule<br />
haben, eingeschätzt (vgl. Kapitel 5.1). Wesentlich ist jedoch<br />
die Weiterentwicklung dieses Gedankengutes auf Basis des personenbezogenen<br />
Stils, der individuellen Kreativität sowie der persönlichen Haltungen.<br />
Hieraus ergeben sich Nuancen und spezifische Prägungen in enormem Facettenreichtum.<br />
Diese darzustellen, erscheint für diese Arbeit weder zielführend<br />
noch wird überhaupt die Möglichkeit gesehen, sie ansatzweise<br />
vollständig darstellen zu können. Dies auch deshalb, weil diese individuelle<br />
stilbildende Komponente immer auch Entfaltung in Übereinstimmung mit<br />
institutionellen und situativen Verhältnissen findet, welche wiederum stets<br />
singulär sind. Objektive Tatbestände, die Einfluss auf die Berufsorientierung<br />
nehmen, sind Fakten diverser wissenschaftlicher Fachgebiete, wie der<br />
Soziologie, der Psychologie, der Pädagogik der Wirtschafts- oder der<br />
Rechtswissenschaften. Beispielhaft angeführt werden sollen hier die bereits<br />
89
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Abbildung 1: Strukturmodell der Didaktik der Berufsorientierung nach dem Lerntheoretischen Modell von Heimann<br />
90
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
im Kapitel 4 dargelegten Berufswahltheorien oder die Ergebnisse von Studien<br />
wie dem „Programme for International Student Assessment“ (PISA)<br />
und der „Third International Mathematics and Science Study“ (TIMSS). So<br />
findet der differenzialpsychologische Ansatz beispielsweise in der Eignungsdiagnostik<br />
der Berufsberatung Anwendung (vgl. Ermert, Friedrich<br />
1990, S. 14). Auch die eingangs in Kapitel 1 beleuchteten gesellschaftlichen<br />
Entwicklungen, wie die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses, zählen zu<br />
den objektiven Faktoren. Um Dopplungen zu vermeiden, werden die Fakten<br />
und Formen daher innerhalb dieses Kapitels nicht berücksichtigt.<br />
6.2 Bedingungsfelder didaktischen<br />
Handelns<br />
Nach Heimann beginnt jede Analyse mit der Identifizierung der Bedingungs-<br />
und Entscheidungsfelder didaktischen Handelns (vgl. Heimann<br />
1962, S. 416). Dieser Maßgabe entsprechen die folgenden Kapitel. Aufgrund<br />
der in der Singularität und Augenblicksgebundenheit didaktischen<br />
Handelns liegenden Grenzen besitzen die nachfolgenden Ausführungen<br />
vor allem illustrierenden und exemplarischen Charakter. In seiner Fassung<br />
von Bedingungs- und Entscheidungsfeldern erlaubt das Modellschema<br />
primär statische Beschreibungen.<br />
6.2.1 Anthropologische und soziokulturelle<br />
Bedingungen der Zielgruppe(n)<br />
Um die anthropologischen Bedingungen der Zielgruppe(n) beschreiben zu<br />
können, ist zunächst eine Spezifizierung notwendig, an wen sich Berufsorientierung<br />
richten soll. Die in Kapitel 3 dargelegten Definitionen beschreiben<br />
Schülerinnen und Schüler als Zielgruppe (vgl. Brauer-Schröder et al.<br />
o. J., S. 5; vgl. Ermert, Friedrich 1990, S. 2). Wiederum wird definitorisch<br />
aber auch keine Konkretisierung der Zielgruppe vorgenommen, was im<br />
Verständnis von Berufsorientierung als ein Prozess, der die Entscheidung<br />
für einen ersten Schritt in der Bildungs-, Arbeits- und Berufsbiografie und<br />
die sich daran anschließende kontinuierliche Erweiterung und Vertiefung<br />
von Kompetenzen im Sinne eines lebensbegleitenden Lernens einschließt<br />
(vgl. Wissenschaftliche Begleitung 2008b, S. 1 f.) durchaus plausibel erscheint.<br />
91
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Schon allein in Hinblick auf die Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler<br />
lässt sich eine Vielzahl an Adressatinnen und Adressaten mit einem weiten<br />
Spektrum an anthropologischen und soziokulturellen Bedingungen subsumieren.<br />
Den Status der Schülerin/des Schülers erlangen Kinder in<br />
Deutschland durch in den Ländergesetzen verankerte Richtlinien, also<br />
durch Normen. Sie unterliegen der Vollzeitschulpflicht, die in der Regel<br />
zwischen fünf und sieben Jahren beginnt und bis zum Abschluss des<br />
9. oder 10. Schulbesuchsjahres dauert. Sie wird auf Ebene der Bundesländer<br />
unterschiedlich geregelt. Der Begriff des Schulbesuchsjahres ist nicht mit<br />
der Jahrgangsstufe gleichzusetzen. Für einen Schüler, der z. B. zweimal sitzen<br />
geblieben ist, endet die Vollzeitschulpflicht am Ende der siebten bzw.<br />
achten Klasse. Nach Erfüllen der Vollzeitschulpflicht schließt sich bis zur<br />
Vollendung des 18. Lebensjahres die Berufsschulpflicht an. Sie kann durch<br />
die Teilnahme an einer Berufsausbildung sowie Alternativen, die sich in den<br />
Bundesländern unterscheiden, erfüllt werden (vgl. Bennack 2004, S. 426 f.).<br />
Mit der allgemeinen Schulpflicht und dem Schulbesuch verbinden sich für<br />
Kinder und Jugendliche ähnliche institutionelle, sozialisationswirksame Erfahrungen<br />
(vgl. Tenorth et al. 2007, S. 627) sowie die Notwendigkeit von<br />
organisationskonformem Verhalten, wie z. B. das Erlernen bestimmter<br />
Rituale, regulierte Interaktionsformen oder die Akzeptanz der Lehrerrolle<br />
(vgl. Lohrenz 2004, S. 395). Andererseits ist die Rolle der Schülerin/des<br />
Schülers34 mit der Entwicklung einer Schülerkultur verbunden (u. a. Kleidung,<br />
Verweigerungsstrategien, Protestformen), die für sie ebenso bestimmend<br />
ist, wie die offizielle Ebene von Schule (vgl. ebd.). Schülerkulturen<br />
können sich von Schule zu Schule oder gar von Klasse zu Klasse unterscheiden<br />
und setzen damit auch differenzierte Bedingungen für die Berufsorientierung,<br />
z. B. in Hinblick auf vorherrschende Männlichkeits- und<br />
Weiblichkeitsbilder einer Klasse im Kontext des Berufswahlspektrums Jugendlicher.<br />
Gekoppelt an die Regelungen zur Schulpflicht ist eine breite Alterspanne<br />
der Zielgruppe. Verbunden mit der jeweiligen Altersstreuung ist ein höchst<br />
heterogener allgemeiner und arbeitsweltbezogener Wissensstand. Berufliche<br />
Vorinformationen und Vorerfahrungen, Interessen und Abneigungen liegen<br />
in differenzierter Form vor und werden u. a. durch die gelebte Schülerkultur,<br />
das Geschlecht, Medieneinflüsse oder Praxisphasen mitgeprägt. Die<br />
Motivation, sich mit beruflicher Orientierung auseinanderzusetzen, ist mehr<br />
oder weniger hoch, die berufliche Entschiedenheit in unterschiedlichem<br />
34 Vgl. hierzu die Ausführungen zu Lebens- und Berufsrollen im Kontext des entwicklungstheoretischen<br />
Ansatzes von Super in Kapitel 4.5.1.<br />
92
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Maße ausgeprägt. Individuell verschieden sind auch das Spektrum der<br />
Leistungsmöglichkeiten und das Lerntempo, was besonders bei Schülerinnen<br />
und Schülern verschiedener Schultypen deutlich wird. So ist bei<br />
Jugendlichen aus Förder- oder Hauptschulzügen mit anderen Grenzen bei<br />
der Umsetzung von Interventionen der Berufsorientierung zu rechnen als<br />
bei jenen aus Gymnasien.<br />
Die Schülerinnen und Schüler entstammen unterschiedlicher sozialer Herkunft<br />
und facettenreichen Lebenssituationen. Es liegen ungleiche wirtschaftliche<br />
Möglichkeiten und heterogene berufliche Kontexte und Status<br />
bei den Eltern vor. Deren jeweils spezifische Erfahrungen, ihr differenziertes<br />
Wissensspektrum, aber beispielsweise auch eine andersgeartete Freizeitgestaltung<br />
beeinflussen das Anregungspotenzial in der Familie. Zu beachten<br />
ist darüber hinaus, dass die Kinder und Jugendlichen über verschiedene<br />
ethnische Hintergründe verfügen. Daraus können sich uneinheitliche<br />
sprachliche Zugänge zu Interventionen der Berufsorientierung und differenzierte<br />
Kommunikationsweisen ergeben. Gleichzeitig kreuzen sich insbesondere<br />
bei Jungen mit deutscher Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund35<br />
oder nicht deutscher Staatsangehörigkeit ein geringerer schulischer<br />
Erfolg, stereotype Zuschreibungen und Diskriminierungserfahrungen<br />
(vgl. Budde 2008, S. 46 f.), die zu berücksichtigen sind. In Zusammenhang<br />
mit Berufsausbildungen wurde lange Zeit angenommen, dass die<br />
Einstellungen und Handlungsoptionen auf Seiten der Migrantenjugendlichen<br />
und ihrer Eltern zu Bildungs- und Berufswegen ihren Zugang bzw.<br />
ihre Teilhabe erschweren (vgl. Beicht, Granato 2009, S. 9). Neuere Studien<br />
zeigen, dass dem Migrationshintergrund im Vergleich zu anderen Variablen<br />
ein eher geringer Einfluss bei der Platzierung an der ersten Schwelle zukommt<br />
(vgl. Skrobanek 2009, S. 37). Wie Beicht und Granato herausarbeiteten,<br />
haben Jugendliche mit Migrationshintergrund nach Abschluss der allgemeinbildenden<br />
Schule, gleich welchen Schulabschluss sie erreichen, ein<br />
ebenso hohes Interesse an einer Berufsausbildung wie einheimische Jugendliche.<br />
Es mangelt ihnen nicht an konkreten Bildungszielen und -plänen<br />
(vgl. Beicht, Granato 2009, S. 12). Skrobanek verweist in diesem Zusammenhang<br />
darauf, dass sich Jugendliche mit Migrationshintergrund in ihren<br />
35 Der Begriff ‚Migranten’ umfasst eine äußerst heterogene Personengruppe: Dazu gehören<br />
einerseits Jugendliche, die als Spätaussiedler nach Deutschland zugezogen sind und zumeist über<br />
die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen. Andererseits gelten auch Menschen mit ausländischer<br />
Staatsangehörigkeit als Migranten. Nach diesem Verständnis verfügen rund 27% aller Jugendlichen<br />
(unter 25 Jahren) in Deutschland über einen Migrationshintergrund (vgl. Beicht, Granato<br />
2009, S. 8). Eine detaillierte Betrachtung von Unterschieden in der Definition von Migrationshintergrund<br />
mit dem Ziel zur Transparenz und differenzierten Verwendung des Begriffs beizutragen<br />
findet sich bei Settelmeyer und Erbe (vgl. Settelmeyer, Erbe 2010, S. 5).<br />
93
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Plänen auffallend Restriktionen anpassen und insofern nach Passfähigkeit<br />
bzw. Konsonanz Platzierungswünsche nach der Schule (z. B. Berufsausbildung<br />
oder Berufsvorbereitung) entsprechend ihren tatsächlichen Möglichkeiten<br />
suchen (vgl. Skrobanek 2009, S. 38). Sie wenden verschiedene Suchund<br />
Bewerbungsstrategien in gleicher Intensität wie einheimische Jugendliche<br />
an, d. h. sie handeln grundsätzlich genauso flexibel und engagiert in<br />
Bezug auf die Berufsorientierung. Große Unterschiede zeigen sich jedoch<br />
in den zur Verfügung stehenden Netzwerkressourcen (vgl. Beicht, Granato<br />
2009, S. 15). Unabhängig vom Schulabschluss kann Jugendlichen mit<br />
Migrationshintergrund wesentlich seltener von ihren Eltern, von anderen<br />
Familienangehörigen, Bekannten oder Freunden dabei geholfen werden,<br />
Unternehmenskontakte herzustellen. Häufig fehlen diesen Ansprechpartnerinnen<br />
und -partnern grundlegende Kenntnisse über die Funktionsweise<br />
des deutschen Bildungssystems und eigene Erfahrungen mit den Anforderungen<br />
des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes. Besonders der berufliche Status<br />
des Vaters wirkt sich aus: Geht dieser keiner qualifizierten Tätigkeit<br />
nach, sind die Einmündungschancen der Kinder in eine betriebliche Berufsausbildung<br />
niedriger (vgl. ebd., S. 23; vgl. Institut für Sozialarbeit und<br />
Sozialpädagogik e. V. 2009, S. 12). 36<br />
Auch das räumliche Umgebungsgeflecht der/des Einzelnen ist maßgeblich<br />
für die Umsetzung von Berufsorientierung. So ergeben sich allein aus der<br />
unterschiedlichen städtischen bzw. ländlichen Lage und der vorhandenen<br />
Infrastruktur (z. B. Verkehrsanbindung, Verfügbarkeit technischer Grunddienste<br />
der Kommunikation) andere Zugangsmöglichkeiten zu Angeboten<br />
der Berufsorientierung.<br />
Die beschriebene Auswahl an anthropologischen und soziokulturellen Voraussetzungen<br />
ist weiter zu fassen, wird von der hier getroffenen Einschränkung<br />
auf die Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler abgewichen. Von<br />
dieser Konkretisierung unabhängig ist zu betonen, dass die anthropologischen<br />
und soziokulturellen Bedingungen niemals starr, sondern vielmehr<br />
bei jedem pädagogischen Handeln neu zu prüfen sind und dieses darauf<br />
abzustimmen ist. Stark steuernd, im Sinne einer Spezifizierung der Zielgruppe(n),<br />
wirken insbesondere Normen (vgl. Kapitel 6.4). Einzelne Unterzielgruppen<br />
wie Mädchen und junge Frauen, Jugendliche aus Förder- oder<br />
Hauptschulzügen erfahren durch sie eine Heraushebung bzw. Zusammenschluss.<br />
36 Eine zusammenfassende Analyse zum Einfluss der sozialen Herkunft beim Übergang in die<br />
Berufsausbildung unter Berücksichtigung von Geschlecht und Migrationsstatus nehmen Beicht<br />
und Granato vor (vgl. Beicht, Granato 2010).<br />
94
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
6.2.2 Bedingungen der Akteure und<br />
Institutionen<br />
Die einseitige Betrachtung der anthropologischen und soziokulturellen<br />
Voraussetzungen der Zielgruppe(n) reicht nicht aus, um die vorliegenden<br />
Bedingungen für didaktisches Handeln im Feld der Berufsorientierung zu<br />
charakterisieren. Akteure sind zumeist nicht freischaffend, sondern bei<br />
einer Institution angestellt und in dieser tätig. Dieser Fakt sowie die personenbezogene<br />
Individualität jeder Pädagogin und jedes Pädagogen stellen<br />
wesentliche Einflussgrößen für didaktisches Planen und Handeln dar. Viele<br />
der bereits bei den Schülerinnen und Schülern benannten Aspekte sind<br />
auch in Bezug auf das pädagogische Personal wesentlich. Es verfügt über<br />
ein unterschiedliches Wissen zum Entwicklungsstand von Jugendlichen<br />
oder zur Berufsorientierung. Neben verschiedenen Ausbildungen über alle<br />
Fachrichtungen hinweg, liegen auch unterschiedliche persönliche Erfahrungen<br />
in Berufsfeldern und der Arbeitswelt vor. Während Lehrende an<br />
einer Schule mitunter nie Arbeitserfahrungen im außerschulischen Kontext<br />
gemacht haben, ist eine Ausbilderin oder ein Ausbilder tagtäglich mit der<br />
betrieblichen Praxis konfrontiert. Unterschiede bestehen auch in persönlichen<br />
Haltungen zur Berufsorientierung und in der Motivation, Schülerinnen<br />
und Schüler diesbezüglich zu unterstützen. Gleichsam konträr sind<br />
Vorlieben und Erfahrungen in Bezug auf spezielle Gruppen von Jugendlichen<br />
(z. B. Mädchen mit Migrationshintergrund, Förderschüler mit Lernbehinderung)<br />
oder die Anwendung bestimmter Methoden, den Einsatz bestimmter<br />
Medien bzw. die generelle Lehrfähigkeit einer Lehrkraft.<br />
Neben diesen individuellen Voraussetzungen sind auch die institutionell<br />
vorgegebenen Strukturen und Rahmenbedingungen bestimmend für Entscheidungen<br />
über die Gestaltung der Berufsorientierung. Institutionen<br />
arbeiten im Kontext unterschiedlicher Leitbilder. Diese bilden den Identifikationsrahmen<br />
für ihre Mitglieder und konzentrieren sich zum einen auf<br />
die strukturelle Ebene einer Einrichtung, d. h. sie beschreiben Zielgruppen,<br />
Ziele, Führungsstil, Kommunikations- und Kooperationsprozesse und treffen<br />
Aussagen zu wirtschaftlichen Funktionen. Zum anderen werden Institutionen<br />
durch inhaltliche Leitauffassungen geprägt, die sich u. a. auf spezifische<br />
Aufgaben und das zugrunde liegende theoretische Fundament konzentrieren.<br />
So unterscheiden sich die Leitsätze eines Jugendhilfeträgers der<br />
Freien Wohlfahrtspflege von denen einer Kammer. Sie legen verschiedene<br />
institutionelle Arbeitsweisen fest, die auch Konsequenzen für das Engagement<br />
für und die Gestaltung von berufsorientierenden Interventionen nach<br />
95
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
sich ziehen. Bezogen auf die genannten Beispiele heißt dies: Während die<br />
Didaktik eines Trägers der Jugendhilfe eher handlungs- und erlebnisorientiert,<br />
gruppenbezogen und projektorientiert ausgerichtet sein wird und individuelle<br />
Beratung und Begleitung zur sozialen und beruflichen Integration<br />
im Mittelpunkt stehen (vgl. von Wensierski et al. 2005, S. 26 f.), wird<br />
der Fokus einer Kammer weniger subjekt- als vielmehr unternehmensbezogen<br />
und marktorientiert ausgerichtet sein. Zentral ist die Fachkräftegewinnung<br />
für die kammerzugehörigen Unternehmen. Zudem erfolgt die Berufsorientierung<br />
vermutlich stärker branchen- und berufsfeldspezifisch und<br />
ausgerichtet an realen Ausbildungsinhalten von Berufsbildern.<br />
Institutionelle Differenzen bestehen auch hinsichtlich der zur Verfügung<br />
stehenden räumlichen Kapazitäten. Neben Größe und Anzahl ist auch die<br />
jeweilige Ausstattung z. B. mit Computertechnik, mit Laborarbeitsplätzen<br />
oder Maschinen ausschlaggebend für die Gestaltung von Interventionen<br />
der Berufsorientierung. Ebenso sind finanzielle Ressourcen maßgeblich, die<br />
Auswirkungen zur Anschaffung bzw. den Einsatz von Materialien, Räumen<br />
oder Personal haben. Prägend sind darüber hinaus Bedingungen wie die<br />
Lage einer Institution und ihr Einzugsgebiet sowie ihre Verkehrsanbindung.<br />
Institutionen in der Nähe von Schulen oder in Ballungsräumen werden<br />
in Abhängigkeit ihres Images und ihrer Öffentlichkeitsarbeit größeren<br />
Zuspruch erfahren, als weniger zentrale vergleichbare Einrichtungen.<br />
Einen gewichtigen Aspekt des institutionellen Bedingungsfeldes stellen die<br />
jeweiligen strukturellen Voraussetzungen (z. B. wirtschaftliche Entwicklung,<br />
Situation auf dem regionalen Ausbildungsmarkt) sowie die Kooperation<br />
einer Einrichtung mit Dritten dar. Die Nutzung von Synergieeffekten<br />
kann nicht nur zu einer höheren ökonomischen Effizienz, sondern auch zu<br />
abgestimmten Beiträgen von mehreren Institutionen sowie zu einer höheren<br />
Qualität von Interventionen, z. B. durch die Verknüpfung unterschiedlicher<br />
Lernumgebungen, führen. Jedoch ist die koordinierte Zusammenarbeit<br />
stark abhängig von den jeweiligen institutionellen Interessenlagen. Das<br />
Engagement einer Einrichtung kann auch stark zentralistisch und mit dem<br />
Anspruch der Alleinstellung geprägt sein. Ebenso können interinstitutionelle<br />
Konkurrenzen eine Kooperation erschweren.<br />
Wie die Zielgruppe(n) unterliegen auch die Akteure in ihrem institutionellen<br />
Rahmen normbildenden Faktoren. Gleichzeitig sind aber auch Fakten<br />
und Formen maßgeblich. Sie finden sich in den institutionellen Leitbildern<br />
wieder.<br />
96
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
6.3 Entscheidungsfelder didaktischen<br />
Handelns<br />
Nach der Analyse der anthropologischen und soziokulturellen Bedingungen<br />
der Zielgruppe(n) der Berufsorientierung sowie der Bedingungen<br />
der Akteure und Institutionen folgt nun eine Beschreibung der von diesen<br />
Komponenten abhängigen Entscheidungsfelder. Zunächst werden die Intentionen<br />
und Inhalte sowie darauffolgend die Methoden und Medien beschrieben,<br />
wobei die vorgenommene Reihung der Elementarstrukturen<br />
keine Abhängigkeitsfolge darstellt. Vielmehr ist wiederholt die wechselseitige<br />
Abhängigkeit aller Strukturmomente zu betonen.<br />
6.3.1 Intentionen<br />
Entsprechend des Modells Heimanns beziehen sich Intentionen auf pädagogische<br />
Absichten und Lernziele. Dabei stehen nicht singuläre, mit einzelnen<br />
Unterrichtseinheiten verfolgte, sondern generelle Intentionen im Mittelpunkt.<br />
Die Analyse von Beschreibungen verschiedener Autorinnen und<br />
Autoren, wie z. B. von Decker und Kreuchauf (vgl. Decker, Kreuchauf<br />
1982, S. 8 f.), Beinke und Wascher (vgl. Beinke, Wascher 1993, S. 122),<br />
Klippert (vgl. Klippert 1987, S. 52), Lemmermöhle-Thüsing et al. (vgl.<br />
Lemmermöhle-Thüsing et al. 1994, S. 14 f.) oder von Hammer et al. (vgl.<br />
Hammer et al. 2009, S. 14 f.) offenbart einen breit gefächerten Katalog an<br />
Zielstellungen. In Reflexion der theoretischen Erklärungsansätze zur Berufsorientierung<br />
lässt sich feststellen, dass sich ein Großteil der bei den genannten<br />
Verfasserinnen und Verfassern aufgeführten Intentionen auch innerhalb<br />
des Ansatzes von Super wiederfindet. Die Laufbahnentwicklungstheorie<br />
mit den integrierten Entwicklungsaufgaben gibt, wie bereits in den<br />
Kapiteln 4.5.1 und 4.5.2 ausgeführt wurde, wesentliche Impulse zur Formulierung<br />
und Konkretisierung von Intentionen der Berufsorientierung<br />
und soll daher an dieser Stelle erneut Betrachtung finden. Deutlich wird<br />
hierbei der erwähnte Einfluss der Wissenschaften, also objektiver Tatbestände.<br />
Die Berufswahlreife kann im Sinne der Theorie Supers als anzustrebendes<br />
Richtziel der Berufsorientierung definiert werden (vgl. Seifert<br />
1987, S. 189 f.). Berufswahlreife ist ein multidimensionales Konstrukt, d. h.<br />
sie besteht aus mehreren Komponenten mit kognitiver (z. B. Wissen über<br />
Beruf und die Arbeitswelt), pragmatischer (z. B. Anfertigen von Bewerbungsunterlagen)<br />
und emotionaler Dimension (z. B. Bewusstsein der Notwendigkeit<br />
sich aktiv und selbstverantwortlich mit der Berufsorientierung<br />
97
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
auseinanderzusetzen). Unter psychologisch-empirischem Blickwinkel beschreibt<br />
der Begriff der Berufswahlreife das, was ist. Aus pädagogischnormativer<br />
Perspektive hingegen das, was sein soll (vgl. Bußhoff 1989,<br />
S. 65). Die der Berufswahlreife zugrunde liegenden, in Tabelle 1 dargelegten<br />
Zieldimensionen und ihre Indikatoren geben einen gut strukturierten<br />
Einblick in die Palette an möglichen Grob- und Feinzielen berufsorientierender<br />
Interventionen. Basis bilden dabei die von Super definierten Entwicklungsbereiche,<br />
welche durch Seifert um weitere Komponenten ergänzt<br />
wurden. Festsetzung erfahren die Intentionen in Abhängigkeit von den Bedingungsfeldern<br />
sowie vor allem auch durch Normen. So wird der Ausbau<br />
beruflicher Informationen über z. B. Logistikberufe bei Jugendlichen ohne<br />
Vorwissen im Berufsfeld eine größere Rolle spielen, als bei Jugendlichen,<br />
die bereits über Vorkenntnisse verfügen. Die Intention wird eine noch<br />
höhere Gewichtung bekommen, sofern die vorliegenden institutionellen<br />
Rahmenbedingungen mit ihr konform gehen, d. h. das entsprechende<br />
Know-how zur Zielerreichung zur Verfügung steht und die Zielstellung mit<br />
den institutionenspezifischen Anliegen (z. B. Nachwuchsgewinnung) übereinstimmen.<br />
Ein Unternehmen der Logistikbranche bringt hier vermutlich<br />
andere Ressourcen ein, als ein Träger der Jugendhilfe.<br />
Tabelle 1: Grob- und Feinziele der Berufsorientierung nach dem Berufswahlreifekonzept<br />
Berufswahleinstellungen<br />
98<br />
Zieldimensionen/Grobziele<br />
Entwicklung<br />
von Berufswahlengagement<br />
Entwicklung<br />
beruflicher<br />
Planungsbereitschaft<br />
und von Planungsaktivität<br />
Auswahl an Zielindikatoren/Feinziele<br />
Entwicklung der:<br />
� Bereitschaft, sich eingehend mit Fragen der Berufs- oder<br />
Studienwahl sowie mit Aspekten der eigenen beruflichen<br />
Zukunft auseinanderzusetzen und dabei auch berufliche Alternativen<br />
in Erwägung zu ziehen<br />
Entwicklung der:<br />
� Selbstachtung und Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung<br />
für die eigene Person<br />
� Bereitschaft, sich durch konkrete Überlegungen, Pläne, Handlungen<br />
(z. B. durch Gespräche mit Auszubildenden, Studierenden<br />
oder Berufstätigen) auf die eigene Ausbildungsentscheidung<br />
und den Eintritt ins Berufsleben vorzubereiten<br />
� Bereitschaft, sich zumindest über einen präferierten Beruf (z. B.<br />
die Tätigkeiten, die Anforderungen, die Arbeitsbedingungen)<br />
eingehender zu informieren und ein befriedigendes Informationsniveau<br />
aufzubauen
Berufliches Selbstkonzept<br />
Berufliche Informiertheit<br />
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Entwicklung<br />
beruflicher<br />
Explorationsbereitschaft<br />
Entwicklung<br />
von beruflicherSicherheit<br />
und Entschiedenheit<br />
Ausbau<br />
beruflicher<br />
Informiertheit<br />
Entwicklung von:<br />
� Bereitschaft zur umfassenden Inanspruchnahme und Nutzung<br />
beruflicher Informationsquellen/Orientierungs- und Entscheidungshilfen,<br />
z. B. von schriftlichen und audiovisuellen Informationsmitteln,<br />
von Gesprächen mit Eltern, Lehrern und Beratern<br />
und von den Möglichkeiten zur konkreten Erkundung der<br />
Arbeitswelt (etwa durch Teilnahme an Betriebspraktika)<br />
Auseinandersetzung mit:<br />
� den gewonnenen Erfahrungen und Verwertung für die eigene<br />
Entscheidung, d. h. Herausbildung von Einstellungen zu<br />
Informationsmitteln und Bewertung<br />
Entwicklung von:<br />
� Klarheit über die eigenen Fähigkeiten, Interessen und die berufliche<br />
Wertorientierung<br />
� Sicherheit, einen Überblick zur eigenen Person und über<br />
passende Berufsmöglichkeiten zu besitzen<br />
� Klarheit und Entschiedenheit hinsichtlich der bevorzugten beruflichen<br />
Alternativen ohne vorschnelle Entscheidungen zu<br />
fällen<br />
� Sicherheit und Vertrauen, eine subjektiv und objektiv befriedigende<br />
Berufsentscheidung treffen zu können, d. h. Berufswünsche<br />
können mit subjektiven und objektiven Begründungen<br />
belegt werden<br />
� Unabhängigkeit von Einflussnahmen von Bezugspersonen<br />
� Bereitschaft, Lebensgewohnheiten hinter beruflichen Zielen<br />
zurückzustellen<br />
Erwerb von Kenntnissen hinsichtlich des Berufs- und Arbeitslebens,<br />
d. h. über<br />
� Phasen der Beruflaufbahn und der damit verbundenen beruflich-sozialen<br />
Anforderungen und Entwicklungsaufgaben<br />
� Bedeutung einer Berufsentscheidung für die weitere berufliche<br />
Entwicklung, z. B. für die Berufszufriedenheit<br />
� Struktur der Berufswelt, wirtschaftliche Veränderungen und<br />
Entwicklungstrends, typische Berufe in den verschiedenen Berufsfeldern<br />
� Wege und Mittel des Berufseintritts<br />
Erwerb von Kenntnissen über bevorzugte Berufe, d. h.:<br />
� Vorbildung und Ausbildung, Eintrittsvoraussetzungen,<br />
Verbleibs- und Aufstiegschancen<br />
� Aufgaben, Verfahren, Materialien, Werkzeuge<br />
� Arbeitsbedingungen und Entlohnung<br />
� mit dem Beruf verbundener Lebensstil, Zukunftsaussichten<br />
Erwerb von Kenntnissen hinsichtlich des Zusammenhangs von<br />
Berufsrolle und anderen Lebensrollen:<br />
� subjektive Bedeutsamkeit des Berufes<br />
� ergänzende, kompensatorische und konfliktäre Beziehungen<br />
zwischen Berufsrolle und anderen Lebensrollen<br />
� Vielfalt der Ausdrucksformen und Rollen für die Selbstverwirklichung<br />
99
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Berufswahlbezogene Wertorientierung<br />
Realitätsorientierung<br />
100<br />
Entwicklung<br />
von<br />
Entscheidungskompetenz <br />
Berufsspezifische<br />
und<br />
persönlichkeitsgemäße<br />
Orientierung<br />
Entwicklung<br />
von Eigenaktivität<br />
und<br />
Selbständigkeit<br />
Wertschätzung<br />
von Arbeit und<br />
Beruf<br />
Realitätsorientierung<br />
und<br />
Konsistenz der<br />
Präferenzen<br />
� Erkennen beruflicher Entscheidungskriterien und Entscheidungsstrategien<br />
� Entwicklung der Fähigkeit zur Anwendung des Entscheidungswissens<br />
in konkreten beruflichen Problemsituationen<br />
� Ausbildung der Bereitschaft zur eingehenden und kritischen<br />
Überprüfung von Entscheidungsalternativen, insbesondere unter<br />
dem Gesichtspunkt, welche Alternative längerfristig der Persönlichkeit<br />
besser entspricht (zu größerer Zufriedenheit und<br />
besserer Realisierung der eigenen Erwartungen und Werte<br />
führt)<br />
� Entwicklung von Flexibilität und Kompromissbereitschaft bei<br />
der Entscheidung<br />
Entwicklung der:<br />
� Fähigkeit und der Bereitschaft, bei der Berufswahl auf die Übereinstimmung<br />
von Wunschberuf und eigenen Fähigkeiten, Interessen<br />
und Werten zu achten, statt einer vorrangigen Orientierung<br />
an äußeren oder Zufallskriterien, z. B. Verfügbarkeit einer<br />
Ausbildungsstelle: Tendenz zur Selbstkonzept-Berufskonzept-<br />
Kongruenz<br />
� Motivation und Kompetenz geschlechtliche Arbeitsteilung und<br />
die sie legitimierenden Ideologien und Geschlechtsstereotypen<br />
im Hinblick auf einengende Handlungsbedingungen zu überprüfen<br />
� Bereitschaft zur Akzeptanz von (vorübergehenden) Nachteilen<br />
zugunsten einer längerfristigen Realisierung der eigenen beruflichen<br />
Wert- und Zielvorstellungen<br />
Entwicklung der:<br />
� Bereitschaft, die Berufsorientierung selbständig, aktiv und<br />
selbstverantwortlich anzugehen und sich nicht (ausschließlich)<br />
auf die Ratschläge und Aktivitäten von Bezugspersonen, insbesondere<br />
der Eltern, zu verlassen<br />
� Bereitschaft, am Wunschberuf auch dann festzuhalten, wenn<br />
Widerstände, z. B. von Seiten der Eltern, auftauchen<br />
Entwicklung der:<br />
� Bereitschaft, berufliche Arbeit als einen wesentlichen Lebenswert<br />
anzuerkennen<br />
� Bereitschaft, die Freizeitinteressen und das Privatleben<br />
(vorübergehend) zugunsten der Realisierung längerfristiger<br />
beruflicher Ziele zurückzustellen<br />
� Ausbildung von Realitätsangemessenheit der Selbsteinschätzung<br />
sowie Adäquatheit der Einschätzung der allgemeinen und<br />
speziellen beruflichen Möglichkeiten und Chancen bzw. Risiken<br />
� Tendenz zur zunehmenden Einengung beruflicher Präferenzen<br />
und damit Überwindung eines planlosen Suchens nach infrage<br />
kommenden Möglichkeiten zugunsten einer mehr oder weniger<br />
konsistenten und zugleich stabilen Orientierung<br />
Quellen: Eigene Darstellung; vgl. Seifert 1987, S. 189 f.; vgl. Bußhoff 1989
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
6.3.2 Inhalte<br />
Die genannten Zielsetzungen der Berufsorientierung ziehen Konsequenzen<br />
für die Inhalte von Orientierungsangeboten nach sich. In Wechselwirkung<br />
mit den Elementen der Bedingungsfelder sowie insbesondere beeinflusst<br />
durch Normen und Fakten ergeben sich eine Reihe inhaltlicher Gestaltungsmöglichkeiten<br />
von Interventionen. So wird die Orientierungsmaßnahme<br />
einer Hochschule mit dem Ziel Gymnasiastinnen und Gymnasiasten<br />
über ihre Studiengänge zu informieren andere inhaltliche Schwerpunkte<br />
aufweisen als das Berufsorientierungsangebot eines Jugendhilfeträgers<br />
zur Entwicklung beruflicher Explorationsbereitschaft von Hauptschülerinnen<br />
und Hauptschülern. Konkretisieren lassen sich drei inhaltliche<br />
Schwerpunktsetzungen, welche die oben dargelegten Intentionen aufnehmen.<br />
Dazu gehören:<br />
Berufsbezogene Inhaltsaspekte, wie<br />
� Informationen über Ausbildungsformen, u. a. zu dualen und schulischen<br />
Berufsausbildungen sowie dem Studium an Berufsakademien,<br />
Hochschulen,<br />
� Fakten über Berufe und Berufsfelder, z. B. typische Arbeitstätigkeiten<br />
und -abläufe, Arbeitsanforderungen, Arbeitsbedingungen, Bildungsund<br />
Qualifikationsvoraussetzungen, Arbeitsplatzsicherheit, Entlohnung,<br />
Zukunftsperspektiven von Berufen und Branchen,<br />
� Informationen über denkbare Bildungs- und Berufslaufbahnen, z. B.<br />
Weiterbildungsoptionen, Aufstiegschancen, Karrierewege.<br />
Arbeitsweltbezogene Inhaltsaspekte, wie Informationen<br />
� zur Bedeutung von Beruf und Arbeit sowie von Arbeitslosigkeit,<br />
� zum Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft<br />
sowie zu Anforderungen an soziale und räumliche Mobilität,<br />
� zur Situation des regionalen Arbeitsmarktes und zu seiner Geschlechterspezifik,<br />
� zum Funktionsgefüge eines Unternehmens, zu Strukturen und<br />
sozialen Rollen der Arbeitswelt, z. B. Teamstrukturen, institutionelle<br />
Hierarchien, berufsspezifische Habitus,<br />
101
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
� zu Erwartungen in der Arbeitswelt, wie etwa Zuverlässigkeit, Disziplin,<br />
Leistungsbereitschaft, Pünktlichkeit,<br />
� zu Rechtsgrundlagen (z. B. Ausbildungsvertrag, Jugendarbeitsschutzgesetz,<br />
Arbeitsrecht) und zum System der sozialen Sicherung,<br />
� über den Ablauf von Bewerbungs- und Einstellungsverfahren,<br />
� über finanzielle Fördermöglichkeiten einer Ausbildung.<br />
Persönlichkeitsbezogene berufsbiografische Inhaltsaspekte, wie<br />
� bestehende Berufswünsche und Berufsvorstellungen und Anknüpfung<br />
an die berufs- und arbeitsweltbezogenen Inhaltsaspekte, Auseinandersetzung<br />
über realistische Chancen und berufliche Alternativen,<br />
� eine reflektierte Selbsteinschätzung u. a. von eigenen Einstellungen<br />
und beruflichen Wertorientierungen, von Interessen, Stärken und<br />
Schwächen, des eigenen Lern- und Leistungsverhaltens,<br />
� Einflussfaktoren auf die Berufsorientierung und Entscheidungskriterien<br />
für die Berufswahl,<br />
� die Notwendigkeit der Selbststeuerung des Lernens und der Verantwortungsübernahme<br />
für die eigene Bildungs-, Arbeits- und Berufsbiografie,<br />
� der Entwurf des eigenen Zukunftskonzeptes und die Erarbeitung von<br />
Realisierungsstrategien für die Umsetzung beruflicher Zukunftsvorstellungen,<br />
� die Entwicklung von Selbstvermarktungsstrategien.<br />
In Bezug auf die angeführten Beispiele liegt eine Fokussierung auf berufs-<br />
und arbeitsweltbezogene Inhalte zum Ausbau der beruflichen Informiertheit<br />
sowie eine Schwerpunktsetzung auf Handlungs- und Entscheidungsaspekte<br />
zur Entwicklung beruflicher Explorationsbereitschaft nahe. Die genannten<br />
inhaltlichen Kategorien spiegeln die drei von Heimann definierten<br />
Grundformen wider. Impulse aus den Inhalts- und Erkenntnisbereichen<br />
der Wissenschaften fließen beispielsweise aus den Arbeits- oder Rechtswissenschaften<br />
ein. Hinsichtlich den Techniken sind u. a. die Beherrschung<br />
von Lesetechniken zur Erschließung von Texten wie Stellenanzeigen oder<br />
Unternehmensportraits, von Rechentechniken zur Berechnung des Brutto-<br />
Netto-Lohnes oder der Sozialabgaben sowie das Anwenden von sprachlichen<br />
Mitteln z. B. zum Schreiben von Bewerbungsunterlagen erforderlich.<br />
102
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Zu den inhaltlich definierten Könnensbereichen, den Pragmata zählen das<br />
Erstellen von Bewerbungsunterlagen oder die zielgerichtete Informationsgewinnung,<br />
d. h. das Anwenden von Suchstrategien beispielsweise in Bezug<br />
auf Ausbildungsplatzangebote. Die hier knapp gehaltenen inhaltlichen<br />
Aspekte werden nachfolgend unter dem Blickwinkel der Methoden erneut<br />
aufgegriffen und erfahren eine weiterführende Untersetzung.<br />
6.3.3 Methoden<br />
Zur Realisierung der Zielstellungen und Vermittlung der Inhalte der<br />
Berufsorientierung sind zahlreiche Methoden denkbar. Von Wensierski et<br />
al. betonen in diesem Zusammenhang, dass Berufsorientierung „heute in<br />
sehr verschiedenen methodischen Settings erfolgt“ (von Wensierski et al.<br />
2005, S. 59 ff.). Hervorhebung und häufige Anwendung erfahren Betriebserkundungen,<br />
Betriebspraktika und die Berufsberatung. Das methodische<br />
Spektrum ist jedoch weitaus größer, wie nachfolgend dargestellt wird.<br />
Knauf und Oechsle unterscheiden drei Grundtypen von Orientierungsmaßnahmen:<br />
informierende Angebote, Beratungsangebote und praxisbezogene<br />
Angebote (vgl. Knauf, Oechsle 2007, S. 156). Während informierende<br />
Interventionen (z. B. Berufsinformationsbörsen, Schnuppertage) Einblicke<br />
in Ausbildungen und die Sammlung erster Eindrücke von verschiedenen<br />
Tätigkeitsfeldern ermöglichen, dienen beratende Angebote (z. B. Seminare,<br />
Berufsberatung) der Erkundung der eigenen Person, d. h. der Analyse<br />
eigener Interessen und Fähigkeiten. Praxisbezogene Maßnahmen (z. B.<br />
Praktika, Schülerfirmen) gestatten eine tiefergehende Exploration von Berufen,<br />
Arbeitsfeldern und Einrichtungen (vgl. ebd.). Treffender erscheint<br />
daher die Formulierung ‚an praktischen Erfahrungen ausgerichtete Angebote’.<br />
Eine solche Unterteilung wirkt unterstützend bei der Strukturierung<br />
methodischer Ansätze. Sie hat allerdings insofern Grenzen, dass Orientierungsmaßnahmen<br />
in ihrer Umsetzung oft durch einen Methodenmix gekennzeichnet<br />
sind. So können beispielsweise Schnuppertage an Hochschulen<br />
informierende und beratende Elemente enthalten. Entgegen Knauf und<br />
Oechsle wird deshalb bei der nachfolgenden Darstellung keine Typisierung<br />
vorgenommen. Ebenso findet auch die Kategorisierung Heimanns nach<br />
Artikulationsformen, Organisationsformen, Lehr-Lern-Weisen, methodischen<br />
Modellen, didaktischen Prinzipien keine Beachtung. Vielmehr wird<br />
eine Auswahl an Methoden herausgegriffen und mit Bezügen zu diesen<br />
Kategorisierungselementen sowie zu Inhalts- und Zeitaspekten erläutert.<br />
Die Methoden unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Reichweite und Komplexität.<br />
Es ist wiederum zu betonen, dass die letztendliche Entscheidung<br />
103
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
für eine bestimmte methodische Variante von der Präzisierung der Intentionen<br />
und Inhalte abhängig ist und unter Berücksichtigung zielgruppenbezogener<br />
und institutioneller Bedingungen zu erfolgen hat. Hinterfragt werden<br />
muss in diesem Zusammenhang z. B., inwiefern die Methode geeignet<br />
ist, ein gesetztes Lernziel zu erreichen; ob die Methode bereits von der<br />
Zielgruppe beherrscht oder erst erlernt werden muss oder welche organisatorischen<br />
Rahmenbedingungen (Räume, Materialausstattung) gegeben sind.<br />
Darüber hinaus spielen normbildende und formgebende Faktoren eine<br />
große Rolle, wie an einigen der Beispiele zu sehen sein wird. Einen Eindruck<br />
zu konkreten Realisierungsvarianten vermitteln die Publikationen<br />
von Lippegaus-Grünau et al. (vgl. Lippegaus-Grünau et al. 2010a; vgl. Lippegaus-Grünau<br />
et al. 2010b).<br />
6.3.3.1 Berufs- und Studienberatung<br />
Die im Kontext der Berufsorientierung präsentesten Beratungen sind die<br />
Berufs- und die Studienberatung. An ihnen wird der Einfluss normbildender<br />
Faktoren gut deutlich, denn die Ziele und Inhalte der Berufsberatung<br />
sind weitgehend durch §30 des dritten Sozialgesetzbuches, die der Studienberatung<br />
in den Landeshochschulgesetzen definiert (vgl. Kapitel 6.4.1).<br />
Entsprechend der gesetzlichen Grundlage verfügt jede Hochschule über<br />
eine Studienberatungsstelle, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über<br />
Studiengänge, Studienabläufe, Zugangsvoraussetzungen und Bewerbungsverfahren<br />
sowie weitere Fragen zum Studium informieren und beraten.<br />
Darüber hinaus bieten Angehörige einzelner Fakultäten studienfachbezogene<br />
Beratungen an. Aufgrund der Kultur- und Wissenschaftshoheit der<br />
einzelnen Bundesländer gibt es keine einheitliche Gesetzgebung für die<br />
Studienberatung. Ihre Umsetzung unterscheidet sich von Bundesland zu<br />
Bundesland. Bei Hochschulstandorten mit mehr als 10.000 Studierenden<br />
unterbreitet die Bundesagentur für Arbeit mit den sogenannten Hochschulteams<br />
ebenfalls Angebote zur Studienberatung.<br />
Berufliche Beratung hat das Ziel Jugendliche zu unterstützen, eine<br />
„selbständige und eigenverantwortliche Berufswahl- und Karriereentscheidungen<br />
zu treffen, die auch die Gegebenheiten des jeweiligen Arbeits-<br />
und Ausbildungsstellenmarkts“ (Bundesanstalt für Arbeit 2002,<br />
S. 1) sowie „die Neigungen, Interessen, Fähigkeiten und Leistungen der<br />
Jugendlichen“ berücksichtigt (Bundesagentur für Arbeit 2007, S. 5; vgl.<br />
Sozialgesetzbuch: Drittes Buch (III) 2009, §31, Abs. 1).<br />
104
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Sie umfasst<br />
„die Erteilung von Auskunft und Rat 1. zur Berufswahl, beruflichen<br />
Entwicklung und zum Berufswechsel, 2. zur Lage und Entwicklung des<br />
Arbeitsmarktes und der Berufe, 3. zu den Möglichkeiten der beruflichen<br />
Bildung, 4. zur Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche, 5. zu Leistungen der<br />
Arbeitsförderung.“ 37 (Sozialgesetzbuch: Drittes Buch (III) 2009, §30)<br />
Mittels der Berufsberatung wird versucht<br />
„die aktuelle Lage, und Befindlichkeit des Ratsuchenden zu erfassen und<br />
zu verstehen, und dann darauf aufbauend Impulse zu setzten [!], die beim<br />
Ratsuchenden gedankliche Entwicklungen, Veränderungen in seiner<br />
Sichtweise einer Situation oder bei den von ihm wahrgenommenen<br />
Handlungsmöglichkeiten in Gang setzen.“ (Bundesanstalt für Arbeit<br />
2002, S. 1)<br />
Teilweise ist die Erstellung ärztlicher oder psychologischer Gutachten in<br />
der beruflichen Beratung eingeschlossen. Diese Aufgabe wird vom Ärztlichen<br />
oder Psychologischen Dienst der Bundesagentur für Arbeit übernommen.<br />
In der Vergangenheit hatte die Bundesagentur für Arbeit ein Monopol für<br />
die Berufsberatung. Seit der Abschaffung wird diese auch von privaten Anbietern<br />
durchgeführt. Die Beratungen sind vor allem durch didaktische<br />
Prinzipien38 wie Schülerorientierung und Differenzierung geprägt. Schülerorientierung<br />
zielt auf die Berücksichtigung der Individualität und Anerkennung<br />
der Personalität ab. Das Prinzip der Differenzierung bezieht sich auf<br />
die Interessen der Jugendlichen und eine Abholung auf dem jeweiligen<br />
Entwicklungsstand in der Berufsorientierung. Unterschieden werden die<br />
berufliche Einzelberatung und die Gruppenberatung. Die Einzelberatung<br />
ist als persönliches Gespräch zwischen Jugendlichem, der Berufsberaterin/dem<br />
Berufsberater und gegebenenfalls den Eltern angelegt und auf<br />
Fragen und Probleme im Zusammenhang mit der individuellen Berufswahl<br />
ausgerichtet. Inhalt und Ablauf werden vom Anliegen der/des Ratsuchenden<br />
bestimmt. Nach Esser lassen sich idealtypisch drei Formen der Einzelberatung<br />
unterscheiden: Während bei der Informationsberatung eine auf<br />
37 Beinke fasst die ‚Auskunft’ zusammen als „sachliche Information auf konkrete Fragen“. Demgegenüber<br />
versteht er unter ‚Rat’ eine Information, „die bereits in Beziehung gesetzt ist zu dem<br />
einzelnen Ratsuchenden und dessen persönliche Verhältnisse berücksichtigt.“ (Beinke 1992,<br />
S. 80 f.) Ebenso sieht Jenschke in der ‚Auskunft’ die informatorische Ebene betroffen. ‚Rat’ formuliert<br />
er als unterstützendes Angebot bei der Lösung beruflicher Probleme, bei dem sich Information<br />
und persönliche Entscheidungshilfe gegenseitig ergänzen (vgl. Jenschke 2006, S. 103).<br />
38 Einen Überblick zu didaktischen Prinzipien geben Schulz und Treder (vgl. Schulz, Treder<br />
1985, S. 125 f.) und Rekus (vgl. Rekus 2004, S. 498 f.).<br />
105
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
individuelle Fragen ausgerichtete Vermittlung von Informationen sowie<br />
Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung im Blickpunkt stehen, ist die<br />
Entscheidungsberatung auf die Erarbeitung beruflicher Entscheidungsalternativen<br />
und die Bereitstellung gezielter Entscheidungshilfen für die Berufswahl<br />
durch die Beraterin/den Berater ausgerichtet. Ratsuchende, die<br />
sich beruflich bereits entschieden haben, können die Realisierungsberatung<br />
in Anspruch nehmen, die nach einer Eignungsfeststellung auf die Vermittlung<br />
in eine Ausbildungsstelle zielt (vgl. Esser 1987, S. 115 ff.).<br />
Neben den Einzelberatungen bietet die Berufsberatung auch Gruppenberatungen<br />
für Schulklassen (zumeist in der Schule) an. In der Regel stellt diese<br />
Beratungsform den Erstkontakt zur Berufsberatung dar. Berufliche Bildungswege,<br />
der Ausbildungsmarkt und die Hochschullandschaft sowie das<br />
Angebot an Informationsmitteln und Dienstleistungen der Arbeitsagentur<br />
(z. B. Vorträge, Berufsorientierungsseminare) stehen im Mittelpunkt des<br />
Gruppengespräches (vgl. Ausbildungspakt 2006, S. 31).<br />
6.3.3.2 Bewerbungstraining, Berufsorientierungsseminar<br />
und -camp<br />
In halb-, ein- oder mehrtägigen Bewerbungstrainings lernen Schülerinnen<br />
und Schüler u. a. mittels Vorträgen, Diskussionen, Impulsen und Rollenspielen<br />
alles Wissenswerte rund um die Bewerbung kennen. Neben der Erstellung<br />
von Bewerbungsunterlagen wird auch das Bewerbungsverfahren<br />
thematisiert und Ausschnitte wie das Vorstellungsgespräch oder Assessment-Center-Verfahren<br />
erprobt (vgl. Hammer et al. 2009, S. 79). Weitere<br />
Themen können der Umgang mit Absagen oder Online-Bewerbungen sein.<br />
Ziel ist es, Sicherheit für die Bewerbungssituation zu geben sowie die<br />
Kommunikations- und Präsentationsfähigkeit zu stärken (vgl. Ausbildungspakt<br />
2006, S. 32). Im Berufsorientierungsseminar wird zumeist darauf<br />
fokussiert, durch Vorträge einen Überblick über Ausbildungen, über Anforderungen<br />
von Unternehmen und Hochschulen zu geben. Zum Teil finden<br />
Potenzialanalysen 39 sowie Erkundungen von Unternehmen, Hochschulen<br />
und anderen Einrichtungen Integration (vgl. Kapitel 6.3.3.4). Be-<br />
39 Mittels Potenzialanalysen bzw. Kompetenzfeststellungsverfahren erfolgt die Bewertung von<br />
Kompetenzen und Neigungen von Schülern. Auf Grundlage des resultierenden individuellen<br />
Kompetenzprofiles kann eine gezielte Förderung durch den Abgleich mit dem Anforderungsprofil<br />
unterschiedlicher Berufe erfolgen. Befragung, Beobachtung und Assessment-Center sind Möglichkeiten<br />
der Kompetenzfeststellung. Es werden simulations- bzw. handlungsorientierte Verfahren,<br />
biografieorientierte Verfahren und Verfahren der Selbst- und Fremdbeschreibung unterschieden<br />
(vgl. Hammer et al. 2009, S. 83 f.; vgl. Lippegaus-Grünau, Stolz 2010, S. 10 und<br />
S. 13 ff.).<br />
106
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
werbungstraining und Berufsorientierungsseminar erfahren in Berufsorientierungscamps<br />
eine Bündelung. Innerhalb der mehrtägigen Ferienveranstaltungen<br />
können neben Ausbildungen Anforderungen von Unternehmen<br />
und Hochschulen sowie Bewerbungsverfahren in Vorträgen, Gesprächen<br />
und Diskussionen kennengelernt werden. Nicht selten ist auch die praktische<br />
Erprobung einzelner Berufsfelder möglich. Vorträge und Diskussionsforen<br />
können weitere Elemente von Orientierungscamps sein. Interaktionsspiele<br />
zur Stärkung des Selbstbewusstseins und der Teamfähigkeit,<br />
Sport- oder Eventprogramme runden Berufsorientierungscamps ab. Motivierung<br />
und Erfolgssicherung stehen im Mittelpunkt. Mit dem didaktischen<br />
Prinzip der Erfolgssicherung wird darauf abgezielt, das erworbene Wissen<br />
durch Wiederholung und Anwendung des Erlernten nachhaltig zu festigen.<br />
So schließen beispielsweise die Bewerbungstrainings nicht nur Hinweise<br />
zur Gestaltung der einzelnen Bestandteile der Bewerbungsmappe ein, sondern<br />
Jugendliche sind aufgefordert selbst Unterlagen wie Deckblatt, Anschreiben<br />
und Lebenslauf zu erstellen und sukzessive zu modifizieren. Bewerbungstrainings,<br />
Berufsorientierungsseminare und -camps werden beispielsweise<br />
von Bildungsträgern, Agenturen für Arbeit, Krankenkassen<br />
oder Hochschulen als Gruppenangebote durchgeführt.<br />
6.3.3.3 Erfahrungsaustausch<br />
Unterstützung von nahezu Gleichaltrigen gibt der Erfahrungsaustausch<br />
zwischen Auszubildenden oder Studierenden sowie Schülerinnen und<br />
Schülern. Der als Vortrag und Impuls angelegte Informationstransfer ermöglicht<br />
eine realistische Sichtweise auf Ausbildungsberufe und Studiengänge,<br />
Anforderungen von Unternehmen und Hochschulen und liefert<br />
Einblicke in Herausforderungen des Arbeitsalltags. Ebenso können Tipps<br />
für die erfolgreiche Bewerbung um einen Berufsausbildungs- oder Studienplatz<br />
gegeben werden (vgl. Ausbildungspakt 2006, S. 32). Durch die zeitliche<br />
Nähe zur Schulzeit ist es den Expertinnen und Experten aus der Praxis<br />
gut möglich, sich in die Situation der Mädchen und Jungen hineinzuversetzen<br />
und Themen zu bearbeiten, die für die Jugendlichen am Übergang<br />
zwischen Schule und Arbeitswelt relevant sind (vgl. Hammer et al. 2009,<br />
S. 69). Ein Erfahrungsaustausch wird zumeist in direktem Kontakt zwischen<br />
Schulen und Absolventinnen und Absolventen oder Unternehmen<br />
als Gruppenveranstaltung initiiert und ist üblicherweise auf zwei bis drei<br />
Unterrichtsstunden ausgelegt. Geprägt ist er durch didaktische Prinzipien<br />
wie Schülerorientierung und Anschaulichkeit. Das Prinzip der Anschaulichkeit<br />
bezieht sich auf eine Inhaltsdarbietung, die der Auffassungsgabe<br />
107
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
der Jugendlichen gerecht wird und bei der sie an ihren Vorerfahrungen anknüpfen<br />
können. Gegeben ist dies durch den Kontakt auf ‚Augenhöhe’<br />
zwischen den Schülerinnen und Schülern und den Auszubildenden. Die<br />
Identifikation mit den nahezu gleichaltrigen Fachkräften fällt den Schülerinnen<br />
und Schülern meist leichter (vgl. ebd.).<br />
6.3.3.4 Erkundung<br />
Die Erkundung stellt eine beobachtende Begegnung mit der Arbeitswelt<br />
dar, die im Vergleich zu Praktika und Praxistagen von kürzerer Dauer und<br />
geringerer Intensität ist. Hübner unterscheidet drei Funktionen von Erkundungen.<br />
Sie dienen der Einführung in einen Problembereich (Vororientierung),<br />
dem Gewinn von Informationen, bezogen auf eine spezifische Fragestellung<br />
(Praxisanalyse/Überprüfungserkundung), oder der Analyse von<br />
Unterrichtsergebnissen durch Konfrontation mit der Praxis (vgl. Hübner<br />
2006, S. 235 f.). Erkundungen können allein oder als Gruppe, z. B. im<br />
Klassenverband, durchgeführt werden und folgen in erster Linie dem didaktischen<br />
Prinzip der Veranschaulichung. D. h. berufsorientierende Inhalte<br />
werden so dargeboten, dass die Jugendlichen diese mittels ihrer Sinnesorgane<br />
und entsprechend ihrer Auffassungsgabe und Vorerfahrungen umfassend<br />
und zutreffend erschließen können. Wie auch das Praktikum (vgl.<br />
Kapitel 6.3.3.8) ist die Erkundung in den Phasen Vorbereitung, Durchführung<br />
und Nachbereitung zu realisieren. Neben Unternehmen können Berufsschulen,<br />
Berufsausbildungsstätten oder Hochschulen Ziel einer Erkundung<br />
sein. Durch sie können Organisationsstrukturen, Funktionen und<br />
Atmosphäre kennengelernt werden. Anliegen speziell von Unternehmenserkundungen<br />
ist es, einen Überblick zu Berufsbildern und -feldern in einzelnen<br />
Branchen zu erlangen. Gleichzeitig können Informationen zu Anforderungen<br />
von Unternehmen und Organisationen sowie über Inhalte und<br />
Voraussetzungen von in diesen Einrichtungen ausgeführten Berufen kennengelernt<br />
werden. Eine ausführliche Übersicht zu Aspekten (z. B. funktionale,<br />
berufskundliche, soziale, technologische und ökonomische), die<br />
speziell im Rahmen von Unternehmenserkundungen beleuchtet werden,<br />
geben Beinke und Wascher (vgl. Beinke, Wascher 1993, S. 59 f.). Eine spezielle<br />
Form der Erkundung ist der Besuch des Arbeitsplatzes der Eltern, eines<br />
Verwandten oder Bekannten. Ganztägig oder für ein paar Stunden ist<br />
Jugendlichen so das Kennenlernen der Arbeitsbedingungen und Tätigkeiten<br />
des jeweiligen Berufs der Bezugsperson möglich.<br />
108
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
6.3.3.5 Messe und ‚Tag der offenen Tür’<br />
Die Berufsorientierungsmesse oder ein ‚Tag der offenen Tür’ ermöglichen<br />
es Jugendlichen, aktuelle und praxisnahe Informationen über Berufsausbildungen<br />
und Studiengänge sowie deren Anforderungen und Perspektiven zu<br />
erhalten. Ebenso können komfortabel Kontakte zu Auszubildenden und<br />
Studierenden, Ausbilderinnen und Ausbildern, Personalleitenden und Geschäftsführenden<br />
aus Unternehmen, Studienberatern und Lehrkräften aus<br />
Hochschulen, u. a. geknüpft werden (vgl. Hammer et al. 2009, S. 97). Bedingt<br />
durch zumeist zahlreiche beteiligte Akteure bieten Messen und ‚Tage<br />
der offenen Tür’ breit gefächerte Informationen sowie einen Einblick in<br />
aktuelle Entwicklungen und Arbeitsschwerpunkte in verschiedenen Berufsfeldern.<br />
Begleitend zu Präsentationsständen von Akteuren wird in der Regel<br />
ein themenbezogenes Rahmenprogramm mit Vorträgen und experimentellen<br />
Vorführungen angeboten. Die unterschiedlichen Aktionsformen<br />
richten sich an Schülergruppen und einzelne Jugendliche sowie ihre Eltern<br />
und Lehrer. Das Prinzip der Motivierung steht im Vordergrund des didaktischen<br />
Handelns. Fast ausschließlich eintägige ‚Tage der offenen Tür’ werden<br />
häufig in Federführung von Unternehmen oder Hochschulen durchgeführt.<br />
Ein- bis dreitägige Berufsorientierungsmessen werden u. a. durch regionale<br />
Agenturen für Arbeit, Kammern, Berufsschulzentren oder durch<br />
überregional aktive Messeveranstalter organisiert (vgl. Ausbildungspakt<br />
2006, S. 32).<br />
6.3.3.6 Patenschaft<br />
Im Rahmen von Patenschaften unterstützen berufserfahrene Mentorinnen<br />
und Mentoren Schülerinnen und Schüler im Übergang von der Schule in<br />
die Arbeitswelt. Ihre Erfahrungen und Kontakte nutzen sie für eine individuelle<br />
Betreuung und Begleitung bei der Berufsorientierung, beispielsweise<br />
in Form von Erzählungen, Berichten oder Impulsen (Denkanstöße, Fragen,<br />
etc.). Priorität haben didaktische Prinzipien wie die Schülerorientierung 40<br />
und die Motivierung. Letzteres Prinzip bezieht sich auf das Wecken und die<br />
Berücksichtigung von Lern- und Leistungsbedürfnissen der Schülerinnen<br />
und Schüler. Je nach Unterstützungsform können die als Einzelförderung<br />
angelegten Lernpatenschaften auf unterschiedliche zeitliche Dauer angelegt<br />
sein. Denkbar sind:<br />
40 Bereits vorangehend erläuterte didaktische Prinzipien werden nachfolgend nicht erneut beschrieben.<br />
109
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
� die Vermittlung von Informationen über Unternehmen,<br />
� Nachhilfestunden zur Förderung von schulischen Fachkenntnissen,<br />
� Gespräche über die Anforderungen einer Berufsausbildung oder eines<br />
Studiums,<br />
� Vermittlung von Kontakten zu Auszubildenden, Studierenden sowie<br />
Unternehmen und Hochschulen der Region,<br />
� Vorbereitung von und Begleitung zu Bewerbungsgesprächen,<br />
� Hilfestellung bei der Vor- und Nachbereitung von Betriebspraktika<br />
(vgl. Ausbildungspakt 2006, S. 29; Kruse 2007, S. 148).<br />
Durch Lernpatenschaften kann die Entwicklung von personalen, sozialen<br />
und fachlichen Kompetenzen unterstützt und der Transfer von persönlichem<br />
und fachlichem Know-how befördert werden (vgl. Kruse 2007,<br />
S. 154 f.). Als Mentorinnen und Mentoren kommen neben Berufstätigen<br />
auch Prominente oder Ruheständler in Frage. 41 Der Anstoß zur Aufnahme<br />
einer Patenschaft wird häufig innerhalb von Mentoringprogrammen gegeben,<br />
die u. a. bei Kammern, Hochschulen oder Jugendhilfeträgern angesiedelt<br />
sind.<br />
6.3.3.7 Planspiel<br />
Planspiele bieten in simulierter, modellhafter Form einen Zugang zur Arbeits-<br />
und Berufswelt und der Wirtschaft sowie ihren Strukturen und Regeln.<br />
Sie eignen sich insbesondere, um komplexe bzw. schwer zugängliche<br />
Zusammenhänge und Prozesse in inhaltlich reduzierter und zumeist zeitlich<br />
geraffter Form in überschaubarer Weise darzustellen (vgl. Buddensiek<br />
2006, S. 442). Ursprünglich wurden Planspiele vor allem im militärischen,<br />
später im ökonomischen und politischen Bereich angewendet, um die Konsequenzen<br />
riskanter und kostspieliger Pläne zunächst am Modell gefahrlos<br />
abzuschätzen (vgl. ebd., S. 441). Eine Besonderheit an Planspielen ist, dass<br />
sie zunächst nur einen vorkonstruierten Spielrahmen bilden und damit eher<br />
als Medien einzuordnen sind. Erst mit dem Spielgeschehen, d. h den<br />
Aktionen der Spielteilnehmer, die zu einem Bestandteil der Spiele werden<br />
und durch die Vorgaben des Spielrahmens, die den Verlauf und das Ergebnis<br />
des Spiels mehr oder weniger vorstrukturieren, erfahren Planspiele eine<br />
41 Mentoring kann in vier Formen umgesetzt werden. Dazu gehören das one-to-one Mentoring<br />
(ein Mentor, ein Mentee; auch Tandembeziehung genannt), das Gruppen-Mentoring (ein Mentor<br />
und eine Gruppe von Mentee), das Peer-Mentoring (Netzwerk von Mentee) und das virtuelle<br />
Mentoring (internetbasierter Austausch von Mentor und Mentee; auch als Telementoring bezeichnet;<br />
vgl. Kruse 2007, S. 156 f.).<br />
110
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Dynamisierung und werden zur Methode (vgl. ebd., S. 442). Planspiele sind<br />
dem didaktischen Prinzip der Aktivierung (Selbsttätigkeit) und Anschaulichkeit<br />
verpflichtet. Zudem dienen sie der Förderung der Entscheidungsfähigkeit<br />
und der Kompetenzentwicklung (z. B. Teamfähigkeit, kommunikatives<br />
Verhalten; vgl. Hammer et al. 2009, S. 85). Planspiele sind durch eine<br />
große konzeptionelle und terminologische Vielfalt geprägt. Begriffe wie<br />
Kontakt-, Konferenz-, Entscheidungs- oder Simulationsspiel zeugen davon<br />
(vgl. Buddensiek 2006, S. 441). Klassifiziert werden sie nach der Art des<br />
Spielmediums (z. B. computergestützte interaktive Planspiele, Brettplanspiele),<br />
des Modellbereiches (z. B. Wirtschaftsplanspiel, Verhaltens-/<br />
Rollenplanspiel, Börsenplanspiel), der tutoriellen Begleitung (z. B. trainergeführte<br />
Planspiele, Online-Tutorials) und des sozialen Arrangements (z. B.<br />
Fernplanspielwettbewerbe, Individual- oder Gruppenplanspiele; vgl. Bundesinstitut<br />
für Berufsbildung 2009a). Planspiele können für mehrere Stunden,<br />
wie auch mehrere Monate, z. B. als Wettbewerb, angelegt sein.<br />
6.3.3.8 Praktikum und Praxistage<br />
Praktika stellen eine Begegnung mit der Arbeitswelt dar, die – umrahmt<br />
von Beschreibungen, Sachverhaltsschilderungen, szenischen Vorführungen,<br />
Arbeits- und Verhaltensanweisungen – zumeist erstmalig individuelle<br />
Handlungserfahrungen mit einem Beruf oder einem Berufsfeld erlaubt. Parallel<br />
dazu sind Einblicke in berufsspezifische Zusammenhänge und Arbeitsabläufe<br />
sowie in „die technologischen, sozialen und ökonomischen<br />
Facetten eines Betriebes“ (von Wensierski et al. 2005, S. 61) oder anderer<br />
Einrichtungen und Organisationen eingeschlossen. Die Aufgaben und<br />
Aktivitäten von Schülerinnen und Schülern während eines Praktikums variieren<br />
je nach Praktikumsstelle. Eine Sonderform des häufig ein oder zwei<br />
Wochen andauernden Praktikums sind kontinuierliche Praxisphasen. Sie erfordern<br />
ein weitaus höheres Maß an Flexibilität in der Gestaltung des Stundenplanes<br />
als Praktika, denn die Jugendlichen sind über mehrere Monate<br />
oder sogar ganze Schuljahre hinweg an festen Arbeitstagen in der Woche in<br />
Unternehmen oder anderen Einrichtungen. Bei den Praktika und Praxistagen<br />
ist weniger die zukünftige Berufswahl und die Entscheidung für einen<br />
Beruf vorrangig, sondern vielmehr die Anwendung und Erweiterung bislang<br />
erworbener Kompetenzen sowie von Kenntnissen über Berufe, Berufsfelder,<br />
Arbeitsbedingungen und Arbeits- und Produktionsprozesse (vgl.<br />
Ahrens 2007, S. 192 ff.). Ebenso steht die genauere Beurteilung eigener<br />
Fähigkeiten und beruflicher Interessen im Mittelpunkt (vgl. Rudowicz<br />
111
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
1996, S. 248) 42. Weil Praktika und Praxistage keine berufliche Qualifizierung<br />
verlangen, ist ihre Vor- und Nachbereitung von größter Wichtigkeit.<br />
Die Reflexion der praktischen Erfahrungen im Rahmen des Unterrichts<br />
gewährleistet eine reflexive Verarbeitung der Erkenntnisse und die Verallgemeinerung<br />
und Nutzbarmachung für den weiteren Berufsorientierungsprozess<br />
(vgl. von Wensierski et al. 2005, S. 61 f.). Das praktische Tätigsein<br />
soll darüber hinaus zum weiteren theoretischen Lernen in der Schule anregen<br />
(vgl. Rudowicz 1996, S. 248). Priorität liegt demnach auf den didaktischen<br />
Prinzipien der Motivierung und Differenzierung. Ebenso finden die<br />
Prinzipien der Aktivierung (Selbsttätigkeit) und Veranschaulichung Anwendung.<br />
Es zielt darauf ab, Jugendliche anzuregen und ihnen die Möglichkeit<br />
zu geben, im tätigen Umgang mit den Dingen Lernerfahrungen zu<br />
sammeln. Fehlversuche bieten die Chance, aus dem eigenen Handeln zu<br />
lernen. In Hinblick z. B. auf Sicherheitsfragen in Unternehmen stößt das<br />
Prinzip hier jedoch an Grenzen. Der Rahmen für Praktika und Praxistage<br />
wird stark von Normen wie Verwaltungsrichtlinien vorgegeben (vgl. Kapitel<br />
6.4.2). Alternativen stellen die Schnupperlehre (vgl. Kapitel 6.3.3.10)<br />
oder die Durchführung von Projekten in Kooperation mit Betrieben dar<br />
(vgl. Niemeyer 2002, S. 202).<br />
6.3.3.9 Projektarbeit<br />
Projektarbeit bietet Spielraum zur intensiven Auseinandersetzung mit dem<br />
Thema Berufsorientierung. Die Projektmethode, die auf John Dewey<br />
(1859-1952) zurückgeht, ist auf eine aktive Auseinandersetzung mit der<br />
Umwelt ausgerichtet und räumt den didaktischen Prinzipien der Schülerorientierung,<br />
der Differenzierung, der Aktivierung (Selbsttätigkeit) und der<br />
Ganzheitlichkeit einen hohen Stellenwert ein. Ganzheitlichkeit bezieht sich<br />
einerseits auf eine Geschlossenheit der Lerninhalte, statt ihrem additiven<br />
Nebeneinander sowie das von Heinrich Pestalozzi geforderte Einhergehen<br />
von Kopf, Herz und Hand, also das Zusammenspiel von Tätigkeiten im<br />
kognitiven, emotionalen und praktischen Bereich (vgl. Kapitel 5.1.1). Nach<br />
Dewey et al. gewinnt der Mensch Erkenntnis, indem er sich tätig mit der<br />
Welt auseinandersetzt, indem er Erfahrung macht. Erfahrungen werden<br />
nicht nur durch manuelle Tätigkeiten, sondern vor allem durch einen<br />
geistigen kreativen Prozess möglich. Es gibt demnach keine sinnvolle Erfahrung,<br />
die kein Denken enthält (vgl. Dewey et al. 1993, S. 193).<br />
42 Eine umfassende Darstellung zu den mit einem Praktikum verbundenen Zielsetzungen nehmen<br />
Ermert und Friedrich vor (vgl. Ermert, Friedrich 1990, S. 69 f.).<br />
112
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
„Denken bedeutet die planmäßige und sorgfältige Herstellung von Beziehungen<br />
zwischen Handlungen und ihren Folgen.“ (Dewey et al. 1993,<br />
S. 202) Es schließt „das Erblicken eines Problemes, die Beobachtung der<br />
gegebenen Tatsachen, die Formung und Ausarbeitung eines naheliegenden<br />
Schlusses und die handelnde Erprobung“ ein (ebd., S. 203).<br />
Dewey et al. gehen davon aus, dass Lernprozesse auf spontanes Interesse<br />
zurückzuführen sind und diese Wissbegier mittels Führung erhalten und<br />
erweitert werden kann. Hier setzt die Projektmethode an, die Erfahrungsprozesse<br />
initiiert. Ihre wesentlichen Merkmale sind identisch mit denen des<br />
Denkens.<br />
„Es sind folgende: erstens, daß der Schüler eine wirkliche, für den Erwerb<br />
von Erfahrung geeignete Sachlage vor sich hat - daß eine zusammenhängende<br />
Tätigkeit vorhanden ist, an der er um ihrer selbst willen interessiert<br />
ist; zweitens: daß in dieser Sachlage ein echtes Problem erwächst<br />
und damit eine Anregung zum Denken; drittens: daß er das nötige<br />
Wissen besitzt und die notwendigen Beobachtungen anstellt, um das<br />
Problem zu behandeln; viertens: daß er auf mögliche Lösungen verfällt<br />
und verpflichtet ist, sie in geordneter Weise zu entwickeln; fünftens: daß<br />
er die Möglichkeit und die Gelegenheit hat, seine Gedanken durch praktische<br />
Anwendung zu erproben, ihren Sinn zu klären und ihren Wert<br />
selbständig zu entdecken.“ (ebd., S. 218) 43<br />
Erfahrung ist wertvoll und bildend, sofern diese Stufen des Denkens bzw.<br />
der Projektarbeit eingehalten sind. In Bezug auf die Berufsorientierung gilt<br />
es demnach, anknüpfend an die Lebenswelt sowie den jeweils gegenwärtigen<br />
Erfahrungen der Jugendlichen Problemstellungen erwachsen zu lassen<br />
und damit eine Anregung zum Denken und zum aktiven Forschen zu<br />
geben (vgl. Dewey et al. 1963, S. 87 f.). In diesem Zusammenhang betonen<br />
Dewey et al., dass „die einzige passende Form der Ausbildung für einen<br />
Beruf … die Ausbildung durch den Beruf“ ist (Dewey et al. 1993, S. 404).<br />
Wesentlich dabei ist, nicht nur auf ein einzelnes Berufsbild vorzubereiten,<br />
denn dies heiße, „die Möglichkeiten der gegenwärtigen Entwicklung [zu –<br />
Anm. d. Verf.] schädigen und dadurch gerade den Wert der Vorbereitung<br />
für die spätere rechte Berufsbetätigung verringern“ (ebd.). Zur Unterstützung<br />
der gedanklichen Auseinandersetzung und der Diskussion eignen sich<br />
Rollenspiele sowie Medien wie Plakate oder Modelle. Auch bietet sich die<br />
Verknüpfung mit anderen methodischen Modellen wie Erkundungen von<br />
Unternehmen oder der Erfahrungsaustausch mit Auszubildenden an.<br />
Durch forschendes Lernen, sollen Lösungen experimentell in der Wirklich-<br />
43 Eine konzeptionelle Neufassung der Projektmethode auf Grundlage der Ansätze Deweys entwickelte<br />
Frey (vgl. Frey 1990).<br />
113
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
keit getestet werden. Dies kann in Form einer Ausstellung oder der Präsentation<br />
von Projektergebnissen realisiert werden. Projektaufgaben können<br />
als Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit gestellt werden und Kontakte zu<br />
Ansprechpartnerinnen und -partnern in Unternehmen, Hochschulen oder<br />
anderen Einrichtungen vorsehen. Durch eine Aufgabenbearbeitung im<br />
Team werden soziale Kompetenzen gestärkt (vgl. Ausbildungspakt 2006,<br />
S. 33). Der zeitliche Umfang von Projektarbeit kann zwischen wenigen<br />
Unterrichtsstunden oder mehreren Schuljahren betragen (vgl. Frey 1990,<br />
S. 21).<br />
6.3.3.10 Schnupperlehre und Schnupperstudium<br />
Das Lernen und Arbeiten in einem Unternehmen, in einer Verwaltungseinrichtung<br />
oder an einer Hochschule ist durch eine mehrtägige bis mehrwöchige<br />
Schnupperlehre oder ein mehrtägiges Schnupperstudium umsetzbar.<br />
Die Schnupperlehre, die große Parallelen zum Praktikum (vgl. Kapitel<br />
6.3.3.8) aufweist, ermöglicht Jugendlichen durch die integrierten Impulse<br />
das Kennenlernen von Berufen, Berufsfeldern und Unternehmen und die<br />
selbstkritische Überprüfung der persönlichen Eignung und Neigungen.<br />
Durch die Einbindung in Produktionsprozesse oder Dienstleistungsaufträge<br />
ist ein praxisbezogenes Ausprobieren beruflicher Tätigkeiten möglich.<br />
Während eines Schnupperstudiums können Schülerinnen und Schüler einzelne<br />
Studiengänge kennenlernen und an den regulären Vorlesungen und<br />
Seminaren oder speziell für sie arrangierten Veranstaltungen teilnehmen.<br />
Neben der Lehrmethodik (z. B. Vorträge, Vorlesungen, experimentelle<br />
Vorführungen) und dem Studienbetrieb kann auch ein Einblick in die Hörsäle<br />
und Labore, in die Bibliothek oder die Mensa gewonnen werden. Informationen<br />
über Studienfächer, den Studienablauf sowie Anforderungen<br />
und Qualifikationen, die zukünftige Studierende aufweisen sollten, können<br />
direkt von Studierenden, Dozenten, Professoren oder Studienberatern ermittelt<br />
werden. Besonders begabten und motivierten Jugendlichen steht an<br />
einigen Hochschulen die Möglichkeit eines Frühstudiums offen. Sie nehmen<br />
dann regelmäßig an Lehrveranstaltungen teil und können Leistungsnachweise<br />
und Prüfungen ablegen. Schnupperlehre und Schnupperstudium<br />
sind für Gruppen von Jugendlichen angelegt und verfolgen in erster<br />
Linie das didaktische Prinzip der Motivierung.<br />
114
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
6.3.3.11 Schülerfirma<br />
Als ein Derivat der Juniorenfirma, die historische Vorbilder in ‚Übungskontoren’<br />
und ‚Junior-Läden’ hat (vgl. Neubert 2003, S. 25 ff.), ist die Schülerfirma<br />
einzuordnen. Der Begriff der Juniorenfirma ist im Kontext der betrieblichen<br />
Ausbildung vorzufinden, während im Rahmen der schulischen<br />
Berufsorientierung von Schülerfirmen gesprochen wird (vgl. Woll 2003,<br />
S. 40). Die Junioren- bzw. Schülerfirma sind reale Unternehmen. Sie bündeln<br />
Projekt, Planspiel und ‚Ernstfall’ zugleich. Jugendliche gründen und<br />
betreiben unterstützt durch Lehrkräfte oder Ausbilderinnen und Ausbilder<br />
ein Unternehmen, das eigene Produkte herstellt oder Dienstleistungen anbietet<br />
und diese vermarktet. Das Tätigkeitsspektrum in einer Juniorenfirma<br />
ist zumeist ausbildungskonform. 44 Bei einer Schülerfirma bestimmen die<br />
individuellen Interessenlagen und das Leistungsniveau der Schülerinnen<br />
und Schüler sowie institutionelle Voraussetzungen, wie die räumliche und<br />
technische Ausstattung einer Schule die Produktpalette. Die Schulküche<br />
bietet die Möglichkeit gastronomischer Angebote. In Werkräumen können<br />
Produkte aus Holz, Metall, Papier oder Stoff hergestellt werden (vgl. Hofmann-Lun<br />
2007b, S. 53). Schülerfirmen orientieren sich an Unternehmensformen<br />
wie der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), der eingetragenen<br />
Genossenschaft (eG) und Aktiengesellschaften (AG), erwirtschaften<br />
jedoch geringere Umsätze und treten nicht mit privatwirtschaftlichen<br />
Unternehmen in Konkurrenz (vgl. ebd., S. 54). Durch die Bearbeitung<br />
von unternehmerischen Aufgaben im Team sollen Schülerinnen und Schüler<br />
mit den Abläufen und Anforderungen des Berufslebens vertraut werden.<br />
Daneben gilt es Eigeninitiative und Unternehmergeist bei den Jugendlichen<br />
zu wecken und zu entwickeln sowie einen Beitrag zur Förderung des<br />
Existenzgründergedankens zu leisten. Ebenso stehen der Erwerb und die<br />
Anwendung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die auch im<br />
späteren Berufsleben von Bedeutung sind im Mittelpunkt. Neben der Entwicklung<br />
einer Geschäftsidee, der Entscheidung für eine Unternehmensorganisationsform,<br />
der Organisation des Schülerunternehmens nach Abteilungen<br />
und Funktionen, dem Angebot von Dienstleistungen, der Herstellung<br />
von Produkten und deren Verkauf sind die Kostenberechnung und<br />
Preiskalkulation, der Aufbau von Geschäftsbeziehungen, die Gewinnverteilung,<br />
die Personalauswahl und -einarbeitung sowie Aufgaben des Marke-<br />
44 Eine umfangreiche Beschreibung u. a. der Organisation, der Produkte und Dienstleistungen,<br />
der Produktion, der Preisgestaltung, der Personalwirtschaft und des Rechnungswesens von<br />
Juniorenfirmen ergänzt durch Ausführungen zu ihren Rahmenbedingungen und Entwicklungsstufen<br />
sowie Juniorenfirmenporträts ist bei Fix zu finden (vgl. Fix 1989).<br />
115
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
tings und der Öffentlichkeitsarbeit wesentliche Geschäftsschwerpunkte<br />
(vgl. Ausbildungspakt 2006, S. 35; vgl. von Wensierski et al. 2005, S. 199 f.).<br />
Gleichzeitig spielen Aspekte wie zielorientiertes Handeln, Teamfähigkeit<br />
und Verantwortungsbewusstsein eine Rolle. Schülerfirmen existieren mindestens<br />
ein Schuljahr, zumeist aber über mehrere Schuljahre hinweg. Ähnlich<br />
wie bei der Projektmethode (vgl. Kapitel 6.3.3.9) sind die didaktischen<br />
Prinzipien der Schülerorientierung, der Differenzierung, der Aktivierung<br />
(Selbsttätigkeit) und der Ganzheitlichkeit zentral. Um eine erfolgreiche Arbeit<br />
zu gewährleisten, ist eine kontinuierliche zeitliche Investition von drei<br />
bis fünf Unterrichtsstunden pro Woche angemessen (vgl. Hofmann-Lun<br />
2007b, S. 51). Der Anstoß zur Gründung einer Schülerfirma kommt mitunter<br />
von außerschulischen Akteuren, der Aufbau und die Etablierung hingegen<br />
liegt in Regie der Schule.<br />
6.3.3.12 Werkstatt- und Laborarbeit<br />
Mit dem Ziel Jugendlichen praktische Erfahrungen vor allem in naturwissenschaftlichen<br />
und technischen Berufsfeldern zu ermöglichen, wird in<br />
Schülerwerkstätten und Schülerlaboren gearbeitet. Sie sind zu finden in Unternehmen,<br />
Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Science Centern und<br />
Museen. Die Nutzung erfolgt zumeist in einer Gruppe über wenige Stunden<br />
bis zu ganzen Tagen. Anwendung finden vor allem die didaktischen<br />
Prinzipien der Aktivierung (Selbsttätigkeit) und der Erfolgssicherung. Letzteres<br />
zielt darauf ab, dass durch die Anwendung von bereits Erlerntem<br />
beim Experimentieren erworbenes Wissen für längere Zeit abrufbar wird<br />
und gegen Vergessen gesichert werden soll. Experimentieren zielt auf systematisches<br />
Einholen von Informationen über Sachverhalte und auf deren<br />
gründliche Analyse in einem organisierten Lernprozess (vgl. Hoppe 2006,<br />
S. 312). Schülerinnen und Schüler lernen Geräte und Techniken kennen<br />
und probieren diese aus, die ihnen in der Schule in der Regel nicht zur Verfügung<br />
stehen. Durch die Arbeit in der Werkstatt oder im Labor, ergänzt<br />
durch Vorträge und experimentelle Vorführungen, werden Jugendliche mit<br />
aktuellstem Wissen und zeitgemäßen Technologien vertraut.<br />
6.3.4 Medien<br />
Für die Berufsorientierung steht ein breit gefächertes Spektrum von Medien<br />
zur Verfügung. Sie übernehmen unterschiedliche Funktionen, so als<br />
Lehr- und Lernmittel, als Vermittler von Informationen, als Kommunikationsstruktur<br />
oder als Präsentationsmöglichkeit der Wirklichkeit (vgl.<br />
116
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Schulze 1978, S. 49 ff.). Zu nennen sind neben Büchern und Broschüren<br />
u. a. auch Internetplattformen, CD-Roms und DVD´s, Maschinen, Experimentiergeräte<br />
und Werkzeuge, Modelle, oder Produkte. Klassifikationsversuchen<br />
für Medien 45 ungeachtet, wird in diesem Kapitel eine Auswahl<br />
an Medien, der Berufswahlpass sowie Formen der Bündelung von Medien<br />
wie die Berufsinformationszentren und Berufsorientierungsmobile, vorgestellt.<br />
Anwendung erfahren die Medien in wechselseitiger Abhängigkeit von<br />
den Intentionen, Inhalten und Methoden. Die Entscheidung für ein bestimmtes<br />
Medium fällt insbesondere in Abhängigkeit der Zielgruppe sowie<br />
der Akteure und ihren institutionellen Bedingungen. So wird Laborarbeit<br />
nahezu ausschließlich an entsprechenden Arbeitsplätzen in Universitäten<br />
und Forschungseinrichtungen realisiert werden können und weniger beispielsweise<br />
bei Bildungsträgern. Gleichzeitig ist u. a. wesentlich, inwieweit<br />
Jugendliche und Akteure in der Lage sind ein bestimmtes Medium überhaupt<br />
nutzen zu können, d. h. über notwendige Anwendungskompetenzen<br />
zu verfügen.<br />
6.3.4.1 Berufswahlpass<br />
Der Berufswahlpass46 ist ein Ordner, der als Lose-Blatt-Sammlung von<br />
Jugendlichen geführt und ab der siebten Klassenstufe zum Einsatz empfohlen<br />
wird. Seine Entwicklung und Erprobung erfolgte im Rahmen des<br />
Programms „Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben“ des Bundesministeriums für<br />
Bildung und Forschung (vgl. Kapitel 6.4.1). Aktuell wird in zwölf Bundesländern<br />
mit dem Instrument gearbeitet. Der Pass wird zumeist über die<br />
Schule bereitgestellt und umfasst Informationen zu schulischen und außerschulischen<br />
Orientierungsangeboten, Hinweise zur Organisation des Berufsorientierungsprozesses<br />
sowie Bescheinigungen und Zertifikate über<br />
Bildungsprozesse und deren -ergebnisse. Der Berufswahlpass dient demnach<br />
„zur Dokumentation der Teilnahme an Projekten und Maßnahmen, die<br />
im Rahmen der Berufsorientierung aus Sicht des Schülers oder der Schülerin<br />
relevant sind, wie z. B. Praktika, Unterrichtsprojekte, schulische und<br />
außerschulische Veranstaltungen, Auslandsaufenthalte“ (Lumpe 2002,<br />
S. 253).<br />
45 Exemplarisch anzuführen ist einerseits Adl-Amini, der Medien auf den drei Ebenen Hilfsmittel<br />
(erste Ebene, z. B. Tafel), gestaltete Inhaltsträger (zweite Ebene, z. B. Film) und materialisierte<br />
Form (dritte Ebene, z. B. Montessori-Materialien) verortet (vgl. Adl-Amini 1994, 25 ff.). Andererseits<br />
sind Tenorth et al. zu benennen, die personale und apersonale Medien unterscheiden<br />
(vgl. Tenorth et al. 2007, S. 494). Eine ausführliche Darstellung der Ordnungsversuche für Medien<br />
ist bei Otto zu finden (vgl. Otto 1985, S. 88).<br />
46 Passkonzepte bestehen auch unter Namen, wie Bildungspass, Qualipass, Qualifizierungspass,<br />
EUROPASS Berufsbildung, Qualifikationsbuch (vgl. Lumpe 2002, S. 254 f.).<br />
117
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Neben explizit auf die Angebote der Berufsorientierung ausgerichteten Bescheinigungen,<br />
können auch Belege für das Engagement als Sprecherin/<br />
Sprecher der Klasse oder Schule, für die Ausbildung als Streitschlichterin<br />
und -schlichter, für die Mitarbeit bei der Schülerzeitung oder in Projekten,<br />
für Trainerlizenzen u. a. aufgenommen werden. Die Schülerinnen und<br />
Schüler können selbst entscheiden, welche Bescheinigungen sie einheften,<br />
wie sie mit dem Pass arbeiten und diesen für die Bewerbung verwenden<br />
(vgl. Lumpe 2002, S. 255; vgl. Kapitel 6.4.3.2.). Aufgrund dieser Möglichkeiten<br />
kann der Berufswahlpass, neben Berufswahltests oder dem Assessment-Center,<br />
als eine Form der Kompetenzbilanzierung eingestuft werden<br />
(vgl. Lippegaus-Grünau et al. 2010a, S. 15).<br />
6.3.4.2 Berufsinformationszentrum (BiZ)<br />
Zur Information über Berufsausbildung und Studium, berufliche Tätigkeiten<br />
und Anforderungen, Weiterbildung, Umschulung und Entwicklungen<br />
am Arbeitsmarkt etablierte die Bundesagentur für Arbeit an ihren regionalen<br />
Agenturen für Arbeit Berufsinformationszentren (vgl. Bundesagentur<br />
für Arbeit 2011; vgl. Kapitel 6.4.1). Das erste wurde im Jahr 1976 in Berlin<br />
ins Leben gerufen. Das Konzept der Berufsinformationszentren ist u. a.<br />
charakterisiert durch einen Zugang ohne Voranmeldung oder zeitliche Begrenzung,<br />
Anonymität und einer inhaltlich selbstbestimmten Nutzung des<br />
zur Verfügung stehenden Medienangebotes (vgl. Beinke 1992, S. 85).<br />
Computertests helfen dabei, zu den eigenen Interessen, Fähigkeiten und<br />
Neigungen passende Berufe und Berufsfelder zu identifizieren, über die im<br />
Medienportfolio des BiZ detaillierte Informationen abrufbar sind. Dieses<br />
ist strukturiert in Printmedien (berufskundliche Kurzbeschreibungen, Informationsmappen<br />
mit berufskundlichen, studienkundlichen und berufswahlbezogenen<br />
Angaben zu Ausbildungen sowie Büchern und Zeitschriften),<br />
audiovisuelle Medien (Videofilme, Tonbildschauen, Diaserien und<br />
Hörprogramme) und interaktive Medien (Lernprogramme und Dialogsysteme;<br />
vgl. Beinke 1992, S. 83 f.; vgl. Bundesagentur für Arbeit 2011). Zu<br />
den Print- und Onlinemedien der Berufsinformationszentren gehören u. a.<br />
„abi-Berufswahl-Magazin“, „Beruf aktuell“, „Beruf Bildung Zukunft“, „Berufenet“,<br />
„Kursnet“, „Mach´s richtig - Interessen und Berufe erkunden“<br />
(vgl. Bundesagentur für Arbeit 2011). Neben den verschiedenen Medien<br />
können auch die Veranstaltungsangebote zur Berufsorientierung im BiZ<br />
(z. B. Bewerbungstraining, berufskundliche Vorträge und Filmveranstaltungen,<br />
Diskussionsrunden und Workshops zu Themen rund um Arbeit<br />
und Beruf) genutzt werden. Das Berufsinformationszentrum ist vor allem<br />
118
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
für eine erste berufliche Orientierung, d. h. eine überblicksartige Information<br />
zu Berufsausbildungen und Studiengängen sowie deren Anforderungen,<br />
über Karrierechancen und Berufsverläufe konzipiert. Jedoch ist<br />
fraglich, inwieweit die kognitionsorientierte Ausrichtung diesem Anliegen,<br />
z. B. in Bezug auf schulmüde Schülerinnen und Schüler, zuträglich ist.<br />
6.3.4.3 Berufsorientierungsmobile<br />
Um Berufsorientierung auch verstärkt in kleinen Orten im ländlichen Raum<br />
anbieten zu können, wo wenig andere Instrumente und Angebote der Berufsorientierung<br />
zur Verfügung stehen bzw. Anwendung finden, kommen<br />
Berufsorientierungsmobile, die verschiedene Medien in kompakter Form<br />
bündeln, zum Einsatz. Die Medienausstattung ist zumeist flexibel gestaltbar.<br />
Das Repertoire reicht von Computern und Multimediaterminals (u. a.<br />
BiZ-Mobil der Bundesagentur für Arbeit) über Maschinen und technische<br />
Systeme (z. B. CNC-Werkzeugmaschinen, CAD/CAM-Systeme, und Hydraulik-Anlage<br />
im InfoMobil der Metall- und Elektroindustrie des Gesamtverbandes<br />
der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie<br />
e. V.) bis hin zu gedruckten Informationsmaterialien. Neben den Medien<br />
finden Methoden wie die Beratung, das Bewerbertraining oder das Planspiel<br />
Anwendung. Berufsorientierungsmobile liegen u. a. in Verantwortung<br />
von Unternehmensverbänden, Hochschulen und Bildungsträgern.<br />
6.4 Einflussfaktoren auf didaktisches<br />
Handeln: Gesetzliche Grundlagen<br />
und Richtlinien<br />
Die im Kontext gesellschaftlicher Veränderungen stehenden, in Kapitel 2<br />
veranschaulichten, Problematiken wie z. B. das eingeschränkte Berufswahlspektrum<br />
Jugendlicher oder Berufsausbildungs- und Studienabbrüche aufgrund<br />
eines zu geringen Informationsniveaus bezüglich Arbeitstätigkeiten<br />
im Ausbildungsberuf und im Hinblick auf Anforderungen im Berufsleben<br />
münden nicht selten in Appellen nach einer Optimierung und Neuausrichtung<br />
der Berufsorientierung. Gesetze, Richtlinien, Erlasse und Verwaltungsordnungen<br />
auf Bundes- und Landesebene sind Instrumente, mit<br />
denen die vielfältigen Ansprüche an Berufsorientierung zum Teil einen<br />
rechtlichen Rahmen bekommen und diese eine normative Struktur erhält.<br />
Durch die Auflage und Ausgestaltung von Förderprogrammen erfährt sie<br />
zusätzliche Steuerung. Auf der Ebene der Kommunen und Landkreise<br />
119
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
bzw. der Angebotsebene besteht die Aufgabe, didaktisches Handeln auf die<br />
jeweilige Region abzustimmen und so auszugestalten, dass es den gesetzten<br />
Auflagen gerecht wird.<br />
Auf Grundlage der Normen wird die Implementierung der Berufsorientierung<br />
maßgeblich beeinflusst. Teilweise werden Angebote in den Unterricht<br />
integriert, teilweise können Jugendliche freiwillig in ihrer Freizeit teilnehmen.<br />
Unterschieden werden kann eine schulische und außerschulische Verankerung.<br />
Unter schulischer Berufsorientierung sind von Schulvertreterinnen<br />
und -vertretern initiierte Aktivitäten inner- als auch außerhalb der Unterrichtszeit<br />
einzustufen. Innerhalb des Unterrichts wird sie unterrichtsfachbezogen<br />
oder fachübergreifend implementiert. Während bei unterrichtsfachbezogenen<br />
didaktischem Handeln ein einzelnes Fach Ausgangspunkt<br />
für die Auseinandersetzung mit Berufsorientierung ist und die Verantwortung<br />
für Intensität und Dauer der Beschäftigung mit ihr bei einer einzelnen<br />
Lehrkraft liegt, wird das Thema Berufsorientierung beim fachübergreifenden<br />
Unterricht vor dem Hintergrund verschiedener Fächer behandelt. Unabdinglich<br />
ist hierbei die selbstorganisierte Zusammenarbeit mehrerer<br />
Lehrkräfte. Fachübergreifender Unterricht bildet die Basis zur Anwendung<br />
von komplexen Methoden wie der Projektarbeit. Außerunterrichtliches<br />
wird außerhalb der Unterrichtszeit, aber in Hauptverantwortung der Schule<br />
durchgeführt. Die außerunterrichtliche schulische Berufsorientierung findet<br />
beispielsweise in Erkundungen oder in Praktika ihren Niederschlag. Außerschulische<br />
Berufsorientierung ist ebenfalls außerhalb der Unterrichtszeit<br />
verortet, liegt aber in Verantwortung von außerschulischen Akteuren, wie<br />
Bildungs- und Jugendhilfeträgern, den Agenturen für Arbeit, Hochschulen<br />
oder Unternehmen. Lehrkräfte können eine Vermittlungsfunktion einnehmen<br />
und Jugendliche zu außerschulischen Interventionen informieren und<br />
beraten. Beispielhaft anzuführen sind Methoden wie Messen oder Tage der<br />
offenen Tür.<br />
Im Folgenden wird eine Auswahl an gesetzlichen Grundlagen aufgeführt<br />
und ihre Auswirken auf die Umsetzung der Berufsorientierung näher beleuchet.<br />
Betrachtung finden zunächst die Instrumente auf Bundesebene. Im<br />
Anschluss wird auf die der Landesebene eingegangen. 47<br />
47 Eine ergänzende Übersicht über Programme zur Berufsorientierung, ausgerichtet an den<br />
thematischen Schwerpunkten Kompetenzfeststellung und Kompetenzentwicklung, Produktion<br />
und Praxis, Berufseignung und Betrieb, Berufswahl und Biografiegestaltung, Beratung und Begleitung,<br />
Schulqualität und Schulentwicklung, Kooperation und Koordination findet sich bei<br />
Lippegaus-Grünau et al. (vgl. Lippegaus-Grünau et al. 2010a, vgl. Lippegaus-Grünau et al.<br />
2010b).<br />
120
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
6.4.1 Normen auf Bundesebene<br />
Einen gesetzlichen Rahmen mit bundesweiter Verbindlichkeit für die Berufsorientierung<br />
schaffen neben der bereits 1992 gegebenen „Gemeinsamen<br />
Empfehlung zur Zusammenarbeit von Schule, Berufsberatung und Studienberatung in<br />
der gymnasialen Oberstufe und in berufsbildenden Schulen“ (vgl. Kapitel 5.2), die<br />
Sozialgesetzbücher (SGB) I (Allgemeiner Teil), II (Grundsicherung für Arbeitssuchende),<br />
III (Arbeitsförderung), VIII (Kinder- und Jugendhilfe) und<br />
XII (Sozialhilfe). Darüber hinaus beeinflussen eine Reihe von Richtlinien<br />
zur Förderung von Maßnahmen im Themenbereich Übergang zwischen<br />
Schule und Arbeitswelt die Gestaltung der Berufsorientierung.<br />
In den Sozialgesetzbüchern wird die Berufsorientierung in unterschiedlicher<br />
Intensität aufgegriffen. Umfangreiche Verankerung findet sie im<br />
SGB III. Ergänzend bildet das SGB VIII eine wichtige gesetzliche Basis.<br />
Die Gesetzbücher I, II und XII regeln indirekte Leistungen zur beruflichen<br />
Orientierung für spezielle Zielgruppen.<br />
Im SGB I ist das generelle Recht auf Beratung bei der Wahl des Bildungsweges<br />
und des Berufes, auf individuelle Förderung bei der beruflichen Weiterbildung<br />
und auf Hilfe zur Erlangung und Erhaltung eines angemessenen<br />
Arbeitsplatzes festgehalten (vgl. Sozialgesetzbuch: Erstes Buch (I) 2009, §3,<br />
Abs. 2).<br />
Das SGB II fixiert Leistungen zur Unterstützung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger<br />
oder von Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in<br />
einer Bedarfsgemeinschaft48 leben (vgl. Sozialgesetzbuch: Zweites Buch (II)<br />
2009, §7). Auch wenn die Berufsorientierung im SGB II nicht unmittelbar<br />
thematisiert ist, spielt das Gesetzbuch dennoch eine maßgebliche Rolle. Jugendliche,<br />
die in den Rechtskreis des SGB II fallen, werden von den zuständigen<br />
Dienststellen (deutschlandweit 478 Jobcenter bzw. analoge Einrichtungen<br />
in Optionskommunen) außerschulisch betreut49. Vorrangiges<br />
Ziel ist die Vermittlung in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt (vgl. ebd.,<br />
§3, Abs. 2). Unterstützt wird dies z. B. durch Information, Beratung (vgl.<br />
ebd., §4, Abs. 1) oder breit gefächerten Inhalten in Maßnahmen zur Aktivierung<br />
und beruflicher Eingliederung, wie Bewerbungstrainings oder die<br />
48 Einer Bedarfsgemeinschaft sind Personen zuzuordnen, die eine persönliche oder verwandtschaftliche<br />
Beziehung zueinander haben und die in einem gemeinsamen Haushalt leben (vgl. Sozialgesetzbuch:<br />
Zweites Buch (II) 2009, §7 Abs. 3).<br />
49 Die Träger der Grundsicherung (z. B. Jobcenter) sind gesetzlich verpflichtet, zu allen betreffenden<br />
Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren Kontakt aufzunehmen und ihnen eine Beratung<br />
anzubieten, die von diesen wahrgenommen werden muss.<br />
121
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Erprobung in einem Unternehmen (Bundesagentur für Arbeit 2008, o. S.).<br />
Bei Bedarf wird Jugendlichen eine Fallmanagerin/ein Fallmanager zur individuellen<br />
Betreuung zur Seite gestellt. An allen Maßnahmen des SGB II hat<br />
der Jugendliche eine aktive Mitwirkungspflicht. Aus nichterfüllten Vereinbarungen<br />
resultieren finanzielle Sanktionen.<br />
Das SGB III ist ausgerichtet auf allgemeine Ziele der Arbeitsförderung sowie<br />
beschäftigungspolitische Ziele. Der Leistungskatalog zur Arbeitsförderung<br />
schließt Maßnahmen, die „die individuelle Beschäftigungsfähigkeit<br />
durch Erhalt und Ausbau von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten<br />
fördern“ (Sozialgesetzbuch: Drittes Buch (III) 2009, §1, Abs. 2) ein, was<br />
maßgeblich für die Zielrichtung der Berufsorientierung ist. Als Aufgaben<br />
der Bundesagentur für Arbeit sind das Vorhalten eines Beratungsangebotes50<br />
(vgl. ebd., §29; vgl. Kapitel 6.3.3.1), die Eignungsfeststellung (vgl. ebd.,<br />
§32) sowie eine den Fähigkeiten entsprechende Vermittlung in Ausbildung<br />
oder Arbeit (vgl. ebd. §35) formuliert und zum Teil inhaltlich und methodisch<br />
definiert. Festlegungen zur Umsetzung der Berufsorientierung finden<br />
sich in §33 SGB III. Hier sind sowohl die sogenannte „vertiefte Berufsorientierung“<br />
als auch die „erweiterte vertiefte Berufsorientierung“ für Schülerinnen und<br />
Schüler allgemeinbildender Schulen geregelt. Die Umsetzung wird unter<br />
finanzieller Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von maximal<br />
50% an Dritte delegiert. Unter vertiefter Berufsorientierung wird eine bis<br />
zu vier Wochen dauernde Maßnahme in der unterrichtsfreien Zeit verstanden.<br />
Die erweiterte vertiefte Berufsorientierung kann über einen Zeitraum<br />
von vier Wochen hinaus in der Unterrichtszeit realisiert werden. Damit hat<br />
das SGB III Einfluss auf die gesamte Breite der didaktischen Implementierung<br />
von Berufsorientierung. Die inhaltlichen Dimensionen der vertieften<br />
und erweiterten vertieften Berufsorientierung konzentrieren sich auf Fragen<br />
der Berufswahl, Berufe, ihre Anforderungen und Aussichten, Wege<br />
und Förderung der beruflichen Bildung sowie beruflich bedeutsame Entwicklungen<br />
in Unternehmen, Verwaltungen und auf dem Arbeitsmarkt. So<br />
sind in den Fachanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Umsetzung<br />
der Berufsorientierung folgende Inhalte aufgeführt:<br />
50 Für Jugendliche im Rechtskreis des SGB II liegt die Verantwortlichkeit für die Berufsberatung<br />
bei der Bundesagentur für Arbeit, die Zuständigkeit für die Berufsausbildungsvermittlung jedoch<br />
beim Träger der Grundsicherung (vgl. Abschnitt zum SGB II). Die Jugendlichen müssen damit<br />
zwei Institutionen mit unterschiedlichen Verfahrensweisen gerecht werden. Während die Nutzung<br />
der Angebote des SGB III auf Freiwilligkeit basiert, sind die Fördermöglichkeiten des SGB<br />
II immer mit Sanktionen bei Zuwiderhandlungen verbunden.<br />
122
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
� Vorstellung der Berufsberatung mit ihrem Dienstleistungsangebot (inklusive<br />
Selbstinformation),<br />
� allgemeine Informationsvermittlung über die Situation auf dem Ausbildungs-<br />
und Arbeitsmarkt, im Hochschulbereich sowie Darstellung<br />
spezifischer Arbeitskräftebedarfe (z. B. MINT-Berufe),<br />
� Einüben berufswahlrelevanter Kompetenzen,<br />
� Vorstellung wichtiger Termine im Berufswahlprozess,<br />
� Einbindung von Eltern, Lehrkräften, Kooperationspartnerinnen und<br />
-partnern,<br />
� Entwicklung potenzialorientierter Ausbildungs-/Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
für junge Menschen mit Behinderung im allgemeinen<br />
Arbeitsmarkt,<br />
� Darstellung finanzieller Hilfen (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2009a,<br />
S. 2 f.).<br />
Die Schwerpunktsetzung soll unter Berücksichtigung des regionalen Bedarfes,<br />
in Abstimmung z. B. mit Kammern oder beauftragten Institutionen der<br />
Wirtschaftsverbände, herausgearbeitet werden. Die methodische Ausgestaltung<br />
der vertieften und erweiterten vertieften Berufsorientierung und der<br />
Einsatz von Medien obliegen den durch die Bundesagentur für Arbeit beauftragten<br />
Maßnahmeträgern. Durch die erforderliche Kofinanzierung<br />
(z. B. über Mittel des Europäischen Sozialfonds oder Stiftungen) spielen<br />
zusätzlich die institutionellen Spezifika dieser dritten Partei eine Rolle.<br />
Als Element der Qualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“ der<br />
Bundesregierung wird seit Beginn des Jahres 2009 nach §421s SGB III die<br />
„Berufseinstiegsbegleitung“ befristet und modellhaft an 1.000 von der Bundesagentur<br />
für Arbeit auf Anordnung bestimmten allgemeinbildenden Schulen<br />
der Bundesrepublik erprobt. Durch den Paragraphen ergeben sich nicht<br />
nur Einschränkungen hinsichtlich der Zielgruppe, sondern auch intentionale,<br />
inhaltliche und methodische Konsequenzen für die Berufsorientierung.<br />
Das Erreichen des Abschlusses einer allgemeinbildenden Schule, die Berufswahl,<br />
die Suche nach einem Ausbildungsplatz, die Stabilisierung des<br />
Ausbildungsverhältnisses und die Herstellung der Ausbildungsreife stehen<br />
im Mittelpunkt der individuell angelegten Unterstützung in Form des Mentorings.<br />
Die Berufseinstiegsbegleitung beginnt in der Vorabgangsklasse der<br />
allgemeinbildenden Schule und endet ein halbes Jahr nach Beginn einer Berufsausbildung,<br />
spätestens jedoch zwei Jahre nach Abschluss der allge-<br />
123
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
meinbildenden Schule. 51 Sie richtet sich an leistungsschwächere Schülerinnen<br />
und Schüler mit Schwierigkeiten bei der Erlangung des Schulabschlusses<br />
bzw. im Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt. Als Berufseinstiegsbegleiter<br />
sollen bei Bildungs- oder Jugendhilfeträgern angestellte Personen<br />
eingesetzt werden, die aufgrund ihrer Lebens- und Berufserfahrung<br />
eine erfolgreiche Unterstützung des Jugendlichen erwarten lassen, d. h. beispielsweise<br />
Personen mit praktischen Erfahrungen in der Berufsausbildung,<br />
mit Führungserfahrung oder sozialpädagogischer Berufserfahrung. Der<br />
eingesetzte Träger „hat mit Dritten, die Schüler derselben Schule bei der<br />
Berufsorientierung und -wahl unterstützen[!], und mit den Arbeitgebern in<br />
der Region eng zusammenzuarbeiten“ (Sozialgesetzbuch: Drittes Buch (III)<br />
2009, §421s Abs. 2). Maximal zwanzig Jugendliche werden von einem Berufseinstiegsbegleiter<br />
gleichzeitig betreut. Welche Schülerinnen und Schüler<br />
zum förderungsbedürftigen Personenkreis gehören, vereinbaren Schule,<br />
Berufsberatung und der Berufseinstiegsbegleiter. Die Nutzung basiert auf<br />
Freiwilligkeit. Entsprechend ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Anordnungsbefugnis<br />
hat die Bundesagentur für Arbeit entschieden, dass grundsätzlich<br />
Hauptschülerinnen und Hauptschüler und zu angemessenen Anteilen<br />
Sonder- und Förderschülerinnen und -schüler durch die Berufseinstiegsbegleitung<br />
Berücksichtigung finden. Die Konkretisierung der Zielgruppen<br />
erfolgte auf Landesebene. So sind es in Nordrhein-Westfalen<br />
Jugendliche aus Förder-, Haupt- und Gesamtschulen und in Thüringen<br />
Schülerinnen und Schüler aus Regel- und Förderschulen. In Sachsen hingegen<br />
wurde sich für eine konzertierte Aktion ausschließlich für Jugendliche<br />
aus Förderschulen entschieden (vgl. zu diesem Abschnitt Thiel 2008). Ende<br />
2010 wurde die Berufseinstiegsbegleitung über die Initiative „Bildungsketten“<br />
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf weitere 1.000<br />
Schulen ausgeweitet (vgl. dazu die folgenden Abschnitte).<br />
Die Umsetzung der im SGB III verankerten Leistungen liegt in der Verantwortung<br />
von bundesweit 10 Regionaldirektionen, 176 Agenturen für<br />
Arbeit und etwa 610 Geschäftsstellen (vgl. Bundesagentur für Arbeit<br />
2010c). In jeder Agentur für Arbeit ist ein Berufsinformationszentrum<br />
(BiZ) verortet. Zur Erreichung von Zielgruppen in ländlichen Regionen<br />
stehen ergänzend sogenannte BiZ-Mobile zur Verfügung. (vgl. Kapitel<br />
6.3.4.3).<br />
51 Abweichungen sind möglich, wenn ein Jugendlicher beispielsweise den Schulabschluss nicht<br />
geschafft hat und diesen in einer beruflichen Schule nachholt (vgl. Thiel 2008).<br />
124
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Das SGB VIII beschreibt die Berufsorientierung im Kontext der Jugendhilfe.<br />
Unter dem Begriff sind sozialpolitische, betreuende und Bildungsaktivitäten<br />
zusammengefasst.<br />
„Das Spektrum reicht von der Bildung und Betreuung im Vorschulalter<br />
(Kinderkrippen, Kindertagesstätten) über Freizeiteinrichtungen, betreutes<br />
Wohnen, Hilfen zur Erziehung, Unterstützung beim Übergang von der<br />
Schule ins Arbeitsleben, bis hin zur Betreuung und Resozialisierung straffälliger<br />
Jugendlicher. Für die Leistungen der Jugendhilfe zur Unterstützung<br />
des Übergangs von der Schule ins Arbeitsleben werden die Bezeichnungen<br />
‚Jugendsozialarbeit’ und ‚Jugendberufshilfe’ benutzt.“<br />
(Braun, Lex 2006, S. 59)<br />
Übereinstimmend mit dem im Kapitel 3.2 erläuterten Verständnis von Berufsorientierung<br />
als von Jugendlichen selbstbestimmt zu bewältigender<br />
Prozess wird im SGB VIII das Recht jedes jungen Menschen „auf Förderung<br />
seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen<br />
und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ festgehalten (Sozialgesetzbuch:<br />
Achtes Buch (VIII) 2008, §1, Abs. 1). Zum Ausdruck kommt diese Zielstellung<br />
auch in der Beschreibung der Aufgabenfelder der Jugendsozialarbeit.<br />
Demnach befördert diese den Erwerb von Kompetenzen, „regt zur Akzeptanz<br />
unterschiedlicher Lebensziele und Lebensentwürfe an“, „beteiligt junge<br />
Menschen am Bildungsprozess und fördert selbstinitiierte und selbstverantwortliche<br />
Bildungsprozesse“, „unterstützt als eigenständiger Lernort mit<br />
vielfältigen methodischen und didaktischen Ansätzen soziales Lernen und<br />
knüpft dabei an die Lebenswelten junger Menschen an“, „schafft neben<br />
Schule und Familie Möglichkeiten für ein lebenslanges Lernen als eine Voraussetzung<br />
für die persönliche Entwicklung, die aktive Mitgestaltung der<br />
Gesellschaft und die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung“<br />
(Sächsisches Landesamt für Familie und Soziales 2002, S. 5 f.). Als Zielgruppen<br />
der Jugendberufshilfe stehen vorrangig Jugendliche, „die zum<br />
Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller<br />
Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind“<br />
(Sozialgesetzbuch: Achtes Buch (VIII) 2008, §13, Abs. 1), d. h. junge Menschen,<br />
die an der Bildungsinstitution Schule (Schulverweigerer, Schulabbrecher)<br />
oder am Berufsbildungssystem und Arbeitsmarkt scheitern (vgl. von<br />
Wensierski et al. 2005, S. 23 f.) im Mittelpunkt. Jugendsozialarbeit auf Basis<br />
des SGB VIII wird unter kommunaler Koordinierung zumeist außerschulisch<br />
„von Verbänden, Gruppen und Initiativen der Jugend, von anderen<br />
Trägern der Jugendarbeit und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe“<br />
(Sozialgesetzbuch: Achtes Buch (VIII) 2008, §11, Abs. 2) angeboten. Neben<br />
der außerschulischen berufsorientierenden Arbeit werden die definier-<br />
125
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
ten Zielstellungen jedoch auch innerhalb der Institution Schule in Form der<br />
Schulsozialarbeit verfolgt. Die Schulsozialarbeit ist eine Leistung der Jugendhilfe<br />
nach §13 SGB VIII in Verbindung mit §1 Abs. 3 SGB VIII. Sozialpädagogische<br />
Fachkräfte arbeiten dabei mit Lehrenden an Schulen zusammen,<br />
„um junge Menschen in ihrer individuellen, sozialen, schulischen und beruflichen<br />
Entwicklung zu fördern, Bildungsbenachteiligungen zu vermeiden<br />
und abzubauen, Erziehungsberechtigte und LehrerInnen bei der Erziehung<br />
und dem erzieherischen Kinder- und Jugendschutz zu beraten<br />
und zu unterstützen sowie zu einer schüler-freundlichen Umwelt beizutragen.<br />
Zu den sozialpädagogischen Angeboten und Hilfen der Schulsozialarbeit<br />
gehören insbesondere die Beratung und Begleitung von einzelnen<br />
SchülerInnen, die sozialpädagogische Gruppenarbeit, die Zusammenarbeit<br />
mit und Beratung der LehrerInnen und Erziehungsberechtigten,<br />
offene Gesprächs-, Kontakt- und Freizeitangebote, die Mitwirkung<br />
in Unterrichtsprojekten und in schulischen Gremien sowie die Kooperation<br />
und Vernetzung mit dem Gemeinwesen“ (Speck 2005, S. 103).<br />
Konkrete Inhalte der Ausgestaltung von Schulsozialarbeit sind fokussiert<br />
auf: Hilfen zur Alltags- und Lebensbewältigung, das Vorbeugen von Schulversagen,<br />
die Integration statt Selektion und die Förderung von Eigeninitiative,<br />
sozialer Kompetenz und Mitbestimmung (vgl. Sächsisches Landesamt<br />
für Familie und Soziales 2003, S. 10), worin erneut deutliche Schnittstellen<br />
zum definierten ganzheitlichen Verständnis der Berufsorientierung liegen.<br />
Ob die Schulsozialarbeit in einer Schule eingerichtet wird, ist abhängig von<br />
den sozialpädagogischen Erfordernissen und ihrer Eignung für die Zusammenarbeit<br />
mit der Jugendhilfe, die beispielsweise an Schulentwicklungsprozessen,<br />
an der Öffnung der Schule nach Außen und in den Erfahrungen<br />
in der Kooperation mit externen Institutionen zum Ausdruck<br />
kommt.<br />
Das SGB XII orientiert sich an den Problemlagen sozial und individuell beeinträchtigter<br />
Menschen. Auch wenn die Berufsorientierung hier nicht explizit<br />
hervorgehoben ist, sind dennoch Hilfen zur Bewältigung verschiedener<br />
Lebenslagen sowie zur Mündung in einen Arbeitsplatz festgelegt. Darunter<br />
fallen u. a. eine individuelle außerschulische Beratung und Betreuung<br />
(vgl. Sozialgesetzbuch: Zwölftes Buch (XII) 2009, §11).<br />
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Handwerksammern<br />
(HWK) setzen sich entsprechend des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) sowie dem<br />
Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HwO) ebenfalls für die Berufsorientierung<br />
ein (vgl. BBiG 2005, §76, Abs. 1; vgl. HwO 2009, §41a, Abs. 1). Durch die<br />
sogenannte Ausbildungsberatung in den Kammern werden Gruppenge-<br />
126
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
spräche in Schulklassen und individuelle Einzelgespräche angeboten.<br />
Darüber hinaus richten die Kammern u. a. auch spezifische Aktionstage,<br />
Bildungsmessen, Tage der offenen Tür und Mentoringprogramme aus und<br />
publizieren verschiedene Informationsmaterialien und Datenbanken im<br />
Kontext der Berufsorientierung. Durch die engen Kontakte zu Betrieben<br />
übernehmen sie auch eine Sensibilisierungsfunktion hinsichtlich einer vorausschauenden<br />
Fachkräftesicherung und wirken so in indirekter Form bei<br />
der Berufsorientierung.<br />
Parallel zu den gesetzlichen Grundlagen wird didaktisches Handeln im Feld<br />
der Berufsorientierung auf der Bundesebene durch verschiedene Reformen<br />
der Europäischen Union52 sowie der Bundesregierung und durch die<br />
daraus resultierenden Programmrichtlinien der Bundesministerien beeinflusst.<br />
1998 wurde das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit<br />
eingerichtet, um Reformen in zentralen wirtschafts-, arbeitsmarktund<br />
gesellschaftspolitisch bedeutsamen Bereichen voranzubringen. Damit<br />
verbunden waren und sind eine Reihe von Richtlinien mit Förderschwerpunkten<br />
zur beruflichen Orientierung. Durch die Bundesministerien wurden<br />
auf finanzieller Basis des Europäischen Sozialfonds (ESF) in den letzten<br />
Jahren zahlreiche Förderprogramme initiiert, wovon ausgewählte nachfolgend<br />
in zeitlich chronologischer Reihenfolge vorgestellt werden. 53<br />
Nachhaltige Prägung erfuhr die Berufsorientierung durch das Programm<br />
„Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben“ des Bundesministeriums für Bildung und<br />
Forschung (BMBF). Anliegen des von 1999 bis 2007 laufenden Programms<br />
war es, Jugendliche<br />
„ihren Erfahrungen entsprechend und praxisnah auf die Anforderungen<br />
der Berufs- und Arbeitswelt vorzubereiten sowie in selbstständiger Auseinandersetzung<br />
an berufsorientiertes ökonomisches Denken und Handeln<br />
heranzuführen“ (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
2003, S. o. S.).<br />
Deutschlandweit wurden 46 Projekte, u. a. bei Gewerkschaften, Stiftungen<br />
und Unternehmensverbänden verortet, gefördert. Die zentrale Zielsetzung<br />
fand in vielfältigen Projektgegenständen in den Kategorien „Förderung<br />
52 Beispielhaft zu nennen ist die 2009 durch den EU-Ministerrat für Bildung, Jugend, Kultur beschlossene<br />
Jugendstrategie der Europäischen Union für die Jahre 2010 bis 2018. Im Aktionsfeld<br />
„Beschäftigung und Unternehmergeist“ wird der Gestaltung von Übergängen, zum Beispiel zwischen<br />
Schule und Beruf, sowie dem Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit von jungen Menschen,<br />
Gewicht eingeräumt (vgl. Rat der Europäischen Union 2009, S. 6).<br />
53 Eine detaillierte Übersicht zu den Programmen der einzelnen Ministerien findet sich auf den<br />
Internetseiten zum Europäischen Sozialfonds Deutschland (vgl. Bundesregierung o. J.).<br />
127
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
vorberuflicher Handlungskompetenz“, „neue Kooperationsformen zwischen<br />
Schule und Arbeitswelt“, „Förderung besonderer Gruppen an der<br />
‚ersten Schwelle’“, „innovative Berufsvorbildung unter Nutzung des Internet“<br />
sowie „systematische Entwicklung und Organisation von Berufsorientierung<br />
im Schulalltag“ Einbindung (Famulla et al. 2003, S. 7). 54 Im Rahmen<br />
des Programms entwickelte und erprobte Instrumente, wie der Berufswahlpass<br />
(vgl. Kapitel 6.3.4.1), werden heute bundesweit genutzt.<br />
Um benachteiligten jungen Menschen Ausbildungschancen zu eröffnen,<br />
wurde das BMBF-Programm „Kompetenzen fördern - Berufliche Qualifizierung für<br />
Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf“ eingerichtet. Darüber hinaus sollte die<br />
Sensibilisierung und Qualifizierung von Akteuren im Feld der Benachteiligtenförderung<br />
gestärkt, die Optimierung vorhandener Fördermaßnahmen<br />
unterstützt und die Vernetzung von Trägern vorangetrieben werden. Als<br />
Schlüsselthemen fungierten parallel zur Berufsorientierung u. a. die Erweiterung<br />
des Berufswahlspektrums und die Kompetenzfeststellung. Von 2001<br />
bis 2006 erfolgte die Förderung von bundesweit 137 Projekten angegliedert<br />
bei Jugendhilfeträgern, Bildungsträgern, Stadtverwaltungen, Hochschulen<br />
u. a. (vgl. Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt<br />
2005, S. 6 ff.).<br />
Ziel des Programms „Lernende Regionen - Förderung von Netzwerken“ des<br />
BMBF war es, die Kooperation zwischen Bildungsanbietern und -nachfragenden<br />
(Individuen, Betriebe etc.) sowie anderen regionalen Akteuren<br />
(z. B. Jugend- und Arbeitsämter) auszubauen. Die Motivation und Befähigung<br />
zum selbständigen Lernen sollten so gefördert und die Orientierung<br />
an den Nutzenden von Bildungsangeboten optimiert werden. Inhaltlich<br />
konzentrierte sich das Programm auf die Themenschwerpunkte „Bildungsberatung“,<br />
„Neue Lernwelten“, „Lernen in und mit KMU“, „Kommunale<br />
Kooperationen mit Lernenden Regionen“ sowie „Übergangsmanagement“<br />
(vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2008e, S. 6 ff.). Gerade<br />
im Rahmen des letzten Schwerpunktes wurde die Berufsorientierung<br />
methodisch vielfältig, z. B. mittels Projekt- und Laborarbeit, Patenschaften<br />
oder Seminaren realisiert (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
2004, S. 55 f.; Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und<br />
Raumfahrt 2005, S. 149 ff.). Zwischen 2001 und 2008 erhielten bundesweit<br />
bis zu 76 Regionen mit Netzwerken bestehend aus kommunalen Einrichtungen,<br />
Hochschulen, Jugendhilfe- und Bildungsträgern, u. a. eine Förderung.<br />
54 Zur Einordnung und zu den Zielsetzungen des Programms vgl. auch Wissenschaftliche Begleitung<br />
2008a, S. 11 ff.<br />
128
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Mit Schwerpunkt auf den neuen Bundesländern lief von 2003 bis 2004 das<br />
Programm „Wir … hier und jetzt“ des Bundesministeriums für Familie,<br />
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Ziel war es, Jugendlichen Perspektiven<br />
aufzuzeigen, ihre Eigeninitiative zu unterstützen und damit der<br />
Abwanderungswelle junger Menschen entgegen zu wirken. Zu den<br />
Schwerpunkten zählten das Förderprogramm „Lokales Handeln für Beschäftigung“,<br />
das Jugendprogramm „Zeitensprünge“, der Ideenwettbewerb<br />
„Perspektive“ sowie die Förderwettbewerbe „Was wir wollen, bekommen<br />
wir auch hin“ und „Berufsfrühorientierung“, die insbesondere auf die Aktivierung<br />
von Jugendlichen der 7. bis 9. Klassen und auf Vermittlung von<br />
praktischen Berufserfahrungen ausgerichtet waren. Rund 13.000 Jugendliche<br />
haben sich in mehr als 400 Projekten von Jugendhilfeträgern oder<br />
Schulen am Programm beteiligt (vgl. Stiftung Demokratische Jugend o. J.,<br />
o. S.).<br />
Leistungsorientierte und motivierte Schülerinnen und Schüler des Hauptschulzweiges,<br />
die nach dem Schulabschluss eine Berufsausbildung beginnen<br />
wollen, sind Zielgruppe des Programms „Zeig, was du kannst! - Erfolgreich ins<br />
Berufsleben starten“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und<br />
der Stiftung der Deutschen Wirtschaft e. V. (sdw). Ziel ist es, die Ausbildungsreife<br />
von Jugendlichen zu verbessern und sie in der Phase des Übergangs<br />
von der Schule in die Arbeitswelt zu unterstützen. Zu den Methoden<br />
des Programms gehört neben Seminaren und Feriencamps auch das Mentoring.<br />
Insgesamt 360 Jugendliche aus 20 Schulen aus den vier Projektregionen<br />
Berlin, Bremen, Düsseldorf und München werden in den letzten beiden<br />
Schuljahren und im ersten Jahr der Berufsausbildung intensiv beraten<br />
und begleitet, damit sie die zu ihnen passende Berufsausbildung finden und<br />
diese erfolgreich abschließen können. Die Laufzeit des Programms erstreckt<br />
sich von 2007 bis 2012 (vgl. Stiftung der Deutschen Wirtschaft e. V.<br />
o. J., o. S.).<br />
Die seit 2008 im Programm „Berufsorientierung in überbetrieblichen und vergleichbaren<br />
Berufsbildungsstätten“ (BOP) des Bundesministeriums für Bildung und<br />
Forschung geförderte frühzeitige, praxisbezogene Berufsorientierung soll<br />
Schülerinnen und Schülern ab der 8. Klasse und mit Interesse für eine betriebliche<br />
Berufsausbildung im Handwerk den Übergang von der Schule in<br />
eine Berufsausbildung erleichtern und damit einen wirksamen Beitrag zur<br />
Verringerung der Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne<br />
Schulabschluss bzw. ohne Aussicht auf einen Ausbildungsplatz leisten. Mit<br />
dem Programm werden jährlich bis zu 50.000 Euro für 80 Stunden umfassende<br />
Berufsorientierungsmaßnahmen, z. B. in den Berufsausbildungsstätten<br />
der Kammern oder bei Bildungsträgern ermöglicht (vgl. Bundesminis-<br />
129
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
terium für Bildung und Forschung 2008b, S. 1). Im Fokus stehen Potenzialanalysen<br />
und Werkstattarbeit im Kontext verschiedener Berufsbereiche.<br />
Zertifikate mit Aussagen zu Neigungen und Eignungen, zu vorhandenen<br />
Grundqualifikationen und handwerklichen Fähigkeiten, individuellen Stärken<br />
und Entwicklungspotenzialen werden dem Jugendlichen nach Abschluss<br />
als Entscheidungshilfe im Berufsorientierungsprozess zur Verfügung<br />
gestellt (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2008c,<br />
o. S.).<br />
Die 2010 gestartete Initiative „Bildungsketten“ des Bundesministeriums für<br />
Bildung und Forschung zielt auf die Vermeidung von Schulabbrüchen, die<br />
Verbesserung des Übergangs in die duale Berufsausbildung und die Fachkräftesicherung.<br />
Erstmals werden neue und bestehende Förderinstrumente<br />
in einem Programm zusammengeführt, um regionale Ein- und Anpassungen<br />
vorzunehmen und so den normativen Rahmen der Berufsorientierung<br />
und des Übergangssystems stärker zu strukturieren und zu systematisieren.<br />
Ausgangspunkt bilden Potenzialanalysen von Schülerinnen und Schülern<br />
ab der 7. Klasse, auf deren Basis mit individuellen schulischen und außerschulischen<br />
Begleitmaßnahmen reagiert werden soll. Genutzt werden soll<br />
hier unter anderem das BMBF-Berufsorientierungsprogramm „BOP“<br />
(siehe oben), welches auf 100.000 Jugendliche jährlich ausgeweitet wird.<br />
Zur Dokumentation der Berufsorientierungsaktivitäten wird von Seiten des<br />
Programms die Einbindung des „Berufswahlpasses“ (vgl. Kapitel 6.3.4.1)<br />
empfohlen. Zur Initiative „Bildungsketten“ gehört auch das seit 2009 umgesetzte<br />
Programm „Berufseinstiegsbegleitung“ (vgl. vorangegangene Abschnitte).<br />
Bis zu 1.000 zusätzliche hauptamtliche Berufseinstiegsbegleiterinnen<br />
und -begleiter sollen bis zu 30.000 förderungsbedürftige Schüler<br />
und Schülerinnen aus Hauptschulklassen betreuen und die deutschlandweit<br />
bereits aktive Berufseinstiegsbegleitung der Bundesagentur für Arbeit ergänzen.<br />
Weitere 1.000 Praktiker mit Berufsbildungserfahrung des „Senioren<br />
Experten Service“ werden zur Betreuung während der Berufsausbildung<br />
eingesetzt (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
2010b, o. S.).<br />
Neben den aufgeführten Programmen beinhalten eine Vielzahl weiterer<br />
Förderrichtlinien Bezugspunkte zur Berufsorientierung. Dazu zählen u. a.<br />
� die Programme „Jobstarter“ (Laufzeit 2005 bis 2013) und „JobstarterConnect“<br />
(Laufzeit 2009 bis 2015) des Bundesministeriums für Bildung<br />
und Forschung (BMBF),<br />
� das Programm „Perspektive Berufsabschluss“ des Bundesministeriums für<br />
Bildung und Forschung (BMBF, Laufzeit 2008 bis 2013),<br />
130
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
� die Initiative „Jugend stärken“ mit den Programmen „Kompetenzagenturen“,<br />
„Schulverweigerung – Die 2. Chance“, „Stärken vor Ort“ und „Jugendmigrationsdienste“<br />
des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen<br />
und Jugend (BMFSFJ, Laufzeit der Initiative 2008 bis 201155), � das Programm „Soziale Stadt - Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier<br />
(BIWAQ)“ der Bundesbehörde für Verkehr, Bauwesen, Städtebau und<br />
Raumordnung sowie das Wohnungswesen (BMVBS, Laufzeit 2008 bis<br />
2015).<br />
Neben Bundesregierung und Ministerien prägen auch Verbände und Stiftungen<br />
die auf Bundesebene gesetzte normative Struktur der Berufsorientierung.<br />
Um die berufliche Orientierung in den Schulprogrammen zu stärken,<br />
worauf im Folgeabschnitt noch eingegangen wird, und die Qualität schulischer<br />
Prozesse der Berufsorientierung zu sichern, wurde im Jahr 2000 56<br />
das Berufswahl-Siegel durch ein gleichnamiges Netzwerk unter der Leitung<br />
der Bertelsmann Stiftung geschaffen. Am Siegel wird der Einfluss von<br />
Normen, aber auch Fakten und Formen auf die Bedingungs- und Entscheidungsfelder<br />
der Berufsorientierung sowie bestehenden Interdependenzen<br />
entsprechend der Gedanken Heimanns gut sichtbar. Grundlage des<br />
Berufswahl-Siegels sind vom Netzwerk definierte Ziele von Berufsorientierung<br />
im allgemeinbildenden Schulwesen auf deren Basis die Zertifizierung<br />
der berufsorientierenden Konzepte und Angebote von Schulen vorgenommen<br />
werden kann (vgl. Brauer-Schröder et al. o. J., S. 1). Nach dem<br />
Verständnis des Netzwerkes gehören neben der Vermittlung von Kenntnissen<br />
im Unterricht auch die Verankerung der Berufsorientierung als<br />
Grundprinzip im Schulleitbild und bei den Schulmitgliedern – insbesondere<br />
der Schulleitung und die Manifestierung dieser Denkhaltung in einer<br />
Fächer- und Jahrgangsstufen übergreifenden Konzeption zu Standards der<br />
Berufsorientierung (vgl. ebd., S. 6). Das Schulkonzept soll wissenschaftliche<br />
Erkenntnisse (u. a. Berufswahltheorien als bedingungssetzende Faktoren)<br />
widerspiegeln und fortlaufend einer kritischen Reflexion und Anpassung in<br />
einem Dialog der Schule mit ihrer Umwelt und ihren Mitgliedern unterzogen<br />
werden. Dies setzt nach Brauer-Schröder et al. voraus, dass die Schule<br />
in ein Netzwerk mit externen Partnerinnen und Partnern aus der Arbeits-<br />
55 Die integrierten Programme haben unterschiedliche Laufzeiten. So arbeiten die Kompetenzagenturen<br />
bereits seit 2002 (vgl. Lippegaus-Grünau et al. 2010b, S. 20).<br />
56 Das Berufswahl-Siegel wurde im Jahr 2000 in Ostwestfalen entwickelt und in den folgenden<br />
Jahren erfolgreich erprobt und in andere Bundesländer transferiert. Im Jahr 2005 wurde das<br />
Netzwerk Berufswahl-Siegel gegründet, „um gemeinsame Interessen und Standards festzulegen,<br />
Informationsaustausch zu gewährleisten und das Projekt weiter zu entwickeln.“ (Wieland 2005,<br />
S. 11)<br />
131
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
und Berufswelt sowie weiterführenden Bildungseinrichtungen und anderen<br />
außerschulischen Akteuren (z. B. Eltern, Wirtschaft, Kommune, berufsorientierende<br />
Jugendbildung) eingebunden ist (vgl. ebd.), die wiederum<br />
durch ihre jeweilige Institutionenspezifik Einfluss auf die Ausgestaltung der<br />
Entscheidungsfelder der Berufsorientierung haben. Unabdingbar ist des<br />
Weiteren eine regelmäßige schulinterne Weiterbildung der Lehrenden zur<br />
Berufsorientierung. Schulen, die den mit dem Berufswahl-Siegel einhergehenden<br />
Anforderungen an eine gelungene Berufsorientierung gerecht<br />
werden, tragen Sorge, dass Schülerinnen und Schüler<br />
132<br />
„die eigenen Interessen kennen, Feedback über Stärken und Schwächen<br />
bekommen, reflektieren und im Prozess der Berufswahl berücksichtigen,<br />
Ansprechpartner in der Schule und darüber hinaus finden, schulintern beraten<br />
werden und Zugang zu externen Beratungsangeboten bekommen,<br />
Erfahrungen in der Arbeitswelt sammeln und bewerten, bei ihrer Berufsorientierung<br />
unterstützt und begleitet werden“ (ebd., S. 7).<br />
Informationen und Erfahrungen sollen von den Jugendlichen zielbewusst<br />
zur Entscheidungsfindung genutzt werden können.<br />
Parallel zu den mit dem Berufswahl-Siegel verbundenen Qualitätskriterien<br />
existieren eine Reihe weiterer Standards, denen gemeinsam ist, die Qualität<br />
von Interventionen zur Berufsorientierung zu entwickeln, zu messen und<br />
zu vergleichen. Dazu gehören u. a. die „Qualitätsleitlinien zu Berufsorientierungsprozessen<br />
von Schülerinnen und Schülern“ (vgl. Bohlen, Rosner<br />
2007) sowie die „Qualitätsstandards zur Kompetenzfeststellung im Übergang<br />
Schule – Beruf“ (vgl. Druckrey 2007). 57 Einen Überblick zu Stiftungsaktivitäten,<br />
wie dem „Hauptschulpreis“ der Hertie-Stiftung oder dem Programm<br />
„SENTA! Schule, Entwicklung, Arbeit“ der Robert Bosch Stiftung<br />
vermitteln Lippegaus-Grünau et al. (vgl. Lippegaus-Grünau et al. 2010a,<br />
S. 89 ff.).<br />
Arbeitnehmerverbände, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die<br />
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) oder die Industriegewerkschaft<br />
Metall bestimmen mittels Kampagnen (z. B. Initiative „Ausbildung<br />
für alle“ des DGB und weiterer Gewerkschaften) oder durch Mitwirkung<br />
57 Eine zusammenfassende Übersicht denkbarer Qualitätskriterien differenziert nach Standards<br />
zur pädagogischen Haltung (z. B. Lebensweltbezug, Subjektorientierung), zur Einbindung der<br />
Angebote (z. B. Kooperation, Sozialraumorientierung), zur Kompetenzfeststellung und<br />
-entwicklung, zu Anforderungen aus der Arbeitswelt und der Gesellschaft (z. B. praktische Erprobung,<br />
Erfahrungen in der realen Arbeitswelt), zur individuellen Auseinandersetzung und Planung<br />
(z. B. sozialpädagogische Begleitung, Berufseinstiegsbegleitung) und zur Professionalität<br />
und Effizienz gibt der Deutsche paritätische Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V. (vgl.<br />
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband 2009, S. 80).
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
an strategischen und konzeptionellen Leitlinien die Berufsorientierung mit.<br />
Zum Teil führen sie auch selbst Interventionen zur Berufsorientierung<br />
durch. Analog zu den Arbeitnehmerverbänden engagieren sich auch Arbeitgeber-<br />
und Wirtschaftsverbände (z. B. mit Medien wie dem Berufsinfomobil<br />
des Gesamtverbandes der Arbeitgeberverbände der Metall- und<br />
Elektro-Industrie e. V.) für die Berufsorientierung.<br />
6.4.2 Normen auf Landesebene<br />
Parallel zur Bundesebene geben auch auf der Landesebene eine Reihe gesetzlicher<br />
Grundlagen der Berufsorientierung eine normative Struktur. Zu<br />
nennen sind hier einerseits die Schulgesetze, Lehrpläne und Verwaltungsvorschriften<br />
der einzelnen Bundesländer. Andererseits wird die Ausrichtung der Berufsorientierung<br />
durch landesspezifische Handlungsrichtlinien und Förderprogramme<br />
beeinflusst. Entsprechend den für diese Arbeit zur Verfügung stehenden<br />
Ressourcen wird nicht das gesamte Spektrum der Verankerung der Berufsorientierung<br />
in den Bundesländern beleuchtet, sondern vorrangig mit exemplarischen<br />
Beispielen gearbeitet.<br />
In den Schulgesetzen der Bundesländer sind der generelle Erziehungs- und<br />
Bildungsauftrag der Schule sowie die spezifischen Schwerpunkte einzelner<br />
Schulformen festgelegt. Die Berufsorientierung ist dabei mehr oder weniger<br />
zentral beschrieben. So soll schulische Bildung nach dem Schulgesetz für<br />
den Freistaat Sachsen (SchulG) zu beruflichem Können, Lebensorientierung<br />
und Persönlichkeitsentwicklung sowie der selbstbestimmten und verantwortungsbewussten<br />
Anwendung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />
beitragen und Freude an einem lebenslangen Lernen wecken (vgl.<br />
Schulgesetz für den Freistaat Sachsen 2008, §1, Abs. 2). Im Niedersächsischen<br />
Schulgesetz (NSchG) heißt es zum Erziehungs- und Bildungsauftrag<br />
der Schule:<br />
„Die Schülerinnen und Schüler sollen fähig werden, … ökonomische<br />
und ökologische Zusammenhänge zu erfassen, … sich im Berufsleben<br />
zu behaupten und das soziale Leben verantwortlich mitzugestalten.“<br />
(NSchG 2009, §2, Abs. 1)<br />
Im Schulgesetz für das Land Berlin ist formuliert:<br />
„Die Schule soll Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werthaltungen<br />
vermitteln, die die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen,<br />
ihre Entscheidungen selbstständig zu treffen und selbstständig weiterzulernen,<br />
um berufliche und persönliche Entwicklungsaufgaben zu bewältigen,<br />
das eigene Leben aktiv zu gestalten, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen,<br />
kulturellen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen und<br />
die Zukunft der Gesellschaft mitzuformen.“ (SchulG 2009, §3, Abs. 1)<br />
133
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Auffällig ist hier die hohe Übereinstimmung mit dem Wortlaut der aktuellen<br />
Definitionen zur Berufsorientierung, woran die Schnittstellen zwischen<br />
Normen und Fakten deutlich werden. Weiter heißt es in der Beschreibung<br />
des Bildungsauftrages:<br />
134<br />
„Die allgemein bildende Schule führt in die Arbeits- und Berufswelt ein<br />
und trägt in Zusammenarbeit mit den anderen Stellen zur Vorbereitung<br />
der Schülerinnen und Schüler auf Berufswahl und Berufsausübung sowie<br />
auf die Arbeit in der Familie und in anderen sozialen Zusammenhängen<br />
bei.“ (SchulG 2009, §4, Abs. 7)<br />
Aussagen zur Vorbereitung auf verschiedene Berufswege finden sich in<br />
schulformspezifischen Paragraphen der einzelnen Schulgesetze, wie am<br />
Beispiel des Freistaates Sachsen im folgenden Kapitel 6.4.3 zu sehen sein<br />
wird.<br />
Die Verwirklichung des Erziehungs- und Bildungsauftrages soll unterstützt<br />
durch ein schuleigenes pädagogisches Konzept, festgehalten in einem<br />
Schulprogramm erfolgen (vgl. SchulG 2008, §1, Abs. 3; vgl. NSchG 2009,<br />
§32, Abs. 2; vgl. SchulG 2009, §4, Abs. 6). Erfüllt wird er auf der Grundlage<br />
von Lehrplänen. Diese bestimmen die leitenden Ideen und die Standards<br />
der Unterrichtsfächer, die Unterrichtsinhalte, die zum Erreichen erforderlich<br />
sind sowie die verbindlichen allgemeinen und fachlichen Qualifikationsziele.<br />
Analog zu den beispielhaft aufgeführten Schulgesetzen ist auch<br />
in den Lehrplänen ein deutlicher Anspruch zur Integration arbeitsweltrelevanter<br />
Themen in die allgemeinbildenden Schulen ablesbar. Bereits in der<br />
Grundschule sind berufs- und arbeitsorientierte Lerninhalte im Kontext<br />
des Sachunterrichts verankert. Näher betrachtet wird jedoch deutlich, dass<br />
die Curricula der Bundesländer für die beiden Sekundarstufen zwar berufliche<br />
Orientierung vorsehen, diese allerdings bis heute nicht für alle Schulstufen<br />
in identischem Maße und didaktisch einheitlich verankert ist. 58 Ein<br />
eigenständiges Fach ‚Berufsorientierung’ existiert in keinem Bundesland.<br />
Berufliche Orientierung ist in den Haupt-, Gesamt- und Sonderschulen, in<br />
den Sekundar- und Regelschulen sowie Real- und Mittelschulen Bestandteil<br />
des Faches oder Fächerverbundes Arbeitslehre (z. B. Brandenburg, Berlin,<br />
Saarland; vgl. Hedtke, Weber 2008) oder in einem Fach, Fächerverbund<br />
oder mehreren Fächern mit gesellschaftswissenschaftlichem Bezug (z. B.<br />
Wirtschaft/Technik/Haushalt-Soziales in Sachsen, Politik/Wirtschaft in<br />
Hessen; vgl. Hedtke, Weber 2008) verankert. Sie spielt vor allem in Abschlussklassen<br />
eine Rolle und schließt Methoden wie Betriebserkundungen<br />
58 Zur Einbindung der Berufsorientierung in den Lehrplänen der unterschiedlichen Schulformen<br />
siehe die Lehrplandatenbank von Hedke und Weber (Hedtke, Weber 2008).
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
und Betriebspraktika ein. Am Gymnasium findet sich die Berufsorientierung<br />
in einem oder mehreren Fächern neben den Fachinhalten, denen Priorität<br />
beigemessen wird, wieder (z. B. Politik und Soziologie in Bremen;<br />
vgl. Hedtke, Weber 2008). Stellenwert hat sie insbesondere in den abschließenden<br />
Klassen der Sekundarstufe I u. a. in Form des Betriebspraktikums,<br />
von Orientierungsseminaren oder Expertengesprächen (vgl. Müller 2002,<br />
S. 183; vgl. Dedering 2002, S. 27 f.; vgl. Dedering 2005, S. 217). Trotzdem<br />
werden vor allem im gymnasialen Bereich eine stärkere Offenheit und eine<br />
intensivere Auseinandersetzung mit der Berufsorientierung gefordert, denn<br />
die Wahl eines Studienfaches ist nur in Kenntnis potenzieller Arbeitsanforderungen<br />
und Arbeitsfelder und den dazu erforderlichen Qualifikationen<br />
sinnvoll und berufslaufbahnbezogen nachhaltig. Als Sozialisationsinstanz<br />
trägt das Gymnasium zur Entfaltung der Persönlichkeit und zur Identitätsbildung<br />
bei, befördert die Entwicklung und Festigung von Interessen und<br />
Wertvorstellungen und bestätigt Fähigkeiten und das Leistungsvermögen<br />
(vgl. Freimuth 1994, S. 35 f.). Gerade Interessen und persönliche<br />
Leistungsstärken sind aber wesentliche Kriterien für die Wahl von Kursen<br />
in der gymnasialen Oberstufe, die wiederum richtungsweisend für die Auswahl<br />
von Studiengängen sind. Das Gymnasium hat damit nicht nur direkt,<br />
sondern auch indirekt berufsorientierenden Charakter und schränkt durch<br />
die Wahl und Abwahl von Kursen frühzeitig die Studien- und damit Berufsrichtung<br />
ein. Abel untersuchte in einer retrospektiven Befragung von<br />
Studierenden Gründe für deren Wahl von Kursen und Studiengängen und<br />
stellte fest, dass bei ca. 34% der Befragten eine Übereinstimmung von<br />
schulischen Kursen und Studienfächern besteht, bei 9% lag eine Affinität<br />
vor. Bei Studiengängen wie Mathematik, Biologie, Englisch und Deutsch<br />
belegten 90% der Befragten einen entsprechenden Leistungskurs in der<br />
Sekundarstufe II (vgl. Abel 2001, o. S. zitiert von Driesel-Lange et al. 2006,<br />
S. 4 f.). Hinzu kommt, dass sich zahlreiche Abiturientinnen und Abiturienten<br />
um Berufsausbildungsstellen bemühen, entweder als alleinige Ausbildungsoption<br />
oder einem Studium vorangehend, und dass das Abitur, trotz<br />
gegenläufiger Appelle an Unternehmen, eine Eingangsvoraussetzung für<br />
stark nachgefragte Lehrberufe ist.<br />
Die Probleme Jugendlicher im Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt,<br />
aber beispielsweise auch die Ergebnisse internationaler Studien wie PISA<br />
und TIMSS gaben den Kultusministerien der Länder verstärkt Anstoß zur<br />
Überarbeitung der Lehrpläne. 59 Neue Fächer, neue Fächerverbünde, schul-<br />
59 Änderungen in den Lehrplänen können mittels der Lehrplandatenbank von Hedke und Weber<br />
nachvollzogen werden (vgl. Hedtke, Weber 2008).<br />
135
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
artspezifische Akzente, ganztägige schulische Angebote an vielen Schulen<br />
sowie außerunterrichtliche Projekte in der Kooperation verschiedener Fächer<br />
sind einige Ergebnisse der Entwicklung.<br />
Ergänzend zu Schulgesetzen und Lehrplänen existiert in den Bundesländern<br />
eine Reihe von Verwaltungsvorschriften, die Konsequenzen für didaktisches<br />
Handeln im Bereich der Berufsorientierung nach sich ziehen. Sie<br />
konzentrieren sich auf die generelle Umsetzung von Berufsorientierung<br />
(vgl. VV Berufsorientierung 2007) oder auf Schwerpunkte wie die Durchführung<br />
von Betriebspraktika. So werden in den Verwaltungsvorschriften<br />
des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus (vgl. VwV-Betriebspraktika<br />
2000) oder des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-<br />
Württemberg (vgl. Verwaltungsvorschrift für Praktika 2007) u. a. Aussagen<br />
zu Zielen, zeitlichem Umfang und Dauer, zur Verortung in Klassenstufen<br />
und damit Zielgruppen, zu geeigneten Unternehmen und zur formellen<br />
Organisation von Betriebspraktika getroffen.<br />
Darzustellen sind weiterhin ergänzende Landesabkommen zur „Rahmenvereinbarung<br />
über die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung“ zwischen der Kultusministerkonferenz<br />
und der Bundesanstalt für Arbeit (vgl. Kapitel 5.2).<br />
Sie enthalten mit den jeweiligen Schulgesetzen konforme und auf die spezifischen<br />
regionalen Bedingungen ausgerichtete Festlegungen zu Intentionen,<br />
Inhalten, Methoden und Medien sowie zu in die Berufsorientierung einzubeziehende<br />
Akteure (vgl. Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt et<br />
al. 2007; vgl. Bayerisches Staatsministerium 2006). Abgezeichnet sind<br />
Kooperationspapiere dieser Art zumeist durch das für die schulische Allgemeinbildung<br />
zuständige Ministerium und die jeweilige Regionaldirektion<br />
der Bundesagentur für Arbeit. Doch nicht nur mittels dieser Vereinbarungen,<br />
auch auf der Grundlage konzeptioneller Leitlinien erfährt die Berufsorientierung<br />
auf Landesebene Untersetzung. Beispielhaft anzuführen sind<br />
hier die „Qualitätsstandards zur Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit<br />
bei der Schaffung und Besetzung von Ausbildungsplätzen in Hessen<br />
(OloV)“, das „Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt“ Schleswig-<br />
Holstein oder die „Sächsische Strategie der Berufs- und Studienorientierung“.<br />
Die Hessischen Qualitätsstandards wurden initiiert durch die Partner des<br />
Hessischen Ausbildungspaktes, u. a. die Hessische Landesregierung, die<br />
Arbeitsgemeinschaft hessischer Industrie- und Handelskammern, die Arbeitsgemeinschaft<br />
der Hessischen Handwerkskammern, die Vereinigung<br />
der hessischen Unternehmerverbände, der Regionaldirektion Hessen der<br />
Bundesagentur für Arbeit (vgl. Hessisches Ministerium 2007, S. 7). Sie um-<br />
136
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
fassen neben Qualitätsstandards für die „Akquise von Ausbildungs- und<br />
Praktikumsplätzen“ sowie für den „Prozess Matching und Vermittlung“<br />
auch Standards für den „Prozess der Berufsorientierung mit Förderung der<br />
Ausbildungsreife“ (vgl. ebd., S. 16 ff.). Die Qualitätsstandards werden als<br />
Grundlage für eine mittel- und langfristige Qualitätsentwicklung in den jeweiligen<br />
Themenbereichen eingesetzt. In Hinblick auf die Berufsorientierung<br />
sind neben Zielstellungen und Inhalten auch Hinweise zur methodischen<br />
Gestaltung z. B. von Praktika, Praxistagen und Bewerbungstrainings<br />
formuliert (vgl. ebd., S. 32 ff.). Die Umsetzung der Qualitätsstandards<br />
im Feld der Berufsorientierung konzentriert sich auf Jugendliche der<br />
siebten Klasse an allgemeinbildenden Schulen und auf Schülerinnen und<br />
Schüler in berufsvorbereitenden und -qualifizierenden Maßnahmen an beruflichen<br />
Schulen (vgl. ebd., S. 22 f.).<br />
Dahingegen wird im schleswig-holsteinischen Handlungskonzept der<br />
Schwerpunkt auf Jugendliche ab der achten Klasse an Haupt- und Förderschulen<br />
gesetzt (vgl. Ministerium für Justiz et al. o. J., S. 3 und S. 8). Mit<br />
dem Leitpapier haben sich die beiden für Bildung und Arbeitsmarktpolitik<br />
verantwortlichen Ressorts der Landesregierung Schleswig-Holsteins „auf<br />
zeitnah umsetzbare und finanzierbare Maßnahmen“ zur Erhöhung der<br />
Ausbildungsreife festgelegt (vgl. ebd., S. 4). Hervorhebung finden u. a. Methoden<br />
wie Coaching, Berufsfelderprobung und Berufsfelderkundung, die<br />
als Handlungsfelder der Landesstrategie bezeichnet werden. Den Handlungsfeldern<br />
zugeordnet sind Zielbeschreibungen sowie Vorgaben zur<br />
inhaltlichen Untersetzung (vgl. ebd., S. 8 f.).<br />
Weitreichende Konsequenzen für didaktisches Handeln im Feld der Berufsorientierung<br />
zieht auch die „Sächsische Strategie der Berufs- und Studienorientierung“,<br />
festgehalten in der 2009 geschlossenen „Vereinbarung<br />
zur Zusammenarbeit der Sächsischen Staatsregierung und der Regionaldirektion<br />
der Bundesagentur für Arbeit in Sachsen für den Bereich der Berufs-<br />
und Studienorientierung“ nach sich. Die Verankerung der Berufsorientierung<br />
im Freistaat Sachsen soll im nächsten Kapitel intensiver nachgezeichnet<br />
werden. Zum einen, weil sich mit Blick auf die Vereinbarung<br />
der Einfluss normbildender Faktoren auf die Bedingungs- und Entscheidungsfelder<br />
in seiner Komplexität in geeigneter Weise exemplarisch darstellen<br />
lässt. Zum anderen, weil das Bundesland als Untersuchungsgebiet für<br />
die in diese Arbeit integrierten primärstatistischen Untersuchungen dient.<br />
Neben landesspezifischen Handlungsrichtlinien bilden auch die bereits in Kapitel<br />
6.3.3.1 erwähnten Landeshochschulgesetze einen normenbildenen Faktor für<br />
die Umsetzung der Berufsorientierung. Sie regeln die Inhalte der Studien-<br />
137
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
beratung als Teil der Orientierung auf ein Studium. So liegt es in Verantwortung<br />
der Hochschulen Studienbewerberinnen und -bewerber über die<br />
Studienmöglichkeiten und über die Inhalte, den Aufbau und die Anforderungen<br />
eines Studiums zu informieren (vgl. BbgHG 2005, §11; vgl.<br />
BayHSchG 2009, §60). Gleichfalls wird durch die Gesetze eine Zusammenarbeit<br />
zwischen Studienberatung und Berufsberatung gefordert und<br />
damit die „Gemeinsame Empfehlung zur Zusammenarbeit von Schule, Berufsberatung<br />
und Studienberatung in der gymnasialen Oberstufe und in berufsbildenden Schulen“<br />
durch die Kultusministerkonferenz, die Bundesanstalt für Arbeit und die<br />
Hochschulrektorenkonferenz aufgegriffen (vgl. Kapitel 5.2). Studienberatung<br />
richtet sich ausschließlich an Abiturientinnen und Abiturienten und<br />
kann schulisch und außerschulisch implementiert sein.<br />
Abschließend anzuführen sind die Auflage und Ausgestaltung landesspezifischer<br />
Förderprogramme für die Berufsorientierung auf finanzieller Grundlage des Europäischen<br />
Sozialfonds. Auswirkungen auf didaktisches Handeln ergeben sich<br />
insbesondere aus den in den Richtlinien formulierten Aussagen zu Zielgruppen,<br />
Zielen und Rahmenbedingungen wie bspw. finanzielle Ressourcen.<br />
Aufgrund der Vielzahl verschiedener Richtlinien mit Bezug zur Berufsorientierung<br />
in jedem Bundesland sei hier auf die im nachfolgenden<br />
Kapitel angeführten exemplarischen Beispiele des Freistaates Sachsen verwiesen.<br />
6.4.3 Beispiel: Steuerung der Berufsorientierung<br />
im Freistaat Sachsen<br />
Die „Vereinbarung zur Zusammenarbeit der Sächsischen Staatsregierung und der Regionaldirektion<br />
der Bundesagentur für Arbeit in Sachsen für den Bereich der Berufs-<br />
und Studienorientierung“ knüpft an den Kontrakt zwischen dem Sächsischen<br />
Staatsministerium für Kultus und der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur<br />
für Arbeit vom 08.09.2005 an. Im Vergleich zu analogen Vereinbarungen<br />
anderer Bundesländer ist die ministeriumsübergreifende Legitimierung<br />
des Kooperationspapieres hervorzuheben. Als wesentliche Intentionen<br />
des gemeinsamen Wirkens sind die Orientierung und Beratung hin<br />
auf einen direkten Übergang nach der Schule in eine Berufsausbildung oder<br />
ein Studium festgeschrieben. Eingeschlossen in diese Zielsetzungen sind<br />
neben der Förderung der Ausbildungsreife und Berufswahlreife von<br />
Jugendlichen auch die Verringerung von Berufsausbildungs- und Studienabbrüchen<br />
(vgl. Bundesagentur für Arbeit et al. 2009, S. 2). Dem in Kapitel<br />
3.2 erläuterten derzeitigen Verständnis von Berufsorientierung wird mit<br />
138
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
einer breiten Spanne an Zielgruppen Rechnung getragen. Adressaten didaktischen<br />
Handelns auf der Grundlage der Vereinbarung sind Schülerinnen<br />
und Schüler der beiden Sekundarstufen der allgemeinbildenden Schularten,<br />
interessierte Studienbewerber, Studierende und Absolventinnen und Absolventen<br />
der Hochschulen und der Berufsakademien Sachsens. Erreicht<br />
werden soll das formulierte Anliegen durch verschiedene Komponenten,<br />
bezeichnet als „Sächsische Strategie der Berufs- und Studienorientierung“. Auf der<br />
Ebene der Intentionen umfasst diese Kernziele der Berufsorientierung für<br />
die Klassenstufen der drei Schularten Förderschule, Mittelschule (die in<br />
Sachsen Hauptschul- und Realschulbildungsgang integriert) und Gymnasium.<br />
Auf der Inhaltsebene wurden Lehrplanbezüge zur Berufsorientierung<br />
herausgearbeitet. Der Berufswahlpass wird als die Berufsorientierung<br />
unterstützendes Medium eingesetzt. Mit dem Charakter von Normen<br />
fungieren Standards für schuleigene Konzepte, ein Qualitätssiegel sowie<br />
Qualitätskriterien für die Berufsorientierung (vgl. ebd., S. 3). Die einzelnen<br />
Elemente der „Sächsischen Strategie der Berufs- und Studienorientierung“<br />
werden in den folgenden Kapiteln erläutert. Federführend umgesetzt wird<br />
die Strategie durch die vom Sächsischen Staatsministerium für Kultus zu<br />
Beginn des Jahres 2008 eingerichtete Landesservicestelle Schule-Wirtschaft.<br />
Bis Ende 2010 wurde diese unterstützt durch sogenannte Regionalteams,<br />
die mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Initiative Südwestsachsen<br />
e. V., dem Wirtschaftsforum Sächsisches Elbland e. V. und der Initiative<br />
B.O.S.S. Mitteldeutschland sowie Beraterinnen und Beratern Schule-<br />
Wirtschaft der Sächsischen Bildungsagentur sowie für den Berufswahlpass<br />
besetzt waren. 60 Unter Berücksichtigung regionaler Bedarfe und Entwicklungsschwerpunkte<br />
bestand die Aufgabe der Regionalteams in der<br />
„Entwicklung von Regionalstrategien zur Bündelung vorhandener und<br />
ggf. Initiierung neuer Aktivitäten, Vernetzung von Schule-Wirtschaft-<br />
Projekten in der Region, Entwicklung einer regionalen Informations- und<br />
Kommunikationskultur, Koordinierung der Projekt-träger“ (Sächsisches<br />
Staatsministerium für Kultus o. J.).<br />
Zur Weiterentwicklung und Umsetzung der Strategie sind zusätzlich<br />
ressortspezifische und gemeinsame Beiträge der einzelnen Paktpartner vorgesehen.<br />
Auf Seiten der Ministerien gehören u. a.<br />
60 Seit Beginn des Jahres 2011 arbeiten lediglich die Beraterinnen und Berater Schule-Wirtschaft<br />
der Sächsischen Bildungsagentur in bewährter Form an der Umsetzung der Strategie.<br />
139
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
� die Beratung und Zusammenführung von Akteuren in der Berufsund<br />
Studienorientierung, die Beratung bei der inhaltlichen Ausrichtung<br />
von Aktivitäten unter Berücksichtigung des regionalen Bedarfes<br />
(Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport - SMK),<br />
� eine Fokussierung auf die Wirtschaft und Gewinnung dieser als<br />
zentralen Akteur im Rahmen der Berufs- und Studienorientierung<br />
(Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit - SMWA),<br />
� die Umsetzung von Maßnahmen zur Sensibilisierung für geschlechtssensible<br />
Ansätze aller Akteure der Berufs- und Studienorientierung<br />
(Sächsisches Staatsministerium für Soziales - SMS)<br />
zu den Verantwortlichkeiten (vgl. Bundesagentur für Arbeit et al. 2009,<br />
S. 4). Durch die Ministerien erfolgt auch die Erstellung und Veröffentlichung<br />
von Förderrichtlinien auf Grundlage des Europäischen Sozialfonds,<br />
in denen Förderschwerpunkte zur Berufsorientierung definiert sind.<br />
Der damit gegebene normative Rahmen ist durch die unterschiedlichen<br />
Institutionen und ihre hauptsächlichen Ziele geprägt. Je nach Ministerium<br />
differieren die jeweiligen Förderaspekte, wie die nachfolgenden Beispiele<br />
verdeutlichen.<br />
Bei den Richtlinien des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus und<br />
Sport steht neben einer intensiveren Ausrichtung der Berufsorientierung<br />
auf mehr Praxisnähe eine höhere Kontinuität und Systematik in den Angeboten<br />
sowie eine Vernetzung von Akteuren im Vordergrund. Unter anderem<br />
werden Projekte mit folgender Schwerpunktsetzung gefördert:<br />
� „Erschließung von Synergieeffekten durch Bündelung und<br />
Koordinierung verschiedener Aktivitäten<br />
� Hinwirken auf die Verringerung von Fehlentscheidungen bei der<br />
Berufs- und Studienwahl von Schülern durch Vermittlung von<br />
realistischen Vorstellungen von Berufsbildern und Kenntnissen<br />
des wirtschaftlichen Bedarfs von Unternehmen sowie ihrer Anforderungen<br />
an Mitarbeiter<br />
� Erhöhung der Motivation der Schüler für unternehmerisches und<br />
selbstverantwortliches Handeln<br />
� Verbesserung und Intensivierung von Beratungsleistungen der<br />
Berufs- und Studienorientierung in qualitativer und quantitativer<br />
Hinsicht<br />
� Abbau geschlechtsspezifischer Vorbehalte gegenüber naturwissenschaftlichen<br />
und technischen Berufen und Studiengängen“<br />
(SMK-ESF-Richtlinie 2009, S. 12)<br />
140
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Im Mittelpunkt der Richtlinie der Sächsischen Staatsministerien für Wirtschaft<br />
und Arbeit und für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) steht die<br />
Steigerung des Engagements der Wirtschaft für die Berufsorientierung. Gefördert<br />
werden Projekte auf Initiative und zur Unterstützung von Unternehmen<br />
bei der Berufsorientierung sowie zur Identifizierung und zum<br />
Transfer von gelungenen Praxisbeispielen bei Unternehmen (vgl. ESF-<br />
Richtlinie Berufliche Bildung 2009, S. 15).<br />
Die Förderung von Berufswahlreife, die Ablösung geschlechtsspezifischen<br />
Berufswahlverhaltens sowie ein verbesserter Zugang zu Beschäftigung und<br />
sozialer Eingliederung von Benachteiligten durch Erhöhung ihrer Beschäftigungsfähigkeit<br />
werden in der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums<br />
für Soziales und des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und<br />
Landwirtschaft forciert (vgl. ESF-Richtlinie SMS/SMUL 2007, S. 19).<br />
Die Richtlinien liefern einerseits klar definierte Vorgaben zu Intentionen<br />
und Inhalten, zum Teil auch zu Methoden und Medien. Andererseits ergeben<br />
sich auch Konsequenzen in Hinblick auf Zielgruppen sowie interne<br />
und externe institutionelle Bedingungen. Grundsätzlich wird Berufsorientierung<br />
über den ESF nur für Schülerinnen und Schüler der 7. bis 12. Klassen<br />
gefördert. Je nach Richtlinie ergeben sich weitere Einschränkungen. So<br />
ist die Umsetzung von Berufsorientierung auf Basis der letztgenannten<br />
Richtlinie des SMS und des SMUL ausschließlich außerhalb von schulischen<br />
Abläufen (Ferien- und Freizeit) möglich. Resultierend aus den getroffenen<br />
Festlegungen zu Zuwendungsempfängern (z. B. Schulen, Jugendhilfe-<br />
und Bildungsträger oder Unternehmen), zu Art und Umfang<br />
sowie Höhe der Zuwendung ergeben sich Unterschiede hinsichtlich institutioneller<br />
Bedingungen, die auf die Umsetzung von Interventionen auf<br />
Grundlage der Richtlinien Einfluss nehmen.<br />
Die Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit sowie die zuständigen<br />
Agenturen für Arbeit verpflichten sich zur Erstellung und Umsetzung<br />
von agenturspezifischen Berufsorientierungskonzepten unter Einbeziehung<br />
der Träger der Grundsicherung (Jobcenter oder Optionskommunen)<br />
und der Schulen. Dazu gehört die Umsetzung eines Mindestangebotes<br />
zur Berufsorientierung spezifiziert nach den Schularten sowie von<br />
optionalen und zusätzlichen Angeboten, die von Seiten der Agenturen für<br />
Arbeit oder durch beauftragte Dritte realisiert werden (vgl. Ausführungen<br />
zu §33 und §421s SGB III im Kapitel 6.4.1). Jeder Schule ist eine Beratungsfachkraft<br />
der Agentur für Arbeit zugeteilt, die in Abstimmung mit<br />
dieser das agenturspezifische Berufsorientierungskonzept umsetzt. Das insgesamt<br />
vier (Förderschulen) oder sechs Unterrichtsstunden (Mittelschulen<br />
141
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
und Gymnasien) umfassende Mindestangebot sieht die Durchführung von<br />
Schulsprechstunden in den Vorabgangs- oder Abgangsklassen vor (am<br />
Gymnasium in der Klasser 10 oder in der Kursstufe 11). Die Beratungskräfte<br />
informieren über berufliche Möglichkeiten und über den Ausbildungs-<br />
und Arbeitsmarkt, zeigen wichtige Termine im Berufswahlprozess<br />
und das Dienstleistungsspektrum der Bundesagentur für Arbeit auf. Auch<br />
ein Besuch im Berufsinformationszentrum (BiZ) und in Abhängigkeit von<br />
der Schulart ein Elternabend in der Vorabgangs- oder Abgangsklasse gehören<br />
zum Mindestangebot. Optional und zusätzlich kann das Mindestangebot<br />
um weitere Elternabende, Schulsprechstunden, Projekttagen, Berufsorientierungsseminare<br />
etc. erweitert werden (vgl. Bundesagentur für Arbeit<br />
et al. 2009, S. 5 und 12 ff.).<br />
Zu den gemeinsamen Aufgaben der Ministerien und der Bundesagentur für<br />
Arbeit sind regelmäßige Abstimmungen zu ausgewählten bildungs- und arbeitsmarktpolitischen<br />
Schwerpunkten, die Initiierung, Planung und Erarbeitung<br />
von inhaltlichen Rahmenvorgaben für Projekte der Berufs- und<br />
Studienorientierung, die Umsetzung gemeinsamer Veranstaltungen oder<br />
Erarbeitung und Abstimmung eines gemeinsamen Weiterbildungskonzeptes<br />
für Lehrkräfte sowie Berufsberatungsfachkräfte zuzuordnen<br />
(vgl. ebd., S. 25 ff.)<br />
Über die „Vereinbarung zur Zusammenarbeit der Sächsischen Staatsregierung<br />
und der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Sachsen<br />
für den Bereich der Berufs- und Studienorientierung“ und die „Sächsische<br />
Strategie der Berufs- und Studienorientierung“ hinausgehend erhält die Berufsorientierung<br />
auch Impulse von Seiten diverser Gremien, die auf<br />
Landesebene aktiv sind. Dazu zählen das Kollegium „Berufsbildung und<br />
Fachkräfte für Sachsen“, die Landesarbeitsgemeinschaft Schule-Wirtschaft<br />
Sachsen (LAS) oder der Landesarbeitskreis Jugendberufshilfe (LAK JBH).<br />
Zusätzlich arbeiten auf regionaler Ebene zahlreiche Netzwerke mit dem<br />
Arbeitsschwerpunkt der Berufsorientierung. Ihre Gründung resultiert<br />
häufig aus in den Regionen identifizierten Problemen und Handlungsbedarfen.<br />
Auf dieser Basis werden Handlungsschritte und Interventionen<br />
im Feld der Berufsorientierung abgestimmt und gemeinsam angegangen.<br />
6.4.3.1 Kernziele und Lehrplanbezüge<br />
Grundlage für die systematische Gestaltung der Berufsorientierung in den<br />
einzelnen Klassenstufen der Schularten bilden die in Tabelle 2 abgebildeten<br />
Kernziele zur Förderung von Berufswahlreife, Ausbildungsreife bzw.<br />
Hochschulreife.<br />
142
Tabelle 2: Kernziele der Klassenstufen<br />
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
143
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
144
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Beginnend ab der fünften Klassenstufe ordnen sich die Zielstellungen in<br />
eine Sensibilisierungsphase sowie eine Reflexionsphase ein, welche die<br />
Komponenten „informieren“, „sich ausrichten“, „konkretisieren“ und<br />
„entscheiden“ enthalten. Die Ziele sind so strukturiert, dass Anknüpfungspunkte<br />
an die Arbeitswelt praxisnaher und intensiver werden, je näher das<br />
Verlassen der Schule rückt. Durch die Berücksichtigung von Diskontinuitäten<br />
bspw. hinsichtlich Berufswünschen erhält das idealtypische Schema eine<br />
Individualisierung sowie einen stärkeren Realitätsbezug. So wird u. a. das<br />
Erfordernis berufliche Alternativen und Überbrückungsmöglichkeiten zu<br />
kennen mitbedacht.<br />
In der Förderschule, der Mittelschule und dem Gymnasium sollen Wirtschaftswissen<br />
und Kenntnisse über die Arbeitswelt sowohl unterrichtsfachbezogen<br />
als auch fachübergreifend vermittelt werden. Berufsbezogene<br />
und arbeitsweltbezogene Inhaltsaspekte sowie persönlichkeitsbezogene berufsbiografische<br />
Inhaltsaspekte sind in zahlreichen Lernbereichen des<br />
Lehrplanes der unterschiedlichen Schularten, Klassenstufen und Fächer<br />
vorgesehen.<br />
Aus der Reihe der Förderschultypen61 wird insbesondere in den Schulen<br />
zur Lernförderung62 auf die Entwicklung von praktischen Fähigkeiten und<br />
Fertigkeiten Wert gelegt (vgl. Sächsisches Staatsministerium für Kultus und<br />
Sport 2010b, S. 16). Anknüpfungspunkte für die Berufsorientierung bieten<br />
die Fächer Ethik, Deutsch und in Klasse acht und neun verstärkt auch Mathematik,<br />
Gemeinschaftskunde bzw. Rechtserziehung, Hauswirtschaft und<br />
Arbeitslehre (vgl. Tabelle 3).<br />
Sowohl in Ethik als auch in Deutsch ist ab Klassenstufe sieben der Lernbereich<br />
„Leben in der Gemeinschaft“ im Lehrplan verankert, der Inhalte zu<br />
den Lebensphasen Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter und zu beruflichen<br />
Zukunftsplänen vorsieht. Darüber hinaus sind Einblicke in berufliche<br />
Tätigkeiten, die Vorstellung von Berufsfeldern verschiedene Erwerbsformen,<br />
aber auch Arbeitslosigkeit als Unterrichtsthemen integriert. Ebenfalls<br />
ab der siebten Klasse wird das „Vorbereiten auf Beruf und Arbeit“<br />
61 Laut Sächsischem Schulgesetz werden acht Förderschultypen unterschieden, die der Unterrichtung<br />
von Schülerinnen und Schülern, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen, dienen.<br />
Hierzu zählen Schulen für Blinde und Sehbehinderte, Schulen für Hörgeschädigte, Schulen<br />
für geistig Behinderte, Schulen für Körperbehinderte, Schulen zur Lernförderung, Sprachheilschulen,<br />
Schulen für Erziehungshilfe, Klinik- und Krankenhausschulen (vgl. SchulG 2008, §13,<br />
Abs. 1).<br />
62 Schulen zur Lernförderung sind auf Schüler mit Schwierigkeiten „im Lern- und Leistungsverhalten,<br />
der Sprache, der Wahrnehmung und im Sozialverhalten“ spezialisiert (Sächsisches Staatsministerium<br />
für Kultus und Sport 2010b, S. 16).<br />
145
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
(Lernbereich 7) im Fach Deutsch unterstützt. Hier stehen die Entwicklung<br />
beruflicher Vorstellungen oder die Erstellung von Bewerbungsunterlagen<br />
im Mittelpunkt. Den inhaltlichen Komplex ergänzend, werden im Fach<br />
Gemeinschaftskunde die Interessen und Fähigkeiten sowie dazu passende<br />
realistische Perspektiven auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, aber<br />
auch Informationen zum Berufsausbildungsvertrag thematisiert (Lernbereich<br />
3 „Vorbereiten auf Beruf und Arbeit“). Die Erarbeitung eines realistischen<br />
Selbstkonzeptes findet sowohl in Hauswirtschaft (Lernbereich 3<br />
„Berufsorientierung“) als auch in der Arbeitslehre (Lernbereich 2 „Berufs-<br />
und Arbeitswelt“) ab Klasse acht Einbindung (vgl. Landesarbeitsstelle<br />
Schule – Jugendhilfe Sachsen e. V. o. J.c).<br />
Tabelle 3: Anknüpfungspunkte für Berufsorientierung im Lehrplan sächsischer Schulen<br />
zur Lernförderung<br />
146<br />
Fach Fachinhalte mit Bezug zur Berufsorientierung<br />
Ethik<br />
(Klassen 7/8/9)<br />
Informatik<br />
(Klassen 8/9)<br />
Deutsch<br />
(Klassen 7/8/9)<br />
Hauswirtschaft<br />
(Klasse 7/8/9)<br />
Arbeitslehre<br />
(Klassen 7/8/9)<br />
Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung<br />
(Klassen 8/9)<br />
� Kennen von Berufen und Formen der Erwerbstätigkeit<br />
� Auseinandersetzung mit Zukunftsplänen<br />
� Kennenlernen des Einflusses der Entwicklung von Computertechnik<br />
auf die Lebens- und Arbeitswelt – veränderte Berufsbilder,<br />
Lebensperspektiven<br />
� Erstellung von Bewerbungsschreiben und tabellarischem<br />
Lebenslauf<br />
� zielgerichtete Informationsgewinnung – Internetrecherche und<br />
Suchstrategien für Stellenangebote<br />
� Gestalten von Bewerbungsunterlagen und -gesprächen<br />
� Kennen von Bezeichnungen ausgewählter Geräte, Werkzeuge<br />
� Entwicklung eines realistischen Selbstkonzeptes und von<br />
beruflichen Vorstellungen<br />
� Ausdrücken von Neigungen und Interessen<br />
� Kennen von Aspekten der Erwerbsarbeit – Berufsbilder, Ausbildungswege<br />
und Einrichtungen<br />
� Überlegungen zur individuellen Erwerbsbiografie<br />
� Realistisches Selbstkonzept – Interessen und Fähigkeiten<br />
� Gewinnen von Einblicken in berufliche Tätigkeiten, Berufsfelder<br />
� Beurteilen eigener Verhaltensweisen und Einstellungen<br />
� praxisorientiertes Lernen in Betrieben oder Werkstätten der Schule<br />
� Kennen von Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit und Entwicklung<br />
realistischer Perspektiven, Aneignen von Kenntnissen über<br />
Chancen und Risiken des europäischen Arbeitsmarktes<br />
� Ausbildungsvertrag<br />
Quellen: Eigene Darstellung; vgl. Landesarbeitsstelle Schule – Jugendhilfe Sachsen e. V. o. J.c
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Für Jugendliche aus Lernförderschulen ist ein vierzehntägiges Betriebspraktikum<br />
in der Klassenstufe 8 oder 9 vorgesehen (vgl. VwV-Betriebspraktika<br />
2000, §4, Abs. 2). „Die Betriebspraktika sollen den Schülern die Möglichkeit<br />
bieten, die Berufs- und Arbeitswelt unmittelbar kennenzulernen und<br />
dadurch die Berufswahl erleichtern.“ (ebd., §2, Abs. 1)<br />
Der Auftrag der Mittelschule wird formuliert als Vermittlung einer allgemeinen<br />
und berufsvorbereitenden Bildung sowie dem Schaffen von Voraussetzungen<br />
für eine berufliche Qualifizierung (vgl. SchulG 2008, §6,<br />
Abs. 1). Berufliche Orientierung ist demnach das Ziel aller Fächer. Maßgeblich<br />
konturiert wurde das Profil der Mittelschule durch den Modellversuch<br />
„Die Mittelschule im Freistaat Sachsen“ der Bund-Länder-<br />
Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) 63. Das<br />
in diesem Rahmen entstandene Profilkonzept, welches im Schuljahr<br />
2003/2004 an sächsischen Mittelschulen eingeführt wurde, umfasst in erster<br />
Linie die Komponenten:<br />
� Technik/Computer (TC) in der Klassenstufe 5 und 6 mit acht<br />
Wochenstunden,<br />
� Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales (WTH) in der Klassenstufe 7<br />
bis 9 mit acht Wochenstunden und dem Anspruch praxisorientierte<br />
Bezüge zur Lebens- und Arbeitswelt und realitätsnahe Berufsorientierung<br />
in Kooperation mit der Wirtschaft zu gewährleisten sowie kontinuierlich<br />
und systematisch auf die Berufswahl vorzubereiten,<br />
� Neigungskurse in den Klassenstufen 7 bis 9 mit sechs Wochenstunden<br />
zur individuellen Förderung von Neigungen, Interessen und Begabungen<br />
und Angeboten entsprechend den materiellen und personellen<br />
Schulressourcen,<br />
� Vertiefungskurse in der Klassenstufe 10 mit drei Wochenstunden in<br />
den Fachbereichen Wirtschaft, Technik, Kunst und Kultur oder Gesundheit<br />
und Soziales – je nach Neigungen und Fähigkeiten,<br />
� Komplexarbeit mit den Elementen planen, realisieren, dokumentieren,<br />
präsentieren und verteidigen (vgl. Sächsisches Staatsministerium für<br />
Kultus 2009, S. 5 ff.).<br />
Anknüpfungspunkte für die Berufsorientierung sind im Fächerkanon der<br />
Mittelschule neben den genannten Fächern auch in Deutsch, Englisch,<br />
Ethik oder Mathematik zu finden (vgl. Tabelle 4).<br />
63 Für weitere Informationen vgl. Sächsisches Staatsinstitut für Bildung und Schulentwicklung<br />
1996.<br />
147
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Tabelle 4: Anknüpfungspunkte für Berufsorientierung im Lehrplan sächsischer Mittelschulen<br />
Fach Fachinhalte mit Bezug zur Berufsorientierung<br />
Technik und � Vorstellen und Beschreiben von Berufen<br />
Computer<br />
(Klassen 5/6)<br />
Ethik/Religion � Erkennen des Zusammenhangs zwischen Beruf und<br />
(Klassen<br />
Lebensplanung<br />
7/8/9/10) � Auseinandersetzen mit den Themen ehrenamtliche Tätigkeit und<br />
Helfen<br />
Fach Informatik � Beschaffen von berufskundlichen Informationen über das Internet<br />
(Klassen<br />
� Erstellen von Online-Bewerbungen<br />
7/8/9/10)<br />
Deutsch<br />
� Erstellen von Bewerbungsunterlagen, Trainieren von Bewerbungs-<br />
(Klassen<br />
situationen<br />
7/8/9/10) � Beherrschen von Methoden der Informationsbeschaffung<br />
� Anwenden von sprachlichen und gestalterischen Mitteln zum<br />
Schreiben eigener Zeitungsartikel für die Schülerzeitung (z. B. über<br />
Berufe, berufliche Interessen)<br />
� Beherrschen der Anforderungen von Prüfungssituationen und Vorstellungsgesprächen<br />
– Zusammenarbeit mit Firmen und Behörden<br />
Englisch<br />
� Anfertigen von Lebenslauf und Bewerbungsschreiben<br />
(Klassen 8/9) � Erwerben von Kenntnissen über europäische<br />
Bildungsmöglichkeiten<br />
Mathematik � Berechnen von Lebenserhaltungskosten, Führen eines<br />
(Klassen 8/9/10) Haushaltsbuches<br />
� Lesen und Prüfen von Rechnungen<br />
� Beurteilen von Gründen für Kreditaufnahme, von verschiedenen<br />
Kreditangeboten und Tilgungsplänen<br />
Wirtschaft- � Kennen von Grundlagen der ökonomischen Bildung<br />
Technik-<br />
� Kennen der Bedingungen der Arbeitswelt<br />
Haushalt/<br />
� Kennen der Berufsausbildungsmöglichkeiten in Deutschland sowie<br />
Soziales (WTH) deren Voraussetzungen<br />
(Klassen 8/9/10) � Analysieren persönlicher Voraussetzungen für Berufe<br />
� Gestalten des Berufsorientierungsprozesses: Berufswunsch und<br />
Alternativen, Zeitplanung, Möglichkeiten der Berufsausbildungsplatzsuche<br />
� Berufsausbildungsvertrag und Grundlagen von<br />
Vertragsabschlüssen<br />
� aktive Teilnahme an Praktika und Erkundungen<br />
Biologie, Physik, � Bezüge zu technisch-naturwissenschaftlich geprägten<br />
Chemie<br />
Berufsbildern<br />
(Klassen 8/9/10)<br />
Geographie � Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten der<br />
(Klassen 8/9/10) Globalisierung<br />
Gemeinschafts- � Erwerben von Kenntnissen über Wirtschaftsordnungen und<br />
kunde/Rechts Wirtschaftssysteme<br />
erziehung<br />
� Aneignen von Kenntnissen über Sozialsysteme und<br />
(Klasse 9/10) Mitbestimmung<br />
Quellen: Eigene Darstellung; vgl. Landesarbeitsstelle Schule – Jugendhilfe Sachsen e. V. o. J.b)<br />
148
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
So wird in Klasse sieben im Fach Deutsch Wissen zur sprachlichen Gestaltung<br />
von eigenen Vorstellungen und Wünschen für die Zukunft vermittelt<br />
(Wahlpflicht 3 „Wünsche zwischen Traum und Wirklichkeit“), welches<br />
auch im Fach Englisch Anwendung findet (Lernbereich „Me and others“).<br />
Hier werden zudem die Arbeitsmöglichkeiten von Jugendlichen in englischsprachigen<br />
Ländern aufgegriffen (Lernbereich „Education and work“).<br />
Zur Schulung der Selbst- und Sozialkompetenz finden sich Ansätze in<br />
Ethik (Lernbereich 1 „Umgang mit Konflikten“). In Klasse acht gewinnt<br />
das Fach Mathematik an Bedeutung. Thematisiert werden beispielsweise<br />
„Wirtschaftliches Rechnen“ (Lernbereich 1), „Mathematik im Alltag“<br />
(Lernbereich 5), „Achtung Schuldenfalle“ (Wahlpflicht 2). Im Deutschunterricht<br />
in der neunten Klasse wird das Beherrschen von Anforderungen in<br />
Prüfungssituationen und in Vorstellungsgesprächen trainiert (Lernbereich 1<br />
„Gewusst wie“). Enge Schnittstellen bestehen zum Lernbereich 1 des<br />
WTH-Unterrichtes „Berufsorientierung II“, in dem Berufswunsch und Alternativen,<br />
Zeitplanung, Möglichkeiten der Ausbildungsplatzsuche, Berufsausbildungsvertrag<br />
etc. thematisiert werden (vgl. Landesarbeitsstelle<br />
Schule – Jugendhilfe Sachsen e. V. o. J.b).<br />
Die bereits erwähnten Neigungskurse bieten über alle Klassenstufen hinweg<br />
inhaltliche Ergänzungsmöglichkeiten, die in Zusammenarbeit mit<br />
außerschulischen Partnern ausgefüllt werden können. In diesem Zusammenhang<br />
ist festzuhalten, dass der Kooperation mit berufsbildenden Schulen<br />
und anderen Partnern der Berufsausbildung in der Mittelschule wachsende<br />
Bedeutung beigemessen wird (vgl. SchulG 2008, §6, Abs. 4). Die Zusammenarbeit<br />
soll das Kennenlernen von Berufsfeldern und das Sammeln<br />
erster praktischer Erfahrungen bei den Jugendlichen befördern. Ein vierzehntägiges<br />
Betriebspraktikum ist für Mittelschülerinnen und Mittelschüler<br />
obligatorisch festgelegt, ein weiteres Praktikum oder Praxistage sind je nach<br />
Ermessen der Schulleitung möglich. Die Realisierung ist für die Klassenstufen<br />
8, 9 oder 10 vorgesehen (vgl. VwV-Betriebspraktika 2000, §4, Abs. 2;<br />
vgl. Sächsisches Staatsministerium für Kultus 2009, S. 7).<br />
In Gymnasien wird der Auftrag verfolgt, „Schülern mit entsprechenden<br />
Begabungen und Bildungsabsichten eine vertiefte allgemeine Bildung, die<br />
für ein Hochschulstudium vorausgesetzt wird“ (SchulG 2008, §7, Abs. 1)<br />
zukommen zu lassen. Sie schaffen gleichfalls „Voraussetzungen für eine<br />
berufliche Ausbildung außerhalb der Hochschule“ (ebd.). Sächsische Gymnasien<br />
bieten gesellschaftswissenschaftliche, naturwissenschaftliche, sprachliche,<br />
künstlerische oder sportliche Profile an (vgl. Sächsisches Staatsministerium<br />
für Kultus 2009, S. 11 ff.). Anknüpfungspunkte für die Berufsorientierung<br />
bestehen auch hier in einer Vielzahl von Fächern (vgl. Tabelle 5).<br />
149
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Tabelle 5: Anknüpfungspunkte für Berufsorientierung im Lehrplan sächsischer Gymnasien<br />
Fach Fachinhalte mit Bezug zur Berufsorientierung<br />
Technik und � Vorstellen und Beschreiben von Berufen<br />
Computer<br />
(Klassen 5/6)<br />
� Anwenden des Sprach- und Sachwissens zum Themenbereich<br />
Education, Jobs and Career sowie Business<br />
Englisch (Klassen/Kursstufe<br />
7/8/9/ 10/11)<br />
Informatik (Klassen/Kursstufen<br />
7/8/9/10/11/12)<br />
Deutsch (Klassen/Kursstufe<br />
8/9/10/11)<br />
Ethik/Religion<br />
(Klasse/Kursstufe<br />
7/8/12)<br />
Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft<br />
(Klasse/<br />
Kursstufe 10/11)<br />
150<br />
� Beschaffen von berufskundlichen Informationen über das<br />
Internet<br />
� Erstellen von Online-Bewerbungen<br />
� Gestalten von Lebenslauf und Bewerbungsschreiben<br />
� Zukunftswünsche, berufliche Vorstellungen<br />
� Anwenden von Grundregeln der Rhetorik in Bezug auf berufs- und<br />
studienorientierende Themen<br />
� Verhalten Jugendlicher auf der Suche nach Identität (eigener Stil,<br />
Lebensziele)<br />
� Auseinandersetzen mit den Themen ehrenamtliche Tätigkeit,<br />
soziales Engagement, Sozialisation in Arbeit und Beruf, Mensch<br />
und Technik, Ethik in der Wirtschaft<br />
� Lebensgestaltung und Sinnsuche<br />
� Kennen der Notwendigkeit von Orientierung in<br />
Krisensituationen (z. B. Arbeitslosigkeit)<br />
� Auseinandersetzung mit Berufs- und Studienorientierung sowie Berufs-<br />
und Studienwahl<br />
� Kennen der Europäischen Union als Möglichkeit individueller und<br />
beruflicher Lebensplanung<br />
� Kennen verschiedener Formen der Erwerbstätigkeit<br />
� Entwickeln eigener Zukunftsvisionen<br />
Quellen: Eigene Darstellung; vgl. Landesarbeitsstelle Schule – Jugendhilfe Sachsen e. V. o. J.a<br />
So wird in Ethik in Klasse sieben u. a. das Verhalten Jugendlicher auf der<br />
Suche nach Identität (Wahlpflicht 1) sowie in Klasse acht eine moderne<br />
Lebensgestaltung und das Verhalten in Krisensituationen, wie der Arbeitslosigkeit<br />
(Lernbereich 3: „Auf der Suche nach Sinn und Orientierung“)<br />
thematisiert. Das Beherrschen von auf das Lernen bezogenen Strategien<br />
und das Organisieren und Beurteilen des eigenen Lernerfolgs (Lernbereich<br />
1) sowie die Anwendung erweiterten Sprach- und Sachwissens zum Thema<br />
„Education, Jobs and Career“ (Lernbereich 3) werden in Englisch in den<br />
Klassen sieben und acht geübt. Fähigkeiten, Interessen und Stärken sowie<br />
Zukunftsvorstellungen sind Inhalte, die im Lehrplan des Faches Deutsch<br />
ab Klasse sieben verankert sind. Kommunikation, beispielsweise in Form<br />
von Vorträgen zu Zukunftswünschen, beruflichen Vorstellungen und Berufsbildern<br />
oder das Schreiben von Bewerbungen spielen ebenso eine gro-
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
ße Rolle (Lernbereich 3 „Lesen und Schreiben“ – Klasse 10 und Lernbereich<br />
3 „Gestalten von Reden“ – Jahrgangsstufe 11; vgl. Landesarbeitsstelle<br />
Schule – Jugendhilfe Sachsen e. V. o. J.a).<br />
Je nach Ermessen der Schulleitung ist am Gymnasium ein Praktikum für<br />
die Klassenstufe 9 oder 10 vorgesehen (vgl. VwV-Betriebspraktika 2000,<br />
§4, Abs. 2). Zusätzlich besteht für Gymnasiastinnen und Gymnasiasten die<br />
Möglichkeit der beruflichen Orientierung, der Erhöhung der Studierfähigkeit<br />
und der Vorbereitung auf ein Hochschulstudium im Rahmen der<br />
Erbringung der sogenannten „Besonderen Lernleistung“ (BeLL). Diese ist<br />
„ein umfassender Beitrag in einem vom Freistaat Sachsen geförderten<br />
Leistungswettbewerb, einem vergleichbaren Bundeswettbewerb oder einem<br />
internationalen Leistungswettbewerb, eine umfangreiche Arbeit mit<br />
wissenschaftspropädeutischem Anspruch, die Aufarbeitung eines umfassenden,<br />
auch fachübergreifenden Projektes oder Praktikums. Der Anspruch,<br />
der mit der Erarbeitung einer Besonderen Lernleistung verbunden<br />
ist, ergibt sich vorrangig aus den Anforderungen, die Hochschulen<br />
und Universitäten an die Studierenden stellen.“ (Sächsisches Staatsministerium<br />
für Kultus und Sport 2010a, S. 16)<br />
6.4.3.2 Berufswahlpass<br />
Ein unterstützendes Instrument für Schule, um Berufsorientierung transparent<br />
zu machen und als einen in sich schlüssigen Prozess zu konzipieren, ist<br />
der Berufswahlpass (vgl. Kapitel 6.3.4.1). Das Arbeitsmittel wurde im<br />
Schuljahr 2006/2007 schrittweise ab der Klassenstufe 7 in die sächsischen<br />
Schulen eingeführt und wird gegenwärtig von 92% der Förderschulen, 84%<br />
der Mittelschulen und 59% der Gymnasien in Sachsen genutzt (vgl. Landesarbeitsstelle<br />
Schule – Jugendhilfe Sachsen e. V. 2011, S. 1). Der Pass<br />
wird in einer Variante für die Berufsorientierung an Mittelschulen und Förderschulen<br />
und in einer Variante für die Studien- und Berufsorientierung<br />
an Gymnasien angeboten, die auf den sächsischen Lehrplan abgestimmt<br />
sind. Berater der Sächsischen Arbeitsstelle für Schule und Jugendhilfe e. V.<br />
unterstützen Schulen bei der Einführung des Passes und bei der Arbeit mit<br />
ihm. Sie geben Anregungen für die Erstellung des schuleigenen lehrplanbezogenen<br />
Arbeitsplanes für die Beruforientierung und erarbeiten gemeinsam<br />
mit Lehrenden schuleigene Musterpässe, die als Orientierungsgrundlage für<br />
die Arbeit mit dem Berufswahlpass dienen können. Schülerinnen und<br />
Schüler sollen mit dem Pass eine Hilfestellung erhalten, ihre Berufsorientierung<br />
zu organisieren, zu reflektieren, zu dokumentieren und damit zu<br />
systematisieren. Der Berufswahlpass ist strukturiert in die vier Teile: „An-<br />
151
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
gebote zur Berufsorientierung“ der Schule und ihrer Partner, „Mein Weg<br />
zur Berufswahl“ als Kernstück des Passes, welches den mehrjährigen Prozess<br />
vom Nachdenken über Stärken und Interessen bis hin zur Berufswahlentscheidung<br />
unterstützt, „Dokumentation“ von Aktivitäten, „Lebensordner“<br />
mit lebenspraktischen Anregungen z. B. für den Umgang mit Geld<br />
oder mit Ämtern (vgl. Landesarbeitsstelle Schule – Jugendhilfe Sachsen<br />
e. V. 2007, S. 8 ff.). Durch die gebündelte Zusammenstellung von Unterlagen<br />
und von Zertifikaten sind Stärken und Kompetenzen, Praktika und<br />
Praxiserfahrungen nicht nur für den Jugendlichen selbst, sondern auch für<br />
die den Berufsorientierungsprozess begleitenden Akteure, wie Eltern, Unternehmen,<br />
Lehrende und Fachkräfte der Berufsberatung, transparenter.<br />
6.4.3.3 Schuleigenes Konzept<br />
Zur Systematisierung der Berufsorientierung sind sächsische Schulen angehalten,<br />
in gemeinsamer Koordination des Lehrerkollegiums ein schuleigenes<br />
Konzept zu entwickeln. Dieses soll sich an den Kernzielen orientieren<br />
und mit den von den Agenturen für Arbeit erstellten Konzepten abgestimmt<br />
sein (vgl. Bundesagentur für Arbeit et al. 2009, S. 10). Das schuleigene<br />
Konzept wird zudem als Voraussetzung für die Arbeit mit dem Berufswahlpass<br />
angesehen. Zur Unterstützung der Erarbeitung und der Umsetzung<br />
werden Informations- und Fortbildungsveranstaltungen sowie<br />
schulspezifische Beratungen von Seiten der Landesservicestelle Schule-<br />
Wirtschaft angeboten. Des Weiteren ist für Schulen eine Reihe von Materialien<br />
abrufbar, die zur Professionalisierung der Berufsorientierungskonzepte<br />
beitragen sollen. Dazu gehören u. a. ein Leitfaden sowie Leitfragen für<br />
die Entwicklung von Berufsorientierungskonzepten, ein Leitfaden zur<br />
Durchführung von Betriebspraktika sowie ein Muster für eine Kooperationsvereinbarung<br />
mit außerschulischen Partnern. Laut Leitfaden steht am<br />
Beginn der Konzepterstellung eine Bestandsaufnahme und Situationsbeschreibung<br />
zu den internen und externen Rahmenbedingungen der Schule<br />
(u. a. Anzahl der Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Klassen personelle<br />
und räumliche Ressourcen, Aktivitäten, Inhalte und Partner der<br />
Berufsorientierung der Schule). Hieran schließt sich eine Bedarfsanalyse,<br />
die eng an eine Zielbeschreibung gekoppelt ist, an. In dieser Phase sollten<br />
aus den bereits bestehenden Aktivitäten Bedarf abgeleitet und die Ergebnisse<br />
in einer Maßnahmeplanung für die Berufsorientierung zusammengeführt<br />
werden. Dabei sind alle Angebote zur beruflichen Orientierung der<br />
Schule nach Klassenstufen zu beachten und systematisch aufeinander aufzubauen.<br />
Ebenso ist der Bezug zum Berufswahlpass sowie zu den an den<br />
152
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Einzelmaßnahmen beteiligten Partnern zu vermerken. Aus dem Maßnahmeplan<br />
ist für jedes Schuljahr ein Arbeitsplan abzuleiten, der Konkretisierungen<br />
zu den Einzelmaßnahmen mit Terminen und Verantwortlichkeiten<br />
erfasst. Die Umsetzung des Konzeptes soll durch die Dokumentation von<br />
Aktivitäten, die Überprüfung der Umsetzung von Vereinbarungen und der<br />
Kernziele der Berufsorientierung sowie durch die Sichtung der Berufswahlpässe<br />
der Schülerinnen und Schüler Überprüfung finden. Schulen sind<br />
zudem aufgefordert, das schuleigene Konzept in regelmäßigen Abständen<br />
auf Relevanz und Aktualität zu beleuchten (vgl. Sächsisches Staatsministerium<br />
für Kultus und Sport o. J.b, S. 1 f.).<br />
6.4.3.4 Qualitätssiegel<br />
Mit dem Ziel, in Schulen die Nachhaltigkeit der Berufsorientierung zu erhöhen<br />
und die Verantwortung der Schule und ihrer Partner zu stärken,<br />
wird durch das Sächsische Staatsministerium für Kultus und Vertretungen<br />
der Wirtschaft seit 2007 das Qualitätssiegel für Berufsorientierung an Förderschulen,<br />
Mittelschulen und Gymnasien verliehen. Das Siegel honoriert<br />
die Gestaltung der Berufs- und Studienorientierung als pädagogische Querschnittsaufgabe<br />
einer Schule. Damit bedingen und ergänzen sich nicht nur<br />
die Arbeit mit dem Berufswahlpass und die Konzeptarbeit gegenseitig,<br />
sondern sie können auch als Grundlage für eine Bewerbung für das Qualitätssiegel<br />
genutzt werden. Ausgezeichnet werden Schulkonzepte, welche<br />
die Förderung der ökonomischen Bildung und die Kompetenzentwicklung<br />
bei den Schülerinnen und Schülern, Praktika, Arbeits- und Lebenswelterkundung<br />
sowie Anschlussorientierung und Übergangsplanung in den<br />
Mittelpunkt stellen (vgl. zu diesem Abschnitt Sächsisches Staatsministerium<br />
für Kultus und Sport o. J.c). Das Siegel ist landesspezifisch ausgerichtet<br />
und findet parallel zum bundesländerübergreifend eingesetzten Berufswahl-<br />
Siegel Anwendung (vgl. Kapitel 6.4.1).<br />
6.4.3.5 Qualitätskriterien<br />
Zum Ausbau der Qualität berufsorientierender Interventionen finden seit<br />
dem Jahr 2009 Qualitätskriterien Einsatz. Sie sind Grundlage für die Bewertung,<br />
Umsetzung und Ergebnissicherung von Maßnahmen. Durch den<br />
verbindlich geschaffenen Maßstab soll einerseits die Durchführungsqualität<br />
von Interventionen langfristig gesteigert und gesichert sowie zur Standardisierung<br />
von Projekten beigetragen werden (vgl. Trojahner 2009, S. 2).<br />
Andererseits besteht von Seiten der Sächsischen Staatsregierung und der<br />
153
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit die Bestrebung,<br />
bei den Akteuren der Berufsorientierung ein landesweit einheitliches Qualitätsverständnis<br />
herzustellen. Gleichzeitig werden von der Anwendung der<br />
Standards eine systematisierende Wirkung und eine Steigerung der Effizienz<br />
in der Kooperation erwartet. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben,<br />
dass im Kontext außerunterrichtlicher Berufsorientierung auf<br />
Schulen die Verantwortung lastet, aus einer Vielzahl von Angeboten und<br />
ihren Trägern auszuwählen. Die Erweiterung des schulischen Angebotsspektrums<br />
ohne dafür ohnehin knappe institutionelle Ressourcen aufbringen<br />
zu müssen, erscheint auf den ersten Blick attraktiv. Jedoch geht mit<br />
der quantitativen Aufstockung nicht immer auch eine qualitative Verbesserung<br />
einher. Die Schule verwehrt sich zudem die Mitgestaltung an der Berufsorientierung<br />
und verliert ihre Autonomie gegenüber Trägern und Förderpolitik<br />
(vgl. Trojahner 2008, S. 1 f.). Die Qualitätskriterien sollen schulischen<br />
Entscheidungsträgern die Auswahl von geeigneten Angeboten erleichtern.<br />
Parallel dazu kommen sie bei der Prüfung von Anträgen zur Förderung<br />
durch den Europäischen Sozialfonds zum Einsatz.<br />
154<br />
„Auf diese Weise entfalten die Kriterien eine Lenkungsfunktion, die nicht<br />
nur die Auswahl der angeboten[!] Projekte und Maßnahmen beeinflusst,<br />
sondern bereits früher greift, indem nur solchen Angeboten Zugang zum<br />
Markt gewährt wird, deren Qualität und Nützlichkeit für die Schulen von<br />
vornherein gegeben ist.“ (Trojahner 2008, S. 2)<br />
Unterschieden werden sieben pädagogische und fünf organisatorische Kriterien,<br />
die in ihrer Kurzform in Tabelle 6 dargelegt sind. Während die pädagogischen<br />
Standards mit Unterrichtsprinzipien vergleichbar sind, entfalten<br />
die organisatorischen Kriterien ihren Stellenwert in Bezug auf die organisatorische<br />
Gestaltung und Ablaufplanung von Interventionen.
Tabelle 6: Qualitätskriterien für die Berufsorientierung im Freistaat Sachsen<br />
II THEORETISCHE ASPEKTE DER BERUFSORIENTIERUNG – 6 Aktuelle didaktische Umsetzung<br />
155
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
III Empirische Analyse der<br />
Wirksamkeit von Berufsorientierungsangeboten<br />
7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
Nach der Analyse konzeptioneller Grundgedanken, theoretischer Erklärungsansätze<br />
und didaktischer Aspekte wird nun im Themenschwerpunkt<br />
III Empirische Analyse der Wirksamkeit von Berufsorientierungsangeboten auf vorliegende<br />
Studien und bisherige Forschungsergebnisse sowie eigene Erhebungen<br />
über Effekte von Orientierungsmaßnahmen eingegangen. Mit der<br />
Überprüfung der Wirksamkeit von Orientierungsangeboten befasst sich die<br />
Evaluationsforschung (vgl. Bortz, Döring 2006, S. 102). Die Grund-<br />
annahmen der Evaluation sind richtungweisend für die hier vorliegende<br />
Untersuchung und sollen daher als erstes Betrachtung finden. Es folgen<br />
Ausführungen zum Forschungsstand und zu Forschungsergebnissen<br />
wirkungsorientierter Evaluation zur Berufsorientierung.<br />
7.1 Theoretische Bezüge innerhalb der<br />
Evaluationsforschung<br />
Der Begriff der Evaluation ist durch ein vielfältiges Bedeutungsverständnis<br />
geprägt. Der Terminus ist nicht allgemein anerkannt definiert und mit ihm<br />
in Verbindung stehende Theorien, Modelle, Verfahrensweisen und Methoden<br />
werden von Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Fachrichtungen<br />
intensiv diskutiert 64. Im Mittelpunkt der Debatte steht dabei vor<br />
allem die Frage, ob die Evaluation eine eigenständige wissenschaftliche<br />
Disziplin oder ein Teilgebiet der empirischen Forschung ist, wonach sich<br />
jeweils unterschiedliche Qualitätsansprüche und Standards ergeben. In<br />
Konsequenz dieses Diskurses arbeiteten mehrere Autorinnen und Autoren<br />
statt einer weiteren Definition allgemeine Kennzeichen wissenschaftlicher<br />
Evaluation heraus, die für die hier realisierten Untersuchungen grundlegend<br />
sind. Demnach besteht nach Wottawa und Thierau ein Konsens darüber,<br />
64 Eine umfangreiche Gegenüberstellung von Evaluationsmodellen, die stark verbreitet oder diskutiert<br />
sind, ist bei Beywl zu finden (vgl. Beywl 2006, S. 97 ff.). Zur Diskussion des Evaluationsbegriffes<br />
vgl. Lames 2000, S. 17 f.; vgl. Lüders 2006, S. 48 f.; vgl. Balzer 2006, S. 123.<br />
157
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
dass Evaluation ziel- und zweckorientiert und bewertend ist sowie sozialwissenschaftliche<br />
Forschungsmethoden systematisch anwendet, d. h. wissenschaftlichen<br />
Kriterien genügt, die auch sonst für empirische Forschungsarbeiten<br />
gelten (vgl. Wottawa, Thierau 1998, S. 14). Unter Zielorientierung<br />
wird hierbei das Anliegen verstanden, „praktische Maßnahmen<br />
zu überprüfen, zu verbessern oder über sie zu entscheiden“ (ebd.). Scheinbar<br />
entgegen steht der Ansatz der zielfreien Evaluation nach Sriven (vgl.<br />
Scriven 1991, S. 180). Nach diesem ist die Beschäftigung mit den Projekt-<br />
oder Programmzielen zu vermeiden bzw. sind diese bei der Evaluation<br />
nicht zu berücksichtigen. Stattdessen hat die Konzentration auf den<br />
Verbraucher oder Nutzer Priorität. Die Begrifflichkeit ist insofern irreführend,<br />
da weder die Evaluation noch die evaluierte Maßnahme zielfrei sind.<br />
Lediglich hat die Suche nach Wirkungen, die direkt durch ein Projekt oder<br />
Programm verursacht wurden, frei von Kenntnis über intendierte und<br />
nichtintendierte Ziele zu erfolgen. Zusätzlich zu den von Wottawa und<br />
Thierau genannten Merkmalen sehen Will et al. eine Konzentration von<br />
Evaluation „auf einzelne Bereiche geplanter, durchgeführter oder abgeschlossener<br />
Maßnahmen, weniger hingegen auf die Messung und Beurteilung<br />
des Verhaltens Einzelner“ als verallgemeinerbares Charakteristikum<br />
(Will et al. 1987, S. 14). Bortz und Döring formulieren in Ergänzung zu<br />
diesen Kennzeichen von Evaluationen folgende zentrale Ziele, Zwecke<br />
oder Funktionen:<br />
158<br />
„1. Erkenntnisfunktion: Evaluationsforschung trägt definitionsgemäß<br />
dazu bei, wissenschaftliche Erkenntnisse über die Eigenschaften<br />
und Wirkungen von Interventionen zu sammeln.<br />
2. Optimierungsfunktion: Wo liegen Stärken der Intervention im Hinblick<br />
auf die Interventionsziele und wie lassen sie sich ausbauen?<br />
Wo liegen Schwächen der Intervention und wie lassen sie sich beseitigen?<br />
3. Kontrollfunktion: Wird das Projekt korrekt umgesetzt? In welchem<br />
Maße (Effektivität) und mit welcher Effizienz (Kosten-Nutzen-<br />
Bilanz) werden die intendierten Wirkungen der Maßnahme (Interventionsziele)<br />
erreicht? Welche nicht intendierten positiven und negativen<br />
Nebenwirkungen treten auf?<br />
4. Entscheidungsfunktion: Soll eine bestimmte Intervention gefördert,<br />
umgesetzt, weiterentwickelt, genutzt etc. werden oder nicht? Welche<br />
von mehreren - vergleichbaren Interventionen soll gefördert,<br />
umgesetzt, weiterentwickelt, genutzt etc. werden?
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
5. Legitimationsfunktion: Sowohl die Durchführung von Evaluationsforschung<br />
als auch ihre Befunde sollen dazu beitragen, die Entwicklung<br />
und Durchführung einer Intervention nach außen zu legitimieren<br />
und vor allem über die Verwendung öffentlicher Gelder Rechenschaft<br />
abzulegen.“ (Bortz, Döring 2006, S. 97) 65<br />
Die Gewichtung dieser Funktionen ist abhängig von Interessen des jeweiligen<br />
Initiators bzw. der Nutzenden der Evaluation und steuert das zu wählende<br />
Evaluationsdesign (vgl. Stockmann 2006b, S. 29 f.). Neben den einzelnen<br />
Funktionen findet die interne und die externe Evaluation Unterscheidung.<br />
Für eine interne Evaluation ist eine Bewertung durch die Beteiligten<br />
eines Programms oder Projektes charakteristisch, d. h. die praxisgestaltenden<br />
Fachleute sind identisch mit den Evaluatoren. Die Akteure<br />
prüfen demnach ihre eigene Tätigkeit. Bei externen Evaluationen liegt das<br />
Untersuchungsverfahren in Verantwortung einer Außeninstanz, die mit distanziertem<br />
Blick Anregungen und Entwicklungsimpulse geben kann (vgl.<br />
Böttcher et al. 2006, S. 10 f.). Des Weiteren erfolgt eine Differenzierung<br />
hinsichtlich der Evaluationsgegenstände (z. B. Projekt, Programm, Organisation)<br />
und des Zeitpunktes einer Evaluation. Unterschieden wird einerseits<br />
zwischen formativer und summativer Herangehensweise. Formative Evaluationen<br />
sind als begleitende Forschung während der Durchführung einer<br />
Intervention zu verstehen. Zu mehreren Zeitpunkten werden bspw. der<br />
Programmfortschritt, die Erreichung von Zwischenzielen oder der Prozessverlauf<br />
mit dem Anliegen die laufende Intervention zu modifizieren<br />
und zu verbessern überprüft (vgl. Deutsche Gesellschaft für Evaluation<br />
2008, S. 16). Demgegenüber zielen summative Evaluationen auf eine zusammenfassende,<br />
bilanzierende und ergebnisorientierte Beurteilung der<br />
Wirksamkeit von Interventionen ab (vgl. ebd., vgl. Stockmann 2006b,<br />
S. 31). Nicht der Verlauf, sondern intendierte oder nicht intendierte Wirkungen<br />
stehen im Mittelpunkt (vgl. Böttcher et al. 2006, S. 10 f.). Angesichts<br />
der multifaktoriellen Ursachen von Wirkungen fehlt es solchen Erhebungen<br />
jedoch noch weitgehend an Ansätzen zur Mess- und Darstell-<br />
65 Diese von Bortz und Döring benannten Ziele, Zwecke oder Funktionen sind in weitgehend<br />
identischer Form auch bei Stockmann zu finden (vgl. Stockmann 2006b, S. 29). Bank benennt<br />
zusätzlich die Intensivierungsfunktion, die Innovationsfunktion und die Dokumentationsfunktion<br />
(vgl. Bank 1997, S. 174, vgl. Bank 2000, S. 51 ff.). Rossi et al. 2004 zeigen wie Bortz und Döring<br />
ebenfalls fünf Zielbereiche der Evaluation auf. Diese nehmen insbesondere pädagogische<br />
und soziale Programme in den Blick und beziehen sich auf die Bewertung des Bedarfes (Needs<br />
Assessment), die Bewertung einer Programmtheorie (Assessment of Program Theory), die Bewertung<br />
von Programmprozessen (Assessment of Program Process), Bewertung der Wirkungen<br />
(Impact Assessment), Bewertung Programmeffizienz (Efficiency Assessment) (Rossi et al. 2004<br />
zitiert nach Böttcher et al. 2006, S. 10 f.).<br />
159
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
barkeit von Effeken. So meint beispielsweise Beywl, wirkungsorientierte<br />
Evaluation sei „ein Job für Sisyphos oder für das Orakel von Delphi“<br />
(Beywl 2005, S. 1). Die Schwierigkeit besteht im Nachweis, dass die ermittelten<br />
Wirkungen einer Intervention dieser auch tatsächlich zuzuschreiben<br />
sind. Zwar besteht Spielraum für Wirkungsbewertungen, allerdings nicht<br />
für eine ergebnisneutrale Darstellung anderer relevanter Komponenten, die<br />
möglicherweise ebenfalls Einfluss genommen haben. Wirkungen in kausalen<br />
Zusammenhängen wiederzugeben birgt demnach die Gefahr, sich in<br />
der sie umgebenden Komplexität zu verlieren. Vor diesem Hintergrund<br />
wird Wirkung im Kontext dieser Arbeit nicht als Frage nach der Kausalität<br />
verstanden, sondern nach der Zielerreichung, nach dem Erfolg in der Zielumsetzung<br />
(vgl. Kapitel 8.1).<br />
7.2 Forschungsstand<br />
Mit Blick auf die dargelegten Problemfelder im Übergang zwischen Schule<br />
und Arbeitswelt und auf den aktuellen Forschungsstand muss auf die Frage<br />
nach der Wirksamkeit der Berufsorientierung in Übereinstimmung mit<br />
Bastian et al. (vgl. Bastian et al. 2007, S. 15) konstatiert werden, dass über<br />
Berufsorientierungsangebote zwar eine Vielzahl von Erfahrungsberichten 66<br />
vorliegen, systematische empirische Studien, die Rückschlüsse auf die<br />
Wirksamkeit und die Rahmenbedingungen erfolgreicher Berufsorientierung<br />
zulassen, jedoch kaum existieren. Beinke stellte den Bildungswert von an<br />
praktischen Erfahrungen ausgerichteten Berufsorientierungsangeboten<br />
(z. B. Praktikum, Erkundung) mit Bezug auf Wünsche und Lempert schon<br />
in den neunziger Jahren in Frage (vgl. Beinke 1992, S. 52) und forderte eine<br />
kritische Überprüfung „angeblich positiver Ergebnisse“ (Beinke 1991,<br />
S. 11). Gleiches gilt für Schanne, der zudem die Forderung nach Verbesserung<br />
der Wirksamkeit von Berufsorientierung ergänzt (vgl. Schanne 1990,<br />
S. 13). Dennoch wurden Wirkungsanalysen zur Berufsorientierung durch<br />
öffentliche Institutionen, die sich mit Übergängen von der Schule in die<br />
Arbeitswelt, arbeitsweltbezogener Jugendsozialarbeit oder beruflicher Bildung<br />
beschäftigen und die als Anreger von Forschungen und Innovationen<br />
durch Modellversuche fungieren, wie u. a. das Bundesinstitut für Berufsbildung<br />
oder das Deutsche Jugendinstitut e. V. bislang so gut wie nicht<br />
aufgegriffen. Vielmehr wird dem „‚Ernstcharakter’ des Lernens gleichsam<br />
eine natürliche Wirksamkeit unterstellt, ohne zu prüfen, ob und wie die<br />
66 Beispielhaft zu nennen sind eine Reihe von Projektdarstellungen im Kontext des Programms<br />
„Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben“ (vgl. Wissenschaftliche Begleitung 2007; vgl. Wissenschaftliche<br />
Begleitung 2008b).<br />
160
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
Schülerinnen und Schüler solche Angebote nutzen und was sie dabei<br />
lernen.“ (Bastian et al. 2007, S. 15). Auch Böttcher et al. sehen die gängige<br />
pädagogische Praxis durch ein „Hoffnungsparadigma“ charakterisiert,<br />
„wonach gut Gemeintes auch Gutes bewirkt“ (Böttcher et al. 2006, S. 7 ff.).<br />
Bemängelt wird<br />
„das Fehlen systematischer Programmevaluation, die danach fragt,<br />
welche pädagogischen Interventionen unter welchen Randbedingungen<br />
bei welchen Schülern welche Effekte erzeugen. Mit Recht wird man<br />
große Lücken bei der Wirkungsevaluation konstatieren können, die sich<br />
im weitgehenden Fehlen experimenteller oder quasi-experimenteller<br />
Studien offenbaren.“ (Böttcher 2006, S. 47).<br />
In Übereinstimmung mit Bastian und Böttcher halten auch Driesel-Lange<br />
und Hany fest, dass es bislang nur selten gelungen ist, „durch Unterrichtsoder<br />
Trainingsmaßnahmen deutliche und nachhaltige Effekte“ bei der Förderung<br />
von Berufswahlreife zu erzielen bzw. Studien fehlen, „in denen solche<br />
Trainingseffekte durch ein entsprechendes Untersuchungsdesign nachgewiesen<br />
werden“ (Driesel-Lange, Hany 2006, S. 9). Dies lenkt den Fokus<br />
erneut auf bereits beschriebene Dilemata wirkungsorientierer Evaluationsforschung.<br />
Dennoch haben sich vereinzelt privatwirtschaftliche Institutionen<br />
sowie pädagogische, psychologische, soziologische und wirtschaftswissenschaftliche<br />
Institute an Hochschulen der Thematik gewidmet. Eine<br />
knappe, aber für diese Arbeit als ausreichend erachtete Übersicht zu Wirkungsevaluationen<br />
geben die nachfolgenden Ausführungen. Wichtig erschien<br />
die Gegenüberstellung von Analysen zu didaktisch kontrastreich<br />
umgesetzten Orientierungsmaßnahmen. Gleichermaßen richtet sich die<br />
Auswahl auch nach den Zugangsmöglichkeiten zu entsprechenden Veröffentlichungen<br />
in der wissenschaftlichen Fachliteratur sowie in der sogenannten<br />
‚grauen Literatur’.<br />
Den Überblick zum Forschungsstand abschließend ist auf zwei Berichte zu<br />
verweisen, die kürzlich durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
(vgl. Kupka, Wolters 2010) sowie das Zentrum für Europäische<br />
Wirtschaftsforschung GmbH (vgl. Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung<br />
2010) herausgegeben wurden. Die Schrift des IAB widmet sich<br />
speziell Evaluationen von Maßnahmen der vertieften bzw. erweiterten vertieften<br />
Berufsorientierung (vgl. Kapitel 6.4.1) und zeigt Perspektiven für wirkungsorientierte<br />
Evaluationen auf. Innerhalb des Papiers werden beendete und<br />
aktuell laufende Evaluationsstudien beschrieben, die sich auf Interventionen<br />
beziehen, die ihren methodischen Schwerpunkt u. a. auf Mentoring,<br />
Berufsorientierungscamp oder Praktikum legen. Dennoch täuscht auch die-<br />
161
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
se Studie nicht über die unzureichende Erkenntnislage über die Effekte berufsorientierender<br />
Angebote hinweg: Von den bundesweit 2010 geförderten<br />
2.848 Projekten des Maßnahmetyps wurden lediglich 17 begleitend erforscht.<br />
Das IAB konnte für seine Analyse auf zehn Abschlussberichte zurückgreifen<br />
(vgl. ebd., S. 17).<br />
Bei der Abhandlung des ZEW handelt es sich um eine Vorstudie zur Evaluation<br />
von Fördermaßnahmen der Sozialgesetzbücher II und III für Jugendliche.<br />
Ausgehend von einer Bestandsaufnahme einschlägiger Programme auf der<br />
Bundes-, Landes- und der kommunalen Ebene sowie Kenntnissen zu deren<br />
praktischer Umsetzung, deren Wirkungen und Effizienz wird der Frage<br />
nachgegangen, inwieweit eine Evaluation der Instrumente der Sozialgesetzbücher<br />
möglich ist. Auf Grundlage dieser Informationsbasis werden Vorschläge<br />
für ein Evaluationsdesign unterbreitet und ein Konzept zur forschungspraktischen<br />
Umsetzung vorgestellt. Mit den Ergebnissen einer solchen<br />
Evaluation sollen perspektivisch Anregungen zur Weiterentwicklung<br />
der gesetzlichen Instrumente des Bundes gewonnen werden.<br />
7.2.1 Praktika: „Beruf fängt in der Schule an“<br />
Innerhalb des BIBB-Forschungsprojektes „Beruf fängt in der Schule an“ stand<br />
der Einfluss von Betriebspraktika auf die Entstehung von Berufswünschen<br />
und das Bewerbungsverhalten sowie die schulischen und betrieblichen<br />
Rahmenbedingungen im Blickpunkt. Die Forschungsergebnisse sollten Anregungen<br />
geben, wie sich die Effizienz von Betriebspraktika steigern lässt.<br />
Die Evaluation wurde von 2003 bis 2004 in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen<br />
und Baden-Württemberg realisiert (vgl. Bergzog, Hörsch o. J.,<br />
S. 3). Es fanden 2.546 Haupt- und Realschülerinnen und -schüler aus<br />
9. und 10. Klassen von 31 Schulen, 955 Auszubildende, sowie 976 Unternehmensangehörige<br />
Einbindung in eine Erhebung mittels eigens entwickeltem<br />
Fragebogen. Mit 45 Schülerinnen und Schülern, 39 Lehrkräften,<br />
17 Auszubildenden sowie 19 Ausbilderinnen und Ausbildern sind darüber<br />
hinaus leitfadengestützte Interviews geführt worden (vgl. Bergzog 2008,<br />
S. 10 f.). Bei der Auswahl der befragten Schulen und Unternehmen fanden<br />
Aspekte wie die Verortung im städtischen oder ländlichen Raum sowie die<br />
industrielle und soziale Infrastruktur Beachtung, umso eine Prägung der<br />
Ergebnisse durch landes- oder regionalspezifische Besonderheiten ausschließen<br />
zu können.<br />
162
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
Die Ergebnisse belegen, dass immerhin ein Drittel der Jugendlichen den<br />
Berufswunsch durch das Praktikum entwickelt hat. Es besteht ferner ein<br />
Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Praktika und dem<br />
Wunschberuf. Das Vorhandensein beruflicher Vorstellungen nimmt laut<br />
den Untersuchungsresultaten Einfluss auf das Bewerbungsverhalten, denn<br />
bei den Jugendlichen mit konkreten Zielsetzungen hatten sich zum Erhebungszeitpunkt<br />
49% noch nicht beworben, im Gegensatz zu 70% bei den<br />
Gleichaltrigen ohne spezifizierte berufliche Pläne (vgl. ebd., S. 19 f.). Die<br />
Jugendlichen haben im Praktikum mehrheitlich positive Erfahrungen gesammelt,<br />
fühlten sich gut betreut und bekamen Aufgaben, die adäquat zu<br />
dem im Praktikum gewählten Arbeitsfeld waren. Etwa 30% der ehemaligen<br />
Schülerinnen aus Realschulklassen und der Absolventinnen von Hauptschulklassen<br />
sowie 62% der einstigen Hauptschüler gaben an, dass ihr Ausbildungsberuf<br />
mit dem Berufsbild, welches sie im Betriebspraktikum kennenlernten,<br />
korrespondiert. Etwa ein Viertel begann die Berufsausbildung<br />
im Praktikumsunternehmen, was deutlich für sogenannte ‚Klebeeffekte’<br />
spricht (vgl. ebd., S. 23). Zusammenfassend wird von den Evaluatoren resümiert,<br />
dass Betriebspraktika in den Schulen nicht durchgängig mit der<br />
Stringenz vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet werden, wie es dem<br />
ihnen beigemessenen Stellenwert im Berufsorientierungsprozess entsprechen<br />
müsste. Als wichtige Voraussetzung für eine Effizienzsteigerung sehen<br />
sie, Berufsorientierung strukturiert, systematisch und kontinuierlich<br />
sowie frühzeitig in den Schulalltag einzubauen, umso bei der Auswahl von<br />
Praktikumsunternehmen Zufälligkeiten auszuschließen (vgl. ebd., S. 35 und<br />
S. 47).<br />
An der Evaluation sind hauptsächlich das Untersuchungsdesign sowie die<br />
Evaluationskriterien zu kritisieren. Retrospektivbefragungen sind immer<br />
mit dem Problem der beschränkten Erinnerungsfähigkeit von Menschen<br />
bei der Rekonstruktion der Vergangenheit konfrontiert. Geeigneter für<br />
Wirkungsanalysen sind Pretest-Posttest-Follow-up-Designs mit Kontrollgruppen<br />
(vgl. Kapitel 8.3). Der Einsatz eines kontrollierten Vorher-<br />
Nachher-Vergleiches hat den Vorteil, dass Entwicklungsprozesse, die auch<br />
ohne Einwirkung einer Intervention hervorgehen, abgeschätzt und kontrolliert<br />
werden können. Mit einer solchen Methodik wäre ferner überprüfbar<br />
gewesen, inwieweit bereits vor dem Praktikum berufliche Wünsche bestanden,<br />
die lediglich durch dieses Untermauerung erfahren haben – eine Fragestellung,<br />
die innerhalb der Wirkungsanalyse gar nicht gestellt wurde. Die<br />
Untersuchungsaspekte beschränken sich ferner zu einseitig auf die Berufswahl.<br />
Die Gewinnung von Informationen über die Entwicklung von Wissen<br />
über die Arbeitswelt oder von Kompetenzen im Betriebspraktikum<br />
fand keine Beachtung.<br />
163
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
7.2.2 Praxistage: „Arbeiten und Lernen in<br />
Schule und Betrieb“<br />
Eine Variante der Kooperation von Schulen mit Unternehmen, der Schulversuch<br />
„Arbeiten und Lernen in Schule und Betrieb“ war Gegenstand einer<br />
Evaluation des Fachbereiches Erziehungswissenschaften der Universität<br />
Hamburg, die von 2002 bis 2004 Realisierung erfuhr. Die etwa 300 am<br />
Schulversuch beteiligten Jugendlichen aus 14 Klassen einer Hauptschule<br />
(8./9. Klassen), einer Gesamtschule (9./10. Klassen) und einer integrierten<br />
Haupt- und Realschule (9./10. Klassen) arbeiten und lernten über ein bis<br />
zwei Schuljahre hinweg zwei Tage pro Woche in einem Betrieb und drei<br />
Tage in der Schule. Die Evaluation war darauf ausgerichtet zu eruieren, wie<br />
sich die Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler für ihre berufliche<br />
Zukunft und ihre Berufswahlreife entwickelt, wie sich ihre Chancen<br />
des Übergangs in die Arbeitswelt optimieren und inwiefern sich bei reduziertem<br />
klassischem Unterricht ihre schulischen Leistungen verändern (vgl.<br />
Bastian et al. 2007, S. 233). Innerhalb der Evaluation kamen unterschiedliche<br />
Erhebungsmethoden und Instrumente zum Einsatz. Um Aussagen zu<br />
Lernständen zu treffen, fanden bei 52 Jugendlichen Fachleistungstests in<br />
den Bereichen Mathematik, Deutsch, Leseverständnis, Sprachverständnis,<br />
Rechtschreibung sowie Englisch Anwendung (vgl. ebd., S. 44 ff.). Die Berufswahlfähigkeit<br />
sowie Lernstrategien und -methoden von 74 Schülerinnen<br />
und Schüler des Schulversuchs und zusätzlich einer Kontrollgruppe<br />
mit 192 Mädchen und Jungen wurden mittels schriftlicher Befragung erfasst<br />
(vgl. ebd., S. 118). Dabei kamen Items erprobter Skalen, z. B. des Instrumentariums<br />
von Seifert und Stangl (1986) zur Erfassung von Einstellungen<br />
zur Berufswahl und beruflichen Arbeit (EBwA) zum Einsatz. Sechs<br />
Fallstudien dienten darüber hinaus zur Rekonstruktion der Lernentwicklung<br />
bei den Teilnehmenden des Kooperationsprojektes. Leitfadengestützte<br />
Experteninterviews rückten ferner die Perspektiven von Lehrkräften und<br />
betrieblichen Anleitern auf den Schulversuch in den Blickpunkt.<br />
Die im Rahmen der Evaluation durchgeführten Lernstandserhebungen ergaben<br />
im Ergebnis keine Hinweise auf Leistungseinbußen aufgrund der<br />
verminderten Unterrichtszeit (vgl. ebd., S. 255). Gleichfalls konnten keine<br />
statistisch bedeutsamen Differenzen hinsichtlich der Berufswahlfähigkeit<br />
und dem Lernverhalten zwischen den Untersuchungsgruppen ermittelt<br />
werden. Auffällig waren lediglich eine höhere Eigenaktivität und Selbstständigkeit<br />
bei der Berufswahlentscheidung auf Seiten der Schulversuchsteilnehmenden<br />
(vgl. ebd., S. 120). Die Fallinterviews ließen bei vier<br />
164
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
der untersuchten sechs Fälle eine starke positive Nutzung des Angebotes<br />
„Arbeiten und Lernen in Schule und Betrieb“ im Sinne der Entwicklung<br />
von Eigenverantwortung und Selbststeuerung, von Lernbereitschaft sowie<br />
von Berufswahlfahigkeit erkennen (vgl. ebd., S. 113). Zusammenfassend<br />
kommen die Evaluatoren zu dem Schluss, dass es sich bei diesem Projekt<br />
um ein erfolgreiches Schulentwicklungsprojekt handelt, welches in besonderer<br />
Weise die Lernorte Schule und Betrieb miteinander verknüpft und als<br />
Regelangebot im Schulsystem Verankerung finden sollte (vgl. ebd.; S. 255).<br />
Kritik an der Evaluation ist aus methodischer Sicht anzubringen. Die unterschiedlichen<br />
Untersuchungskomponenten waren nicht auf ein und dieselben<br />
Jugendlichen ausgerichtet. Es wurde lediglich eine Reihe von einander<br />
unabhängigen Querschnittsdaten erhoben. Die Aussagekraft über<br />
Wirkungen des Schulversuchs ist damit eingeschränkt.<br />
7.2.3 Praxistage und Patenschaften:<br />
„Abschlussquote erhöhen –<br />
Berufsfähigkeit steigern“<br />
Analog zur Evaluation des Schulversuchs „Arbeiten und Lernen in Schule<br />
und Betrieb“ standen auch in der Auswertung des niedersächsischen<br />
Schulversuchs „Abschlussquote erhöhen – Berufsfähigkeit steigern (AQB1)“ die<br />
Wirkungen von Praxistagen, jedoch zusätzlich auch von sogenannten ‚Berufsstartbegleiterinnen<br />
und -begleitern’ im Mittelpunkt. Das Projekt für akut<br />
schulabschlussgefährdete Hauptschülerinnen und Hauptschüler zielte<br />
auf das Erreichen des Hauptschulabschlusses und einen erfolgreichen Übergang<br />
in eine Ausbildung auf Basis erhöhter Praxisbezüge, Berufsorientierung<br />
und Lernmotivation ab. An 24 Schulen wurden dazu im Zeitraum<br />
von 2007 bis 2008 für eineinhalb Schuljahre ‚Berufsstarterklassen’ mit<br />
Schülerinnen und Schülern, die zu Beginn des Modellversuches in achten<br />
Klassen lernten, eingerichtet (vgl. Solga et al. 2010, S. 4). Mit der Evaluation<br />
des Modellversuches wurde das Soziologische Forschungsinstitut<br />
(SOFI) an der Georg-August-Universität Göttingen beauftragt. Sie setzte<br />
eine Längsschnittuntersuchung in einem Pretest-Posttest-Posttest-Followup-Follow-up-Design<br />
mit Kontrollgruppen um. Drei Befragungen erfolgten<br />
zwischen Beginn und Ende des Projektes mittels Fragebogen, zwei<br />
weitere ca. drei bzw. fünfzehn Monate nach Projekt- bzw. Schulende durch<br />
ein computerunterstütztes Telefoninterview. Aus den ‚Berufsstarterklassen’<br />
konnten zum ersten Erhebungszeitpunkt 386 Jugendliche befragt werden<br />
und zum vierten 256, was eine sehr hohe Projektfluktuation verdeutlicht. In<br />
165
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
den Kontrollklassen waren es 446 und 402 (vgl. ebd., S. 9). Ergänzend zu<br />
den Schülerinnen und Schülern wurden mit den Klassenlehrerinnen und<br />
Klassenlehrern, mit den Berufsstartbegleiterinnen und -begleitern sowie mit<br />
Vertreterinnen und Vertretern der Praktikumsbetriebe schriftliche (halb-)<br />
standardisierte Befragungen über ihren individuellen und professionellen<br />
Hintergrund und über die Implementierung des Projekts bzw. über den<br />
Betrieb und zur Beurteilung der berufsrelevanten persönlichen Kompetenzen<br />
des im Betrieb betreuten Jugendlichen durchgeführt (vgl. ebd.,<br />
S. 10 ff.). Insgesamt sollte mit der Evaluation die Wirksamkeit von AQB1<br />
hinsichtlich folgender Aspekte analysiert werden: Verbesserung der Schulleistungen,<br />
Erreichen eines Schulabschlusses, Ausbau sozialer Kompetenzen,<br />
verbesserte Berufsorientierung, erhöhte und qualitativ angereicherte<br />
Bewerbungsaktivitäten, Erhöhung der Lern- und Leistungsmotivation und<br />
Stärkung der individuellen Leistungsfähigkeit der Jugendlichen. Hinsichtlich<br />
des Ausbildungserfolges war darüber hinaus das Vorliegen eines<br />
Berufsausbildungsvertrages oder die erfolgte Aufnahme einer Berufsausbildung<br />
von Interesse. Ferner wurde auch als Erfolg gewertet, wenn Projekteilnehmende<br />
nach Verlassen der ‚Berufsstarterklassen’ eine weiterführende<br />
Schule besuchten, um einen höheren Schulabschluss zu erwerben. Im Sinne<br />
der Zielstellungen des Projektes als nicht erfolgreich sind Übergänge in<br />
berufsvorbereitende Maßnahmen (z. B. Berufsvorbereitungsjahr, Berufsgrundbildungsjahr)<br />
eingestuft worden (vgl. ebd., S. 7). Die zweite Followup-Erhebung<br />
fokussierte speziell auf die Nachhaltigkeit der genannten<br />
Verbleibsoptionen.<br />
Die Evaluationsergebnisse, bezogen auf die Projekthauptziele, das Erreichen<br />
des Hauptschulabschlusses und den erfolgreichen Übergang in eine<br />
Berufsausbildung, lassen sich wie folgt zusammenfassen: 92% der Jungen<br />
und Mädchen, die bis zum Ende im Schulmodell verblieben sind, haben einen<br />
einfachen Hauptschulabschluss erworben. Von denjenigen, welche die<br />
Schule mit Abschluss des Projektes verlassen haben, begannen 47% (38%<br />
in den Kontrollklassen) eine Berufsausbildung. Eine bedeutende Rolle für<br />
den Übergang in eine solche spielten die regelmäßigen Praxistage in den<br />
Betrieben. Wie die Übergangsraten zeigen, profitierten vor allem die männlichen<br />
Modellteilnehmer von den praktischen Erprobungsmöglichkeiten<br />
und zeigten ‚Klebeeffekte’ auf (vgl. ebd., S. 117). Aufgrund dieser Evaluationsergebnisse<br />
wurde AQB1 als erfolgreich bewertet, wenngleich die Projektteilnahme<br />
für Jugendliche mit guten Abschlussleistungen und für Mädchen<br />
hinsichtlich der Chance, einen Berufsausbildungsplatz zu erhalten<br />
negativ einzuschätzen ist (vgl. ebd., S. 4). Die berichteten Erfolgszahlen<br />
werden zudem durch die hohe Fluktuation aus dem Projekt und die Tat-<br />
166
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
sache, dass sich zum Zeitpunkt der zweiten Follow-up-Erhebung jeder<br />
zweite Jugendliche der beiden Untersuchungsgruppen nicht in einer Berufsausbildung<br />
befand, gemindert (vgl. Solga, Kretschmann 2010, o. S.).<br />
Speziell bezogen auf Aspekte der beruflichen Orientierung ist zu konstatieren,<br />
dass trotz oder gerade aufgrund dessen, dass die Teilnehmenden der<br />
Modellklassen gegenüber denen der Kontrollklassen über weniger ausbildungs-<br />
und arbeitsmarktrelevante Netzwerkressourcen verfügten, höhere<br />
Bewerbungsaktivitäten sowie eine hohe Berufsorientierung zeigten. Zu<br />
bemängeln ist, dass letztgenannter Begriff bei den Evaluatoren nicht das in<br />
Kapitel 3.2 skizzierte derzeitige Verständnis implizierte, sondern lediglich<br />
die generelle Ausrichtung auf eine Berufsausbildung und die Entwicklung<br />
von Vorstellungen über einen Wunschberuf (vgl. Solga et al. 2010, S. 7 und<br />
S. 60). Berufsorientierung wird lediglich daran festgemacht, dass 90% der<br />
Befragten bis zum Projektende ein Praktikum in ihrem Wunschberuf absolvierten<br />
(vgl. ebd., S. 114 f.). Dennoch fanden, wie eingangs bereits aufgeführt,<br />
auch Aspekte wie soziale Kompetenzen oder die Selbstwirksamkeitserwartung<br />
in der Evaluation Beachtung. Die Sozialkompetenzen der<br />
Schülerinnen und Schüler der ‚Berufsstarterklassen’ und der Kontrollgruppen<br />
verbesserten oder verschlechterten sich jedoch nicht wesentlich (vgl.<br />
ebd., S. 113). Ebenso erhöhte sich die Selbstwirksamkeitserwartung und<br />
das Selbstwertgefühl im Projektverlauf nicht (vgl. ebd., S. 116). Methodische<br />
Kritik ist daran zu üben, dass keine Unterscheidung zwischen Brutto-<br />
und Nettoevaluationsstichprobe getroffen wurde und sich die vorgenommenen<br />
Analysen so auf unterschiedliche Fallzahlen innerhalb der einzelnen<br />
Messzeitpunkte beziehen.<br />
Auf Basis der Evaluationsergebnisse erfolgte für die Fortführung des Projektes<br />
bzw. den Transfer in andere Regionen die Empfehlung, Projektziele<br />
stärker zu konkretisieren, um Zielkonflikte, was die Platzierung der Jugendlichen<br />
nach Abschluss des Projektes betrifft, auszuräumen. Wichtig erschien<br />
zudem, die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu<br />
verbessern, um Benachteiligungen von Schülerinnen mit guten Abschlussleistungen<br />
zu verringern. Darüber hinaus wurde sich für eine Intensivierung<br />
individueller Unterstützung und Förderung für die akut abschlussgefährdeten<br />
Hauptschülerinnen und -schüler sowie eine längerfristige Unternehmenseinbindung<br />
mit einer qualifizierten Tätigkeit ausgesprochen (vgl. ebd.,<br />
S. 119 ff.).<br />
167
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
7.2.4 Patenschaften: „Ada-Lovelace-Projekt“<br />
Das außerschulisch an rheinland-pfälzischen Hochschulen implementierte<br />
„Ada-Lovelace-Projekt“ zur Förderung von Mädchen der Sekundarstufen<br />
1 und 2 auf dem Feld der Naturwissenschaft und der Technik wird seit<br />
2001 von der koordinierenden Stelle an der Universität Koblenz-Landau<br />
evaluiert. Das Orientierungsangebot umfasst Angebote, wie Workshops,<br />
Computerkurse und Exkursionen, die durch Mentorinnen unterbreitet<br />
werden (vgl. Ebach 2006, S. 79). In den ersten Evaluationsstudien, auf Basis<br />
von einmaligen Befragungen, bekamen vorrangig Aspekte zur Akzeptanz<br />
des Mentorings und zur Bedeutung dieser Methode im Berufsorientierungsprozess<br />
der Teilnehmerinnen Gewicht. 2003 wurde das Evaluationsdesign<br />
zu einem Pretest-Posttest-Format mit Kontrollgruppe weiterentwickelt.<br />
Im Pretest wurden 130 Mädchen der Projektgruppe und 133 der<br />
Kontrollgruppe mit einem Fragebogen mit Items, die bereits im Kontext<br />
anderer Erhebungen erprobt wurden, befragt. Im Posttest waren es 109<br />
bzw. 110. Beide Untersuchungsgruppen setzten sich aus Schülerinnen 9.<br />
Klassen von vier Gymnasien zusammen (vgl. ebd., S. 73 f.). Von Relevanz<br />
für die Evaluation waren Veränderungen in den schulischen und beruflichen<br />
Interessen, beim schulfachbezogenen Selbstkonzept, bei der angestrebten<br />
Leistungskurswahl sowie bei Einstellungen und Kenntnissen bezogen<br />
auf naturwissenschaftlich-technische Berufe.<br />
Sofern die eingesetzten Mentorinnen positiv erlebt wurden, wiesen die Ergebnisse<br />
eine zusagende Beurteilung des Projektes durch die Schülerinnen<br />
und eine Öffnung für naturwissenschaftliche und technische Berufe nach.<br />
Veränderungen vom Pre- zum Posttest zeigten sich lediglich bezogen auf<br />
Berufsfelder, nicht aber auf schulfachbezogene Interessen oder das schulfachbezogene<br />
Selbstkonzept. Die Evaluatoren sprechen sich für weitere<br />
empirische Studien zur Wirksamkeit sowie zur Qualität außerschulischer<br />
Bildungsangebote aus und empfahlen statt punktuell angelegter beruflicher<br />
Orientierung langfristig angelegte Aktivitäten mit kontinuierlicher individueller<br />
Begleitung. Daneben wurde auch ein Bedarf an Fortbildungen für<br />
Lehrkräfte gesehen, um so für geschlechtstypische Interessen, Attributionsmuster<br />
und Verhaltensweisen zu sensibilisieren (vgl. ebd., S. 79 f.).<br />
168
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
7.2.5 Projekttag und Erkundung:<br />
„Girls’Day – Mädchen-Zukunftstag“<br />
Seit 2001 wird deutschlandweit jährlich im April der „Girls’Day – Mädchen-Zukunftstag“<br />
für Mädchen der 5. bis 10. Klassen durchgeführt. Das<br />
Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. evaluiert<br />
das Orientierungsangebot seit 2002. Mittels eines eigens entwickelten<br />
Fragebogens werden die teilnehmenden Schülerinnen, die veranstaltenden<br />
Organisationen und Schulen befragt. Die sich wiederholenden Erhebungen<br />
fokussieren auf die Rahmenbedingungen der Durchführung des ‚Girls’<br />
Day’, d. h. auf die Zufriedenheit der Beteiligten mit dem Verlauf des<br />
Aktionstages, den Mehrwert, der durch die Umsetzung von Aktivitäten gesehen<br />
wird oder den allgemeinen Strategien zur Gewinnung von weiblichen<br />
Nachwuchskräften. 67 Gleichfalls ist es Anliegen, die Effekte zu ermitteln,<br />
die das Angebot bei den Mädchen auslöst, z. B. hinsichtlich beruflicher<br />
Pläne oder ihrer Einschätzung von naturwissenschaftlich-technischen<br />
Berufsfeldern und der Arbeitswelt (vgl. Wentzel 2009, S. 3). Die Auswertungsergebnisse<br />
werden im Jahresturnus veröffentlicht. Im Folgenden wird<br />
auf den Bericht zur achten Erhebungswelle aus dem Jahr 2009 eingegangen.<br />
Die Auswertung bezieht sich auf Daten von 8.835 Mädchen und 3.078<br />
Unternehmen und anderen Institutionen (vgl. ebd.)<br />
Hinsichtlich des Einflusses des Aktionstages auf den Berufswunsch der<br />
Schülerinnen zeigen die Resultate, dass die Teilnahme für 12% von ihnen<br />
zum Ausschluss naturwissenschaftlich-technischer Berufe führte. Weitere<br />
33% konnten nach Abschluss des Tages keinen konkreten Berufswunsch<br />
benennen. 46% gaben an, dass sie am Aktionstag Berufe kennenlernten, die<br />
sie interessierten und 30% waren nicht abgeneigt, später auch einen solchen<br />
Beruf zu ergreifen. Bei 5% der Mädchen führte das Ausprobieren zu einer<br />
Bestärkung des Berufswunsches und 4% fanden einen solchen (vgl. ebd.,<br />
S. 16). Zum Teil löste der Aktionstag bei den Schülerinnen das Interesse an<br />
weiterführenden Praktika aus. Ob sie sich tatsächlich für einen Praktikumsoder<br />
einen Ausbildungsplatz bewarben, wurde indirekt über die Unternehmen<br />
ermittelt, d. h. es erfolgte eine Abfrage, inwieweit die Betriebe nach<br />
dem ‚Girls’Day’ vermehrt Bewerbungen von ehemaligen Teilnehmerinnen<br />
erhielten. Hier werden die Grenzen der Evaluation deutlich. Zum einen ist<br />
fraglich, ob Firmen rekapitulieren können, welche jungen Frauen Einblick<br />
in ihr Unternehmen gewonnen haben. Die Erhebung von Daten auf Seiten<br />
67 Vgl. zum letztgenannten Schwerpunkt Wentzel 2008.<br />
169
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
der Mädchen erscheint hier geeigneter. Zum anderen kann dieses Wirkungskriterium<br />
wenig erfolgversprechend sein, wenn der Anspruch lautet,<br />
Schülerinnen möglichst früh, nämlich ab der 5. Klasse für männerdominierte<br />
Berufsfelder zu sensibilisieren. Insgesamt wurde der ‚Girls’Day’ erneut<br />
als erfolgreich bewertet, u. a. auch weil die Ergebnisse gemäß den<br />
Evaluatoren zeigten, dass „der Aktionstag bisher in etlichen Fällen zur<br />
Einmündung von jungen Frauen in Berufe aus den Bereichen Technik, Informationstechnik,<br />
Handwerk oder Naturwissenschaften“ führte (vgl. ebd.,<br />
S. 18). Anhand der ausgewerteten Studie kann dieses Resümee nicht nachvollzogen<br />
werden, jedoch veröffentlichte das Kompetenzzentrum Technik-<br />
Diversity-Chancengleichheit e. V. Ergebnisse qualitativer Interviews mit<br />
ehemaligen ‚Girls’Day’-Teilnehmerinnen in einer Berufsausbildung oder einem<br />
Studium, die, wenn auch nicht für „etliche“, dann zumindest für einzelne<br />
Mädchen diesen Schluss zulassen (vgl. Kompetenzzentrum Technik-<br />
Diversity-Chancengleichheit e. V. 2008; vgl. Kompetenzzentrum Technik-<br />
Diversity-Chancengleichheit e. V. 2010). Um einen nachhaltigen Einfluss<br />
auf die Teilhabe von Frauen an naturwissenschaftlich-technischen Berufsfeldern<br />
zu erreichen und ihren Anteil in darin zu erhöhen, wurde empfohlen,<br />
Schülerinnen vertiefende Angebote zu unterbreiten und die Kooperation<br />
zwischen den Akteuren im Feld der Berufsorientierung zu intensivieren<br />
(vgl. Wentzel 2009, S. 18).<br />
7.2.6 Projekttag und Erkundung: „Neue<br />
Wege für Jungs – Jungen-Zukunftstag“<br />
Durch die wissenschaftliche Begleitung des bundesweiten Programms<br />
„Neue Wege für Jungs – Jungen-Zukunftstag“ (‚Boys’Day’), dem Zentrum für<br />
Schul- und Bildungsforschung der Martin-Luther Universität Halle-<br />
Wittenberg und Dissens e. V. Berlin, wurden von 2009 bis 2010 Fragen<br />
nach dem Beitrag des Jungenzukunftstages zur Entwicklung sozialer<br />
Kompetenzen, zur Veränderung von Männlichkeitsbildern sowie zur Wahl<br />
alternativer Berufe jenseits männerdominierter Berufsfelder gestellt. Von<br />
Interesse waren gleichfalls Blockaden, die Jungen daran hindern, sich an<br />
Angeboten rund um den Projekttag zu beteiligen. Es sollten Faktoren<br />
untersucht werden, die sich auf die Durchführung jungenbezogener Angebote<br />
im Bereich Berufs- und Lebensplanung förderlich bzw. hemmend<br />
auswirken. Die Evaluation wurde innerhalb von vier strukturell verschiedenen<br />
Modellregionen umgesetzt. Kriterien der Differenzierung waren u. a.<br />
die geografische Lage im Osten oder Westen Deutschlands, eine städtische<br />
oder ländliche Prägung, die wirtschaftliche Infrastruktur, der Grad des In-<br />
170
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
teresses an und des Engagements für jungenbezogene(n) Projekte(n) in der<br />
Region. In diesen Modellregionen wurden sechs Angebote zur Jungenförderung<br />
untersucht (vgl. Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit<br />
e. V. o. J.). Um die Perspektive der Jungen zu erforschen, d. h.<br />
ihre Sicht auf erworbene Kompetenzen sowie Gründe, sich nicht an Angeboten<br />
des Jungenzukunftstages zu beteiligen oder aber, an Angeboten teilnehmen,<br />
nicht aber in soziale Berufe zu gehen, fanden teilnehmende Beobachtungen<br />
und Gruppendiskussionen Anwendung. Mittels Experteninterviews<br />
erfolgte darüber hinaus die Analyse der Meinungen von Lehrkräften<br />
der Sekundarstufe I, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren über Männlichkeitsbilder,<br />
die Erreichung der angestrebten Ziele des ‚Boys’ Day’ und<br />
über die persönliche Motivation für den Einsatz für den JungenZukunftstag<br />
bzw. Gründe für fehlendes Engagement (vgl. ebd.).<br />
Bislang liegen keine Ergebnisse zu Wirkungen bei der Zielgruppe der<br />
Intervention vor. Jedoch sind erste Aussagen zu institutionellen Blockaden<br />
abzulesen. So bestehen einerseits Hindernisse, die überhaupt eine Realisierung<br />
eines Angebots für Jungen zulassen. Kommt es zu einem Angebot für<br />
Jungen sind andererseits Blockierungen bei der konkreten praktischen Umsetzung<br />
zu beobachten, die von Unsicherheiten geprägt ist. Detaillierte<br />
Antworten auf die eingangs erläuterten Forschungsfragen sowie Informationen<br />
zur Untersuchungsstichprobe und zu evaluationsmethodischen Aspekten<br />
sind nach Beendigung der Arbeiten der wissenschaftlichen Begleitung<br />
im Jahr 2011 zu erwarten (vgl. ebd.). Bereits vor liegen Evaluationsergebnisse<br />
aus den Jahren 2006 und 2007. Im Gegensatz zur aktuellen Studie<br />
war das Hauptziel der bereits durchgeführten Erhebungen die Rahmenbedingungen<br />
für die Umsetzung des Jungenzukunftstages zu beleuchten und<br />
diese zu optimieren (vgl. Cremers et al. 2008, S. 25 f.).<br />
7.2.7 Trainings: „Lehreraktivitäten zur Förderung<br />
geschlechtsunabhängiger Berufswahlorientierungen<br />
im Bereich Naturwissenschaft<br />
und Technik“<br />
Außerunterrichtliche Trainings zur Berufsorientierung an vier Thüringer<br />
Gymnasien und einer Gesamtschule standen im Blickpunkt des Forschungsprojektes<br />
„Evaluation von Lehreraktivitäten zur Förderung geschlechtsunabhängiger<br />
Berufswahlorientierungen im Bereich Naturwissenschaft und Technik“, welches<br />
von 2004 bis 2006 durch den Lehrstuhl für pädagogischpsychologische<br />
Diagnostik und differenzielle Psychologie der Universität<br />
171
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
Erfurt umgesetzt wurde. Die Evaluation zielte darauf ab, die Wirkungen<br />
schulischer Berufsorientierung in 7., 8. und 9. Klassen sowie erfolgsrelevante<br />
Bedingungsfaktoren zu ermitteln. Mittels eines Pretest-Posttest-Posttest-<br />
Designs mit einer Kontrollgruppe wurden Effekte vornehmlich bezogen<br />
auf Einstellungen und Kenntnisse zur Berufswahl, auf die Bereitschaft zur<br />
Erkundung von Berufen und Nutzung entsprechender Informationsquellen,<br />
auf die Kenntnis beruflicher Anforderungen, auf die Fähigkeit zur Erkundung<br />
eigener Interessen und Stärken, auf die Reflexion von geschlechterstereotypen<br />
Zuschreibungen und auf Problemlöseverhalten erforscht<br />
(vgl. Driesel-Lange, Hany 2006, S. 9 f.). Darüber hinaus galt das Interesse<br />
der Untersuchung der subjektiven Bewertung der mindestens dreimal während<br />
des Schuljahrs umgesetzten Doppelstunden zum Thema Berufsorientierung<br />
durch die Schülerinnen und Schüler. Die Erhebungen erfolgten anhand<br />
eines Fragebogens, dessen Items bereits in Untersuchungen der Professur<br />
für Entwicklungspsychologie an der Universität Erfurt Erprobung<br />
fanden. 309 Jugendliche nahmen an den drei Messzeitpunkten teil und<br />
wurden in die Datenauswertung einbezogen. Insgesamt zeigte sich, dass die<br />
Jugendlichen ihre Berufswahl ernst nehmen, sich überwiegend bereits mit<br />
ihrer Zukunft auseinandersetzten und zu einem hohen Anteil sicher sind,<br />
eine passende berufliche Option nach Verlassen der Schule gewählt zu<br />
haben. Die Hälfte der Befragten sieht sich dennoch außerstande, eine<br />
konkrete Berufsentscheidung zu treffen. Bei den Schülerinnen und Schülern<br />
besteht eine große Unsicherheit, die ihre Ursachen im mangelnden<br />
Informationsangebot bzw. in der unzureichenden Informationsnutzung hat<br />
(vgl. Driesel-Lange, Hany 2005, S. 2). Wenngleich das Training positiv<br />
durch die Jugendlichen bewertet wurde, konnten hinsichtlich der untersuchten<br />
Aspekte nur geringe Effekte nachgewiesen werden (vgl. Driesel-<br />
Lange, Hany 2006, S. 25). Auch in der Kontrollgruppe waren nur unerhebliche<br />
Veränderungen erkennbar, was dafür spricht, dass sich die fokussierten<br />
Faktoren ebenso wenig von selbst entwickeln. Dementsprechend wurde<br />
geschlussfolgert, dass sporadische außerunterrichtliche Lernangebote,<br />
die aber wie normaler Unterricht durchgeführt werden, nur wenig dazu geeignet<br />
sind, bei Gymnasiastinnen und Gymnasiasten Berufswahlreife aufbzw.<br />
-auszubauen.<br />
Kritisch zu betrachten ist die Kombination von fächerübergreifender Thematisierung<br />
der Berufsorientierung, Nutzung interaktiver Methoden sowie<br />
fehlenden Leistungsüberprüfungen. Die Schaffung von Offenheit für die<br />
angewendeten Formen der Wissensvermittlung (z. B. Fantasiereise, Selbstanalyse,<br />
Einsatz des Berufswahlpasses; vgl. ebd., S. 10) sowohl auf Seiten<br />
der Schüler-, als auch der Lehrerschaft, verhinderte eine Konzentration auf<br />
172
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
die eigentlichen Inhalte des Trainings. Die aus den empirischen Befunden<br />
abgeleiteten Empfehlungen sind zum einen auf die systematische Einbettung<br />
der Berufsorientierung im Unterricht ausgerichtet, so dass die Zielgruppen<br />
mit den verfügbaren Methoden und Medien besser und nachhaltiger<br />
erreicht werden können. Zum anderen wird in Intensivtrainings Potenzial<br />
für eine zusätzliche Förderung der beruflichen Orientierung gesehen<br />
(vgl. Driesel-Lange et al. 2006, S. 2).<br />
7.2.8 Medienprojekt: „workshop zukunft“<br />
Eine Form schulischer Berufsorientierung, die über zwei Schuljahre hinweg<br />
in den Unterricht implementiert ist und bei der die digitalen Medien eine<br />
elementare Rolle spielen, ist „workshop zukunft“. Das Orientierungsangebot<br />
für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 1 aus Realschulen, Gesamtschulen,<br />
Regelschulen und Gymnasien basiert vorrangig auf Projektarbeit<br />
und wird über eine Internetlernplattform organisiert. Das Institut für<br />
Schulentwicklungsforschung (IFS) der Universität-Dortmund hat „workshop<br />
zukunft“ 2003 bis 2004 hinsichtlich seiner Wirksamkeit evaluiert. Im<br />
Mittelpunkt standen dabei die Entwicklung von Wissen über die Berufsund<br />
Arbeitswelt, von Kenntnissen über Computer und Internet, von Lernstrategien<br />
sowie der Selbstwirksamkeit und der Sozialkompetenz (vgl.<br />
Schulz-Zander et al. 2005, S. 5). In einem Pretest-Posttest-Design mit Kontrollgruppen<br />
wurden zum ersten Messzeitpunkt 576 Jugendliche aus elf<br />
Schulen in Nordrhein-Westfalen und Thüringen anhand eines Fragebogens,<br />
der u. a. die SWE-Skala von Schwarzer und Jerusalem (1999) integrierte,<br />
befragt. 371 entstammten Projektklassen und 205 aus Kontrollklassen.<br />
Zum zweiten Messzeitpunkt erfolgte eine Erhebung mit 415 Schülerinnen<br />
und Schülern, davon 259 aus Projektklassen und 156 aus Kontrollklassen.<br />
310 Mädchen und Jungen nahmen am Pre- und Posttest teil. Sie<br />
lieferten die Datenbasis für die durchgeführten Veränderungsmessungen<br />
(vgl. ebd., S. 10; vgl. Fußangel et al. 2006, S. 216). Zwischen den quantitativen<br />
Datenerhebungen in den Jahren 2003 und 2004 erfolgten leitfadengestützte<br />
Interviews mit elf Lehrkräften und 27 Schülerinnen und Schülern<br />
(vgl. Schulz-Zander et al. 2005, S. 11).<br />
Die Relevanz der Orientierungsmaßnahme wurde von Lehrkräften wie<br />
auch von den befragten Schülerinnen und Schülern hoch bewertet. Hervorhebung<br />
fanden vor allem die Realitätsnähe des Angebotes sowie die gewonnen<br />
praktischen Hinweise für den Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt<br />
(vgl. Fußangel et al. 2006, S. 225). Defizite sahen die Jugendlichen<br />
173
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
in der konkreten Unterstützung ihrer Berufswahl. Die Evaluationsergebnisse<br />
zeigten kleine statistisch bedeutsame Effekte in Hinsicht auf das Wissen<br />
über die Berufs- und Arbeitswelt, im Computerwissen sowie im Bereich der<br />
Selbstwirksamkeit. Bei den Mädchen sind in erster Linie Veränderungen bei<br />
den berufs- und arbeitsweltbezogenen Kenntnissen zu finden, bei den Jungen<br />
beim Wissen über Computer und Internet. Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />
erreichten häufiger schlechtere Ergebnisse im Berufswissens-<br />
und Computerwissenstest als Gleichaltrige deutscher Herkunft.<br />
Dahingegen hatte „workshop zukunft“ auf die Entwicklung der Sozialkompetenz<br />
und die Lernstrategien kaum Einfluss (vgl. ebd., S. 222).<br />
Resultierend aus diesen Ergebnissen wurde für die Optimierung von<br />
„workshop zukunft“ zum einen geschlussfolgert, Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />
intensiver zu unterstützen sowie speziell Mädchen in der<br />
Nutzung von Computer und Internet und Jungen im Bereich des Wissens<br />
über Berufe und die Arbeitswelt stärker zu fördern. Zum anderen sind die<br />
Rahmenbedingungen für die Durchführung zu verbessern. So ist beispielsweise<br />
sicherzustellen, dass eine ausreichende Anzahl von Unterrichtstunden<br />
sowie eine funktionstüchtige, internetfähige Computerausstattung zur<br />
Verfügung stehen. Empfohlen wurde darüber hinaus, das Orientierungsangebot<br />
besser in den Fachunterricht zu integrieren, es zu einem Zeitpunkt<br />
anzubieten, wenn die Jugendlichen einen unmittelbaren Nutzen daraus ziehen<br />
können (z. B. in Bewerbungsphasen) und die leistungsbezogen Rückmeldungen<br />
an die Teilnehmenden auszubauen (vgl. ebd., S. 226 f.; vgl.<br />
Schulz-Zander et al. 2005, S. 117).<br />
7.2.9 Onlinemedien: „Internet –<br />
ein Instrument zur Berufsorientierung?“<br />
Eine Reihe von Studien zum Einfluss von bspw. Eltern oder Gleichaltrigen<br />
im Berufsorientierungsprozess hat Lothar Beinke seit den 80er Jahren vorgelegt.<br />
Nachstehend wird auf eine Untersuchung zur „Brauchbarkeit“ des<br />
Internets (Beinke 2008a, S. 5), dort installierten Datenbanken sowie von<br />
Print- und Onlinemedien der Bundesagentur für Arbeit eingegangen. Die<br />
forschungsleitenden Fragestellungen der Evaluation wurden wie folgt umrissen:<br />
„Wieweit können Jugendliche – allein oder im Kontakt mit der<br />
Schule oder der Berufsberatung - neue, ergänzende oder verstärkende, bestätigende<br />
und damit absichernde Informationen erhalten? Wieweit sind diese<br />
für Jugendliche auch dann nutzbar, wenn sie ohne die ordnende - systematisierende<br />
- Hilfe der Arbeitsagentur und ohne die Hilfe der didaktischen<br />
174
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
Aufarbeitung für den Unterricht auskommen müssen?“ (Beinke 2008a,<br />
S. 5) Zur Beantwortung dieser Fragen erfolgte mit einem speziell zu diesem<br />
Zweck erarbeiteten Instrument eine Fragebogenerhebung mit 480 Jugendlichen<br />
in Abgangsklassen allgemeinbildender Schulen in Hessen. 68 Es wurden<br />
Daten von 84 Hauptschülerinnen und -schülern in 9. Klassen und 345<br />
Realschülerinnen und -schülern in 10. Klassen sowie 51 Jugendlichen in einer<br />
Gesamtschule69 erhoben (vgl. ebd., S. 60).<br />
Im Ergebnis der Studie ist zu konstatieren, dass das Internet kaum als erster<br />
Schritt bei der Recherche nach Informationen im Berufsorientierungsprozess<br />
genutzt wurde. Die Schülerinnen und Schüler griffen eher nachrangig<br />
hinter anderen Informationsquellen auf das Internet zurück. Ohne<br />
Unterstützung von Fachkräften der Agentur für Arbeit bzw. von Lehrkräften<br />
waren die Informationssuche und die Einordnung der Ergebnisse für<br />
die Jugendlichen schwierig. Über die Rolle von Flyern, Broschüren, Zeitschriften<br />
und anderen Druckerzeugnissen der Bundesagentur für Arbeit<br />
konnte aus methodischen Gründen keine Aussage getroffen werden (vgl.<br />
ebd., S. 109). Aufgrund dessen, dass die Befragten eventuell genutzte<br />
Schriften nicht bezeichnen konnten, war kein direkter Bezug zu ausgelösten<br />
Wirkungen möglich. Festgestellt wurde lediglich, dass die Printmedien<br />
in den Schulen differenziert Einsatz finden. Etwa die Hälfte der Jugendlichen,<br />
die bereits einzelne Papiere zu Rate zog, wollte mehr über den eigenen<br />
Wunschberuf oder Alternativberufe erfahren. Jedoch schreibt Beinke<br />
dies nicht dem ureigenen Willen der Schülerinnen und Schüler zu, sondern<br />
der Beratungskultur der Bundesagentur (vgl. ebd., S. 110). Auf Grundlage<br />
der Printmedien kristallisierte sich bei 15% der Jungen und Mädchen aus<br />
Realschulen und 48% der aus Hauptschulen ein Berufswunsch heraus.<br />
Dennoch nannten im Gesamturteil 62% die Materialien weniger wichtig bis<br />
unwichtig. Nach Beinkes Resümee „erscheint der Aufwand dieser Schriften<br />
in keinem Verhältnis zu ihrer Wirksamkeit zu stehen.“ (ebd.) Empfehlungen<br />
lauten daher, die Medien intensiver in den Unterricht zu integrieren<br />
und die Kooperation zwischen der Schule und der Berufsberatung zu verstärken.<br />
Zusätzlich zur Methodenkritik, die zum Forschungsprojekt „Beruf fängt in<br />
der Schule an“ (vgl. Kapitel 7.2.1) geäußert wurde, ist an dieser Evaluation<br />
die geringe Bandbreite an herangezogenen Wirkungskriterien zu bemängeln.<br />
Zwar finden die eingangs erläuterten Fragestellungen im groben<br />
68 Zum Untersuchungszeitraum wurden in der genutzten Publikation keine Informationen ausgewiesen.<br />
69 Es liegen keine Angaben zur Klassenstufe der befragten Jugendlichen aus Gesamtschulen vor.<br />
175
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 7 Wirkungsorientierte Evaluation<br />
Beantwortung, statt aber detailliert nach Effekten der Internetnutzung zu<br />
forschen, standen vielmehr die generell genutzten Informationsquellen und<br />
Zugangswege zu Online- sowie Printmedien im Mittelpunkt. Kritisch ist<br />
darüber hinaus zu werten, dass keine Erfassung der Art der bewerteten<br />
Internetangebote erfolgte, d. h. es bleibt offen, welche Onlineinformationen<br />
die Befragungsteilnehmenden überhaupt einschätzten.<br />
Abschließend ist auf eine weitere Studie von Beinke zu den 2005 in Niedersachsen<br />
eingeführten „Betriebs- und Praxistagen“ zu erwähnen. Die Untersuchung<br />
fokussiert auf Praxisphasen in der Sekundarstufe 1 an Hauptschulen<br />
und schließt 124 Datensätze von Jugendlichen ein (vgl. Beinke 2008b,<br />
S. 41). Im Ergebnis werden die Praxistage als unwirksam beschrieben und<br />
weiterführende Untersuchungen zur Ermittlung der Grenzen dieser „Simulationsmethode“<br />
gefordert (vgl. ebd., S. 89). Die Evaluation wird an dieser<br />
Stelle nicht ausführlich beschrieben, da zum einen ähnliche methodische<br />
Defizite wie hinsichtlich der soeben präsentierten Erhebung gesehen werden<br />
und zum anderen mit den Wirkungsanalysen zu den Schulversuchen<br />
„Arbeiten und Lernen in Schule und Betrieb“ (vgl. Kapitel 7.2.2) und „Abschlussquote<br />
erhöhen – Berufsfähigkeit steigern (AQB1)“ (vgl. Kapitel 7.2.3) aussagekräftige<br />
und wissenschaftlich fundiertere Studien vorliegen.<br />
An den dargelegten Überblick über wirkungsorientierte Evaluationen<br />
schließt sich im nächsten Kapitel eine Nachzeichnung der eigenen Erhebung<br />
zu Effekten von Orientierungsmaßnahmen an.<br />
176
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Zur Stärkung der empirischen Basis zur Wirksamkeit von Berufsorientierung<br />
erfolgte im Rahmen dieser Arbeit die Entscheidung zur Durchführung<br />
primärstatistischer Erhebungen. Nachfolgend werden die mit der Studie<br />
einhergehenden Fragestellungen, Hypothesen, der Untersuchungsverlauf<br />
und Untersuchungsergebnisse illustriert. Vorangestellt sind theoretische<br />
Bezüge innerhalb der Evaluationsforschung.<br />
8.1 Evaluationsziel und evaluationsleitende<br />
Fragestellungen<br />
Die nachfolgend beschriebene Untersuchung spiegelt die dargestellten allgemeinen<br />
Kennzeichen wissenschaftlicher Evaluation wider. Steuernd im<br />
Vordergrund stand die Erkenntnisfunktion (vgl. Kapitel 7). Wesentliches<br />
Anliegen war es zu überprüfen, inwieweit durch Orientierungsmaßnahmen<br />
die intendierten Ziele der Berufsorientierung kurz- und mittelfristig erreicht<br />
werden. Mit kurzfristig sind hier diejenigen Effekte bezeichnet, die direkt<br />
mit Abschluss einer Orientierungsmaßnahme auftreten. Mittelfristige Wirkungen<br />
meinen Einschätzungen über Interventionen, die mit einem zeitlichen<br />
Abstand von maximal einem Jahr nach Beendigung getroffen werden.<br />
Dabei wurde ein kritisch-rationaler, hypothesenprüfender Ansatz gewählt.<br />
Aufgrund dessen, dass aktuell in der Mehrheit Wirkungsanalysen über<br />
schulisch implementierte Orientierungsmaßnahmen vorliegen, galt das<br />
vorrangige aber nicht exklusive Interesse außerschulischen Interventionen.<br />
70 Wie in den Kapiteln 4.5.1 und 4.5.2 festgehalten, kann die Berufswahlreife<br />
als anzustrebendes Richtziel beruflicher Orientierung, als Veränderungsdimension<br />
in Evaluationsmaßnahmen und zur Prüfung der Effektivität<br />
und der Effizienz von Maßnahmen definiert werden. Sie wurde als<br />
Ausgangspunkt für die evaluationsleitenden Fragestellungen und die Hypothesenformulierung<br />
herangezogen, da sie den aktuellen ganzheitlichen Anspruch<br />
an die Berufsorientierung adäquat wiedergibt. Gleichzeitig ist die<br />
Berufswahlreife kein geschlossenes Konstrukt. Sie ist vom Ansatz her offen<br />
und um weitere Dimensionen ergänzbar, was ihrer stetigen Weiterentwicklung<br />
entgegenkommt. Unter Reflexion ihrer einzelnen Komponenten, die<br />
70 Zur Unterscheidung zwischen schulischer und außerschulischer Berufsorientierung vgl.<br />
Kapitel 6.4.<br />
177
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
gleichzeitig als Wirksamkeitsindikatoren und Bewertungsgrundlage fungierten,<br />
bildeten die folgenden forschungsleitenden Fragestellungen den Rahmen<br />
der Evaluation: 71<br />
� Wo stehen die Jugendlichen in der beruflichen Exploration, welche<br />
Pläne haben sie für ihre berufliche Zukunft?<br />
� Welche Quellen ziehen die Jugendlichen im Berufsorientierungsprozess<br />
heran und wie bewerten sie diese?<br />
� Verändern sich das Berufswahlengagement und die Eigenverantwortung<br />
Jugendlicher durch die Wahrnehmung von Orientierungsangeboten?<br />
� Tritt ein Wandel berufswahlbezogener Wertorientierungen und Einstellungen<br />
in Folge der Wahrnehmung von Orientierungsangeboten<br />
auf?<br />
� Verändert sich das Interesse der Jugendlichen an ausgewählten, von<br />
den Maßnahmen bedienten Berufsfeldern? Wandeln sich die Berufswünsche?<br />
� Erfahren die Sicherheit und Entschiedenheit bezogen auf berufliche<br />
Interessen infolge der Wahrnehmung eines Orientierungsangebotes<br />
eine Beeinflussung?<br />
� Wie entwickelt sich das arbeitswelt- und berufsbezogene Wissen<br />
Jugendlicher durch die Teilnahme an Interventionen zur beruflichen<br />
Orientierung?<br />
� Steigern sich infolge der Nutzung von Orientierungsmaßnahmen die<br />
Bereitschaft zur beruflichen Information sowie die Flexibilität bei<br />
Entscheidungen der Jugendlichen im Berufsorientierungsprozess?<br />
Zusätzlich zu den sich aus dem Berufswahlreifekonzept ergebenden Fragestellungen<br />
konzentrierte sich der inhaltliche Fokus der Evaluation auf weitere<br />
für den Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt als wichtig erachtete<br />
Effekte. So wurde in Berücksichtigung der Ausführungen in Kapitel 2.3<br />
zur Ausbildungsreife innerhalb der Untersuchung auch der Kompetenzerwerb<br />
beleuchtet, was sich in der Fragestellung niederschlug:<br />
� Wird die Bewertung der Bedeutsamkeit von arbeitsweltbezogenen<br />
Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten sowie deren individuelle<br />
Verfügbarkeit beeinflusst?<br />
71 Zur Untersetzung der Begrifflichkeiten in den Aufzählungen siehe die Kapitel 6.3.1 und 8.4.<br />
178
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
In diesem Zusammenhang waren auch Veränderungen in der Selbstwirksamkeit<br />
durch Berufsorientierungsangebote von Interesse. Die Selbstwirksamkeit<br />
wird von Super als Merkmal des Selbskonzeptes und wichtiger Persönlichkeitsaspekt<br />
im Kontext der Laufbahnentwicklungstheorie angesehen<br />
(vgl. Super 1980 S. 267). Das Konzept der Selbstwirksamkeit von Bandura,<br />
konzentriert sich auf die persönliche Einschätzung der eigenen Kompetenzen,<br />
allgemein mit Schwierigkeiten und Barrieren im täglichen Leben zurechtzukommen.<br />
Selbstwirksamkeit ist die Überzeugung, in einer bestimmten<br />
Situation eine angemessene Leistung zu erbringen. Selbstwirksamkeitserwartungen<br />
haben Einfluss auf die Auswahl von Handlungen (Schwierigkeitsgrad),<br />
die gezeigte Anstrengung im Prozess der Zielerreichung, die<br />
Ausdauer bei Schwierigkeiten und Barrieren sowie den Grad des Handlungserfolges.<br />
Als Quellen zum Aufbau der Selbstwirksamkeitserwartung<br />
werden die körperliche Erregung (z. B. Angst und Schweißausbrüche bei<br />
schwierigen Anforderungssituationen), verbale Rückmeldungen oder Überredungen<br />
Dritter (z. B. „Du wirst es meistern!“), Rückschlüsse auf die<br />
eigene Person durch Beobachtung des Handelns von Vorbildern oder die<br />
direkte Erfahrung mit Erfolgs- oder Misserfolgserlebnissen (z. B. durch<br />
eigenes aktives Handeln oder das erfolgreiche Lösen von herausfordernden<br />
Aufgaben) unterschieden (vgl. Bandura 1997, S. 79 ff.). Im Berufsorientierungsprozess<br />
haben Selbstwirksamkeitserwartungen einen steuernden Einfluss.<br />
Sie sind maßgeblich für die Motivation, sich der Herausforderung der<br />
Berufswahl zu stellen, Anstrengungen zu investieren, Durchhaltevermögen<br />
zu zeigen und sich bei Widerständen nicht entmutigen zu lassen. Selbstwirksamkeit<br />
im Berufsorientierungsprozess heißt, mit der beruflichen<br />
Orientierung in Verbindung stehende Aufgaben und Handlungen mit dem<br />
vorhandenen oder noch zu erwerbendem Wissen sowie eigenen Fähigkeiten<br />
und Fertigkeiten erfolgreich zu bewältigen (vgl. Ratschinski o. J.,<br />
S. 11 f.). Unter Bezugnahme auf das Konzept der Selbstwirksamkeit rundete<br />
die folgende Frage die Liste der forschungsleitenden Fragestellungen ab:<br />
� Welche Veränderungen ergeben sich nach Nutzung von Orientierungsangeboten<br />
hinsichtlich der allgemeinen Selbstwirksamkeit?<br />
Anliegen war es jedoch nicht nur, die Zielerreichung von Interventionen zu<br />
überprüfen. Durch die empirischen Analysen sollten ebenso Impulse für<br />
die Verbesserung von Orientierungsmaßnahmen gewonnen und Ansatzpunkte<br />
zur Weiterentwicklung aufgezeigt werden (Optimierungsfunktion).<br />
Auf theoretischer Ebene wäre denkbar gewesen, die Evaluation direkt an<br />
den spezifischen Merkmalen und Zielen der einzelnen Interventionen auszurichten.<br />
Die praktische Realisierung zeigte aber, dass die jeweiligen Ver-<br />
179
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
antwortlichen 72 die Ziele der von ihnen angebotenen Orientierungsmaßnahmen<br />
zumeist eher unstrukturiert und vage charakterisieren konnten und<br />
eine diesbezügliche Messung damit erheblich erschwert worden wäre. 73<br />
Ebenso hätte eine solche Vorgehensweise Einschränkungen in der Vergleichbarkeit<br />
zwischen den hier untersuchten Maßnahmen nach sich<br />
gezogen.<br />
8.2 Evaluationshypothesen<br />
Konturierende Rolle bei der Generierung der Hypothesen spielte ebenso<br />
wie bei der Formulierung der dargestellten Fragestellungen die Laufbahnentwicklungstheorie<br />
und das Berufswahlreifekonzept. Die Hypothesen hatten<br />
erkenntnisleitende Funktion, dienten also dazu, sich der gesetzten Fragestellung<br />
nach der Wirksamkeit von Orientierungsmaßnahmen zu nähern.<br />
Da sich die Evaluationsstudie auf nur wenig erforschtes Gebiet bezieht, ist<br />
sie als Erkundung zu verstehen. Priorität hatte nicht die Erlangung einer<br />
vertieften analytischen Kenntnis der Problematik, sondern vielmehr eine<br />
die wenigen empirischen Untersuchungen ergänzende Exploration des<br />
Forschungsgegenstandes. Damit einhergehend erfolgte die Formulierung<br />
der nachfolgend aufgeführten, als Veränderungs- (VH) bzw. Unterschiedshypothesen<br />
(UV) 74 zu klassifizierenden Annahmen unspezifisch, aber gerichtet<br />
75. Die Hypothesen begründen sich in den Grobzielen der Berufsorientierung<br />
gemäß dem Berufswahlreifekonzept. Sie sind ausschließlich<br />
positiv formuliert, d. h. sie spiegeln den definitorisch an die Berufsorientierung<br />
gestellten Anspruch wider.<br />
VH 1 Das Berufswahlengagement und die Eigenverantwortung im Berufsorientierungsprozess<br />
erhöhen sich durch die Wahrnehmung<br />
außerschulischer Orientierungsangebote.<br />
72 Mit Verantwortlichen sind sowohl Leitende als auch Organisatoren von Orientierungsmaßnahmen<br />
gemeint.<br />
73 Die getroffenen Aussagen gehen konform mit den Ausführungen von Bortz und Döring (vgl.<br />
Bortz, Döring 2006, S. 97) sowie Kelle und Erzberger (vgl. Kelle, Erzberger 2006, S. 288).<br />
74 Veränderungshypothesen werden von Bortz und Döring wie folgt definiert: „Die Ausprägungen<br />
einer Variablen verändern sich im Verlaufe der Zeit.“ (Bortz, Döring 2006, S. 492) Demgegenüber<br />
werden Unterschiedshypothesen durch zwei (oder mehrere Populationen), die sich<br />
bezüglich einer (oder mehrerer) abhängiger Variablen unterscheiden, charakterisiert (vgl. ebd).<br />
75 Als ‚gerichtet’ werden Hypothesen dann bezeichnet, wenn die Richtung eines Zusammenhangs<br />
(Zusammenhangshypothese), einer Veränderung (Veränderungshypothese) oder eines Unterschieds<br />
(Unterschiedshypothese) hypothetisch im Sinne von Ursache und Wirkung vorhergesagt<br />
werden kann. Dahingegen kann bei ‚ungerichteten’ Hypothesen die Richtung nicht abgeschätzt<br />
werden (vgl. Bortz, Döring 2006, S. 493).<br />
180
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
VH 2 Es erfolgt eine Veränderung berufswahlbezogener Werteorientierungen<br />
und Einstellungen in Folge der Wahrnehmung von<br />
außerschulischen Maßnahmen zur beruflichen Orientierung.<br />
VH 3 Durch die Teilnahme werden Veränderungen im Interesse an<br />
den Berufsfeldern und -bildern, die im Fokus der Orientierungsmaßnahmen<br />
standen, ausgelöst.<br />
VH 4 Die Sicherheit und Entschiedenheit bezogen auf berufliche<br />
Interessen wird durch die Teilnahme an außerschulischen Orientierungsangeboten<br />
gesteigert.<br />
VH 5 Das berufs- und arbeitsweltbezogene Wissen Jugendlicher erhöht<br />
sich durch die Teilnahme an Orientierungsmaßnahmen.<br />
VH 6 Aus der Nutzung von Orientierungsangeboten folgt eine Steigerung<br />
der Informationsbereitschaft und der Flexibilität bei Entscheidungen<br />
der Jugendlichen im Berufsorientierungsprozess.<br />
VH 7 Jugendliche verfügen nach der Nutzung von Orientierungsangeboten<br />
über eine höhere allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung.<br />
VH 8 Die Entwicklung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten<br />
wird gefördert.<br />
Zur hypothesenprüfenden Vorgehensweise der Evaluation gehörte neben<br />
der Prüfung, dass die Orientierungsangebote wie in den Veränderungshypothesen<br />
VH 1 bis VH 8 erwartet wirken, gleichfalls der Nachweis, dass<br />
messbare und mittels schließender Statistik belegbare Effekte in höherem<br />
Maße bei Jugendlichen auftreten, welche die untersuchten Interventionen<br />
nutzten (UH 1).<br />
Entsprechend des lerntheoretischen Modells nach Heimann variieren Zielstellungen,<br />
Inhalte, Methoden und Medien je nach Bedingungsfeldern und<br />
Situationsgefüge für didaktisches Handeln (vgl. Kapitel 6.1). Damit ist die<br />
schon beschriebene Konsequenz verknüpft, dass dieses augenblicksgebunden<br />
ist. Die ausgeschlossene Reproduktionsoption lässt den Rückschluss<br />
zu, dass sich auch eventuelle Wirkungen von Orientierungsmaßnahmen<br />
nicht erneut in identischer Form zeigen. Dennoch oder gerade deshalb ist<br />
ein wesentliches Erkenntnisziel dieser Arbeit auf Basis der unterschiedlichen<br />
Charakteristika jeder einzelnen Intervention (vgl. Kapitel 8.3.1) zu<br />
identifizieren, wie sie die gesetzten Zielstellungen positiv beeinflussen. Die<br />
Verifizierung oder Falsifizierung der Hypothesen bildet das Gerüst für abzuleitende<br />
Handlungsziele, die zur Ausrichtung in der Praxis der Berufsorientierung<br />
dienen. Die Evaluation fokussiert vorrangig auf einen direkten<br />
(instrumentellen) Nutzen, d. h. eine unmittelbare Verwertung der Ergebnisse<br />
durch die Institutionen, welche berufsorientierende Maßnahmen ausgestalten<br />
und anbieten.<br />
181
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
8.3 Evaluationsdesign und<br />
Evaluationsmethoden<br />
Zur Erreichung der definierten Zielstellung und zur Überprüfung der im<br />
vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Hypothesen wurde eine summative<br />
Evaluationsperspektive eingenommen. Die Evaluation wurde in<br />
einem Pretest-Posttest-Design76 angelegt. Zu diesem Designtyp, bei dem<br />
die Wirksamkeitsindikatoren vor und nach der Durchführung einer Intervention<br />
gemessen werden, resümiert Stockmann, „dass solche Vorher-<br />
Nachher-Untersuchungen zu den für Wirkungsmessungen am wenigsten<br />
geeigneten Designs zählen.“ (Stockmann 2006a, S. 235) Unabdingbar, so<br />
postuliert er, ist die Einrichtung einer Kontrollgruppe, um aus einem Vergleich<br />
der Gruppen auf die Wirksamkeit schließen zu können sowie von<br />
zusätzlichen Messzeitpunkten (vgl. ebd.). Der Pretest und der Posttest dieser<br />
Evaluation wurden daher um einen dritten Erhebungszeitpunkt (Follow-up),<br />
einige Monate nach dem Posttest, erweitert. Zusätzlich wurde das<br />
Evaluationsdesign quasi-experimentell angelegt. Laut Kromrey sind für<br />
quasiexperimentelle Designs eine Interventionsgruppe, eine ihr in allen wesentlichen<br />
Merkmalen äquivalente Kontrollgruppe sowie Messungen in<br />
beiden Gruppen vor und nach einer Intervention charakteristisch (vgl.<br />
Kromrey 2006, S. 97 f.). 77<br />
In die Evaluation einbezogen wurden mehrere Interventionsgruppen78 mit<br />
Teilnehmenden verschiedener von einander unabhängiger Orientierungsangebote.<br />
Um zielgerichtete Resultate zu erhalten und aufgrund begrenzter<br />
Forschungsressourcen finanzieller und personeller Art konzentrierte sich<br />
die Untersuchung auf eine Auswahl von sieben Orientierungsmaßnahmen79 mit Durchführungsorten und Einzugsgebieten im Freistaat Sachsen. Zu-<br />
76 Das Pretest-Posttest-Design kann auch als Paneldesign bezeichnet werden, da die Werte der<br />
gleichen Variablen zu mehreren Zeitpunkten, jedoch auf der Grundlage einer identischen Stichprobe<br />
erhoben wurden (vgl. Diekmann 2003, S. 267).<br />
77 Die Interventions- und Kontrollgruppe kann nicht gleichgesetzt werden mit der Zielgruppe<br />
und ‚Nicht-Zielgruppe’. In der Regel gehören die Personen der Interventions- und Kontrollgruppe<br />
beide der Zielgruppe an, d. h. der Gruppe, bei denen durch spezifische Maßnahmen Effekte<br />
ausgelöst werden sollen. Ob diese eintreten, wird durch die Messung der Differenzen in<br />
den Wirksamkeitsindikatoren ermittelt.<br />
78 Im Folgenden wird die Gesamtheit der Jugendlichen in den Maßnahmen und der Schulen als<br />
Interventionsgruppe bzw. Kontrollgruppe (Einzahl) bezeichnet. Wenn jede Intervention für sich<br />
im Fokus steht, wird hingegen von Interventionsgruppen (Mehrzahl) gesprochen. In der Kontrollgruppe<br />
wird keine Differenzierung nach Schülerinnen und Schülern einzelner Schulen vorgenommen.<br />
79 Zu den Orientierungsmaßnahmen und den Auswahlkriterien vgl. Kapitel 8.3.1.<br />
182
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
sätzlich wurde das Evaluationsdesign um eine Kontrollgruppe mit Jugendlichen,<br />
die keine außerschulische Orientierungsmaßnahme wahrgenommen<br />
haben, aber in ihren sonstigen Merkmalen weitgehend mit den Vertreterinnen<br />
und Vertretern der Interventionsgruppe identisch waren, ergänzt. Zum<br />
Teil parallel zur Pre- und Posttestung der Interventionsgruppe wurden<br />
Schülerinnen und Schüler der Vorabgangs- und Abgangsklassen an Förderschulen,<br />
Mittelschulen und Gymnasien aus der kreisfreien Stadt Chemnitz,<br />
dem Landkreis Mittelsachsen, dem Vogtlandkreis u. a. in die Untersuchung<br />
einbezogen80. Da die Überprüfung der Wirksamkeit von außerschulischen<br />
Orientierungsmaßnahmen vorrangig war, wurde im Rahmen der Followup-Messung<br />
auf eine Integration von Jugendlichen aus der Kontrollgruppe<br />
(ausschließlich schulische Berufsorientierung) verzichtet.<br />
Im Rahmen des Pretests und des Posttests erfolgten schriftliche Gruppenbefragungen<br />
mittels Fragebogen (vgl. Kapitel 8.3.1 und 8.4). Wesentlichstes<br />
Kriterium für die quantitative Gestaltung des Pre- und Posttests waren die<br />
Anzahl der erwarteten Untersuchungsteilnehmenden, deren Befragung mit<br />
den zeitlichen Abläufen der Orientierungsmaßnahmen, aber auch mit den<br />
für die Studie generell zur Verfügung stehenden zeitlichen und personellen<br />
Kapazitäten kompatibel sein musste. Darüber hinaus versprach die Form<br />
der quantitativ erhobenen Daten eine vereinfachte und damit ressourcensparendere<br />
Analyse und Auswertung. Eine qualitativ ausgerichtete Folgebefragung<br />
mittels problemzentrierter Interviews (vgl. Lamnek 2005, S. 363 ff.)<br />
mit einzelnen ausgewählten Teilnehmenden der Orientierungsmaßnahmen<br />
wurde zu einem Messzeitpunkt nach etwa drei bis zehn Monaten nach<br />
Nutzung der jeweiligen Orientierungsmaßnahme an einem Ort nach<br />
Wunsch der Evaluationsteilnehmenden (z. B. Jugendhaus, Schule, Hochschule)<br />
durchgeführt (vgl. Kapitel 8.3.3). Ein maßgeblicher Grund für die<br />
qualitative Herangehensweise im Rahmen der Follow-up-Befragung ist darin<br />
zu sehen, dass die eingesetzte Interviewtechnik durch ihre teiloffene<br />
Strategie eine Datenerhebung unterstützte, die subjektive Eindrücke und<br />
Erfahrungen sowie Schwerpunktsetzungen der Interviewpartnerinnen und<br />
-partner sichtbar werden ließ. Parallel war jedoch auch eine Fokussierung<br />
auf eine detailgenaue Beschreibung der beabsichtigen, aber auch unbeabsichtigten<br />
Wirkungen der Orientierungsmaßnahmen und den dafür<br />
zugrunde liegenden Ursachen unter dem Blickwinkel der Dimensionen der<br />
Berufswahlreife realisierbar. Als Vorteil der Interviewtechnik ist auch einzuschätzen,<br />
dass nicht, wie beispielsweise für narrative Verfahren typisch,<br />
extensive text- und erzählanalytische Interpretationen im Mittelpunkt ste-<br />
80 Zu den die Kontrollgruppe untersetzenden Schulen und Auswahlkriterien vgl. Kapitel 8.3.1.<br />
183
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
hen. Aufwendige Sequenzanalysen sind für die Datenauswertung nicht erforderlich.<br />
Vielmehr war eine Auswertung durch thematische Querschnittsanalysen,<br />
systematisiert nach interessierenden Kategorien möglich (vgl. Kapitel<br />
8.5). Grundlage für die Auswahl von einzelnen Jugendlichen für die<br />
Follow-up-Befragung stellte die Strategie des Theoretical Sampling dar (vgl.<br />
Strauss, Corbin 1996, S. 148 ff.). Inhaltliche Aspekte werden bei dieser Art<br />
der Stichprobengewinnung zunächst offen gehalten und die Auswahl vielmehr<br />
daran orientiert, die Untersuchungsteilnehmenden in ihrer Vielfalt<br />
gegenüberzustellen. Die Entscheidungen über die Einbeziehung einzelner<br />
‚Fälle’ erfolgen im Prozess der Datenerhebung und -auswertung. Beginnend<br />
mit einem ersten gezielt ausgewählten Untersuchungsteilnehmenden<br />
sind weitere kontrastierende Probandinnen und Probanden heranzuziehen<br />
(vgl. Kapitel 8.3.3). Die Auswahl findet in Abhängigkeit der Höhe des zu<br />
erwartenden Erkenntnisgewinns über die Wirksamkeit von Orientierungsmaßnahmen<br />
statt und kommt zum Abschluss, wenn erneute Erhebungen<br />
und Auswertungen nicht mit einem Erkenntniszuwachs einher gehen (vgl.<br />
Kuckartz 2006, S. 277).<br />
Als weitere Untersuchungsebene war der Evaluation eine didaktische Analyse<br />
der Orientierungsangebote (vgl. die Ausführungen in Kapitel zum lerntheoretischen<br />
Modell der Didaktik in Kapitel 6.1) vorgeschaltet. Grundlage<br />
bildeten Dokumentenanalysen, teilweise ergänzt durch qualitative Befragungen<br />
der Verantwortlichen für die Orientierungsmaßnahmen mittels<br />
problemzentrierter Experteninterviews. Vorrangiges Anliegen war es, die<br />
Zielstellungen, die Inhalte, den Ablauf, die Methoden, die Medien und die<br />
Entwicklungspotenziale der Angebote einzuschätzen und spezifische<br />
Schnittstellen zum Berufswahlreifekonzept aufzudecken. Zugleich dienten<br />
die Dokumentenanalyse und die Experteninterviews als Impulsgeber für<br />
die Erarbeitung der Befragungsinstrumente für die Pre-, Post- und Followup-Messung.<br />
Die Vorteile der Dokumentenanalyse liegen u. a. in der<br />
raschen Verfügbarkeit der zu erhebenden Daten sowie in der von den Anbietern<br />
von Orientierungsmaßnahmen weitgehend unabhängigen und damit<br />
für diese wenig aufwendigen Datenerhebung. Ein Vorzug ist auch darin<br />
zu sehen, dass der Untersuchungsanlass die Daten nicht verfälscht.<br />
Nachteilig zu werten ist hingegen die möglicherweise geringe Aktualität der<br />
Dokumente und die nicht zwangsläufige Passfähigkeit zu den interessierenden<br />
Untersuchungsfragen. Hier wirkten die geführten Experteninterviews<br />
ausgleichend. Das Evaluationsdesign war so durch eine Perspektiventriangulation<br />
gekennzeichnet. Es wurden einerseits die Sichtweisen der<br />
befragten Jugendlichen berücksichtigt, andererseits bestand gleichzeitig die<br />
Möglichkeit, Standpunkte und Erfahrungen der Verantwortlichen von<br />
184
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Orientierungsmaßnahmen in die Evaluation zu integrieren und kontrastierend<br />
gegenüber zu stellen. Die Triangulation wurde weniger als Strategie<br />
zur Erhöhung der Validität und Objektivität genutzt, sondern vielmehr als<br />
Mittel eingesetzt, um Erkenntnisse durch die Gewinnung weiterer Erkenntnisse<br />
zu begründen und abzusichern (vgl. Flick 2005, S. 311). Dies<br />
entspricht der Kritik an Triangulation als ein Validierungsinstrument.<br />
Demnach ist diese nicht mit der Absicht zu vollziehen, mehr ‚objektive’<br />
Wahrheit oder ein ‚totales’ Bild eines Untersuchungsgegenstandes zu erlangen<br />
(vgl. ebd.). Auch Lamnek sieht in konkurrierenden Befunden keinen<br />
höheren Wahrheitsgehalt und legt nahe, dass diese dennoch falsch sein<br />
können (Lamnek 2005, S. 285). Welche Erkenntnisse als abgesichert eingestuft<br />
werden, oblässt er der gegenstands-, theorie- und methodenbezogen<br />
Beurteilung des Forschers. Zugleich sieht er in widersprüchlichen Forschungsergebnissen<br />
einzelner Untersuchungsschritte den Anreiz eventuellen<br />
methodischen oder theoretischen Mängeln nachzuspüren (vgl. ebd.,<br />
S. 284). In Bezug auf die vorliegende Untersuchung wäre beispielsweise<br />
eine Modifizierung der methodischen Vorgehensweise, eine Revidierung<br />
der Transferierbarkeit der theoretischen Ansätze zur Berufswahlreife auf<br />
Interventionen zur Berufsorientierung oder eine weitere Konkretisierung<br />
der Hypothesen denkbar (vgl. ebd.).<br />
Die Experteninterviews erfolgten im Oktober und November 2007. Die<br />
Pre- und Posttests in der Interventionsgruppe fanden je nach Durchführungszeitpunkt<br />
der einzelnen Orientierungsmaßnahmen zwischen Oktober<br />
2007 und April 2008 statt. Die Pretestung der Kontrollgruppe wurde – bedingt<br />
durch unterschiedliche zeitliche Ressourcen der Schulen – zwischen<br />
Januar und April 2008, die Posttests zwischen April und Mai 2008 vorgenommen.<br />
Die ergänzende Follow-up-Befragung von einzelnen Teilnehmenden<br />
der Interventionsgruppen schloss sich zwischen Juni und September<br />
2008 an. Eine zusammenfassende Darstellung des Evaluationsdesigns<br />
ist Abbildung 2 zu entnehmen.<br />
185
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Abbildung 2: Evaluationsdesign<br />
186
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
8.3.1 Zugang und Charakteristika der in die<br />
Evaluation einbezogenen Orientierungsmaßnahmen<br />
und Schulen<br />
Verknüpft mit den inhaltlichen Arbeiten zur Didaktik der Berufsorientierung<br />
(vgl. Kapitel 1) erfolgte eine internetbasierte Recherche nach Orientierungsmaßnahmen,<br />
die als potenziell geeignet für die hier angestrebte Evaluation<br />
erschienen. Bestimmend für die Heranziehung einzelner Orientierungsangebote<br />
waren dabei die Kriterien:<br />
� Durchführungsort und Einzugsgebiet in Sachsen; speziell Landkreis<br />
Mittelsachsen, Erzgebirgskreis, Vogtlandkreis, Landkreis Zwickau,<br />
Landkreis Leipzig und Stadt Chemnitz,<br />
� Implementierung im außerschulischen Bereich,<br />
� Einbeziehung von Jugendlichen der Vorabgangs- und Abgangsklassen<br />
bzw. aus Kursen der Sekundarstufe II,<br />
� Teilnahme von Jugendlichen beruht auf Freiwilligkeit,<br />
� Verfolgung der Zielstellung der Förderung von Berufswahlreife<br />
(entsprechend den Dimensionen des Berufswahlreifekonzeptes).<br />
Bei der Auswahl der einzelnen Interventionen wurde zudem Wert auf<br />
didaktische Vielfalt und Differenzierung hinsichtlich Inhalten, Methoden,<br />
Medien, Umfang und zeitlicher Abfolge gelegt. In Ergänzung zur Recherche<br />
nach Orientierungsmaßnahmen unter den gesetzten Kriterien erfolgte<br />
die Kontaktaufnahme zu Vorsitzenden oder Koordinatorinnen und Koordinatoren<br />
der Arbeitskreise Schule-Wirtschaft der Stadt Chemnitz, des<br />
Mittleren Erzgebirgskreises, des Landkreises Annaberg und des Vogtlandkreises.<br />
Die Gremien verstehen sich als Schnittstellen für die Begegnung<br />
von Wirtschaft und Schule. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten gehören u. a.<br />
das Informationsmanagement zur Weitervermittlung von Veranstaltungshinweisen,<br />
die Konzeptentwicklung, Planung, Organisation und Durchführung<br />
von Maßnahmen zur Berufsorientierung sowie die Kontaktvermittlung<br />
zu regionalen und überregionalen Akteuren. Das Expertenwissen der<br />
Mitglieder der Arbeitskreise im Themenfeld der Berufsorientierung wurde<br />
genutzt, um ergänzende Informationen zu den aus der Internetrecherche<br />
bekannten Orientierungsmaßnahmen bzw. Kenntnis über andere in den<br />
einzelnen Landkreisen verortete Interventionen zu erlangen. In einem weiteren<br />
Schritt erfolgten die Übermittlung von Präsentationsmaterialien zur<br />
Untersuchung an die verantwortlichen Ansprechpartnerinnen und -partner<br />
187
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
von zehn Orientierungsangeboten und die Realisierung telefonischer oder<br />
Vorortgespräche. Anliegen dieses Kontaktes bzw. Zusammentreffens mit<br />
den Anbietenden von Orientierungsmaßnahmen war der Austausch über<br />
die geplante Evaluation, die Offenlegung ihrer Ziele, ihrer Hypothesen,<br />
ihres Ablaufes, ihrer Erhebungsmethoden und ihrer Bewertungskriterien<br />
sowie die Hervorhebung der Potenziale der Evaluationsergebnisse. Eine<br />
wesentliche Gesprächskomponente war zudem die Klärung des Interesses<br />
und der Bereitschaft der Akteure, ihr Angebot in die Evaluation aufzunehmen.<br />
In zwei Fällen wurde infolge des nunmehr gewonnenen Informationsstandes<br />
von der Einbindung der jeweiligen Orientierungsmaßnahme<br />
Abstand genommen. Die Interventionen genügten den definierten Auswahlkriterien<br />
nicht bzw. waren nicht mit der vorgesehenen Zeitplanung der<br />
Evaluation vereinbar. In einem dritten Fall wurden die Erhebungsmethoden<br />
und der zeitliche Umfang der Pre- und Posttests von Seiten des Anbieters<br />
als demotivierend für die Jugendlichen und damit dem Anspruch des<br />
Orientierungsangebotes entgegenlaufend eingeschätzt.<br />
In Hinblick auf die verbleibenden sieben Interventionen, ‚JobGalaxy’,<br />
‚JobGalaxy Future’, Schnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’, ‚Schnupperlehre’,<br />
Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’ sowie zwei ‚Girls’<br />
Day’-Angebote81 (vgl. Anhang 5), hatte die Gewinnung weiterführender Informationen<br />
zu den Orientierungsmaßnahmen Priorität. Die Verantwortlichen<br />
wurden um verschriftete Materialien zu ihren Angeboten, wie beispielsweise<br />
Konzeptpapiere, Durchführungspläne, Flyer, und Dokumentationen<br />
gebeten. Die Materialien sind im Rahmen einer Dokumentenanalyse<br />
orientiert am bereits im Kapitel 6.1 dargelegten Lerntheoretischen Modell<br />
ausgewertet worden. Dies geschah in Hinblick auf<br />
� das Situationsgefüge/den Handlungsrahmen der jeweiligen<br />
�<br />
Intervention,<br />
die Implementierung, den zeitlichen Rahmen und die Kapazitäten,<br />
� institutionelle Bedingungen und Bedingungen der Zielgruppe,<br />
� Ziele, Inhalte und Verlaufsschwerpunkte, Methoden, Medien sowie<br />
� Aussagen zum Erfolg/zur Wirksamkeit sowie zu Entwicklungspotenzialen.<br />
81 Zur Unterscheidung der beiden Girls’Day-Interventionen wird im Folgenden für die, welche<br />
vorrangig Berufsausbildungen thematisiert, das Kürzel [B] verwendet. Die zweite Girls’Day-<br />
Maßnahme, die Studiengänge in den Fokus rückt, wird mit [S] gekennzeichnet.<br />
188
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Sofern die zur Verfügung gestellten Materialien nicht ausreichend aussagekräftig<br />
hinsichtlich der genannten Schwerpunkte waren, wurden Befragungen<br />
mit den verantwortlichen Ansprechpartnerinnen und -partnern einzelner<br />
Orientierungsmaßnahmen nachgeschaltet. Diese waren als problemzentrierte<br />
Experteninterviews (vgl. Kapitel 8.3) angelegt und fanden im Arbeitsumfeld<br />
der Verantwortlichen für die einzelnen Interventionen statt.<br />
Zum Teil wurden die Interviews mit Akteuren mehrerer Hierarchieebenen<br />
und Abteilungen geführt, um verschiedene Perspektiven aufzunehmen. Um<br />
die Gesprächsbereitschaft der Expertinnen und Experten anzuregen und<br />
Interesse am Interview zu wecken, aber auch um mögliche Hemmungen<br />
abzubauen, wurden ihnen im Vorfeld des Interviews die Interviewschwerpunkte<br />
(vgl. Anhang 6) zur Kenntnis gegeben. Durch den vorab gewährleisteten<br />
Einblick in die Befragungsinhalte war eine gezieltere Gesprächsführung<br />
möglich. Die zwischen 45 und 90 Minuten dauernden Interviews<br />
wurden begleitend dokumentiert. Die wesentlichsten aus den Experteninterviews<br />
und den Informationsmaterialien gewonnenen Aussagen zur<br />
Didaktik der Interventionen sind in Anhang 5 festgehalten.<br />
Bei der inhaltsanalytischen Auswertung der Interviews und der Dokumente<br />
wurde darauf geachtet, dass sie im Kontext unterschiedlicher Anlässe und<br />
Interessen entstanden (z. B. Überblick über ein Orientierungsangebot für<br />
die Adressaten, Beantragung finanzieller Mittel bei einem Fördermittelgeber)<br />
und eine stilistische Angleichung vorgenommen. Wie bereits vorangehend<br />
dargelegt, wird deutlich, dass gerade Ziele und Erfolgsindikatoren nur<br />
vage von den Interviewpartnerinnen und -partnern formuliert wurden, was<br />
für den geschilderten Rückgriff auf das Berufswahlreifemodell als Orientierungsrahmen<br />
für die Wirksamkeitsevaluation sprach. Zu ergänzen ist, dass<br />
die Befragungen und Materialien nicht selbst Gegenstand des Auswertungsinteresses<br />
waren, sondern ausschließlich als Informationsträger dienten<br />
(vgl. Kromrey 2006, 319 ff.). Um den Erkenntnisgewinn zu erhöhen, wäre<br />
es denkbar gewesen, die aus der Dokumentenanalyse gewonnen Informationen<br />
gezielt denen der Interviews gegenüberzustellen. Da die Herausarbeitung<br />
und Aufdeckung von Widersprüchen und Gemeinsamkeiten zwischen<br />
Interviewaussagen und den Materialien jedoch für die hier gesetzte<br />
Aufgabenstellung nicht zielführend gewesen wäre, wurde darauf verzichtet.<br />
Dennoch lassen sich hier Ansatzpunkte für ergänzende Untersuchungen<br />
identifizieren.<br />
Im Anschluss an diesen Schritt der Untersuchung wurden mit den Verantwortlichen<br />
der Orientierungsmaßnahmen Vereinbarungen zu zeitlichen<br />
Abläufen und zum Zeitpunkt der Ansprache der Nutzenden der Interventionen<br />
sowie zu notwendigen Voraussetzungen, wie dem Vorliegen einer<br />
189
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
schriftlichen Einverständniserklärung von Eltern minderjähriger Jugendlicher,<br />
getroffen. Durch die enge Abstimmung und die aktive Einbindung<br />
der Akteure in die Organisation der Evaluation war von vornherein Transparenz<br />
über das Forschungsvorhaben und den Evaluationsverlauf gegeben.<br />
Die partizipative Ausgestaltung trug dazu bei, dass die Studie als kooperatives,<br />
nicht kontrollierendes Vorhaben wahrgenommen wurde, was die Akzeptanz<br />
für die Durchführung der Evaluation positiv beeinflusste.<br />
Parallel zu den Absprachen mit den Verantwortlichen der Orientierungsmaßnahmen<br />
erfolgte die Vorbereitung der geplanten Klassenzimmerbefragungen<br />
in ausgewählten Schulen der Stadt Chemnitz und der umliegenden<br />
Landkreise. Auch hierzu wurde Unterstützung von den Vertreterinnen und<br />
Vertretern der Arbeitskreise Schule-Wirtschaft in Form von Empfehlungen<br />
für zu involvierende Schulen eingeholt. Eine erste Vorauswahl umfasste ein<br />
Spektrum von vierzehn Förderschulen, Mittelschulen und Gymnasien. Für<br />
die Auswahl maßgeblich war<br />
� ein aus den Erfahrungen der Akteure der Arbeitskreise Schule-<br />
Wirtschaft eingeschätzter Status der Schule als zuverlässige Kooperationspartnerin,<br />
� die Berücksichtigung unterschiedlicher Schultypen, entsprechend den<br />
potenziellen Teilnehmenden der Orientierungsmaßnahmen,<br />
� eine ausgewogene regionale Verteilung der Schulen, analog zum räumlichen<br />
Einzugsgebiet der ausgewählten Orientierungsangebote und<br />
� ein hohes Engagement in Hinblick auf Aktivitäten schulischer Berufsorientierung<br />
und die Entwicklung eines schuleigenen Berufsorientierungskonzeptes.<br />
Dem letztgenannten Punkt wurde Relevanz beigemessen, weil das schuleigene<br />
Konzept eine Komponente der „Sächsischen Strategie der Berufsund<br />
Studienorientierung“ (vgl. Kapitel 6.4.3) widerspiegelt. Die sächsische<br />
Schulentwicklung fand so Beachtung.<br />
Für die Befragung in den Schulen war gemäß „Verwaltungsvorschrift des<br />
Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über Sponsoring, Werbung,<br />
Spenden, Erhebungen, Wettbewerbe und den Warenverkauf an Schulen“<br />
(VwV Sponsoring 2008, Abs. 4) eine Genehmigung durch die das Ministerium<br />
vertretende Sächsische Bildungsagentur, Regionalstelle Chemnitz<br />
Voraussetzung. Auf Grundlage von Informationen zu den Zielstellungen,<br />
zum Evaluationsdesign, zu den Evaluationsinstrumenten und zur getroffenen<br />
Vorauswahl an Schulen wurde dem im November 2007 gestellten<br />
190
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Antrag im Dezember 2007 in Verbindung mit Auflagen stattgegeben. 82 Infolge<br />
der Genehmigung der Befragung informierte die Sächsische Bildungsagentur,<br />
Regionalstelle Chemnitz die Schulleitungen und forderte diese<br />
zur Unterstützung auf. Auf dieser Basis erfolgte, wie auch bei den Anbietern<br />
der Berufsorientierungsmaßnahmen, die postalische Übermittlung<br />
von Informations- und Präsentationsmaterialien zur Studie und eine ergänzende<br />
Ansprache der Schulleitungen oder der von diesen benannten Ansprechpartnerinnen<br />
und -partnern mit dem Ziel des Kontaktaufbaus und<br />
der Vermittlung weiterführender Informationen. Bei den einzelnen Schulvertretungen<br />
zeichnete sich im Rahmen der zumeist telefonisch, aber auch<br />
vor Ort in den Schulen geführten Gespräche, vor allem der Bedarf zur Klärung<br />
organisatorischer Fragen ab. Dazu zählten Auskünfte zum Ablauf und<br />
zum zeitlichen Umfang des Pre- und Posttests, zur Notwendigkeit der Einbindung<br />
von Lehrenden im Untersuchungsverlauf, Vereinbarungen über zu<br />
befragende Schulklassen (eine Vorabgangsklasse und eine Abgangsklasse<br />
bzw. Kurse der Sekundarstufe II je Schule) sowie zur Terminierung. Ebenso<br />
wurde die Verfahrensweise zur Information der Erziehungsberechtigen<br />
von minderjährigen Schülerinnen und Schülern abgestimmt. In einigen der<br />
angesprochenen Schulen fanden unmittelbar vor oder parallel zur Kontaktaufnahme<br />
bereits Schülerbefragungen durch andere Institutionen statt. Mit<br />
Rücksicht auf die schulischen Ressourcen wurde vereinbart, von einer Befragung<br />
in diesen Schulen Abstand zu nehmen. In Konsequenz erfolgten<br />
die Ansprache zusätzlicher Schulen und die Bitte um Unterstützung der<br />
Untersuchung. Einige Schulleitungen sprachen sich aufgrund der Abschlussprüfungen<br />
gegen eine Umsetzung der Befragung in den Abgangsklassen<br />
bzw. zwölften Kursstufe ihrer Schulen aus und schlugen stattdessen<br />
andere Klassen/Kurse zur Teilnahme an der Untersuchung vor. Auch die<br />
ausgewählten Orientierungsmaßnahmen richten sich nicht ausnahmslos an<br />
Schülerinnen und Schüler der Vorabgangs- und Abgangsklassen bzw. aus<br />
Kursen der Sekundarstufe II. Wie aus der nachfolgend dargestellten Be-<br />
82 Zu diesen Auflagen gehörte u. a. die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Umfrage, die Notwendigkeit<br />
der vorherigen Einwilligung der Erziehungsberechtigten zur Teilnahme minderjähriger<br />
Schülerinnen und Schüler, die Verpflichtung zur Verschwiegenheit in Bezug auf personenbezogene<br />
Angaben der Interviewteilnehmenden und die Gewährleistung der Anonymität der Befragungsteilnehmer.<br />
Auf Grundlage des letzten Punktes war die Änderung des Kodierungsfeldes<br />
der Befragungsinstrumente für den Pre- und Posttest in den Schulen notwendig. Dieses enthielt<br />
neben Angaben zum Wohnort, zum Geschlecht und zu den ersten beiden Buchstaben des Vornamens<br />
der Mutter auch das Geburtsdatum. Da auf Seiten der Sächsischen Bildungsagentur<br />
durch Angaben zu diesen Elementen die Möglichkeit auf Rückschluss zu einzelnen Personen befürchtet<br />
wurde, ist das Kodierungsfeld neu zu gestalten gewesen. Statt der Abfrage des Geburtsdatums<br />
erfolgte nunmehr die Erfassung der letzten drei Ziffern der Telefonnummer des Jugendlichen.<br />
191
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
schreibung der Evaluationsstichprobe (siehe Kapitel 9.1) ersichtlich ist, umfassten<br />
sie auch Jugendliche niedrigerer Klassen- oder Kursstufen. Um eine<br />
höhere Vergleichbarkeit hinsichtlich der Merkmale der Untersuchungsgruppen<br />
zu erreichen, wurde der Anspruch, ausschließlich Jugendliche der<br />
Vorabgangs- und Abgangsklassen bzw. aus Kursen der Sekundarstufe II in<br />
die Erhebung einzubeziehen aufgeweicht. Letztendlich sind elf Schulen mit<br />
je zwei bis vier Klassen bzw. Kursen in die Untersuchung eingebunden<br />
worden (siehe Tabelle 7).<br />
Tabelle 7: Übersicht der Schulen, aus denen sich die Teilnehmenden der Kontrollgruppe<br />
rekrutierten<br />
Förderschule<br />
Mittelschulen<br />
Gymna-sien<br />
192<br />
Schulen<br />
� Parkschule Auerbach - Förderschule für Lernbehinderte,<br />
Auerbach<br />
Anzahl der Klassen/Kurse<br />
8 9 10 11<br />
1 1<br />
� Albert-Schweitzer-Mittelschule, Chemnitz 1 1<br />
� Johann-Gottlieb-Fichte-Schule, Mittweida<br />
(Mittelschule)<br />
2 2<br />
� Mittelschule „Am-Flughafen“, Chemnitz 1 1<br />
� Mittelschule „An der Mulde“, Rochlitz 1 1<br />
� Mittelschule „Gotthold Ephraim Lessing“,<br />
Lengenfeld<br />
2<br />
� Mittelschule Milkau, Erlau 2<br />
� Johann-Mathesius-Gymnasium, Rochlitz 1 1<br />
� Johann-Wolfgang-von-Goethe-Gymnasium,<br />
Chemnitz<br />
1 3<br />
� Karl-Schmidt-Rottluff-Gymnasium, Chemnitz 3<br />
� Martin-Luther-Gymnasium, Frankenberg 2 2<br />
Gesamt 5 9 10 5<br />
Insgesamt herrschte in allen beteiligten Schulen eine breite Akzeptanz in<br />
Bezug auf die Befragung und ein hohes Engagement hinsichtlich der organisatorischen<br />
Einbettung der Untersuchung in den Schulalltag. In vielen<br />
Schulen waren die Jugendlichen durch die Lehrkräfte bereits gedanklich auf<br />
die Teilnahme an der Untersuchung vorbereitet. Teilweise wurden inhaltliche<br />
Bezugspunkte zum Unterrichtsstoff hergestellt.
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
8.3.2 Realisierung der Pre- und Posttests in<br />
den Orientierungsmaßnahmen und den<br />
Schulen<br />
Orientiert an den organisatorischen Vereinbarungen mit den Verantwortlichen<br />
der Orientierungsmaßnahmen erfolgte die Pretestung der teilnehmenden<br />
Jugendlichen während der Anmeldeverfahren oder den Informationsveranstaltungen<br />
zu den Maßnahmen oder direkt vor Beginn der Interventionen.<br />
Nach Ablauf der ausgewählten Orientierungsangebote erfolgte<br />
die Kontaktaufnahme zu den Teilnehmenden, sofern dies möglich war, am<br />
Durchführungsort der Orientierungsmaßnahme im Rahmen der Auswertungs-/Verabschiedungsverfahren<br />
bzw. Zertifikatsübergaben. In zwei Fällen<br />
waren die Jugendlichen am Veranstaltungsort aufgrund des Ablaufes<br />
der Interventionen nur eingeschränkt erreichbar. Hier wurde der Posttest<br />
als postalische Befragung angelegt. Die Fragebögen wurden den Schülerinnen<br />
und Schülern zur häuslichen Bearbeitung mit einem Begleit-/Motivationsschreiben<br />
übermittelt. Voraussetzung hierfür war das Vorliegen<br />
der Kontaktdaten der Jugendlichen. Diese wurden innerhalb der Pretestung,<br />
deutlich getrennt vom Fragebogen aufgenommen. In den Schulen<br />
erfolgten der Pre- und Posttest im Rahmen zur Verfügung gestellter Unterrichtsstunden<br />
zu den mit den Schulleitungen oder Lehrenden vereinbarten<br />
Zeiten. Sowohl für die Jugendlichen der Interventionsgruppen als auch für<br />
die Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe war das schriftliche Vorliegen<br />
der Einverständniserklärung der Eltern und das Interesse an der<br />
Teilnahme durch die Jugendlichen Voraussetzung für die Teilnahme an der<br />
Befragung. Von den Befragungen ausgeschlossen wurden minderjährige<br />
Jugendliche, die vor Beginn der Pretests keine Einwilligung der Eltern zur<br />
Teilnahme an der Untersuchung vorweisen konnten. Vor diesem Hintergrund,<br />
aber auch der wenig planbaren Interessenlage der Jugendlichen zur<br />
Teilnahme an der Befragung war die Anzahl der Untersuchungsteilnehmenden<br />
nur sehr ungenau kalkulierbar und zum Teil starken Schwankungen<br />
unterworfen (siehe dazu auch die Ausführungen zur Evaluationsstichprobe<br />
in Kapitel 9.1).<br />
Für die quantitativen Befragungen waren jeweils 45 Minuten (eine Unterrichtsstunde)<br />
vorgesehen. Das Zeitbudget umfasste Spielraum für die Begrüßung<br />
der Befragungsteilnehmenden, eine Vorstellung der Durchführenden<br />
der Befragung, eine kurze Erläuterung der Zielsetzung und Anlage der<br />
Untersuchung sowie mündliche und schriftliche Instruktionen zum Ausfüllen<br />
des Fragebogens. Wichtig für die am Anfang stehende Ansprache der<br />
193
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Jugendlichen war die Schaffung einer aufgeschlossenen und interessierten<br />
Grundhaltung, die die Schülerinnen und Schüler zur Beteiligung an der Befragung<br />
motivierte. Im Rahmen des Pretests galt es zudem, Bereitschaft zur<br />
Teilnahme an der Posttestung sowie der Follow-up-Befragung zu wecken.<br />
Um den Ablauf der Befragung in der Interventions- und Kontrollgruppe<br />
weitgehend kongruent zu gestalten und so die Durchführungsobjektivität<br />
zu steigern, kam ein Instruktionsleitfaden zum Einsatz, der in Form einer<br />
Checkliste für ein identisches Vorgehen garantierte. Abzüglich der Zeit für<br />
die Ausgabe und das Einsammeln der Fragebögen, Instruktionen und einer<br />
Zeitreserve verblieben etwa 30 Minuten je Testung. Die Jugendlichen<br />
waren aufgefordert, mit Fragen offensiv an die zur Verfügung stehende<br />
Ansprechpartnerin heranzutreten. Dennoch bestand der Grundsatz, so wenig<br />
Hilfestellung und Erklärungen wie notwendig zu geben, um die Antworten<br />
der Jugendlichen nicht zu beeinflussen. Sofern die Schülerinnen<br />
und Schüler nicht die gesamte zur Verfügung stehende Zeit zum Ausfüllen<br />
des Fragebogens benötigten, waren sie zur Prüfung ihrer Antworten auf<br />
Vollständigkeit und zur eigenständigen Beschäftigung, z. B. mit Hausaufgaben<br />
oder mit Informationen zum Ablauf der Orientierungsmaßnahme,<br />
aufgefordert. Großer Stellenwert wurde darauf gelegt, mit Abschluss des<br />
Ausfüllens des Fragebogens keine Privilegien, beispielsweise in Form der<br />
Möglichkeit zum Verlassen des Klassenraumes oder des Veranstaltungsortes<br />
der Orientierungsmaßnahme, zu schaffen. In Einzelfällen, so beispielsweise<br />
bei einigen Jugendlichen aus Förderschulen, genügte der Zeitraum<br />
von 45 Minuten zur Durchführung der Befragung nicht. In Absprache<br />
mit den Verantwortlichen der Orientierungsmaßnahmen bzw. den<br />
Lehrenden wurde das Zeitbudget anstelle eines Abbruchs der Befragung<br />
ausgeweitet. Der Kontakt endete mit dem Einsammeln der Fragebögen<br />
sowie den Bereitschaftserklärungen für die Folgebefragungen, der Verabschiedung<br />
und einem Dank an die Befragungsteilnehmenden. Um die Befragungssituation<br />
zu einem späteren Zeitpunkt rekapitulieren zu können<br />
wurde u. a. die Zahl der Teilnehmenden der jeweiligen Untersuchungsgruppe,<br />
die Atmosphäre während der Befragung, Störungen sowie Rückfragen<br />
der Jugendlichen mittels eines Befragungsprotokolls dokumentiert.<br />
Sowohl die Ansprechpartnerinnen und -partner für die Interventionen als<br />
auch die Lehrkräfte wurden außerhalb der organisatorischen Abstimmungen<br />
nicht in die Befragungen einbezogen. Teilweise waren sie bei den Befragungen<br />
anwesend, übernahmen jedoch keine aktive Rolle, da dies als<br />
Einflussnahme in die Befragung zu werten wäre.<br />
194
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
8.3.3 Umsetzung der Follow-up-Messung in<br />
den Orientierungsmaßnahmen<br />
Die Auswahl von einzelnen Jugendlichen für die Follow-up-Befragung geschah<br />
unter Anwendung der eingangs im Kapitel 8.3 beschriebenen Strategie<br />
des Theoretical Sampling. Berücksichtigung fanden die Sampling-<br />
Kriterien:<br />
� Geschlecht: Die gesellschaftliche Realität stellt sich für weibliche und<br />
männliche Jugendliche unterschiedlich dar, die Sozialisationsbedingungen<br />
und das Berufs- und Studienwahlverhalten (vgl. Kapitel 2.1)<br />
sind heterogen.<br />
� Besuchte Klassenstufe: Entsprechend der besuchten Klassenstufe besteht<br />
eine mehr oder weniger hohe Dringlichkeit sich beruflich zu<br />
orientieren bzw. eine Entscheidung für eine bestimmte Berufsvorbereitung<br />
(z. B. Berufsgrundbildungsjahr, Berufsvorbereitungsjahr),<br />
einen Ausbildungsberuf oder einen Studiengang zu treffen. In Zusammenhang<br />
mit dem Alter stehen verschiedene Erfahrungen und<br />
Bemühungen in Hinblick auf die Berufsorientierung.<br />
� Angestrebter Schulabschluss: Eng mit dem Schulabschluss verbunden<br />
sind die Möglichkeiten zur Aufnahme einer Berufsausbildung oder<br />
eines Studiums und damit die Verwirklichung beruflicher Interessen<br />
und Wünsche.<br />
Die Kontaktaufnahme zu den nach und nach im Samplingverfahren ausgewählten<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der sieben Orientierungsmaßnahmen<br />
erfolgte telefonisch oder postalisch auf Grundlage der im Rahmen<br />
der Pretests aufgenommenen Kontaktdaten. Die Motivation und Gewinnung<br />
der Schülerinnen und Schüler für die Teilnahme an den qualitativen<br />
Interviews gestaltete sich äußerst schwierig. Ursachen hierfür sind einerseits<br />
darin zu sehen, dass in Konsequenz der eingeschränkten finanziellen und<br />
materiellen Ressourcen für die Untersuchung keine angemessenen Anreize<br />
zur Teilnahme eingesetzt wurden. Den Jugendlichen konnte darüber hinaus<br />
nur mit der Auswahl des Befragungsortes (Jugendhaus, Schule, Hochschule)<br />
entgegen gekommen werden. Andererseits sind Gründe in dem zum<br />
Teil langen Zeitraum zwischen der Posttestung und der Follow-up-<br />
Messung zu suchen. Dem wurde jedoch bewusst nicht gegengesteuert,<br />
schließlich war von Interesse, inwiefern Orientierungsmaßnahmen auch<br />
nach einem längeren Zeitraum noch Effekte zeigen. Vor diesem Hintergrund<br />
war auch die Einbindung von Schülerinnen und Schülern aus den<br />
195
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Abgangsklassen, die die Schule und damit auch die Berufswahl also gerade<br />
abschließen 83, vorgesehen. Es sollten so aussagekräftigere Ergebnisse zur<br />
Wirksamkeit gewonnen werden. Letztendlich konnte das Ziel, Schulabgängerinnen<br />
und -abgänger in die Befragung einzubinden, aber nur unzureichend<br />
realisiert werden (vgl. dazu das Kapitel 9.1 zur Evaluationsstichprobe).<br />
Die Durchführung der problem-zentrierten Interviews mit den<br />
Jugendlichen war wie auch die Pre- und Posttests durch ein dreistufiges<br />
Verfahren gekennzeichnet. Vor Beginn des Interviews wurde die Jugendlichen<br />
begrüßt und das Einverständnis für die Audioaufzeichnung und die<br />
anonymisierte Verwendung der zu erstellenden Interviewtranskripte abgefragt.<br />
Eine kurze einführende Erläuterung zu den Schwerpunkten des<br />
Interviews rundete die erste Phase der Befragung ab. Mit der Bitte um<br />
einige wenige Angaben zur Person wurde anschließend das Interview begonnen.<br />
Im Anschluss an das Interview bestand für die Untersuchungsteilnehmenden<br />
die Möglichkeit das Gespräch und die Ereignisse während der<br />
Untersuchung zu reflektieren und offen gebliebene Fragen zu stellen. Die<br />
Jugendlichen wurden zudem zu einer Rückmeldung aufgefordert, wie sie<br />
das Interview erlebt haben. Abgeschlossen wurde der Kontakt mit der Verabschiedung<br />
und einem Dank an die Interviewpartnerinnen und -partner.<br />
Die Follow-up-Untersuchungen umfassten in der Regel einen Zeitumfang<br />
von dreißig bis sechzig Minuten.<br />
8.4 Evaluationsinstrumente<br />
Für die quantitativen Erhebungen im Rahmen der Pre- und Posttests, welche<br />
auf die Erfassung von Einstellungen, Haltungen, Erfahrungen, Wissen<br />
und Aktivitäten zur Berufswahl ausgerichtet waren, erfolgte unter Beachtung<br />
der Hauptgütekriterien Objektivität, Validität und Reliabilität sowie<br />
von Nebengütekriterien, wie Ökonomie und Vergleichbarkeit (vgl. Bühner<br />
2010, S. 33 ff.) die Konstruktion von spezifischen, inhaltlich weitgehend<br />
identischen Fragebögen (vgl. Anhang 7 ff..). Im Rahmen der Follow-up-<br />
Untersuchung wurde mit einem Interviewleitfaden gearbeitet (vgl. Anhang<br />
11). An die Stelle klassischer Gütekriterien traten u. a. intersubjektive<br />
Nachvollziehbarkeit (z. B. Verfahrensdokumentation), Indikation des For-<br />
83 Mit ‚Abschluss der Berufswahl’ ist hier die Entscheidung für eine bestimmte Berufsausbildung<br />
oder einen Studiengang gemeint, jedoch nicht zwangsläufig die Unterzeichnung eines Berufsausbildungsvertrages<br />
oder die Studienimmatrikulation. Mit der Absicht Jugendliche in die Follow-up<br />
Messung einzubeziehen, die eine Entscheidung getroffen haben, bleibt berücksichtigt, dass wie in<br />
Kapitel 1 unter dem Stichwort Moratorium dargestellt wurde, bei einer Reihe von Schülerinnen<br />
und Schülern diese Entscheidung keineswegs mit Beendigung der Schule vorliegt.<br />
196
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
schungsprozesses (z. B. Methodenwahl, Transkriptionsregeln, Samplingstrategie)<br />
oder die Regelgeleitetheit (vgl. Steinke 2007, S. 323 ff.; vgl. Lamnek<br />
2005, S. 146 f.). Durch die evaluationsleitenden Fragestellungen und<br />
die formulierten Hypothesen war eine klar definierte Evaluationsperspektive<br />
u. a. orientiert am Berufswahlreifekonzept mit den beschriebenen Entwicklungsaufgaben<br />
bzw. Zielbereichen gegeben.<br />
Unter Gesichtspunkten der Ökonomie, d. h. unter Berücksichtigung der<br />
zur Verfügung stehenden eingeschränkten Ressourcen, wurden für die<br />
Operationalisierung Tests herangezogen, die in anderen Kontexten erstellt,<br />
erprobt und veröffentlicht wurden. Ein großer Vorteil von sorgfältig konstruierten<br />
Testverfahren ist ihre Exaktheit. Jedoch sind viele der verfügbaren<br />
Tests nicht für Evaluationszwecke, sondern auf Forschungszwecke<br />
mit starker Anlehnung an theoretisch-psychologische Konstrukte oder an<br />
den Bedürfnissen der Einzelfalldiagnostik ausgerichtet (z. B. Berufseignungstest<br />
(BET), Berufsinteressen-Test 11 (BIT 11), Testverfahren für<br />
Interessen: Beruf - Schule (TIBS 1), Coaching Tool: Berufliche Orientierung<br />
– Berufliche Interessen (CT-BOBI), Geva-Testverfahren: Eignungstest<br />
Berufswahl A/B und Talente-Check A/B). 84 Resultierend aus einer Bestandsaufnahme<br />
nach bereits veröffentlichten Erhebungsinstrumenten, die<br />
den hier untersuchten Themenbereich abdecken, schienen die folgenden<br />
zur Anwendung im Rahmen dieser Evaluation geeignet:<br />
� Test zur Erfassung von Einstellungen zur Berufswahl und beruflichen<br />
Arbeit (EBwA),<br />
� Verfahren der Kompetenzmessung nach den HIS-Schulabgängerbefragungen<br />
und den HIS-Absolventenstudien,<br />
� Test zur allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung (SWE).<br />
Erste Versuche, Berufswahlreife auf testfähige Weise zu operationalisieren,<br />
wurden von John Crites 85 vorgenommen. Aus dem von ihm entwickelten<br />
Instrument ging das Career-Maturity-Inventory (CMI) hervor, welches die<br />
Basis für die hier zum Einsatz kommenden EbwA-Skalen bildet. Der Test<br />
ist die deutsche Adaptation eines Teilbereiches des CMI, erarbeitet von Seifert<br />
und Stangl (1986). Er integriert die vier Subskalen „Berufswahlengagement“,<br />
„Sicherheit und Entschiedenheit“, „Informationsbereitschaft<br />
und Flexibilität“ sowie „Eigenaktivität und Selbstständigkeit“. Seifert und<br />
Stangl sehen das für die Befragung von Hauptschülerinnen und -schülern<br />
entwickelte EbwA-Verfahren als geeignet<br />
84 Einen Überblick über einen Großteil der benannten sowie weitere psychologische und pädagogische<br />
Test geben Brickenkamp 1997 und Erpenbeck et al. 2007.<br />
85 John Crites war Schüler Donald E. Supers, der die Laufbahnentwicklungstheorie erarbeitete.<br />
197
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
198<br />
„(1) für die Ermittlung des Entwicklungsniveaus der berufswahlrelevanten<br />
Einstellungen, insbesondere zur Diagnose von auffälligen Rückständen<br />
oder Defiziten in verschiedenen Einstellungsbereichen (Dimensionen);<br />
(2) für die Entwicklung und Ausrichtung von individuellen und<br />
gruppenbezogenen Interventions- und Fördermaßnahmen, z.B. im Rahmen<br />
der Berufs und Laufbahnberatung, (3) für die Evaluation von Maßnahmen<br />
zur Berufswahlvorbereitung und beruflichen Beratung.“ (Seifert,<br />
Stangl o. J., S. 1, Seifert, Stangl 1986, S. 162)<br />
Der Begriff der Kompetenz wird unterschiedlich genutzt und definiert. Erpenbeck<br />
und Rosenstiel konstatieren in diesem Zusammenhang, dass es<br />
verfehlt wäre, „auf ein einheitliches Verständnis zu hoffen, auf allgemein<br />
verbindliche Charakterisierungen und Messverfahren zu warten.“ (Erpenbeck<br />
et al. 2007, S. XVII). Grundsätzlich ist eine Gefährdung von Validität<br />
und Reliabilität aufgrund von bestimmten Antworttendenzen bei der Erfassung<br />
von Selbstkonzepten nicht auszuschließen, doch ist durch verschiedene<br />
Studien ein Zusammenhang zwischen individuellen Kompetenzen<br />
und den Ergebnissen in Leistungstests belegt (vgl. Schaeper, Spangenberg<br />
2008, S. 166). Das Hochschul-Information-System führt seit Jahrzehnten<br />
Studien mit Schulabgängerinnen und -abgängern sowie Hochschulabsolventinnen<br />
und -absolventen durch. Im Rahmen dieser Untersuchungen<br />
fanden Skalen mit Bezug zu mehreren Kompetenzdimensionen Einsatz. 86<br />
Die Subskalen unterscheiden u. a. zwischen Sachkompetenz, Sozialkompetenz,<br />
Selbstkompetenz und Methodenkompetenz. Die Elemente der Typologie<br />
sind wie folgt untersetzt: Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten,<br />
die in fachübergreifenden Bereichen Anwendung finden können, also nicht<br />
an den Einsatz in einem spezifischen Bereich gebunden sind, werden als<br />
Sachkompetenz bezeichnet. (vgl. Schaeper, Briedis 2004, S. 5). Unter<br />
Sozialkompetenz werden Fähigkeiten verstanden, „die den Austausch von<br />
Informationen, Verständigung und den Aufbau, die Gestaltung sowie die<br />
Aufrechterhaltung von sozialen Beziehungen ermöglichen.“ (ebd.) Selbstkompetenz<br />
umfasst die „Fähigkeiten und Einstellungen, in denen sich die<br />
individuelle Haltung zur Welt, zur Arbeit und zur eigenen Person ausdrückt“<br />
(ebd.) und die eine aktive Gestaltung des beruflichen Lebens erlauben.<br />
Die Methodenkompetenz bezieht sich auf den gezielten Einsatz von<br />
86 Das Verständnis von Kompetenz in den HIS-Studien knüpft an das von Weinert an, greift jedoch<br />
weitere Konzeptualisierungen auf (vgl. Schaeper, Spangenberg 2008, S. 164 f.). Nach Weinert<br />
sind Kompetenzen „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven<br />
Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen<br />
motivationalen, volitionalen [gewollten – Anm. d. Verf.] und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten,<br />
um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll<br />
nutzen zu können“ (Weinert 2001, S. 27 f.).
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Kenntnissen, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Verhaltensweisen bei der Bewältigung<br />
von Aufgaben und Problemen (vgl. ebd.). Den einzelnen<br />
Kompetenzdimensionen sind ausgewählte Kompetenzen, die als wichtig<br />
für die Bewältigung beruflicher Anforderungen eingestuft werden, zugeordnet.<br />
Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass sie in der Regel<br />
weit gefasst und zudem durch eine offene Aneinanderreihung einer Vielzahl<br />
von Teilkompetenzen gekennzeichnet sind. 87<br />
Die SWE-Skala von Schwarzer und Jerusalem (1999) ist ein Selbstbeurteilungsverfahren<br />
zur Erfassung von allgemeinen optimistischen Selbstüberzeugungen.<br />
Das Instrument beruht auf dem im Kapitel 8.1 dargelegten<br />
Selbstwirksamkeitskonzept von Albert Bandura.<br />
Die Testverfahren sind zum Teil sehr umfangreich. Da für die Durchführung<br />
der Pre- und Posttests jedoch nur ein begrenzter zeitlicher Rahmen<br />
von 45 Minuten zur Verfügung stand, wurden die Verfahren teilweise<br />
komprimiert adaptiert. Zusätzlich wurden Fragen aufgenommen<br />
� zum Stand beruflicher Exploration,<br />
� zum Kristallisationsniveau des Bildungsweges,<br />
� zur Einschätzung der Chancen auf eine Berufsausbildung/auf ein<br />
Studium,<br />
� zum arbeitswelt- und berufsbezogenen Wissen und<br />
� zur Nutzung von schulischen und selbstgesteuerten Aktivitäten zur<br />
Berufsorientierung und zur Einschätzung deren Nutzwertes.<br />
Die Struktur der Erhebungsinstrumente des Pre- und Posttests umfasste<br />
einleitend schriftliche Instruktionen zur Handhabung der Fragebögen. Des<br />
Weiteren wurde ein grober Überblick über das Anliegen und den Verlauf<br />
der Studie, die Befragungsschwerpunkte, die notwendige Zeit zum Ausfüllen<br />
des Fragebogens sowie Hinweise zur Anonymität und zur Wichtigkeit<br />
von Angaben im Kodierfeld 88 des Fragebogens als Ausgangspunkt der Befragung<br />
gegeben. Mit einigen Fragen zur schulischen Situation und zur<br />
Ausgangslage in Bezug auf die Berufsorientierung im Pretest und zur Einschätzung<br />
der besuchten Orientierungsmaßnahmen bzw. zur Rolle der<br />
schulischen Berufsorientierung im Posttest wurde die Einleitung in die Be-<br />
87 Auch hier sind keine einheitlichen Definitionen vorzufinden. Ebenso ist die Zuordnung zu<br />
den Kompetenzbereichen höchst heterogen.<br />
88 vgl. Fußnote 82; Das Kodierfeld wurde als Basis für die Zuordnung der Fragebögen des Pre-<br />
und Posttests zu einer Person sowie zur Erfassung soziodemografische Merkmale (Geschlecht,<br />
Wohnort) genutzt.<br />
199
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
fragung und die Hinführung zum Thema Berufsorientierung realisiert. Die<br />
Fragen wurden in der weiteren Abfolge in homogene Themenkomplexe<br />
bzw. Sinnzusammenhänge orientiert an den inhaltlichen Schwerpunkten<br />
der benannten Testverfahren (u. a. berufliche Pläne und Berufswunsch, Berufswahlengagement,<br />
Informationsbereitschaft) gebündelt. Den Abschluss<br />
des Fragebogens bildete der Dank an die Beteiligten.<br />
Für die Erhebungsinstrumente wurde eine überwiegend standardisierte<br />
Form gewählt, d. h. zum einen erhielten alle Jugendlichen, unabhängig vom<br />
Schultyp, im Wortlaut und in der Abfolge identische Fragen. Zum anderen<br />
wurden sie auch mit kongruenten Antwortmöglichkeiten konfrontiert. Die<br />
Entscheidung für eine standardisierte Vorgehensweise fiel insbesondere vor<br />
dem Hintergrund der besseren Vergleichbarkeit von Antworten. Auch<br />
wenn geschlossene Fragen den Zwang bergen, sich für eine vorgegebene<br />
Antwortalternative entscheiden zu müssen, wurde diese Form für einen<br />
Großteil der Fragen des entwickelten Erhebungsinstrumentes gewählt.<br />
Gründe hierfür sind u. a. in den für die Durchführung der Befragungen zur<br />
Verfügung stehenden geringen zeitlichen Ressourcen zu sehen, die höhere<br />
Vergleichbarkeit der Antworten sowie eine höhere Durchführungs- und<br />
Auswertungsobjektivität (vgl. Diekmann 2003, S. 408). Einbindung fanden<br />
geschlossene Fragen des Identifikations- sowie des Selektionstyps (vgl.<br />
Atteslander 2008, S. 138). Die den Selektionstyp kennzeichnenden Alternativfragen<br />
wurden zumeist als Fragen mit Einfachnennung oder als Mehrfachauswahlfrage<br />
in Form von eindimensionalen Ratingskalen mit verbalen<br />
Charakterisierungen, welche Häufigkeits-, Intensitäts- und Bewertungseinstufungen<br />
maßen, angelegt. Um den Jugendlichen trotz festgesetzter Antwortkategorien<br />
die Gelegenheit zu geben, Einstellungen/Meinungen und<br />
Überzeugungen/Wertorientierungen zu äußern, die für sie von zentraler<br />
Bedeutung, aber durch die Antwortvorgaben nicht erfasst sind, wurden<br />
einige Fragen zusätzlich mit der Vorgabe ‚Sonstiges’ (halboffene Frage)<br />
versehen. Die Darbietung von Fragen nach Erlebnissen und Empfehlungen<br />
der Jugendlichen erfolgte zum Teil offen. Ebenso fiel die Wahl auf<br />
diese Variante, um konkretes Wissen abzufragen oder Bezugssysteme aufzudecken.<br />
Dennoch wurden die offenen Fragen in den Erhebungsinstrumenten<br />
des Pre- und Posttests gering gehalten. Sie gehen mit einer starken<br />
Abhängigkeit gegenüber dem einher, was den Jugendlichen in der Befragungssituation<br />
einfällt und was diese für mitteilenswert halten. Zudem setzten<br />
sie Verbalisierungsfähigkeiten und die Verbalisierungsbereitschaft bei<br />
den Schülerinnen und Schülern voraus, die nicht bei allen Teilnehmenden<br />
der Befragung zu erwarten war.<br />
200
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Bei der Erarbeitung der Fragen wurde darauf geachtet, dass diese direkt,<br />
unkompliziert und präzise formuliert sind. Ziele der Überlegungen zur<br />
sprachlichen Gestaltung der Erhebungsinstrumente waren u. a. die Vermeidung<br />
von Fremdwörtern, Abstrakta und Synonyma, durch Gebrauch<br />
möglichst kurzer Sätze und einer syntaktisch einfachen Struktur. Unter Beachtung<br />
der heterogenen Zusammensetzung der Gruppe der Befragungsteilnehmer<br />
stellte dies eine unabdingliche Notwendigkeit dar. Darüber hinaus<br />
wurde auf die Formulierung eindeutiger Fragen, die für alle Befragten<br />
einen einheitlichen inhaltlichen Bezugsrahmen bildeten, geachtet. Wenngleich<br />
Berufs- und Studienorientierung im Kapitel 3 konvergent definiert<br />
wurden, erfolgte innerhalb des Fragebogens eine begriffliche Trennung, um<br />
insbesondere Schülerinnen und Schüler aus Gymnasien besser für die Befragung<br />
aufschließen zu können. Dabei wurde versucht, den Terminus der<br />
Studienorientierung sensibel einzusetzen, um bei Jugendlichen aus Förderoder<br />
Mittelschulen, für die ein Studium nicht in direktem Anschluss möglich<br />
ist, keine negativen Befindlichkeiten zu wecken. Vor dem Hintergrund,<br />
dass das Ausfüllen des Fragebogens etwa 30 Minuten in Anspruch nahm,<br />
war es zentrales Anliegen, die Jugendlichen nicht zu überfordern und so zu<br />
demotivieren. Die Ausrichtung der Befragung erfolgte soweit wie möglich<br />
an der sprachlichen Kompetenz und Interessenlage der Jugendlichen. Mit<br />
dem bereits erläutertem Wechsel der Frageformen wurde versucht die<br />
Konzentration aufrecht zu erhalten.<br />
Die Befragungsinstrumente wurden vor ihrem Einsatz gemeinsam mit Verantwortlichen<br />
der Orientierungsmaßnahmen sowie Lehrkräften diskutiert<br />
und abgestimmt. Infolgedessen erfolgte die Erweiterung oder Konkretisierung<br />
von Antwortvorgaben einzelner Fragen, die Anpassung der verbalen<br />
Beschreibungen der Stufen der Ratingskalen, die sprachliche Vereinfachung<br />
der Fragebögen für den Pre- und Posttest und die Korrektur von Redundanzen.<br />
In einem weiteren Schritt wurde der Fragebogen innerhalb einer<br />
Vorerhebung mit Teilnehmenden des Orientierungsangebotes ‚Schnupperlehre’<br />
erprobt. Hauptaugenmerk lag auf einer für die Zielgruppe angemessenen<br />
Formulierung der Fragen, auf der Überprüfung des sinngemäßen<br />
Verstehens sowie auf der eindeutigen und vollständigen Erfassung aller<br />
relevanten Antwortvorgaben. Des Weiteren war es Anliegen, konkrete<br />
Erhebungsprobleme und die durchschnittliche Befragungszeit zu ermitteln.<br />
In Bezug auf letzteren Punkt wurde im Vortest deutlich, dass der Umfang<br />
des Fragebogens die den Jugendlichen maximal zumutbare Grenze erreichte.<br />
Im Interesse der Schülerinnen und Schüler hätte der Fragebogen zielgruppenadäquater<br />
gestaltet werden müssen. Um die aufgestellten Forschungsfragen<br />
beantworten zu können, wurde dessen ungeachtet keine<br />
201
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Kürzung des Fragebogens vorgenommen. Kontraproduktiv wirkte auch die<br />
formale Gestaltung der Befragungsinstrumente. Diese waren im A4-Format<br />
angelegt. Durch eine relativ enge Anordnung der Fragen wurde die subjektiv<br />
erlebte Befragungszeit eher verlängert als gemindert. Aus dem Anspruch<br />
der Vollständigkeit der Antwortvorgaben resultierte u. a. die Aufnahme der<br />
Kategorien ‚keine Angabe möglich’ bzw. ‚weiß nicht’. Sie wurden bei<br />
einzelnen Fragen optisch getrennt von der eigentlichen Skala integriert. Bei<br />
Fehlen dieser neutralen Antwortkategorien haben die Befragungsteilnehmenden<br />
nur die Möglichkeit eine der vorgegebenen Antwortalternativen<br />
auszuwählen, auch wenn ihre Einschätzung nicht mit dieser konform geht.<br />
Durch die Ausweichkategorien wurde der Zwang zur Abgabe eines Urteils<br />
aufgelöst. Es sollte so umgangen werden, dass sich die Jugendlichen in ihrem<br />
Antwortverhalten eingeengt fühlen und deshalb Antworten verweigern<br />
oder verzerrte Informationen im Datenmaterial entstehen. Nachteilig ist jedoch<br />
das Risiko zu bewerten, dass wenig entscheidungsfreudige Jugendliche<br />
eine der Ausweichkategorien wählen, obwohl sie möglicherweise eine<br />
der inhaltlichen Antwortkategorien präferieren (vgl. Porst 2008, S. 81 f.).<br />
In Ergänzung der bisherigen Darstellungen u. a. zu verwendeten Arten von<br />
Fragen, Formulierungsgrundsätzen sowie zum Aufbau der Erhebungsinstrumente<br />
sind im Folgenden testtheoretische Aspekte der Fragebogenkonstruktion<br />
zentral. Im Mittelpunkt stehen insbesondere Ausführungen<br />
zur Validität und Reliabilität. Die Validitätsprüfung konzentrierte sich einerseits<br />
auf eine inhaltliche Analyse der Evaluationsinstrumente, die bereits<br />
im Rahmen der Fragebogenkonstruktion realisiert wurde. Daraus resultierten<br />
die in den vorangehenden Abschnitten erwähnte inhaltliche und<br />
sprachliche Modifizierung der EBwA- und der HIS-Skalen und die ergänzende<br />
Aufnahme von Fragen zu Themen, die noch unzureichend Berücksichtigung<br />
fanden (u. a. Stand beruflicher Exploration, Kristallisationsniveau<br />
des Bildungsweges). Andererseits wurde auch die Konstruktvalidität<br />
überprüft. Ihre Abklärung erfolgte anhand von Faktorenanalysen (Hauptkomponentenanalyse<br />
mit Varimax-Rotation) auf Grundlage der in der<br />
Analysestichprobe erhobenen Daten. Die Spezifizierung der Faktoren<br />
orientierte sich weitgehend an den Dimensionen des EBwA- und des HIS-<br />
Instrumentariums und stützte sich auf diejenigen Variablen, die mittlere<br />
oder hohe Faktorladungen aufwiesen. Items mit geringen Faktorladungen<br />
unter P = 0,3 wurden bis auf wenige Einzelfälle ausgeschlossen. Für die<br />
Zusammensetzung der Skalen wurden also diejenigen Items ausgewählt, die<br />
diese jeweils am besten repräsentierten. Dabei konnten die theoretischen<br />
Konstrukte der EBwA- und der HIS-Skalen nicht vollständig empirisch<br />
rekonstruiert werden. Ergänzend zur Prüfung der Inhaltsvalidität bestätigte<br />
202
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
sich vielmehr eine abweichende Skalenstruktur. Zumindest in Bezug auf die<br />
HIS-Skalen ist dieses Ergebnis kein Novum. Schaeper und Briedis begründen<br />
dies u. a. mit der inneren Heterogenität der Kompetenzbereiche, die<br />
durch ein wenig und unterschiedlich abgegrenztes Konglomerat an Zuordnungen<br />
gekennzeichnet sind (vgl. Schaeper, Briedis 2004, S. 9 f.).<br />
Neben der Betrachtung der Validität erfolgten Reliabilitätsanalysen, die eine<br />
Prüfung der Itemtrennschärfen, der Itemschwierigkeit und der Skalenkonsistenz<br />
einschlossen. Die Entscheidung für die Aufnahme von Items fiel,<br />
insofern diese einen korrigierten Trennschärfekoeffizienten von überwiegend<br />
höher als rjt = 0,389 aufweisen konnten. Eine Überprüfung der Itemschwierigkeiten<br />
zeigte, dass die Beantwortung der Aussagen tendenziell<br />
eher leicht war, woraus aufgrund der erwünschten Zielgruppenadäquatheit<br />
jedoch keine Veränderungen in Hinblick auf die Skalenkonstruktion folgten.<br />
Parallel wird dieser Sachverhalt auch durch die Mittelwerte der Skalen<br />
widergespiegelt. Die Standardabweichungen liegen bei SD = 0,30 bis SD =<br />
0,73 was in Bezug auf einen Teil der Skalen eine eher geringe Antwortvarianz<br />
verdeutlicht und damit eine hohe Einigkeit in der Beantwortung der<br />
Fragen schließen lässt. Zur Bewertung der Skalenkonsistenz wurde der Alpha-Koeffizient<br />
(Cronbachs Alpha) herangezogen. Die einzelnen Skalen<br />
weisen eine befriedigende bis gute Reliabilität90 auf. Bei den modifizierten<br />
Skalen des EBwA-Instrumentariums sind die Koeffizienten vergleichbar<br />
mit den von Seifert und Stangl ermittelten Werten (vgl. Seifert, Stangl o. J.,<br />
S. 3 f.). Die zum Teil deutlichen Unterschiede in der Reliabilität im Preund<br />
Posttest werden nicht als mangelnde Zuverlässigkeit gewertet, sondern<br />
als Hinweis auf tatsächliche Veränderungen in den berufswahlbezogenen<br />
Einstellungen, die von grundher als instabile Merkmale abzusehen sind<br />
(vgl. Bortz, Döring 2006, S. 199). Tabelle 8 gibt einen zusammenfassenden<br />
Überblick über die im Pre- und Posttest eingesetzten Skalen und<br />
ihre statistischen Kennwerte.<br />
Nachfolgend werden die identifizierten Skalen näher charakterisiert und<br />
mit Beispielitems belegt. Jedes der verwendeten Einzelitems mit der dazugehörigen<br />
vierstufigen Ratingskala wurde als Indikator einer Einstellung<br />
89 Der Trennschärfekoeffizient kann Werte zwischen minus eins und eins annehmen. Ein Trennschärfekoeffizient<br />
von kleiner 0,3 wird als niedrig, von 0,3 bis 0,5 als mittel und von größer 0,5<br />
als hoch bezeichnet.<br />
90 Cronbachs Alpha kann zwischen null und eins liegen, wobei Werte ab 0,6 als akzeptabel und<br />
ab 0,8 als hoch definiert werden. Jedoch sollte Alpha bei der Interpretation immer zur Anzahl<br />
der Items in Bezug gesetzt werden. Insbesondere dann, wenn es sich um wenige Items (< 5)<br />
handelt, kann durchaus auch ein Wert von unter 0,6 als akzeptabel angesehen werden (vgl. Kopp,<br />
Lois 2009, S. 57).<br />
203
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
aufgefasst und gemäß der Likert-Technik mit den bereits beschriebenen<br />
Methoden der Testtheorie und Faktorenanalyse geprüft (vgl. Diekmann<br />
2003, S. 210). Aus der Konzipierung nach dem Modell von Likert ergeben<br />
sich zwei gegensätzliche Positionen hinsichtlich des angenommenen Messniveaus:<br />
Einerseits werden Ratingskalen als reine Ordinalskalen angesehen,<br />
was statistische Datenanalysen anhand von metrischen Verfahren ausschließt.<br />
Werden die Antwortmöglichkeiten allerdings, wie bei in der hier<br />
verwendeten Form symmetrisch formuliert, kann andererseits von einer<br />
Äquidistanz in den Antwortmöglichkeiten ausgegangen werden, was eine<br />
Interpretation als Intervallskala erlaubt (vgl. Baur 2008, S. 279 ff.). Das<br />
Dilemma wird unter dem Blickwinkel der statistischen Datenanalyse im<br />
Kapitel 8.5 erneut aufgriffen und mit einer abschließenden Entscheidung<br />
zur Auslegung diskutiert. Zunächst wird nun auf die modifizierten Skalen<br />
mit Quelle im EbwA- und HIS-Instrumentarium eingegangen. Anschließend<br />
folgen Ausführungen zu weiteren Skalen (u. a. SWE-Verfahren).<br />
Die Skala Berufswahlengagement gibt das Ausmaß der Einsicht in die Bedeutung<br />
der ersten Berufsentscheidung und die Bereitschaft, sich mit dem<br />
Problem der eigenen Berufswahl auseinanderzusetzen wieder (vgl. Seifert,<br />
Stangl 1986, S. 157). „Was meine Berufswahl angeht, so wird sich dies früher<br />
oder später von selbst ergeben.“ und „Es ist für mich nicht so wichtig,<br />
für welchen Beruf/welches Studium ich mich entscheide, da ich später<br />
noch immer wechseln kann.“ stellen Beispiele für Items der Testskala dar.<br />
Von der ursprünglich mit fünfzehn Items konstruierten Skala wurden vier<br />
Aussagen unverändert übernommen, weitere drei wurden umformuliert<br />
oder zusätzlich integriert.<br />
Die Skala Sicherheit und Entschiedenheit beschreibt den Entwicklungszustand<br />
Jugendlicher in Hinsicht auf die Sicherheit ihrer Selbsteinschätzung, bezogen<br />
auf ihre berufliche Eignung und ihre beruflichen Interessen. Sie spiegelt<br />
den Kenntnisstand und das Maß an Sicherheit in der Einschätzung der<br />
am meisten in Frage kommenden Berufe und in der realitätshaltigen Abwägung<br />
von Vor- und Nachteilen verschiedener beruflicher Optionen wider<br />
(vgl. Bastian et al. 2007, S. 57 ff.; vgl. Seifert, Stangl 1986, S. 157). Zwei<br />
Beispielitems die für die Skalenkonstruktion herangezogen wurden, lauten:<br />
„Ich weiß nicht recht, was ich tun soll, um die richtige Berufsausbildung/das<br />
richtige Studium zu wählen.“ und „Ich schwanke oft, welche Berufsausbildung/welches<br />
Studium ich einmal ergreifen soll.“ Die ursprüngliche<br />
Skala von Seifert und Stangl wurde von zwölf auf sieben Aussagen reduziert<br />
und diese teilweise in ihrer Formulierung verändert.<br />
204
Tabelle 8: Skalenkennwerte<br />
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
91 Zu Informationen zu den Einzelitems der Skalen siehe Anhang 14. Die Antworten wurden wie<br />
folgt kodiert: 4=‚stimmt genau’ bis 1=‚stimmt nicht’. Unberück-sichtigt blieb die Antwortvorgabe<br />
‚weiß nicht’. Der Variablenwert wurde als systembedingter fehlender Wert und nicht als<br />
Messwert behandelt, da er keine Aussagen zu den Untersuchungsteilnehmern auf den verschiedenen<br />
Berufswahlreifedimensionen liefert, sondern Informationen darüber, warum kein Messwert<br />
vorliegt (vgl. Kromrey 2002, S. 230; vgl. Kapitel 8.5). Gegensinnig gepolte Items wurden<br />
umkodiert.<br />
[ 91]<br />
205
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Die Skala Informationsbereitschaft und Flexibilität erfasst die Bereitschaft, eigene<br />
Zielsetzungen auch bei ungünstigen Chancen beizubehalten bzw. resignativ<br />
oder begründet aufzugeben sowie die Flexibilität und Kompromissbereitschaft<br />
bei der Berufswahlentscheidung. Antizipatorisch ist auch die berufliche<br />
Weiterbildungsbereitschaft aufgenommen (vgl. Seifert, Stangl 1986,<br />
S. 157 f.). Beispielhaft seien hier Items „Bevor man sich für einen bestimmten<br />
Beruf entscheidet, sollte man herauszubekommen versuchen, was<br />
man in diesem Beruf tun muss und ob einem dieser wirklich liegt.“ und<br />
„Um im Beruf vorwärtszukommen, muss man auch später noch bereit sein,<br />
weiterzulernen.“ genannt. Die Skala mit original fünf Items wurde um eine<br />
weitere Aussage ergänzt und zum Teil sprachlich modifiziert.<br />
Die Skala „Eigenaktivität und Selbstständigkeit bei der Berufswahlentscheidung“<br />
von Seifert und Stangl (1986) fand aufgrund ihrer inhaltlichen<br />
Gestaltung keinen Einsatz. Jedoch wurde ihr Grundgedanke aufgenommen<br />
und die Subskala Eigenverantwortung in der Berufsorientierung mit fünf Items<br />
konstruiert. Diese fokussierte die Einsicht Jugendlicher in die eigene Verantwortlichkeit<br />
für den Schulabschluss und die Berufsorientierung. Anzuführen<br />
sind hier die Beispielitems: „Ich muss meine berufliche Laufbahn in<br />
einem vorgegebenen Rahmen selber mitgestalten.“ und „Ein guter Schulabschluss<br />
ist die beste Voraussetzung für einen guten Berufsstart.“ Die<br />
Einzelitems aller soeben beschriebenen Skalen erforderten von den Befragten<br />
eine Selbsteinschätzung mittels vierstufiger Ratingskala (‚stimmt nicht’,<br />
‚stimmt kaum’, ‚stimmt eher’, ‚stimmt genau’; zusätzlich wurde die Antwortvorgabe<br />
‚weiß nicht’ aufgenommen).<br />
Auch die Skalen des HIS-Instrumentariums wurden nur partiell reproduziert.<br />
Anpassungen erfolgten sowohl in Bezug auf Inhalte, Anzahl und Zuordnung<br />
der Kompetenzen zu den Dimensionen Sachkompetenz, Methodenkompetenz,<br />
Sozialkompetenz und Selbstkompetenz92 Ausgangspunkt für die<br />
Modifizierung stellten Überlegungen dar, welche grundlegenden Kompetenzen<br />
durch die Berufsorientierung zu vermitteln bzw. zu fördern sind.<br />
Hierbei wurde auf die formulierten Intentionen der Berufsorientierung zurückgegriffen<br />
(vgl. Kapitel 6.3.1). Es wurde dabei nicht der Anspruch erhoben,<br />
das Ausmaß vorhandener, für die Arbeitswelt wichtiger und durch Berufsorientierung<br />
geförderter Kompetenzen exakt zu quantifizieren.<br />
Beispielitems für die Skala zur Sachkompetenz mit vier Selbstaussagen sind<br />
‚Wirtschaftskenntnisse und Grundkenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge’.<br />
Für die Skala zur Sozialkompetenz, welche fünf Komponenten um-<br />
92 Zum Verständnis der Kompetenzdimensionen siehe die eingehenden Ausführungen zum<br />
Instrumentarium der HIS-Absolventenstudien zu Beginn des Kapitels.<br />
206
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
fasst, wurden die Items ‚Fähigkeit mit anderen zusammenzuarbeiten’ oder<br />
‚Fähigkeit, die Sichtweisen und Interessen anderer zu berücksichtigen’<br />
herangezogen. Die ‚Fähigkeit, Verantwortung für den Berufsweg zu übernehmen’<br />
und die ‚Kenntnis der eigenen Grenzen/Fähigkeit der realistischen<br />
Selbsteinschätzung’ repräsentieren die sechs Items einbindende<br />
Skala zur Selbstkompetenz und die Fähigkeiten ‚konzentriert und diszipliniert<br />
zu arbeiten’ sowie ‚zur Selbstorganisation und zum selbstständigen Arbeiten’<br />
die zur Methodenkompetenz mit insgesamt sechs Aussagen. Zur Abfrage<br />
der Items wurden wiederum zwei vierstufige Ratingskalen eingesetzt<br />
(‚wichtig’, ‚eher wichtig’, ‚wenig wichtig’, ‚unwichtig’ und ‚in hohem Maße’,<br />
‚in eher hohem Maße’, ‚in eher geringem Maße’, ‚in geringem Maße’; ergänzend<br />
wurde jeweils die Antwortvorgabe ‚weiß nicht’ aufgenommen). Die<br />
Verfahrensweise der HIS-Schulabgängerbefragungen und der HIS-Absolventenstudien<br />
schließt u. a. Abfragen ein, welche Kompetenzen in der<br />
Arbeitswelt von Bedeutung sind und zugleich in welchem Maße die Befragten<br />
nach eigener Einschätzung zum Zeitpunkt der Erhebung selbst über<br />
diese verfügen. Für die vorliegende Untersuchung wurden diese zwei<br />
Fragestellungen leicht modifiziert übernommen (vgl. Schaeper, Spangenberg<br />
2008, S. 162 f.).<br />
Die SWE-Skala wurde in nahezu identischer Form eingesetzt. Mit ihr<br />
gemessen wird die Kompetenzerwartung, also das Vertrauen darauf, Anforderungssituationen<br />
aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können,<br />
wobei der Erfolg der eigenen Kompetenz zugeschrieben wird. Die involvierten<br />
zehn Items waren per vierstufiger Ratingskala zu beantworten<br />
(‚stimmt nicht’, ‚stimmt kaum’, ‚stimmt eher’, ‚stimmt genau’; ergänzend<br />
wurde die Antwortvorgabe ‚weiß nicht’ aufgenommen). U. a. sind Aussagen<br />
wie „Wenn ein Problem auftaucht, kann ich es aus eigener Kraft<br />
meistern.“ oder „Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten<br />
und Ziele zu verwirklichen.“ im Itemkatalog zur Skalenkonstruktion enthalten.<br />
Die Abfrage berufsbezogener Wertorientierungen erfolgte mit der Skala<br />
Selbstverwirklichung. Im Mittelpunkt standen sechs Items, die das Streben<br />
nach sinnstiftenden Tätigkeiten und nach Umsetzung von familiären und<br />
freizeitbezogenen Interessen thematisieren. Analog den Skalen zur Erfassung<br />
von Einstellungen zur Berufswahl und zur beruflichen Arbeit (EBwA)<br />
verlangten die Aussagen eine Selbsteinschätzung auf Basis einer vierstufigen<br />
Ratingskala (‚stimmt nicht’, ‚stimmt kaum’, ‚stimmt eher’, ‚stimmt<br />
genau’; zusätzlich wurde die Antwortvorgabe ‚weiß nicht’ aufgenommen).<br />
Anzuführen sind hier die Beispielitems: „Beruflich will ich einmal das<br />
207
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
machen, was ich gut kann und was mich wirklich interessiert.“ und „Ich<br />
finde es wichtig, dass man in seinem Beruf das Gefühl hat, etwas Sinnvolles<br />
zu tun.“ 93<br />
Abschließend soll der für die qualitativ ausgerichtete Folgebefragung genutzte<br />
Interviewleitfaden nähere Betrachtung finden. In Ergänzung zum<br />
Pre- und Posttest lag das zentrale Erkenntnisinteresse in Aufschlüssen zu<br />
den Wirkungen der untersuchten Interventionen im Kontext des Berufswahlreifekonzeptes.<br />
Darüber hinaus standen Anregungen der Jugendlichen<br />
zur didaktischen Ausgestaltung der Orientierungsangebote im Mittelpunkt.<br />
Insgesamt folgten die inhaltlichen Schwerpunkte denen der Themenbereiche<br />
der quantitativen Erhebung. Im Einzelnen integrierte der Interviewleitfaden<br />
folgende Aspekte:<br />
� Im Anschluss an die Begrüßung (vgl. Kapitel 8.3.3) waren für den Gesprächseinstieg<br />
soziodemografische Fragen vorgesehen.<br />
� Der erste Teil des Leitfadens diente zur Sondierung des Standes der<br />
beruflichen Exploration und den Plänen für Bildungswege. Es wurde<br />
auf Berufswünsche, Berufswahlgründe und Bewerbungsaktivitäten<br />
eingegangen.<br />
� Ein zweiter Teil konzentrierte sich auf Gründe für und Erwartungen<br />
an die Teilnahme an der jeweiligen Orientierungsmaßnahme.<br />
� Wahrgenommene Entwicklungen und Veränderungen in Folge der<br />
Teilnahme (Interesse an Berufsfeldern, Sicherheit und Entschiedenheit<br />
bezogen auf berufliche Interessen, Entwicklung Wissen über<br />
Berufs- und Arbeitswelt, Kompetenzentwicklung, etc.) wurden in einem<br />
dritten Teil thematisiert.<br />
� Um die Einschätzung des persönlichen Nutzens der Teilnahme ging<br />
es im vierten Teil.<br />
� Weiterhin wurden im fünften Teil eine allgemeine Bewertung der<br />
Interventionen und Vorstellungen über Verbesserungen in der Umsetzung<br />
erbeten.<br />
� Reflexions- und Verabschiedungskomponenten integrierte der letzte<br />
Teil des Leitfadens.<br />
Durch den Interviewleitfaden wurden die genannten Themenbereiche<br />
charakterisiert, aber nicht jede Fragestellung im Einzelnen vorformuliert.<br />
Die Ausformulierung der Fragen erfolgte im Gesprächsverlauf. So war<br />
innerhalb der retrospektiven, bilanzierenden Berichte Raum für individuelle<br />
93 Ein Teil der eingesetzten Items entstammt Untersuchungen von Driesel-Lange et al. (vgl.<br />
Driesel-Lange et al. 2006, S. 12 f.).<br />
208
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Schwerpunktsetzungen gegeben. Einzelne Aspekte wurden explizit angesprochen,<br />
wenn sich die Schülerinnen und Schüler nicht bereits spontan<br />
dazu geäußert hatten. Zum Teil wurde mit Beispielen oder Rückblicken gearbeitet,<br />
um Anregungen zur Entwicklung eigener Ideen und Bewertungen<br />
zu geben. Anders als intendiert war durch die gewählte Vorgehensweise ein<br />
hoher Strukturierungsgrad gegeben. Die Standardisierung durch den Leitfaden<br />
gewährleistete die durchgängige Ansprache forschungsrelevanter<br />
Themen und eine gute Vergleichbarkeit der Ergebnisse aus mehreren<br />
Interviews. Demgegenüber gelang es nur unzureichend, den Jugendlichen<br />
auf Basis des Interviewleitfadens lediglich eine Orientierung zu vermitteln,<br />
ohne sie in ihrem Antwortverhalten zu stark einzuengen. So verblieben die<br />
Interviews, auch aufgrund zu geringer Nachfragen, zum Teil an der Oberfläche<br />
und entfalteten nicht vollends ihr Potenzial. Eine Testung des Leitfadens<br />
vor dem Einsatz erfolgte nicht, was insbesondere in der eingeschränkten<br />
Verfügbarkeit in Frage kommender Jugendlicher begründet lag.<br />
8.5 Datenaufbereitung und<br />
Auswertungsmethodik<br />
Die im nächsten Kapitel dargelegten quantitativen Ergebnisse beruhen auf<br />
Datenauswertungen, die mit Hilfe des Statistikprogramms SPSS (Version<br />
11.0) durchgeführt wurden. Ihnen liegen eine Kodierung und Übertragung<br />
der erhobenen Daten in eine Datenmatrix, eine Fehlerkontrolle und -<br />
bereinigung sowie eine Datenaufbereitung (Skalenkonstruktion, etc.; vgl.<br />
Kapitel 8.4) zugrunde. Der Datensatz wurde mittels deskriptiven (z. B.<br />
Beschreibung von Häufigkeitsverteilungen, Berechnung von Lage- und<br />
Streuungsparametern) und induktiven Analysemethoden untersucht.<br />
Bezugnehmend auf die aufgestellten Hypothesen waren die Prüfung von<br />
Veränderungen zwischen dem Pre- und Posttest sowie von Unterschieden<br />
in der Veränderung zwischen den einzelnen Interventionsgruppen und der<br />
Kontrollgruppe zentral. Vereinzelt stand eine Analyse von Zusammenhängen<br />
einzelner Variablen im Fokus.<br />
Jedes statistische Verfahren setzt ein bestimmtes Mindestskalenniveau voraus.<br />
Je höher das Messniveau einer Skala, desto mehr Rechenoperationen<br />
können Einsatz finden. Wie bereits im Kapitel 8.4 angedeutet, sind hier<br />
Daten auf ordinalem Skalenniveau problematisch. Während für nominale<br />
und intervallskalierte Variablen eine Reihe von leistungsfähigen Analyseverfahren<br />
existiert, ist dies bei ordinalen nicht der Fall. Auch wenn es mathematisch<br />
unzulässig ist, ordinalskalierte Daten wie intervallskalierte zu be-<br />
209
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
handeln, ist dies ein in den Sozialwissenschaften häufig gewählter, wenn<br />
auch nicht unumstrittener Weg. Oftmals sind die Standpunkte zu dieser<br />
Verfahrensweise jedoch uneindeutig bzw. widersprüchlich. Anzuführen<br />
sind in diesem Zusammenhang beispielsweise Bortz (vgl. Bortz 1993, S. 27)<br />
und Atteslander (vgl. Atteslander 2008, S. 243). Von Baur wird die bestehende<br />
Kontroverse treffend als „Ordinalskalenproblem“ bezeichnet (vgl.<br />
Baur 2008, S. 279). Für die hier vorliegende Arbeit erfolgte die Lösung dieses<br />
Konfliktes, indem intervallskalierte Daten angenommen und damit von<br />
der ‚strengen’ messtheoretischen Auffassung abgewichen wurde. Zu begründen<br />
ist die Entscheidung für diese Option mit den eingesetzten Antwortvorgaben,<br />
welche die Annahme einer Aquidistanz der ordinalen Werte<br />
rechtfertigen. Ohnehin erscheint Rohwer und Pötter „die Vorstellung, in<br />
irgendeiner absoluten Weise von ‚Unterschieden’ oder ‚Abständen’ zwischen<br />
Merkmalswerten sprechen zu können, von vornherein verfehlt“<br />
(Rohwer, Pötter 2002, S. 135). Sie begründen dies mit der individuellen<br />
Perspektive, die der Unterscheidung zwischen Ordinal- und Intervallskala<br />
zugrunde liegt. Baur konstatiert in diesem Zusammenhang, dass die Fehlergefahr<br />
bei der Berechnung von Datenmustern gering ist, wenn ordinalskalierte<br />
Variablen als intervallskaliert interpretiert werden. Sie verweist ferner<br />
auf die Möglichkeit, dass das Informationspotential, welches in einer Untersuchung<br />
angelegt ist, infolge der wenigen analytischen Verfahren für ordinalskalierte<br />
Merkmale nicht ausgeschöpft wird (vgl. Baur 2008,<br />
S. 282 ff.). Trotz dieser Argumente bleibt in der vertretenen Position ein<br />
Angriffspunkt für die Ergebnisse der Studie bestehen.<br />
Gemäß der skizzierten Haltung basierte die Prüfung der Veränderungsund<br />
Unterschiedshypothesen bei den als intervallskaliert eingestuften Itemsets<br />
mit Quelle im SWE-Verfahren bzw. im EbwA- und HIS-Instrumentarium<br />
auf Grundlage von zweifaktoriellen Varianzanalysen mit Messwiederholungsfaktor.<br />
Auf Ordinalskalenniveau wurden Differenzwerte<br />
zwischen der abhängigen Variablen zum zweiten Messzeitpunkt und der<br />
zum ersten Messzeitpunkt ermittelt, woran sich der Mann-Whitney U-Test<br />
(Kontrollgruppe und gesamte Interventionsgruppe) bzw. der Kruskal-<br />
Wallis H-Test (Kontrollgruppe und Einzelinterventionen) anschlossen. Bei<br />
Nominalskalen wurden die Häufigkeitsverteilungen im Pre- und Posttest<br />
über Kreuztabellen mit Chi2-Statistiken verglichen. Aufgrund der zum Teil<br />
sehr geringen Fallzahlen in den Interventionsgruppen wurden die Berechnungen<br />
nicht für alle Orientierungsangebote durchgeführt. Eine Beschränkung<br />
auf deskriptive Auswertungen erfolgte, wenn weniger als acht Datensätze<br />
vorlagen.<br />
210
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Zusammenhänge wurden mittels Chi2-Statistik bei Kreuztabellierung<br />
(Nominalskalenniveau) bzw. Korrelationsberechnungen (Rangkorrelationen<br />
auf Ordinalskalenniveau, Produkt-Moment-Korrelationen auf Intervallskalenniveau)<br />
berechnet. Aufgrund der Nachrangigkeit von Zusammenhangsfragestellungen<br />
sind diese nur in Einzelfällen und ausschließlich<br />
für die Interventions- und Kontrollgruppe insgesamt, nicht aber differenziert<br />
nach Orientierungsmaßnahmen überprüft worden.<br />
In die statistische Analyse flossen nur gültige Antworten ein. Fragebögen,<br />
bei denen mehrer Fragen komplett unausgefüllt waren, blieben von der<br />
Nettoevaluationsstichprobe ausgeschlossen (vgl. Kapitel 9.1). Einzelne unbeantwortete<br />
Aussagen wurden als sogenannte ‚system missing values’ behandelt,<br />
d. h. die entsprechenden Felder im Datensatz wurden freigelassen<br />
(vgl. Lück, Baur 2008, S. 21). Die Antwortvorgabe ‚weiß nicht’ wurde teils<br />
als fehlender Wert, teils als ‚akkurate’ Information definiert, je nach inhaltlichem<br />
Interesse und methodischem Vorgehen bei der Datenanalyse (vgl.<br />
Fußnote 91). Signifikanzprüfungen im Kontext der Verifizierung oder Falsifizierung<br />
der Hypothesen orientieren sich an p-Werten bis 0,05 (signifikant).<br />
Eine Veränderung zwischen den Messzeitpunkten bzw. ein Unterschied<br />
zwischen den Gruppen wird demnach nur dann als bedeutsam anerkannt,<br />
wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit maximal 5% beträgt.<br />
Die Auswertung der Antworten auf offene Fragen des Pre- und Posttests<br />
geschah induktiv, d. h. Auswertungskategorien wurden aus dem vorliegenden<br />
Datenmaterial selbst gewonnen. Für jedes Themenfeld, welches die<br />
Befragten benannten, erfolgte die Erzeugung einer neuen Kategorie. Sofern<br />
bereits passende Kategorien bestanden, wurde in diese zugewiesen. In<br />
einem zweiten Arbeitsschritt wurden einzelne inhaltlich ähnliche Kategorien<br />
zusammengefasst und deren Titel angepasst (vgl. Kuckartz et al. 2009,<br />
S. 78 f.). Nach der Reduktion und Kategorisierung der einzelnen Kernaussagen<br />
wurden die Antworten der Jugendlichen zum Teil erneut durchgesehen<br />
und auf ihre Zuordnung geprüft.<br />
Um die innerhalb der qualitativen Follow-up-Untersuchung geführten<br />
Interviews auswerten zu können, wurden die Audioaufzeichnungen transkribiert.<br />
Vor dem Hintergrund des inhaltlichen statt gesprächsanalytischen<br />
Interesses erfolgte die Transkription der Gespräche in gebräuchlicher<br />
Schriftsprache und ohne Zuhilfenahme eines umfassenden Transkriptionssystems.<br />
Folgende Regeln fanden dabei Anwendung:<br />
(Pause), ähm, naja, etc. Darstellung von Pausenfüllungen<br />
… Auslassungen im Transkript<br />
[Lehrkräfte] Annahme über Wortlaut bei Weglassungen<br />
211
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 8 Primärstatistische Erhebungen<br />
Besonderheiten der gesprochenen Sprache wurden weitgehend vernachlässigt.<br />
Die Transkripte aller Interviews wurden anonymisiert. Die Interviewten<br />
erhielten dazu Decknamen mit integrierten Informationen zum<br />
Geschlecht, zum besuchten Schultyp, zur aktuellen Klassenstufe und zur<br />
genutzten Intervention. Im Anschluss an die Niederschrift wurde das gewonnene<br />
Datenmaterial inhaltsanalytisch untersucht. Die Systematik der<br />
Analyse umfasste drei Phasen. Zunächst wurden auf Basis der forschungsleitenden<br />
Fragestellungen und der aufgestellten Hypothesen sowie in Auseinandersetzung<br />
mit dem transkribierten Material Kategorien für die Auswertung<br />
gebildet. Diese nehmen die Schwerpunkte des Interviewleitfadens<br />
auf und fokussieren u. a. auf<br />
� die individuellen Erwartungshaltungen an die Interventionen,<br />
� die bisherigen Aktivitäten der beruflichen Exploration,<br />
� das Kristallisationsniveau des Bildungs- und Berufsweges sowie<br />
Berufswünsche,<br />
� die Entwicklungen und Veränderungen in Folge der Interventionsteilnahme<br />
(Interesse an Berufsfeldern, Sicherheit und Entschiedenheit<br />
bezogen auf berufliche Interessen, Entwicklung Wissen über Berufsund<br />
Arbeitswelt, Kompetenzentwicklung, etc.),<br />
� die generelle Einschätzung der Einschätzung der Interventionen und<br />
Verbesserungspotenziale.<br />
Durch das theoriegeleitet am Material entwickelte Kategoriensystem, welches<br />
gleichzeitig als Auswertungsleitfaden diente, erfolgte die Festlegung<br />
der Merkmale, die in einem zweiten Schritt in einem Querschnitt durch die<br />
Interviews herausgefiltert wurden (vgl. Mayring 2007, S. 473). Dazu wurden<br />
in allen Gesprächen diejenigen Textstellen, die einer der definierten Kategorien<br />
zuzuordnen waren, extrahiert. Das Kategoriensystem wurde offen<br />
gehandhabt, sodass durch Modifikationen und Kategorienneubildungen<br />
auch Themen Beachtung fanden, die im Auswertungsleitfaden unberücksichtigt<br />
waren (induktive Kategorienbildung). Eine tiefergehende Kodierung,<br />
z. B. durch die Verwendung zusätzlicher Unterkategorien erfolgte<br />
nicht, da durch den Interviewleitfaden bereits ein erheblicher Strukturierungsgrad<br />
vorgegeben war. Nach Bildung des endgültigen Kategoriensystems<br />
wurden den einzelnen Komponenten in einem dritten Schritt die<br />
entsprechenden Textabschnitte zugeordnet und für die Ergebnisdarstellung<br />
herangezogen.<br />
212
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
9 Ergebnisdarstellung<br />
Die Ergebnispräsentation richtet sich in ihrer Reihenfolge weitgehend an<br />
den forschungsleitenden Fragestellungen und den zugehörigen Hypothesen<br />
aus. Um die Übersichtlichkeit nicht herabzusetzen, stehen die Interventions-<br />
und Kontrollgruppe im Fokus. Auswertungen auf Ebene der Einzelinterventionen<br />
werden nur dann vorgenommen, wenn deutliche Abhebungen<br />
bei einzelnen Orientierungsmaßnahmen vorzufinden sind. Die<br />
nachfolgenden Unterkapitel stützen sich in ihrem Aufbau auf die quantitativen<br />
Ergebnisse. In der Regel 94 erfolgt im jeweils ersten Schritt eine Darlegung<br />
der Resultate des Pretests. Ergänzend wird auf die Veränderungen<br />
vom ersten zum zweiten Erhebungszeitpunkt eingegangen. Ausgewählte<br />
Daten der qualitativen Interviews der Follow-up-Befragung werden an<br />
thematisch passender Stelle mit denen der Fragebogenerhebung zusammengeführt.<br />
Ergänzende Übersichten zu den beschriebenen Ergebnissen<br />
sind in tabellarischer Form dem Anhang beigefügt. Um die analysierten<br />
Daten besser erfassen zu können, sind bei der Darstellung der quantitativen<br />
Resultate stets nur die Ergebnisse > 0 ausgegeben. Bei Prozentangaben<br />
eventuell auftretende Abweichungen von 100% beruhen auf angewandten<br />
Rundungsverfahren.<br />
9.1 Merkmale der Evaluationsstichprobe<br />
Unter Beachtung der Kapazitäten der einzelnen Orientierungsangebote<br />
(vgl. Anhang 5) sah der Stichprobenplan für die Evaluation eine Vollerhebung<br />
in den ‚JobGalaxy’-Maßnahmen, den Schnupperpraktika ‚Kraftfahrzeugtechnik’<br />
und ‚Konditorei/Verkauf’ sowie der ‚Schnupperlehre’ vor. In<br />
der Individualität dieser Interventionen liegt es begründet, dass nur von einer<br />
kleinen Zahl von je etwa 6 bis 20 potenziellen Teilnehmenden je Intervention<br />
ausgegangen werden konnte. In Bezug auf die ‚Girls’Day’-<br />
Angebote, die breitenwirksamer, aber auch nutzungsoffen 95 angelegt sind,<br />
wurde auf Grundlage der Einschätzungen in den geführten Experteninterviews<br />
eine Stichprobengröße von je 50 Mädchen angenommen. Für die<br />
Kontrollgruppe sollte mit der Ausgangsstichprobe eine doppelt so hohe<br />
Anzahl an Jungen und Mädchen erfasst werden, um so einkalkulierten Ausfällen<br />
von Untersuchungsteilnehmern gegenzusteuern. Die Spezifika des<br />
94 Zum Teil wurden Sachverhalte nur zu einem Messzeitpunkt erhoben. Hier tritt die beschriebene<br />
Vorgehensweise außer Kraft.<br />
95 D. h. es war keine Anmeldung von den Mädchen erforderlich. Die beiden Angebote konnten<br />
am Veranstaltungstag je nach Interessenlage der Mädchen aufgesucht werden.<br />
213
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Forschungsfeldes zieht es nach sich, dass eine Aussage zur Repräsentativität<br />
der Evaluationsstichprobe im Sinne einer der Grundgesamtheit gleichen<br />
Struktur offen bleiben muss. Zwar ist die Gesamtschülerzahl in bestimmten<br />
Klassenstufen im Untersuchungsgebiet zu ermitteln, aber nicht, inwieweit<br />
die Schülerschaft im Kontext ihrer anthropologischen und soziokulturellen<br />
Voraussetzungen jeweils berufliche Orientierung benötigt oder nicht.<br />
Da die Grundgesamtheit nicht klar abzugrenzen ist, muss auch von einer<br />
fehlenden Allgemeingültigkeit der Ergebnisse ausgegangen werden.<br />
Zwecks der Vermeidung verzerrter Ergebnisse galt es, nur diejenigen Schülerinnen<br />
und Schüler herauszufiltern und in die Auswertungen einzubeziehen,<br />
die im Untersuchungszeitraum keine außerschulische Orientierungsmaßnahme<br />
besuchten. Letztendlich hielt sich ein entsprechender Ausfall<br />
von Untersuchungsteilnehmern jedoch in Grenzen. Insgesamt muss in diesem<br />
Zusammenhang kritisch konstatiert werden, dass der Anspruch an eine<br />
allumfassende Kontrolle intervenierender Faktoren unrealistisch ist. Gerade<br />
unter dem Blickwinkel beruflicher Orientierung als Querschnittsthema und<br />
wenn diese nicht unter dem Etikett der Berufsorientierung identifiziert<br />
werden kann, erscheint es aussichtslos jegliche Einflussbedingungen zu<br />
kontrollieren.<br />
Generell sind Datenerhebungen mit der Problematik konfrontiert, dass es<br />
aus den unterschiedlichsten Gründen nie gelingt, alle nach dem Stichprobenplan<br />
ausgewählten Untersuchungsobjekte, die so genannte Bruttostichprobe,<br />
zu erreichen (vgl. Kuhnke 2005, S. 2). Insofern Ausfälle neutraler<br />
Art sind und diese von der Bruttostichprobe abgezogen werden, wird von<br />
der bereinigten Bruttostichprobe gesprochen. Im vorliegenden Fall können<br />
188 Jugendliche aus den Interventionsgruppen sowie 421 Mädchen und<br />
Jungen aus der Kontrollgruppe der bereinigten Bruttostichprobe zugeordnet<br />
werden (vgl. Tabelle 9; vgl. Anhang 12 f.).<br />
Tabelle 9: Übersicht über die Evaluationsstichprobe<br />
Bereinigte Bruttoevaluationsstichprobe<br />
Nettoevaluationsstichprobe<br />
Teilgruppen<br />
Pretest Posttest<br />
Pre- u.<br />
Posttest<br />
Follow-up<br />
n n<br />
n n<br />
weiblich 130<br />
Kontrollgruppe 421 438 männlich 108<br />
gesamt 238<br />
Interventionsgruppe<br />
188 99<br />
weiblich<br />
männlich<br />
gesamt<br />
55<br />
28<br />
83<br />
5<br />
4<br />
9<br />
gesamt 609 537 321 9<br />
214
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Diese Ausgangsstichprobe reduzierte sich im Posttest in den Interventionsgruppen<br />
auf 99 und erhöhte sich in der Kontrollgruppe auf 438 Personen.<br />
Als Ursachen für die Verringerung des Stichprobenumfangs zwischen dem<br />
Pre- und Posttest von insgesamt 609 auf 537 Jugendliche sind einerseits<br />
methodisch-organisatorische Gründe, wie das Nicht-Erreichen der Untersuchungsteilnehmenden,<br />
zu benennen. Hierzu zählen die krankheitsbedingte<br />
Abwesenheit zum Befragungszeitpunkt oder auch der kurzfristige,<br />
organisatorisch bedingte Ausfall einzelner Klassenteile oder Kursteilnehmer<br />
aufgrund von Bewerbungsgesprächen, Praktika oder Klassenfahrten.<br />
Weitere Ausfälle insbesondere im Kontext der Follow-up-Testung resultieren<br />
aus nicht oder fehlerhaft ausgefüllten Kontaktinformationen, die eine<br />
Ansprache be- oder verhinderten. Andererseits haben immer auch Merkmale<br />
der Befragungspersonen Einfluss auf deren Beteiligung an Erhebungen.<br />
Der Teilnahme an einer Befragung geht immer eine Entscheidungssituation<br />
voraus. Die Beteiligung oder Enthaltung geschieht nach<br />
Abwägung der Kosten und des Nutzens (vgl. Kuhnke 2005, S. 5). Als mögliche<br />
Kosten für die hier befragten Jugendlichen sind denkbar:<br />
� Misstrauen in Hinblick auf die Datenverwendung, die Einhaltung des<br />
Datenschutzes,<br />
� geringe Bereitschaft zur Selbstreflexion/zur Auseinandersetzung mit<br />
der eigenen Person,<br />
� Widerwillen gegenüber dem notwendigen Aufwand, z. B. zur kognitiven<br />
Anstrengung, zur konzentrierten Bearbeitung des Fragebogens,<br />
zur Abgabe des Fragebogens bei der Post,<br />
� hoher Wert einer alternativen Zeitverwendung (Opportunitätskosten),<br />
� Angst vor der Befragungssituation bzw. den inhaltlichen Anforderungen<br />
nicht gewachsen zu sein,<br />
� Preisgabe von vermeintlichen Misserfolgen oder Versagen im Kontext<br />
der Berufsorientierung (vgl. ebd., S. 6).<br />
Den Kosten entgegen stehen folgende Nutzen für die Jugendlichen:<br />
� Interesse am Thema der Befragung,<br />
� Aufgeschlossenheit und generelle Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft,<br />
� Bestehen der Möglichkeit zur Darstellung eigener Erfahrungen und<br />
Erfolge beim Bedürfnis nach Selbstdarstellung,<br />
215
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
� Teilnahme stellt eine angenehmere Alternative zu sonstigen Zeitverwendung,<br />
z. B. im Vergleich zu Unterricht, dar,<br />
� Teilnahmeaufwand wird kleiner empfunden, als der zur Abwehr des<br />
Befragungsansinnens notwendige Mut (vgl. ebd., S. 6).<br />
Infolge der Entscheidung über Kosten und Nutzen der Teilnahme an der<br />
Befragung sind weitere Ausfälle zu verzeichnen, die auf einer Verweigerung<br />
beruhen. Dazu gehören z. B. Lustlosigkeit zum Ausfüllen des Fragebogens<br />
und unvollständig oder unglaubwürdig ausgefüllte Fragebögen. Um die<br />
Ausfälle zu reduzieren, wurden wie bereits beschrieben, u. a. Informationen<br />
über Ziele und Ablauf der Untersuchung und über die Verwendung der<br />
Daten gegeben. Des Weiteren hatten die Schaffung eines positiven Untersuchungsklimas<br />
sowie die Motivation zur Teilnahme, die zielgruppenadäquate<br />
Gestaltung der Erhebungsinstrumente sowie die Sicherung von<br />
Anonymität, auch zwischen den Gruppenteilnehmern selbst, einen hohen<br />
Stellenwert. Dennoch zeigte sich während des Posttests vor allem in den<br />
Interventionsgruppen aber auch in der Kontrollgruppe ein Sättigungseffekt,<br />
der sich zum Teil in einer mangelnden Bereitschaft zur Teilnahme an der<br />
Untersuchung widerspiegelte. Besonders betroffen waren die Interventionen<br />
‚JobGalaxy’ und ‚JobGalaxy Future’. Während die benannten organisatorischen<br />
Probleme (Klassenfahrten, Praktika) als stichprobenneutrale<br />
Ausfälle zu bewerten sind, muss bei Ausfallursachen wie der aktiven und<br />
passiven Verweigerung davon ausgegangen werden, dass sie mit einer<br />
Selektion spezifischer Teilgruppen einhergehen. Damit verbunden sind<br />
Einschränkungen bei der Auswahl von Analysemethoden zur Datenauswertung<br />
und in Hinblick auf die Verallgemeinerbarkeit der gewonnenen<br />
Ergebnisse. Eine detaillierte Analyse der Ausfallgruppen, d. h. eine Quantifizierung<br />
der einzelnen Ausfallursachen sowie der Merkmale der nicht erreichten<br />
Befragungsteilnehmer (z. B. Geschlecht, Alter, Schulart) wurde<br />
aufgrund fehlender Informationen über diese Zielpersonen nicht vorgenommen.<br />
Es lassen sich daher keine Aussagen über Richtung und Ausmaß<br />
möglicher Verzerrungen infolge des Teilnehmerausfalls formulieren.<br />
Um längsschnittliche Aussagen gewährleisten zu können, ist als Basis für<br />
die Auswertung eine Stichprobe, ausschließlich bestehend aus Jugendlichen,<br />
die sowohl am Pre- als auch am Posttest der Untersuchung teilgenommen<br />
haben und deren Angaben verwertbar waren, gebildet worden.<br />
Diese Stichprobe wird nachfolgend als Nettostichprobe bezeichnet. Um die<br />
Hypothesen zur Wirksamkeit schulischer bzw. außerschulischer Berufsorientierung<br />
verifizieren bzw. falsifizieren zu können, sind zudem nur Untersuchungsteilnehmer<br />
der Interventionsgruppe und der Kontrollgruppe<br />
216
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
integriert worden, die zwischen den Messzeitpunkten keine weiteren Orientierungsmöglichkeiten,<br />
z. B. Besuch eines Bewerbungstrainings außerhalb<br />
der schulischen Berufsorientierung, nutzten. Jedoch ist in diesem Zusammenhang<br />
erneut auf die eingangs dargelegte Problematik einer vollständigen<br />
Bedingungskontrolle zu verweisen. Der Nettoevaluationsstichprobe<br />
von insgesamt 321 Schülerinnen und Schülern sind in den Interventionsgruppen<br />
83 Jugendliche zuzuordnen, davon 55 weibliche und 28 männliche<br />
Befragungsteilnehmer. Die Kontrollgruppe umfasste 238 Jugendliche, davon<br />
130 weibliche und 108 männliche. Im Vergleich dazu liegt der Anteil<br />
von Jungen in den Interventionsgruppen um 11% niedriger (insgesamt<br />
34%) und von Mädchen um 11% höher (insgesamt 66%), was nicht zuletzt<br />
daraus resultiert, dass einzelne Orientierungsmaßnahmen ausschließlich auf<br />
Mädchen und junge Frauen ausgerichtet waren (vgl. Abbildung 3). Vergleicht<br />
man die Anteile weiblicher und männlicher Evaluationsteilnehmer<br />
in den beiden Gruppen ohne die Interventionen, die sich ausschließlich an<br />
Mädchen richten, kehrt sich das Bild um: In den Interventionsgruppen finden<br />
sich 15% mehr Jungen (insgesamt 60%) und 15% weniger Mädchen<br />
(insgesamt 40%) gegenüber der Kontrollgruppe.<br />
Abbildung 3: Anteile der Jugendlichen in der Kontroll- und der Interventionsgruppe nach<br />
Geschlecht<br />
Angaben in %<br />
80<br />
40<br />
0<br />
Geschlecht<br />
55<br />
66<br />
weiblich männlich<br />
45<br />
35<br />
KG (n=238)<br />
IG (n=83)<br />
Generell ist das Geschlechterverhältnis in der Kontrollgruppe (insbesondere<br />
bei den Befragten aus Gymnasien) und in den Orientierungsangeboten<br />
sowohl in der Nettoevaluationsstichprobe als auch in der Bruttoevaluationsstichprobe<br />
unausgewogen. So wurden Interventionen, die sich an beide<br />
Geschlechter richten und technisch-naturwissenschaftliche Inhalte<br />
transportieren, überwiegend von Jungen und jene, in denen hauswirtschaftlich-soziale<br />
Berufsfelder im Mittelpunkt standen, hauptsächlich von Mäd-<br />
217
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
chen wahrgenommen. Dies spiegelt die bereits in Kapitel 2.1 beschriebene<br />
Situation eines geringen Interesses von Mädchen an männerdominierten<br />
und von Jungen an frauendominierten Berufsfeldern wider.<br />
Das Verhältnis zwischen Interventions- und Kontrollgruppe hinsichtlich<br />
des angestrebten Schulabschlusses der Jugendlichen ist homogen. Die<br />
Mehrheit der Schülerinnen und Schüler der Nettoevaluationsstichprobe<br />
visiert einen Realschulabschluss (51%) oder die allgemeine Hochschulreife<br />
(38%) an, d. h. die Befragten gehören hinsichtlich des Bildungsniveaus<br />
schwerpunktmäßig nicht zu bildungsbenachteiligten Gruppen. Die verbleibende<br />
Zahl Jugendlicher plant die Schule ohne Abschluss, mit einem<br />
Hauptschulabschluss oder mit der Fachhochschulreife zu verlassen (11%;<br />
vgl. Abbildung 4).<br />
Abbildung 4: Anteile der Jugendlichen in der Kontroll- und der Interventionsgruppe nach<br />
angestrebtem Schulabschluss<br />
Angaben in %<br />
218<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1<br />
7<br />
5<br />
4<br />
2<br />
Zeugnis FS einf. HSA qualif. HSA RSA allg. HSR FHSR<br />
Angestrebter Schulabschluss<br />
50<br />
53<br />
38<br />
37<br />
2<br />
1<br />
KG (n=236)<br />
IG (n=83)<br />
Die geschlechtsspezifische Auswertung der Angaben zu den anvisierten<br />
Abschlüssen offenbart ein deutliches Ungleichgewicht bei den Abiturientinnen<br />
und Abiturienten. In beiden Untersuchungsgruppen überwiegt die<br />
Zahl der Mädchen, welche die allgemeine Hochschulreife anstreben, was<br />
die getroffen Aussagen zum Bildungsaufstieg der Mädchen bestätigt (vgl.<br />
Kapitel 2.1). Jede Interventionsgruppe für sich betrachtet, weisen die Schülerinnen<br />
und Schüler der Schnupperpraktika ‚Kraftfahrzeugtechnik’ und<br />
‚Konditorei/Verkauf’ das größte Spektrum hinsichtlich der verfolgten<br />
Schulabschlüsse auf. Von den Teilnehmenden werden bis zu vier unterschiedliche<br />
Abschlüsse, mit Schwerpunkt im niederen Bereich, angestrebt.<br />
Dieses heterogene Bild wird durch die weiteren Interventionsgruppen nicht<br />
widergespiegelt. Vielmehr konzentrieren sich fast alle Teilnehmenden auf<br />
ein und denselben Bildungsabschluss. So wollen die Mädchen und Jungen,<br />
welche die Orientierungsangebote ‚JobGalaxy’, ‚Schnupperlehre’ und<br />
‚Girls’Day’ [B] wahrgenommen haben die Schule überwiegend mit einem
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Realschulabschluss verlassen. Die Nutzerinnen und Nutzer von ‚JobGalaxy<br />
Future’ und ‚Girls’Day’ [S] visieren in der Mehrzahl das Abitur an. In Bezug<br />
auf die vorliegende Stichprobe wurden demnach nur zum Teil die<br />
durch die Organisatoren gewünschten Zielgruppen erreicht (vgl. Anhang<br />
5). Divergenz ist vor allem bei den Orientierungsmaßnahmen ‚Schnupperlehre’<br />
und dem ‚Girls’Day’ [B] festzustellen.<br />
Um zu prüfen, inwieweit die schulischen Leistungen der Befragungsteilnehmer<br />
in den Teilgruppen vergleichbar sind, wurden die Noten in<br />
Mathematik, Deutsch und Englisch des letzten Zeugnisses herangezogen,<br />
also Fächern, die in allen Schultypen gelehrt werden. In Tabelle 10 sind die<br />
Anteile der Schülerinnen und Schüler nach Geschlecht und angestrebtem<br />
Schulabschluss ausgewiesen, deren Noten besser als ‚befriedigend’ und<br />
schlechter als ‚ausreichend’ waren.<br />
Tabelle 10: Anteile guter und schlechter Schülerinnen und Schüler nach Noten in den Fächern<br />
Mathematik, Deutsch, Englisch in der Kontroll- und der Interventionsgruppe zum<br />
Zeitpunkt des Pretests (Angaben in %)<br />
Teilgruppen Fach<br />
Ma Deu Eng Ma Deu Eng<br />
Anteil besser als Anteil schlechter als n<br />
‚befriedigend’ ‚ausreichend’<br />
Kontroll<br />
gruppe*<br />
gesamt<br />
30 46 41 4<br />
Geschlecht<br />
weiblich<br />
männlich<br />
34<br />
25<br />
59<br />
31<br />
46<br />
35<br />
5<br />
2 1 1<br />
124<br />
103<br />
Angestrebter<br />
Schulabschluss<br />
HSA<br />
RSA<br />
HSR<br />
21<br />
28<br />
36<br />
29<br />
37<br />
64<br />
42<br />
30<br />
55<br />
4<br />
6 1<br />
4 24<br />
115<br />
86<br />
Interventionsgruppe<br />
gesamt 39 54 37 3 3<br />
Geschlecht<br />
weiblich<br />
männlich<br />
40<br />
36<br />
63<br />
36<br />
50<br />
11<br />
2<br />
4<br />
4 52<br />
28<br />
Zeugnis FS 100 100 100 1<br />
Angestrebter HSA 67 33 40 17 5<br />
Schulabschluss RSA 25 41 27 2 5 44<br />
HSR 52 76 48 29<br />
* keine Teilnehmer, welche das Zeugnis einer Förderschule anstreben, d. h. die Schule ohne<br />
Hauptschulabschluss verlassen<br />
219
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Eine differenzierte Betrachtung der Teilgruppen zeigt, dass die Jungen und<br />
Mädchen der Interventionsgruppe in Mathematik und Deutsch bessere und<br />
in Englisch etwas schlechtere Noten als die der Kontrollgruppe haben.<br />
Auch hier bestätigen sich die Aussagen zum Bildungsaufstieg der Mädchen,<br />
denn ihr Anteil ist im Bereich der besseren Noten höher als der von<br />
Jungen. Auffällig sind die Unterschiede zwischen den Jugendlichen der Interventions-<br />
und Kontrollgruppe, die einen Hauptschulabschluss und die<br />
das Abitur anstreben. Die in Mathematik und Deutsch ausgesprochen guten<br />
Schülerinnen und Schüler überwiegen in der Interventionsgruppe.<br />
Während der Großteil der Untersuchungsteilnehmenden der Interventionsgruppe<br />
die achte oder neunte Klasse besuchte, entstammten die Jugendlichen<br />
der Kontrollgruppe schwerpunktmäßig achten bis zehnten<br />
Klassen (vgl. Abbildung 5). In der Intervention ‚JobGalaxy Future’, die jedoch<br />
auch eine äußerst kleine Stichprobenzahl aufweist, konzentrieren sich<br />
Mädchen und Jungen der zehnten Klassenstufe. Alle anderen Orientierungsmaßnahmen<br />
wurden von Jugendlichen mehrerer, maximal bis zu<br />
sechs verschiedener Klassenstufen wahrgenommen, was mit der gewünschten<br />
Breite an Zielgruppen (vgl. Anhang 5) konform geht. Generell integrierten<br />
die Untersuchungsgruppen einen relativ geringen Anteil von unter<br />
10% an Schülerinnen und Schülern der elften und zwölften Klassen. Die<br />
differenzierte Verteilung wird nicht als problematisch angesehen, da die zu<br />
verifizierenden bzw. zu falsifizierenden Hypothesen nicht auf Unterschiede<br />
im Iststand der Berufswahlreife zu einem Untersuchungszeitpunkt, sondern<br />
auf Veränderungen zwischen dem Pre- und dem Posttest ausgerichtet sind.<br />
Abbildung 5: Anteile der Jugendlichen in der Kontroll- und der Interventionsgruppe nach<br />
Klassen-/Kursstufen<br />
Angaben in %<br />
220<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
10<br />
25<br />
31<br />
32<br />
37<br />
7. Klasse 8. Klasse 9. Klasse 10. Klasse 11. Kursstufe 12. Kursstufe<br />
Klassen-/Kursstufe<br />
36<br />
14<br />
6<br />
6<br />
2<br />
KG (n=238)<br />
IG (n=83)
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Stärkere Differenzen zwischen Interventions- und Kontrollgruppe sind in<br />
Hinblick auf den Wohnort der Jugendlichen zu finden. Mit jeweils etwa<br />
55% kommen die Mädchen und Jungen der Interventionsgruppe aus der<br />
Stadt Chemnitz und die der Kontrollgruppe aus dem Landkreis Mittelsachsen.<br />
Auf dem zweiten Rang schließen bei den Jugendlichen der Orientierungsmaßnahmen<br />
mit gleichen Prozentwerten der Landkreis Mittelsachsen<br />
und der Erzgebirgskreis an (jeweils 20%). Bei näherer Betrachtung<br />
wird deutlich, dass vor allem Orientierungsmaßnahmen im regionalen Nahraum<br />
genutzt werden. Lediglich Teilnehmerinnen des ‚Girls’Day’ [S] zeigen<br />
größere Mobilität und nehmen längere Anfahrtswege in Kauf. Erklärbar ist<br />
dies mit der Distanz zu weiteren Standorten von Universitäten und Hochschulen<br />
in Sachsen in Kombination mit der Alleinstellung dieser Orientierungsmaßnahme.<br />
Zwar ist die nächste Hochschule lediglich 25 km entfernt<br />
(Hochschule Mittweida), jedoch fand dort im Jahr 2008 keine Beteiligung<br />
am ‚Girls’Day’ statt. In der Kontrollgruppe folgen nach dem Landkreis<br />
Mittelsachsen die Stadt Chemnitz (30%) und der Vogtlandkreis (15%) als<br />
Wohnorte der Jugendlichen. Vereinzelt sind Jugendliche der Nettoevaluationsstichprobe<br />
in den Landkreisen Zwickau oder Leipzig wohnhaft<br />
(ca. 2%; vgl. Abbildung 6). Erwartungsgemäß spiegelt das Bild die räumlichen<br />
Einzugsgebiete der Orientierungsmaßnahmen (vgl. Anhang 5) und<br />
der Schulen wider.<br />
Abbildung 6: Anteile der Jugendlichen in der Kontroll- und der Interventionsgruppe nach<br />
Wohnort<br />
Angaben in %<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
29<br />
55<br />
55<br />
20<br />
20<br />
Stadt Chemnitz LK Mittelsachsen Erzgebirgskreis Vogtlandkreis LK Zwickau LK Leipzig<br />
Wohnort gruppiert nach kreisfreien Städten und Landkreisen (Gebietsstand 01.08.2008)<br />
15<br />
4<br />
2<br />
KG (n=238)<br />
IG (n=83)<br />
An den aufgeführten Merkmalen Geschlecht, angestrebter Schulabschluss<br />
und besuchter Klassenstufe wird deutlich, dass die Jugendlichen der Interventions-<br />
und der Kontrollgruppe in ihrer Grundcharakteristik weitgehend<br />
221
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
identisch sind. In Hinsicht auf den Wohnort, die Schulleistungen und auf<br />
Ebene der Einzelinterventionen bestehen größere Differenzen, die bei den<br />
nachfolgenden Auswertungen Beachtung finden müssen.<br />
Die qualitativen Interviews der Follow-up-Messung wurden mit fünf Mädchen<br />
und vier Jungen geführt, die eine in die Evaluation integrierte Orientierungsmaßnahme<br />
absolvierten (vgl. Voigt, Horch 2008). Die Schülerinnen<br />
und Schüler besuchten zum Befragungszeitpunkt siebte bis zehnte Klassen<br />
oder die elfte und zwölfte Kursstufe. Sieben von ihnen gingen auf eine Mittelschule,<br />
strebten also einen Haupt- oder Realschulabschluss an. Zwei der<br />
Jugendlichen planten mit dem Abitur die Schule zu beenden. Während vier<br />
der Mädchen und Jungen in der Stadt Chemnitz wohnhaft waren, kamen<br />
die weiteren fünf aus dem Landkreis Mittelsachsen, dem Erzgebirgskreis<br />
und dem Landkreis Zwickau. Die folgenden kurzen Fallporträts vermitteln<br />
ein Bild der Interviewteilnehmerinnen und -teilnehmer:<br />
Schülerin A:<br />
… besucht die 7. Klasse einer Mittelschule in Chemnitz, die als freie Schule<br />
nach den Grundlagen der Montessori-Pädagogik arbeitet. Ihre Berufswünsche<br />
sind Kindergärtnerin, Autorin oder „etwas mit Musik“. Allein, ohne<br />
die Begleitung ihrer Mitschülerinnen, besuchte den ‚Girls’Day’ [S] an der<br />
Technischen Universität. Bereits in der 6. Klasse nutzte sie dieses Orientierungsangebot,<br />
um Berufsfelder kennenzulernen.<br />
Schüler B:<br />
… lernt in der 8. Klasse einer Mittelschule des Landkreises Mittelsachsen.<br />
Er ist sich noch unsicher, in welche berufliche Richtung er gehen will. Vorstellbar<br />
wäre für ihn „etwas mit Computern“ oder der Bereich der Konditorei.<br />
Als einziger seiner Klasse beteiligte er sich in den Ferien am Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’ bei der Handwerkskammer Chemnitz.<br />
Schülerin C:<br />
… geht in die 9. Klasse einer Chemnitzer Mittelschule mit vielfältigen Berufsorientierungsaktivitäten.<br />
Sie nahm, wie auch im Vorjahr, gemeinsam<br />
mit ihrer Klasse am ‚Girls’Day’ [B] in der Bildungs-Werkstatt Chemnitz<br />
gGmbH teil. Am liebsten möchte sie Mechatronikerin oder Kindergärtnerin<br />
werden. Sie meint „Beruf ist Beruf“ und findet es richtig, dass Frauen<br />
auch in Männerberufen arbeiten.<br />
222
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Schülerin D:<br />
… ist in der 9. Klasse einer Mittelschule im Landkreis Zwickau. Nach dem<br />
Realschulabschluss will sie die Hochschulreife erwerben. Mit dem Abitur<br />
plant sie eine Ausbildung in einem sozialen Beruf, zur Köchin oder zur<br />
Konditorin. Um sich über diese Berufsbilder zu informieren, absolvierte sie<br />
ihr Betriebspraktikum in einer Küche, wo ihr ein Berufsausbildungsplatz<br />
angeboten wurde. In den Ferien nahm sie, ohne Begleitung einer Freundin<br />
oder eines Freundes, am Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’ der<br />
Handwerkskammer Chemnitz teil.<br />
Schüler E:<br />
… besucht die 9. Klasse einer Mittelschule in Chemnitz. Seit der Grundschule<br />
begeistert er sich für Busse, was sich durch ein Betriebspraktikum<br />
noch verstärkte. Zu seinem Traum gehört eine Berufsausbildung im Bereich<br />
Kraftfahrzeugtechnik bei einem regionalen Verkehrsbetrieb. Um sich<br />
über mögliche Berufsbilder zu informieren, hat er sich mit einigen Mitschülern<br />
für das Ferienschnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’ bei der<br />
Handwerkskammer Chemnitz angemeldet.<br />
Schüler F:<br />
… will an einer Mittelschule des Erzgebirgskreises einen Realschulabschluss<br />
erwerben und überlegt, im Anschluss das Abitur abzulegen. Beruflich<br />
orientiert er sich mehr an Institutionen als an spezifischen Berufen. So<br />
könnte er sich vorstellen bei der Deutschen Bahn AG oder der Polizei zu<br />
arbeiten. Mit dem Wunsch, einen Praktikumsplatz zu finden, besuchte er<br />
über zwöf Wochen hinweg die ‚Schnupperlehre’ der Bildungs-Werkstatt<br />
Chemnitz gGmbH. Weitere Klassenkameraden nahmen nicht an dem<br />
Orientierungsangebot teil.<br />
Schülerin G:<br />
… schließt im laufenden Schuljahr die 10. Klasse einer Mittelschule des<br />
Landkreises Mittelsachsen ab. Im Anschluss plant sie einen weiterführenden<br />
Schulbesuch und den Erwerb des Abiturs. Sie hat konkrete berufliche<br />
Vorstellungen und strebt ein Lehramtsstudium mit der Fächerkombination<br />
Sport und Biologie an. Damit ist sie deutlich von ihrer Familie geprägt,<br />
denn auch ihr Vater ist Sportlehrer. Gemeinsam mit zwei Mitschülerinnen<br />
nutzte sie die Intervention ‚JobGalaxy’ der meteor GmbH.<br />
223
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Schüler H:<br />
… absolviert die 11. Kursstufe an einem Gymnasium in Chemnitz. Für die<br />
Zukunft hat er ambitionierte Pläne. Nach dem Zivildienst will er seine<br />
Sprachkenntnisse und sein interkulturelles Wissen in Lateinamerika erweitern.<br />
Sein eigentliches Ausbildungsziel ist ein Maschinenbaustudium, welches<br />
er als Grundlage für eine Beratertätigkeit in diesem Bereich sieht.<br />
Durch das Anfertigen einer „Besonderen Lernleistung“ bei der Siemens<br />
AG konnte er erste Erfahrungen im wissenschaftlichen Arbeiten und in der<br />
Arbeitswelt sammeln. Mit seinen Freunden und Gleichaltrigen aus dem<br />
Gymnasium beteiligte er sich an ‚JobGalaxy Future’.<br />
Schülerin I:<br />
… beendet die Schule im laufenden Schuljahr. Die Zwölftklässlerin lernt an<br />
einem Chemnitzer Gymnasium und besuchte wie Schüler H das Orientierungsangebot<br />
‚JobGalaxy Future’. Nach der Schule will sie zunächst ein<br />
Freiwilligenjahr und anschließend ein Studium realisieren. Die Fachrichtung<br />
hat sie noch nicht konkretisiert. Sie denkt an Rechtswissenschaften, Schauspiel<br />
oder Psychologie. Als Studienort bevorzugt sie Potsdam oder Hamburg,<br />
fühlt sich aber momentan noch zu jung, um ihre Heimat zu verlassen.<br />
9.2 Impulsgeber für die Teilnahme an<br />
Orientierungsmaßnahmen<br />
Innerhalb der Öffentlichkeitsarbeit und des Marketings für die Interventionen<br />
kommen zahlreiche Instrumente, wie Flyer, Plakate, Internetseiten<br />
oder Medienmitteilungen zum Einsatz, um Schülerinnen und Schüler zu<br />
werben (vgl. Anhang 5). Welche Anspracheformen zeigen tatsächlich Wirkung?<br />
Aus den im Pretest gemachten Angaben der Jugendlichen ist ein<br />
breites Spektrum an Informationsquellen zu erkennen (vgl. Abbildung 7).<br />
Die Mädchen wurden in erster Linie von schulischen ‚Akteuren’, d. h.<br />
Lehrkräften (54%), Schulleitungen (25%) sowie Mitschülerinnen und Mitschülern<br />
(25%) auf die Maßnahmen hingewiesen. Jedoch dienten auch Medien<br />
(31%) und Freunde 96 (25%) als Impulsgeber für eine Teilnahme. Etwas<br />
anders verhält es sich bei den Jungen. Sie wurden hauptsächlich von<br />
ihren Eltern (46%) informiert, bekamen aber auch Hinweise von Lehrenden<br />
(32%) sowie von befreundeten Gleichaltrigen (27%). Nur untergeordnet<br />
bezogen sie Auskünfte über Medien und die Schulleitung. In wenigen<br />
96 Zu beachten ist, dass die Antwortvorgaben ‚Mitschülerinnen und Mitschüler’ sowie ‚Freunde’<br />
gegebenenfalls für einzelne Befragte wenig trennscharf waren.<br />
224
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Fällen nannten die Schülerinnen und Schüler Quellen, die nicht im Fragebogen<br />
vorgeben waren, wie die Agentur für Arbeit, Messen oder Informationsveranstaltungen<br />
durch die Angebotsträger. Gleich, welches Spektrum<br />
an Informationsmitteln und -wegen von den Organisatoren der Orientierungsangeboten<br />
generell genutzt wird, bei den meisten der Interventionen<br />
zeigen sich eindeutige Tendenzen, über welche Impulsgeber die Befragten<br />
von den Maßnahmen erfahren haben.<br />
Abbildung 7: Informationsquellen über Orientierungsangebote für die Jugendlichen der<br />
Interventionsgruppe (Mehrfachantworten möglich)<br />
Angaben in %<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
25<br />
Schulleitung<br />
9<br />
20<br />
54<br />
Lehrkraft<br />
32<br />
Informationsquellen<br />
47<br />
25<br />
21<br />
25<br />
27 26<br />
14<br />
Mitschüler/in<br />
Freunde<br />
6<br />
Eltern<br />
45<br />
19<br />
4<br />
Bekannte/Verwandte<br />
3<br />
31<br />
Medien<br />
9<br />
24<br />
Mädchen (n=48)<br />
Jungen (n=22)<br />
gesamt (n=70)<br />
Die Hauptinformationsquellen beim Schnupperpraktikum ‚Konditorei/<br />
Verkauf’, den beiden ‚JobGalaxy’- und den ‚Girls’Day’-Interventionen liegen<br />
in der Schule. Die Mädchen, die am ‚Girls’Day’ [B/S] teilnahmen, haben<br />
zusätzlich über die Medien vom Aktionstag erfahren. Rezipientinnen<br />
und Rezipienten des Schnupperpraktikums ‚Kraftfahrzeugtechnik’ und der<br />
‚Schnupperlehre’ bezogen ihre Hinweise auf die Orientierungsmaßnahmen<br />
in der Mehrzahl über Lehrkräfte und die Eltern. Bei der ‚Schnupperlehre’<br />
informierten auch Freunde. Nicht durchgängig ist das Marketing für Orientierungsmaßnahmen<br />
erfolgreich. Aus Sicht der befragten Jugendlichen<br />
schlagen Bemühungen vor allem aufgrund von institutionenbezogenen und<br />
zielgruppenbezogenen Bedingungen sowie deren mangelnder Kohärenz<br />
zueinander fehl. Innerhalb der Follow-up-Interviews führen sie beispielsweise<br />
die unzureichende Mobiliät der Zielgruppe an:<br />
225
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
226<br />
Schüler B (Mittelschule, 8. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Ich sag mal so. Aus unser Klasse kommen auch viele aus dem Dorf,<br />
und es müssen halt die Fahrtkosten und alles selber getragen werden<br />
und deswegen auch teilweise.“ (Z. 173-175)<br />
Schüler E (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’):<br />
„ … und manche haben ja auch gar kein Auto, also insofern …“<br />
(Z. 173-174)<br />
Zwei Interviewteilnehmerinnen sehen zudem auch eine mangelnde Reifung<br />
oder eine aus unterschiedlichen Ursachen resultierende Demotivation als<br />
Hemmnisse zur Teilnahme an Interventionen:<br />
Schülerin G (Mittelschule, 10. Klasse, ‚JobGalaxy’):<br />
„Ich denk mal Desinteresse ist da auch vorhanden und so. Vielleicht ist<br />
es auch zu uncool dahinzugehen.“ (Z. 219-220)<br />
„… viele wollen ihre Freizeit ne opfern dafür, und auch es waren vielleicht<br />
auch welche dabei, die jetzt nicht wussten, also die schon irgendwie<br />
eine Lehrstelle hatten, und manche nicht und das war dann vielleicht<br />
auch ausschlaggebend dafür.“ (Z. 226-229)<br />
Schülerin D (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Na, ich denke, dass sie noch zu jung sind. Wir gehen mit 15 und 16 gehen<br />
wir raus aus der Schule und müssen schon mit 16 wissen, was wir<br />
das ganze Leben lang machen, welche Ausbildung. Wir müssen dann<br />
gleich eine Ausbildung machen und ich finds ziemlich zeitig. Und jetzt<br />
müssen wir schon mit 15 halt ein Praktikum hier, ein Praktikum da und<br />
halt schon festlegen, was wir machen werden und, dass sie das halt noch<br />
gar nicht wollen. Die wollen sich halt noch gar nicht informieren und die<br />
wollen lieber halt noch ein bissl draußen spielen. Da halt noch irgendwas<br />
machen. Zum Beispiel die Jungs. Ist noch zu zeitig, find ich.“<br />
Z. 195-201)<br />
Im Resümee ist die Rolle der Schule als Informationsvermittler hervorzuheben,<br />
unabhängig davon, ob berufliche Orientierung letztendlich im schulischen<br />
oder, wie bei den untersuchten Interventionen, im außerschulischen<br />
Kontext stattfindet. Weniger unbedeutend ist hingegen, inwieweit die Berufsorientierung<br />
prinzipiell in der Schule Konsolidierung gefunden hat, wie<br />
die nachfolgende Aussage belegt:
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Schülerin C (Mittelschule, 9. Klasse, ‚Girls’Day’ [B]):<br />
„Und die [Lehrkräfte – Anm. d. Verf.] tun auch sagen, das ist so, die tun<br />
das dann auch schönreden, dass wir auch hingehen, sag ich mal. Ja, also<br />
die sind da auch voll dahinter und ja, die finden das auch gut, wenn wir<br />
da mitmachen und unsere Klasse oder aus unserer Klasse kriegt dann<br />
jemand irgendwas, weil er da irgendwo was gewonnen hat oder irgendein<br />
Quiz oder was weiß ich. Ja, da sind dann die Lehrer auch ganz stolz<br />
drauf. Also, die fühlen sich dann halt auch besser.“ (Z. 214-219)<br />
Auch Informationstafeln als eher indirekte schulische Kommunikationsform<br />
können Aufmerksamkeit für Orientierungsangebote wecken. So antwortet<br />
ein Untersuchungsteilnehmer auf die Frage, ob die Schule als Informationsvermittler<br />
agiert:<br />
Schüler E (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’):<br />
„Direkt nicht, aber unten in der, im Foyer hängen solche Blätter dran.“<br />
(Z. 184)<br />
Wenngleich zu diskutieren ist, inwieweit die schulische Berufsorientierung<br />
in den beiden aufgeführten Fällen noch konzeptionell und in ihrer Realisierung<br />
ausbaufähig ist, wird deutlich, dass Schulleitungen sowie Lehrerinnen<br />
und Lehrer enorm dazu beitragen können, dass sich Jugendliche mit<br />
ihrem beruflichen Weg auseinandersetzen. Wie eine Studie des Deutschen<br />
Jugendinstitutes e. V. in Stuttgart und Leipzig zeigt, sehen Direktoren bei<br />
ihren Lehrkräften ein hohes Potenzial, um gelingende Übergänge zwischen<br />
Schule und Arbeitswelt zu gestalten. Sie weisen aber auch auf Grenzen hin<br />
(vgl. Deutsches Jugendinstitut e. V. 2008, S. 12 und S. 31). So sehen sie die<br />
Lehrenden nicht vollumfänglich als kompetente Ratgeber für die berufliche<br />
Zukunftsplanung oder in der Rolle die Schülerschaft nach Beendigung<br />
eines Schuljahres weiter zu begleiten. Doch gerade in diesen Aufgaben<br />
liegt für die Schulen auch ein Mehrwert. Mit einer ganzheitlichen Berufsorientierung<br />
und einer kombinierten Abschluss- und Anschlussorientierung<br />
geht der Aufbau eines positiven Schulimages einher, welches im<br />
Kontext der demografischen Entwicklung und der damit notwendigen<br />
Änderungen in der Schulinfrastruktur, z. B. durch Schulschließungen,<br />
existenzsichernd wirken kann. Die Kooperation ist demnach nicht nur für<br />
Träger von Orientierungsmaßnahmen vielversprechend, um Maßnahmen<br />
auszulasten, sondern gleichfalls für Schulen von Relevanz. Ein positiver<br />
Nebeneffekt ist die stärkere Systematisierung von Berufsorientierung, die<br />
durch die gegenseitige Information und Abstimmung befördert wird.<br />
Durch die Einbindung von Eltern bzw. Elternvertretungen, welche, wie<br />
227
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
aus den hier vorliegenden Ergebnissen und anderen Studien (vgl. Nowotnick,<br />
Voigt 2009, S. 18f; vgl. Hofsäss, Drinck 2010, S. 35) abzulesen ist,<br />
ebenfalls wichtige Impulsgeber sind, erfährt die Weiterentwicklung schulischer<br />
Berufsorientierung weitere Vervollkommnung.<br />
9.3 Erwartungshaltungen an<br />
Interventionen<br />
Schülerinnen und Schüler, die für die Teilnahme an einem der hier untersuchten<br />
Angebote zur beruflichen Orientierung gewonnen wurden, erhoffen<br />
sie sich in erster Linie mehr über Inhalte und Anforderungen in einem<br />
bestimmten Ausbildungsberuf oder Studiengang zu erfahren (vgl. Anhang<br />
15). Etwas mehr als 50% der Schülerinnen und Schüler begründen innerhalb<br />
des Pretests ihre Teilnahme mit diesen Aspekten. Jedem zweiten Mädchen<br />
waren darüber hinaus das Kennenlernen von Ausbildungsberufen<br />
oder Studiengängen sowie der Wunsch, die persönlichen beruflichen Ziele<br />
besser einschätzen zu können, wichtig. Einen Beleg finden diese Anliegen<br />
auch im Rückblick dreier Mittelschülerinnen in den Follow-up-Interviews:<br />
228<br />
Schülerin A (Freie Schule, 7. Klasse, ‚Girls’Day’ [S]):<br />
„Naja, also ich möchte eigentlich Kindergärtnerin werden oder halt so Autorin<br />
oder was mit Musik. Aber es ist ja auch, dass es manchmal nicht<br />
klappt und dann bin ich halt zu dem Girls’Day, damit ich halt auch noch<br />
besser in verschiedene Berufe reingucken kann. Das heißt falls es dann alles<br />
nicht klappt oder ich es dann später nicht mehr möchte.“ (Z. 27-31)<br />
Schülerin D (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Also ich hab mir gewünscht, dass ich vielleicht da nach dem Schnupperkurs<br />
weiß, was ich später werden will. Dass ich weiß, ja ich will Konditor<br />
werden oder nein, ich will kein Konditor werden. … Grund, warum ich das<br />
gemacht hab ist, ich wollt halt wissen, was ich da genau mach, ich wollte<br />
wissen, … wie es so abläuft.“ (Z. 70-74)<br />
Schülerin G (Mittelschule, 10. Klasse, ‚JobGalaxy’):<br />
„Na, ich wollte eigentlich schon, also mich vorbereiten auf einen Beruf und<br />
so, also welche Interessen ich hab und dann auch später, was ich für einen<br />
Beruf ausüben könnte.“ (Z. 71-73)<br />
Für etwa die Hälfte der Jungen stehen hingegen das Gewinnen von Klarheit<br />
über die eigenen Stärken und Schwächen sowie über berufliche Inte-
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
ressen, das Sammeln von praktischen Erfahrungen in der Arbeitswelt, aber<br />
auch das Finden eines Berufes zusätzlich im Vordergrund. In der Followup-Untersuchung<br />
untersetzen dies die Teilnehmer z. B. wie folgt:<br />
Schüler F (Mittelschule, o. K., ‚Schnupperlehre’):<br />
„Ja, also, Ich hatte ja schon nach einem Praktikumsplatz gesucht, aber ich<br />
bin noch nicht so richtig fündig geworden. Das ist auch ein Grund, warum<br />
ich hier hergekommen bin.“ (Z. 26-28)<br />
Schüler H (Gymnasium, 11. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Ähm, ja, Ziele erstmal, wahrscheinlich ein bisschen eine genauere Richtung<br />
zu finden, also beziehungsweise, halt ähm, eine Bestätigung, also vielleicht<br />
auch bewerten zu können irgendwelche Ideen, die ich hatte für die<br />
Zukunft.“ (Z. 78-80)<br />
Je nach Orientierungsmaßnahme unterscheiden sich die Erwartungen der<br />
Schülerinnen und Schüler. Eine Konformität zwischen diesen Vorstellungen<br />
und der spezifischen Charakteristika der Interventionen (vgl. Anhang<br />
5) ist nicht eindeutig zu identifizieren. Jedoch ist bei fast allen Angeboten<br />
das Interesse der Jugendlichen punktuell, also bezogen auf einzelne Aspekte,<br />
besonders hoch. So erwarteten die Teilnehmerinnen des ‚Girls’Day’ [B]<br />
vorrangig Berufe kennenlernen zu können, praktische Erfahrungen zu<br />
sammeln und ihr Wissen zum Thema Bewerbung zu erweitern, während<br />
sich die Rezipientinnen und Rezipienten der ‚Schnupperlehre’ hauptsächlich<br />
für Anforderungen in Unternehmen, ihre individuellen Stärken und<br />
Schwächen und die Erprobung in der Praxis interessierten. Beim Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’ und dem ‚Girls’Day’ [S] kristallisierten<br />
sich keine Erwartungsschwerpunkte heraus. Allen Antwortoptionen wurde<br />
lediglich abgeschwächt zugestimmt. Im Rahmen der Follow-up-Befragung<br />
weist ein Interviewteilnehmer ergänzend zu seinen inhaltlich geprägten Erwartungen<br />
noch auf einen weiteren Grund für seine Teilnahme hin:<br />
Schüler F (Mittelschule, o. K., ‚Schnupperlehre’):<br />
„Zuerst einmal wollte ich mal gucken, wie das da so ist in den einzelnen<br />
Berufen, was da so los ist, was man machen muss, welche Anforderungen<br />
es gibt und zweitens mein einer Klassenkamerad ging auch mit hin.“<br />
(Z. 80-82)<br />
Die Ergebnisse des Pretests zeigen, dass die Option, bei Orientierungsmaßnahmen<br />
nicht allein erscheinen zu müssen, für viele Jugendliche eine<br />
gewichtige Rolle spielt. Zwei Drittel suchte die in die Untersuchung eingebundenen<br />
Interventionen mit einer Freundin/einem Freund auf. Bei den<br />
229
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Mädchen sind es 71% und bei den Jungen 42%, die eine gemeinsame Teilnahme<br />
mit einer/einem nahestehenden Gleichaltrigen bevorzugen. Jeder<br />
vierte männliche Befragte, aber gerade mal 6% der Schülerinnen ist allein<br />
zu einer der Maßnahmen gekommen (vgl. Anhang 16). Dass Eltern, die<br />
Klassenkameraden oder andere Personen, wie Großeltern, Geschwister<br />
oder andere Verwandte eine untergeordnete Rolle spielen, kann in der Gestaltung<br />
und am Durchführungszeitpunkt der einzelnen Maßnahmen begründet<br />
liegen (vgl. Anhang 5). Bestätigt wird dies in Betrachtung der Werte<br />
für die Einzelinterventionen. So wurden beispielsweise die ‚Girls’Day’-<br />
Interventionen (Unterrichtszeit) vorrangig im Klassenverband oder im<br />
Freundeskreis besucht, die Schnupperpraktika (Schulferien) hingegen allein<br />
oder mit befreundeten Schülerinnen und Schülern.<br />
Inwieweit erfüllen die Interventionen die Erwartungen der Jugendlichen?<br />
Der Posttest zeigt ein überwiegend positiv gefärbtes Bild. Für ein Viertel<br />
der Teilnehmenden stimmt das vorgestellte Bild mit dem tatsächlich Erlebten<br />
überein (vgl. Abbildung 8). Für weitere zwei Drittel sind die eigenen<br />
Erwartungen und die Realität in den Maßnahmen überwiegend kongruent.<br />
Abbildung 8: Aussagen zur Erfüllung von Erwartungen der Jugendlichen in den<br />
Interventionsgruppen an die Orientierungsangebote im Posttest<br />
Angaben in %<br />
230<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1<br />
9<br />
62<br />
26<br />
IG<br />
(n=82)<br />
33<br />
67<br />
Interventionsgruppen<br />
100<br />
10<br />
30<br />
60<br />
5<br />
79<br />
16<br />
13<br />
25<br />
63<br />
44<br />
44<br />
4<br />
81<br />
11 7<br />
JG JGF KFZT SL K/V GD [B] GD [S]<br />
gar nicht<br />
kaum<br />
ziemlich<br />
sehr<br />
Innerhalb der Interventionen zeigen sich starke Differenzen in der Beurteilung.<br />
Während sich für mindestens 60% der Jugendlichen, die ‚JobGalaxy’<br />
oder die beiden Schnupperpraktika nutzten, die Erwartungen ‚sehr’ erfüllten,<br />
besteht bei den Mädchen, die den ‚Girls’Day’ [B] besuchten, mit 44%<br />
ein großer Anteil, der kaum eine Deckungsgleichheit zwischen den eigenen<br />
Vorstellungen über den Mädchen-Zukunftstag und dem tatsächlichen Angebot<br />
sieht. Generell sehen die männlichen Befragten ihre Erwartungen
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
besser erfüllt als die weiblichen. Divergente Erwartungshaltungen können<br />
Ursachen in unzureichender Transparenz von Angeboten, im mangelnden<br />
Informationstransfer seitens der durchführenden Institutionen sowie in<br />
trägerbezogenen Leistungsschwächen haben. Auf Seiten der Jugendlichen<br />
ist ein Grund darin zu suchen, dass vor Beginn der Maßnahmen schlichtweg<br />
keine Notwendigkeit gesehen wurde, sich intensiv mit deren Inhalten<br />
auseinanderzusetzen. Vielmehr wurde eine abwartende Haltung eingenommen:<br />
Schülerin C (Mittelschule, 9. Klasse, ‚Girls’Day’ [B]):<br />
„Ja, ich fands, also ich hab mir jetzt nicht direkt gesagt, so und so soll es<br />
sein. Weil ich weiß nicht, find ich nicht gut. Aber so, was ich mir so gedacht<br />
hab, fand ich schon gut. Also, wurde schon umgesetzt so.“<br />
(Z. 89-91)<br />
Besonders mit Fokus auf die einzelnen Interviewsequenzen der Follow-up-<br />
Befragung wird deutlich, dass Erwartungshaltungen wenig von der besuchten<br />
Klassenstufe abhängig sind. Die Motive, an Orientierungsmaßnahmen<br />
teilzunehmen, differieren bei Schülerinnen und Schüler der Vorabgangs-<br />
und der Abgangsklassen nur unwesentlich.<br />
9.4 Berufliche Exploration und<br />
Kristallisationsniveau des<br />
Bildungs- und Berufsweges<br />
Um Informationen zum Stand der beruflichen Exploration bei den Jugendlichen<br />
der Interventions- und der Kontrollgruppe zu gewinnen, wurde danach<br />
gefragt, inwieweit sie sich bereits mit der Berufs- und Studienwahl beschäftigten.<br />
Entsprechend der Gedanken entwicklungstheoretischer Modelle<br />
der Berufswahl war davon auszugehen, dass sich die Befragten in unterschiedlicher<br />
Intensität mit ihrer beruflichen Zukunft befassten. Von den<br />
Mädchen und Jungen in den beiden Gruppen haben sich wenigstens 80%<br />
bereits mit ihrer Berufswahl auseinandergesetzt. Unterschiede zwischen<br />
den Jugendlichen, welche ausschließlich die schulische Berufsorientierung<br />
nutzten und denen, die zusätzlich außerschulische Angebote wahrnahmen,<br />
bestehen in der Dauer der Beschäftigung mit dem Thema (vgl. Tabelle 11).<br />
Vor allem die Jungen der Interventionsgruppe gaben an, schon seit<br />
längerem über die Berufswahl nachgedacht zu haben. Bereits Bewerbungen<br />
versandt hatten bislang jedoch nur wenige Jugendliche. Hier zeigen sich die<br />
Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe aktiver. 11% übermittelten<br />
231
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
potenziellen Arbeitgebern bereits ihre Bewerbungsunterlagen, während es<br />
bei den Jungen und Mädchen der Interventionsgruppen nur 4% sind. Etwa<br />
86% all jener, die bereits Bewerbungen versandten, besuchten die zehnte<br />
Klasse. Positiv zu bewerten ist, dass nur 4% der Befragten einschätzen, sich<br />
noch gar nicht mit der Berufswahl beschäftigt zu haben. Dies sind zum<br />
Großteil Jugendliche, die zum Zeitpunkt der Ersterhebung in der achten<br />
oder neunten Klasse lernten und einen Realschulabschluss bzw. das Abitur<br />
anstrebten. Aufgrund der zahlreichen Lehrplanbezüge zur Berufsorientierung<br />
an sächsischen Schulen (vgl. Kapitel 6.4.3.1) ist es unwahrscheinlich,<br />
dass die Jugendlichen tatsächlich noch keine Berührungspunkte mit<br />
der Thematik hatten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie nach ihrem<br />
Selbstempfinden noch wenig aktiv geworden sind.<br />
Tabelle 11: Stand der Auseinandersetzung mit der Berufswahl in der Kontroll- und der<br />
Interventionsgruppe zum Zeitpunkt des Pretests (Angaben in %)<br />
Teilgruppen Stand der Auseinandersetzung mit dem Thema Berufswahl<br />
seit einiger mit BW be- noch nie mit bereits Be- n<br />
Zeit mit BW fasst, aber BW befasst werbungen<br />
beschäftigt nicht lange<br />
versandt<br />
Kontrollgruppe<br />
g<br />
63 22 4 11 234<br />
Geschlecht<br />
w<br />
m<br />
68<br />
57<br />
20<br />
24<br />
2<br />
6<br />
9<br />
13<br />
130<br />
104<br />
Interventionsgruppe<br />
g 72 18 6 4 81<br />
Geschlecht<br />
w<br />
m<br />
70<br />
75<br />
19<br />
18<br />
8<br />
4<br />
4<br />
4<br />
53<br />
28<br />
39% der Jugendlichen der Interventionsgruppe planten zum Zeitpunkt des<br />
Pretests für die Zeit nach der Schule den Beginn einer Berufsausbildung.<br />
Weitere 18% wollten studieren, 17% stellten sich eine Berufsausbildung<br />
und ein Studium vor, 2% gingen davon aus, dass sie zunächst den Wehr-<br />
oder Zivildienst oder ein Freiwilliges Jahr absolvieren (vgl. Abbildung 9;<br />
vgl. Anhang 17). Obzwar die in den Jahren 2004, 2005, 2006 und 2008 umgesetzten<br />
Befragungen von jeweils rund 1.500 Schulabgängerinnen und<br />
Schulabgängern des Bundesinstitutes für Berufsbildung ähnliche Muster ergeben<br />
(vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung 2009b, S. 71), zeigen die Follow-up-Inter-views,<br />
dass die Jugendlichen, insofern diese ihren Berufsweg<br />
bereits geplant haben, entgegen der Positionierung zu einzelnen beruflichen<br />
Stationen stets mehrere Bildungs- bzw. Berufsstationen verknüpft denken:<br />
232
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Schülerin G (Mittelschule, 10. Klasse, ‚JobGalaxy’):<br />
„Also, ich geh jetzt nach der Schule aufs Gymnasium. Ich mach dann<br />
drei Jahre lang mein Abitur, und danach möchte ich eigentlich Sport und<br />
Biologie auf Lehramt studieren.“ (Z.11-13)<br />
Schüler H (Gymnasium, 11. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Ja, also erstmal wahrscheinlich muss ich ja meinen Zivildienst ableisten.<br />
Das hab ich erstmal vor im Ausland zu machen. In Lateinamerika, um<br />
noch ne, also um erstmal einen ganz anderen Kulturraum kennenzulernen<br />
und eine Sprache mit zu lernen. Und dann, äh, ja Ziel ist eigentlich<br />
dann mal in Maschinenbau, in Richtung Consulting zu gehen. … von<br />
daher ist erstmal so die Richtung schon ziemlich genau vorhanden.“<br />
(Z. 35-40)<br />
Abbildung 9: Ausbildungspläne der Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventions-<br />
gruppen zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests<br />
Angaben in %<br />
60<br />
40<br />
51<br />
49<br />
42<br />
39<br />
20<br />
0<br />
28<br />
23<br />
22<br />
23<br />
18 18<br />
15<br />
17<br />
14<br />
9<br />
3 2 3<br />
4<br />
6 8<br />
Berufsausbildung Studium B.ausb./Studium WD, ZV, FJ weiß nicht<br />
KG IG KG IG KG IG KG IG KG IG<br />
Geplanter beruflicher Weg<br />
Pretest (n=316)<br />
Posttest (n=316)<br />
Die ambitionierten Zielsetzungen sind einerseits Ausdruck dafür, wie wichtig<br />
den Jugendlichen die schulische und berufliche Ausbildung ist und wie<br />
ausgeprägt ihr Bewusstsein ist, mit niedrigen Schulabschlüssen auf dem<br />
Ausbildungs- und Arbeitsmarkt deutlich schlechter gestellt zu sein.<br />
Andererseits wird deutlich, dass sie berufliche Orientierung durchaus so<br />
verstehen, wie konzeptionell und durch entwicklungstheoretische Berufswahlansätze<br />
angedacht, d. h. als eigenverantwortlich zu bewältigender Prozess,<br />
bei dem kontinuierlich über die nächsten Schritte der Bildungs-, Arbeits-<br />
und Berufsbiografie zu entscheiden ist (vgl. Kapitel 3.2). Die Antwortvorgaben<br />
der quantitativen Erhebung greifen demnach deutlich zu<br />
kurz und vermögen die Vielfalt und Komplexität der von den Schülerinnen<br />
und Schülern gedanklich fixierten Wege nicht abzudecken. Parallel zu den<br />
relativ konkreten Planungen der Befragten gab etwa ein Viertel der Jungen<br />
und Mädchen im Pretest an, noch nicht zu wissen, welchen beruflichen<br />
Weg es nach Verlassen der Schule einschlagen will. Dabei ist der höchste<br />
233
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Anteil von Jugendlichen im Schnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’<br />
festzustellen. Mehr als zwei Drittel von ihnen war hinsichtlich des Berufsweges<br />
noch unentschieden. Die Mädchen und Jungen dieser Intervention<br />
nicht berücksichtigend, verbleiben in den anderen Interventionsgruppen<br />
dennoch 17%, die unschlüssig sind. Rückblickend beschreibt eine Teilnehmerin<br />
ihre Unentschlossenheit wie folgt:<br />
234<br />
Schülerin I (Gymnasium, 12. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Da es das nahe Ende der Schulzeit [war] hab [ich] mir gedacht, ja, jetzt<br />
müsstet Du halt langsam mal was machen und hatte halt immer keine<br />
Ahnung, was ich machen will nach der Schule. Naja, vielleicht hilft mir<br />
das ja.“ (Z. 84-87)<br />
Davon abgesehen, dass sich die beruflichen Pläne der Jugendlichen in der<br />
Interventions- und Kontrollgruppe generell unterscheiden, tritt der Aspekt<br />
der Unentschlossenheit bei den Teilnehmenden der Orientierungsmaßnahmen<br />
signifikant häufiger und bei den Mädchen und Jungen der Kontrollgruppe<br />
signifikant geringer auf. 97 Unter Rückbezug auf entscheidungstheoretische<br />
Ansätze der Berufswahl ist denkbar, dass die Schülerinnen und<br />
Schüler in den Interventionen gerade aufgrund ihrer ausgiebigeren Auseinandersetzung<br />
mit der Berufswahl und der dabei ‚entdeckten’ Möglichkeiten<br />
verunsichert sind, welche Laufbahnalternativen für sie sinnvoll ist. Mit<br />
der Wahrnehmung eines Angebotes zur beruflichen Orientierung als gezielte<br />
Informationssuche ist dann, wie bei Schülerin I, unter Umständen (immer<br />
wieder) die Hoffnung verbunden, eine Entscheidungshilfe zu haben<br />
und mehr Klarheit über die nächsten Schritte nach Verlassen der Schule zu<br />
gewinnen.<br />
Wenige Monate später, zum Zeitpunkt des Posttests, lassen sich im Vergleich<br />
zwischen der Interventionsgruppe und der Kontrollgruppe in Hinblick<br />
auf diese Entschiedenheit für einen bestimmten beruflichen Weg tatsächlich<br />
Unterschiede konstatieren. Wussten vor der Teilnahme an einem<br />
Berufsorientierungsangebot 23% der Schülerinnen und Schüler nicht, welchen<br />
beruflichen Weg sie einschlagen sollen, waren es mit Abschluss nur<br />
noch 14%. Besonders unentschlossene Jungen gingen aus den Interventionen<br />
mit Plänen hervor, wobei auch die männlichen Befragungsteilnehmer<br />
in der Kontrollgruppe ihre Vorstellungen zwischen den Erhebungszeitpunkten<br />
stärker konkretisieren als die weiblichen.<br />
97 Mittels Chi 2-Test wurden standardisierte Residuen =/> 2,0 sowie statistisch signifikante Verteilungsunterschiede<br />
auf dem 1%-Niveau ermittelt (exakter Test nach Fisher).
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Zur Konstanz, Weiterentwicklung bzw. Änderung ihrer Vorstellungen<br />
reflektieren die in der Follow-up-Erhebung interviewten Jugendlichen beispielsweise:<br />
Schülerin D (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Ich hab eigentlich genauso, ich hab eigentlich genau die gleiche Meinung<br />
wie vorher [vor der Teilnahme am Orientierungsangebot – Anm.<br />
d. Verf.]. Ich möchte erst mal meinen Realschulabschluss machen und<br />
dann, wenn ich’s schaff, ein Abitur machen. Und dann gerne schon in<br />
die Richtung Küche oder Konditor gehen.“ (Z. 28-30)<br />
Schüler F (Mittelschule, o. K., ‚Schnupperlehre’):<br />
„Ja, ich hatte schon überlegt, noch Abitur zu machen, aber das könnte<br />
knapp werden noch aufs Gymnasium zu wechseln. Weil, könnte schwer<br />
werden mit, mit den Zensuren. Ich denk mal schon, dass ich nicht<br />
studiere, sondern gleich ins Berufsleben einsteige.“ (Z. 28-31)<br />
Die detaillierte Aufschlüsselung der interventionsbezogenen Ergebnisse<br />
lässt bei den beiden ‚JobGalaxy’-Maßnahmen sowie dem Schnupperpraktikum<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’ eine Angleichung zwischen den vorausgesetzten<br />
Bildungsabschlüssen der im Schwerpunkt thematisierten Berufsbilder<br />
sowie der Berufswegplanung der Jugendlichen erkennen. Sofern Berufsausbildungen<br />
im Vordergrund standen, tendieren die Teilnehmenden<br />
nach Maßnahmebeendigung auch stärker zu einer solchen und gleichfalls<br />
ging die Vorstellung von Studiengängen mit einer Ausrichtung der Jugendlichen<br />
auf eine Hochschulausbildung einher. Dahingegen haben sich die<br />
Teilnehmer der ‚Schnupperlehre’ und des ‚Girls’Day’ [S] zu einer Kombination<br />
von Berufsausbildung mit Studium hinorientiert. Während die Befragten<br />
der ‚Schnupperlehre’ eine höhere Qualifizierung planen, suchen die des<br />
‚Girls’Day’ [S] offensichtlich nach einer andersgearteten Ausbildung. Der<br />
Datenlage nach zu urteilen, verließen die Mädchen und Jungen, die das<br />
Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’ nutzten, dieses zum Teil verunsicherter<br />
in Hinblick auf einen Berufsweg als vorher. Die beruflichen Pläne<br />
der Mädchen der zweiten ‚Girls’Day’-Intervention blieben relativ stabil (vgl.<br />
Anhang 17).<br />
235
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
9.5 Bislang genutzte Quellen beruflicher<br />
Orientierung und eingeschätzter<br />
Nutzen<br />
Wie oft und welche Quellen nutzen Jugendliche zur beruflichen Orientierung?<br />
Auf die Frage nach der Zahl der bereits unternommenen Aktivitäten<br />
vermerkte die Hälfte der Mädchen und Jungen der Interventions- und<br />
Kontrollgruppe innerhalb des Pretests vor dem Befragungszeitpunkt etwa<br />
drei- bis fünfmal aktiv geworden zu sein (vgl. Anhang 18). Die recht umfangreichen<br />
Anstrengungen erscheinen vor dem Hintergrund, dass sich ein<br />
Teil der Jugendlichen nach eigener Einschätzung noch nicht lange oder<br />
noch gar nicht mit der Berufswahl beschäftigt hat, wenig plausibel. Einerseits<br />
ist denkbar, dass die Jungen und Mädchen sozial erwünscht antworteten.<br />
Andererseits können die Antworten Ausdruck für die schulische Konsolidierung<br />
der Berufsorientierung sein (vgl. Kapitel 6.4.3). Dafür sprechen<br />
die Aussagen der Kontrollgruppe zum Stellenwert der Thematik im Zeitraum<br />
zwischen Pre- und Posttest. Nach dem Empfinden etwa der Hälfte<br />
der Schülerinnen und Schüler wurde die berufliche Orientierung sehr oder<br />
eher oft in der Schule angesprochen. Vor allem in den Vorabgangsklassen<br />
der Förder- und Mittelschule ist der Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt<br />
für sie immer wieder im Unterricht, aber auch außerunterrichtlich<br />
im Schulalltag präsent. Demgegenüber nahmen circa 70% der Gymnasiasten<br />
die berufliche Orientierung an ihrer Schule nur untergeordnet wahr<br />
(vgl. Tabelle 12).<br />
Nach Ansicht der Befragten der einzelnen Schultypen wurden vor allem in<br />
den Fächern Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales (67%) und Deutsch<br />
(56%), aber auch in Englisch (19%), in Gemeinschaftskunde (17%), in Informatik<br />
(16%) und in Ethik (14%) berufsorientierende Themen aufgegriffen.<br />
Dies spricht für eine Verankerung im Unterricht, reizt die Bezugspunkte,<br />
die das Querschnittsthema hat, aber nicht aus. Mehrheitlich brachten die<br />
Jugendlichen der einzelnen Schultypen den Wunsch nach einer intensiveren<br />
beruflichen Orientierung zum Ausdruck. Untersetzend anzuführen sind die<br />
Aussagen: „Es gab nur sehr wenig Möglichkeiten und Angebote, sich zu informieren.“<br />
(Gymnasiastin, 11. Kursstufe, KGPost), „Die Berufswahl hat<br />
keine Rolle gespielt, nicht so, dass es mir wirklich bewusst war.“ (Gymnasiastin,<br />
11. Kursstufe, KGPost), und „Dass dieses Thema so kurz, nicht so<br />
ausführlich behandelt wurde, obwohl es ja sehr wichtig ist.“ (Mittelschülerin,<br />
10. Klasse, KGPost). Demgegenüber bemängeln die Mädchen und<br />
Jungen auch, dass „alles zwanzigmal durchgekaut wurde“ (Mittelschülerin,<br />
236
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
9. Klasse, KGPost).und sie z. B. in mehreren Fächern Bewerbungen übten.<br />
Kritik findet zudem die überwiegend theoretische Stoffvermittlung, ‚das<br />
viele Erzählen’, ‚das viele Schreiben’, ‚die vielen Unterlagen’. Jeder zweite<br />
Befragte der Kontrollgruppe sieht Bedarf an mehr Einblicken in die Praxis.<br />
In einigen Fällen fanden das Engagement und die Unterstützung der Lehrkräfte<br />
im Orientierungsprozess eine Hervorhebung. So antwortete ein<br />
Schüler auf die offen gestellte Frage, was ihm an der schulischen Berufsorientierung<br />
besonders gefallen hat: „Das uns klar gemacht wurde, dass wir<br />
nicht mehr so viel Zeit haben und dass es unser Leben ist.“ (Mittelschüler,<br />
10. Klasse, KGPost). Dennoch schätzten alles in allem lediglich 54% der<br />
Schülerinnen und Schüler ihre Lehrerinnen und Lehrer als kompetente Ansprechpartnerinnen<br />
und -partner ein. Trotz der Kritikpunkte bewerteten<br />
etwa 90% der Jugendlichen, die einen Hauptschulabschluss anstreben, die<br />
schulische Berufsorientierung insgesamt als zufriedenstellend. Bei den<br />
Schülerinnen, die die Schule mit dem Realschulabschluss verlassen wollen,<br />
sind es rund 80% und bei den Gymnasiasten 36%. Damit findet die in<br />
Kapitel 6.4.2 beschriebene Situation zur Berufsorientierung an Gymnasien<br />
eine deutliche empirische Untermauerung. Die zum Teil noch unzureichende<br />
Offenheit und Ausgestaltung der Berufsorientierung im gymnasialen<br />
Bereich erfährt aus subjektiver Sicht der Schülerschaft Bestätigung.<br />
Tabelle 12: Zwischen Pre- und Posttest durch die Jugendlichen in der Kontrollgruppe wahrgenommene<br />
Häufigkeit der Thematisierung der beruflichen Orientierung im Unterricht<br />
(Angaben in %) 98<br />
Teilgruppen Berufsorientierung war Unterrichtsthema<br />
sehr eher eher gar weiß n<br />
oft oft nicht nicht nicht<br />
oft oft<br />
Kontrollgruppe gesamt 8 39 29 17 7 137<br />
Geschlecht<br />
weiblich<br />
männlich<br />
8<br />
7<br />
35<br />
43<br />
29<br />
29<br />
22<br />
11<br />
5<br />
9<br />
130<br />
107<br />
Angestrebter<br />
Schulabschluss<br />
HSA<br />
RSA<br />
HSR<br />
8<br />
12<br />
2<br />
64<br />
46<br />
23<br />
16<br />
29<br />
34<br />
4<br />
5<br />
35<br />
8<br />
8<br />
6<br />
25<br />
117<br />
93<br />
8. Klasse 13 47 25 7 8 60<br />
Klassenstufe<br />
9. Klasse<br />
10. Klasse<br />
7<br />
6<br />
41<br />
36<br />
29<br />
30<br />
17<br />
20<br />
7<br />
8<br />
76<br />
86<br />
11. Klasse 13 40 47 15<br />
98 Der Fragenkomplex richtete sich ausschließlich an Jugendliche der Kontrollgruppe. Für die Interventionsteilnehmer<br />
liegen keine Daten vor (vgl. Fragebögen im Anhang 7 f.).<br />
237
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Rückblickend auf die eingangs des Kapitels formulierte Frage nach der<br />
Nutzung von Orientierungsangeboten in der Vergangenheit ist zu konstatieren,<br />
dass sich die Jugendlichen in der Interventionsgruppe insgesamt eine<br />
Nuance aktiver geben. Hier zeigt sich eine Konformität zur gleichfalls etwas<br />
intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema Berufswahl bei dieser<br />
Teilgruppe (vgl. Tabelle 11). Hinsichtlich der genutzten Quellen für die<br />
berufliche Exploration können aufgrund der formulierten Fragestellung<br />
keine konkreten Aussagen über die Anzahl von Schülerinnen und Schülern<br />
getroffen werden, von denen einzelne Orientierungsmöglichkeiten wahrgenommen<br />
wurden. Innerhalb der Fragestellung wurden die Punkte ‚Wahrnehmung<br />
von Orientierungsangeboten’ und ‚Bewertung des Nutzens’ in<br />
einer Frage verknüpft, was den Jugendlichen Schwierigkeiten bei Antworten<br />
bereitete. Die Jugendlichen beurteilten Maßnahmen auch dann, wenn<br />
sie diese nicht nutzten. Deutlich wird dies an der Antwortvorgabe ‚Teilnahme<br />
am Girls’Day’. Wenngleich sich der Aktionstag ausschließlich an<br />
Mädchen richtet, äußerten sich Jungen zur Dienlichkeit des Angebotes für<br />
die berufliche Orientierung. Ebenso gaben Jugendliche, die den Abschluss<br />
der Förderschule oder einen (qualifizierenden) Hauptschulabschluss anstreben<br />
Auskunft, wie hilfreich die ‚Teilnahme am ‚Schnupperstudium’ an<br />
Hochschulen’ ist. Aus der Antwortbeteiligung lassen sich so lediglich Tendenzen<br />
im Nutzungsverhalten ablesen. Es wird daher ein Überblick zur generellen<br />
Einschätzung von Angeboten gegeben, unabhängig davon, welche<br />
bzw. ob bei den Jugendlichen individuelle Erfahrungen vorliegen oder<br />
nicht.<br />
Besonders oft gaben die befragten Jugendlichen der Interventions- und<br />
Kontrollgruppe Auskunft zur ‚Sammlung von Informationen über Ausbildungsbetriebe<br />
und Hochschulen’ zur ‚Besichtigung der Arbeitsplätze meiner<br />
Eltern’, zur ‚Durchführung des Betriebspraktikums’ sowie zur ‚Ratsuche<br />
bei meiner Familie’ (vgl. Anhang 19). Es ist daher anzunehmen, dass<br />
die Schülerinnen und Schüler diese Aktivitäten auch am häufigsten realisierten.<br />
Bezugnehmend auf den Einfluss von Müttern und Vätern zeigen andere<br />
Studien adäquate Ergebnisse. Beispielsweise belegen die Leipziger Schulabsolventenstudien,<br />
dass Jugendliche in ihren Eltern, Verwandten und Bekannten<br />
die wichtigsten Ratgeber im Berufsorientierungsprozess sehen (vgl.<br />
Nowotnick, Voigt 2009, S. 18 f.; vgl. Hofsäss, Drinck 2010, S. 35). Nach<br />
der 16. Shell Jugendstudie hat sich die Bindung von Mädchen und Jungen<br />
zu ihren Elternhäusern in den letzten Jahren generell gefestigt. Mütter und<br />
Väter stehen nicht nur in Fragen zum Berufsweg zur Seite, sondern sind in<br />
allen Lebensfragen die wichtigsten Beraterinnen und Berater und gleichfalls<br />
die wesentlichsten Rollenvorbilder (vgl. Albert et al. 2010, S. 46).<br />
238
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Hinsichtlich des Betriebspraktikums untermauert dessen normative Einbettung<br />
eine höhere Antwortbeteiligung (vgl. 6.4.3.1). In deutlich geringerer<br />
Zahl liegen Antworten auf Orientierungsangebote, wie das ‚Schnupperstudium<br />
an Hochschulen’, die ‚Woche der offenen Unternehmen’ oder den<br />
‚Girls’Day’ vor, wohl auch, weil diese Maßnahmen, wenn sie sich nicht an<br />
spezifische Zielgruppen richteten, nicht durchgängig im sozialen Nahraum<br />
der Jugendlichen durchgeführt wurden und damit für diese möglicherweise<br />
schlichtweg unerreichbar waren. 15% der Schülerinnen und Schüler in der<br />
Interventionsgruppe und 16% in der Kontrollgruppe schrieben ergänzend<br />
zu den vorgegebenen Orientierungsmöglichkeiten zusätzliche Varianten,<br />
wie Arbeitsgemeinschaften, selbstorganisierte Praktika, Messen, Tage der<br />
offenen Tür, ehrenamtliche Tätigkeiten und das Internet nieder.<br />
Parallel zu den Ergebnissen des Pretests zeigt auch die Follow-up-<br />
Befragung, dass Jugendliche auf eine Vielfalt an Informationsquellen zurückgreifen.<br />
Trotz einer hohen Individualität in der Nutzung verfügbarer<br />
Unterstützungsoptionen findet die Rolle der Elternhäuser, unabhängig vom<br />
Alter und vom Schultyp der Befragten, erneut besondere Unterstreichung:<br />
Schülerin A (Freie Schule, 7. Klasse, ‚Girls’Day’ [S]):<br />
„Ja, also Hilfe finde ich eigentlich bei meinen Eltern oder wenn ich halt<br />
was über einen bestimmten Beruf wissen möchte, gucke ich halt auch im<br />
Internet oder in Büchern.“ (Z 102-104)<br />
Schülerin I (Gymnasium, 12. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Und ja, meine Eltern, überhaupt Freundeskreis, Verwandte, Familie,<br />
mit denen rede ich immer mal und lass mir auch Tipps geben. Auch<br />
Leute die studieren in meiner Umgebung, frag ich, wie das so ist und<br />
so.“ (Z. 160-162)<br />
Schülerin D (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Mhm, meine Mutti unterstützt mich sehr bei der Berufswahl und halt<br />
auch wegen Praktikum und so. Meine Lehrer, besonders die Frau Siegel,<br />
tu ich halt öfter ansprechen. In der Schule liegen auch ein paar Sachen<br />
aus, wo man sich selber informieren kann wegen Ausbildung und welche<br />
Berufe halt gerade gebraucht werden und welche Ausbildungen halt gut<br />
sind. Oder beim BiZ Berufsinformationszentrum. … [Da – Anm. d.<br />
Verf.] kann man im Internet halt bissl suchen.“ (Z. 156-161)<br />
Von der hier zuletzt zitierten Mittelschülerin wird neben der Familie als<br />
Ressource für Informationen, wie auch für die Kontrollgruppe bereits dargelegt,<br />
ebenso die Lehrerin als Unterstützungskomponente benannt. Trotz<br />
239
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
möglicher fachlicher Defizite wird das pädagogische Handeln von Lehrkräften<br />
bzw. die Schule im Allgemeinen durchgängig von den Schülerinnen<br />
und Schüler der Follow-up-Untersuchung als Hilfe angeführt:<br />
240<br />
Schüler B (Mittelschule, 8. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Wenn ich was wissen will, frag ich in der Schule die Lehrer. Und<br />
manchmal fragt man auch die Klassenkameraden, die dann auch bissl<br />
was wissen, was mich interessieren könnte.“ (Z. 144-146)<br />
Schülerin G (Mittelschule, 10. Klasse, ‚JobGalaxy’):<br />
„Also in der Schule lag immer mal so Material aus für einzelne Berufe<br />
und so, das hab ich eigentlich auch immer mitgenommen, also im Internet<br />
hab ich dann auch bissl nachgeguckt und sonst, mhm. … Wüßt ich<br />
jetzt ne.“ (Z.191-193)<br />
Schülerin C (Mittelschule, 9. Klasse, ‚Girls’Day’ [B]):<br />
„Na, also wir haben von der Schule aus, also eine Woche lang, in verschiedene<br />
Berufe reingeschaut, zum Beispiel jetzt als Kindergärtnerin.<br />
Und dann halt, in verschiedenen Schulen waren wir auch, zum Beispiel<br />
in der, ich weiß nicht wie sie heißt, das ist eine Schule, wo man jetzt<br />
Hotelfachfrau, Restaurantfachfrau und so lernen kann. Halt da verschiedene<br />
Sachen angeguckt. Und sonst, waren wir halt bei dem Girls’Day.<br />
Das war aber eine freiwillige Sache.“ (Z. 13-21)<br />
Die Resultate belegen das Bedürfnis der Jugendlichen nach Rat und Unterstützung,<br />
um für ihre berufliche Zukunft Entscheidungen treffen zu können.<br />
Eltern und Lehrkräfte sind nach den vorliegenden Ergebnissen Personen,<br />
die von Schülerinnen und Schülern herangezogen werden, um berufliche<br />
Optionen zu besprechen und den Berufsweg zu planen. Berufsorientierung<br />
ist demnach auch ein interaktiver Prozess (interaktionstheoretischer<br />
Ansatz der Berufswahl), der zwischen den Jugendlichen und Interaktionspartnern<br />
stattfindet und in den die Kenntnisse, Erfahrungen und Erwartungen<br />
der Konversanten einfließen (vgl. Ermert, Friedrich 1990, S. 16 f.).<br />
Doch wie bewerten sie die ihnen darüber hinaus zur Verfügung stehenden<br />
Informationsquellen? Besonderer Mehrwert wurde in der Interventions-<br />
und der Kontrollgruppe dem Betriebspraktikum, der Ratsuche bei der Familie,<br />
der Ferienarbeit und der Informationsrecherche, z. B. im Internet<br />
zugeschrieben (vgl. Abbildung 10).
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Abbildung 10: Einschätzung der Nützlichkeit von in der Vergangenheit genutzten Orientierungsmöglichkeiten<br />
durch die Jugendlichen in der Kontroll- und der Interventionsgruppe<br />
zum Zeitpunkt des Pretests 99<br />
Angaben in %<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
83<br />
79<br />
75<br />
71<br />
78 78<br />
Orientierungsmöglichkeiten<br />
83 81<br />
63<br />
56<br />
73 72<br />
88 86<br />
Informationssammlung<br />
Besichtigung U/H<br />
Ferienarbeit<br />
Ratsuche Familie<br />
Arbeitsplatz Eltern<br />
BIZ-Besuch<br />
Praktikum<br />
Schnupperpraktikum H<br />
WodoU<br />
GD<br />
Bewerbungstraining<br />
Die Summen der Antwortvorgaben ‚sehr hilfreich’ und ‚eher hilfreich’ ergeben<br />
bei diesen Orientierungsmöglichkeiten nahezu 80% oder mehr, wobei<br />
ausschließlich die Maßnahmen mit hoher Authentizität und Praxisausrichtung,<br />
das Praktikum und die Ferienarbeit, von etwa 50% der Jugendlichen<br />
als besonders nutzbringend empfunden wurden. Demgegenüber waren<br />
der Besuch des Arbeitsplatzes der Eltern, das ‚Schnupperstudium an<br />
Hochschulen’, die ‚Woche der offenen Unternehmen’ oder der ‚Girls’Day’<br />
vor allem aus Sicht der Befragten der Kontrollgruppen, deutlich weniger<br />
ergiebig.<br />
Aufgrund eigener guter Erfahrungen empfiehlt nur ein kleiner Teil der<br />
Jugendlichen ein Orientierungsangebot weiter. In der Interventionsgruppe<br />
gaben 25% der Mädchen und Jungen Auskunft zu einer vor der Erstbefragung<br />
genutzten Maßnahme, in der Kontrollgruppe sind es 18%. Die weiblichen<br />
Befragten sprechen etwas öfter Empfehlungen aus als die männlichen.<br />
Befürwortung finden in erster Linie Orientierungsangebote in Unternehmen<br />
und Hochschulen, wie ‚Tage der offenen Tür’ oder die ‚Woche<br />
der offenen Unternehmen’. Durch die Jugendlichen hervorgehoben wird<br />
zudem die Möglichkeit zur direkten Ansprache von Institutionenvertreterinnen<br />
und -vertretern sowie zur Informationsbeschaffung aus ‚erster<br />
Hand’. Eine Weiterempfehlung erhält auch das Berufsinformationszentrum<br />
der Agentur für Arbeit. Begründet wurde dies mit der verfügbaren Vielfalt<br />
99 In der Abbildung sind die Ergebnisse der Antwortvorgaben ‚sehr hilfreich’ und ‚eher hilfreich’<br />
zur Erhöhung der Übersichtlichkeit zusammengefasst aufgeführt. Aufgrund der sehr unterschiedlichen<br />
Antwortbeteiligung bezogen auf die Einzelitems ist an dieser Stelle keine gerundete<br />
durchschnittliche Fallzahl ausgewiesen.<br />
44<br />
70<br />
61<br />
79<br />
31<br />
66<br />
65<br />
76<br />
KG<br />
IG<br />
241
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
an Informationen zu Ausbildungen und der Form der Heranführung an die<br />
individuellen Interessensgebiete. Demgegenüber äußert sich eine in der<br />
Follow-up-Erhebung befragte Gymnasiastin über die Schulsprechstunde<br />
der Agentur für Arbeit weniger wohlwollend:<br />
242<br />
Schülerin I (Gymnasium, 12. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Über die Schule läuft sehr wenig, also momentan noch, ich weiß nicht,<br />
ob sich das noch ändert. Ein, zwei Gespräche mit jemandem vom Arbeitsamt.<br />
Also, mehr so Vorträge, wo wir drinne saßen, zugehört haben<br />
und am Ende rausgegangen sind und nicht mehr wussten als vorher.“<br />
(Z. 157-160)<br />
Einen positiveren Eindruck haben hingegen Messen und Praktika hinterlassen.<br />
Messen verschaffen nach Ansicht der Schülerinnen und Schüler einen<br />
guten Überblick über Berufsausbildungen, Studiengänge, Unternehmen<br />
und Hochschulen. Profitabel werden auch praktische Erfahrungen kombiniert<br />
mit elterlichem Rat, wie nachfolgend von einer Mittelschülerin und<br />
einem Gymnasiasten beschrieben, gesehen. Auf die Frage, wer bzw. was<br />
Einfluss auf die Entwicklung der beruflichen Pläne hatte, antworten sie:<br />
Schülerin C (Mittelschule, 9. Klasse, ‚Girls’Day’ [B]):<br />
„Ich sag mal viele Praktikas auf jeden Fall. Und ich denk mal auch meine<br />
Eltern, weil ich teilweise schon bei meinen Eltern in der Firma mitarbeite.“<br />
(Z. 39-40)<br />
Schüler H (Gymnasium, 11. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Ja, also erstmal mein Praktikum, denk ich. An der TU im Maschinenbau.<br />
Ja, hat mich schon ziemlich darin bestätigt, dass es [der Berufswunsch<br />
– Anm. d. Verf.] eigentlich eine ganz gute Wahl ist, auch so von<br />
der Vielfältigkeit her. Weil ich jetzt nicht so der Mensch bin, der sich auf<br />
einen Bereich spezialisieren kann direkt, sondern halt lieber ein möglichst<br />
breites Feld von den Naturwissenschaften mit dem was ich täglich<br />
mach integrieren möchte. Und zum anderen denke ich bisschen die Arbeit<br />
von meinen Eltern. Also, mein Vater ist auch Consultant und meine<br />
Mutter, naja Versicherungsvertreterin, ist ja auch so eine Art also kundennaher<br />
Beruf und mein Bruder ist jetzt auch in die Richtung und ich<br />
denke, grad so bisschen der Spagat zwischen einer Arbeit, die ziemlich<br />
regelmäßig ist, und viel auch Abwechslung beziehungsweise Kontakt mit<br />
verschiedenen Leuten, ist was, was mich doch ganz gut anspricht.“<br />
(Z. 44-52)<br />
Praktika erfahren auch von anderen Befragten Wertschätzung. Besonders<br />
hilfreich wurde bewertet, dass sie einen intensiven Einblick in Firmen und<br />
Tätigkeitsfelder gewährleisten. So bestätigen auch zwei Interviewteilnehmende,<br />
die sich für eine berufliche Laufbahn im Nahrungsmittelhandwerk<br />
begeistern:
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Schüler B (Mittelschule, 8. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Na, wir hatten jetzt, also kurz bevor das Schuljahr zu Ende war von der<br />
Schule das Praktikum. Das hab ich beim Bäcker, bei der Bäckerei gemacht.<br />
… Da konnte ich halt in eine richtige Bäckerei mit reingucken.<br />
Der Alltag ein bisschen, wie es bei denen ist.“ (Z. 136-137)<br />
Schülerin D (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Wir hatten [von der Schule aus – Anm. d. Verf.] zwei Wochen Projekt,<br />
Praktikum gehabt. Und da war ich in der Küche, also auch Richtung<br />
Nahrungsmittel und so. Da hab ich zwei Wochen in der Küche gearbeitet.<br />
… Das war für mich sehr wichtig. Ich hab sogar eine Lehrstelle angeboten<br />
bekommen. … Hat sehr viel Spaß gemacht. Und ich hab auch<br />
erfahren halt, man macht auch als Koch auch bissl wie Eis und so, ist<br />
auch bissl was mit Dekorieren etwas Kreatives. Auch also, auch ein bissl<br />
Richtung Konditor.“ (Z. 141-150)<br />
Zum Ausdruck kommt die Herausbildung berufsspezifischer Interessen<br />
aufgrund von Lernerfahrungen und Selbstbeobachtungen gemäß lerntheoretischer<br />
Ansätze der Berufswahl.<br />
9.6 Engagement für die berufliche<br />
Orientierung<br />
Ausgehend davon, dass sich der Großteil der Mädchen und Jungen in der<br />
Interventionsgruppe und der Kontrollgruppe bereits mit der Berufswahl<br />
beschäftigt und eine Reihe von Informations- und Beratungsangeboten genutzt<br />
hat, war zu erwarten, dass die Ergebnisse der Skala Berufswahlengagement<br />
gleichfalls die Bereitschaft der Jugendlichen zur Auseinandersetzung<br />
mit ihrer beruflichen Zukunft widerspiegeln. Um die Antworten der<br />
Jugendlichen auf negativ formulierte Aussagen, wie „Was meine Berufswahl<br />
angeht, so wird sich dies früher oder später von selbst ergeben.“ oder<br />
„Es ist für mich nicht so wichtig, für welchen Beruf/welches Studium ich<br />
mich entscheide, da ich später noch immer wechseln kann.“ auch mit weiteren<br />
Subskalen der Erhebung vergleichen zu können, wurden die Items<br />
für die nachfolgenden Auswertungen gegensinnig belegt und umkodiert.<br />
Die Mittelwertberechnungen zeigen, dass den Aussagen, welche auf die Bereitschaft<br />
zur Auseinandersetzung mit der Berufswahl abzielen, in den Untersuchungsgruppen<br />
erwartungsgemäß eher zugestimmt wird (�IG-Pre =<br />
243
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
3,30; �IG-Post = 3,05; �KG-Pre = 3,37; �KG-Post = 3,28; vgl. Anhang 20). Im Pretest<br />
ist die Bereitschaft zur Beschäftigung mit der Berufswahl bei den Jugendlichen,<br />
welche die Orientierungsmaßnahme ‚JobGalaxy Future’ nutzen<br />
am ausgeprägtesten (�IG-Pre = 3,52) und alleinig höher als in der Kontrollgruppe.<br />
Während die Mädchen, die ausschließlich von der schulischen Berufsorientierung<br />
profitierten, ein höheres Engagement offenbaren als die<br />
Jungen, sind die Ergebnisse innerhalb der Interventionen, bei denen beide<br />
Geschlechter in die Untersuchung einbezogen werden konnten, konträr.<br />
Die generell geringste Zustimmung zu den Aussagen der Skala zum Berufswahlengagement<br />
geben die Mädchen in der ‚Schnupperlehre’ (�IG-Pre =<br />
2,68). Die Bedeutung, die der Berufswahlentscheidung beigemessen wird<br />
und der Eifer, in die Berufsorientierung zu investieren, sinkt vom Pretest<br />
zum Posttest bei den Schülerinnen und Schülern der Kontrollgruppe<br />
(-0,09) und der Mehrzahl der Interventionen. Ausschließlich der ‚Girls’Day’<br />
[B] (+0,31) wirkt bestärkend auf das berufliche Engagement seiner Teilnehmerinnen.<br />
Die deskriptiv erkennbaren unterschiedlichen Entwicklungen finden in der<br />
durchgeführten zweifaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholungsfaktor<br />
ihre Bestätigung, sofern von inhomogenen Varianzen zum Zeitpunkt<br />
des Posttests abgesehen wird. Der Interaktionseffekt besitzt eine sehr hohe<br />
Signifikanz (p = 0,000). Bei Absenken des Signifikanzniveaus aufgrund der<br />
Varianzinhomogenität wird das strengere 1%-Niveau erreicht. 100 Der statistisch<br />
bedeutsame Unterschied wird jedoch durch seine niedrige Effektstärke<br />
relativiert. Die Interaktion von Gruppen- und Zeitfaktor klärt rund<br />
11% der Varianz auf. 101 Zusammenfassend ist demnach zu konstatieren,<br />
dass die Mehrzahl der befragten Jugendlichen zwischen den Messzeitpunkten<br />
an Berufswahlengagement verlor, Ursachen aber nur in geringem Maße in<br />
der Teilnahme an einer Orientierungsmaßnahme zu suchen sind. Welche<br />
Faktoren sind dann maßgeblich dafür, dass die Mädchen und Jungen der<br />
anstehenden Berufswahl mit mehr Gleichgültigkeit gegenübertreten? Im<br />
Rahmen der Follow-up-Befragung wurden von mehreren Jugendlichen<br />
zeitliche Aspekte zur Erklärung ihres individuellen Standes und Engagements<br />
im Berufsorientierungsprozess herangezogen. Mangelnde zeitliche<br />
Ressourcen hinderten zum einen an der Teilnahme an Einzelterminen von<br />
Interventionen, wie eine Gymnasiastin beschreibt:<br />
100 Im Posttest liegt die Signifikanz bei pPost = 0,001. Im Pretest zeigt der Levene Test auf Gleichheit<br />
der Fehlervarianzen in den Gruppen heterogene Varianzen, die deutlich nicht signifikant<br />
sind (pPre = 0,356).<br />
101 Während die Zugehörigkeit zu einer der Untersuchungsgruppen (unter Abstraktion vom Zeitraum<br />
zwischen Pre- und Posttest betrachtet) 7% der Varianz aufklärt und mit p = 0,001 signifikant<br />
ist, verantwortet der Zeiteffekt (unter Absehung von der Differenzierung der Gruppen) unter<br />
2% der Gesamtvarianz und ist auf dem 5%-Niveau signifikant.<br />
244
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Schülerin I (Gymnasium, 12. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Es gab dann, zwei Termine …, da hatte ich aber beide Male keine Zeit.<br />
Da war ich nicht da, oder so, also konnte das nicht wahrnehmen.“<br />
(Z. 15-17)<br />
Zum anderen spielen Zeitaspekte auch bezogen auf Bewerbungen eine Rolle.<br />
So antworteten eine Mittelschülerin und ein Mittelschüler auf die Frage,<br />
ob sie sich bereits für eine Berufsausbildung beworben haben:<br />
Schülerin C (Mittelschule, 9. Klasse, ‚Girls’Day’ [B]):<br />
„Zur Zeit nicht, weil, ja weil ich keine direkte Ausbildung jetzt machen<br />
will, sondern eher so ein BGJ oder so ähnlich und ja, das wollte ich jetzt<br />
so in den Ferien machen.“ (Z. 51-53)<br />
Schüler E (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’):<br />
„Das werd ich diese Ferien noch angehen. Aber ich hatte schon ein<br />
Praktikum, wie gesagt bei der CVAG und bei Autoteile Unger auch<br />
noch.“ (Z. 49-50)<br />
In Zusammenhang mit zeitlichen Aspekten nicht zu vernachlässigen ist<br />
darüber hinaus eine möglicherweise durch die Interventionen vermittelte<br />
Einsicht, dass in der jeweils aktuellen Phase der Berufsorientierung jeder/jedes<br />
Einzelnen schlichtweg nicht der richtige Zeitpunkt ist, um aktiver<br />
zu werden. Dies trifft vor allem zu, wenn bei den Jugendlichen klare Vorstellungen<br />
zum beruflichen Weg existieren, wie in der folgenden Aussage<br />
eines Teilnehmers, der seinen Zivildienst bzw. ein Freiwilligenjahr im Ausland<br />
und im Anschluss ein Studium plant, zum Ausdruck kommt:<br />
Schüler H (Gymnasium, 11. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Studium geht ja erst mit dem Zeugnis Zwölfte. Also wäre dann<br />
nächstes Jahr erst. … Bewerbung für das freiwillige soziale Jahr läuft<br />
schon. Hab ich auch schon fertig. … Ist halt noch nicht so weit fortgeschritten,<br />
dass sie jetzt schon direkt die Plätze verteilen.“(Z. 61-63)<br />
Wie bereits festgestellt, löst die intensive Auseinandersetzung mit Fragen<br />
der Berufswahl nicht zwangsläufig die von Ermert und Friedrich beschriebene<br />
‚produktive Verunsicherung’ aus (vgl. Ermert, Friedrich 1990, S. 33;<br />
vgl. Kapitel 2.2), sondern mitunter Lethargie und Motivationsprobleme.<br />
Auch eine Resignation oder eine Übersättigung mit berufsorientierenden<br />
Themen könnten demnach die Ursache für ein verringertes Berufswahlengagement<br />
sein. Eine Gymnasiastin meint in der Follow-up-Erhebung in<br />
diesem Kontext:<br />
245
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
246<br />
Schülerin I (Gymnasium, 12. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Also, ich habe zu Hause den dicken Studienführer liegen und ich habe<br />
auch zu Hause so ein Heft übers FSJ, aber ich hab in beides noch nicht<br />
wirklich reingeguckt. Mir fehlt der Elan.“ (Z. 53-55)<br />
Die junge Frau plant, im Anschluss an ein Freiwilligenjahr zu studieren.<br />
Ihre Wunschstudiengänge sind vielseitig und reichen von Rechtswissenschaften<br />
über Psychologie bis zum Schauspiel. Jedoch verbindet sie jeden<br />
Studiengang mit einer Reihe von Bedenken und Zweifeln. Offenbar besteht<br />
für sie im Sinne differenzialpsychologischer Berufswahltheorien die Herausforderung,<br />
persönliche Eigenschaften Merkmalen von Berufe zuzuordnen<br />
und unter dem Aspekt einer langfristigen Berufslaufbahnplanung eine<br />
sinnvolle Entscheidung zu treffen.<br />
Schülerin I (Gymnasium, 12. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Naja, ich bin, ich hab immer son bisschen Angst […] Also, es interessiert<br />
mich schon einiges, aber zum Beispiel Jura, wird immer gesagt, ist<br />
sehr trocken und ich brauch eigentlich immer ein bisschen Power oder<br />
so. Schauspiel denk ich nicht, dass ich da das so weit bringe, dass ich<br />
richtig damit was anfangen kann und für mein Leben lang. Und naja,<br />
Psychologie interessiert mich eigentlich auch, aber ich weiß, dass ich jemand<br />
bin, ders mit nach Haus nimmt, also könnte ich es eigentlich rein<br />
theoretisch auch nicht machen.“ (Z. 29-35)<br />
Vor dem Hintergrund dieses Beispiels wird im Kapitel 9.9 überprüft, inwiefern<br />
zwischen der Sicherheit und Entschiedenheit im Orientierungsprozess sowie<br />
dem Berufswahlengagement eine Wechselbeziehung besteht.<br />
9.7 Berufswahlbezogene Wertorientierungen<br />
und Einstellungen<br />
Für die Berufswahl sind den Jugendlichen zum Zeitpunkt des Pretests und<br />
des Posttests vor allen Dingen ein geringes Risiko der Arbeitslosigkeit sowie<br />
eine gute Bezahlung wichtig. Die beruflichen Möglichkeiten erfahren<br />
demnach, wie es allokationstheoretische Ansätze implizieren, durch ökonomische<br />
Einflüsse eine Einschränkung. Etwa 90% 102 der Jugendlichen in<br />
der Interventions- und in der Kontrollgruppe stimmen diesen Kriterien für<br />
die Berufswahl zu (vgl. Anhang 21). Die schlechte wirtschaftliche Lage und<br />
die eigene finanzielle Unabhängigkeit stellen demnach die Hauptsorgen un-<br />
102 Integriert sind hier die Antworten auf die Merkmalsausprägungen ‚stimmt eher’ und ‚stimmt<br />
genau’.
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
ter den Mädchen und Jungen dar, die sie mit vielen Gleichaltrigen teilen<br />
(vgl. Leven et al. 2010, S. 117). In diesen Faktoren kommt ein starkes Bedürfnis<br />
nach Sicherheit zum Ausdruck. Dahinter stehen der Nutzen des<br />
Berufes für die Gesellschaft, Anerkennung und Achtung im Beruf sowie<br />
der Wunsch nach Aufstieg und Karriere etwas zurück, werden aber noch<br />
von wenigstens 70% der Jugendlichen als wichtig erachtet. Ein differenzierter<br />
Blick auf die Interventionsgruppen zeigt, dass die Einstellungen der Jugendlichen<br />
gegenüber diesen berufsbezogenen Kriterien außer im Schnupperpraktikum<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’ zum Teil größeren Schwankungen unterlagen,<br />
wobei deren Richtung von Maßnahme zu Maßnahme verschieden<br />
ist. Die Schülerinnen und Schüler sind demnach in ihren Werteorientierungen<br />
flexibel und zeigen sich gegenüber Impulsen von außen offen. Die geschlechterspezifische<br />
Betrachtung lässt besonders starke Veränderungen<br />
bei der Karriereorientierung der Interventionsteilnehmerinnen erkennen.<br />
Der Wunsch nach Aufstieg verringerte sich zwischen den Befragungszeitpunkten<br />
deutlich (-15%). Denkbar ist, dass die Interventionen bei den<br />
jungen Frauen den Eindruck hinterlassen haben, Beruf und Familie lassen<br />
sich in den vorgestellten Ausbildungsberufen bzw. Studiengängen nicht<br />
vereinbaren. Kinder bedeuten offensichtlich für sie, nicht aber für die<br />
männlichen Gleichaltrigen, ein Karrierehindernis, und eben dies wird von<br />
ihnen antizipiert, was wiederum für Allokationsprozesse spricht. Bestätigt<br />
wird diese Annahme im Follow-up-Interview mit einer Interventionsteilnehmerin,<br />
die ihre Ansprüche an eine Ausbildung so beschreibt:<br />
Schülerin D (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Erstens es muss Spaß machen. Also ich muss auch nach einem Jahr<br />
Ausbildung immer noch Spaß an dem Beruf haben, und auch gerne machen.<br />
Und körperliche Belastung, also es darf halt mich nicht kaputt machen<br />
der Beruf. Ich möchte auch Zeit haben für Familie oder wenn ich<br />
halt Familie gründen will, Familie, für Freunde, Freundeskreis Zeit haben.<br />
Und so als Koch hat man am Wochenende keine Zeit. Hab ich<br />
auch gemerkt. Ich hab zwei Wochen habe ich Praktikum gemacht in der<br />
Küche.“ (Z. 43-48)<br />
Signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen sind bei<br />
den aufstiegs-, sicherheits- und gesellschaftsbezogenen Kriterien ‚Aufstieg<br />
und Karriere’, ‚Nutzen für Gesellschaft’, ‚gute Bezahlung’, etc. jedoch lediglich<br />
bezogen auf Veränderungen in der Einstellung zum Item „Mein<br />
Beruf soll ein geringes Risiko haben, dass ich arbeitslos werde.“ zu finden<br />
(p = 0,012). Die nach schließender Statistik stärksten Veränderungen in der<br />
Zustimmung zur genannten Aussage weisen das Schnupperpraktikum<br />
247
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
‚Konditorei/Verkauf’ (MRIG = 174) und der ‚Girls’Day’ [S] (MRIG = 168)<br />
auf. Die Kontrollgruppe folgt mit einem mittleren Rangplatz von MRKG =<br />
147 (vgl. Anhang 22). 103<br />
Neben den genannten aufstiegs-, sicherheits- und gesellschaftsbezogenen<br />
Einstellungen wurden mit weiteren Fragen die geschlechtstypische Orientierung<br />
bei der Berufswahl sowie die Akzeptanz von Gleichstellung, d. h.<br />
die Einstellung zum Verhältnis zwischen Geschlecht und Berufswelt ermittelt.<br />
Zu den beiden Messzeitpunkten zeichnet sich eine relativ homogene<br />
Beantwortung der Fragen zur Thematik der Gleichstellung als auch der<br />
Geschlechtsorientierung durch die Jugendlichen in der Interventions- und<br />
der Kontrollgruppe ab. Items, in denen Gleichstellung bejaht und Geschlechtsorientierung<br />
verneint wird, finden Zustimmung durch die Schülerschaft,<br />
währenddessen traditionelle Denkweisen in Bezug auf die beiden<br />
Aspekte abgelehnt werden. Beachtenswert ist jedoch, dass sich diese Negierung<br />
vom Pretest zum Posttest bei einzelnen Fragen verringerte und die<br />
Jugendlichen sich stärker mit der Geschlechtsorientierung vereinbarten<br />
bzw. Gleichstellung nicht mehr in gleicher Weise für sich interpretierten.<br />
So wurde den Items „Ich finde, dass Frauen einen Beruf wählen sollten, in<br />
dem viele Frauen arbeiten. Männer sollten hingegen Berufe wählen, die<br />
überwiegend von Männern ausgeübt werden.“ und „Ich denke, für einen<br />
Mann ist beruflicher Erfolg wichtiger als für eine Frau.“ deutlich stärker<br />
und maßgeblich, aber nicht nur, von Jungen zugestimmt. Hervorzuheben<br />
ist hier das Orientierungsangebot ‚Schnupperlehre’, bei dem die Bestätigung<br />
der beiden Aussagen um bis zu 60% stieg.<br />
Mögliche Ursachen für die Einstellungsänderungen könnten in der Dominanz<br />
von männlichen Auszubildenden und Ausbildern in den Orientierungsmaßnahmen,<br />
die im technischen Bereich angesiedelt waren, zu suchen<br />
sein. Die institutionellen Bedingungen unter denen die Interventionen stattfinden,<br />
spiegeln ein traditionelles Rollenverständnis wider, an dem sich die<br />
103 Bei der Berechnung der Differenzwerte und der Durchführung des Kruskal-Wallis-Tests wurden<br />
nur Interventionen mit wenigstens acht Fällen einbezogen. Bei Berücksichtigung nur der Interventionen<br />
mit einer Fallzahl höher 15, erhöht sich die Signifikanz auf p < 0,002. Beim eingesetzten<br />
Berechnungsmodell unberücksichtigt bleiben die Niveauunterschiede, die schon zum<br />
Zeitpunkt des Pretests in den Untersuchungsgruppen bestanden. Alle Antwortvorgaben der<br />
ordinalskalierten Skala von ‚stimmt genau’ bis ‚stimmt nicht’ einbezogen, haben die mittleren<br />
Rangplätze der Gruppen eine Spannweite von MRIG = 92 bis MRIG = 174. Die Ergebnisse der<br />
Analyse der Häufigkeiten und des Kruskal-Wallis-Tests der Differenzwerte zwischen den Messzeitpunkten<br />
sind nicht vergleichbar, da im ersten Fall zum einen die Antwortmöglichkeiten<br />
‚stimmt genau’ und ‚stimmt eher’ zusammengefasst wiedergegeben sind. Änderungen im Antwortverhalten<br />
bei diesen beiden Niveaustufen sind demnach nicht ablesbar. Zum anderen sind<br />
ablehnende Meinungsäußerungen nicht abgebildet. Beides findet aber im zweiten Fall Beachtung.<br />
248
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Jungen und Mädchen im Ergebnis sozialer Lernprozesse oder von Allokation<br />
möglicherweise bewusst oder unbewusst orientieren. Gegenüber den<br />
Aussagen „Ich finde, dass Frauen einen Beruf wählen sollten, in dem viele<br />
Frauen arbeiten. Männer sollten hingegen Berufe wählen, die überwiegend<br />
von Männern ausgeübt werden.“ und „Ich denke, für einen Mann ist beruflicher<br />
Erfolg wichtiger als für eine Frau.“ integrierten andere Items Positionen,<br />
die eher als Option, denn als Verbindlichkeit formuliert waren (z. B.<br />
„Frauen sollten auch traditionell männliche Berufe wie z. B. Ingenieur oder<br />
Informatiker wählen.“). Es lässt sich mutmaßen, dass die Jugendlichen<br />
Gleichstellung zwar akzeptieren und generell nichts gegen die ‚Ausnahme<br />
von der Regel’ einzuwenden haben, letztendlich aber dennoch zum klassischen<br />
Weg tendieren. Selbst dann, wenn Jugendliche bereits vor der Teilnahme<br />
an einer Intervention eigene Erfahrungen in frauen- bzw. männeruntypischen<br />
Berufsfeldern sammeln konnten und die Intervention als Bestärkung<br />
erleben, einen geschlechtsuntypischen Beruf zu wählen, wird eine<br />
mit dem Rollenbild in Konformität stehende Alternative mitgedacht. So<br />
meint ein Mädchen in der Follow-up-Befragung, die am ‚Girls’Day’ [B]<br />
teilnahm:<br />
Schülerin C (Mittelschule, 9. Klasse, ‚Girls’Day’ [B]):<br />
„Naja, ich sag mal durch die Teilnahme bei dem Girls’Day ist halt mehr<br />
der Beruf KFZ-Mechatronikerin in den Vordergrund gerutscht. Ja, aber<br />
warum sollen Mädchen nicht so einen Beruf machen, wie Männer zum<br />
Beispiel? Also ich finds, ich finds richtig.“ (Z. 103-106)<br />
„Viele … getrauen sich ja auch nicht so einen Männerberuf zu machen.<br />
Aber dort [beim ‚Girls’Day’ – Anm. d. Verf.] haben sie ja gesagt, das es<br />
was Normales ist und von daher denk ich auch mal, so, dass es nichts<br />
Schlimmes sein sollte, wenn man da halt als Mädchen, irgendwo arbeitet<br />
… Ja, also ich fand es sehr motivierend.“ (Z. 132-136)<br />
„Ich hab schon vorher [vor der Teilnahme am ‚Girls’Day’ – Anm. d.<br />
Verf.] immer so gedacht, so technisch. Weil meine Eltern haben eine<br />
Firma und seit meinem siebenten Lebensjahr mach ich da halt mit immer.<br />
Und ja, ich fand das schon vorher total genial. Ja, aber halt es wurde<br />
immer drauf eingeredet: Du als Mädchen, das geht doch nicht. Und<br />
[da] ab ich gesagt, ne es geht doch. Und ja es geht eben. Ja, ich find es<br />
nichts Schlimmes und es ist ein Beruf wie Friseuse oder was weiß ich.<br />
Beruf ist Beruf.“ (Z. 179-184)<br />
Zum Zeitpunkt des Interviews schwankt die Schülerin zwischen einer<br />
technischen und einer erzieherischen Berufsausbildung, was letztendlich<br />
wohl auch aus den von ihr so prägnant zum Ausdruck gebrachten Interaktionsprozessen<br />
mit ihrem sozialen Umfeld resultiert. Es zeigt sich, dass das<br />
249
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Wissen um die eigenen Fähigkeiten gepaart mit der Unterstützung bzw.<br />
Toleranz durch die Familie, durch Gleichaltrige und im weiteren Beziehungsgefüge<br />
eine wesentliche Rolle spielen, wenn es darum geht, die Orientierung<br />
auf eine Ausbildung oder ein Berufsfeld aufrecht zu erhalten und<br />
umzusetzen. Gerade eine geschlechtsuntypische Berufswahl kann enormen<br />
sozialen Druck nach sich ziehen, sowohl dem Beruf, als auch dem Geschlecht<br />
gerecht zu werden. Um innere Konflikte zu vermeiden ist einerseits<br />
die eigene Geschlechterrolleneinstellung, als auch die Einstellung des<br />
sozialen Umfeldes wichtig (vgl. Sobiraj et al. 2010, S. 136 f.). Fördernd ist<br />
daher, wie das Beispiel belegt, wenn Modelle moderner Berufstätigkeit von<br />
Frauen und Männern nicht als Besonderheit, sondern als ‚Normalität’ und<br />
Selbstverständlichkeit Integration in didaktisches Handeln im Feld der Berufsorientierung<br />
und generell in den pädagogischen Alltag finden. Parallel<br />
ist die Konstanz und ‚Robustheit’ geschlechtsspezifischer Berufsorientierungen<br />
im Blick zu behalten, denn sie verweist auf eine Tiefendimension<br />
kultureller Leitbilder und sozialisatorischer Prägung, die im Widerspruch zu<br />
vordergründigem pädagogischen Steuerungsillusionen steht.<br />
Es ist zu resümieren, dass die Orientierungsmaßnahmen Änderungen in<br />
den geschlechts- und gleichstellungsorientierten Einstellungen bewirkten,<br />
wiewohl diese nicht zwingend mit den eigentlichen Intentionen der Interventionen<br />
in Konformität stehen. Neben den deskriptiven Auswertungen<br />
belegt der Kruskal-Wallis-Test der Differenzwerte signifikante Unterschiede<br />
zwischen den Untersuchungsgruppen bezogen auf Einstellungsänderungen<br />
bei fünf der sieben Items zur Gleichstellung und Geschlechtsorientierung.<br />
Auffällig sind hierbei die ‚Schnupperlehre’ und der ‚Girls’Day’ [B].<br />
Wie die tabellarische Übersicht im Anhang 22 wiedergibt, besitzen die beiden<br />
Interventionen abwechselnd den höchsten bzw. niedrigsten Wert, d. h.<br />
sie weisen die stärkste Stabilität oder Veränderung auf. Jedoch ist zu beachten,<br />
dass bei einem hohen Ausgangsniveau der Zustimmung zu den einzelnen<br />
Items im Pretest nur wenig Spielraum für Steigerungsmöglichkeiten im<br />
Posttest (und damit hohe mittlere Rangplätze) bestehen.<br />
Ergänzend zu den dargelegten Kriterien wurde mit der Skala Selbstverwirklichung<br />
das Streben nach sinnstiftenden Tätigkeiten und nach Umsetzung<br />
von familiären und freizeitbezogenen Interessen thematisiert. An den Mittelwerten<br />
der Interventionsgruppe und der Kontrollgruppe im Pretest und<br />
im Posttest ist abzulesen, dass der Wunsch nach Selbstverwirklichung bei<br />
den Jugendlichen ausgeprägt ist (vgl. Anhang 23). Die Werte verringerten<br />
sich zwischen den Messzeitpunkten geringfügig (IG: - 0,07; KG: - 0,04).<br />
Die Unterschiede zwischen den Interventionsgruppen sind gering. Rein deskriptiv<br />
gesehen, sind voneinander abweichende Entwicklungen in den Un-<br />
250
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
tersuchungsgruppen erkennbar. Die Ergebnisse der zweifaktoriellen Varianzanalyse<br />
mit Messwiederholungsfaktor zeigen jedoch, dass die Differenzen<br />
zwischen den Gruppen, der Zeiteffekt, wie auch die Interaktion zwischen<br />
den Gruppen und dem Faktor Zeit nur maximal 3,5% der Varianz<br />
aufklären und jeweils nicht signifikant sind. Die Mittelwertunterschiede<br />
können demnach das Resultat von Zufallsschwankungen statt der Interventionen<br />
sein.<br />
9.8 Interesse an Berufsfeldern und<br />
Ausbildungswünsche<br />
Innerhalb des Pretests wurde auch das Interesse der Schülerinnen und<br />
Schüler an verschiedenen Berufsfeldern erfragt. Die insgesamt 27 vorgegebenen<br />
Bereiche sind in den Interventionsgruppen und der Kontrollgruppe<br />
heterogen aufgenommen worden. Während die Mädchen insbesondere die<br />
Berufsfelder ‚Musik, Bewegung, Sport’, ‚Nahrung’ und ‚Gastronomie’ präferierten,<br />
zielte die Wissbegierde der Jungen auf die Gebiete ‚Informatik’<br />
und ‚Metall, Maschinen’. In Gegenüberstellung der durch die Interventionen<br />
vorrangig thematisierten Berufsbereiche und die Interessenschwerpunkte<br />
der Teilnehmenden der Orientierungsangebote zeigen sich nur teilweise<br />
Übereinstimmungen. Lediglich bei den Schnupperpraktika ‚Kraftfahrzeugtechnik’<br />
und ‚Konditorei/Verkauf’ äußern beide Geschlechter ein<br />
mehrheitliches Interesse an adäquaten Berufsbereichen, wie ‚Fahrzeuge’<br />
und ‚Nahrung’. Bei der ‚Schnupperlehre’ interessierten sich die Jungen für<br />
die Berufsfelder ‚Elektrotechnik’ und ‚Metall, Maschinen’ also jene, die mit<br />
dem inhaltlichen Fokus der Intervention auf metalltechnische und elektrotechnische<br />
Berufe konform gehen (vgl. Anhang 24). Dahingegen bestand<br />
von Seiten beider Geschlechter geringes Interesse an den ebenfalls in das<br />
Orientierungsangebot integrierten Informationen zu Berufen der ‚Planung,<br />
Konstruktion’ sowie ‚Verwaltung, Wirtschaft’. Die bevorzugten Berufsbereiche<br />
weisen darauf hin, dass eine Annäherung von Mädchen an männerdominierte<br />
und von Jungen an frauendominierte Berufe noch wenig realisiert<br />
ist. Fraglich ist, ob die Jugendlichen tatsächlich Orientierungsmaßnahmen<br />
besuchen, welche inhaltlich auf Berufsfelder abzielen, für die sie<br />
nicht begeistern, oder ob einzelne Berufsfelder nur deshalb in den Antworten<br />
keine Berück-sichtigung fanden, weil sie zu abstrakt formuliert waren<br />
und nicht dem Vorstellungsvermögen der Jugendlichen entsprachen. Antwort<br />
liefern die konkreten Berufs- und Studienwünsche, welche die Mädchen<br />
und Jungen äußerten. Die Teilnehmenden der Befragung waren aufgefordert,<br />
bis zu drei Wunschausbildungen anzugeben. Der Großteil der<br />
Mädchen und Jungen in den Interventionsgruppen nahm im Pretest zwei<br />
konkrete Benennungen vor (37%), gefolgt von Jugendlichen, die drei (23%)<br />
251
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
oder keinen beruflichen Wunsch formulierten (22%, vgl. Anhang 25). Ein<br />
ähnliches Verhältnis ist in der Kontrollgruppe vorzufinden, wenngleich der<br />
Anteil derjenigen Schülerinnen und Schüler ohne einen Wunschberuf oder<br />
ein Wunschstudium hier nur etwa 10% einnimmt. Die Abweichungen in<br />
den Gruppen sind nicht signifikant, d. h. es lässt sich nicht schlussfolgern,<br />
dass Jugendliche ohne einen Berufs- oder Studienwunsch häufiger eine<br />
Orientierungsmaßnahme nutzen, als Gleichaltrige mit konkreten beruflichen<br />
Vorstellungen. Der höhere Anteil derjenigen, die bereits greifbare<br />
Wünsche haben, ist vielmehr auf das Gros der Mädchen und Jungen zurückzuführen,<br />
die sich zum Zeitpunkt des Pretests bereits mit der Berufswahl<br />
auseinandergesetzt haben. Jugendliche, die sich zum ersten Messzeitpunkt<br />
noch nicht mit ihrer beruflichen Zukunft befassten, haben signifikant<br />
häufiger noch keine Wunschausbildung. 104 Die Analyse derjenigen Jugendlichen,<br />
bei denen sich noch kein konkretes Berufsbild manifestiert hat,<br />
zeigt, dass es sich hierbei vor allem um Mädchen und Jungen handelt, welche<br />
in der achten oder neunten Klasse lernten und den Realschulabschluss<br />
anstrebten bzw. die eine neunte oder zehnte Klasse besuchten und die<br />
Schule mit dem Abitur verlassen wollten. In den Interventionsgruppen<br />
überwiegt leicht und nicht signifikant der Anteil der Mädchen, welche noch<br />
beruflich unentschieden sind, während es in der Kontrollgruppe die Jungen<br />
sind. Mit Beendigung der Orientierungsangebote verfügt die Hälfte der Jugendlichen,<br />
die im Pretest noch keine Wunschausbildung benannte, über<br />
wenigstens einen Favoriten, während es bei den Schülerinnen und Schülern,<br />
die keine Intervention wahrnahmen diesbezüglich so gut wie keine<br />
Veränderungen gab. Das Verhältnis derjenigen in der Interventions- und<br />
der Kontrollgruppe ohne berufliche Vorstellungen hat sich demnach angeglichen<br />
und liegt nun bei 11% (KG) bzw. 13% (IG). Alle Interventionen<br />
zusammen betrachtet ist dieses Ergebnis maßgeblich den Mädchen zuzuschreiben.<br />
Die am häufigsten genannten Berufswünsche bestätigen zum einen die geschlechtsspezifischen<br />
Wünsche nach technischen Berufen bei den Jungen<br />
und zum anderen die nach sozialen und kommunikativen bei den Mädchen<br />
(vgl. Tabelle 13). 105 Übereinstimmend begeistern sich die weiblichen Befragten<br />
der Interventions- und der Kontrollgruppe sehr stark für die Be-<br />
104 Mittels Chi 2-Test wurden standardisierte Residuen = 3,0 sowie statistisch signifikante Verteilungsunterschiede<br />
auf dem 5%-Niveau ermittelt (Chi 2 nach Pearson).<br />
105 In die Auswertung wurden alle von den Befragten angegebenen Wunschberufsausbildungen<br />
und -studiengänge, unabhängig von der Reihenfolge ihrer Nennung, aufgenommen und in eine<br />
Rangordnung gebracht. Zum Teil wurden die Angaben der Jugendlichen in korrigierter Form<br />
verarbeitet, dass heißt es wurde statt des Wortlautes der Jugendlichen die offizielle Berufsbezeichnung<br />
verwendet. Beispielhaft sind die von den Mädchen favorisierten Berufsausbildungen<br />
zur Erzieherin bzw. Gesundheits- und Krankenpflegerin zu nennen, die u. a. als Kindergärtnerin<br />
und Krankenschwester niedergeschrieben wurden.<br />
252
Tabelle 13: Am häufigsten genannte Wunschausbildungen der Jugendlichen in der Kontroll- und der Interventionsgruppe im Pre- und Posttest (Mehrfachantworten<br />
in Form einer Rangliste möglich)<br />
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
253
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
rufsfachschulausbildung zur Erzieherin. Es folgen die betrieblichen Berufsausbildungen<br />
zur Restaurantfachfrau, zur Konditorin und zur Hotelfachfrau<br />
bei den jungen Frauen in den Orientierungsmaßnahmen und zur<br />
Gesundheits- und Krankenpflegerin (schulische Berufsausbildung) sowie<br />
zur Verkäuferin (betriebliche Berufsausbildung) bei den Schülerinnen ohne<br />
Intervention. Bei den Jungen sind die drei am häufigsten genannten<br />
Wunschberufsausbildungen, wenngleich mit unterschiedlicher Rangfolge<br />
versehen, identisch.<br />
Oowohl in der Interventionsgruppe als auch bei der Kontrollgruppe gaben<br />
die Befragten die dualen Berufsausbildungen zum Kraftfahrzeugmechatroniker<br />
zum Mechatroniker und zum Tischler an. In der Kontrollgruppe<br />
wurde neben der Tischlerausbildung mit gleicher Häufigkeit die Berufsausbildung<br />
zum Zerspanungsmechaniker und zum Kaufmann im Einzelhandel<br />
notiert. Die Prioritätensetzung lässt sich bis auf den Ausbildungsberuf<br />
Konditor/in demnach nicht mit den inhaltlichen Schwerpunkten in den Interventionen<br />
erklären.<br />
Die im Kapitel 2.1 beschriebene Orientierung Jugendlicher auf ein eingeschränktes<br />
Spektrum an Ausbildungen spiegelt sich in diesen Angaben<br />
wider. Alle genannten betrieblichen Wunschberufsausbildungen finden sich<br />
auch in der Liste der deutschlandweit zwanzig am stärksten besetzten Ausbildungsberufe<br />
(vgl. Anhang 1 f.). Hinsichtlich der Studiengänge ist ein analoges<br />
Bild vorzufinden. Bis auf das Studium der Journalistik bei den Jungen<br />
stimmen alle von den Jugendlichen benannten Studienrichtungen mit dem<br />
bundesweiten ‚Berufswahlmuster’ überein. Bei beiden Geschlechtern der<br />
Interventionsgruppen und der Kontrollgruppe rangiert das Studium der<br />
Medizin auf dem ersten Platz. Die Mädchen favorisieren des Weiteren u. a.<br />
das Studium der Erziehungswissenschaft (Pädagogik) und der Rechtswissenschaft,<br />
die Jungen das der Informatik und des Maschinenbaus.<br />
Auffällig bei den Nennungen der Jugendlichen ist der insgesamt hohe Differenzierungsgrad<br />
in Bezug auf die Berufswünsche. Wenn auch nicht bis<br />
ins letzte Detail den offiziellen Berufsbezeichnungen entsprechend, benennen<br />
beide Geschlechter fast ausschließlich konkrete und gemessen an ihren<br />
Voraussetzungen (z. B. angestrebter Schulabschluss) passende Berufe. So<br />
führten z. B. Schülerinnen und Schüler, welche die Schule ohne Abschluss<br />
oder mit einem Hauptschulabschluss verlassen wollen, in der Regel keinen<br />
Berufswunsch an, der ein Hochschulstudium erfordert. Gleichfalls sind<br />
keine Selbstexklusionseffekte zu beobachten. D. h. Mädchen und Jungen,<br />
welche die Schule beispielsweise ohne Abschluss oder mit einem Hauptschulabschluss<br />
verlassen wollten und deren Notendurchschnitt in den<br />
Kernfächern Mathematik, Deutsch und Englisch schlechter als ‚befriedi-<br />
254
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
gend’ war, schlossen sich nicht selbst von Berufen aus, deren Zugangsvoraussetzungen<br />
mindestens einen guten Hauptschulabschluss erfordern und<br />
legitimierten dies vor dem Hintergrund ihrer erreichten persönlichen<br />
Leistung. Kein Jugendlicher mit den genannten Bildungsvoraussetzungen<br />
nannte einen Werkerberuf nach §66 BBiG und §42m HwO. Nur in wenigen<br />
Fällen wurden Berufsbezeichnungen so abstrakt formuliert wie diese<br />
Benennungen: „etwas mit Kindern, im Büro“ (Mittelschülerin, 8. Klasse,<br />
KGPre) oder „irgendetwas mit Design (Kunst), was mit Menschen, Grafik“<br />
(Mittelschülerin, 8. Klasse, IGPre). Ebenso war das Wissen um mögliche<br />
Berufsausbildungen so groß, dass nur wenige nicht zwischen Aus- und<br />
Weiterbildungen zu unterscheiden vermochten. So sind beispielsweise auch<br />
die Weiterbildungsberufe Nageldesigner/in und Solartechniker/in als<br />
Wunschausbildungen benannt worden.<br />
Zurückblickend auf die festgestellte teilweise mangelhafte Übereinstimmung<br />
zwischen Interessen an spezifischen Berufsfeldern und den innerhalb<br />
der Interventionen thematisierten beruflichen Bereiche schreibt sich bezogen<br />
auf die konkreten Wunschberufe der Jugendlichen in den Interventionen<br />
ein analoges Bild fort. Wie auch bei den Berufsbereichen decken sich<br />
bei den Schnupperpraktika ‚Kraftfahrzeugtechnik’ und ‚Konditorei/Verkauf’<br />
sowie der ‚Schnupperlehre’ die genannten Wunschberufe gut<br />
mit den thematischen Schwerpunkten der Interventionen. Bezogen auf das<br />
Schnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’ nennen 80% der in die Evaluationsstichprobe<br />
einbezogenen Jugendlichen einen adäquaten Beruf106, beim Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’ sind es 75% und bei der<br />
‚Schnupperlehre’ 65%. Dahingegen liegen die Übereinstimmungen bei den<br />
‚JobGalaxy’-Orientierungsmaßnahmen bei unter 35% und bei den ‚Girls’<br />
Day’-Interventionen bei unter 25%. Nur eine geringe Anzahl von Jugendlichen<br />
führte demnach einen Wunschausbildung mit inhaltlichem Bezug<br />
zur jeweiligen Intervention an (z. B. Berufe aus dem Bereich der Metalltechnik,<br />
Kraftfahrzeugtechnik, Bau/Ausbau, Elektrotechnik, Mechatronik,<br />
Informatik, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik beim ‚Girls’Day’ [B]; vgl.<br />
Anhang 5). Die befragten Mädchen und Jungen nutzen folglich tatsächlich<br />
106 Als adäquate Berufe bezogen auf das Schnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’ werden neben<br />
dem Berufsbild Kraftfahrzeugmechatroniker/in, z. B. der ebenso in der Orientierungsmaßnahme<br />
vorgestellte alternative Beruf des/der Zweiradmechanikers/in eingeordnet. Beim<br />
Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’ gilt dies für die Berufe Konditor/in, Bäcker/in und<br />
Verkäufer/in. Bei den weiteren Interventionen fanden die Berufe Beachtung, die in Übereinstimmung<br />
mit den anvisierten Berufen und Berufsfeldern standen. Bei der ‚Schnupperlehre’ sind<br />
dies beispielsweise Berufe aus den Bereichen Metalltechnik, Elektrotechnik, Technisches Zeichnen/Bauzeichnen,<br />
Elektropneumatik, Mechatronische Systeme, CNC-Technik, Photovoltaik,<br />
Verwaltung.<br />
255
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Orientierungsmaßnahmen, welche inhaltlich auf Berufsfelder abzielen, für<br />
sie sich teilweise (noch) nicht begeistern können, wie das folgende Beispiel<br />
eines Teilnehmers der ‚Schnupperlehre’ belegt:<br />
256<br />
Schüler F (Mittelschule, o. K., ‚Schnupperlehre’):<br />
„Ich hab im Internet schonmal bei der Bahn recherchiert. Die haben<br />
ganz interessante Berufe. Zum Beispiel klingt zwar jetzt simpel, aber<br />
Lokführer war ganz gut. Was mich auch interessiert hätte, die Logistik,<br />
also Schenker und so. Das wär schon cool.“ (Z. 35-38)<br />
Seine Berufswünsche dürften in der Orientierungsmaßnahme erwartungsgemäß<br />
keine Resonanz gefunden haben. Dennoch gab er in der Follow-up-<br />
Untersuchung an, an der ‚Schnupperlehre’ teilgenommen zu haben, um Inhalte<br />
und Anforderungen in Ausbildungen kennenlernen zu können. Diese<br />
Motivation teilt er mit mehr als der Hälfte der im Pretest befragten Jugendlichen<br />
(vgl. Kapitel 9.3). Offensichtlich ist die eingeschränkte Begeisterung<br />
für bestimmte Berufsfelder und adäquate Ausbildungen in Verbindung mit<br />
der Absicht, mehr über deren Inhalte und Anforderungen zu erfahren für<br />
die Interventionsteilnehmer keineswegs ein Widerspruch, sondern vielmehr<br />
eine Entscheidungshilfe im Orientierungsprozess.<br />
Um zu prüfen, inwieweit sich im Zeitverlauf das Interesse der Jugendlichen<br />
an Berufsfeldern entwickelt hat, wurden sie gefragt, ob ihre diesbezügliche<br />
Wissbegierde durch Anstieg, Konstanz oder Abnahme geprägt ist. 107 Von<br />
Bedeutung im Kontext der Fragestellung der Arbeit ist dabei vor allem der<br />
Interessenzuwachs in den Berufsfeldern, die durch die Orientierungsmaßnahmen<br />
in den Blickpunkt gerückt wurden. Festzustellen ist, dass alle<br />
Jugendlichen, gleichgültig ob sie an einer Orientierungsmaßnahme teilnahmen<br />
oder nicht, über ein gestiegenes Interesse in den zentralen Berufsfeldern<br />
berichten. Der prozentuale Anteil liegt in den Interventionsgruppen,<br />
außer im Bereich ‚Wirtschaft und Verwaltung’, stets höher als in der Kontrollgruppe<br />
und beträgt bis zu 25% (vgl. Anhang 26). Bezogen auf die einzelnen<br />
Interventionen zeigen die Jugendlichen vielmehr einen breit gestreuten<br />
als einen punktuell auf einzelne Berufsfelder ausgerichteten Interessenanstieg.<br />
Dies resultiert zum Teil daraus, dass durch die Interventionen ein<br />
breites Feld von Berufsgruppen und Arbeitsfeldern angesprochen wurde<br />
(z. B. ‚Schnupperlehre’). Demgegenüber bringen die Schülerinnen und<br />
Schüler, welche die Schnupperpraktika ‚Kraftfahrzeugtechnik’ und ‚Kon-<br />
107 Die konkrete Frage lautete in den Interventionsgruppen „Wie hat sich Dein Interesse an den<br />
folgenden Berufsfeldern durch Deine Teilnahme am Aktionstag/am Projekt entwickelt?“ und in<br />
den Kontrollgruppen „Wie hat sich Dein Interesse an den folgenden Berufsfeldern seit unserer<br />
ersten Befragung im Januar 2008/Februar 2008 entwickelt?“.
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
ditorei/Verkauf’ nutzen, also Angebote die sich auf einzelne Berufsfelder<br />
konzentrierten, einen relativ punktgenauen Interessenzuwachs in den<br />
Zweigen ‚Fahrzeuge’ und ‚Elektrotechnik’ bzw. ‚Nahrung’ und ‚Verkauf’<br />
zum Ausdruck.<br />
Die innerhalb des Posttests angegebenen Wunschausbildungen belegen<br />
Veränderungen in den präferierten beruflichen Wünschen. Diese gehen<br />
aber überwiegend nicht mit der intendierten Richtung der Orientierungsmaßnahmen<br />
konform. Hinzu kommt, dass sich auch das Interesse an im<br />
Pretest bevorzugten und durch die Maßnahmen thematisierten Berufen<br />
teilweise verringert. So benennen nunmehr beim Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’ nur noch 62% (-13%) und bei der ‚Schnupperlehre’<br />
55% (-10%) einen adäquaten Wunschberuf. Bei den ‚JobGalaxy’-<br />
Orientierungsmaßnahmen (unter 35%) sowie bei den ‚Girls’Day’-<br />
Interventionen (unter 25%) ist der Zuspruch in etwa gleich geblieben. Lediglich<br />
die Jugendlichen, die das Schnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’<br />
nutzen, haben nach wie vor ein sehr starkes Interesse am Berufsbereich,<br />
das sich im Verlauf der Intervention von 80% auf 90% noch steigerte.<br />
Im Vergleich der Entwicklungen in den Interventionsgruppen und der<br />
Kontrollgruppe ist die Instabilität in den beruflichen Präferenzen kein spezifisches<br />
Resultat einzelner Orientierungsmaßnahmen. Vielmehr ist es teilgruppenübergreifend<br />
zu identifizieren. Auf direkte Nachfrage zum Einfluss<br />
der Orientierungsmaßnahmen auf ihre Berufsfindung gab jeder zweite<br />
Jugendliche der Interventionsgruppe und jeder dritte der Kontrollgruppe<br />
im Posttest an, nun zu wissen, welche Ausbildung auf keinen Fall für die<br />
individuelle Berufswahl relevant ist. Ein Interviewteilnehmer der Followup-Befragung<br />
formuliert in diesem Zusammenhang:<br />
Schüler F (Mittelschule, o. K., ‚Schnupperlehre’):<br />
In der Orientierungsmaßnahme „musste man sich mit Metall befassen.<br />
Das hab ich schon als Ferienarbeit gemacht bei …, Elektro GmbH, weil,<br />
ich mach noch Ferienarbeit dort. Aber so richtig als zukünftiges Berufsleben<br />
könnte ich mir das nicht vorstellen. Weil, das ist nicht so mein<br />
Ding.“ (Z. 65-68)<br />
Das verringerte Interesse bei einzelnen Orientierungsangeboten ist grundsätzlich<br />
nicht negativ zu werten. Es deutet auf Lernprozesse hin, in deren<br />
Folge die Mädchen und Jungen ihr Selbst neu orientieren. Wenn Jugendliche<br />
nach dem Kennenlernen einzelner Berufe feststellen, dass diese nicht<br />
ihren Vorstellungen entsprechen und sich Berufswünsche in Konsequenz<br />
daraus auflösen, ist viel erreicht, um einem Berufsausbildungs- oder Studienabbruch<br />
zu einem späteren Zeitpunkt vorzubeugen. Jedoch ist kritisch<br />
257
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
anzumerken, dass die Zielstellung, Jugendliche für Berufe oder Berufsbereiche<br />
zu begeistern, denen diese bisher unvoreingenommen oder nicht<br />
aufgeschlossen gegenüberstanden, verfehlt wurde bzw. nicht so weit reichte,<br />
dass die Mädchen und Jungen ihre erstgenannte Wunschausbildung zugunsten<br />
dieser Berufe änderten (vgl. Anhang 27). Deutlich wird dies am<br />
Beispiel einer in der Follow-up-Erhebung befragten Teilnehmerin der Intervention<br />
‚JobGalaxy Future’:<br />
258<br />
Schülerin I (Gymnasium, 12. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Also, ich hatte weder vorher noch hab ich jetzt ein Bild. Es ist ziemlich<br />
lange her, also es ist nicht viel hängengeblieben. Ich weiß auch gar nicht<br />
mehr, was die da über das Ingenieurzeugs geredet haben. Aber es hat auf<br />
jeden Fall was mit Physik zu tun, das weiß ich.“ (Z. 74-77)<br />
Ich dachte, „dass ich dann hinterher genau weiß, was ich studieren will.<br />
Das war aber nicht.“ (Z. 97-98)<br />
In den sechs von sieben Orientierungsmaßnahmen, die auf das Kennenlernen<br />
technischer Berufe und Berufsfelder ausgerichtet waren, ergab die<br />
Gegenüberstellung der erstgenannten beruflichen Präferenz im Pre- und<br />
Posttest nur bei insgesamt 3% der Rezipienten eine Änderung von einem<br />
nichttechnischen in einen technischen Ausbildungswunsch oder von keinem<br />
in einen technischen Ausbildungswunsch. Dahingegen ist bei 21% im<br />
Zeitverlauf eine Korrektur von einem technischen in einen nichttechnischen<br />
Berufswunsch oder von keinem in einen nichttechnischen zu verzeichnen.<br />
Bei der Kontrollgruppe trifft dies nur auf 8% der Jugendlichen<br />
zu. 5% der Teilnehmenden an den Interventionen konnten in technischen<br />
Berufsfeldern umorientiert werden. Da dies jedoch auch bei nichttechnischen<br />
Wunschberufsausbildungen/Wunschstudiengängen der Fall war,<br />
sind Ursachen für den Wandel beruflicher Präferenzen nicht eindeutig in<br />
den Orientierungsmaßnahmen zu finden. Auffällig ist ebenso, dass sich in<br />
der Gesamtentwicklung fast keine Änderungen hinsichtlich der am häufigsten<br />
genannten Wunschausbildungen nachweisen lassen. Zwar gaben 26%<br />
der Mädchen und 41% der Jungen der Interventionsgruppen im Posttest<br />
an, infolge ihrer Teilnahme Berufe neu kennengelernt zu haben. Bei der<br />
‚Schnupperlehre’ bestätigte dies sogar jede/jeder Zweite. Demgegenüber<br />
trafen in der Kontrollgruppe nur 8% diese Aussage. Konstant begeisterten<br />
sich die Mädchen, die eine Orientierungsmaßnahme wahrnahmen, für die<br />
Ausbildungsberufe Erzieherin, Konditorin, Restaurantfachfrau und die<br />
Studiengänge Medizin und Erziehungswissenschaften, wobei sich lediglich<br />
der Zuspruch, den die Berufsausbildung zur Konditorin erfuhr, direkt auf<br />
das Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’ zurückführen lässt. Auch
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
bei den Mädchen der Kontrollgruppe zeigte sich bis auf Rangverschiebungen<br />
innerhalb der Messzeitpunkte keine Änderung in den am meisten<br />
favorisierten Berufen. Die Jungen der Untersuchungsgruppen konzentrierten<br />
sich nach wie vor auf die Berufsausbildung zum Kraftfahrzeugmechatroniker.<br />
Im Gegensatz zur Berufsausbildung zur Konditorin besitzt<br />
der Faktor ‚Intervention’ bei diesem Favoriten keine Erklärungskraft. Jedoch<br />
zeigt sich bei den männlichen Befragten, die ein Orientierungsangebot<br />
nutzten, eine größere Ausdifferenzierung in den Wunschausbildungen<br />
als in der Kontrollgruppe, denn neben dem Beruf des Kraftfahrzeugmechatronikers<br />
erhielt keine Ausbildung mehr als drei Nennungen. Anders<br />
hingegen in der Kontrollgruppe. Hier änderten sich die zweit- und drittplatzierten<br />
Berufsausbildungen im Vergleich zum Pretest, wenngleich diese<br />
immer noch zu den deutschlandweit am stärksten besetzten gehören (vgl.<br />
Anhang 1). Hinsichtlich der Studiengänge sind ein Wechsel in der Rangfolge<br />
und zusätzlich eine Erweiterung des Spektrums der favorisierten Fachrichtungen<br />
zu erkennen. Treffsicher fällt die Entscheidung der Jungen zugunsten<br />
der ‚Hitliste’ der Studiengänge aus (vgl. Anhang 3).<br />
9.9 Sicherheit und Entschiedenheit<br />
hinsichtlich beruflicher Interessen<br />
Aus der partiell vorhandenen Instabilität der Berufswünsche und den quantitativ<br />
wie qualitativ ermittelten Erwartungen der Jugendlichen an die Interventionen<br />
ist abzulesen, dass sie über mehr oder weniger fundierte Vorstellungen<br />
über Berufe und Berufsfelder verfügen, es ihnen aber aus entscheidungstheoretischem<br />
Blickwinkel zum Teil an Entschlossenheit fehlt, den<br />
Schritt einer adäquaten Berufsausbildung oder eines entsprechenden Studiums<br />
zu gehen. Gleiches belegt die Skala Sicherheit und Entschiedenheit bezogen<br />
auf berufliche Interessen. Die Items der Skala, beispielhaft stehen „Ich<br />
weiß überhaupt nicht, welche Berufe/welches Studium für mich in Frage<br />
kommen.“ und „Ich schwanke oft, welche Berufsausbildung/welches<br />
Studium ich einmal ergreifen soll.“ wurden zu beiden Messzeitpunkten in<br />
der Kontrollgruppe im Mittelwert mit ‚stimmt kaum’ beantwortet<br />
(�KG-Pre = 2,17; �KG-Post = 2,16; vgl. Anhang 28). In der Interventionsgruppe<br />
ist der Mittelwert jeweils sichtlich höher, was auf weniger gefestigte berufliche<br />
Vorstellungen bei den Mädchen und Jungen schließen lässt<br />
(�IG-Pre = 2,46; �IG-Post = 2,52). Geschlechterspezifische Ungleichheiten<br />
nicht berücksichtigt, veränderte sich die Sicherheit und Entschiedenheit der<br />
Jugendlichen in den beiden Untersuchungsgruppen insgesamt nur gering-<br />
259
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
fügig. Während in der Kontrollgruppe die Ungewissheit der Befragten<br />
schwach abnahm (-0,01), stieg sie bei den Teilnehmenden der Orientierungsmaßnahmen<br />
leicht (+0,06). In den Einzelinterventionen zeigten sich<br />
deutliche Unterschiede in der Richtung und im Niveau der Entwicklung<br />
von Messzeitpunkt zu Messzeitpunkt. Während bei der ‚Schnupperlehre’,<br />
beim ‚Girls’Day’ [B] und bei ‚JobGalaxy’ die Verunsicherung der Jugendlichen<br />
anstieg, war bei den restlichen Interventionen insgesamt ein Ausbau<br />
der Entschiedenheit für den beruflichen Weg festzustellen. Insbesondere<br />
die Mädchen gehen aus Interventionen mit technisch-naturwissenschaftlicher<br />
Ausrichtung und einer Umsetzung an realen Orten der Ausbildung,<br />
wie beim Schnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’ und der<br />
‚Schnupperlehre’, gefestigt hervor. Möglicherweise trägt die Kombination<br />
der beiden didaktischen Aspekte gerade bei den jungen Frauen zu mehr<br />
Gewissheit hinsichtlich ihrer beruflichen Vorstellungen bei, sei es im Sinne<br />
einer positiven Verstärkung, wenn das Vorgefundene in Konformität zu<br />
den individuellen Interessenlagen und Fähigkeiten steht oder aber durch<br />
die Feststellung, dass Berufs- und Arbeitsfelder nicht zu den eigenen Wünschen<br />
passen. Dies würde uneingeschränkt an die im Kapitel 2.4 skizzierte<br />
Forderung von Mädchen anknüpfen, Lehrinhalte und Berufspraxis besser<br />
zu verbinden und eine anschauliche Berufsorientierung mit mehr Praxiskontakten<br />
zu arrangieren.<br />
Gegenläufig zu diesen geschlechterbezogen Differenzen sind die Befunde<br />
der zweifaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholungsfaktor. Die Ergebnisse<br />
zeigen, dass der Unterschied zwischen den Gruppen und der Zeiteffekt<br />
keinerlei Erklärungskraft für die Gesamtvarianz der abhängigen Variablen<br />
Sicherheit und Entschiedenheit haben. Der Interaktionsfaktor klärt<br />
3,5% der Varianz auf, ist jedoch ein Effekt, der nicht signifikant ist. Die<br />
Mittelwertunterschiede zwischen den Messzeitpunkten sind demnach eher<br />
zufälligen Schwankungen als den Interventionen zuzurechnen. Dass die<br />
Teilnahme an einer der Orientierungsmaßnahmen nur eine geringe festigende<br />
Wirkung auf die Jugendlichen hat, bestätigt sich auch in der Followup-Befragung.<br />
Mehrheitlich sind Aussagen wie „Ich schwank noch.“ (Schülerin<br />
D) oder „Eigentlich bin ich mir nicht so richtig sicher.“ (Schüler B)<br />
anzutreffen. Beispielhaft stehen die nachstehenden Ausführungen einer<br />
Teilnehmerin des ‚Girls’Day’ und eines Teilnehmers der ‚Schnupperlehre’:<br />
260<br />
Schüler F (Mittelschule, o. K., ‚Schnupperlehre’):<br />
„Konkrete nicht, aber zuerst wollte ich zur Polizei und dann hab ich halt<br />
bei der, wollt ich’s halt bei der Bahn probieren, aber bis jetzt konnt ich<br />
mich noch nicht entscheiden.“ (Z. 44-46)
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Schülerin C (Mittelschule, 9. Klasse, ‚Girls’Day’ [B]):<br />
„Na, bis jetzt hab ich noch so die Richtung Mechatronikerin oder eben<br />
dann komplett irgendwie was anderes. So jetzt irgendwas mit Kindern,<br />
wie Kindergärtnerin oder ja oder halt in `nem, in `nem, ja sag ich mal<br />
Heim nicht direkt. Aber so ja, na schon eine Art Heim für Kinder oder<br />
eben halt auch was mit behinderten Kindern dann. Was ich aber auch<br />
noch nicht weiß, dann würde ich vielleicht in die Richtung ein BGJ machen,<br />
weil ich`s eben noch nicht weiß, was ich direkt machen will. Oder<br />
halt `ne Fachhochschule besuchen.“ (Z. 27-33)<br />
Die Vielzahl an beruflichen Optionen der Mittelschülerin verdeutlichen,<br />
wie weit diese von einer Entscheidung für eine Ausbildung entfernt ist. Offen<br />
ist für sie nicht nur das Berufsfeld, sondern gleichfalls die Form der Berufsausbildung<br />
(schulisch, betrieblich). Das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ),<br />
als Teil Übergangssystems, sieht sie weniger als ‚Notlösung’ und ‚Warteschleife’,<br />
sondern vielmehr als Freiraum, um ihren beruflichen Weg klarer<br />
identifizieren zu können. Eine Teilnehmerin des Schnupperpraktikums<br />
‚Konditorei/Verkauf’ setzt die Orientierungsmaßnahme in direkten Bezug<br />
zu ihrem persönlichen Entscheidungsprozess:<br />
Schülerin D (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Wie gesagt, mein Wunsch ist noch immer nicht erfüllt, noch nicht so<br />
richtig. Weil ich weiß ja immer noch nicht richtig, was ich werden will.<br />
Aber ich fand das schon ganz gut, dass ich das gemacht hab. Ich würd<br />
auch so was gerne wieder machen, wenn ich, oder ich würd auch empfehlen<br />
sowas zu machen. Es hat halt nichts irgendwie ausgewirkt auf<br />
mein, auf meine Entscheidung. Ich bin immer noch geteilter Meinung.<br />
So, ich schwanke noch ein bissl.“ (Z. 79-83)<br />
Deutlich wird einerseits die Enttäuschung über die mangelnde Unterstützungskraft<br />
der Intervention bei der beruflichen Entscheidung. Andererseits<br />
sieht die Schülerin dennoch einen Mehrwert für sich, aus dem die Motivation<br />
zur Teilnahme an weiteren Maßnahmen zur beruflichen Orientierung<br />
und zur Weiterempfehlung des Schnupperpraktikums an Gleichaltrige<br />
resultiert. Insgesamt ist zu konstatieren, dass die befragten Jugendlichen<br />
auch mit dem Abstand von bis zu zehn Monaten zwischen Post- und<br />
Follow-up-Testung keine oder nur wenig merkliche Fortschritte hinsichtlich<br />
ihrer Gewissheit über berufliche Präferenzen vollzogen haben. Jedoch<br />
ist kritisch anzumerken, dass die Komplexität und Mehrstufigkeit von Entscheidungen<br />
bei der Berufswahl, wie sie aus entscheidungstheoretischem<br />
Blickwinkel charakterisiert wird (vgl. Kapitel 4.3), mit dem genutzten methodischen<br />
Instrumentarium nicht erfasst wurde.<br />
261
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Abschließend ist, worauf bereits in Kapitel 9.6 verwiesen wurde, auf die<br />
Wechselbeziehung zwischen dem Faktor Berufswahlengagement und der Sicherheit<br />
und Entschiedenheit einzugehen. Es konnte zu beiden Messzeitpunkten<br />
für die Interventions- und Kontrollgruppe ein schwacher bis mittlerer negativer<br />
signifikanter Zusammenhang ermittelt werden. In der Tendenz<br />
sinkt mit zunehmender Unentschlossenheit das berufliche Engagement 108.<br />
D. h. je mehr Zweifel die Jugendlichen haben, ob der im Augenblick von<br />
ihnen präferierte Beruf der richtige für sie ist, oder sie sich nicht zwischen<br />
verschiedenen, sie interessierenden Berufsmöglichkeiten entscheiden können,<br />
umso teilnahmsloser bzw. ohnmächtiger stehen sie ihrer Berufswahl<br />
gegenüber.<br />
9.10 Einschätzung individueller<br />
beruflicher Chancen<br />
Die Jugendlichen blickten in der Mehrheit positiv in ihre berufliche Zukunft.<br />
Ihre generellen Chancen auf eine Berufsausbildung oder ein Studium<br />
schätzten über zwei Drittel der Kontrollgruppenteilnehmer zu den beiden<br />
Messzeitpunkten gut bis sehr gut ein. Circa 25% gehen von schwierigen<br />
Bedingungen aus (vgl. Abbildung 11, vgl. Anhang 29). Demgegenüber beurteilen<br />
in den Interventionsgruppen mit rund 80% deutlich mehr Schülerinnen<br />
und Schüler im Pre- und Posttest ihre Möglichkeiten optimistisch.<br />
Im Vergleich zu den Ergebnissen der Shell-Jugendstudien (vgl. Langness<br />
et al. 2006, S. 75; vgl. Leven et al. 2010, S. 115) sehen sie folglich etwas zuversichtlicher<br />
in die Zukunft. Mädchen bewerten ihre Aussichten im Preund<br />
Posttest deutlich öfter als die Jungen als eher gut, während mehr<br />
männliche Befragte von sehr guten oder mittelmäßigen Chancen ausgehen.<br />
Die in Kapitel 2.1 beschriebene Chancenungleichheit auf dem Ausbildungs-<br />
und Arbeitsmarkt spiegelt sich demnach in den hier geäußerten Erwartungen<br />
der Mädchen an ihren beruflichen Einstieg (noch) nicht wider.<br />
Interessant ist, dass die Jugendlichen der Kontrollgruppe, die sich zum<br />
Zeitpunkt der Ersterhebung bereits beworben haben, signifikant häufiger<br />
von sehr guten Chancen auf eine Berufsausbildung/ein Studium ausgehen,<br />
dieser Zusammenhang jedoch nicht in der Interventionsgruppe zu<br />
108 Interventionsgruppe: rIG-Pre = -0,363; r 2 IG-Pre = 0,132; pIG-Pre = 0,001; rIG-Post = -0,550; r 2 IG-Post =<br />
0,303; pIG-Post = 0,000; Kontrollgruppe: rKG-Pre = - 0,465; r 2 KG-Pre = 0,212; pKG-Pre = 0,000; rKG-Post =<br />
-0,481; r 2 KG-Post = 0,231; pKG-Post = 0,000; Berechnet wurde die Produkt-Moment-Korrelation mit<br />
dem Korrelationskoeffizienten nach Pearson.<br />
262
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
beobachten ist. 109 Die Interventionsteilnehmer betrachten ihre Situation<br />
demnach deutlich kritischer als die Gleichaltrigen in der Kontrollgruppe.<br />
Sie sehen ihre eigenen Bewerbungsaktivitäten in geringerem Maße als alleiniges<br />
Erfolgskriterium, sondern denken zugleich die objektiven Gegebenheiten<br />
auf dem Ausbildungsmarkt mit. Für beide Gruppen konnten keine<br />
statistisch bedeutsamen Korrelationen zwischen der Einschätzung der<br />
Chancen und dem angestrebten Bildungsabschluss ermittelt werden.<br />
Abbildung 11: Einschätzung individueller berufsbezogener Chancen durch die Jugendlichen in<br />
der Kontroll- und der Interventionsgruppe zum Zeitpunkt des Pre- und des<br />
Posttests<br />
Anzahl in %<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
63<br />
63<br />
25 26<br />
21<br />
11 8 1 9<br />
14<br />
sehr gut eher gut eher nicht gut<br />
KG IG KG IG KG IG<br />
Einschätzung der Chancen<br />
78<br />
78<br />
Pretest (n=316)<br />
Posttest (n=314)<br />
Ein Vergleich der Beurteilung der Chancen zu den Messzeitpunkten offenbart,<br />
dass die Teilnehmenden der Interventionsgruppen diese nicht nur generell<br />
höher bewerten, sondern dass sich ihre Einschätzung während der<br />
Maßnahmen hin zu einer optimistischeren Wahrnehmung verändert hat.<br />
Die Interventionsgruppen als Gesamtheit betrachtet, bestehen diesbezüglich<br />
signifikante Unterschiede zur Kontrollgruppe. 110 Der mittlere Rangplatz<br />
der Interventionsgruppen liegt um 18% höher als der der Kontrollgruppe<br />
(MRIG = 177, MRKG = 149). Die Interventionen einzeln der Kontrollgruppe<br />
gegenübergestellt, sind die deutlichsten Veränderungen hin zu<br />
einer positiven Einschätzung ihrer beruflichen Möglichkeiten bei Nutzenden<br />
der ‚JobGalaxy Future’-Maßnahme, gefolgt von denen der ‚Schnupperlehre’<br />
auszumachen. Jedoch liegen keine signifikanten Gruppenunterschiede<br />
vor. Lediglich die Mädchen und Jungen des Orientierungsangebotes<br />
109 Mittels Chi 2-Test wurden in der Kontrollgruppe zu beiden Messzeitpunkten standardisierte<br />
Residuen > 3,0 sowie statistisch signifikante Verteilungsunterschiede auf dem 5%-Niveau ermittelt.<br />
110 Die Prüfung der Veränderung erfolgte mittels Berechnung des Differenzwertes und des<br />
Mann-Whitney U-Test. Der ermittelte Unterschied ist auf dem 1%-Niveau signifikant.<br />
263
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
‚JobGalaxy’ grenzen sich ab. Im Vergleich zur Kontrollgruppe bestehen<br />
hier die geringsten Unterschiede in der Entwicklung der Beurteilung der eigenen<br />
Chancen.<br />
Die in der Follow-up-Erhebung Befragten geben ein breites Spektrum an<br />
Einschätzungen wieder. Die Jugendlichen bewerten ihre Chancen im<br />
Spektrum von „Eigentlich ziemlich gut.“ (Schüler B) bis „Also nicht so<br />
super gut. So im Mittelfeld.“ (Schüler E). Klassifizierungsoptionen bezogen<br />
auf die Einzelinterventionen und auf die Geschlechtszugehörigkeit sind<br />
nicht erkennbar. Wie begründen die Mädchen und Jungen ihre zum Teil<br />
skeptische Sichtweise? Vorrangig werden die in Kapitel 2.3 beleuchteten<br />
Passungsprobleme angeführt. So sieht die nachfolgend zitierte junge Frau<br />
einen beruflichen Mismatch, also eine Diskrepanz zwischen ihrem Studienwunsch<br />
und dem Angebot an freien Studienplätzen:<br />
264<br />
Schülerin G (Mittelschule, 10. Klasse, ‚JobGalaxy’):<br />
„Also ich hoff mal, dass es dann ziemlich gut ist dann später. Also es<br />
studieren ja ziemlich viele Sport, und deswegen, weiß ich noch nicht, ob<br />
das dann auch klappt. (Z. 40-42)<br />
Ebenso wird von den Teilnehmenden der Orientierungsangebote ein<br />
Qualifikationsmismatch, d. h. eine Ungleichheit zwischen den eigenen<br />
Leistungsvoraussetzungen und den Qualifikationsanforderungen in den<br />
Wunschberufen angesprochen. Auf die Frage, was eine Rolle spielt, um die<br />
beruflichen Pläne umzusetzen zu können, antwortet ein Mittelschüler, der<br />
sich für eine Arbeit im Bereich der Informationstechnologie bzw. im Nahrungsmittelhandwerk<br />
interessiert:<br />
Schüler B (Mittelschule, 8. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Der Schulabschluss halt. Für Computer brauch man halt, muss ich<br />
noch bissl besser sein. Werd ich jetzt erstmal sehen.“ (Z. 34-35)<br />
Sowohl ein berufliches als auch Qualifikationsmismatch erkennt eine Teilnehmerin<br />
des ‚Girls’Day’ [B]. Bezogen auf ihre beruflichen Chancen sagt<br />
sie:<br />
Schülerin C (Mittelschule, 9. Klasse, ‚Girls’Day’ [B]):<br />
„Also, KFZ-Mechatronikerin denke ich mal eher schlecht, weil da werden<br />
wenige gesucht bzw. werden schon gesucht, aber da gucken sie halt<br />
sehr genau auf die Zensuren. Und ja, die sind nicht so gut. Ja, aber ansonsten<br />
so, denke ich eigentlich schon, dass ich Chancen hab, wie groß,<br />
keine Ahnung.“ (Z. 58-61)
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Während die voran stehenden Aussagen eine Orientierung an den tatsächlichen<br />
oder vermeintlichen Anforderungen in Berufen bzw. Berufsfeldern<br />
widerspiegeln, wurden auch Meinungen geäußert, die weniger auf einer<br />
Ausrichtung an arbeitsweltbezogenen Kriterien sondern auf einem Vergleich<br />
mit den Mitbewerberinnen und Mitbewerbern basieren. Eine Gymnasiastin<br />
äußert zur Frage, wie sie ihre Chancen sieht:<br />
Schülerin I (Gymnasium, 12. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Naja, so wie alle anderen auch, denk ich. Also, ich bin jetzt nicht so<br />
schlecht oder so gut, dass ich da jetzt irgendwie sagen kann, ich krieg auf<br />
jeden Fall einen Studienplatz oder ich krieg nie einen, aber ich denk so<br />
schlecht siehts nicht aus.“ (Z. 59-61)<br />
Auch die Verbesserung der individuellen Aussichten beschäftigt die<br />
Jugendlichen. Ein junger Mann äußert:<br />
Schüler E (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’):<br />
„Also, ja das denk ich bestimmt, dass man da mehr Chancen hat, wenn<br />
man da mehr Lehrgänge hat und so.“ (Z. 86-87)<br />
Dies zeigt auf, dass in der Teilnahme an Orientierungsangeboten eine Strategie<br />
gesehen wird, die eigene Ausgangsposition zu optimieren und aktiv<br />
zum Gelingen des Übergangs zwischen Schule und Arbeitswelt beizutragen.<br />
Ingesamt dokumentieren vor allem die Ergebnisse der Follow-up-<br />
Befragung den Druck unter dem die Jugendlichen stehen. Die Idee, die beruflichen<br />
Pläne ohne Schwierigkeiten umsetzen zu können, ist ihnen fremd.<br />
Zwar löst dies nicht zwingend Zukunftspessimismus aus, aber zumindest<br />
Unsicherheit was den Erfolg bei der Bewältigung der bevorstehenden Statuspassage<br />
angeht.<br />
9.11 Arbeitswelt- und<br />
berufsbezogenes Wissen<br />
Wie aufgezeigt, haben sich wenigstens 80% aller befragten Mädchen und<br />
Jungen im Berufsorientierungsprozess bereits mit der anstehenden Wahl<br />
eines Ausbildungsberufes oder eines Studienganges beschäftigt. In den<br />
Interventionsgruppen verfügen mehr als 75% und in der Kontrollgruppe<br />
90% bereits über einen oder mehrere konkrete Berufswünsche. Im Bedürfnis<br />
nach Erweiterung des arbeitswelt- und berufsbezogenen Wissens und<br />
nach einer fundierten Berufswahl finden sich die Hauptmotive der Wahrnehmung<br />
von Orientierungsangeboten. Von der Teilnahme an einer Inter-<br />
265
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
vention erhoffen sich etwas über 50% der Schülerinnen und Schüler mehr<br />
über Inhalte und Anforderungen in bestimmten Ausbildungen zu erfahren.<br />
Darüber hinaus ist es Anliegen nahezu jeder/jedes Zweiten Einblicke in<br />
Unternehmen und Hochschulen sowie in institutionelle Arbeitsabläufe zu<br />
gewinnen (vgl. Kapitel 9.3). Die Jugendlichen begegnen damit aktiv ihren<br />
Defiziten u. a. in Hinblick auf potenzielle Ausbildungsbetriebe bzw.<br />
Arbeitgeber während oder nach dem Studium, denn auf die Frage nach den<br />
Schülerinnen und Schüler bekannten Unternehmen gaben im Pretest nur<br />
31% in den Interventionsgruppen und 39% in der Kontrollgruppe eine<br />
Antwort. Bezogen auf Hochschulen waren es mit 36% und 42% etwas<br />
mehr der Befragten. Die Antwortbeteiligung ist kaum davon abhängig, ob<br />
sich die Jugendlichen bereits mit der Berufswahl auseinandergesetzt und einen<br />
Berufswunsch haben oder nicht. Sie ist vielmehr durch die geplanten<br />
beruflichen Wege nach der Schule sowie individuellen Voraussetzungen,<br />
wie dem angestrebten Schulabschluss geprägt. Vor allem in Interventionen,<br />
die mit Jugendlichen aus Gymnasien besetzt sind, können Aussagen zu bekannten<br />
Hochschulen getroffen werden (vgl. Anhang 30). Im Posttest<br />
bleibt das Antwortverhalten in der Interventions- und Kontrollgruppe nahezu<br />
gleich. Lediglich bei den Rezipienten der Orientierungsmaßnahmen<br />
ist ein geringer Anstieg von 5% bei den Nennungen von Unternehmen<br />
(5%) zu verzeichnen.<br />
Mehr als die Hälfte der Jugendlichen in den Untersuchungsgruppen, die<br />
Antworten gaben, hat innerhalb des Pretests bis zu zwei Unternehmen und<br />
mehr als zwei Drittel bis zu zwei Hochschulen abrufbereit im Gedächtnis.<br />
Nur wenige Schülerinnen und Schüler wissen von vier oder mehr Unternehmen<br />
(IG: 8%; KG: 11%) und Hochschulen (IG: 11%; KG: 18%). In<br />
den Angaben der Jugendlichen spiegelt sich, zumindest in Bezug auf die<br />
Firmen ein breites Spektrum wider. Sie konzentrieren sich nicht auf einige<br />
wenige regional populäre Betriebe, sondern zeigen in ihren Antworten<br />
vielmehr die gesamte Vielfalt ortsansässiger Kleinst-, kleinerer und mittlerer<br />
Unternehmen diverser Branchen auf. So werden im Pretest in den Interventionsgruppen<br />
50 und in der Kontrollgruppe mehr als 200 verschiedene<br />
Arbeitgeber konkret benannt. Die Teilnehmenden der Orientierungsmaßnahmen<br />
haben insgesamt von elf, die in den Schulen befragten Mädchen<br />
und Jungen von 17 Hochschulen Kenntnis. Darüber hinaus führte vor allem<br />
die Kontrollgruppe häufig berufliche Schulzentren an. Unklar bleibt,<br />
ob diese von den Jugendlichen fälschlicherweise den Status einer Hochschule<br />
zuerkannt bekommen haben oder die Schulen, weil sie in Vollzeitunterricht<br />
(Berufsfachschule) oder in Teilzeitunterricht (Berufsschulen) zu<br />
266
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Berufsabschlüssen führen, als Unternehmen eingeordnet wurden. Allein die<br />
Nennung der berufsbildenden Schulen zeigt abermals bestehende Wissensdefizite<br />
der Jugendlichen auf.<br />
Sowohl in der Interventions- als auch in der Kontrollgruppe besteht zum<br />
Zeitpunkt des Pretests die Tendenz eine höhere Anzahl von Unternehmen<br />
und Hochschulen anzugeben als innerhalb der Folgeerhebung. Jedoch bestätigt<br />
jede zweite Teilnehmerin und jeder zweite Teilnehmer der Interventionen<br />
an anderer Stelle der Befragung Einblicke in Unternehmen und<br />
Hochschulen erhalten zu haben. Demgegenüber waren es in der Kontrollgruppe<br />
nur etwa jede/jeder Siebte. Dieser Widerspruch lässt auf eine verringerte<br />
Motivation zur Beantwortung der offen gestellten Frage schließen,<br />
gleichwohl auch festzustellen ist, dass im Posttest zumindest in den Interventionsgruppen<br />
eine höhere Bandbreite an Einrichtungen niedergeschrieben<br />
wurde.<br />
Im Kontext der Fragestellung nach den Unternehmen und Hochschulen<br />
wurden die Mädchen und Jungen zusätzlich zur Frage nach ihrer Wunschausbildung<br />
um Auskunft nach Berufsbildern, die aus ihrer Sicht gute Zukunftschancen<br />
haben, gebeten. Auch hier gibt es zu den ersten beiden<br />
Messzeitpunkten enorme Antwortausfälle. In der Kontrollgruppe liegen<br />
Antworten von 38% im Pretest und 34% im Posttest vor. In den Interventionsgruppen<br />
sind es mit 24% bzw. 30% weniger. Im Vergleich zu den ausschließlich<br />
die schulische Berufsorientierung Nutzenden sind die Teilnehmenden<br />
der Orientierungsmaßnahmen demnach vom ersten Messzeitpunkt<br />
zum zweiten Messzeitpunkt rein quantitativ aussagekräftiger. Qualitativ bestehen<br />
jedoch wenige Unterschiede zwischen den Gruppen. Vorrangig<br />
werden die von den Jugendlichen anvisierten Wunschausbildungen als zukunftsträchtig<br />
eingestuft. Diese liegen, wie bereits in Kapitel 0 dargestellt<br />
wurde, nur zum Teil in den Bereichen Maschinen- und Werkzeugbau, Metallerzeugung<br />
und -bearbeitung sowie Elektrotechnik, d. h. jenen Berufsfeldern,<br />
in denen in der Untersuchungsregion eine verstärkte Nachfrage nach<br />
Facharbeitern, Meistern und Ingenieuren besteht (vgl. Behr 2008,<br />
S. 5 ff.). Mitunter verwendeten die Jungen und Mädchen Umschreibungen<br />
wie ‚technische Berufe’ oder ‚Berufe, die viel mit Metall zu tun haben’, was<br />
auf Konkretisierungsschwierigkeiten oder aber auch auf Probleme, unter<br />
der Fülle an zukunftsträchtigen Berufen auszuwählen, schließen lässt.<br />
Gleichfalls werden in den Interventionsgruppen und in der Kontrollgruppe<br />
Ausbildungen wie Kraftfahrzeugmechatroniker/in, Verkäufer/in, Kaufmann/Kauffrau<br />
im Einzelhandel, Jurist/in oder Architekt/in genannt, in<br />
denen ein Bewerberüberhang vorherrscht (vgl. Uhly et al. 2008, S. 17). Zukunftschancen<br />
werden demnach von den Jugendlichen nicht nur im Sinne<br />
267
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
von Fachkräftebedarf definiert. Dies kommt auch in den Antworten auf die<br />
offene Frage im Pretest, was die Schülerinnen und Schüler unter guten Zukunftschancen<br />
verstehen, zum Ausdruck. Diese Fragestellung wurde sehr<br />
weitläufig und mitunter nicht in Reflexion der Frage nach ‚Ausbildungsberufen<br />
und Studiengängen mit guten Zukunftschancen’ verstanden. Das ermittelte<br />
Kategoriensystem konzentriert sich auf drei inhaltliche Richtungen.<br />
Die Jugendlichen erläuterten erstens ihre Gedanken zu Charakteristika zukunftsreicher<br />
Ausbildungsberufe und Studiengänge, zweitens zur Bedeutung<br />
von Zukunftschancen für die eigene Person und drittens zu individuellen<br />
Einflussmöglichkeiten auf beruflichen Erfolg. Ausgewertet wurden<br />
nicht nur die Antworten der intendierten erstgenannten Betrachtungsweise,<br />
sondern auch die weiteren Assoziationen der Befragten.<br />
Äußerungen zum zukünftigen Bestand und bleibenden Bedarf an spezifischen Berufsbildern,<br />
wie beispielsweise „Einen guten Beruf zu finden, der nicht von<br />
heute auf morgen untergeht.“ (Mittelschülerin, 10. Klasse, IGPre) oder „Der<br />
Beruf wird auch in der Zukunft gut laufen und ich habe Hoffnung auf lange<br />
Arbeit.“ (Mittelschüler, 9. Klasse, IGPre) wurden dem Schwerpunkt der<br />
Charakteristika zugeordnet. Grundlagen für die Zukunftsfähigkeit von Berufen<br />
werden von den Schülerinnen und Schülern in der Weiterentwicklung<br />
und Modifizierung von Berufsbildern entsprechend gesellschaftlicher Entwicklungen<br />
gesehen. Neben dem Bedarf an Berufsbildern wurde das geringe<br />
Risiko arbeitslos zu werden den Merkmalen zukunftsträchtiger Berufe<br />
zugeordnet. In diesem Kontext ist auch die langfristige Existenz von Unternehmen,<br />
als Voraussetzung eines kontinuierlichen Angebotes an<br />
Arbeitsplätzen, von den Befragten benannt worden. Beides wurde in der<br />
Kategorie Arbeitsplatzsicherheit zusammengefasst.<br />
Aussagen wie „Dass in dem Betrieb, wo ich ausgebildet werde, sie mich<br />
auch übernehmen.“ (Mittelschüler, 10. Klasse, KGPre) bzw. „Dass ich einen<br />
Studienplatz in Sachsen bekomme und danach einen Arbeitsplatz in meiner<br />
Region.“ (Gymnasiastin, 11. Kursstufe, KGPre) zeugen davon, dass berufliche<br />
Optionen für die Befragten dann gute personenbezogene Zukunftschancen<br />
bergen, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit/Chance zum Erlangen eines<br />
Berufsausbildungs-, Studien- oder Arbeitsplatzes besteht.<br />
Die Bedeutung von Zukunftschancen für die eigene Person wird maßgeblich<br />
auch von finanziellen Aspekten, die mit Ausbildungsberufen und Studiengängen<br />
einhergehen geprägt. Löhne werden als Basis zur Existenzsicherung<br />
bzw. für ein Leben mit Annehmlichkeiten verstanden. Vereinzelt<br />
werden Aspekte wie ein sicheres Einkommen, ausbleibende Lohnkürzungen<br />
und die Absicherung im Alter als bedeutungsvoll für die persönlichen<br />
Zukunftschancen definiert. Alle finanziellen Gesichtspunkte wurden<br />
in der Kategorie Verdienst summiert.<br />
268
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Zum stärker individuumsbezogenen definierten Verständnis gehören neben<br />
Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten vor allem auch die Chance auf<br />
Selbstverwirklichung im Beruf. Die Adäquatheit des Ausbildungsberufes<br />
oder Studienganges mit den eigenen Interessen und Freude im beruflichen<br />
Alltag prägen diesen Blickwinkel. Es geht um die Identifikation mit dem<br />
Beruf, darum „einen Beruf zu finden, der zu mir passt und mit dem ich<br />
mein Leben leben kann“ (Gymnasiastin, 7. Klasse, IGPre) und „dass man<br />
seine gesteckten Ziele erreicht und dass man alles geschafft hat, was auf der<br />
‚eigenen Liste’ stand“ (Mittelschüler, 8. Klasse, KGPre). Verschriftlicht wurde<br />
zudem der Wunsch neben beruflichen Zielen auch familiäre Pläne realisieren<br />
zu können. Kategorisiert wurden entsprechende Bekundungen unter<br />
dem Etikett Vereinbarkeit von Familie und Beruf.<br />
Dem Schwerpunkt der individuellen Einflussmöglichkeiten auf die berufliche<br />
Zukunft wurden Aussagen über Noten und Abschlüsse als Basis für<br />
den Erhalt eines Berufsausbildungs-, Studien- oder Arbeitsplatzes und dem<br />
gewünschten Verdienst zugeordnet. Zusammengefasst wurden entsprechende<br />
Gedanken in der Kategorie Bildungsvoraussetzungen.<br />
Aussagen, die nicht in die genannten Kategorien integriert werden konnten,<br />
sind in Tabelle 14 als ‚sonstige’ Antworten erfasst. Sie wurden häufig von<br />
einem, maximal von zwei Probanden niedergeschrieben. Beispiele lauten:<br />
„Ich verstehe unter einer guten Zukunftschance, dass der Beruf nur von<br />
Menschen gemacht werden kann und nicht von Maschinen, als dass man<br />
dort gebraucht wird.“ (Mittelschülerin, 8. Klasse, KGPre) oder „Dass man<br />
mehrere Wege im Beruf einschlagen kann.“ (Mittelschüler, 8. Klasse,<br />
KGPre) Angaben, aus denen zu schlussfolgern war, dass die Fragestellung<br />
vollkommen falsch interpretiert wurde, sind nicht in die Auswertung einbezogen<br />
worden. „Wie meine Chancen im späteren Leben auf Beruf, Familie,<br />
Geld usw. stehen“ (Mittelschüler, 9. Klasse, KGPre) ist beispielhaft für solche<br />
Antworten heranzuziehen.<br />
Im Gegensatz zu den Fragen nach Unternehmen und Hochschulen sowie<br />
zukunftsorientierten Wunschausbildungen äußerten zu den Berufen mit<br />
guten Zukunftschancen wesentlich mehr Mädchen und Jungen ihre Ansichten.<br />
In den Interventionsgruppen antworteten 78% und in der Kontrollgruppe<br />
83%. Wie aus Tabelle 14 ersichtlich wird, konzentrieren sich die<br />
Jugendlichen mit ihren Antworten auf alle drei inhaltlichen Richtungen,<br />
also Charakteristika zukunftsreicher Ausbildungsberufe und Studiengänge,<br />
Bedeutung von Zukunftschancen für die eigene Person sowie die individuellen<br />
Einflussmöglichkeiten auf den beruflichen Erfolg. Es überwiegen<br />
jedoch allokationstheoretische personenbezogene Erwägungen. So definie-<br />
269
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
ren die Mädchen und Jungen der Interventions- und der Kontrollgruppe<br />
Berufe mit Zukunftschancen in erster Linie über die Wahrscheinlichkeit<br />
bzw. Chance einen Berufsausbildungs-, Studien- oder Arbeitsplatz zu erhalten<br />
und über gute Verdienstmöglichkeiten. Besonders häufig wird das ‚Finden’<br />
bzw. ‚Bekommen’ einer Berufsausbildungsstelle, Studienplatzes oder<br />
einer Anstellung von den Jugendlichen der Kontrollgruppe als Kennzeichen<br />
herangezogen. Nachrangig, aber immer noch weit voran, ordnen<br />
sich in beiden Teilgruppen Definitionskriterien ein, die sich auf die Nachhaltigkeit<br />
von Ausbildungsberufen und Studiengänge ausrichten, wie ein<br />
geringes Risiko arbeitslos zu werden oder der langfristige Bedarf und damit<br />
Bestand von Berufsbildern. Im Verständnis der Schüler der Interventionsgruppen<br />
bieten berufliche Optionen mit guten Zukunftschancen an weiterer<br />
Stelle die Möglichkeit zur Karriere als Berufserfolg im Sinne von Aufstieg<br />
sowie zur Selbstverwirklichung. Bei den Jugendlichen der Kontrollgruppe<br />
folgen individuelle Leistungsvoraussetzungen als Kriterium. Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />
werden nur in geringem Maße als charakteristisch für zukunftsreiche Berufe<br />
verstanden. Im Kontext der hier abgefragten Definition von Zukunftschancen<br />
bestehen demnach auffällige Parallelen zu den bereits im Kapitel<br />
9.7 dargelegten Favoriten berufswahlbezogener Wertorientierungen.<br />
Tabelle 14: Charakteristika von Berufen mit Zukunftschancen aus Sicht der Jugendlichen in der<br />
Kontroll- und der Interventionsgruppe zum Zeitpunkt des Pretests (Angaben in %,<br />
Mehrfachantworten möglich)<br />
270<br />
Teilgruppen Berufe mit guten Zukunftschancen zeichnen sich aus durch:<br />
Kontrollgruppe<br />
Geschlecht<br />
Interventionsgruppen<br />
Geschlecht<br />
Bestand/Bedarf<br />
Arbeitsplatzsicherheit<br />
Chance zum<br />
Erlangen Stelle<br />
gutem Verdienst<br />
AufstiegsmöglichkeitenWeiterbildungsmöglichkeiten<br />
Selbstverwirklichung<br />
Vereinbarkeit<br />
Familie und Beruf<br />
Bildungsvoraussetzungen<br />
g 16 21 41 23 9 2 10 4 13 8 196<br />
w 14 22 46 23 10 1 13 4 15 8 114<br />
sonstige<br />
m 18 21 35 23 9 4 6 5 10 7 82<br />
g 17 18 28 28 15 5 11 3 11 11 65<br />
w 18 15 25 35 13 8 15 5 10 9 40<br />
m 16 24 32 16 20 4 12 16 25<br />
n
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Der Vergleich der Aussagen der Geschlechter der Kontrollgruppe und der<br />
Interventionsgruppe offenbart zum Teil heterogene Einstellungen der<br />
weiblichen und der männlichen Befragungsteilnehmenden. In der Kontrollgruppe<br />
zeigt sich ein überwiegend homogenes Bild im Verständnis der<br />
Mädchen und Jungen. Lediglich bezogen auf die Wahrscheinlichkeit bzw.<br />
Chance einen Berufsausbildungs-, Studien- oder Arbeitsplatz zu erhalten<br />
und auf die Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung bestehen wesentliche<br />
Unterschiede im Stellenwert der diesen Definitionskriterien zugemessen<br />
wird. Die Schülerinnen gewichten diese Aspekte wesentlich höher.<br />
Zumindest in Hinblick auf die Bedeutung der Selbstverwirklichung<br />
herrscht in der Interventionsgruppe ein identisches Bild vor. Auch hier<br />
definieren die Mädchen gute Zukunftschancen stärker als die Jungen über<br />
Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung. Gleichfalls wird von den<br />
Rezipientinnen der Orientierungsmaßnahmen der Verdienst mehr als<br />
doppelt so hoch als Kriterium bewertet als von ihren männlichen<br />
Altersgenossen. Dahingegen definieren die Jungen Berufe mit guten<br />
Zukunftschancen deutlich mehr als die Mädchen über Arbeitplatzsicherheit,<br />
Aufstiegsmöglichkeiten und über die Chance eine Berufsausbildungsstelle,<br />
Studienplatzes oder einer Anstellung zu erhalten.<br />
Wie bewerten die Jugendlichen nun konkret ihr Wissen über Inhalte, Anforderungen<br />
und Arbeitsabläufe in den sie interessierenden Ausbildungsberufen<br />
und Studiengängen sowie über Bewerbungsverfahren und Formen<br />
der Erwerbsarbeit? Erfüllen sich die Erwartungen der Teilnehmenden an<br />
den Interventionen mehr über Berufe und die Arbeitswelt zu erfahren? Im<br />
Pretest ist die Beurteilung der Kenntnisse durch die Schülerinnen und<br />
Schüler der Interventions- und der Kontrollgruppe hinsichtlich der genannten<br />
Aspekte vergleichbar (vgl. Anhang 31). Das individuelle Wissen über<br />
Inhalte und Anforderungen präferierter Berufe sowie über Bewerbungsverfahren<br />
wird von etwas mehr als 60% als ‚sehr gut’ oder ‚eher gut’ eingeschätzt,<br />
wobei der Großteil Erweiterungsspielraum für das eigene Wissen<br />
sieht. Etwas weniger selbstbewusst äußern sich die Jungen und Mädchen in<br />
Hinblick auf Arbeitsabläufe in Unternehmen bzw. den Studienablauf an<br />
Hochschulen und auf Erwerbsformen. Lediglich zwischen 45% und 52%<br />
gaben an ‚sehr gut’ oder ‚eher gut’ informiert zu sein. Nahezu durchgängig<br />
bewerten mehr männliche als weibliche Befragte ihr Wissen als angemessen.<br />
Im Posttest wird der individuelle Wissensstand von mindestens 80%<br />
der Interventionsteilnehmer als sehr und eher gut deklariert. In der Kontrollgruppe<br />
und bei den weiblichen Rezipienten der Orientierungsmaßnahmen<br />
sind es hingegen maximal 66%.<br />
271
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Nach dem Mann-Whitney U-Test liegen die mittleren Ränge der Jungen in<br />
den Interventionsgruppen bezogen auf Veränderungen im Wissen um die<br />
einzelnen Aspekte stets um 16-36% höher als bei den Mädchen. Bis auf die<br />
Kenntnisse über Arbeitsabläufe in Unternehmen sind die Unterschiede<br />
zwischen den Geschlechtern im Informationszuwachs auf dem 5%-Niveau<br />
signifikant. 111 Der U-Test der Werte der Kontrollgruppe zeigte keine signifikanten<br />
Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen. Das von den Jungen<br />
im Pre- und Posttest subjektiv ausgezeichnet empfundene Wissen muss<br />
nicht zwingend dem objektiven Tatbestand entsprechen, sondern kann<br />
auch das Resultat vielfach in Studien untersuchter männlicher Selbstüberschätzung<br />
in Bezug auf die eigenen Leistungen und Begabungen sein. Dagegen<br />
spricht jedoch, dass die männlichen Teilnehmer der Orientierungsmaßnahmen<br />
auf die direkte Nachfrage zum Einfluss der jeweiligen Intervention<br />
auf ihren Berufsorientierungsprozess den Interventionen tatsächlich<br />
auch größtenteils einen höheren Mehrwert zuschreiben als die weiblichen<br />
(vgl. Kapitel 9.16).<br />
Abschließend hervorzuheben sind die durch den H-Test nach Kruskal und<br />
Wallis ermittelten Differenzen zwischen den Interventionen. Die in<br />
Tabelle 15 dargestellten mittleren Rangplätze bezogen auf Veränderungen in<br />
der Einschätzung des Informationsgrades über Inhalte, Anforderungen und<br />
Arbeitsabläufe in den die Jugendlichen interessierenden Ausbildungsberufen<br />
und Studiengängen sowie über Bewerbungsverfahren und Formen der<br />
Erwerbsarbeit geben einen Einblick in die Stärken und Schwächen der einzelnen<br />
Interventionen 112.<br />
Im Falle der Veränderungen im Wissen um Inhalte liegen lediglich die mittleren<br />
Rangplätze des Schnupperpraktikums ‚Kraftfahrzeugtechnik’ und der<br />
‚Schnupperlehre’ höher als bei der Kontrollgruppe. In Hinblick auf die Anforderungen<br />
gestaltet sich das Bild nahezu analog. Bei den Veränderungen<br />
in den Kenntnissen über Arbeitsabläufe nehmen alle in die statistischen Berechnungen<br />
einbezogenen Orientierungsangebote einen höheren Rangplatz<br />
als die Kontrollgruppe ein. Die höchsten mittleren Ränge werden erneut<br />
von den Maßnahmen ‚Schnupperlehre’ und dem Schnupperpraktikum<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’ eingenommen. Den Zuwachs an Wissen über Er-<br />
111 Die mittleren Rangplätze der Geschlechter bezogen auf Veränderungen in den Antworten auf<br />
die einzelnen Items sind: Kenntnisse über Inhalte von Ausbildungsberufen/Studiengängen MRw<br />
= 33, MRm = 43, p = 0,048; Kenntnisse über Anforderungen von Ausbildungsberufen/Studiengängen<br />
MRw = 35, MRm = 46, p = 0,024; Kenntnisse über Arbeitsabläufe in Unternehmen<br />
MRw = 35, MRm = 41, p = 0,249; Kenntnisse über verschiedene Formen der Erwerbsarbeit als<br />
Möglichkeit der Existenzsicherung MRw = 29, MRm = 39, p = 0,023; Kenntnisse über Bewerbungsverfahren/Bewerbungsabläufe<br />
MRw = 33, MRm = 43, p = 0,032.<br />
112 Aufgrund der zum Teil sehr geringen Fallzahlen in den Interventionsgruppen wurden die<br />
Berechnungen wiederum nur für Orientierungsangebote, für die wenigstens acht Datensätze vorlagen,<br />
durchgeführt.<br />
272
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
werbsformen im Fokus sind bis auf das Schnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’<br />
bei allen weiteren Interventionen höhere mittlere Rangplätze<br />
als bei der Kontrollgruppe auszumachen. Dies gilt gleichfalls in Bezug auf<br />
den Kenntniszuwachs zur Thematik Bewerbungsverfahren und -abläufe.<br />
Mit fast durchgängig den höchsten mittleren Rängen hebt sich die<br />
‚Schnupperlehre’ klar von den anderen Interventionen ab. 113 Bis auf die<br />
Ungleichheiten in den Veränderungen bei den Arbeitsanforderungen sind<br />
alle Unterschiede zwischen den Gruppen auf dem 1% bzw. 5%-Niveau<br />
signifikant. Als maßgebliche Ursache für das deutliche Voranstehen der<br />
‚Schnupperlehre’ ist ihr zeitlicher Umfang zu vermuten. Zwar unterscheidet<br />
sich das insgesamt zur Verfügung stehende Zeitbudget teilweise nur unwesentlich<br />
von den anderen Maßnahmen. Ein Alleinstellungsmerkmal ist<br />
aber dahingehend vorzufinden, dass die Schülerinnen und Schüler über<br />
zwölf Wochen hinweg die Möglichkeit haben ihre Kenntnisse in einem authentischen<br />
Ausbildungs- und Arbeitsumfeld zu erweitern.<br />
Tabelle 15: Veränderungen im arbeitswelt- und berufsbezogenen Wissen der Jugendlichen in<br />
der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen zwischen Pre- und Posttest<br />
Teilgruppen Veränderungen in den Kenntnissen über<br />
Inhalte<br />
Anforderungen <br />
Arbeitsabläufe/Studienabläufe<br />
Formen<br />
der<br />
Erwerbsarbeit <br />
Bewerbungsverfahren,<br />
-abläufe<br />
Pos.* MR Pos.* MR Pos.* MR Pos.* MR Pos.* MR<br />
KontrollgruppeSchnupper-<br />
3 133 3 139 5 130 4 116 3 135<br />
21<br />
0<br />
praktikum<br />
KFZT<br />
1 206 2 148 2 157 5 114 4 116 8<br />
Schnupperlehre<br />
2 176 1 186 1 184 1 180 1 184 19<br />
Girls’Day<br />
[B]<br />
5 106 5 104 4 136 2 133 2 143 8<br />
Girls’Day<br />
[S]<br />
4 127 4 134 3 151 3 123 5 100 22<br />
Signifikanz<br />
(p-Wert)<br />
Signifikanz<br />
bei Einbe-<br />
0,005 0,061 0,023 0,003 0,005 267<br />
ziehung der<br />
Interventionen<br />
mit n>15<br />
0,041 0,035 0,005 0,000 0,001 251<br />
* Position des mittleren Rangplatzes<br />
113 Beim eingesetzten Berechnungsmodell unberücksichtigt bleiben die Niveauunterschiede, die<br />
schon zum Zeitpunkt des Pretests in den Untersuchungsgruppen bestanden.<br />
114 Es ist die gerundete durchschnittliche Fallzahl für alle Einzelitems angegeben.<br />
n 114<br />
273
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Noch intensiver kommen die Wirkungen der Maßnahmen in den im Posttest<br />
direkt abgefragten Beurteilungen der Interventionsteilnehmer zum<br />
Ausdruck. Etwa ein Drittel der Jugendlichen gab an, durch die Orientierungsmaßnahmen<br />
Berufsausbildungs- und Studieninhalte sowie deren Anforderungen<br />
kennengelernt zu haben sowie besser über Arbeitsabläufe informiert<br />
zu sein (vgl. Anhang 15). Ebenfalls ein Drittel schätzt ein, etwas<br />
über die Aussichten und Chancen einer Berufsausbildung bzw. eines Studiums<br />
erfahren und gleichfalls die Möglichkeit zum Sammeln praktischer Erfahrungen<br />
eingeräumt bekommen zu haben. Bei den Mädchen und Jungen,<br />
die ausschließlich die schulische Berufsorientierung nutzen, konstatiert nur<br />
etwa ein Zehntel besser über Aspekte wie Berufsausbildungs- und Studieninhalte,<br />
deren Anforderungen sowie Arbeitsabläufe Bescheid zu wissen.<br />
Dagegen werden der Wissenserwerb zum Verdienst in einer abgeschlossenen<br />
Ausbildung (je ca. 10%), zum Thema Bewerbung (je ca. 30%) sowie<br />
über Kontaktstellen bei denen Informationsmaterialien zur Berufsorientierung<br />
bezogen werden können (je ca. 30%), in den Teilgruppen relativ homogen<br />
bewertet. Hier, wie auch bezogen auf die Fähigkeit zur Einschätzung<br />
individueller beruflicher Interessen und Ziele, sind die Effekte von<br />
schu-lischer Berufsorientierung und Interventionen vergleichbar.<br />
Konträr zu den aufgezeigten Ergebnissen stehen die in der Follow-up-<br />
Befragung zum Ausdruck gebrachten Standpunkte der Jugendlichen, die<br />
eher keine Erweiterung des berufs- und arbeitsweltbezogenen Wissens erkennen<br />
lassen. Zu ihrem Erkenntnisgewinn reflektieren die Mädchen und<br />
Jungen u. a. wie folgt:<br />
274<br />
Schüler H (Gymnasium, 11. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Ich glaube, es waren drei oder vier Tage, drei dürften es gewesen sein.<br />
Immer von früh um neun oder acht bis um drei ungefähr, glaub ich.<br />
Und waren halt großteils erstmal so Orientierung, wie generell die Wege<br />
nach dem Abitur aussehen können. Ja, dann, ja halt mehr auf Bewerbung<br />
erstmal fixiert beziehungsweise Studien ein bisschen mit angeschnitten<br />
was es für Möglichkeiten es gibt, weil man das ja auch großteils<br />
schon mit in der Schule hatte beziehungsweise von der Uni ab und zu<br />
schon mal mitbekommen hat. Also, gerade bei uns an der Schule ist ja<br />
vom Praktikum her sowieso an der Uni vorgesehen und da hatten wir<br />
dann auch schon mal so Material gekriegt über Studiengänge, die es hier<br />
gibt. Und ansonsten halt Bewerbungsgespräche so ein bisschen simuliert,<br />
dann Teamworktraining und (Pause) was haben wir denn noch so<br />
gemacht? Ja, das wär so das Grobe, was mir jetzt grad so einfällt. Es ist<br />
ja jetzt auch schon ein halbes Jahr her.“ (Z. 10-19)
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
„Es war[en – Anm. d. Verf.] da noch die Exkursionen …, wo wir dann<br />
uns noch ein Unternehmen direkt angeguckt haben ein kleineres, dort<br />
mit den Leuten gesprochen haben, über ja so generell Aussichten. … irgendwas<br />
[mit – Anm. d. Verf.] Software machen die, ähm, hier in<br />
Chemnitz auch und ja wir hatten halt da die Chance mit dem Chef zu<br />
sprechen und so ein bisschen über Möglichkeiten bei denen einen Einblick<br />
zu erhalten. Also, auch mit den Mitarbeitern dort noch Kontakt zu<br />
haben.“ (Z. 23 -28)<br />
Schülerin D (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Das war, glaub ich, in der zweiten Ferienwoche, in der zweiten Osterferienwoche<br />
und es ging von Montag bis Freitag. Und hab dorthin halt das<br />
ganze Gelände kennengelernt, wo was ist und sind dann reingekommen<br />
in die Küche und die Backstube und haben, haben zuerst halt Rezepte<br />
aufgeschrieben und dann halt angefangen mit beim Plätzchenbacken so<br />
Plätzchen ausge-, na also Teig ausgerollt, Plätzchen, die Formen ausgestochen,<br />
so Kleinigkeiten erstmal kennengelernt, so. Wir haben auch<br />
einen Tag Schokoladen bekommen, hergestellt, dann selber halt Sachen<br />
zusammengesucht, Sachen abgewogen, Teig selber angerührt mit dem<br />
Konditormeister. Waren einen Tag, weiß nicht ganz genau wo, waren<br />
wir halt in der Konditorei, waren drinne in der Backstube haben wir halt<br />
gesehen, wie das halt so aufgebaut ist, wie es abläuft und was dann hergestellt<br />
wird. Und haben halt viel praktische Sachen gemacht, halt praktische<br />
Sachen kennengelernt und ja war schon mal ein bissl informativ.“<br />
(Z. 11-21)<br />
„Ich wusste schon vorher, bevor ich den Schnupperkurs gemacht habe,<br />
dass man nur halt Gebäck macht und halt immer halt. Na, ich wusste<br />
halt schon vorher eigentlich, was man da so macht.“ (Z. 63-65)<br />
Der Teilnehmerin des Schnupperpraktikums ‚Konditorei/Verkauf’ sind<br />
vor allem die praktischen Einblicke und Möglichkeiten des Ausprobierens<br />
in Erinnerung geblieben. Sie bringt jedoch auch klar zum Ausdruck, dass<br />
die in der Orientierungsmaßnahme vermittelten Inhalte, für sie nicht neu<br />
waren. Analog zu ihr reflektieren auch andere in der Follow-up-Erhebung<br />
befragte Jugendliche:<br />
Schüler B (Mittelschule, 8. Klasse, Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Naja, so konnte ich mir halt denken, dass ich ziemlich früh aufstehen<br />
muss und dass halt nicht alles ganz leicht ist. Ist halt auch so gewesen.“<br />
(Z. 65-70)<br />
Ich wollte mich vergewissern, „dass der Beruf halt so ist, wie ich es mir<br />
bis jetzt so gedacht hatte. Da hab ich dann gemerkt, dass es eigentlich<br />
auch so ist.“ (Z. 69-70)<br />
275
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
276<br />
Schülerin C (Mittelschule, 9. Klasse, ‚Girls’Day’ [B]):<br />
„Also, mein Bild, ich hab dadurch nichts Negatives sag ich mal gelernt<br />
durch den Girls’Day, eher noch mehr so gestärkt sag ich mal, das was<br />
ich wusste.“ (Z. 70-71)<br />
Schüler H (Gymnasium, 11. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„War insofern also ziemlich Bestätigung für mich weiter zu machen in<br />
die Richtung und … dann nur mehr oder weniger eine Auffrischung<br />
oder Aktualisierung.“ (Z. 80-83)<br />
Die im Posttest zu findende Wissenserweiterung spiegelt sich demnach innerhalb<br />
der Follow-up-Interviews nur verhalten wider.<br />
9.12 Informationsbereitschaft und<br />
Flexibilität im Berufsorientierungsprozess<br />
Maximal 15% (Pretest) bzw. 27% (Posttest) der Mädchen und Jungen der<br />
Interventions- und Kontrollgruppe schätzen ihr Wissen über Inhalte, Anforderungen<br />
und Arbeitsabläufe in den sie interessierenden Ausbildungsberufen<br />
und Studiengängen sowie über Formen der Erwerbsarbeit als ‚sehr<br />
gut’ ein. Weniger als die Hälfte der befragten Jugendlichen benannte potenzielle<br />
Ausbildungsbetriebe bzw. Arbeitgeber. Die Ergebnisse der Mittelwertberechnungen<br />
der Skala Informationsbereitschaft und Flexibilität legen nahe,<br />
dass die bestehenden Informationsdefizite offensichtlich nicht auf einer<br />
mangelnden Bereitwilligkeit, sich entsprechende Informationen zu beschaffen,<br />
beruhen und die Jugendlichen insgesamt eine hohe Flexibilität und<br />
Kompromissbereitschaft im Berufsorientierungsprozess vorweisen. Die<br />
Einzelitems der Skala, Beispiele sind „Bevor man sich für einen bestimmten<br />
Beruf entscheidet, sollte man herauszubekommen versuchen, was<br />
man in diesem Beruf tun muss und ob einem dieser wirklich liegt.“ und<br />
„Um im Beruf vorwärtszukommen, muss man auch später noch bereit sein,<br />
weiterzulernen.“, erfahren durchschnittlich eine hohe Zustimmung. Die<br />
Mittelwerte der Kontrollgruppe liegen im Pre- und Posttest niedriger als die<br />
der Interventionsgruppe (�KG-Pre = 3,52; �KG-Post = 3,37; �IG-Pre = 3,54;<br />
�IG-Post = 3,52). Am niedrigsten ist die Informationsbereitschaft und Flexibilität<br />
zum ersten Erhebungszeitpunkt beim ‚Girls’Day [S], am ausgeprägtesten<br />
bei ‚JobGalaxy’ (vgl. Anhang 32). Zum zweiten Messzeitpunkt ist die<br />
höchste Informationsbereitschaft und Flexibilität bei den Mädchen und<br />
Jungen des Schnupperpraktikums ‚Kraftfahrzeugtechnik’, die niedrigste bei
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
denen der ‚Schnupperlehre’ zu finden. Die Bereitwilligkeit zur Informationsbeschaffung<br />
und zu Kompromissen im Kontext der Berufswahl sinkt<br />
vom Pretest zum Posttest bei den Schülerinnen und Schülern der Kontrollgruppe<br />
und bei den drei Interventionen ‚JobGalaxy’, ‚Schnupperlehre’ und<br />
Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’. Möglicherweise hatte im Kontext<br />
dieser Maßnahmen und in den Schulen der Prozesscharakter von Berufsorientierung<br />
und damit auch die wiederkehrende Notwendigkeit, berufliche<br />
Entscheidungen zu treffen, zu geringen Stellenwert oder aber den<br />
Mädchen und Jungen wurde suggeriert, dass Informationsbereitschaft und<br />
Flexibilität nicht allein maßgeblich für einen erfolgreichen Übergang zwischen<br />
Schule und Arbeitswelt sind.<br />
Die Ergebnisse der zweifaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholungsfaktor<br />
belegen den differenziellen Entwicklungsverlauf zwischen den<br />
verschiedenen Gruppen. Während die Haupteffekte, also die Zugehörigkeit<br />
zu einer der Untersuchungsgruppen sowie der Zeiteffekt keine Signifikanz<br />
aufweisen, ist der Interaktionseffekt mit p = 0,024 signifikant. Die Wechselbeziehung<br />
von Gruppen- und Zeitfaktor klärt jedoch nur 4% der<br />
Varianz auf. Der Erkenntnisgewinn zum Zusammenwirken der beiden Einflussfaktoren<br />
ist damit insgesamt eingeschränkt.<br />
Abschließend ist auf schwache bis mittlere Korrelationen115 der Informationsbereitschaft<br />
und Flexibilität mit dem ‚beruflichen Engagement’ sowie dem<br />
‚Streben nach sinnstiftenden Tätigkeiten und nach Umsetzung von familiären<br />
und freizeitbezogenen Interessen’ in der Interventions- und Kontrollgruppe<br />
hinzuweisen. Je größer das Berufswahlengagement und je stärker der<br />
Wunsch nach Selbstverwirklichung, desto höher ist in der Tendenz die Informationsbereitschaft<br />
und Flexibilität bei den Jugendlichen beider Teilgruppen. Sie<br />
determiniert die zwei Parameter im Posttest bis zu 38%. 116 Die Wahrscheinlichkeit<br />
für einen Zufall ist mit p = 0,000 stets kleiner als 1%. Ein<br />
systematischer Zusammenhang kann demnach als nachgewiesen angesehen<br />
werden.<br />
115 Berechnet wurde die Produkt-Moment-Korrelation mit dem Korrelationskoeffizienten nach<br />
Pearson.<br />
116 Kontrollgruppe: Berufswahlengagement rKG-Post = 0,291; Selbstverwirklichung: rKG-Post = 0,382;<br />
Interventionsgruppe: Berufswahlengagement rIG-Post = 0,352; Selbstverwirklichung: rIG-Post = 0,620;<br />
Die Stärke des Zusammenhangs steigt vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt.<br />
277
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
9.13 Eigenverantwortung in der<br />
beruflichen Orientierung<br />
Das gezeigte Berufswahlengagement und die hohe Informationsbereitschaft und Flexibilität<br />
der Jugendlichen lässt gleichfalls ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl<br />
für den eigenen beruflichen Weg erwarten. Tatsächlich bestätigen<br />
die Mittelwerte der Skala Eigenverantwortung in der Berufsorientierung die<br />
Einsicht der Mädchen und Jungen, selbst Voraussetzungen für einen gelingenden<br />
Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt schaffen zu müssen.<br />
Aussagen wie „Ich muss meine berufliche Laufbahn in einem vorgegebenen<br />
Rahmen selber mitgestalten.“ und „Ein guter Schulabschluss ist<br />
die beste Voraussetzung für einen guten Berufsstart.“ sind Beispielitems<br />
der eingesetzten Skala.<br />
Im Pretest weisen die Kontrollgruppe (�KG-Pre = 3,63; �KG-Post = 3,56) und<br />
im Posttest die Interventionsgruppe (�IG-Pre/�IG-Post = 3,61) höhere Mittelwerte<br />
auf, wobei die der Jugendlichen in den Orientierungsmaßnahmen unabhängig<br />
von geringen geschlechterspezifischen Unterschieden auf dem<br />
gleichen Niveau verbleiben (vgl. Anhang 33). Die weiblichen und männlichen<br />
Befragungsteilnehmenden im Einzelnen betrachtet, zeigt sich in der<br />
Kontrollgruppe homogen eine schwache Verringerung des individuellen<br />
Pflichtgefühls für die berufliche Zukunft. In der Interventionsgruppe<br />
nähern sich die Geschlechter einander an, wobei die Jungen im Posttest ein<br />
gestärktes Verantwortungsbewusstsein in Hinblick auf die Eigenverantwortung<br />
in der beruflichen Orientierung aufweisen. Die Mittelwerte in den<br />
Einzelinterventionen entwickeln sich von Messzeitpunkt zu Messzeitpunkt<br />
unterschiedlich. Während beim Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’<br />
und der ‚Schnupperlehre’ das Gestaltungsbewusstsein der Teilnehmenden<br />
sinkt, erfolgt bei den weiteren Interventionen eine Steigerung. Die Ergebnisse<br />
der zweifaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholungsfaktor zeigen<br />
jedoch, dass die Differenzen zwischen den Gruppen, der Zeiteffekt,<br />
wie auch die Interaktion zwischen den Gruppen und dem Faktor Zeit nur<br />
maximal 3% der Varianz aufklären und jeweils deutlich nicht signifikant<br />
sind. Die Mittelwertunterschiede können demnach das Resultat von Zufallsschwankungen<br />
sein.<br />
In der Tendenz steigen das Berufswahlengagement, der Wunsch nach Selbstverwirklichung<br />
sowie die Informationsbereitschaft und Flexibilität im Berufsorientierungsprozess<br />
mit der Eigenverantwortung. Innerhalb des Pretests konnten in<br />
der Interventions- und Kontrollgruppe schwache bis mittlere positive Kor-<br />
278
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
relationen zwischen den einzelnen Parametern ermittelt werden, im Posttest<br />
dagegen mittlere bis hohe. 117 Die Korrelationen sind auf dem 1%-<br />
Niveau signifikant. In ihrer Effektstärke am intensivsten ausgeprägte<br />
Wechselbeziehungen bestehen in beiden Teilgruppen zwischen der Eigenverantwortung<br />
und der Informationsbereitschaft und Flexibilität. Die Varianzaufklärung<br />
beträgt hier 55% bei der Interventionsgruppe bzw. 61% bei der<br />
Kontrollgruppe. Keine signifikanten Zusammenhänge bestehen in den<br />
Teilgruppen zwischen der Eigenverantwortung und der Einschätzung der<br />
Chancen auf eine Berufsausbildung bzw. ein Studium. D. h der persönliche<br />
Einsatz und individuelle Leistungen, wie z. B. ein guter Schulabschluss ist<br />
nicht zwangsläufig auch mit der Aussicht auf einen gelingenden Übergang<br />
zwischen Schule und Arbeitswelt verbunden. Hierin bestätigt sich der bereits<br />
in Kapitel 9.10 für die Interventionsgruppe konstatierte fehlende Zusammenhang<br />
zwischen den Bewerbungsaktivitäten und den eingeschätzten<br />
Aussichten auf einen erfolgreichen Übergang von der Schule in eine Berufsausbildung<br />
bzw. ein Studium.<br />
9.14 Allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung<br />
Die Selbstwirksamkeitserwartung ist Ausdruck der subjektiven Überzeugung<br />
aufgrund eigenen Handelns schwierige Anforderungen bewältigen zu<br />
können. Sie beeinflusst u. a. die Auswahl von Handlungen und gezeigte<br />
Anstrengungen. Vor diesem Hintergrund ist zu vermuten, dass die Jugendlichen<br />
der Interventionsgruppen, die sich durch ihre Teilnahme an den einzelnen<br />
Orientierungsmaßnahmen in besonderer Weise der Herausforderung<br />
Berufswahl stellen, über eine höhere allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung<br />
verfügen und diese während den Interventionen durch erworbenes<br />
Wissen (vgl. Kapitel 9.11) noch gestärkt wird. Die berechneten Mittelwerte<br />
(vgl. Anhang 34) zeigen einerseits, dass die Mädchen und Jungen der Interventions-<br />
und Kontrollgruppe zu beiden Messzeitpunkten über eine, wenn<br />
auch nicht sehr ausgeprägte, dann dennoch in der Tendenz hohe allgemeine<br />
Selbstwirksamkeitserwartung verfügen. Andererseits bestehen außerhalb<br />
der Differenzierung der Interventionsgruppe nur geringfügige Unterschiede<br />
117 Kontrollgruppe: Berufswahlengagement rKG-Pre = 0,178; rKG-Post = 0,314; Selbstverwirklichung:<br />
rKG-Pre = 0,367; rKG-Post = 0,464; Informationsbereitschaft: rKG-Pre = 0,498; rKG-Post = 0,618; Interventionsgruppe<br />
Berufswahlengagement rIG-Pre = 0,282; rIG-Post = 0,404; Selbstverwirklichung: rIG-Pre =<br />
0,508; rIG-Post = 0,641; Informationsbereitschaft: rIG-Pre = 0,556; rIG-Post = 0,690; Berechnet wurde<br />
die Produkt-Moment-Korrelation mit dem Korrelationskoeffizienten nach Pearson. Die Stärke<br />
des Zusammenhangs steigt vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt.<br />
279
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
zwischen den Maßnahmteilnehmenden und den Jugendlichen, die ausschließlich<br />
die schulische Berufsorientierung nutzten, wobei erstere jeweils<br />
etwas höhere Werte aufweisen. Insgesamt ergeben sich vom Pretest und<br />
Posttest in der Kontrollgruppe (+0,03) und in der Interventionsgruppe<br />
(+0,08) nur minimale Veränderungen. Auf Ebene der Einzelinterventionen<br />
reicht die Spannbreite der Mittelwerte im Pretest von �IG-Pre = 2,91 beim<br />
‚Girls’Day’ [S] bis �IG-Pre = 3,10 bei ‚JobGalaxy Future’. Auch im Posttest<br />
ist die allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung der Teilnehmenden des<br />
‚Girls’Day’ [S], gemeinsam mit ‚JobGalaxy’ mit �IG-Post = 2,95 am niedrigsten,<br />
während die höchsten Werte von Jungen und Mädchen der<br />
‚Schnupperlehre’ erreicht werden (�IG-Post = 3,22). Jedoch setzt sich dieses<br />
Bild bei näherer Betrachtung der geschlechts-spezifischen Veränderungen<br />
in den Maßnahmen nicht fort. Über alle Interventionen, bei denen sowohl<br />
Daten von Jungen als auch von Mädchen ausgewertet werden konnten, ist<br />
jeweils eine disparate Entwicklung bei den männlichen und weiblichen Befragten<br />
zu konstatieren. Die Veränderungen verlaufen in ihrer Richtung unterschiedlich<br />
und sind nicht davon abhängig, ob die Gruppenzusammensetzung<br />
geschlechterhomogen oder -heterogen ist. Einen Gewinn in ihrer<br />
allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung können zum Großteil die Jungen<br />
verzeichnen. Möglicherweise haben sie mehr Erfolgserlebnisse durch die<br />
ihre Leistungsüberzeugung eine stärkere Formung erhält, sei es, weil sie ihre<br />
eigenen Interessen und Meinungen besser durchsetzen konnten oder<br />
weil sie beispielsweise mehr Aufmerksamkeit erhielten.<br />
Die Ergebnisse der zweifaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholungsfaktor<br />
zeigen auf, dass die bestehenden Mittelwertunterschiede lediglich<br />
auf Zufallsschwankungen basieren. Die Differenzen zwischen den<br />
Gruppen, der Zeiteffekt, wie auch die Interaktion zwischen den Gruppen<br />
und dem Faktor Zeit sind nicht signifikant und klären maximal 3% der<br />
Varianz auf. Überprüft wurde ferner der Zusammenhang zwischen der allgemeinen<br />
Selbstwirksamkeitserwartung und der Einschätzung von Chancen<br />
auf eine Berufsausbildung bzw. ein Studium sowie dem empfundenen<br />
Vorbereitungsstand im Berufsorientierungsprozess. Bei der Kontrollgruppe<br />
sind zu den zwei Messzeitpunkten Korrelationen in Hinsicht auf die genannten<br />
Aspekte vorzufinden. Tendenziell fühlen sich die Jugendlichen, die<br />
keine Orientierungsmaßnahmen nutzen und über eine ausgeprägte allgemeine<br />
Selbstwirksamkeitserwartung verfügen, besser auf die Berufswahl<br />
vorbereitet und rechnen sich höhere Chancen nach Verlassen der Schule<br />
aus. Obgleich die Effektstärke der Wechselbeziehungen mit einer Varianzaufklärung<br />
von maximal 10% nur schwach ausgeprägt ist, sind die Zusam-<br />
280
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
menhänge zum Teil hoch signifikant. 118 Nach den vorliegenden Resultaten<br />
können die bisherige Auseinandersetzung mit der Berufswahl, die bereits<br />
genutzten Informationsquellen zur beruflichen Orientierung sowie das<br />
vorhandene arbeitswelt- und berufsbezogene Wissen nicht ursächlich für<br />
diese Befunde sein, denn die Faktoren sind in der Interventionsgruppe identisch<br />
oder gar besser ausgeprägt. Vielmehr ist zu vermuten, dass sich die<br />
Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer noch wenigen Erfahrungen in der<br />
Arbeitswelt selbst überschätzen. Im Gegensatz zur Kontrollgruppe sind bei<br />
den Mädchen und Jungen, die eine außerschulische Orientierungsmaßnahme<br />
wahrnehmen, lediglich im Posttest schwache signifikante Korrelationen<br />
zum Vorbereitungsstand nachzuweisen. Möglicherweise liegt hierin, neben<br />
den bereits ausgeführten Teilnahmemotiven (vgl. Kapitel 9.3), ein weiterer<br />
Grund, warum Jugendliche an Orientierungsmaßnahmen teilnehmen. Sie<br />
sind trotz besserer Schulnoten und damit günstigeren Ausgangsvoraussetzungen<br />
für den Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt eben nicht wie<br />
die Gleichaltrigen der Kontrollgruppe überzeugt, den Berufsorientierungsprozess<br />
angemessen bewältigen zu können und suchen nach<br />
Unterstützung bei der Aufgabe Berufswahl. Im Zeitverlauf gewinnen sie<br />
das Gefühl, der Herausforderung des Übergangs zwischen Schule und Arbeitswelt<br />
durch die Berufsorientierung besser gewachsen zu sein.<br />
9.15 Bewertung der Bedeutsamkeit<br />
arbeitsweltbezogener Kompetenzen<br />
und ihrer individuellen Verfügbarkeit<br />
Zur Abfrage, welche Kompetenzen nach Einschätzung der Jugendlichen in<br />
der Arbeitswelt von Bedeutung sind und in welchem Maße sie nach<br />
eigenem Empfinden über diese verfügen, wurden vier Subskalen herangezogen.<br />
Es erfolgte eine Differenzierung zwischen Sachkompetenz, Sozialkompetenz,<br />
Selbstkompetenz und Methodenkompetenz. Für Kenntnisse, Fertigkeiten<br />
und Fähigkeiten, die in fachübergreifenden Bereichen Anwendung finden<br />
können, d. h. Sachkompetenz steht das Beispielitem‚ Wirtschaftskenntnisse<br />
und Grundkenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge’. Sozialkompetenz,<br />
als Synonym für die Fähigkeit zur Kommunikation, zum Informationsaustausch<br />
und zu sozialen Beziehungen, wurde abgebildet durch Items wie<br />
‚mit anderen zusammenzuarbeiten’ oder ‚Sichtweisen und Interessen anderer<br />
berücksichtigen’. Die ‚Fähigkeit, Verantwortung für den Berufsweg zu<br />
118 Chancen: rKG-Pre = 0,224; rKG-Post = 0,328; pKG-Pre = 0,001; pKG-Post = 0,000; Vorbereitung: rKG-Pre =<br />
0,292; rKG-Post = 0,150; pKG-Pre = 0,000; pKG-Post = 0,023<br />
281
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
übernehmen’ und die ‚Kenntnis der eigenen Grenzen/Fähigkeit der realistischen<br />
Selbsteinschätzung’ repräsentieren die Skala zur Selbstkompetenz,<br />
welche individuelle Haltungen ausdrückt. Die Methodenkompetenz bezieht<br />
sich auf Verhaltensweisen bei der Problem- und Aufgabenbewältigung und<br />
fand in Items wie der ‚Fähigkeiten konzentriert und diszipliniert zu arbeiten’<br />
sowie der ‚Fähigkeit zur Selbstorganisation und zum selbstständigen<br />
Arbeiten’ Verankerung.<br />
Welche Kompetenzen erachten die Befragten für die zukünftige Berufsausbildung<br />
oder den angestrebten Studiengang als wichtig? Über alle<br />
vier Kompetenzdimensionen hinweg erkennen die Jugendlichen das auf<br />
dem Ausbildungsmarkt an sie gestellte Anforderungsniveau. Damit schließen<br />
sie an die Debatte zum Thema Ausbildungsreife an und spiegeln die<br />
signalisierten Erwartungen auf Seiten der Unternehmen wider (vgl. Kapitel<br />
2.3). Wie in Abbildung 12 veranschaulicht, werden die Fähigkeitsbereiche<br />
in den beiden Teilgruppen durchgängig als ‚eher wichtig’ mit Tendenz zum<br />
‚wichtig’ bewertet. Das wahrgenommene Anforderungsniveau ist im Preund<br />
Posttest im Bereich der Sozialkompetenzen am höchsten, also jenen<br />
Fähigkeiten und Fertigkeiten, die auch im Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife<br />
zentral sind (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2009b, S. 20 ff.).<br />
Zum Zeitpunkt des Pretests sehen die Jugendlichen der Interventionsgruppen<br />
zudem Sachkompetenzen als relevant für eine Berufsausbildung oder<br />
ein Studium an, also jene Aspekte, von denen sie erwarten, im Rahmen der<br />
Orientierungsangebote mehr zu erfahren.<br />
Abbildung 12: Bewertung der Wichtigkeit von Kompetenzen für die Berufsausbildung oder ein<br />
Studium durch die Jugendlichen in der Kontroll- und der Interventionsgruppe<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests nach Kompetenzbereichen 119<br />
Mittelwert<br />
282<br />
3,6<br />
3,2<br />
2,8<br />
2,4<br />
2<br />
Messzeitpunkt<br />
IG KG IG KG<br />
Pretest Posttest<br />
Sachkompetenz<br />
Sozialkompetenz<br />
Selbstkompetenz<br />
Methodenkompetenz<br />
119 Zur Wahrung der Übersichtlichkeit sind innerhalb der Abbildung keine Fallzahlen angegeben.<br />
Diese sind den im Text angegebenen Anhängen zu entnehmen. Die Antwortvorgaben sind wie<br />
folgt kodiert: 4 = ‚stimmt genau’, 1 = ‚stimmt nicht’.
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Die Mittelwerte der Interventions- und der Kontrollgruppe unterscheiden<br />
sich zu den beiden Messzeitpunkten über alle vier Kompetenzdimensionen<br />
jeweils nur minimal. 120 Im Vergleich der Einzelinterventionen und der<br />
Kompetenzbereiche ist zu diagnostizieren: Die Sachkompetenzen erfahren<br />
vor allem bei den Jugendlichen, welche das Schnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’<br />
nutzen, einen Bedeutungsverlust (-0,43; vgl. Anhang 35).<br />
Zudem sehen sich die Schülerinnen und Schüler, die sich im Nahrungsmittelhandwerk<br />
bzw. im Verkauf beruflich orientierten, mit Abschluss des<br />
Orientierungsangebotes in geringerem Maße mit Anforderungen bezogen<br />
auf die Sozialkompetenz (-0,98) konfrontiert (vgl. Anhang 36 f.). Gleiches<br />
gilt für Teilnehmende der ‚Schnupperlehre’ (-0,60). Die Rezipientinnen und<br />
Rezipienten des ‚Girls’Day’ [S] und des Schnupperpraktikums ‚Konditorei/<br />
Verkauf’ sprechen zudem der Selbstkompetenz auffällig Bedeutung ab (jeweils<br />
-0,45). Für letztere Gruppe ist dies auch in Hinsicht auf die Methodenkompetenz<br />
hervorzuheben (-0,49). Im Vergleich zwischen den Orientierungsmaßnahmen<br />
trägt vor allem der ‚Girls’Day’ [B] dazu bei, dass die<br />
Teilnehmerinnen die Wichtigkeit von Fähigkeiten und Fertigkeiten nach<br />
Abschluss des Angebotes höher bewerten. Gegenüber den Mädchen und<br />
Jungen der anderen Interventionen gewinnen die Sach-, Sozial-, Selbstkompetenz<br />
bei ihnen an Stellenwert.<br />
Wenn es um die Beurteilung der eigenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und<br />
Kenntnisse geht, zeigt sich folgendes Bild: Grundsätzlich schreiben sich die<br />
Befragten ein recht hohes Kompetenzniveau zu, jedoch liegt dieses deutlich<br />
unter dem wahrgenommenen Anforderungsniveau (vgl. Abbildung 12 und<br />
Abbildung 13). Die Varianz in den Antworten zur Verfügbarkeit der Kompetenzen<br />
unterscheidet sich in der Interventions- und der Kontrollgruppe<br />
nur in geringem Maße von der zur Wichtigkeit. Dies spricht dafür, dass die<br />
Mädchen und Jungen möglicherweise im Sinne sozialer Erwünschtheit<br />
antworteten.<br />
Das beträchtlichste Potenzial sehen die Befragten der beiden Teilgruppen<br />
im Pre- und Posttest in ihrer Sozialkompetenz, das niedrigste in der Sachkompetenz.<br />
Zurück stehen vor allen Dingen Wirtschaftskenntnisse und<br />
Grundkenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge (vgl. Abbildung 14 und<br />
Abbildung 15). Rückblickend auf die Ergebnisse zum arbeitswelt- und berufsbezogenen<br />
Wissen und den zum Teil erheblichen Antwortausfällen<br />
verwundert dieser Umstand nicht. Während in der Interventionsgruppe im<br />
120 Sachkompetenz: �IG-Pre = 3,56; �IG-Post = 3,20; �KG-Pre = 3,20; �KG-Post = 3,15; Sozialkompetenz:<br />
�IG-Pre = 3,55; �IG-Post = 3,28; �KG-Pre = 3,50; �KG-Post = 3,41; Selbstkompetenz: �IG-Pre = 3,37; �IG-Post<br />
= 3,28; �KG-Pre = 3,35; �KG-Post = 3,29; Methodenkompetenz: �IG-Pre = 3,45; �IG-Post = 3,29; �KG-Pre =<br />
3,37; �KG-Post = 3,30<br />
283
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Zeitverlauf eine Steigerung der verfügbaren Sach- und Selbstkompetenz<br />
festzustellen ist, trifft dies bei der Kontrollgruppe nur beim fachlichen Wissen<br />
zu. Besonders die Adressaten des Schnupperpraktikums ‚Kraftfahrzeugtechnik’<br />
und die Mädchen und Jungen der ‚Schnupperlehre’ sehen ihre<br />
Fachkenntnisse gestärkt. Die Mittelwerte steigen bei diesen Befragten um<br />
+0,92 und +0,81 (vgl. Anhang 35).<br />
Abbildung 13: Beurteilung der persönlichen Verfügbarkeit von Kompetenzen durch die Jugendlichen<br />
in der Kontroll- und der Interventionsgruppe zum Zeitpunkt des Pre-<br />
und des Posttests nach Kompetenzbereichen 121<br />
Mittelwert<br />
284<br />
3,6<br />
3,2<br />
2,8<br />
2,4<br />
2<br />
IG KG IG KG<br />
Pretest Posttest<br />
Messzeitpunkt<br />
Sachkompetenz<br />
Sozialkompetenz<br />
Selbstkompetenz<br />
Methodenkompetenz<br />
Konträr zur Entwicklung der Sachkompetenz nehmen die Mittelwerte der<br />
Skalen zur Sozial- und Methodenkompetenz vom Pretest zum Posttest in<br />
beiden Untersuchungsgruppen ab bzw. bleiben vergleichbar. 122 Jedoch bewerten<br />
auf Ebene der Einzelinterventionen nicht alle Jugendlichen das eigene<br />
Kompetenznivau zum zweiten Messzeitpunkt unverändert. Ein leichter<br />
Anstieg der Mittelwerte der Sozialkompetenz ist bei Jugendlichen, die<br />
an der ‚Schnupperlehre’ (+0,03) und ‚JobGalaxy Future’ (+0,09) teilnahmen<br />
sowie bei den Nutzerinnen des ‚Girls’Day’ [B] (+0,21) zu verzeichnen (vgl.<br />
Anhang 36). Bei den Methodenkompetenzen profitieren die Schülerinnen<br />
und Schüler der beiden Schnupperpraktika, der ‚Schnupperlehre’ und dem<br />
‚Girls’Day’ [B] (bis zu +0,14; vgl. Anhang 38). Auch innerhalb der Followup-Befragung<br />
zeigen sich gegenläufige Positionen zur quantitativ festgestellten<br />
Abnahme verfügbarer Kompetenzen. In den Berichten der Jugendlichen<br />
dominieren Aussagen, die sich auf den Bereich der Sozialkompetenz<br />
beziehen und diesbezügliche Erkenntnisgewinne unterstreichen, wie die<br />
folgenden Interviewpassagen eines Teilnehmers des Schnupperpraktikums<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’ sowie von Teilnehmerinnen des Schnupperpraktikums<br />
‚Konditorei/Verkauf’ und von ‚JobGalaxy Future’ belegen:<br />
121 vgl. Fußnote 119<br />
122 Sozialkompetenz: IG: -0,05 KG: -0,06; Methodenkompetenz: IG: +/-0 KG: -0,04
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Abbildung 14: Beurteilung der persönlichen Verfügbarkeit von Kompetenzen durch die<br />
Jugendlichen in der Kontrollgruppe zum Zeitpunkt des Posttests 123 (n=227)<br />
Sachkompetenzen<br />
Wirtschaftskenntnisse<br />
praktische Vorkenntnisse im Beruf<br />
Grundlagenwissen zum Ausbildungsberuf/Studiengang<br />
Spezialwissen zum Ausbildungsberuf/Studiengang<br />
Sozialkompetenzen<br />
positive Selbstdarstellung<br />
Verlässlichkeit<br />
Berücksichtigung Sichtweisen und Interessen anderer<br />
Ausdrucksvermögen<br />
Teamfähigkeit<br />
Selbstkompetenzen<br />
kritisches Denken<br />
realistische Selbsteinschätzung<br />
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit<br />
Verantwortung für den Berufsweg zu übernehmen<br />
Durchsetzungsvermögen, Beharrlichkeit<br />
Initiative zu ergreifen, sich einzubringen<br />
Methodenkompetenzen<br />
konzentriert und diszipliniert arbeiten<br />
Flexibilität<br />
Kreativität<br />
Wissenslücken erkennen u. schließen<br />
Umgang mit Medien u. Computer<br />
Selbstorganisation u. selbstständiges Arbeiten<br />
18<br />
46<br />
49<br />
47<br />
56<br />
66<br />
66<br />
64<br />
64<br />
70<br />
67<br />
67<br />
70<br />
67<br />
71<br />
74<br />
78<br />
76<br />
77<br />
87<br />
88<br />
68<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Angaben in % verfügbar defizitär<br />
123 Die Kategorie ‚verfügbar’ fasst die Ergebnisse der die Antwortvorgaben ‚in hohem Maße’ und<br />
‚in eher hohem Maße’ zusammen. Unter ‚defizitär’ sind die Resultate auf die Antwortvorgaben<br />
‚in eher geringem Maße’ und ‚in geringem Maße’ gruppiert.<br />
45<br />
43<br />
47<br />
37<br />
25<br />
27<br />
25<br />
28<br />
29<br />
22<br />
31<br />
23<br />
23<br />
28<br />
19<br />
16<br />
18<br />
19<br />
8<br />
9<br />
285
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Abbildung 15: Beurteilung der persönlichen Verfügbarkeit von Kompetenzen durch die<br />
Jugendlichen in der Interventionsgruppe zum Zeitpunkt des Posttests 124 (n= 78)<br />
Grundlagenwissen zum Ausbildungsberuf/Studiengang<br />
286<br />
Spezialwissen zum Ausbildungsberuf/Studiengang<br />
Berücksichtigung Sichtweisen und Interessen anderer<br />
Verantwortung für den Berufsweg zu übernehmen<br />
Selbstorganisation u. selbstständiges Arbeiten<br />
124 vgl. Fußnote 123<br />
Sachkompetenzen<br />
Wirtschaftskenntnisse<br />
praktische Vorkenntnisse im Beruf<br />
Sozialkompetenzen<br />
positive Selbstdarstellung<br />
Verlässlichkeit<br />
Ausdrucksvermögen<br />
Teamfähigkeit<br />
Selbstkompetenzen<br />
kritisches Denken<br />
realistische Selbsteinschätzung<br />
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit<br />
Durchsetzungsvermögen, Beharrlichkeit<br />
Initiative zu ergreifen, sich einzubringen<br />
Methodenkompetenzen<br />
konzentriert und diszipliniert arbeiten<br />
Flexibilität<br />
Kreativität<br />
Wissenslücken erkennen u. schließen<br />
Umgang mit Medien u. Computer<br />
41<br />
63<br />
62<br />
66<br />
64<br />
68<br />
69<br />
69<br />
72<br />
71<br />
74<br />
73<br />
77<br />
78<br />
76<br />
79<br />
76<br />
82<br />
79<br />
82<br />
89<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Angaben in % verfügbar defizitär<br />
48<br />
30<br />
25<br />
32<br />
29<br />
19<br />
26<br />
23<br />
19<br />
22<br />
17<br />
18<br />
11<br />
21<br />
23<br />
18<br />
20<br />
13<br />
16<br />
14<br />
8
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Schüler E (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’):<br />
„Also im Praktikum, da bist du ja allein. Und im Schnupperkurs da bist<br />
du halt mit mehreren zusammen, da kannst du ja auch lernen in der<br />
Gruppe zu arbeiten.“ (Z. 125-126)<br />
Schülerin D (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Naja, ich merk schon, dass ich gerne im Team arbeite. Ich arbeite gerne<br />
im Team, aber auch gerne alleine. Und das ist halt, Konditor, ist alles<br />
beides mit verbunden. Und ja, also bei den Fragebögen, die ich ausgefüllt<br />
hab, hab ich halt auch mitbekommen, dass halt nicht nur halt, wie<br />
schnell ich arbeite und so was halt, spielt nicht ne Rolle, sondern halt ob<br />
ich auch im Teamfähigkeit, ob ich auch halt helfe […]. Es waren bestimmte<br />
Sachen, wo ich denk so, ah, spielt auch ne Rolle.“ (Z. 94-99)<br />
Schülerin I (Gymnasium, 12. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Naja, wir hatten halt viele Selbsteinschätzungstests und diese, dieses<br />
Teamwork und so, wo wir dann zusammen in einer Gruppe auf Zeitdruck<br />
was ausarbeiten mussten. Da hat man halt gemerkt, was man kann<br />
und was man nicht kann. Das zum Beispiel halt, dass mit dem Teamwork<br />
sehr gut klappt. Und dass man halt auch so eine Art Führungsrolle<br />
hat, also zumindest hab ich mich dann immer so die Führungsperson<br />
meistens mit. Ja, das war eigentlich so das.“ (Z. 113-118)<br />
Unabhängig von der jeweiligen inhaltlichen Ausrichtung der Interventionen<br />
gelang es demnach innerhalb der Orientierungsmaßnahmen zur Auseinandersetzung<br />
mit sozialen und kommunikativen Aspekten anzuregen und Hilfestellung<br />
bei der Einschätzung individueller Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />
zu geben.<br />
Hinsichtlich der Selbstkompetenz liegen die Mittelwerte der Untersuchungsgruppen<br />
im Pretest auf etwa gleichem Niveau, entwickeln sich jedoch<br />
im Untersuchungsverlauf konträr. Während die Werte der Kontrollgruppe<br />
sinken (-0,04), steigen sie in der Interventionsgruppe minimal<br />
(+0,09). Auch hier sind es in erster Linie Jugendliche der ‚Schnupperlehre’<br />
(+0,29), des Schnupperpraktikums ‚Konditorei/Verkauf’ (+0,29) und von<br />
‚JobGalaxy Future’ (+0,39), die ihre verfügbaren Selbstkompetenzen innerhalb<br />
des Posttests höher bewerten als im Pretest (vgl. Anhang 37). Nach<br />
der zweifaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholungsfaktor unterliegen<br />
die Mittelwertunterschiede der Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenz<br />
im Pre- und Posttest zufälligen Schwankungen. Jedoch sind bezogen<br />
auf die Sachkompetenz geringfügige signifikante Effekte zu konstatieren.<br />
287
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Bei gleichzeitiger Signifikanz der Gruppenunterschiede (unter Abstraktion<br />
der Zeit) und des Zeiteffektes zwischen den Gruppen (unter Vernachlässigung<br />
der Differenzierung in den Gruppen) klärt die Interaktion zwischen<br />
Gruppe und Zeit 6,4% der Varianz der abhängigen Variable Sachkompetenz<br />
auf. Der Effekt ist auf dem 1%-Niveau signifikant. 125 Gründe dafür,<br />
dass Effekte der Interventionen nur in geringem Maße nachzuweisen sind,<br />
könnten neben der Tatsache, dass die Kompetenzentwicklung tatsächlich<br />
nicht ausreichend gefördert wurde, auch darin liegen, dass es in den Interventionen<br />
noch zu wenig gelingt, neben der initiierten Auseinandersetzung<br />
mit den individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten auch eine systematische<br />
Rückmeldung zum persönlichen Entwicklungsstand der Jugendlichen zu<br />
geben. So wird an den drei nachstehenden Aussagen von Schülerinnen und<br />
Schülern in den Follow-up-Interviews deutlich, dass innerhalb der Maßnahmen<br />
zwar eine Rückkopplung in spezifischen Arbeitsprozessen erfolgte,<br />
jedoch erscheinen diese wenig strukturiert und zum Teil alleinig zwischen<br />
den Gleichaltrigen organisiert zu sein.<br />
288<br />
Schülerin C (Mittelschule, 9. Klasse, ‚Girls’Day’ [B]):<br />
„Na, zum Beispiel jetzt beim Löten oder so. Das wissen ja vorher viele<br />
nicht, dass die das so können. Und dann stehen sie da und können übelst<br />
gut z. B. löten. Und so was find ich dann eigentlich schon, dass es<br />
dann auch hilft, weil vielleicht macht`s ihnen dann auch noch Spaß und<br />
will es dann mal im Beruf auch machen. Von daher hilft das eigentlich<br />
schon. Also, mir hat´s zumindest geholfen.“ (Z. 113-118)<br />
Schüler F (Mittelschule, o. K., ‚Schnupperlehre’):<br />
„Ich konnte mir alles angucken. Wie die Arbeit haben, die haben die uns<br />
auch gezeigt. Wir konnten auch selbst bauen, sollten auch selbst aufbauen.<br />
Und unsere Lehrer [Ausbilder in der Orientierungsmaßnahme], sag<br />
ich mal, haben das dann kontrolliert, ob es richtig war. Und dann konnten<br />
wir halt einschätzen, ob wir dafür geeignet sind oder eben nicht.“<br />
(Z. 117-120)<br />
Schülerin G (Mittelschule, 10. Klasse, ‚JobGalaxy’):<br />
„Also wir mussten ja hier, haben einen Zettel bekommen und das waren,<br />
und ähm, na, Eigenschaften von also Menschen drauf und [da] sollte<br />
man ankreuzen, was auf uns zutrifft, und was, also mehr oder weniger<br />
und diese Zettel sollten wir dann noch, also, an die Personen, also jetzt<br />
die Studenten haben, ähm, für jede Person noch einen anderen Partner<br />
ausgewählt und die sollten das dann für uns erstmal bestimmten.“<br />
(Z. 129-134)<br />
125 Der Levene Test auf Gleichheit der Fehlervarianzen zeigt zu beiden Messzeitpunkten<br />
heterogene Varianzen, die deutlich nicht signifikant sind.
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Während Schülerin C ihre handwerklichen Fertigkeiten selbst am Ergebnis<br />
ihrer Arbeit misst, bekommt Schüler F über die Bewertung des Ausbilders<br />
eine Rückmeldung. Schülerin G zieht Erkenntnisse über ihre Kompetenzen<br />
aus der Selbsteinschätzung und der Bewertung durch andere Teilnehmende.<br />
Damit Jugendliche lernen, sich selbst einzuschätzen, eigene<br />
Interessen und Neigungen zu erkennen, sich ihrer selbst bewusst werden<br />
und Eigenverantwortung entwickeln können, benötigen sie zielgerichtete<br />
Gespräche, Kompetenzfeststellungs- bzw. -bilanzierungsverfahren und<br />
darauf aufbauend eine individuelle Förderung zur systematischen Kompetenzentwicklung.<br />
Eine solche Verfahrensweise ist jedoch weder in den<br />
Aussagen der Jugendlichen noch in den Interviews mit den Organisatoren<br />
der Interventionen erkennbar.<br />
Die einzelnen Kompetenzdimensionen stehen, wenn zum Großteil auch<br />
nur in geringem Maße, mit den meisten der in den vorangegangenen Kapiteln<br />
betrachteten Elemente der Berufswahlreife in Zusammenhang. Die in<br />
der Interventionsgruppe stärkste Korrelation, ein mittlerer positiver Zusammenhang,<br />
ist im Pre- und im Posttest zwischen verfügbarer Selbstkompetenz<br />
und allgemeiner Selbstwirksamkeitserwartung auszumachen. Mit<br />
anderen Worten: Je höher die Jugendlichen ihre Selbstkompetenz einschätzen,<br />
je höher ist in der Tendenz ihre Selbstwirksamkeitserwartung.<br />
Für den Pretets mit rIG-Pre = 0,623 bedeutet dies, dass die Selbstkompetenz<br />
zu 39% von der Selbstwirksamkeit determiniert wird. Das Ergebnis ist auf<br />
dem 1%-Niveau signifikant und, wenn auch in etwas geringer Effektstärke,<br />
ebenfalls bei der Kontrollgruppe nachzuweisen. Im Gegensatz zur Interventionsgruppe<br />
vergrößert sich der Zusammenhang hier zwischen den<br />
Messzeitpunkten.<br />
Wie eingangs vermutet gilt gleichfalls: Je höher das subjektiv empfundene<br />
Wissen über Inhalte, Anforderungen und Abläufe in Ausbildungen, Unternehmen<br />
und Hochschulen ist, umso höher wird in der Regel die vorhandene<br />
Sachkompetenz bewertet. Dieser Zusammenhang ist in der Interventionsgruppe<br />
besonders ausgeprägt. Während im Pretest Korrelationen maximal<br />
in Höhe von rIG-Pre = 0,398 vorzufinden sind, liegen diese im Posttest<br />
schon bei rIG-Post = 0,558 und damit einer Varianzaufklärung von 31%. Die<br />
Wahrscheinlichkeit für einen Zufallseffekt ist kleiner als 1%. 126 Jedoch<br />
fruchtet eine ausgeprägte Sachkompetenz nur zum Teil im Gefühl, gut auf<br />
die Berufs- und Studienwahl vorbereitet zu sein. Fachkenntnisse tragen<br />
126 Inhalte: rIG-Pre = 0,356; rIG-Post = 0,558; rKG-Pre = 0,372; rKG-Post = 0,270; Anforderungen:<br />
rIG-Pre = 0,375; rIG-Post = 0,538; rKG-Pre = 0,355; rKG-Post = 0,359; Arbeitsabläufe: rIG-Pre = 0,398;<br />
rIG-Post = 0,498; rKG-Pre = 0,310; rKG-Post = 0,442<br />
289
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
nach den Ergebnissen in den beiden Gruppen im Posttest nur zu etwa<br />
einem Fünftel zu einer als ausreichend empfundenen Vorbereitung bei. Der<br />
Zusammenhang vergrößert sich vom Pre- zum Posttest und ist in der Interventionsgruppe<br />
und der Kontrollgruppe zu beiden Messzeitpunkten auf<br />
dem 1%-Niveau signifikant. 127<br />
Zu erwähnen ist darüber hinaus ein Zusammenhang, der an das von Lange<br />
1978 (vgl. Kapitel 2.2) beschriebene Phänomen anknüpft, wonach das faktische<br />
Wissen über verschiedene Aspekte der Berufs- und Arbeitswelt mit<br />
höherer Schulbildung steigt, die Jugendlichen das eigene berufliche Wissen<br />
dann jedoch geringer einschätzen. Sowohl in der Interventions- als auch in<br />
der Kontrollgruppe konnte im Pretest ein schwacher negativer Zusammenhang<br />
von rIG-Pre = -0,267 und rKG-Pre = -0,217 zwischen der verfügbaren<br />
Sachkompetenz und dem angestrebten Schulabschluss ermittelt werden.<br />
D. h. je höher der angestrebte Schulabschluss ist, desto geringer bewerten<br />
die Befragten ihre Sachkenntnisse. Der auf dem 1%- bzw. 5%-Niveau<br />
signifikante Zusammenhang findet sich im Posttest verstärkt wieder mit<br />
rIG-Post = -0,413 und rKG-Post = -0,284. Die Interventionen unterstützen demnach<br />
deutlich den von Lange beschriebenen Sachverhalt.<br />
Während in der Kontrollgruppe schwache signifikante Korrelationen<br />
zwischen den vorhanden Kompetenzen und der Bewertung individueller<br />
Chancen am Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt bestehen, sind<br />
diese bei den gleichaltrigen Maßnahmeteilnehmerinnen und -teilnehmern<br />
nicht zu identifizieren.<br />
An den zuletzt beschriebenen Ergebnissen wird einmal mehr deutlich, dass<br />
die Interventionsteilnehmer anthropologische und soziokulturelle Bedingungen<br />
weitaus weniger als Kriterien für einen erfolgreichen Übergang zwischen<br />
Schule und Arbeitswelt sehen, als die Jugendlichen der Kontrollgruppe<br />
(vgl. Kapitel 9.10 und 9.13).<br />
9.16 Einschätzung der Interventionen<br />
Insgesamt betrachtet, verlassen fast alle Schülerinnen und Schüler die<br />
Orientierungsmaßnahmen mit einer positiven Gesamtbewertung. 39% geben<br />
an, dass ihnen die jeweilige Intervention sehr gut gefallen hat<br />
(vgl. Abbildung 16). Nur eine kleine Gruppe von 4% ist unzufrieden. Auf<br />
Ebene der Einzelinterventionen schnitten ‚JobGalaxy’ sowie die beiden<br />
Schnupperpraktika ‚Kraftfahrzeugtechnik’ und ‚Konditorei/Verkauf’ bei<br />
127 rIG-Post = 0,436; r 2 IG-Post = 0,190; rKG-Post = 0,424; r 2 KG-Post = 0,180<br />
290
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
den Mädchen und Jungen am Besten ab. Etwa zwei Drittel fanden diese<br />
Maßnahmen vollkommen überzeugend. Die ‚JobGalaxy’-Teilnehmenden<br />
hoben insbesondere das Team- und Bewerbungstraining hervor. Möglichkeiten<br />
zur praktischen Erprobung, zur Herstellung von Produkten oder,<br />
wie es ein Teilnehmer formuliert „Dass wir gleich richtig ran genommen<br />
worden“ (Mittelschüler, 8. Klasse, IGPost), erfuhren auf Seiten der Jugendlichen<br />
der beiden Schnupperpraktika Anklang. Die ‚Girls’Day’-Interventionen<br />
wurden in geringerem Maße sehr positiv beurteilt. Aus ihnen, wie<br />
auch aus der ‚Schnupperlehre’ gehen die Jugendliche am wenigsten zufrieden<br />
hervor. Während sich die Kritikpunkte bei der ‚Schnupperlehre’ ausschließlich<br />
auf inhaltliche Aspekte konzentrieren, nicht gefallen haben den<br />
Teilnehmenden vor allem die Fachbereiche ‚Gesundheit/Pflege’ sowie<br />
‚Metalltechnik’, wird bei den ‚Girls’Day’-Maßnahmen überwiegend Organisatorisches<br />
bemängelt. Beim Angebot, welches auf die Berufsausbildung<br />
fokussierte, sind die Menge an Angebotsstationen und damit verbundener<br />
Zeitdruck, aber zum Teil auch Wartezeiten, wenn weitere Gruppen einzelne<br />
Stationen nicht im vorgegebenen Zeitplan absolvierten, anzuführen.<br />
11% der Mädchen hatten so wenig Freude an der Orientierungsmaßnahme.<br />
Die Teilnehmerinnen wünschten sich mehr Spielraum zum Kennenlernen<br />
der Berufsfelder und Ausprobieren in den Ausbildungswerkstätten sowie<br />
den Praxis- und Experimentierstationen. Ähnliches gilt für die Mädchen,<br />
die sich am ‚Girls’Day’ über Studiengänge informierten. Einerseits fühlten<br />
sie sich durch die Vielfalt an Vorträgen, Workshops und Führungen und<br />
den freundlichen und offenen Umgang sehr angesprochen, andererseits aber<br />
auch unter Druck gesetzt. Die geringe Pausenzeit zwischen den Angeboten<br />
und die zum Teil langen Wege auf dem Campus lösen bei ihnen Unzufriedenheit<br />
aus, wenngleich diese Aspekte authentisch die Rahmenbedingungen<br />
im Studienalltag wiedergeben. Bemängelt wurde darüber hinaus die<br />
teilweise zu lang andauernde und wenig abwechslungsreiche Stoffvermittlung<br />
in den Vorträgen. Sie löste die bei den jungen Frauen mitunter Langweile<br />
aus. Vermisst wurden Informationen zum Studienverlauf und Zugangsvoraussetzungen<br />
für Studiengänge, Auskünfte zu beruflichen<br />
Perspektiven in spezifischen Fachbereichen und Hinweise zu Berufsausbildungen<br />
an der Hochschule. Jede zweite Teilnehmerin der beiden<br />
‚Girls’Day’-Interventionen schätzt ein, dass eigene Interessen und Wünsche<br />
kaum Berücksichtigung fanden. Zudem stufen 22% (‚Girls’Day’ [B]) bzw.<br />
33% (‚Girls’Day’ [S]) das Angebot für die eigene Zielgruppe als kaum ansprechend<br />
ein. Doch auch aus weiteren Maßnahmen heraus wird die Notwendigkeit<br />
gesehen, Angebote stärker an den Interessen der Schülerinnen<br />
und Schüler auszurichten. So sieht eine ‚JobGalaxy’-Teilnehmerin folgende<br />
Potenziale zur Optimierung der Orientierungsmaßnahme:<br />
291
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
292<br />
Schülerin G (Mittelschule, 10. Klasse, ‚JobGalaxy’):<br />
„Also, naja mehr auf die Berufe eingehen, die die einzelne Schüler also<br />
später ausüben möchten. Aber wir haben tatsächlich nur über Bewerbungen<br />
und so was gesprochen fand ich auch gut, aber jetzt so sag ich<br />
mal die einzelnen Wünsche der Schüler aufgreifen und dann noch nachschlagen<br />
und so.“ (Z. 91-94)<br />
„Man könnte ja den Schüler fragen, was er sich vorstellt für seinen weiteren<br />
Lebensweg und so, an Berufen, und die könnte man ja da noch<br />
mal, auch versuchen, dann, die in einzelnen Betrieben oder so zu besuchen<br />
oder jetzt so im Internet oder in Büchern noch mal darüber<br />
nachzuschlagen, dass die Möglichkeit dann da wäre in Bibliotheken oder<br />
so zu gehen. Das wäre, sag ich mal, eine Möglichkeit um das zu verbessern.“<br />
(Z. 155-160)<br />
Abbildung 16: Bewertung des gefundenen Gefallens an den Orientierungsangeboten durch die<br />
Jugendlichen in den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Posttests<br />
Angaben in %<br />
100<br />
80<br />
60<br />
4<br />
33<br />
40<br />
5<br />
25<br />
11 4<br />
58<br />
67<br />
50<br />
67 81<br />
40<br />
67<br />
60<br />
75<br />
20<br />
0<br />
39<br />
33<br />
45<br />
22<br />
15<br />
IG (n=83) JobG JobG F KFZT Slehre K/V GD [B] GD [S]<br />
Interventionsgruppen<br />
nicht gut<br />
gut<br />
sehr gut<br />
Generell bewerten Mädchen die Orientierungsmaßnahmen deutlich kritischer<br />
als die Jungen. Während den männlichen Befragten die Interventionen<br />
zu je 50% ‚sehr gut’ und ‚gut’ gefallen, sind es bei den weiblichen<br />
nur 33% bzw. 62%. Ausschließlich die Mädchen nehmen gegenüber den<br />
Angeboten zur beruflichen Orientierung auch negative Positionen ein. Ein<br />
Viertel der Teilnehmerinnen der ‚Schnupperlehre’ und ein Fünftel der<br />
Schülerinnen, die zum ‚Girls’Day’ [B] waren, äußerten, dass sie diese Interventionen<br />
wenig interessant fanden. 75% der Teilnehmerinnen der<br />
‚Schnupperlehre’ und allen Mädchen im Schnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’<br />
fiel es sehr oder ziemlich schwer den dargebotenen Informationen<br />
zu folgen. Zusammengenommen sprechen diese Fakten für eine<br />
wenig geschlechtersensible Gestaltung der beiden Maßnahmen. Demgegenüber<br />
gelingt es beim ‚Girl’Day’ wesentlich besser, Inhalte so aufzuberei-
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
ten, dass sie an das Vorwissen der Mädchen anschließen. Hier geben 78%<br />
(‚Girls’Day’ [B]) und 96% (‚Girls’Day’ [S]) an, keine oder kaum Schwierigkeiten<br />
mit den Inhalten erlebt zu haben. Ursächlich ist möglicherweise<br />
auch, dass die Mädchen in der geschlechtergleichen Gruppe nicht mit geschlechtsspezifischen<br />
Rollen- und Kompetenzzuweisungen konfrontiert<br />
wurden.<br />
Dass die Jugendlichen an den Orientierungsmaßnahmen Gefallen gefunden<br />
haben, heißt jedoch nicht, dass sie aus der Teilnahme gleichermaßen persönlichen<br />
Nutzen ziehen. Die Jugendlichen differenzieren zwischen diesen<br />
zwei Aspekten. Wie aus Abbildung 8 und Abbildung 16 abzulesen ist, sind<br />
die Angebote, die den Jugendlichen am meisten gefallen, ‚JobGalaxy’ sowie<br />
die Schnupperpraktika ‚Kraftfahrzeugtechnik’ und ‚Konditorei/Verkauf’,<br />
auch diejenigen, welche sich am besten mit den Erwartungen der Jugendlichen<br />
decken (vgl. Kapitel 9.3). Dennoch verlässt wenigstens eine/einer,<br />
von den acht bzw. zehn Befragten die Schnupperpraktika auch mit kaum<br />
erfüllten Erwartungen. Beim ‚Girls’Day’ [B] trifft dies immerhin auf vier<br />
von neun Mädchen zu. Für die Berufsorientierung am nützlichsten empfanden<br />
die Schülerinnen und Schüler der beiden Schnupperpraktika ihre<br />
Teilnahme (vgl. Abbildung 17). 70% bzw. 88% bewerten diese Maßnahmen<br />
als sehr hilfreich. Bei der ‚Schnupperlehre’ positioniert sich immerhin noch<br />
jeder Zweite so positiv. Kaum einen Nutzen sehen hingegen je ein Drittel<br />
der ‚Girls’Day’- und der ‚JobGalaxy’-Teilnehmerinnen sowie zwei Drittel<br />
der Befragten von ‚JobGalaxy Future’. Insgesamt bewerten die Mädchen<br />
die Interventionen nicht nur kritischer als die Jungen, sondern sind auch<br />
wesentlich skeptischer, was deren Mehrwert angeht. 36% entdecken für<br />
sich kaum einen oder gar keinen Gewinn, gegenüber 7% bei den männlichen<br />
Befragten. 22% der Schülerinnen, die den ‚Girls’Day’ [B] wahrnahmen,<br />
bringen sogar klar zum Ausdruck nicht zu wissen, was ihnen diese<br />
Intervention brachte. Über ihre Unsicherheit zum Nutzen einzelner Maßnahmekomponenten<br />
äußert eine Teilnehmerin von ‚JobGalaxy Future’:<br />
Schülerin I (Gymnasium, 12. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Also, es war auf jeden Fall sehr gut, was jetzt dieses Teamwork und<br />
diese Bewerbungstests und so, das war auf jeden Fall sehr gut. Damit<br />
hatte ich nicht gerechnet, aber das war schön. Und ja ich dachte halt, es<br />
war wahrscheinlich auch was wir vorher an Information gekriegt haben,<br />
war ein bisschen wenig, und da dachte ich, das ist dann richtig, dass ich<br />
dann hinterher genau weiß, was ich studieren will, das war aber nicht.<br />
Aber der Rest war eigentlich, hat den Anforderungen entsprochen, sag<br />
ich mal.“ (Z. 94-99)<br />
293
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
294<br />
„Ich fands sehr gut. Also, wir haben da halt auch richtig Bewerbungsgespräche<br />
gemacht … wir haben es halt nachgespielt und das, und ich<br />
denk auch, das hilft sich darauf vorzubereiten, man hat ja irgendwie, ist<br />
nicht mehr ganz so ängstlich, denk ich mal.“ (Z 130-133)<br />
Gleichzeitig werden von ihr aber auch die bereits in Kapitel 9.3 angesprochenen<br />
Informationsdefizite als Ursache für Divergenzen zwischen<br />
Erwartungshaltungen und persönlichem Teilnahmegewinn hervorgehoben.<br />
Abbildung 17: Einschätzung der Nützlichkeit der Orientierungsangebote durch die<br />
Jugendlichen in den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Posttests<br />
Angaben in %<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
4<br />
22<br />
5<br />
33<br />
30<br />
5<br />
11<br />
5 12<br />
22<br />
8<br />
67<br />
26<br />
33<br />
35<br />
35<br />
50<br />
88<br />
70<br />
53<br />
33<br />
46<br />
35<br />
33<br />
17<br />
11 8<br />
IG (n=81) JobG JobG F KFZT Slehre K/V GD [B] GD [S]<br />
Interventionsgruppen<br />
4<br />
weiß nicht<br />
gar nicht<br />
kaum<br />
ziemlich<br />
sehr<br />
Das eigene Tätigwerden in der Praxis bietet Jugendlichen die Chance zur<br />
Entwicklung von Kompetenzen und ihrer Identität. Sie müssen an sie gestellte<br />
Arbeitsaufgaben erfüllen, sich in bestehende Teams integrieren und<br />
den arbeitsorganisatorischen Anforderungen gerecht werden. Sie lernen<br />
neue Rollen (z. B. Auszubildender, Führungskraft) kennen, erleben andere<br />
Regeln (z. B. Arbeitszeiten, Arbeitsabläufe) und Rahmenbedingungen (z. B.<br />
Pausenzeiten, langes Stehen, Arbeit im Freien). Welche Besonderheiten<br />
zeichnen sich in der Beurteilung des Praxisbezuges, räumlicher und personeller<br />
Rahmenbedingungen ab? 60% der Teilnehmenden des Schnupperpraktikums<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’ und der ‚Schnupperlehre’ bewerten die<br />
praktischen Einblicke als ausreichend. Bei letztgenanntem Orientierungsangebot<br />
empfanden jedoch auch 25% der Teilnehmerinnen den Praxisbezug<br />
zu gering. Gleiches gilt für wenigstens ein Viertel der Rezipientinnen<br />
des ‚Girls’Day’ [B/S]. Bei den beiden Orientierungsmaßnahmen werden<br />
zudem Möglichkeiten zur praktischen Erprobung vermisst. Die Mehrheit<br />
der Interventionsteilnehmenden empfand die räumlichen Rahmenbedingungen<br />
als geeignet für die Berufsorientierung. Jedoch trug mitunter die<br />
Zusammensetzung der Interventionsgruppen nicht zu einem positiven<br />
Lernklima bei. So meint jeweils ein Drittel der Teilnehmenden des<br />
Schnupperpraktikums ‚Kraftfahrzeugtechnik’ und des ‚Girls’Day’ [S], dass<br />
ihnen die Gruppenzusammensetzung wenig oder gar nicht gefiel. Zumin-
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
dest beim Schnupperpraktikum könnte ein Grund in der heterogenen Zusammensetzung<br />
der Schülerschaft hinsichtlich der angestrebten Schulabschlüsse<br />
liegen (vgl. Kapitel 9.1). Einerseits kritisierten die Teilnehmenden<br />
dieser Maßnahme, dass „manche sich nicht mit der Aufgabe beschäftigt<br />
haben, die sie bekommen haben“ (Mittelschüler, 9. Klasse, IGPost) und andererseits,<br />
dass einige Schülerinnen und Schüler zu strebsam waren. Hierin<br />
bestätigen sich Spannungen, die auch innerhalb der Experteninterviews mit<br />
den Verantwortlichen für die Orientierungsmaßnahmen zum Ausdruck gebracht<br />
wurden und ihre Ursache in differenziellen anthropologischen und<br />
soziokulturellen Bedingungen der Zielgruppe haben (vgl. Anhang 5). Auch<br />
hinsichtlich des pädagogischen Personals signalisierten die Jugendlichen<br />
zum Teil Probleme. Unzufriedenheiten kommunizierten die Jugendlichen<br />
der ‚Schnupperlehre’, des Schnupperpraktikums ‚Konditorei/Verkauf’ und<br />
des ‚Girls’Day’ [S], gleichwohl bei der letztgenannten Intervention auch<br />
Freundlichkeit und Offenheit wahrgenommen wurde. Alle drei Angebote<br />
wurden von Berufsausbildungsexpertinnen und -experten, wie Facharbeiterinnen<br />
und Facharbeitern sowie Meisterinnen und Meistern mit Ausbildereignungsschein<br />
sowie Hochschulpersonal durchgeführt (vgl. ebd.). Trotz<br />
dieses Tatbestandes ist festzuhalten, dass die Jugendlichen durchgängig bei<br />
allen Orientierungsmaßnahmen Mängel in der Kompetenz der Fachkräfte<br />
feststellten. Diese sind beim ‚Girls’Day’ [B], beim Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’ und den beiden ‚JobGalaxy’-Angeboten als massiv<br />
einzustufen. Zwischen 20% und 30% der Schülerinnen und Schüler bewerten<br />
die involvierten Fachkräfte als inkompetent. Am Beispiel der letztgenannten<br />
Interventionen ist folgendes Dilemma ersichtlich. Einerseits wird<br />
die Berufsorientierung auf ‚Augenhöhe’, d. h. angeleitet und begleitet durch<br />
sehr junge Referentinnen und Referenten, die gerade erst die Hochschulausbildung<br />
abgeschlossen haben oder sogar noch selbst studieren als angenehm<br />
empfunden. Ein Teilnehmer von ‚JobGalaxy Future’ sagte dazu in<br />
der Follow-up-Befragung:<br />
Schüler H (Gymnasium, 11. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Und es war auch sehr fundiert, dadurch auch, dass es halt relativ junge<br />
Menschen, die gerade erst das hinter sich haben, was sie uns da vorgestellt<br />
haben, das mitgemacht haben. Und ja hilfreich war es denk ich mal für<br />
Leute, die nicht so ein ziemlich klar definiertes Ziel hatten zu dem Zeitpunkt<br />
auch auf jeden Fall.“ (Z. 117-120)<br />
Andererseits wird aber auch bemängelt, dass diese Berufseinsteigerinnen<br />
und -einsteiger nicht über umfassendes Wissen und einen breiten Erfahrungsschatz<br />
in den vorgestellten Berufsbereichen verfügen. Schüler H<br />
schlägt daher einen stärkeren Methodenmix vor, um inhaltliche Defizite<br />
auszugleichen:<br />
295
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
296<br />
Schüler H (Gymnasium, 11. Klasse, ‚JobGalaxy Future’):<br />
„Ja, wahrscheinlich einfach Erfahrungen, die man aus mehreren Quellen<br />
zusammen, also gerade mit Leuten zu sprechen, die in dem Beruf tätig sind,<br />
also zum Beispiel einigen Leuten bei Siemens direkt und einfach sich das<br />
anzugucken, wie es läuft.“ (Z. 139-141)<br />
An diesem Beispiel wird deutlich, wie wichtig Beratung und Begleitung generell<br />
und speziell durch Unterstützer unterschiedlicher Professionen ist.<br />
Sie sollte eine feste Komponente von Orientierungsangeboten und im<br />
Idealfall auch darüber hinaus sein.<br />
Welche Wirkungen erzielen die Maßnahmen bezogen auf den individuellen<br />
Vorbereitungsstand der Jugendlichen? Bereits zum Pretest bekunden 61%<br />
der Interventions- und Kontrollgruppe, gut auf die Berufs- und Studienwahl<br />
vorbereitet zu sein, aber 39% bewerten den eigenen Stand als weniger<br />
zufriedenstellend (vgl. Abbildung 18). Deutlich schlechter als Gleichaltrige<br />
in anderen Maßnahmen beurteilen Jugendliche der Interventionen ‚Job<br />
Galaxy Future’ und ‚Girls’Day’ [B] ihre Situation. Insgesamt heben sich die<br />
Jungen der Interventionsgruppe ab. Eine Mehrzahl von 76% geht zum<br />
ersten Messzeitpunkt von guten persönlichen Bedingungen aus. Nach Abschluss<br />
der Interventionen sind es 93%. Demgegenüber fühlen sich nur etwa<br />
zwei Drittel der Interventionsteilnehmerinnen nach Maßnahmeabschluss<br />
gut vorbereitet. Während sich in der Kontrollgruppe der Anteil<br />
derer, die sich angemessen auf die Berufs- und Studienwahl vorbereitet<br />
fühlen, leicht reduziert, steigt er in der Interventionsgruppe. In der Gesamtheit<br />
betrachtet, bestehen signifikante Gruppenunterschiede. 128 Der<br />
mittlere Rangplatz der Interventionsgruppe liegt um 19% höher als der der<br />
Kontrollgruppe (MRIG = 171, MRKG = 143). Die Interventionen einzeln<br />
der Kontrollgruppe gegenübergestellt, sind die deutlichsten Veränderungen<br />
hin zu einer positiven Einschätzung ihres Vorbereitungsstandes bei den<br />
Teilnehmerinnen von ‚JobGalaxy’ und des ‚Girls’Day’ [B], gefolgt von den<br />
Mädchen und Jungen der ‚Schnupperlehre’ zu konstatieren. Zumindest für<br />
die beiden erstgenannten Interventionen ist dieses Ergebnis zu hinterfragen,<br />
ziehen die Befragten doch einen recht geringen Nutzen aus den Orientierungsangeboten<br />
für sich (vgl. Abbildung 17). Lediglich das Orientierungsangebot<br />
‚Girls’Day’ [S] grenzt sich ab. Hier gestaltet sich die Situation<br />
im Posttest analog der zum Pretest. Die Differenzen zwischen den Gruppen<br />
weisen eine Signifikanz auf dem 1%-Niveau auf.<br />
128 Die Prüfung der Veränderung erfolgte mittels Berechnung des Differenzwertes und des<br />
Mann-Whitney U-Test. Der ermittelte Unterschied ist auf dem 1%-Niveau signifikant. Die Interventionen<br />
einzeln betrachtet, sind keine signifikanten Gruppenunterschiede festzustellen.
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Abbildung 18: Einschätzung des Vorbereitungsstandes im Berufsorientierungsprozess durch<br />
die Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen zum<br />
Zeitpunkt des Pre- und des Posttests 129<br />
Angaben in %<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
KG<br />
39 39<br />
61 61<br />
50<br />
50<br />
67<br />
33<br />
11<br />
89<br />
22<br />
78<br />
43<br />
57<br />
62<br />
38<br />
IG<br />
JobG<br />
JobG F<br />
KFZT<br />
Slehre<br />
K/V<br />
GD [B]<br />
GD [S]<br />
46<br />
54<br />
41<br />
59<br />
33<br />
67<br />
17<br />
83<br />
33<br />
67<br />
5<br />
100 95<br />
Pretest (n=306) Posttest (n=314)<br />
Untersuchungsgruppen<br />
KG<br />
25<br />
75<br />
33<br />
67<br />
46<br />
54<br />
IG<br />
JobG<br />
JobG F<br />
KFZT<br />
Slehre<br />
K/V<br />
GD [B]<br />
GD [S]<br />
wenig<br />
gut<br />
Mit steigendem Schulabschluss sinkt in der Untersuchungspopulation das<br />
Gefühl gut vorbereitet zu sein. Es bestehen schwach negative Korrelationen<br />
von rPre = -0,271 im Pretest und von rPost = -0,222 im Posttest bei<br />
p = 0,000. Ursachen könnten im noch ausbaufähigen Stellenwert der Berufs-<br />
und Studienorientierung an sächsischen Gymnasien zu suchen sein.<br />
Ferner ist auch auf die Untersuchungsergebnisse von Lange zu verweisen,<br />
wonach Jugendliche mit höherer Schulbildung ihr berufliches Wissen geringer<br />
bewerten (vgl. Lange 1978, S. 89 ff.; vgl. Kapitel 2.2).<br />
Das subjektive Empfinden um den individuellen Stand im Berufsorientierungsprozess<br />
ist umso positiver, je länger sich die Schülerinnen und Schüler<br />
bereits mit der Berufswahl beschäftigt haben. Nach dem Chi2-Test sind Jugendliche<br />
der beiden Untersuchungsgruppen, die bereits Bewerbungen versandt<br />
haben, in der Gruppe derjenigen, die sich sehr gut vorbereitet fühlen,<br />
gegenüber dem Erwartungswert überrepräsentiert. Jungen und Mädchen,<br />
die sich noch nicht lange oder noch gar nicht mit der Berufswahl auseinandergesetzt<br />
haben, sind hingegen bei der ‚gar nicht guten’ oder ‚nicht guten’<br />
Vorbereitung vermehrt vertreten. Die Verteilungsunterschiede sind für<br />
die Kontrollgruppe zu beiden Messzeitpunkten, für die Interventionsgruppe<br />
jedoch nur zum Pretest höchst signifikant. 130 Offensichtlich verlieren die<br />
Jugendlichen während der Orientierungsmaßnahmen an Überzeugung, mit<br />
dem Anfertigen und Versenden von Bewerbungen gleichzeitig gut für die<br />
129 In der Abbildung sind die Antwortvorgaben ‚sehr gut’ und ‚gut’ sowie ‚kaum’ und ‚gar nicht’<br />
zur Wahrung der Übersichtlichkeit gruppiert wiedergegeben.<br />
130 Mittels Chi 2-Test wurden in der Kontrollgruppe zu beiden Messzeitpunkten standardisierte<br />
Residuen > 2,0 sowie statistisch signifikante Verteilungsunterschiede auf dem 1%-Niveau ermittelt.<br />
297
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
anstehende Berufs- und Studienwahl gerüstet zu sein. Hier findet sich eine<br />
Parallele zu den fehlenden Korrelationen zwischen den Bewerbungsaktivitäten<br />
und der Chancenbewertung (vgl. Kapitel 9.10).<br />
Gemessen an den Aussagen der Jugendlichen in der Follow-up-<br />
Untersuchung hat auch die Entwicklung von Vorstellungen über den zukünftigen<br />
Beruf einen wesentlichen Einfluss auf den subjektiv empfundenen<br />
Vorbereitungsstand. Schülerinnen und Schüler ohne konkrete Zukunftspläne<br />
beschreiben ihre Vorbereitung als „ganz schlecht“ (Schülerin I)<br />
oder „momentan noch ungut“ (Schüler F). Dahingegen sehen sich Jugendliche<br />
mit konkretem Berufswunsch oder spezifischen Vorstellungen zu ihrer<br />
Platzierung nach der Schule als zufriedenstellend vorbereitet bzw. nicht<br />
völlig unvorbereitet an. Sie können vermutlich entsprechend differenzialpsychologischer<br />
Ansätze der Berufswahl ihr spezifisches Muster von Persönlichkeitsmerkmalen<br />
eindeutiger den Anforderungen von Berufen zuordnen<br />
und fühlen sich dadurch gut vorbereitet. Eine Mittelschülerin, die<br />
zunächst das Abitur erwerben und im Anschluss ein Lehramtsstudium in<br />
den Fächern Biologie und Sport absolvieren will, antwortet auf die Frage,<br />
wie sie sich auf die Berufswahl vorbereitet fühlt:<br />
298<br />
Schülerin G (Mittelschule, 10. Klasse, ‚JobGalaxy’):<br />
„Wie schon gesagt relativ gut. Ich hab ja jetzt noch Zeit, also in den<br />
nächsten drei Jahren vorbereiten und so, also noch mehr drüber raussuchen<br />
und so.“ (Z. 207-208)<br />
Auch die Interviewten, mit etwas grober definierten beruflichen Plänen wie<br />
Schülerin G, sind zufrieden mit ihrer Situation, aber sehen dennoch Handlungsbedarf:<br />
Schüler B (Mittelschule, 8. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Eigentlich ganz gut, wenn wir in der Schule dann noch die Bewerbungen<br />
durchgehen, dann richtig gut.“ (Z. 157-158)<br />
Schülerin C (Mittelschule, 9. Klasse, ‚Girls’Day’ [B]):<br />
„Naja, es geht so. Ich hab viel zu Hause, vielleicht ab und zu mal reingucken,<br />
würde auch helfen. Aber so, von dem was ich hab, eigentlich<br />
schon gut. Ich will jetzt nicht sagen super, aber schon teilweise gut.“<br />
(Z. 189-191)<br />
Auf die Frage, wie viel die Teilnahme an der Orientierungsmaßnahme dazu<br />
beigetragen hat, dass sich Schülerin D gut vorbereitet fühlt, meint sie:
III EMPIRISCHE ANALYSE DER WIRKSAMKEIT – 9 Ergebnisdarstellung<br />
Schülerin D (Mittelschule, 9. Klasse, Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’):<br />
„Schon ein bisschen. Nicht ausschlaggebend, dass ich jetzt genau weiß<br />
[was ich werden möchte – Anm. d. Verf.]. Aber wie gesagt, gut zu wissen<br />
halt, was dort so gemacht wird.“ (Z. 181-182)<br />
Weitere Antworten verdeutlichen, dass der individuelle Vorbereitungsstand<br />
nicht zwingend durch die Interventionen beeinflusst worden ist. So führt<br />
ein Teilnehmer beispielsweise seine Noten an, die nicht adäquat zu seinem<br />
Berufswunsch sind. Laut der 16. Shell-Jugendstudie hat immerhin ein Viertel<br />
der dort befragten Jugendlichen nach Verlassen der Schule die Erfahrung<br />
gemacht, dass ihre schulischen Leistungen nicht ausreichend für den<br />
Beruf waren, den sie eigentlich lernen wollten (vgl. Leven et al. 2010,<br />
S. 111). Die frühzeitige Einsicht birgt die Chance einer Umorientierung<br />
noch bevor die Statuspassage erreicht ist und wertvolle Zeit für berufliche<br />
Kompromisse verloren gegangen sind.<br />
Positiv zu bewerten ist, dass die Interventionen bei zwei Dritteln der Teilnehmenden<br />
den Impuls auslösten, sich stärker mit der Berufsorientierung<br />
zu beschäftigen. Lediglich die Maßnahmen ‚JobGalaxy Future’ und das<br />
Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’ zeigen ein anderes Bild. Hier<br />
sehen 60% der Befragten kaum einen Anlass sich intensiver beruflich zu<br />
orientieren. 76% der Interventionsteilnehmenden bestätigen zudem, dass<br />
ihr Interesse geweckt sei, zukünftig noch weitere Berufsorientierungsangebote<br />
zu besuchen.<br />
299
IV Schlussbetrachtung<br />
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
Die Ergebnisse des Themenschwerpunktes III Empirische Analyse der Wirksamkeit<br />
von Berufsorientierungsangeboten werden folgend unter Bezug auf die<br />
weiteren Teilkomponenten der Forschungsarbeit in einer Schlussbetrachtung<br />
zusammengeführt. Zentralen Stellenwert haben hierbei die Prüfung<br />
der formulierten Hypothesen wie auch die Entwicklung von Schlussfolgerungen<br />
zur Optimierung der evaluierten berufsorientierenden Interventionen.<br />
Zu Beginn erfolgt eine Rekapitulation zentraler theoretischer Aspekte.<br />
10.1 Rückbezug auf essenzielle<br />
theoretische Aussagen<br />
Die anspruchsvolle Lage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt mit diskontinuierlichen<br />
Veränderungen und der Schwierigkeit langfristige Entwicklungsprognosen<br />
treffen zu können, erschwert die berufsbiografische<br />
Planung und die Berufseinmündung Jugendlicher stark. Der technologische<br />
Fortschritt und der gesellschaftliche Innovationsdruck sind unkalkulierbar<br />
und lassen biografische Festlegungen riskant und enttäuschungsanfällig<br />
werden. Schülerinnen und Schüler im Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt<br />
sind zur Bewältigung eines Spagates zwischen Kontinuität und<br />
Wandel herausgefordert und müssen Ambivalenzen aushalten (vgl. Walther,<br />
Stauber 2007, S. 38). Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und<br />
damit einhergehenden Unsicherheiten müssen trotz unklarer Ziele und<br />
Perspektiven sowie (Bildungs-)Ungleichheiten und damit unterschiedlich<br />
verteilten Startchancen individuell ausgeglichen werden. Sie erfordern die<br />
Bereitschaft zur Ungewissheit, den Mut zum Risiko, den Willen sich kontinuierlich<br />
neu zu orientieren, eine stärkere Verantwortlichkeit zur Gestaltung<br />
des eigenen Lebensverlaufes und die Entschlossenheit, trotz Unsicherheiten<br />
biografische Entscheidungen zu treffen. Alles dies ist zu einem<br />
Zeitpunkt notwendig, der sehr stark von anderen zentralen Entwicklungsaufgaben<br />
überlagert wird, die für die Phase der Adoleszenz charakteristisch<br />
sind.<br />
Aspekte wie Flexibilität, Initiative und Anschlussfähigkeit als wichtige Bewältigungsanforderungen<br />
und -leistungen im Übergang zwischen Schule<br />
301
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
und Arbeitswelt sind es auch, die den Anspruch an die Berufsorientierung<br />
und ihre Komplexität wesentlich erhöhen. Sie stehen im Mittelpunkt eines<br />
neuen ganzheitlichen Verständnisses, welches berufliche Orientierung mit<br />
der Lebensplanung verknüpft. Danach wird die Berufsorientierung immer<br />
weniger als eine kognitive, mechanisch-rationale (Erst-)Berufswahl, sondern<br />
vielmehr als ein eigenverantwortlich zu bewältigender Prozess mit der<br />
Notwendigkeit der stetigen Erweiterung und Vertiefung erworbener<br />
Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten im Sinne eines lebensbegleitenden<br />
Lernens sowie kontinuierlichen Bildungs-, Ausbildungs-, Weiterbildungs-,<br />
Berufs- und Arbeitsplatzentscheidungen definiert. Charakteristisch<br />
für den Bedeutungswandel der Berufsorientierung ist eine breite Palette an<br />
Definitionen und synonym verwendeten Begrifflichkeiten (z. B. Berufsfindung,<br />
Berufswahlprozess). Es mangelt bislang an einer präzisen und breit<br />
akzeptierten begrifflichen Grundlage, die als Arbeitsbasis für Forschung<br />
und Praxis genutzt werden kann.<br />
Gleiches gilt für theoretische Ansätze zur Beschreibung des Ablaufes des<br />
Orientierungsprozesses und einflussnehmender Faktoren. Systematisiert<br />
nach spezifischen Komponenten (z. B. Entscheidung, Entwicklung, Allokation)<br />
beleuchten Berufswahltheorien einzelne Facetten. Sie wurden in der<br />
Vergangenheit einer intensiven Diskussion unterzogen und kontinuierlich<br />
weiterentwickelt. Mehrfach sind Versuche zur Erarbeitung eines bündelnden<br />
Gesamtmodells, einer Art Metatheorie, d. h. eines Ordnungsschemas,<br />
das Aussagen über den Stellenwert und die Verbindungen der bestehenden<br />
Ansätze trifft, unternommen worden. Anzuführen sind beispielsweise die<br />
erarbeiteten Rahmenmodelle von Hoppe (vgl. Hoppe 1980, S. 98) und von<br />
Bußhoff (vgl. Bußhoff 1989, S. 33 ff.). Dennoch finden Berufswahltheorien<br />
bei der Konzeption von Orientierungsangeboten nur verhalten Anwendung<br />
(vgl. Ehlers 2007, S. 41). Dies liegt auch darin begründet, dass ein<br />
Großteil der theoretischen Ansätze den aktuellen Anforderungen an die<br />
Berufsorientierung nur unzureichend Rechnung trägt und keine didaktischen<br />
Gedanken integriert. Mit dem dargelegten Anspruch an die Berufsorientierung<br />
als biografischem Prozess geht die Laufbahnentwicklungstheorie<br />
mit dem Berufswahlreifekonzept am weitesten konform. Die Erlangung<br />
von Berufswahlreife wird als umfassende personale Entwicklung<br />
und Voraussetzung für eine möglichst durchdachte und eigenverantwortliche<br />
Berufswahl angesehen. Sie ist die Fähigkeit und Bereitschaft zur Inangriffnahme<br />
und effektiven Bewältigung des Übergangs zwischen Schule<br />
und Arbeitswelt und wird durch die Feststellung der Ausprägung von Einstellungen,<br />
Fähigkeiten und Verhaltensweisen, wie beispielweise der beruflichen<br />
Planungs-, Explorations- oder Informationsbereitschaft bestimmbar.<br />
302
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
Die Resultate der empirischen Untersuchung weisen jedoch auch auf Bezugspunkte<br />
zu den weiteren theoretischen Erklärungsansätzen hin und<br />
sprechen damit für die konzeptionelle Fortschreibung der Rahmenmodelle<br />
zur Berufswahl.<br />
Aus der Begriffsvielfalt, wie auch den verschiedenen theoretischen Ansätzen<br />
resultiert eine große Heterogenität in der Umsetzung der Berufsorientierung.<br />
Die Analyse auf Basis des Lerntheoretischen Modells lässt<br />
hinsichtlich Intentionen, Inhalten, Methoden und Medien, einen großen<br />
Facettenreichtum erkennen. Die Gewichtung der Elemente ist zum einen<br />
stark von den einzelnen Akteuren im Feld der Berufsorientierung sowie ihren<br />
internen und externen Voraussetzungen, zum anderen der/den jeweiligen<br />
Zielgruppe(n) einer berufsorientierenden Intervention beeinflusst. Geltung<br />
für die Gestaltung der Berufsorientierung haben darüber hinaus Formen,<br />
Fakten und Normen, wovon letztere nach Bundes- und Landesebene<br />
zu differenzieren sind. Die Gesetze, Richtlinien und Anordnungen ergänzen<br />
sich teils, oft laufen sie aber auch parallel oder stehen in Widerspruch<br />
zueinander, was erhebliche Auswirkungen auf die Systematik didaktischen<br />
Handelns hat. Durch die Regelungen werden zum einen der Entscheidungsspielraum<br />
in Bezug auf Intentionen, Inhalte, Methoden und Medien,<br />
aber auch die Dauer und der Umfang von Interventionen zum Teil sehr<br />
stark eingeschränkt. Zum anderen ergeben sich durch sie auch Konsequenzen<br />
für die Implementierung von Orientierungsmaßnahmen im schulischen<br />
oder außerschulischen Bereich. Es ist so kein allgemein- und mustergültiges<br />
didaktisches Handeln, kein ‚Königsweg’ der Berufsorientierung beschreibbar,<br />
sondern lediglich eine Vielzahl an Optionen, die immer wieder<br />
neu festzulegen bzw. zu analysieren sind.<br />
Mit Blick auf die schulische Berufsorientierung ist einerseits deren Verankerung<br />
als Fachschwerpunkt (z. B. Arbeitslehre) oder als Querschnittsthema<br />
in allen Unterrichtsfächern als eine gestufte, aber systematische,<br />
nicht zeitlich begrenzte Auseinandersetzung mit Fragen und Problemen der<br />
Arbeitswelt ab der Primarstufe und andererseits eine Konzentration<br />
berufsorientierender Inhalte und Angebote am Ende der Sekundarstufe I<br />
zu konstatieren. Berufsorientierung wird demnach entweder prozessorientierten<br />
entwicklungstheoretischen Modellen gerecht oder aber sie findet Betrachtung<br />
als Entscheidungsprozess mit einer eher punktuellen Ausrichtung<br />
auf den direkten Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt. Die derzeitige<br />
schulische Organisation der Berufsorientierung bleibt so noch allzu oft hinter<br />
dem aktuellen Anspruch von Berufsorientierung zurück. Auch von<br />
Wensierski et al. sehen immer noch eine „Diskrepanz zwischen der erklärten<br />
Programmatik … und der schulischen Realität“ (von Wensierski et al.<br />
303
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
2005, S. 51). Kritik ist jedoch nicht nur an die wenig zielgerichtete Ausgestaltung<br />
vorberuflicher Bildung in den einzelnen Schulformen zu richten.<br />
Defizite sind auch darin zu sehen, dass diese nicht in ausreichendem Maße<br />
an den subjektiven Orientierungen, den individuellen Lebens- und Lernzusammenhängen<br />
und den alltäglichen Erfahrungen des Einzelnen anknüpft<br />
(vgl. Freimuth 1994, S. 35 f.; vgl. Meier 2002, S. 144; vgl. Kahlert, Mansel<br />
2007, S. 7 ff.). Ferner werden die Veränderungen am Arbeitsmarkt sowie<br />
sich wandelnde Anforderungen nicht ausreichend berücksichtigt (vgl. Rademacker<br />
2002, S. 52). Laut Meier und Hainmüller beschränkt sich die Berufsorientierung<br />
zu sehr auf ‚Institutionenkunde’ (vgl. Meier 2002, S. 144;<br />
vgl. auch Hainmüller 1996, S. 19 ff.). Um sie anschlussfähig auszurichten,<br />
ist weniger Faktenwissen über Unternehmen und Ausbildungsberufe, sondern<br />
die Vermittlung von Kompetenzen für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt<br />
elementar (vgl. von Wensierski et al. 2005, S. 51; vgl. Ausbildungspakt<br />
2006, S. 9; vgl. Kahlert, Mansel 2007, S. 7 ff.; vgl. Ahrens 2007,<br />
S. 200; vgl. Bastian et al. 2007, S. 8 ff.). Die Verzahnung von Schule und<br />
Wirtschaft wird zu wenig forciert (vgl. Müller 2002, S. 182) und die vielfältigen<br />
außerhalb der Schule verorteten Bildungspotenziale nicht komplementär<br />
einbezogen und systematisch aktiviert (vgl. Otto et al. 2004, S. 5).<br />
Natürlich unterscheidet sich die Intensität und Qualität der Berufsorientierung<br />
von Schule zu Schule. Es sind einerseits Schulen mit einem durchstrukturierten<br />
Konzept zur Berufsorientierung und andererseits Schulen<br />
mit einer geringen Zahl und wenig aufeinander abgestimmten Maßnahmen,<br />
über die die einzelnen Lehrkräfte des Kollegiums noch dazu schlecht<br />
informiert sind, zu finden.<br />
Um den Anforderungen an Berufsorientierung nachkommen zu können,<br />
bedarf es entsprechend ausgebildeter Lehrkräfte und Akteure in der Berufsorientierung<br />
(z. B. aus den Bereichen Schulsozialarbeit, Berufseinstiegsbegleitung,<br />
Berufsberatung). Diese verfügen mitunter jedoch über geringe<br />
oder veraltete theoretische, vor allem aber auch praktische Kenntnisse<br />
im Themenfeld (vgl. Beinke 2006, S. 61 ff.). Fach- und Klassenlehrer<br />
haben so gut wie keine Berührungspunkte zur Wirtschaft, woraus sich auch<br />
organisatorische Probleme wie z. B. in Hinblick auf die Ansprache, Gewinnung<br />
und langfristige Bindung von Unternehmen als Kooperationspartner<br />
oder auch auf die Integration außerschulischer Anbieter von Maßnahmen<br />
ergeben. Darüber hinaus konstatiert Butz, dass die Vorbereitung auf die<br />
Arbeitswelt von vielen Lehrkräften nur in eingeschränktem Rahmen als ihre<br />
Aufgabe betrachtet wird, was neben fehlendem fachlichen Wissen zusätzlich<br />
für Widerstand sorgen kann (vgl. Butz 2008a, S. 115; vgl. darüber<br />
hinaus Deutsches Jugendinstitut e. V. 2008, S. 12 und S. 31). Negativ wirkt<br />
304
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
es hier, wenn Berufsorientierung in einer Schule als eng begrenztes und abgegrenztes<br />
Themenfeld definiert wird, weil dann die Zuständigkeit des eigenen<br />
Fachs prinzipiell in Frage steht. Nachträglich ist in diesem Zusammenhang<br />
auch, dass Lehrende traditionell wenig im Team arbeiten, denn<br />
gerade für die fächerübergreifende Verankerung der Berufsorientierung ist<br />
eine gemeinsame Strategie- und Konzeptentwicklung sowie eine enge Zusammenarbeit<br />
im Lehrerkollegium unabdingbar. Darüber hinaus ist auch<br />
die Positionierung der Schulleitung entscheidend. Ist der aktive Rückhalt zu<br />
schwach, lässt sich Berufsorientierung nur schwer als Daueraufgabe etablieren.<br />
Schule in ihrer Gesamtheit ist daher aufgefordert, sich den Veränderungen<br />
von Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitswelt zu stellen und Inhalte,<br />
Methoden und Medien sowie die Konzeption, Organisation und Umsetzung<br />
von Berufsorientierung kontinuierlich dieser Entwicklung anzupassen.<br />
Hier ist das in jüngster Zeit verstärkt gezeigte Engagement, berufliche<br />
Orientierung z. B. auf der Basis von Qualitätsstandards zu optimieren (vgl.<br />
Kapitel 6.4.1 und 6.4.3.5), positiv zu werten. Förderlich für eine schulorganisatorische<br />
Regulierung der Aufgabe Berufsorientierung erscheinen<br />
ferner eine angemessene Ressourcenausstattung (z. B. Schaffung von Funktionsstellen,<br />
Gewährleistung von Abminderungsstunden) sowie die Weiterbildung<br />
und Beratung von Schulen.<br />
Doch nicht nur die schulische Berufsorientierung muss sich der Kritik stellen.<br />
Auch außerschulisch implementierte Interventionen sind zu hinterfragen.<br />
Als Resultat der vielfältigen einflussnehmenden Normen ist ein hohes<br />
Maß an Unübersichtlichkeit vorzufinden, mit der sich letztendlich auch die<br />
Schulen arrangieren müssen, um ihre Angebote zu gestalten. Nicht nur<br />
Kleber et al. bemängeln eine institutionsübergreifende Struktur und Verankerung<br />
der Berufsorientierung und eine fehlende Kontinuität (vgl. Kleber<br />
et al. 2007, S. 3). Auch Wieland und Lexis sehen Defizite, weil Aktivitäten<br />
zu sporadisch sind und keinem ‚roten Faden’ folgen (vgl. Wieland, Lexis<br />
2005, S. 7 zitiert nach Knauf, Oechsle 2007, S. 146). Es gibt große Finanzbudgets,<br />
viele Akteure und zahlreiche Interventionen, aber zu wenig klare<br />
Steuerung und Feldverantwortung. Selbst das Beispiel Sachsen zeigt auf,<br />
dass trotz definierter Zuständigkeit der Landesregierung und der Regionaldirektion<br />
Sachsen der Bundesagentur für Arbeit noch zahlreiche weitere<br />
Institutionen und Gremien das Feld mitbestimmen. Die vielfältige Verankerung<br />
der Berufsorientierung auf Bundes- und Länderebene sowie der<br />
Ebene der Kommunen und Landkreise ist als hinderlich für die wirksame<br />
Abstimmung von Strategien einzuschätzen. Berufsorientierung ist „systematisch<br />
unsystematisch“ (Kleber et al. 2007, S. 1) und bedarf einer Strukturierung,<br />
Koordinierung und Transparenz der Angebote und einer verbes-<br />
305
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
serten Kooperation ihrer Hauptakteure (vgl. Schober 2001, S. 9). Die Bündelung<br />
der Aktivitäten im Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt läuft<br />
„in der Praxis bei weitem nicht linear und gradlinig, sondern eher sprunghaft,<br />
mit Rückschritten, teilweise im Verlauf widersprüchlich sowie regional<br />
völlig unterschiedlich“ (AWO Bundesverband e. V. 2009, S. 10). Dominierend<br />
ist im außerschulischen Bereich die Gestaltung von Berufsorientierung<br />
in Form von zeitlich begrenzten Projekten, statt als kontinuierliche<br />
‚Daueraufgabe’. Die Abhängigkeit und der Wettbewerb um Fördergelder<br />
führen zu einer stärkeren Orientierung an den gesetzten Vorgaben, aber<br />
nicht immer zwingend an den Lücken und am Bedarf der Zielgruppe(n). So<br />
ist in Ballungsräumen oft ein Überangebot an Maßnahmen zur Berufsorientierung<br />
zu finden, und Jugendliche in Schulen werden gezielt von<br />
Projektträgern umworben, während Jungen und Mädchen in anderer regionaler<br />
Lage oder auch gerade aufgrund ihres spezifischen Förderbedarfes<br />
kaum Berücksichtigung finden. Limitierte Projektlaufzeiten verhindern zumeist<br />
den Aufbau nachhaltiger Strukturen. Im Falle von Projekten, die das<br />
Angebotsfeld der Berufsorientierung sehr stark bestimmen, ist das Auslaufen<br />
finanzieller Mittel, wie beispielsweise die der aktuellen ESF-Förderperiode,<br />
besonders problematisch, da tragende Elemente entfallen. Damit<br />
münden die zur Verfügung stehenden Kapazitäten immer wieder in den<br />
Neuaufbau bzw. in die Stabilisierung des Angebots- und Akteurssystems<br />
der Berufsorientierung oder brechen gänzlich weg, statt die qualitative<br />
Weiterentwicklung zu befördern.<br />
Letztlich ist festzuhalten, dass Berufsorientierung in den vergangenen Jahren<br />
einen Bedeutungsgewinn mit einer enormen Ausweitung von didaktischen<br />
Ansätzen, insbesondere in den Bedingungsfeldern zu verzeichnen<br />
hat. Neue Impulse wurden durch Bundesprogramme (z. B. „Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben“<br />
oder „Lernende Regionen - Förderung von Netzwerken“)<br />
sowie landesspezifische Strategien (z. B. „Handlungskonzept<br />
Schule & Arbeitswelt“ Schleswig-Holstein) gegeben. Dennoch ist Berufsorientierung<br />
bei weitem noch nicht als Querschnittsthema anerkannt. Zudem<br />
signalisieren das Auflegen immer neuer Einzelprojekte, aber auch die<br />
Schwierigkeiten, die Jugendliche beim Übergang zwischen Schule und<br />
Arbeitswelt haben, wie beispielsweise die Konzentration auf ein eingeschränktes<br />
Spektrum an Berufsausbildungen und Studiengängen, die Unsicherheit<br />
und Orientierungslosigkeit in Bezug auf die Vielfalt an beruflichen<br />
Optionen, fehlendes Wissen über Berufe und die Arbeitswelt sowie<br />
Berufsausbildungs- und Studienabbrüche, dass die Berufsorientierung in<br />
ihrer aktuellen Form unzureichend greift. Letztendlich sind auch die teilweise<br />
eingesetzten Qualitätskriterien hier nicht dienlich, denn diese sichern<br />
306
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
lediglich die Güte der Absichtserklärungen in Hinblick auf festgesetzte Ziele.<br />
Sie überprüfen indessen nicht, ob die Intentionen auch tatsächlich erreicht<br />
wurden. Dazu ist Berufsorientierung einer Wirkungskontrolle und<br />
Erfolgsbewertung zu unterziehen, die Anpassungsprozesse bzw. Veränderungen<br />
auf der normativen Ebene und im operativen Handlungsfeld nach<br />
sich ziehen. Knauf und Oechsle formulieren in diesem Zusammenhang:<br />
„Wir wissen .. zu wenig darüber, wie hilfreich und wirksam diese Angebote<br />
zur Berufsorientierung für die Jugendlichen sind. Bieten sie verlässliche<br />
Orientierung für die Jugendlichen, oder sind sie selbst ein Element der<br />
neuen Unübersichtlichkeit im Übergang von der Schule in das Studium<br />
und die Ausbildung?“ (Knauf, Oechsle 2007, S. 143 und auch Oechsle<br />
2005, S. 1 f.)<br />
Verglichen mit der hohen Zahl an berufsorientierenden Interventionen ist<br />
eine systematische Wirkungsforschung bislang nicht wahrzunehmen. Wenn<br />
wirkungsorientierte Evaluation überhaupt realisiert wird, dann mehrheitlich<br />
in Bezug auf unterrichtliche oder außerunterrichtliche Orientierungsmaßnahmen<br />
an Schulen. Bezogen auf die hier ausgewerteten Studien ist zu resümieren,<br />
dass diese zwar Einblick über die Stärken und Schwächen der<br />
untersuchten Interventionen geben, berufliche Orientierung aber jeweils<br />
anders definiert und in differenzierter Form operationalisiert ist. Sowohl<br />
die gewählten Messmethoden und -instrumente, als auch der Zeitpunkt der<br />
Erfassung der Wirkungen sind verschieden. Dies zieht gravierende Folgen<br />
für die Vergleichbarkeit von Untersuchungsergebnissen nach sich, denn für<br />
eine solche Gegenüberstellung sind das Vorhandensein eines einheitlich<br />
definierten Anspruchs an Berufsorientierung in Form identischer Zielstellungen,<br />
wie auch die Nutzung gleichartiger Analysemethoden, etc. elementar.<br />
Insgesamt ist festzustellen, dass Orientierungsangebote zwar zumeist<br />
subjektiv positiv bewertet werden, jedoch nur in geringem Maße statistisch<br />
bedeutsame Effekte ermittelt werden konnten.<br />
Dass vorrangig schulisch implementierte Maßnahmen im Fokus wirkungsorientierter<br />
Evaluation stehen, kann zum einen daran liegen, dass mit der<br />
Einrichtung von Schulversuchen massiv in den Schulablauf eingegriffen<br />
wird und damit ein enormer Recht-fertigungs- und Legitimationsdruck besteht.<br />
Zum anderen ist zu vermuten, dass Evaluationsberichte generell nur<br />
ungern publiziert werden, weil negative Ergebnisse mit der Befürchtung<br />
eines Imageschadens und positive mit der Angst vor dem Verlust des<br />
Wettbewerbsvorteils für den jeweiligen Anbieter einhergehen (vgl. Bortz,<br />
Döring 2006, S. 100). Darüber hinaus ist die Ausrichtung auf einzelne<br />
Orientierungsmaßnahmen mit speziellen Wirkungsfragen möglicherweise<br />
307
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
wenig interessant für Fachpublikationen, die auf einen allgemeinen Erkenntnisgewinn<br />
fokussieren (vgl. ebd.). Nach dieser zweiten Argumentationslinie<br />
hat wirkungsorientierte Evaluation in der Vergangenheit durchaus<br />
nicht nur punktuell stattgefunden, sondern ist nur nicht systematisch nachzuvollziehen.<br />
Resümierend ist zu konstatieren: Es sind nur wenige Untersuchungen<br />
zugänglich, deren zentrales und explizites Anliegen die empirische<br />
Bestimmung von Wirkungen der Berufsorientierung ist. Zudem<br />
existieren bislang weder ein breit akzeptiertes Forschungsdesign zur empirischen<br />
Bestimmung von Wirkungen noch ein erprobtes methodisches Repertoire,<br />
mit dem Effekte zuverlässig gemessen werden können. Zur weiteren<br />
Exploration der Wirkungen berufsorientierender Maßnahmen und<br />
zur qualitativen Erweiterung verfügbarer Analysen erfolgte daher eine ergänzende<br />
Evaluation.<br />
10.2 Zusammenfassung empirischer<br />
Ergebnisse und Überprüfung der<br />
Hypothesen<br />
Für die Untersuchung wurde ein kritisch-rationaler, hypothesenprüfender<br />
Ansatz gewählt. Aufgrund dessen, dass aktuell mehrheitlich Wirkungsanalysen<br />
über Orientierungsmaßnahmen in Schulen vorliegen, galt das vorrangige,<br />
aber nicht exklusive Interesse außerschulischen Interventionen. Die<br />
Evaluation konzentrierte sich auf sieben Orientierungsmaßnahmen mit<br />
Durchführungsorten und Einzugsgebieten im Freistaat Sachsen. Bei der<br />
Auswahl der einzelnen Interventionen wurde auf Vielfalt und Differenzierung<br />
hinsichtlich Inhalten, Methoden, Medien, Umfang und zeitlicher<br />
Abfolge fokussiert. Ausgehend vom formulierten Anspruch der Berufsorientierung<br />
und darin implizierten Zielsetzungen, konturierte die Laufbahnentwicklungstheorie<br />
mit dem Berufswahlreifekonzept die evaluationsleitenden<br />
Fragestellungen und die generierten Hypothesen. Zentrale Aspekte<br />
stellten u. a. die Aktivitäten der beruflichen Exploration, das Kristallisationsniveau<br />
des Bildungs- und Berufsweges sowie Berufswünsche, die<br />
Entwicklungen und Veränderungen im Berufswahlengagement, im Wissen<br />
über die Berufs- und Arbeitswelt, im Interesse an Berufsfeldern, in der beruflichen<br />
Entschiedenheit, in der Kompetenzentwicklung sowie in der allgemeinen<br />
Selbstwirksamkeitserwartung dar. Die Evaluation war quasiexperimentell<br />
in einem Pretest-Posttest-Follow-up-Design mit Kontrollgruppen<br />
angelegt. Die ersten beiden Messungen fanden zwischen Oktober 2007 und<br />
Mai 2008 statt. Die Follow-up-Befragung schloss sich zwischen Juni und<br />
308
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
September 2008 an. Die Auswertungen beziehen sich auf insgesamt 321<br />
Jugendliche aus Förderschulen, Mittelschulen und Gymnasien, für die jeweils<br />
Daten zum Pre- und Posttest vorlagen. Neun Mädchen und Jungen<br />
waren in die Folgerhebung involviert. Während 83 Schülerinnen und Schüler<br />
Teilnehmende einer der untersuchten Maßnahmen waren, nutzen 238<br />
ausschließlich die schulische Berufsorientierung.<br />
Der Datensatz wurde mittels deskriptiven und schließenden Analysemethoden<br />
untersucht. Insofern weniger als acht Datensätze pro Orientierungsmaßnahme<br />
vorlagen, erfolgten lediglich deskriptive einzelinterventionsbezogene<br />
Auswertungen. Da es sich um Vollerhebungen handelte,<br />
konnte die Anzahl der Fälle nicht durch Erweiterungen der einzelnen<br />
Bruttostichproben erhöht werden. Die vorgesehene Teilnehmerkapazität<br />
spielte bei der Heranziehung der einzelnen Interventionen eine deutlich zu<br />
geringe Rolle, denn das Nicht-Erreichen von Befragten bzw. die methodisch-organisatorisch<br />
bedingte Verringerung des Stichprobenumfangs<br />
zwischen dem Pre- und Posttest zog Einschränkungen bei der Auswahl<br />
von Analysemethoden zur Datenauswertung und in Hinblick auf die Verallgemeinerbarkeit<br />
der gewonnenen Ergebnisse nach sich. Zwar gehen große<br />
Ausgangsstichproben nicht zwangsläufig mit bestehenden normativen<br />
Vorgaben konform. Entsprechend dem hypothesenprüfenden Ansatz dieser<br />
Evaluation hätte der Aspekt der Teilnehmerzahl, und damit auch der<br />
überhaupt möglichen Fallzahl, dennoch eine höhere Relevanz einnehmen<br />
müssen. So wäre die Aussagekraft der mittels schließenden Analysemethoden<br />
ausgewerteten quantitativen Datensätze auf Ebene der Einzelinterventionen<br />
von vornherein gestärkt worden. Unberücksichtigt blieb ferner, inwieweit<br />
die Resultate durch Selektionsprozesse beruhend auf der nicht<br />
gänzlich übereinstimmenden soziodemografischen Zusammensetzung der<br />
Interventions- und der Kontrollgruppe verzerrt wurden. Zusätzlich ist an<br />
dieser Stelle erneut auf die fehlende Repräsentativität der Stichprobe und<br />
damit auf eine generell mangelnde Allgemeingültigkeit der Ergebnisse zu<br />
verweisen.<br />
Aus forschungsmethodischer Sicht ist des Weiteren zweifellos unbefriedigend,<br />
dass sich die Evaluation lediglich auf den Freistaat Sachsen konzentrierte,<br />
wiewohl durch eine Auffächerung auf weitere Bundesländer und<br />
damit andere normative Rahmenbedingungen noch differenziertere Ergebnisse<br />
zu erwarten gewesen wären.<br />
Die Evaluationsergebnisse lassen darauf schließen, dass Paneleffekte in der<br />
vorliegenden Untersuchung weitgehend vermieden wurden. Die wiederholten<br />
Erhebungen führten nicht dazu, dass die Befragten sich infolge der<br />
309
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
Messungen mit der Richtigkeit ihrer Antworten auseinandersetzten, sich ihre<br />
Angaben merken und, unabhängig vom eigentlichen Stimulus, bewusst<br />
Veränderungen kommunizierten. Vorteilhaft wirkten hier möglicherweise<br />
die Zeitspanne zwischen dem Posttest und der Follow-up-Befragung sowie<br />
die umfangreichen Fragebögen, welche die Erinnerungsfähigkeit der Schülerinnen<br />
und Schüler überforderten. Trotzdem sind gerade mit der Länge<br />
der eingesetzten Befragungsinstrumente verbundene Nachteile nicht außer<br />
Acht zu lassen. Im Interesse der Schülerinnen und Schüler hätten sie zielgruppenadäquater<br />
und kürzer gestaltet werden müssen. Trotz des Vermeidens<br />
von Paneleffekten konnten Messfehler nicht vollends ausgeschlossen<br />
werden. Neben der Problematik sozial erwünschter Antworten (bspw. in<br />
Bezug auf die Verfügbarkeit von Kompetenzen) resultierten aus dem Missverständnis<br />
von Fragen (etwa nach Berufsbildern, mit guten Zukunftschancen)<br />
Verzerrungen. Diesbezüglich, wie auch hinsichtlich der Vielfalt<br />
und Komplexität ausgewählter Antwortvorgaben (z. B. zu den Plänen nach<br />
der Schule) erfordern die genutzten Fragebögen eine Korrektur. Bei einem<br />
erneuten Einsatz der entwickelten Messinstrumente wäre gleichfalls zu<br />
überdenken, inwiefern die eingesetzten Wissensbewertungen über konkrete<br />
Sachverhalte (u. a. Arbeitsinhalte, Bewerbungsverfahren) durch Wissenstests<br />
abgelöst werden könnten, umso zu einer höheren Objektivität zu gelangen.<br />
In Zusammenhang mit der Kritik an den verwendeten Fragebögen ist wiederholt<br />
auf Defizite beim Einsatz des Interviewleitfadens und bei der<br />
Durchführung der quantitativen Interviews hinzuweisen. Anders als intendiert,<br />
war durch die gewählte Vorgehensweise ein hoher Strukturierungsgrad<br />
gegeben, durch den es unzureichend gelang, die Befragten in ihrem<br />
Antwortverhalten nicht einzuengen. Auch trotz ausbaufähiger Rückfragen<br />
entfaltete die Follow-up-Erhebung so ihre Leistungsfähigkeit nur begrenzt.<br />
Nicht optimal gelungen ist zudem die Auswahl der Jugendlichen nach der<br />
Strategie des Theoretical Sampling. Die Entscheidungen über die Einbeziehung<br />
einzelner ‚Fälle’ im Prozess der Datenerhebung und -auswertung erfolgte<br />
nicht durchgängig anhand der gesetzten Samplingkriterien, sondern<br />
mitunter schlichtweg nach der Verfügbarkeit einzelner Interviewpartnerinnen<br />
und Interviewpartner. Gerade bei Interventionen mit einer Teilnehmerquote<br />
unter zehn Jugendlichen war die Gewinnung von Probandinnen<br />
und Probanden für die dritte Befragung schwierig und stellte vor dem Interesse,<br />
Vielfalt aufzuzeigen eine zuweilen unlösbare Herausforderung dar.<br />
Hinzukam, dass ein Anreiz zur Teilnahme lediglich durch die Flexibilität<br />
bezogen auf den Befragungsort gegeben werden konnte.<br />
310
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
Ungeachtet dieser Problematik muss der Untersuchungszeitraum als zu<br />
knapp bemessen bewertet werden. Das gewählte Evaluationsdesign, mit<br />
der Follow-up-Befragung einzelner Jugendlicher nach drei bis zehn Monaten<br />
nach Beendigung der Orientierungsmaßnahmen, begrenzt das Potenzial<br />
der Studie. Parallel wären das Führen erneuter Experteninterviews mit den<br />
Akteuren in den Orientierungsmaßnahmen sowie die Ergänzung einer<br />
zweiten Folgebefragung nach Verlassen der Schule sinnvoll gewesen, um<br />
die Evaluationsresultate noch sicherer interpretieren und Aussagen über<br />
langfristige Wirkungen treffen zu können. Durch die Erfassung der verschiedenen<br />
subjektiven Bewertungen hätte zudem die Möglichkeit zu<br />
einem Vergleich und zu einer Kontrastierung einzelner Beteiligter bestanden,<br />
was unter Umständen zu anderen Befunden und Schlussfolgerungen<br />
sowie zu mehr Plausibilität in den Interpretationen geführt hätte.<br />
Trotz der genannten Kritikpunkte, die als Ergänzung zu den in den jeweiligen<br />
Kapiteln formulierten Kommentaren zu verstehen sind, stimmen die<br />
Kernergebnisse dieser Studie mit weiteren Untersuchungen überein:<br />
Erstens erfüllt Berufsorientierung den definitorisch an sie gestellten Anspruch<br />
nicht im erwarteten Umfang. Zweitens zeichnet sich die Notwendigkeit<br />
zur Realisierung weiterer bzw. vertiefender Wirksamkeitsanalysen<br />
ab, um fundiertere Aussagen zu den Stärken und Schwächen einzelner<br />
didaktischer Ansätze treffen zu können. Vor allem die festgestellte fehlende<br />
Allgemeingültigkeit der Evaluationsergebnisse wird durch diese Parallelen<br />
erheblich relativiert. Eine Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse,<br />
wie auch der Resultate der Hypothesenprüfung ist den folgenden Abschnitten<br />
zu entnehmen. Sie untergliedert sich thematisch nach den formulierten<br />
Veränderungshypothesen. Jeweils implementiert ist die Begutachtung von<br />
Differenzen zwischen den Untersuchungsgruppen gemäß der aufgestellten<br />
Unterschiedshypothese.<br />
Zu Beginn kann resümiert werden: Berufsorientierung ist für 80% der<br />
Mädchen und Jungen in den Untersuchungsgruppen ein vertrautes Thema.<br />
Analog zu den Grundgedanken entwicklungstheoretischer Modelle zur Beschreibung<br />
des Berufsorientierungsprozesses zeigen die Untersuchungsergebnisse,<br />
dass die befragten Jugendlichen in der Vergangenheit unterschiedliche<br />
zeitliche Ressourcen zur Auseinandersetzung mit ihrer beruflichen<br />
Zukunft aufwendeten. Gleichfalls nutzen sie verschiedene Informationsquellen<br />
für die Orientierung. Mütter und Väter genießen dabei einen<br />
besonderen Stellenwert. Sie stehen den Schülerinnen und Schülern in Fragen<br />
zum Berufs- und Lebensweg zur Seite, fungieren als Ratgeber und<br />
Rollenvorbilder. Neben der Familie erkennen die Jugendlichen auch in<br />
Lehrerinnen und Lehrern sowie generell in der Schule einen Interaktions-<br />
311
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
partner und eine Unterstützungsoption. Nach dem Empfinden etwa der<br />
Hälfte der Mädchen und Jungen der Kontrollgruppe, die an einer Förderoder<br />
Mittelschule lernen, wurden Fragen der beruflichen Orientierung in<br />
der Schule sehr oder eher oft angesprochen. Bei den befragten Gymnasiastinnen<br />
und Gymnasiasten liegt der Anteil gleicher Antworten erheblich<br />
darunter. Insgesamt wünscht sich die Mehrheit der Jugendlichen eine noch<br />
stärkere schulische Verankerung der Berufsorientierung.<br />
An den hier untersuchten Orientierungsmaßnahmen nahmen vor allem<br />
Schülerinnen und Schüler teil, die bereits seit längerem über die Berufswahl<br />
nachgedacht haben. Zugleich ist bei den Teilnehmenden der Interventionen<br />
gegenüber der Kontrollgruppe ein signifikant höherer Anteil an<br />
Mädchen und Jungen vorzufinden, der noch nicht über konkrete berufliche<br />
Vorstellungen nach Verlassen der Schule verfügt. Waren sich vor der Teilnahme<br />
an einem der evaluierten Orientierungsangebote 23% der Jugendlichen<br />
unsicher, welchen beruflichen Weg sie nach Verlassen der Schule<br />
einschlagen sollten, lag dieser Anteil nach Abschluss nur noch bei 14%.<br />
Unentschlossene Mädchen und Jungen gingen demnach mit konkretisierten<br />
Plänen aus den Interventionen hervor. Insofern die Jugendlichen ihren Berufsweg<br />
bereits geplant haben, denken sie zumeist mehrere Bildungs- bzw.<br />
Berufsstationen verknüpft. Sie entwerfen ein mehrstufiges Bild ihrer Bildungs-,<br />
Arbeits- und Berufsbiografie und treffen damit ein wesentliches<br />
Kernelement des aktuellen begrifflichen Verständnisses von Berufsorientierung<br />
und von entwicklungstheoretischen Ansätzen der Berufswahl.<br />
Mit der Teilnahme an Orientierungsangeboten verbinden mehr als 50% der<br />
Jugendlichen den Wunsch, mehr über Inhalte und Anforderungen in bestimmten<br />
Ausbildungen zu erfahren. Hervorzuheben ist, dass es sich dabei<br />
nicht zwangsläufig um die Berufe oder Berufsfelder handeln muss, die von<br />
ihnen persönlich favorisiert werden. Während es den Mädchen ferner wichtig<br />
ist, ihre beruflichen Ziele besser einschätzen zu können, stehen für die<br />
Jungen das Gewinnen von Klarheit über die eigenen Stärken und Schwächen,<br />
das Sammeln praktischer Erfahrungen in der Arbeitswelt, aber auch<br />
das Finden eines Berufes zusätzlich im Vordergrund.<br />
Nach Beendigung der Orientierungsmaßnahmen sieht ein Viertel der Mädchen<br />
und Jungen die Erwartungen als bestätigt an. Zwei Drittel schätzen<br />
ihre Vorstellungen als überwiegend erfüllt ein. Während sich für wenigstens<br />
60% der Jugendlichen, die ‚JobGalaxy’ oder die beiden Schnupperpraktika<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’ und ‚Konditorei/Verkauf’ nutzten, die Erwartungen<br />
‚sehr’ erfüllten, gehen bei 44% der Mädchen, die den ‚Girls’Day’ [B] besuchten<br />
die eigenen Vorstellungen über den Mädchen-Zukunftstag und das<br />
312
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
tatsächliche Angebot deutlich auseinander. Die Teilnehmenden der<br />
Schnupperpraktika sind es auch, die ihre Teilnahme am nützlichsten für<br />
ihre berufliche Orientierung empfanden. 70% bzw. 88% bewerten diese<br />
Maßnahmen als sehr hilfreich. Bei der ‚Schnupperlehre’ positioniert sich<br />
immerhin noch jeder Zweite so positiv. Hingegen sehen je ein Drittel der<br />
‚Girls’Day’- und der ‚JobGalaxy’-Teilnehmerinnen sowie zwei Drittel der<br />
Befragten von ‚JobGalaxy Future’ kaum einen Nutzen für sich. Ergänzend<br />
zu dieser kritischen Bewertung der Schülerinnen und Schüler lassen sich die<br />
aufgestellten Hypothesen wie nachfolgend dargelegt verifizieren bzw.<br />
falsifizieren. Sie werden angenommen bzw. beibehalten, wenn Veränderungen<br />
festzustellen sind und die Hypothese möglich (wahrscheinlich) ist. Dahingegen<br />
werden sie verworfen, wenn Sachverhalte keine Veränderung<br />
oder nicht die erwartete Richtung in der Veränderung zeigen bzw.<br />
zwischen den Untersuchungsgruppen kein Unterschied besteht.<br />
VH 1 Das Berufswahlengagement und die Eigenverantwortung im<br />
Berufsorientierungsprozess erhöhen sich durch die Wahrnehmung<br />
außerschulischer Orientierungsangebote.<br />
Anknüpfend an die Tatsache, dass ein Großteil der Mädchen und Jungen<br />
sich bereits mit der anstehenden Berufswahl auseinandersetzte und Informations-<br />
und Beratungsangebote in Anspruch nahm, belegen auch die Mittelwerte<br />
zu den Skalen zum Berufswahlengagement und zur Eigenverantwortung<br />
die Bereitschaft der Jugendlichen, sich selbstbestimmt mit ihrer beruflichen<br />
Zukunft auseinanderzusetzen. Bezogen auf das Berufswahlengagement ist<br />
zu konstatieren, dass die Jugendlichen der Kontrollgruppe und der Mehrzahl<br />
der Interventionsgruppen vom Pre- zum Posttest ihren Eifer, in die<br />
Berufsorientierung zu investieren und selbst Voraussetzungen für einen gelingenden<br />
Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt zu schaffen, verlieren.<br />
Auch wenn er die Erwartungen seiner Teilnehmerinnen am wenigsten<br />
erfüllt, wirkt lediglich der ‚Girls’Day’ [B] bestärkend auf das berufliche Engagement.<br />
Die durchgeführte zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholungsfaktor<br />
bestätigt differenzielle Veränderungen in den Untersuchungsgruppen.<br />
Der Entwicklungsverlauf in der Kontrollgruppe und den<br />
Interventionsgruppen ist signifikant unterschiedlich (p = 0,000). Das Zusammenwirken<br />
des Zeit- und des Gruppenfaktors klärt jedoch lediglich<br />
rund 11% der Varianz auf. Dass heißt, durch die Wahrnehmung außerschulischer<br />
Orientierungsangebote verändert sich das Berufswahlengagement zwar,<br />
statistisch bedeutsame positive Veränderungen sind jedoch allein für den<br />
‚Girls’Day’ [B] festzustellen. Die Hypothese kann folglich nur für diese Intervention<br />
angenommen werden.<br />
313
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
Auch in Hinblick auf die Eigenverantwortung zeigen sich von Messzeitpunkt<br />
zu Messzeitpunkt ungleiche Entwicklungen. Während das Gestaltungsbewusstsein<br />
in der Kontrollgruppe, beim Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’<br />
und der ‚Schnupperlehre’ abnimmt, steigt es bei den weiteren<br />
Interventionen. Die zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholungsfaktor<br />
zeigt jedoch keine signifikanten Entwicklungsunterschiede zwischen<br />
den Untersuchungsgruppen. Die Steigerung der Eigenverantwortung im Zeitverlauf<br />
kann demnach zufallsbedingt sein. Die Hypothese wird unter Gesichtspunkten<br />
der schließenden Statistik verworfen.<br />
Die Ergebnisse der Follow-up-Untersuchung geben Hinweise auf mögliche<br />
Ursachen für das Ausbleiben der gewünschten Änderungen. So ist denkbar,<br />
dass beispielsweise mangelnde zeitliche Ressourcen oder Motivationsprobleme<br />
infolge einer Übersättigung mit berufsorientierenden Themen negativ<br />
auf die Entwicklung des Berufswahlengagements und der Eigenverantwortung wirken.<br />
VH 2 Es erfolgt eine Veränderung berufswahlbezogener Wertorientierungen<br />
und Einstellungen in Folge der Wahrnehmung von außerschulischen<br />
Maßnahmen zur beruflichen Orientierung.<br />
Die Werteorientierungen der Jugendlichen spiegeln in erster Linie ihr Streben<br />
nach beruflicher Etablierung, finanzieller Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung<br />
wider. Darüber hinaus stehen u. a. auch Anerkennung und<br />
Achtung im Beruf sowie der Wunsch nach Aufstieg und Karriere im<br />
Zentrum ihrer Zukunftsplanung. Die Sichtweisen der Mädchen und Jungen<br />
der Evaluationsgruppen gegenüber den untersuchten aufstiegs-, sicherheitsund<br />
gesellschaftsbezogenen Kriterien, geschlechts- und gleichstellungsbezogenen<br />
Aspekten sowie gegenüber sinnstiftenden Tätigkeiten und der<br />
Umsetzung von familiären und freizeitbezogenen Interessen schwanken in<br />
der Kontroll- wie auch der Interventionsgruppe zwischen den Messzeitpunkten.<br />
Signifikante Gruppenunterschiede bezogen auf Veränderungen<br />
im Antwortverhalten zwischen Pre- und Posttest konnten hinsichtlich dem<br />
Wunsch nach einem Beruf mit geringem Arbeitslosigkeitsrisiko (p = 0,012)<br />
sowie zur Mehrzahl der geschlechts- und gleichstellungsbezogenen Werte<br />
(p = 0,001 bis 0,0005) festgestellt werden. Die Hypothese ist folglich lediglich in<br />
Hinsicht auf einzelne Werteorientierungen anzunehmen. Es ist jedoch zu resümieren,<br />
dass, insofern Einstellungsänderungen nachzuweisen sind, diese nicht<br />
zwingend in die intendierte Richtung gehen. Dies wird insbesondere am<br />
Beispiel der Intervention ‚Schnupperlehre’ und der geschlechtstypischen<br />
Orientierung bei der Berufswahl sowie der Akzeptanz von Gleichstellung<br />
314
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
deutlich: Items, in denen Gleichstellung bejaht und Geschlechtsorientierung<br />
verneint wird, finden im Zeitverlauf immer weniger Zustimmung,<br />
währenddessen traditionelle Denkweisen in Bezug auf die beiden Aspekte<br />
verstärkt werden. Wie auch die Follow-up-Untersuchung zeigt, werden die<br />
Jugendlichen stark durch das Rollenverständnis und die Rollenbilder ihres<br />
sozialen Umfeldes beeinflusst.<br />
VH 3 Durch die Teilnahme werden Veränderungen im Interesse an<br />
den Berufsfeldern und -bildern, die im Fokus der Orientierungsmaßnahmen<br />
standen, ausgelöst.<br />
Die Mehrheit der Jugendlichen in den Untersuchungsgruppen verfügte<br />
zum ersten Befragungszeitpunkt über spezifische berufliche Vorstellungen.<br />
Prägnant ist die Benennung fast ausschließlich konkreter, und gemessen an<br />
den individuellen Voraussetzungen (z. B. angestrebter Schulabschluss), adäquater<br />
Berufe. 22% der Interventionsteilnehmer und 10% der Mädchen<br />
und Jungen, die ausschließlich die schulische Berufsorientierung nutzen,<br />
benannten keine Wunschausbildung. Dabei handelt es sich signifikant<br />
häufiger um Schülerinnen und Schüler, die sich noch nicht mit ihrer beruflichen<br />
Zukunft befassten. Mit Beendigung der Orientierungsangebote verfügt<br />
die Hälfte der Jugendlichen, die im Pretest noch keine Wunschausbildung<br />
angab, über wenigstens einen Favoriten. Eine vergleichbare Entwicklung<br />
ist in der Kontrollgruppe nicht zu beobachten. Die durch die Jugendlichen<br />
kommunizierten Berufswünsche, wie auch das signalisierte Interesse<br />
an Berufsfeldern, spiegeln zwei Aspekte wider, die generell charakteristisch<br />
für die Berufswahl junger Menschen sind. Erstens orientieren sich die<br />
Mädchen sehr stark an frauendominierten und die Jungen an männerdominierten<br />
Berufen. Zweitens berücksichtigen sie mit ihren beruflichen Wünschen<br />
nur ein kleines Spektrum an vorhandenen Optionen.<br />
Hinsichtlich der Berufsfelder, die in den Orientierungsmaßnahmen zentral<br />
waren, berichten alle Jugendlichen, gleichgültig ob sie an einer Orientierungsmaßnahme<br />
teilnahmen oder nicht, zum zweiten Messzeitpunkt über<br />
ein gestiegenes Interesse. Offenbar sind sie generell für ‚Neues’ zugänglich,<br />
auch wenn die Teilnehmenden der Interventionsgruppe ihren Interessenzuwachs<br />
nahezu durchgängig höher einschätzen als die der Kontrollgruppe.<br />
Ferner gaben 26% der Mädchen und 41% der Jungen der Interventionsgruppe<br />
im Posttest an, infolge ihrer Teilnahme Berufe neu kennengelernt<br />
zu haben. In der Kontrollgruppe trafen hingegen nur 8% der Jungen und<br />
Mädchen diese Aussage. Letztendlich ist dennoch zu konstatieren, dass die<br />
Zielstellung, Jugendliche für einzelne, durch die Interventionen in den<br />
315
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
Mittelpunkt gestellte Berufe oder Berufsbereiche zu begeistern, verfehlt<br />
wurde bzw. nicht so weit reichte, dass die Mädchen und Jungen ihren erstgenannten<br />
Wunschausbildungsberuf oder -studiengang zugunsten dieser<br />
änderten. Zwar sind Veränderungen in den präferierten beruflichen<br />
Wünschen nachzuvollziehen. Sie stimmen aber selten mit der intendierten<br />
Richtung der Orientierungsmaßnahmen überein. Lediglich die Interventionen<br />
‚Girls’Day’ [B] und ‚Schnupperlehre’ grenzen sich hier ab. Die Hypothese<br />
kann demnach ausschließlich für diese beiden Angebote zur beruflichen Orientierung<br />
angenommen werden. Trotz der eingeschränkten Verifizierung ist dem<br />
Ergebnis auch ein positiver Aspekt abzugewinnen: Wenn durch die Interventionen<br />
bewirkt wird, dass die Jugendlicher erkennen, dass ihre Vorstellungen<br />
über Voraussetzungen, Anforderungen und Arbeitsbedingungen im<br />
Wunschberuf nicht der Realität entsprechen und so eine Neuorientierung<br />
stattfindet, ist viel erreicht, um einem Berufsausbildungs- oder Studienabbruch<br />
zu einem späteren Zeitpunkt vorzubeugen.<br />
VH 4 Die Sicherheit und Entschiedenheit bezogen auf berufliche<br />
Interessen wird durch die Teilnahme an außerschulischen Orientierungsangeboten<br />
gesteigert.<br />
Die Erwartungen der Jugendlichen an ihre Teilnahme an Interventionen,<br />
die partiell vorhandene Unklarheit über Wege nach Verlassen der Schule<br />
sowie die teilweise Instabilität ihrer Berufswünsche sind Indizien für bestehende<br />
Unsicherheiten, berufliche Interessen auch tatsächlich zu verfolgen.<br />
Diesen Eindruck bestätigen die Mittelwerte der Skala zur Sicherheit und<br />
Entschiedenheit. Insbesondere bei den Mädchen und Jungen der Interventionsgruppen<br />
zeugen sie von wenig gefestigten beruflichen Vorstellungen,<br />
was sich im Verlauf der Interventionen noch verstärkt. Zwar werden sich<br />
die Teilnehmenden der Orientierungsangebote hinsichtlich ihrer beruflichen<br />
Präferenzen mitunter auch gewisser, allerdings zeigt die zweifaktorielle<br />
Varianzanalyse mit Messwiederholungsfaktor keine statistisch bedeutsamen<br />
Effekte. Dass die Teilnahme an einer der Orientierungsmaßnahmen<br />
nur eine geringe festigende Wirkung auf die Jugendlichen hat, bestätigte<br />
sich mehrheitlich auch in der Follow-up-Befragung. Die Hypothese ist<br />
folglich zu verwerfen.<br />
316
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
VH 5 Das berufs- und arbeitsweltbezogene Wissen Jugendlicher erhöht<br />
sich durch die Teilnahme an Orientierungsmaßnahmen.<br />
Dass Jugendliche, die noch keinen Berufs- oder Studienwunsch haben,<br />
signifikant häufiger angaben, sich noch nicht mit der Berufswahl beschäftigt<br />
zu haben, deutet darauf hin, dass berufliche Pläne sehr wohl sachlich<br />
begründet sind und auf einer aktiven Auseinandersetzung und einem fundierten<br />
Abwägen basieren. Umso erstaunlicher sind vor diesem Hintergrund<br />
die Ergebnisse zu subjektiv eingeschätzten Kenntnissen, z. B. über<br />
potenzielle Ausbildungsbetriebe bzw. akademische Bildungseinrichtungen<br />
oder über Inhalte, Anforderungen und Arbeitsabläufe. So ist vor allem die<br />
Frage nach Unternehmen oder Hochschulen, an welche die Jugendlichen<br />
Bewerbungen richten könnten, zu beiden Messzeitpunkten durch etwa<br />
60% bis 70% Antwortausfälle in den Untersuchungsgruppen geprägt, was<br />
auf deutliche Wissensdefizite schließen lässt. In den erfolgten Nennungen,<br />
die sich im Untersuchungsverlauf verringern, spiegelt sich bemerkenswerterweise<br />
statt einer eingeengten Sicht auf wenige regional populäre<br />
Betriebe, eine breite Palette an Kleinst-, kleineren und mittleren Unternehmen<br />
ortsansässiger Firmen diverser Branchen wider. Abgesehen vom<br />
lokalen Bezugsrahmen gilt gleiches für den Bereich der Hochschulen.<br />
Das Wissen über Inhalte und Anforderungen präferierter Berufe sowie über<br />
Bewerbungsverfahren wird zum ersten Messzeitpunkt von etwas mehr<br />
als 60% der Mädchen und Jungen der Interventions- und der Kontrollgruppe<br />
als ‚sehr gut’ oder ‚eher gut’ eingeschätzt, wobei der Großteil Erweiterungsspielraum<br />
für das eigene Wissen sieht. Hinsichtlich Abläufen in Unternehmen<br />
und Hochschulen sowie Erwerbsformen gaben 45% und 52%<br />
an ‚sehr gut’ oder ‚eher gut’ informiert zu sein. Von Messzeitpunkt zu<br />
Messzeitpunkt zeigen sich bei den Teilnehmenden der ‚Schnupperlehre’<br />
durchgängig für alle voranstehend genannten Wissensbereiche statistisch<br />
signifikante und von den Entwicklungen in der Kontrollgruppe abweichende<br />
Wissenzuwächse.<br />
Hervorzuheben sind ferner signifikante Entwicklungsunterschiede<br />
zwischen den Mädchen und den Jungen der Interventionsgruppen. Die<br />
männlichen Befragungsteilnehmer profitieren mehr an Wissen als die weiblichen.<br />
Konträr zu den aufgezeigten Ergebnissen stehen die in der Followup-Befragung<br />
zum Ausdruck gebrachten Standpunkte der Jugendlichen. Sie<br />
lassen eher verhalten eine Erweiterung des berufs- und arbeitsweltbezogenen<br />
Wissens erkennen. Dennoch ist die formulierte Hypothese auf Basis der statistischen<br />
Analyseergebnisse anzunehmen.<br />
317
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
VH 6 Aus der Nutzung von Orientierungsangeboten folgt eine Steigerung<br />
der Informationsbereitschaft und der Flexibilität bei Entscheidungen<br />
der Jugendlichen im Berufsorientierungsprozess.<br />
Die befragten Jungen und Mädchen verfügen nach ihrem subjektivem<br />
Empfinden über Wissenslücken hinsichtlich Inhalten, Anforderungen und<br />
Arbeitsabläufen. Weniger als die Hälfte konnte potenzielle Ausbildungsbetriebe<br />
bzw. Arbeitgeber benennen. Dessen ungeachtet zeigen die Mittelwertberechnungen<br />
zur Skala Informationsbereitschaft und Flexibilität, dass die<br />
bestehenden Informationsdefizite nicht auf einer mangelnden Bereitwilligkeit,<br />
sich entsprechende Informationen zu beschaffen oder einer eingeschränkten<br />
Flexibilität und Kompromissbereitschaft im Berufsorientierungsprozess<br />
beruhen. Im Zeitverlauf ist ferner festzustellen, dass sich die<br />
Mittelwerte der Kontrollgruppe und der Interventionsgruppen vom Pretest<br />
zum Posttest verringern. Die zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholungsfaktor<br />
bestätigt einen signifikant unterschiedlichen Entwicklungsverlauf<br />
in den einzelnen Untersuchungsgruppen (p = 0,024). Die<br />
Wechselbeziehung von Gruppen- und Zeitfaktor klärt jedoch nur 4% der<br />
Varianz auf. Die Interventionen haben demnach Einfluss auf die Informationsbereitschaft<br />
und Flexibilität. Im Sinne der aufgestellten Hypothese wirken<br />
jedoch lediglich die ‚Girls’Day’-Interventionen sowie das Schnupperpraktikum<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’. Die Hypothese wird folglich nur für diese Interventionen<br />
angenommen.<br />
VH 7 Jugendliche verfügen nach der Nutzung von Orientierungsangeboten<br />
über eine höhere allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung.<br />
Selbstwirksamkeitserwartungen haben im Berufsorientierungsprozess<br />
steuernden Charakter. Sie beeinflussen die Motivation, sich der Herausforderung<br />
der Berufswahl zu stellen, Anstrengungen zu investieren und die<br />
Berufswahl mit dem vorhandenen oder noch zu erwerbendem Wissen sowie<br />
eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten erfolgreich zu meistern. Das Vertrauen<br />
der hier befragten Mädchen und Jungen, die mit dem Berufsorientierungsprozess<br />
verknüpften Anforderungen aus eigener Kraft zu bewältigen<br />
und den Erfolg der eigenen Kompetenz zuzuschreiben, ist eher mittelmäßig<br />
ausgeprägt. Auch im Zeitverlauf ändert sich daran sowohl in der<br />
Kontrollgruppe als auch in der Interventionsgruppe wenig. Die zweifaktorielle<br />
Varianzanalyse mit Messwiederholungsfaktor verifiziert die deskriptiven<br />
Ergebnisse. Sie lässt keinen signifikanten Einfluss der Interventionen<br />
auf die allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung erkennen. Vielmehr signalisiert<br />
sie, dass die bestehenden Mittelwertunterschiede lediglich auf Zufallsschwankungen<br />
basieren. Die Hypothese wird verworfen.<br />
318
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
VH 8 Die Entwicklung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten<br />
wird gefördert.<br />
Nicht nur Unternehmern bzw. Hochschulangehörigen, auch den hier befragten<br />
Mädchen und Jungen ist die Thematik der Ausbildungsreife ein<br />
Begriff. Sie wissen sehr wohl, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten<br />
für einen gelingenden Einstieg in eine Berufsausbildung oder ein<br />
Studium von Bedeutung sind. Besonders im Bereich der Sozialkompetenzen<br />
sehen sich die Jugendlichen der Kontroll- und der Interventionsgruppe mit<br />
hohen Erwartungen konfrontiert. Grundsätzlich schreiben sich die Befragten<br />
ein recht hohes Kompetenzniveau zu, jedoch liegt dieses deutlich unter<br />
dem wahrgenommenen Anforderungsniveau. Potenzial sehen die Jugendlichen<br />
der beiden Teilgruppen zu den beiden Messzeitpunkten vor allem in<br />
ihrer Sozialkompetenz. Dahingegen schätzen sie ihre Sachkompetenz und<br />
hierbei in erster Linie Wirtschaftskenntnisse und Grundkenntnisse wirtschaftlicher<br />
Zusammenhänge als am wenigsten ausgeprägt ein. Hier besteht<br />
eine Parallele zu den Ergebnissen zum arbeitswelt- und berufsbezogenen<br />
Wissen. Im Zeitverlauf zeigen sich hinsichtlich der vier in den Blickpunkt<br />
gerückten Kompetenzdimensionen, Sachkompetenz, Sozialkompetenz,<br />
Selbstkompetenz und Methodenkompetenz, unterschiedliche Entwicklungen<br />
in den Interventionsgruppen und der Kontrollgruppe.<br />
Signifikante Gruppenunterschiede bezogen auf Veränderungen im Antwortverhalten<br />
zwischen Pre- und Posttest konnten betreffs der Sachkompetenz<br />
ermittelt werden. In nahezu allen Interventionen sehen die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer ihre Fachkenntnisse gestärkt. Das Zusammenwirken<br />
des Zeit- und des Gruppenfaktors klärt 6,4% der Varianz auf<br />
(p = 0,002). Indessen unterliegen die Mittelwertunterschiede der Selbst-,<br />
Sozial- und Methodenkompetenz vom Pre- zum Posttest zufälligen<br />
Schwankungen. Davon abweichend dominierten im Rahmen der Followup-Erhebung<br />
Aussagen, die einen Gewinn an sozialen Kompetenzen thematisierten.<br />
Die Hypothese wird mit Fokus auf die Sachkompetenz unter Gesichtspunkten<br />
der schließenden Statistik angenommen..<br />
Nach der vorliegenden Untersuchung stehen einige Komponenten der Berufswahlreife<br />
in statistisch gesichertem Zusammenhang zueinander, andere<br />
wiederum nicht. Drei hervorhebenswerte Ergebnisse sollen an dieser Stelle<br />
wiederholt werden:<br />
Erstens zeigten die vorgenommenen Zusammenhangsanalysen, dass bei<br />
zunehmender Eigenverantwortung im Berufsorientierungsprozess das Berufswahlengagement,<br />
die Informationsbereitschaft und Flexibilität steigen. D. h., je stärker<br />
sich die Jugendlichen bewusst sind, selbst für ihren schulischen Ab-<br />
319
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
schluss und Anschluss verantwortlich zu sein, desto größer ist ihre Bereitschaft,<br />
sich mit der Berufsorientierung auseinanderzusetzen, Informationen<br />
einzuholen, eigene Zielstellungen zu verfolgen oder gegebenenfalls aufzugeben<br />
sowie den Anforderungen am Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt<br />
flexibel gegenüberzutreten.<br />
Zweitens ist zu konstatieren, dass eine unsichere Selbsteinschätzung, bezogen<br />
auf die berufliche Eignung und Interessen, einer positiven und aktiven<br />
Einstellung zur Herausforderung der Berufswahl entgegen wirkt. In der<br />
Tendenz sinkt also mit zunehmender Unsicherheit das berufliche Engagement.<br />
Je mehr Zweifel die Jugendlichen haben, ob der im Augenblick von<br />
ihnen bevorzugte Beruf der richtige für sie ist oder sie sich nicht zwischen<br />
verschiedenen, sie interessierenden, Berufsmöglichkeiten entscheiden können,<br />
umso teilnahmsloser bzw. ohnmächtiger werden sie.<br />
Wenn auch jeweils nur durch schwache Zusammenhänge belegt, lassen die<br />
Analysen zum Dritten den Schluss zu, dass die Interventionsteilnehmer den<br />
Berufsorientierungsprozess mit einem realistischeren Blick wahrnehmen.<br />
Sie sehen ihre eigenen Bewerbungsaktivitäten in geringerem Maße als alleiniges<br />
Erfolgskriterium für Chancen am Ausbildungsmarkt an. Ferner sind<br />
sie, trotz besserer Schulnoten und damit günstigeren Ausgangsvoraussetzungen<br />
für den Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt nicht überzeugt,<br />
den Berufsorientierungsprozess angemessen bewältigen zu können.<br />
D. h. von ihrem persönlichen Einsatz und individuellen Leistungen versprechen<br />
sich die Schülerinnen und Schüler, die Berufsorientierungsangebote<br />
wahrnehmen, weniger gute berufliche Chancen als Gleichaltrige der<br />
Kontrollgruppe.<br />
Die befragten Jugendlichen haben insgesamt gesehen eine nüchterne,<br />
problembewusste Sicht auf den Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt,<br />
sind aber zugleich nicht perspektivlos und zukunftsängstlich. Sie<br />
nutzen bestehende Handlungsoptionen, um ihre Chancen zu verbessern.<br />
Die zum Großteil recht klar von den Schülerinnen und Schülern formulierten<br />
Zukunftsvorstellungen und Wertorientierungen sind Ausdruck dafür,<br />
welchen Stellenwert die schulische und berufliche Ausbildung und ein<br />
Platz in der Gesellschaft für sie hat und wie ausgeprägt ihr Bewusstsein ist,<br />
ohne eigenes Engagement deutlich schlechter gestellt zu sein. Die hier evaluierten<br />
berufsorientierenden Maßnahmen wirken allerdings nur eingeschränkt<br />
unterstützend auf die Entwicklung der Persönlichkeit, von Zukunftsvorstellungen<br />
und generell auf die Ausprägung von Berufswahlreife.<br />
In Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Wirkungsevaluationen zu<br />
anderen Interventionen sind nur in geringem Maße statistisch bedeutsame<br />
Veränderungen nachzuweisen. Auch die qualitative Folgeuntersuchung<br />
320
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
zeigte nur bedingt Effekte. Die Resultate verweisen darauf, dass sich Berufswahlreife<br />
in einem längerfristigen Prozess entwickelt und an soziale und<br />
individuelle Ressourcen gekoppelt ist, was deutlich gegen eine punktuelle<br />
pädagogische Steuerung spricht.<br />
Welche inhaltlichen Desiderata ergeben sich aus diesen Resultaten für weitere<br />
Wirkungsevaluationen? Einerseits ist zu vertiefen, wie und durch welche<br />
didaktischen Komponenten konkret Orientierungsmaßnahmen wirken. Maßgeblich<br />
berufsbezogene, arbeitsweltbezogene und persönlichkeitsbezogene berufsbiografische<br />
Inhaltsaspekte sowie methodische Aspekte sind detailgenauer<br />
zu analysieren. Andererseits ist zu eruieren, wo die Ursachen für das<br />
Ausbleiben von gewünschten Effekten liegen. Es stellen sich u. a. folgende<br />
anschließende Forschungsfragen:<br />
� Wo liegen die Gründe für die Demotivation Jugendlicher im Berufsorientierungsprozess<br />
und für die Abnahme des Berufswahlengagements?<br />
� Was hilft Schülerinnen und Schülern bestehende Unsicherheiten hinsichtlich<br />
beruflicher Präferenzen abzubauen? Welchen Beitrag können<br />
Potenzialanalysen sowie individuelle Förderpläne und Teilnehmerrückmeldungen<br />
leisten?<br />
� Welche Effekte zieht der Zustand der Unentschlossenheit für den<br />
Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt nach sich?<br />
� Welche Auswirkungen haben berufsorientierende Interventionen auf<br />
die Lern- und Leistungsmotivation Jugendlicher?<br />
� Wie wirken verschiedenartige schulische Konzepte zur Berufsorientierung?<br />
� Wie setzt sich die Entwicklung von Berufswahlreife infolge der Wahrnehmung<br />
mehrerer (didaktisch differenzierter) Interventionen fort?<br />
Welche Wechselwirkungen entstehen aus Maßnahmeketten? Welche<br />
Konsequenzen ergeben sich daraus aus zeitlicher Perspektive?<br />
� Wie kann das eingeschränkte Berufswahlverhalten Jugendlicher stärker<br />
aufgeweicht werden? Welche Relevanz hat generell das Geschlecht<br />
als Einflussfaktor auf Berufsorientierungsprozesse?<br />
� Wie passfähig sind die Ergebnisse von Wirkungsanalysen zu den entwickelten<br />
Qualitätskriterien für Berufsorientierung?<br />
� Welche Schlüsse lässt der Rückbezug der Ergebnisse auf die berufswahltheoretischen<br />
Erklärungsansätze zu? Wie sind die Theorien in<br />
einem Rahmenmodell fortzuschreiben und welche didaktischen Konsequenzen<br />
ergeben sich daraus?<br />
321
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
Die Evaluation von Wirkungen berufsorientierender Interventionen ist ein<br />
komplexes und aufwendiges Unterfangen. Letztendlich ist daher auch auf<br />
die Notwendigkeit der Entwicklung eines breit akzeptierten Forschungsdesigns<br />
zur empirischen Bestimmung von Wirkungen hinzuweisen. Dies<br />
schließt den Einsatz eines erprobten ‚Methodenbaukastens’ ein, aus welchem<br />
auf Basis der spezifischen Bedingungen der jeweiligen Interventionen<br />
geeignete Instrumente, die Effekte zuverlässig messen, ausgewählt werden<br />
können. Gewinnbringend erscheinen hier die aktuellen Bestrebungen des<br />
Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie des Zentrums für<br />
Europäische Wirtschaftsforschung zur Entwicklung eines Evaluationskonzeptes,<br />
das wissenschaftlichen Standards entspricht (vgl. Kupka, Wolters<br />
2010, S. 38 ff.; vgl. Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung 2010,<br />
S. 131 ff.). Insofern Maßnahmen einen positiven Einfluss auf die Berufswahlreife<br />
haben, dieser nachgewiesen und gefördert werden kann, ist ein<br />
wichtiger Schritt vollzogen, den Schwierigkeiten von Jugendlichen am Übergang<br />
zwischen Schule und Arbeitswelt vorausschauend zu begegnen.<br />
Der präventive Analyse- und Bewertungsaufwand steht kostenintensiven<br />
‚Reparaturen’ einer missglückten Einmündung in Ausbildung gegenüber,<br />
und wird durch einen erheblichen Gewinn, vor allem für Schülerinnen und<br />
Schüler, legitimiert.<br />
10.3 Schlussfolgerungen für didaktisches<br />
Handeln im Feld der Berufsorientierung<br />
Trotz der negativen Gesamtbilanz ergeben sich aus den Antworten auf die<br />
Frage nach dem Verhältnis zwischen dem definitorisch festgeschriebenen<br />
Anspruch und darin implizierten Zielsetzungen sowie dem Leistungsvermögen<br />
von berufsorientierenden Aktivitäten eine Reihe von Schlussfolgerungen<br />
für didaktisches Handeln. Sie sind vorrangig im Kontext der untersuchten<br />
Maßnahmen zu betrachten, enthalten aber angesichts der Tatsache,<br />
dass auch andere Studien Schwächen signalisieren gleichfalls generalisierbare<br />
Hinweise zur Optimierung von Interventionen. Das Potenzial, Rückschlüsse<br />
zu ziehen wird durch die Tatsache gemindert, dass nur an wenigen<br />
Stellen Wirkungen nachzuweisen waren. Die dennoch aus den empirischen<br />
Ergebnissen, wie auch den theoretischen Vorüberlegungen abgeleiteten<br />
Handlungsanforderungen zielen auf die Bedingungs- und Entscheidungsfelder<br />
didaktischen Handelns und auf das Situationsgefüge, in welches es<br />
eingebettet ist ab. Bezüglich letzterem ist eine stärkere Systematisierung zu<br />
322
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
fordern. Reformen auf der operativen Ebene sind wenig sinnvoll, solange<br />
der strategische Rahmen nicht dazu in Konformität steht. Allenfalls<br />
könnten nicht hinreichende Teilerfolge erzielt werden. Auf Ebene der institutionellen<br />
Bedingungen werden zentrale Ansatzpunkte für Veränderungen<br />
in einer intensiveren Vernetzung und Kooperation von Akteuren sowie der<br />
Professionalisierung pädagogischen Personals gesehen. Im Rückschluss zu den<br />
Resultaten der vorliegenden Evaluation sind darüber hinaus klarere und<br />
breit akzeptierte Zielstellungen für berufsorientierende Maßnahmen und eine<br />
intensivere Auseinandersetzung mit der Erreichung von Zielen zu empfehlen.<br />
Optimierungspotenzial liegt des Weiteren in einer individualisierteren, geschlechterbezogenen<br />
und noch praxisorientierteren Förderung.<br />
Systematisierung von Angeboten und Systemkopplung<br />
Wie aufgezeigt, fehlt dem Feld der Berufsorientierung jegliches System. Es<br />
ist geprägt durch vielfältige Ziele, Inhalte, Methoden und Medien, durch<br />
eine Vielzahl an Zielgruppen und Akteuren sowie eine Reihe von einflussnehmenden<br />
gesetzlichen Grundlagen und Richtlinien (vgl. Kapitel 1). Während<br />
Schulen zur Systematisierung ihrer Angebote mehr und mehr schuleigene<br />
Konzepte zur Berufsorientierung entwickeln, ist im außerschulischen<br />
Bereich der Aufbau eines aufeinander abgestimmten Systems durch<br />
die vorhandenen Normen auf Ebene des Bundes, des Landes, der Kommunen<br />
und der Landkreise nur eingeschränkt möglich. So ist beispielsweise<br />
die Förderstruktur zu verschlanken sowie stärker aufeinander und in sich<br />
anzupassen. Sie lässt durch strikte Vorgaben kreative didaktische Lösungsansätze<br />
allzu oft in unzureichendem Maße zu und fördert die Schaffung<br />
von Insellösungen statt Verbesserungen in den Gesamtstrukturen am Übergang<br />
zwischen Schule und Arbeitswelt. Wenngleich Bundesprogramme,<br />
wie „Lernende Regionen“, „Jugend stärken“, „Perspektive Berufsabschluss“,<br />
„Lernen vor Ort“ oder „Bildungsketten“ (vgl. Kapitel 6.4.1) unter<br />
dem Stichwort ‚Übergangsmanagement’, die Schaffung regional gesteuerter<br />
verlässlicher Regelsysteme forcieren, weist die Zusammenführung von Einzelmaßnahmen<br />
und der Aufbau von dauerhaften, vernetzten Strukturen für<br />
die Berufsorientierung noch große Lücken auf. Bei den hier untersuchten<br />
Interventionen erfolgte über die eigene Institution hinweg mehrheitlich<br />
keine Abstimmung mit anderen Akteuren der Berufsorientierung. Lediglich<br />
die Organisatoren der ‚Schnupperlehre’ schaffen für einzelne Jugendliche<br />
eine Anschlussoption in Form von Patenschaftsverträgen mit Unternehmen.<br />
Um Berufsorientierung effektiver und ressourcenschonender zu gestalten,<br />
sind die Schnittstellen zwischen den einzelnen Anbietern berufsorientierender<br />
Maßnahmen zu optimieren. Berufsorientierung, verstanden<br />
323
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
als ein Prozess, schließt eine mehrjährige Auseinandersetzung mit den beruflichen<br />
Interessen und Zukunftswünschen ein. Wenige Wochen umfassende<br />
oder sogar nur eintägige Interventionen zu konzipieren, aber auch finanziell<br />
zu fördern, kann dem komplexen Anspruch beruflicher Orientierung<br />
mit ihren integrierten Entwicklungsaufgaben, wie die Untersuchungsergebnisse<br />
belegen, kaum Rechnung tragen. Normative Regelungen schaffen<br />
Vielfalt, aber daraus resultierendes, von außen nach pauschalen<br />
Kriterien festgesetztes didaktisches Handeln trägt nicht zwangsläufig zur<br />
Lösung der skizzierten Schwierigkeiten Jugendlicher am Übergang<br />
zwischen Schule und Beruf bei. Vielmehr ist eine frühzeitig einsetzende,<br />
kohärente, regelhafte Förderstruktur außerhalb von institutionell versäulten<br />
Zuständigkeiten und Finanzierungen vonnöten. Übergänge müssen besser<br />
begleitet und Rückkopplungen zwischen Akteuren arrangiert werden.<br />
Kooperation in der Umsetzung<br />
Schülerinnen und Schülern in einer systematischen Gesamtstruktur verschiedene<br />
Zugänge und Unterstützungsangebote entsprechend ihres individuellen<br />
Bedarfes unterbreiten, aber auch vorhandene Ressourcen vor<br />
dem Hintergrund eines hohen Konkurrenz- und Kostendrucks besser nutzen<br />
zu können, erfordert die Vernetzung unterschiedlicher Akteure. Hervorzuheben<br />
sind in diesem Zusammenhang die Interventionen ‚Schnupperlehre’<br />
und ‚Girls’Day’ [B], die ein breites Spektrum an Kooperationspartnern,<br />
von Unternehmen, über Technologiezentren bis hin zur Agentur für<br />
Arbeit, involvieren (vgl. Anhang 5). Angesichts des hohen Stellenwertes<br />
von Eltern im Berufsorientierungsprozess erstaunt es jedoch, dass Erziehungsberechtigte<br />
lediglich bei den genannten beiden Maßnahmen, und hier<br />
nur im Rahmen der Informations- und Abschlussphasen, eingebunden<br />
werden. Um die Potenziale von Eltern gezielt zu nutzen, sind regelmäßige,<br />
gut strukturierte Kontakte im Sinne einer gleichberechtigten Erziehungsund<br />
Bildungspartnerschaft zu empfehlen. Obgleich in Hinblick auf die Erreichbarkeit<br />
von Eltern oft eine von Enttäuschungen geprägte Haltung vorherrscht,<br />
die zur Folge hat, dass Versuche der Elternaktivierung eingestellt<br />
werden, weil Aufwand und Ertrag im Versuch Eltern einzubinden, nicht<br />
ausgewogen sind (vgl. Thimm, Bothe 2009, S. 29) ist eine stärkere Elternbeteiligung<br />
zu postulieren. Um eine professionelle Durchführung von Orientierungsangeboten,<br />
an denen Eltern mitwirken zu gewährleisten, bedarf<br />
es eigens dafür geschulten Personals (vgl. nachfolgende Ausfüh-rungen),<br />
welches u. a. für unterschiedliche familiäre Lebenslagen sensibilisiert ist<br />
(vgl. Voigt 2010, S. 33). Darüber hinaus ist die Kooperation zwischen schulischen<br />
und außerschulischen Akteuren der Berufsorientierung voranzu-<br />
324
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
treiben. Es fehlt an gegenseitiger Transparenz und aufeinander abgestimmten<br />
didaktischen Konzepten, um so Parallelstrukturen und Unterstützungslücken<br />
zu vermeiden. Die bestehenden regionalen Netzwerke, die Erarbeitung<br />
schuleigener Konzepte der Berufsorientierung, wie auch die derzeitige<br />
Entwicklung beruflicher Schulzentren zu Kompetenzzentren bieten dazu<br />
Potenzial. In Abgrenzung zu den eben genannten Handlungsalternativen ist<br />
vor dem Hintergrund der derzeitigen intensiven Bemühungen zur schulischen<br />
Konsolidierung der Berufsorientierung zudem zu disku-tieren, ob<br />
sich mit einer qualifizierten Verankerung der Thematik in der Schule die<br />
Einbeziehung von wirtschaftsfernen Institutionen (z. B. Bildungs- und Jugendhilfeträger,<br />
Vereine, Krankenkassen) nicht generell erübrigt und sich<br />
so strukturelle Verbesserungen erzeugen ließen.<br />
Spezifizierung von Zielen<br />
Wie die didaktische Analyse der Orientierungsangebote offen legte (vgl.<br />
Kapitel 8.3.1, vgl. Anhang 5) sind die Zielstellungen der evaluierten Orientierungsangebote<br />
zum Teil nur vage formuliert. Hinzu kommt, dass Inhalte,<br />
Methoden und Medien mitunter nur wenig auf diese Ziele abstellen oder<br />
die institutionellen Bedingungen eine Zielerreichung von vornherein nicht<br />
positiv beeinflussen bzw. dieser entgegenstehen. Kritisch zu betrachten ist<br />
in diesem Zusammenhang beispielsweise das Anliegen von ‚JobGalaxy Future’,<br />
über Studienabläufe und -anforderungen informieren und Kontakte<br />
zu Ansprechpartnerinnen und -partnern für die Berufsorientierung herstellen<br />
zu wollen ohne Vertreterinnen und Vertreter ebensolcher Beratungsinstitutionen<br />
bzw. einer Hochschule einzubinden. Didaktisches Handeln im<br />
Feld der Berufsorientierung ist nicht nur durch das Fehlen von expliziten<br />
Zielstellungen und durch eine Heterogenität der Ziele beeinträchtigt, sondern<br />
wird im Kontext von Projektförderung gleichfalls durch eine Kluft<br />
zwischen offiziellen und tatsächlichen Zielen beeinflusst. Notwendig erscheinen<br />
daher eine stärkere Fokussierung auf ein gemeinsames Begriffsund<br />
Zielverständnis über Berufsorientierung sowie der gegenseitige Austausch<br />
darüber. Nur so ist zu gewährleisten, dass unterschiedliche Akteure<br />
mit ihren Angeboten, wenn auch nicht zwangsläufig mit identischer Intention,<br />
in die gleiche Richtung arbeiten und nur so kann überprüft werden<br />
inwieweit Ressourcen auch tatsächlich zur Förderung von Schülerinnen<br />
und Schülern, statt im kritischsten Fall, zur bloßen Existenzsicherung von<br />
Trägern, eingesetzt werden. Als ein geeigneter Orientierungsrahmen zur<br />
Formulierung von Interventionszielen ist das für diese Arbeit zugrunde gelegte<br />
Berufswahlreifekonzept einzuschätzen (vgl. Kapitel 6.3.1). Der Spezifizierung<br />
von Zielstellungen ist eine Konkretisierung der angestrebten Ziel-<br />
325
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
gruppe(n) voranzustellen. Auffällig bei den evaluierten Angeboten ist, dass<br />
nur zum Teil die durch die Organisatoren gewünschten Jugendlichen erreicht<br />
werden und dass bildungsbenachteiligte Mädchen und Jungen lediglich<br />
eine Randgruppe darstellen. Gerade angesichts der Debatte um mangelnde<br />
Ausbildungsreife und vor dem Hintergrund der demografischen<br />
Entwicklung ist es erforderlich, sich in der Berufsorientierung stärker auf<br />
sie zu konzentrieren.<br />
Erfolgskontrolle und Dialog zur Wirksamkeit<br />
Neben dem Vorhandensein abgestimmter Ziele ist auch der Wille zu einer<br />
offensiven Diskussion über eine zeitgemäße Berufsorientierung unabdingbar<br />
für deren Optimierung. Zwar arbeiten alle der hier untersuchten Maßnahmen<br />
mit Rückmeldungen der Teilnehmenden, wirkungsorientierte Evaluationen<br />
werden jedoch nicht durchgeführt. Lediglich die Organisatoren<br />
der ‚Schnupperlehre’ planten, angeregt durch das umgesetzte Experteninterview,<br />
zukünftig eine Verbleibsstatistik über die Nutzerinnen und<br />
Nutzer des Orientierungsangebotes anzulegen. Fraglich ist, warum die Träger<br />
nicht nach verfolgen, was aus den von ihnen geförderten Schülerinnen<br />
und Schülern wird und inwieweit Ergebnisse aus den Befragungen und<br />
Auswertungsgesprächen mit den Teilnehmenden systematisch in die Weiterentwicklung<br />
der Angebote einfließen. Selbst wenn Analysen vorliegen,<br />
trägt die gängige Veröffentlichungspraxis wenig zu einem wechselseitigen<br />
Lernprozess bei. Erfahrungen aus Modellprojekten finden im Allgemeinen<br />
unzureichend Eingang in die Fachöffentlichkeit. Schriftenreihen, Zeitschriften,<br />
Internetauftritte oder Fachtagungen dienen wenig für einen Austausch.<br />
Vor allem bezogen auf die außerschulische Berufsorientierung kann<br />
dies in der gängigen Projektfinanzierung von Angeboten begründet liegen.<br />
Erfolgskontrollen, kontinuierliche Kooperationen und der Aufbau von<br />
Vertrauen sind durch sie erschwert. Der Transfer von Konzepten und Erfahrungen<br />
bleibt durch zeitliche Engpässe und die Befristung von Projekten<br />
oftmals hinter Absichtserklärungen zurück. Qualitätskriterien für die<br />
Berufsorientierung, die z. B. in Sachsen bei der Bewilligung von Maßnahmen,<br />
die über das SGB III und über den Europäischen Sozialfonds als<br />
Maßstab dienen, zeigen zwar Erwartungen von Seiten der Auftraggeber<br />
auf, haben aber im Förderverlauf, beispielsweise im Rahmen von Qualitätskontrollen<br />
keine Relevanz mehr. Wie die hier gewonnenen Evaluationsergebnisse<br />
zeigen, werden durch Orientierungsangebote durchaus Effekte<br />
ausgelöst, Berufswahlreife ist also beeinflussbar. Die Optimierung von Angeboten<br />
muss demnach darauf abheben, Wirkungen gemäß der angestrebten<br />
Richtung zu erzielen. Unabdingbar erscheint es daher einerseits Er-<br />
326
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
kenntnisse über Gelingensbedingungen, aber auch hinderliche Faktoren in<br />
der Gestaltung von Berufsorientierung zu gewinnen und andererseits<br />
Transparenz darüber herzustellen und gegebenenfalls Reformen abzuleiten.<br />
Wenn Effekte eher unterstellt, als untersucht werden, ist dies nicht nur aus<br />
wirtschaftlicher Sicht, sondern vor allem aus pädagogischer unhaltbar.<br />
Finanzielle Mittel sind deplatziert und sollten stattdessen an den Stellen<br />
zum Einsatz kommen, an denen sie tatsächlich wirkungsvoll sind. Dies ist<br />
kurzfristig zwar mit einer Nachjustierung oder unter Umständen Neugestaltung<br />
von Strukturen und Netzwerken verbunden, trägt jedoch langfristig<br />
zu einer erhöhten Angebotsstabilität und zu einer Ressourcenersparnis<br />
bei. Grundlegende Voraussetzungen stellen ein politischer Wille und der<br />
Mut zu Veränderungen auf Seiten von Entscheidungsträgern dar.<br />
Hilfreich für die überregionale Publikation von Forschungsergebnissen,<br />
zum Diskurs über Erfolgsindikatoren zur Berufsorientierung, zum Austausch<br />
über Evaluationsdesigns und -instrumente sowie zum Transfer von<br />
Praxiserfahrungen ist eine adäquat zum „Good Practice Center. Förderung<br />
von Benachteiligten in der Berufsbildung“ des Bundesinstitutes für Berufsbildung<br />
angelegte Plattform anzusehen (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung<br />
o. J., o. S.).<br />
Professionalisierung von Akteuren<br />
Ganzheitliche Berufsorientierung und ihre heterogene Zielgruppe setzt<br />
Planungsverantwortliche, Lehrkräfte, Berufsausbildungspersonal und<br />
sozialpädagogische Fachkräfte voraus, die nicht nur in der Lage sind, die<br />
beruflichen Potenziale und den individuellen Unterstützungsbedarf von<br />
Schülerinnen und Schülern zu identifizieren, sondern die gleichfalls über<br />
kontinuierliche theoretische wie praktische Berührungspunkte zur Wirtschaft<br />
verfügen. Speziell Lehrerinnen und Lehrer haben während ihrer<br />
Ausbildung und beruflichen Laufbahn mitunter nie einen Arbeitskontext<br />
außerhalb der Institution Schule kennengelernt. Um die Professionalisierung<br />
von bereits langjährig im Schuldienst tätigen Lehrerinnen und<br />
Lehrern, Referendarinnen und Referendaren wie auch Lehramtsstudierenden<br />
voranzutreiben, ist im Studium, im Referendariat sowie in der Lehrerfortbildung<br />
für die Berufsorientierung zu sensibilisieren sowie Gelegenheit<br />
zu geben, Einsichten und Erfahrungen in Unternehmen, Hochschulen und<br />
andere Einrichtungen zu gewinnen. Methodisch kann dies mittels Vorlesungen<br />
und Seminaren, im Rahmen schulpraktischer Studien oder Lehrerbetriebspraktika<br />
erfolgen. Es werden so nicht nur Impulse für die Einbindung<br />
der Berufsorientierung als fachübergreifendes didaktisches Unterrichtsprinzip<br />
und für die praxisorientierte Gestaltung des Fachunterrichtes<br />
327
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
geliefert, sondern es wird gleichfalls zur Förderung des Dialoges mit außerschulischen<br />
Institutionen sowie zur Entwicklung langfristiger Kooperationen,<br />
z. B. mit Unternehmen, beigetragen. Das aktuelle pädagogische<br />
Studienangebot deutscher Hochschulen steht größtenteils im Missverhältnis<br />
zu den Herausforderungen einer zeitgemäßen Berufsorientierung, was<br />
den Bedarf einer grundlegenden Revision der universitären Studiengänge<br />
offenbart (vgl. Biermann, Buchmann et al. 2009, S. 45).<br />
Doch nicht nur im Kontext der schulischen Berufsorientierung sind Qualifizierungsbedarfe<br />
bei den Fachkräften zu konstatieren. Auch bei den in der<br />
außerschulischen Berufsorientierung tätigen Pädagogen bestehen laut den<br />
extrahierten Ergebnissen Qualifizierungslücken. Diese liegen einerseits im<br />
Wissen über Berufe und in Kenntnissen über die Arbeitswelt. Andererseits<br />
sind sie in mangelnden Erfahrungen in der Arbeit mit den Zielgruppen von<br />
Berufsorientierung zu finden, denn z. B. Ausbilder und Meister werden innerhalb<br />
von Meisterkursen oder der Ausbildereignungsprüfung nur bedingt<br />
oder gar nicht formal qualifiziert im Umgang mit den spezifischen Bedürfnissen<br />
und Kompetenzen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern berufsorientierender<br />
Interventionen. Um den individuellen Prozess der Berufsorientierung<br />
gelingend zu gestalten, ist gleichfalls eine Reflexion des Rollenverständnisses<br />
pädagogischer Akteure notwendig. Unabdinglich sind<br />
moderierende, beratende, begleitende Aufgaben, die institutionenneutral<br />
ausgerichtet sind. Dass ausnahmslos über alle hier untersuchten Orientierungsmaßnahmen<br />
hinweg von den Schülerinnen und Schülern Mängel in<br />
der Kompetenz des eingesetzten pädagogischen Personals gesehen werden,<br />
zeigt den dringenden diesbezüglichen Handlungsbedarf. Der subjektive<br />
Charakter dieser Schlussfolgerung wird dabei durch analoge Forderungen<br />
im Rahmen der OECD-Studien zur Berufsbildung (vgl. Hoeckel, Schwartz<br />
2010, S. 27) und durch die Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik in der<br />
Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft bestärkt (vgl. Sektion<br />
Berufs- und Wirtschaftspädagogik 2009, S. 18 f.). Unabhängig von Qualifikationsanforderungen<br />
gehört zu einem professionellen Orientierungsangebot<br />
ein angemessener Betreuungsschlüssel, der je nach Zielgruppe sowie<br />
Inhalten, Methoden und Medien variieren kann. So wird für die Durchführung<br />
von Potenzialanalysen beispielsweise ein Personalschlüssel von 1:4<br />
empfohlen (vgl. Lippegaus-Grünau, Stolz 2010, S. 25). Ebenso kann aber<br />
auch eine hochindividualisierte Einzelförderung erforderlich sein. Optimierungsbedarf<br />
wird diesbezüglich vor allem bei den beiden ‚JobGalaxy’-<br />
Maßnahmen sowie bei den ‚Girls’Day’-Interventionen gesehen. Kontraproduktiv<br />
sind hierbei normative Rahmenbedingungen, wie förderrechtlich<br />
328
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
geregelte Einstellungsbedingungen, aus denen eine Beschäftigung unter Tarif<br />
und in Teilzeit resultiert. Um dennoch einen hohen Individualisierungsgrad<br />
zu erreichen, ist die Einbindung ehrenamtlichen Engagements zu<br />
empfehlen.<br />
Geschlechterbezogene Gestaltung<br />
In Bezug auf die Inhalte und Methoden der hier untersuchten Orientierungsangebote,<br />
aber auch darüber hinaus ist zu kritisieren, dass diese unsystematisch<br />
geschlechterbezogen gestaltet werden und die bestehenden<br />
Geschlechtsstereotype reproduzieren und stabilisieren. 131 Hinzu kommen<br />
institutionelle Bedingungen, wie eine Dominanz an männlichen Auszubildenden<br />
und Ausbildern in gewerblich-technischen oder ingenieurwissenschaftlich<br />
geprägten Orientierungsmaßnahmen bzw. von weiblichen in<br />
Interventionen mit einem Fokus auf den Verwaltungs-, Dienstleistungsoder<br />
sozialen Bereich, die ebenfalls Ausdruck eines traditionellen Rollenverständnisses<br />
sind, an dem sich die Schülerinnen und Schüler bewusst oder<br />
unbewusst orientieren. In Konsequenz sind die hier evaluierten<br />
Interventionen dahingehend zu überprüfen, ob tatsächlich beide Geschlechter<br />
mit einer identischen Botschaft angesprochen werden und<br />
atypische Interessen, die den traditionellen Vorstellungen widersprechen,<br />
beachtet und gefördert werden. Das unausgewogene Geschlechterverhältnis<br />
(vgl. Kapitel 9.1) in den Interventionen spricht dafür, dass schon in der<br />
Ansprache der Jugendlichen Handlungsbedarf liegt. Wie die Untersuchungsergebnisse<br />
zeigen, lassen sich Mädchen in erster Linie von schulischen<br />
Akteuren motivieren, während bei den Jungen hauptsächlich die<br />
Eltern als Impulsgeber für eine Teilnahme fungieren. In Konsequenz sind<br />
diese Informationsvermittler bei der Öffentlichkeitsarbeit für die Interventionen<br />
gezielt zu instrumentalisieren. Wenn zusätzlich, wie im Falle der<br />
‚JobGalaxy’-Maßnahmen und dem Schnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’,<br />
von Seiten der Verantwortlichen für die Orientierungsmaßnahmen<br />
offen über Disziplinschwierigkeiten oder Fehlzeiten von Mädchen in<br />
technisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Interventionen aufgrund<br />
mangelnden Interesses gesprochen wird und Interventionen, wie die<br />
‚Schnupperlehre’ dazu beitragen, dass Gleichstellung negiert und Geschlechtsorientierung<br />
gestärkt wird, sind Inhalte und Methoden dringend<br />
neu zu konstituieren. Bildungs- und erste berufspraktische Erfahrungen der<br />
131 Berufsorientierung aus der Geschlechterperspektive beleuchten Studien der Frauenforschung<br />
und feministischen Schulforschung, vgl. z. B. Lemmermöhle-Thüsing et al. 1994; vgl. Geissler,<br />
Oechsle 1996; vgl. Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung 1997; vgl. Oechsle<br />
1998; vgl. Lemmermöhle 2002 sowie vgl. Nissen et al. 2003.<br />
329
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
Mädchen und Jungen müssen geschlechterbewusster thematisiert sowie im<br />
Kontext unterschiedlicher Lebensperspektiven reflektiert und diskutiert<br />
werden. Im Allgemeinen ist stärker darauf zu achten, dass eingesetzte Medien<br />
keine geschlechterbezogenen Rollenklischees transferieren und die<br />
wirtschaftliche Realität in ihrer Gesamtheit zeigen. Zentrale ökonomische<br />
Begriffe wie Wettbewerb, Markt oder Strukturwandel finden sich zwar in<br />
vielen Lehrmaterialien wieder, werden jedoch oft einseitig dargestellt. Betriebe<br />
sind mit Großkonzernen gleichgesetzt. Ein unternehmerischer Mittelstand<br />
existiert nicht. Hinzu kommt, dass Unternehmen negativ betrachtet<br />
werden. Sie schaffen beispielsweise nur selten Arbeitsplätze, sondern<br />
müssen aufgrund des Strukturwandels häufig Personal entlassen. Wächst<br />
die Wirtschaft, werden Arbeitsplätze geschaffen oder Industrie angesiedelt,<br />
so schreiben die Medien dies weitgehend dem Handeln staatlicher oder<br />
kommunaler Stellen zu (vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln 2010,<br />
S. 1). Wenngleich beispielsweise die Mediengestaltung nicht im Verantwortungsbereich<br />
der Akteure der Orientierungsmaßnahmen liegt, so können<br />
diese durch die bewusste Auswahl dennoch steuernd auf die Verbreitung<br />
spezifischer Sichtweisen auf Wirtschaft und von Geschlechtsrollenstereotypen<br />
einwirken. Zusätzlich vermögen spezielle Gendertrainings für pädagogisches<br />
Personal einen Beitrag zu einer geschlechterbezogenen Didaktik<br />
zu leisten, die Jungen und Mädchen dabei unterstützt, ihre Interessenschwerpunkte<br />
und Kompetenzen bewusst wahrzunehmen sowie sich<br />
selbstbestimmt zu entfalten.<br />
Individualisierung von Angeboten<br />
Trotz ihrer didaktischen Vielfalt haben die untersuchten Angebote in ihrem<br />
jeweiligen Zuschnitt Reserven. Bei der Konzipierung der Interventionen<br />
wird die Individualität des Berufswahlprozesses vernachlässigt. Dies hat zur<br />
Folge, dass standardisierte Interventionen jeweils nur auf einzelne Jugendliche<br />
passen. Differenzen im Alter, in der Klassenstufe, im Geschlecht, unterschiedliche<br />
berufliche Interessen und Vorerfahrungen, um eine Auswahl<br />
an anthropologischen Bedingungen zu benennen, führen dazu, dass<br />
Jugendliche an ungleichen Standorten ihrer beruflichen Entwicklung<br />
stehen. Wie an den kommunizierten Erwartungen der Schülerinnen und<br />
Schüler deutlich wird, haben diese aber sehr differenzierte Unterstützungsbedarfe,<br />
aus denen sich Spannungen ergeben, wenn sie unberücksichtigt<br />
bleiben. Innerhalb der Interventionen sind demgemäß einerseits individualisierte<br />
Methoden auszubauen. Modulare Konzepte, wie bei der ‚Schnupperlehre’<br />
sowie den ‚Girls’Day’-Interventionen, enthalten geeignete Ansätze.<br />
Möglicherweise ist dabei zusätzlich von Vorteil, wenn unterschied-<br />
330
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
liche Professionen in einem Team zusammenfließen. Dadurch erweitert<br />
sich das Spektrum an Sichtweisen und Persönlichkeiten und die Jugendlichen<br />
haben so mehr Möglichkeiten persönliche Bezugspunkte zu finden.<br />
Andererseits fehlen bislang Komponenten zur Ermittlung der Ressourcen<br />
und Bedürfnisse der Teilnehmenden sowie personenbezogene Rückkopplungsverfahren<br />
unabhängig von Zertifikaten. Lediglich bei der ‚Schnupperlehre’<br />
steht zu Beginn eine Abfrage zu beruflichen Vorstellungen und zu<br />
Kenntnissen über Berufe. Insgesamt fehlen aber Potenzialanalysen, um<br />
verborgene Interessen und Talente der Jugendlichen individuell zu konstatieren.<br />
Aus diesen heraus lassen sich von den Schülerinnen und Schülern<br />
mitbestimmte und mitgesteuerte Zielvereinbarungen treffen und Anhaltspunkte<br />
für eine passgenaue Förderung generieren. Zur Durchführung von<br />
Potenzialanalysen, die an differenzialpsychologischen Aspekten der Berufswahl<br />
ansetzen, bietet sich die Zusammenarbeit mit der Agentur für<br />
Arbeit an. Zum einen liegen bei dieser Institution standardisierte Verfahren<br />
und entsprechende diagnostische Anwendungskompetenzen vor. Zum<br />
anderen wäre so eine Intensivierung der Kooperation zwischen dem Träger<br />
des Orientierungsangebotes und der Agentur für Arbeit erreicht, die dem<br />
Jugendlichen zugute kommt, weil nach Abschluss des Orientierungsangebotes<br />
direkte personenbezogene Anknüpfungspunkte für die Berufsberatung<br />
gegeben sind. Der Aufwand einer Potenzialanalyse, zeitlich sind bei<br />
einigen Verfahren bis zu drei Tagen vorgesehen, ist unter Umständen inkonsistent<br />
zur Dauer der eigentlichen Intervention. Möglichkeiten zur<br />
Realisierung sind daher maßnahmebezogen zu prüfen. Ebenso besteht das<br />
Erfordernis in Orientierungsmaßnahmen an bereits bestehenden Potenzialanalysen<br />
anzuknüpfen. Fragen des Datenschutzes sind dabei im Interesse<br />
der Jugendlichen zu lösen. Der Berufswahlpass (vgl. Kapitel 6.3.4.1 und<br />
6.4.3.2) erscheint als geeignetes und kostengünstiges Medium, um das skizzierte<br />
Verfahren zu erleichtern. Sofern er vorliegt und gut geführt ist, kann<br />
er sowohl im Kontext der schulischen als auch der außerschulischen Berufsorientierung<br />
zum Einsatz kommen und zur Transparenz über den<br />
individuellen Stand im Berufsorientierungsprozess und bisherige Potenzialanalysen<br />
beitragen. Im Ideal erfolgt die Kompetenzfeststellung jedoch vor<br />
Beginn eines Orientierungsangebotes in Kooperation zwischen der Schule<br />
und der Agentur für Arbeit. Daraus ableitend ist in einer Art ‚Lotsenfunktion’,<br />
eine gezielte Empfehlung in eine Intervention zur beruflichen Orientierung<br />
oder andere Unterstützungsstrukturen (u. a. Schulsozialarbeit,<br />
Kompetenzagenturen, Patenprojekte; vgl. dazu Kapitel 1) möglich, was<br />
wiederum die Forderung nach einer intensiveren Netzwerkarbeit und nach<br />
mehr Systematik aufgreift.<br />
331
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
Ausbau von Praxiskontakten sowie von Methoden, die praktische Erfahrungen<br />
ermöglichen<br />
Praxisbezüge sind ein wesentliches Kernelement berufsorientierender<br />
Interventionen. Wie die Evaluationen des Forschungsprojektes „Beruf<br />
fängt in der Schule an“ (vgl. Kapitel 7.2.1) oder des Schulversuches „Abschlussquote<br />
erhöhen – Berufsfähigkeit steigern“ (vgl. Kapitel 7.2.3) belegen,<br />
profitierten die Schülerinnen und Schüler von den praktischen Erprobungsmöglichkeiten<br />
und binden sich häufig an Unternehmen, die ihnen<br />
diese ermöglichen. Auch bei allen hier evaluierten Interventionen besteht<br />
der Anspruch, Einblicke in die Praxis zu vermitteln. Jedoch wird dies<br />
mehrheitlich in Schonräumen, wie Ausbildungswerkstätten oder gar theoretisch<br />
in Klassenzimmern oder Büroräumen, praktiziert. Die Gelegenheit,<br />
dass sich Schülerinnen und Schüler im ‚realen’ Kontext erleben können,<br />
wird überwiegend ausgespart. Allein beim ‚Girls’Day’ [S] lernen die Mädchen<br />
den Studienalltag direkt kennen. Alle weiteren sechs Interventionen<br />
halten Unternehmensexkursionen oder Werkstattbesichtigungen bzw.<br />
Werkstattralleys für ausreichend oder realisierbar, um Einsichten in die<br />
Praxis sicherzustellen. Die Frage nach der methodischen Ausgestaltung von<br />
Praxiskontakten ist vor dem Hintergrund des jeweiligen individuellen Entwicklungsstandes<br />
im Berufsorientierungsprozess und bisherigen praktischen<br />
Erfahrungen der/des Einzelnen sowie verfügbaren Kapazitäten<br />
von Unternehmen zu beantworten. Letztendlich zeigen auch die Interventionen,<br />
bei denen Berufsorientierung in Ausbildungsstätten praktiziert wird,<br />
‚Schnupperlehre’, Schnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’ oder<br />
‚Girls’Day’ [B], einen Zuwachs beim arbeitsweltbezogenen Wissen der<br />
Teilnehmenden. Es ist jedoch auch zu bedenken, dass ohne die Chance,<br />
sich an betrieblichen Lernorten zu erfahren eine wichtige Facette zur Entwicklung<br />
des beruflichen Selbstbildes und zur Kompetenzentwicklung unberücksichtigt<br />
bleibt. Generell sollte das didaktische Prinzip der Selbsttätigkeit<br />
leitend sein und sich im Einsatz entsprechender Methoden widerspiegeln.<br />
Die Wünsche der Jugendlichen nach mehr Möglichkeiten zur praktischen<br />
Erprobung sowie einem intensiveren Praxisbezug pflichten dem<br />
bei. Angesichts des unter Kapitel 2.1 und Kapitel 0 beschriebenen eingeschränkten<br />
Berufswahlspektrums ist ferner eine weniger deutliche Ausrichtung<br />
der Interventionen an den meist besetzten Ausbildungsberufen (z. B.<br />
Kraftfahrzeugmechatroniker/-in, Verkäufer/-in) anzuregen. Die Konzentration<br />
auf Berufsfelder (z. B. Metalltechnik, Verwaltung/Wirtschaft) statt<br />
auf einzelne Ausbildungsberufe oder Studiengänge offeriert ausreichend<br />
Spielraum, um die Interventionen auf weniger frequentierte und stärker am<br />
Arbeitsmarkt nachgefragte Berufe zu fokussieren. Möglicherweise geben<br />
332
IV SCHLUSSBETRACHTUNG – 10 Abschließende Gesamtbilanz<br />
eher unbekannte und noch nicht mit einem spezifischen Image versehene<br />
Berufe den Jugendlichen besser Anlass, sich mit bislang weniger im Blickpunkt<br />
stehenden beruflichen Optionen auseinanderzusetzen. Die Vorstellung<br />
von Ausbildungsberufen oder Studiengängen bietet gute Ansatzpunkte,<br />
Eltern, Auszubildende oder Studierende (siehe ‚Job-Galaxy’-Maßnahmen)<br />
einzubinden, die ihre jeweiligen Berufe präsentieren. Sowohl die<br />
Kommunikation als auch die Präsentation ist dabei umso motivierender, je<br />
näher sie an den Lebenswelten der Jugendlichen ausgerichtet ist.<br />
333
Verzeichnis der verwendeten<br />
Literatur<br />
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Abel, Jürgen (2001): Motive für Kurswahlen in der gymnasialen Oberstufe<br />
und Studienfachwahlen. Münster.<br />
Adl-Amini, Bijan (1994): Medien und Methoden des Unterrichts. Donauwörth:<br />
Auer.<br />
Agentur für Arbeit Chemnitz (Hg., 2005): Schnupperpraktikum für Schülerinnen<br />
und Schüler der Abgangs- und Vorabgangsklassen der Mittelschulen.<br />
Chemnitz.<br />
Ahrens, Daniela (2007): Anspruch und Wirklichkeit von Betriebspraktika<br />
als Instrument schulischer Berufsorientierung. In: Kahlert, Heike;<br />
Mansel, Jürgen (Hg.): Bildung und Berufsorientierung. Der Einfluss<br />
von Schule und informellen Kontexten auf die berufliche Identitätsentwicklung.<br />
Weinheim: Juventa, S. 185-203.<br />
Albert, Mathias; Hurrelmann, Klaus; Quenzel, Gudrun (2010): Jugend<br />
2010. Selbstbehauptung trotz Verunsicherung. In: Shell Deutschland<br />
Holding (Hg.): Jugend 2010. Eine pragmatische Generation behauptet<br />
sich. Frankfurt am Main: Fischer, S. 37-51.<br />
Arbeitskreis ‚Girls’Day’ Chemnitz (Hg., 2008): Girls’Day Mädchen-<br />
Zukunftstag in Chemnitz. Chemnitz.<br />
Arnold, Rolf; Gonon, Philipp (2006): Einführung in die Berufspädagogik.<br />
Opladen, Bloomfield Hills: Budrich.<br />
Atteslander, Peter (2008): Methoden der empirischen Sozialforschung. 12.<br />
Aufl. Berlin: Schmidt.<br />
Ausbildungspakt (Hg., 2006): Schule und Betriebe als Partner – Ein Handlungsleitfaden<br />
zur Stärkung von Berufsorientierung und Ausbildungsreife.<br />
Online verfügbar unter http://www.ausbildungspakt-berufsorientierung.de,<br />
zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
AWO Bundesverband e. V. (Hg., 2009): Zwischen Schule und Arbeitswelt<br />
– Freie Träger im Lokalen Übergangsmanagement. Arbeitshilfe zur<br />
strategischen Positionierung freier Träger im Kontext eines Lokalen<br />
Übergangsmanagements. Berlin.<br />
Baethge, Martin; Baethge-Kinsky, Volker (1998): Jenseits von Beruf und<br />
Beruflichkeit? Neue Formen von Arbeitsorganisation und Beschäftigung<br />
und ihre Bedeutung für eine zentrale Kategorie gesellschaftlicher<br />
335
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Integration. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
(MittAB), Jg. 31, H. 3, S. 461-472.<br />
Balzer, Lars (2006): „Wie werden Evaluationsprojekte erfolgreich?“- Ergebnisse<br />
einer Delphistudie. In: Böttcher, Wolfgang; Holtappels,<br />
Heinz Günther; Brohm, Michaela (Hg.): Evaluation im Bildungswesen.<br />
Eine Einführung in Grundlagen und Praxisbeispiele. Weinheim;<br />
München: Juventa, S. 123-135.<br />
Bandura, Albert (1997): Self-efficacy. The exercise of control. New York:<br />
Freeman.<br />
Bank, Volker (1997): Controlling in der betrieblichen Weiterbildung. Über<br />
die freiwillige Selbstbeschränkung auf ein zweckrationales Management<br />
quasi-deterministischer Strukturen. Köln: Botermann & Botermann<br />
(Wirtschafts-, berufs- und sozialpädagogische Texte, 27).<br />
Bank, Volker (2000): Evaluationswissenschaft in methodischer Rekonstruktion.<br />
In: Bank, Volker; Lames, Martin (2000): Über Evaluation. Kiel:<br />
bajOsch-Hein, S. 49-83.<br />
Bank, Volker (2009): Berufs- und Wirtschaftspädagogik: Epitaph einer Disziplinlosen.<br />
In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online,<br />
Ausgabe 16. Online verfügbar unter http://www.bwpat.de/<br />
ausgabe16/bank_bwpat16.pdf, zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Bastian, Johannes; Combe, Arno; Hellmer, Julia; Wazinski, Elisabeth<br />
(2007): Zwei Tage Betrieb - drei Tage Schule. Kompetenzentwicklung<br />
in der Lernortkooperation an Allgemeinbildenden Schulen. Bad<br />
Heilbrunn: Klinkhardt.<br />
Baur, Nina (2008): Das Ordinalskalenproblem. In: Fromm, Sabine; Baur,<br />
Nina (Hg.): Datenanalyse mit SPSS für Fortgeschrittene. Ein Arbeitsbuch.<br />
2. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, GWV<br />
Fachverlage GmbH, S. 279-289.<br />
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (2006): Rahmenvereinbarung<br />
über Richtlinien für die Zusammenarbeit von Schule<br />
und Berufsberatung in Bayern vom 18. 07.2006, Nr. III.6-5 S 5305.15-<br />
6.64 975.<br />
Behr, Michael (2008): Fachkräftebedarf und Fachkräfteangebot in Sachsen.<br />
Herausforderungen im demographischen Umbruch. Strategieansätze<br />
und Handlungsfelder Innovation – Jugend – Kultur. Veranstaltung<br />
vom 02.05.2008. Freiberg.<br />
Beicht, Ursula; Granato, Mona (2009): Übergänge in eine berufliche Ausbildung.<br />
Geringere Chancen und schwierige Wege für junge Men-<br />
336
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
schen mit Migrationshintergrund; Expertise des Gesprächskreises<br />
Migration und Integration der Friedrich-Ebert-Stiftung. Herausgegeben<br />
von Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-<br />
Stiftung. Wirtschafts- und Sozialpolitisches Forschungs- und Beratungszentrum.<br />
Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung.<br />
Beicht, Ursula; Granato, Mona (2010): Ausbildungsplatzsuche: Geringere<br />
Chancen für junge Frauen und Männer mit Migrationshintergrund.<br />
BIBB-Analyse zum Einfluss der sozialen Herkunft beim Übergang in<br />
die Ausbildung unter Berücksichtigung von Geschlecht und Migrationsstatus.<br />
Bonn (BIBB Report - Forschungs- und Arbeitsergebnisse<br />
aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung, 15).<br />
Beinke, Lothar (1987): Modellvorschlag zum Berufswahlunterricht. Köln.<br />
Beinke, Lothar (1991): Was macht die Schule falsch? Positionen, Pädagogen,<br />
Bildungsziele. Zürich: Interfrom (Texte + Thesen, 236).<br />
Beinke, Lothar (1992): Berufswahlunterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.<br />
Beinke, Lothar (1999): Berufswahl. Der Weg zur Berufstätigkeit. Bad Honnef:<br />
Bock.<br />
Beinke, Lothar (2006): Berufswahl und ihre Rahmenbedingungen. Entscheidungen<br />
im Netzwerk der Interessen. Frankfurt am Main: Lang.<br />
Beinke, Lothar (2008a): Das Internet - ein Instrument zur Berufsorientierung<br />
Jugendlicher? Frankfurt am Main: Lang.<br />
Beinke, Lothar (2008b): Helfen Praxistage bei der Berufswahl? Frankfurt<br />
am Main: Lang.<br />
Beinke, Lothar; Wascher, Uwe (1993): Unterrichtsthema Berufswahl.<br />
Didaktik und Methodik. Ein Handbuch für den Berufswahlunterricht<br />
in allen Schulformen mit 19 Abbildungen und ausgewählten Vorschlägen<br />
zu weiterer Literatur. Darmstadt: Winklers; Gebrüder<br />
Grimm.<br />
Beinke, Lothar; Lüdke, Christiane; Richter, Heike; Wiegand, Ulrich;<br />
Wascher, Uwe (1991): Betriebspraktika im gewerblich-technischen Bereich<br />
für Mädchen. Mit 78 Literaturstellen. Ehningen bei Böblingen:<br />
expert (Beruf + Bildung, 22).<br />
Bennack, Jürgen (2004): Schulpflicht. In: Keck, Rudolf W.; Sandfuchs,<br />
Uwe; Feige, Bernd (Hg.): Wörterbuch Schulpädagogik. Ein Nachschlagewerk<br />
für Studium und Schulpraxis. 2. Aufl. Bad Heilbrunn:<br />
Klinkhardt, S. 426-427.<br />
337
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Bergzog, Thomas (2008): Beruf fängt in der Schule an. Die Bedeutung von<br />
Schülerbetriebspraktika im Rahmen des Berufsorientierungsprozesses.<br />
Bielefeld: Bertelsmann.<br />
Bergzog, Thomas (o. J.): Beruf fängt in der Schule an. Die Bedeutung von<br />
Schülerbetriebspraktika im Rahmen der Berufswahlorientierungsphase.<br />
Forschungsprojekt Nr.: 2.3.102. Online verfügbar unter<br />
http://www2.bibb.de/tools/fodb/pdf/at_23102.pdf, zuletzt geprüft<br />
am 02.01.2012.<br />
Bergzog, Thomas; Hörsch, Karola (o. J.): Beruf fängt in der Schule an - Die<br />
Bedeutung von Schülerbetriebspraktika im Rahmen der Berufswahlorientierungsphase.<br />
Zwischenbericht zum Forschungsprojekt 2.3.102.<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Online verfügbar unter<br />
http://www2.bibb.de/tools/fodb/pdf/zw_23102.pdf, zuletzt geprüft<br />
am 01.01.2011.<br />
Bertelsmann Stiftung (Hg., 2005): Jugend und Beruf. Repräsentativumfrage<br />
zur Selbstwahrnehmung der Jugend in Deutschland. Gütersloh. Online<br />
verfügbar unter http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/<br />
media/Studie_Jugend_und_Beruf.pdf, zuletzt geprüft am 01.01.2011.<br />
Beywl, Wolfgang (2005): Wirkungsorientierte Evaluation“ ein Job für<br />
Sisyphos oder für das Orakel von Delphi? Fachtagung: Wirkungsorientierte<br />
Evaluation. Veranstaltung vom 14.11.2005. Göttingen.<br />
Beywl, Wolfgang (2006): Evaluationsmodelle und qualitative Methoden. In:<br />
Flick, Uwe (Hg.): Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte -<br />
Methoden – Umsetzung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 92-116.<br />
Biermann, Horst; Buchmann, Ulrike; Friese, Marianne (2009): Professionspolitische<br />
Handlungsbedarfe. In: Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik<br />
in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft<br />
(DGfE) (Hg.): Memorandum zur Professionalisierung des pädagogischen<br />
Personals in der Integrationsförderung aus berufsbildungswissenschaftlicher<br />
Sicht. Bonn: Pahl-Rugenstein, S. 36-46.<br />
Bildungs-Werkstatt Chemnitz gGmbH (Hg., o. J.): Schnupperlehre.<br />
Berufsorientierung in der Metall- und Elektroindustrie. Online verfügbar<br />
unter http://www.perspektive-berufsausbildung.de, zuletzt geprüft<br />
am 01.01.2011.<br />
Bohlen, Elise; Rosner, Regina (2007): Berufsorientierungsprozesse von<br />
Schülerinnen und Schülern. Qualitätsleitlinien. Paderborn.<br />
338
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Bonnemann-Böhner, Adelheid; Welpe, Ingelore; Thege, Britta (Hg., 1994):<br />
Berufe haben (k)ein Geschlecht. Chancen und Hindernisse in der gewerblich-technischen<br />
Berufsausbildung junger Frauen. München:<br />
Hampp.<br />
Bortz, Jürgen (1993): Statistik für Sozialwissenschaftler. 4. Aufl. Berlin:<br />
Springer.<br />
Bortz, Jürgen; Döring, Nicola (2006): Forschungsmethoden und Evaluation<br />
für Human- und Sozialwissenschaftler. 4. Aufl. Heidelberg: Springer.<br />
Böttcher, Wolfgang (2006): Bildungsstandards und Evaluation im Paradigma<br />
der Outputforschung. In: Böttcher, Wolfgang; Holtappels, Heinz<br />
Günther; Brohm, Michaela (Hg.): Evaluation im Bildungswesen. Eine<br />
Einführung in Grundlagen und Praxisbeispiele. Weinheim; München:<br />
Juventa, S. 39-64.<br />
Böttcher, Wolfgang; Holtappels, Heinz Günther; Brohm, Michaela (2006):<br />
Evaluation im Bildungswesen. In: Böttcher, Wolfgang; Holtappels,<br />
Heinz Günther; Brohm, Michaela (Hg.): Evaluation im Bildungswesen.<br />
Eine Einführung in Grundlagen und Praxisbeispiele. Weinheim;<br />
München: Juventa, S. 7-21.<br />
Brauer-Schröder, Margareta; Butz, Bert; Drescher, Harald; Hübner, Manfred;<br />
Lexis, Ulrike (o. J.): Unverzichtbare Qualitätsmerkmale guter Berufsorientierung<br />
nach dem Verständnis des Netzwerkes Berufswahl-<br />
SIEGEL. Vorgelegt von der Arbeitsgruppe SIEGEL Standards. Arbeitsversion.<br />
Braun, Frank; Lex, Tilly (2006): Die Rolle der Jugendsozialarbeit im Übergangssystem<br />
Schule-Beruf. In: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.): Übergänge<br />
zwischen Schule und Beruf und darauf bezogene Hilfesysteme<br />
in Deutschland. Bonn, S. 59-65.<br />
Bredemeier de Diego, Inge; Fischer, Jutta; Krieger, Wolfgang (1995): Berufsfindung<br />
und Lebenschancen der heutigen Mädchengeneration.<br />
Analysen zu einem Modellprojekt. Berlin: Wissenschaft und Bildung<br />
(Forschung und Lernen, 4).<br />
Brickenkamp, Ralf (Hg., 1997): Handbuch psychologischer und pädagogischer<br />
Tests. 2. Aufl. Göttingen: Hogrefe.<br />
Brown, Duane (1994): Entscheidungstheoretische Modelle. In: Brown, Duane;<br />
Brooks, Linda (Hg.): Karriere-Entwicklung. Stuttgart: Klett-<br />
Cotta, S. 425-453.<br />
Brown, Duane; Brooks, Linda (Hg.,1994): Karriere-Entwicklung. Stuttgart:<br />
Klett-Cotta.<br />
339
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Budde, Jürgen (2008): Bildungs(miss)erfolge von Jungen und Berufswahlverhalten<br />
bei Jungen/männlichen Jugendlichen. Bonn; Berlin.<br />
Buddensiek, Wilfried (2006): Simulationsspiel. In: Kaiser, Franz-Josef;<br />
Pätzold, Günter (Hg.): Wörterbuch Berufs- und Wirtschaftspädagogik.<br />
2. Aufl. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 441-442.<br />
Bühner, Markus (2010): Einführung in die Test- und Fragebogenkonstruktion.<br />
2. Aufl. München: Pearson Studium.<br />
Bundesagentur für Arbeit (Hg., 2007): Mit Rückenwind ins Berufsleben -<br />
Partner Berufsberatung. Beratung, Vermittlung und Förderung der<br />
Berufsausbildung. Nürnberg.<br />
Bundesagentur für Arbeit (Hg., 2008): Arbeitslosengeld II - Förderung. Online<br />
verfügbar unter http://www.arbeitsagentur.de/nn_549752/<br />
zentraler-Content/A07-Geldleistung/A071-Arbeitslosigkeit/Allgemein/<br />
Alg-II-Foerdermoeglichkeiten.html, Datenstand vom 30.12.2008, zuletzt<br />
geprüft am 01.02.2012.<br />
Bundesagentur für Arbeit (Hg., 2009a): Fachliche Grundlagen/Arbeitsgrundsätze<br />
der Berufsorientierung (BO) im Bereich der Sekundarstufe<br />
I und II. Nürnberg.<br />
Bundesagentur für Arbeit (Hg., 2009b): Nationaler Pakt für Ausbildung<br />
und Fachkräftenachwuchs – Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife.<br />
Nürnberg.<br />
Bundesagentur für Arbeit (Hg., 2010a): Ausbildungsarten. Online verfügbar<br />
unter http://www.arbeitsagentur.de/nn_445288/Navigation/zentral/<br />
Unternehmen/Ausbildung/Ausbildungsarten/Ausbildungsarten-Nav.<br />
html, zuletzt aktualisiert am 08.02.2010, zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Bundesagentur für Arbeit (Hg., 2010b): Ausbildungsberufe - Reha. Online<br />
verfügbar unter http://www.berufenet.arbeitsagentur.de/berufe/<br />
search/simple/index.jsp, Datenstand vom 30.12.2010, zuletzt geprüft<br />
am 01.01.2011.<br />
Bundesagentur für Arbeit (Hg., 2010c): Organisation. Online verfügbar unter<br />
http://www.arbeitsagentur.de/nn_27200/Navigation/zentral/<br />
Servicebereich/Ueber-Uns/Aufbau-und-Organisation/Aufbau-und-<br />
Organisation-Nav.html, Datenstand vom 25.11.2010, zuletzt geprüft<br />
am 02.01.2012.<br />
Bundesagentur für Arbeit (Hg., 2011): Berufsinformationszentren. Online<br />
verfügbar unter http://www.arbeitsagentur.de/nn_26266/Navigation/zentral/Buerger/Zwischenzeit/BIZ/BIZ-Nav.html,<br />
Datenstand<br />
vom 17.12.2011, zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
340
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Bundesagentur für Arbeit; Freistaat Sachsen (Hg., 2009): Vereinbarung zur<br />
Zusammenarbeit der Sächsischen Staatsregierung und der Regionaldirektion<br />
der Bundesagentur für Arbeit in Sachsen für den Bereich der<br />
Berufs- und Studienorientierung. Dresden.<br />
Bundesanstalt für Arbeit; Landesarbeitsamt Sachsen (Hg., 2001): Vereinbarung<br />
über die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung im<br />
Freistaat Sachsen vom 11.06.2001. Chemnitz.<br />
Bundesanstalt für Arbeit (Hg., 2002): Richtig beraten. Anregungen Techniken.<br />
Grundwerk individueller Beratung. 3 Bände. Nürnberg: Bundesanstalt<br />
für Arbeit (2).<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung (Hg., o. J.): Good Practice Center. Förderung<br />
von Benachteiligten in der Berufsbildung. Online verfügbar unter<br />
http://www.good-practice.de, zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung (Hg., 2009a): BIBB-Planspielforum. Online<br />
verfügbar unter http://www.bibb.de/de/29264.htm, zuletzt geprüft<br />
am 02.01.2012.<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung (Hg., 2009b): Datenreport zum Berufsbildungsbericht<br />
2009. Informationen und Analysen zur Entwicklung der<br />
beruflichen Bildung. Bonn.<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung (Hg., 2011): Liste der staatlich anerkannten<br />
Ausbildungsberufe. Stand 01.08.2011. Bundesinstitut für Berufsbildung.<br />
Online verfügbar unter http://www2.bibb.de/tools/aab/<br />
aabberufeliste.php, zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2003): Berufsorientierung<br />
heute. Bielefeld. Online verfügbar unter http://www.sowionline.de/reader/berufsorientierung/akteure-bmbf.htm,<br />
zuletzt geprüft<br />
am 02.01.2012.<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2004): Die Strategie<br />
für das Lebenslange Lernen verwirklichen. Ausstellungskatalog zur<br />
Konferenz „Regionale Netzwerke für Lebenslanges Lernen“. Berlin,<br />
08./09.11.2004. Bonn, Berlin.<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2006): Praxis und<br />
Perspektiven zur Kompetenzentwicklung vor dem Übergang Schule-<br />
Berufsbildung. Ergebnisse der Entwicklungsplattform 2 „Kompetenzentwicklung<br />
vor dem Übergang Schule-Berufsbildung“. Bonn;<br />
Berlin. (Schriftenreihe zum Programm „Kompetenzen fördern - Berufliche<br />
Qualifizierung für Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf<br />
(BQF-Programm)“, Band IIb).<br />
341
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2008a): Berufsbildungsbericht<br />
2008. Bonn; Berlin. Online verfügbar unter<br />
http://www.bmbf.de/pub/bbb_08.pdf,zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2008b): Berufsorientierung<br />
in überbetrieblichen und vergleichbaren Berufsbildungsstätten.<br />
Basisdaten des Berufsorientierungsprogramms des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Forschung. Bonn, Berlin.<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2008c): Berufsorientierungsprogramm<br />
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.<br />
Bonn, Berlin.<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2008d): Ergebnisse<br />
der wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation. Berlin. (Schriftenreihe<br />
zum Programm „Kompetenzen fördern - Berufliche Qualifizierung<br />
für Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf (BQF-<br />
Programm)“, Band IV).<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2008e): Lernende Regionen<br />
– Förderung von Netzwerken. Programmdarstellung. Bonn;<br />
Berlin.<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2009): Berufsbildungsbericht<br />
2009. Bonn, Berlin.<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2010a): Berufsbildungsbericht<br />
2010. Bonn, Berlin.<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2010b): Bildungsketten.<br />
Online verfügbar unter http://www.bmbf.de/de/14737.php, zuletzt<br />
geprüft am 01.10.2010.<br />
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg., 2009):<br />
Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland.<br />
Berlin.<br />
Bundesregierung (Hg., o. J.): Europäischer Sozialfonds in Deutschland.<br />
Online verfügbar unter www.esf.de, zuletzt geprüft am 01.01.2011.<br />
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, des Bundesverbandes<br />
der Deutschen Industrie e. V., des deutschen Industrie- und<br />
Handelskammertages, des Zentralverbandes des Deutschen Handwerkes,<br />
des Bundesverbandes der Freien Berufe, des Bundesministeriums<br />
für Wirtschaft und Technologie, des Bundesministeriums für<br />
Bildung und Forschung, des Bundesministeriums für Arbeit und<br />
342
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Soziales und der Bundesagentur für Arbeit (2008): Gemeinsames<br />
Handeln zeigt deutliche Erfolge. Pressemitteilung vom 13.10.2008.<br />
Nürnberg.<br />
Bußhoff, Ludger (1987): Berufswahl. In: Bundesanstalt für Arbeit (Hg.):<br />
Handbuch zur Berufswahlvorbereitung. Nürnberg: TransMedia,<br />
S. 176-185.<br />
Bußhoff, Ludger (1989): Berufswahl. Theorien und ihre Bedeutung für die<br />
Praxis der Berufsberatung. 2. Aufl. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer.<br />
Butz, Bert (2006): Berufsorientierung an Schulen mit Ganztagsangebot. Eine<br />
Expertise im Auftrag des BLK-Verbundprojektes „Lernen für den<br />
Ganztag“ (Brandenburg). Ahrensburg.<br />
Butz, Bert (2008a): Berufsorientierung als Schulentwicklungsaufgabe. Das<br />
Setzen externer Impulse zur Verbreitung eines ganzheitlichen Verständnisses<br />
von Berufsorientierung. In: Wissenschaftliche Begleitung<br />
Programms Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben (Hg.): Berufsorientierung<br />
als Prozess. Persönlichkeit fördern, Schule entwickeln, Übergang<br />
sichern. Unter Mitarbeit von Gerd-Ewald Famulla, Bert Butz und<br />
Sven Deeken et al. Baltmannsweiler: Schneider (Schule - Wirtschaft/Arbeitsleben,<br />
5), S. 105-141.<br />
Butz, Bert (2008b): Grundlegende Qualitätsmerkmale einer ganzheitlichen<br />
Berufsorientierung. In: Wissenschaftliche Begleitung Programms<br />
Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben (Hg.): Berufsorientierung als Prozess.<br />
Persönlichkeit fördern, Schule entwickeln, Übergang sichern. Unter<br />
Mitarbeit von Gerd-Ewald Famulla, Bert Butz und Sven Deeken et al.<br />
Baltmannsweiler: Schneider (Schule - Wirtschaft/Arbeitsleben, 5),<br />
S. 42-62.<br />
Butz, Bert; Deeken, Sven (2010): Berufsorientierung. Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung.<br />
Expertise im Auftrag des Good Practice Center<br />
(GPC) im Bundesinstitut für Berufsbildung. Herausgegeben von Bundesinstitut<br />
für Berufsbildung. Bonn.<br />
Cremers, Michael; Puchert, Ralf; Mauz, Elvira; Chwalek, Doro-Thea<br />
(2008): So gelingt aktive Jungenförderung. Neue Wege für Jungs startet<br />
Netzwerk zur Berufs- und Lebensplanung. Bericht der wissenschaftlichen<br />
Begleitforschung. Bielefeld: Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit<br />
e. V.<br />
Dammer, Karl-Heinz (2002): Die institutionelle Trennung beruflicher und<br />
allgemeiner Bildung als historische Bürde der Berufswahlorientierung.<br />
343
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
In: Schudy, Jörg (Hg.): Berufsorientierung in der Schule. Grundlagen<br />
und Praxisbeispiele. Bad Heilbrunn, Opladen: Klinkhardt , S. 33-50.<br />
Dauenhauer, Erich (1978): Der Berufskundeunterricht. Eine berufswissenschaftliche<br />
und berufspädagogisch-fachdidaktische Handreichung für<br />
die Sekundarstufe I und die berufliche Grundbildung. 2. Aufl. Rinteln:<br />
Merkur.<br />
Decker, Franz; Kreuchauf, Klaus (1982): Von der Schule ins Berufsleben.<br />
Ein Schüler-Lern- und Arbeitsbuch zur Berufswahl und Berufskunde.<br />
Lehrerheft. Paderborn: Schöningh.<br />
Dedering, Heinz (1994): Einführung in das Lernfeld Arbeitslehre. München:<br />
Oldenbourg.<br />
Dedering, Heinz (1996): Arbeitslehre in der Sekundarstufe I. In: Dedering,<br />
Heinz (Hg.): Handbuch zur arbeitsorientierten Bildung. München:<br />
Oldenbourg, S. 253-280.<br />
Dedering, Heinz (2002): Entwicklung der schulischen Berufsorientierung in<br />
der Bundesrepublik Deutschland. In: Schudy, Jörg (Hg.): Berufsorientierung<br />
in der Schule. Grundlagen und Praxisbeispiele. Bad Heilbrunn:<br />
Klinkhardt , S. 17-31.<br />
Dedering, Heinz (2005): Berufs- und Arbeitsorientierung. In: Rauner, Felix<br />
(Hg.): Handbuch Berufsbildungsforschung. Bielefeld: Bertelsmann,<br />
S. 216-222.<br />
Deutscher Bildungsrat (1970): Strukturplan für das Bildungswesen.<br />
Empfehlungen der Bildungskommission. Bonn.<br />
Deutsche Gesellschaft für Evaluation (2008): Standards für Evaluation. 4.<br />
Aufl. Köln: Deutsche Gesellschaft für Evaluation.<br />
Deutscher Gewerkschaftsbund - Bundesvorstand, Bereich Jugend (Hg.,<br />
2009): Ausbildungsreport 2009. Berlin.<br />
Deutscher Industrie- und Handelstag (Hg., o. J.): Die Hauptschule. Berlin.<br />
Deutsches Jugendinstitut e. V. (Hg., 2008): Förderangebote im letzten<br />
Pflichtschuljahr und ihr Beitrag zum Gelingen von Übergängen. Eine<br />
Untersuchung in Stuttgart und Leipzig. Zusammenfassung. München.<br />
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V. (Hg.,<br />
2007): Produktionsschulen. Mythos und Realität in der Jugendsozialarbeit.<br />
Berlin.<br />
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V. (Hg.,<br />
2009): Neue Arbeitsmarktpolitische Instrumente für Jugendliche. Berlin.<br />
344
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Dewey, John; Handlin, Oscar; Correll, Werner (Hg., 1963): Reform des Erziehungsdenkens.<br />
Eine Einführung in John Deweys Gedanken zur<br />
Schulreform. Weinheim: Beltz.<br />
Dewey, John; Hylla, Erich; Oelkers, Jürgen (1993): Demokratie und Erziehung.<br />
Eine Einleitung in die philosophische Pädagogik. Weinheim:<br />
Beltz.<br />
Diekmann, Andreas (2003): Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden,<br />
Anwendungen. 10. Aufl. Hamburg: Rowohlt.<br />
Dimbath, Oliver (2003): Entscheidungen in der individualisierten Gesellschaft.<br />
Eine empirische Untersuchung zur Berufswahl in der fortgeschrittenen<br />
Moderne. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.<br />
Dimbath, Oliver (2007): Die (Be-)Deutung schulischer Berufsorientierung.<br />
Eine Analyse des Einflusses von Lehrerinnen und Lehrern auf die Berufswahl.<br />
In: Kahlert, Heike; Mansel, Jürgen (Hg.): Bildung und Berufsorientierung.<br />
Der Einfluss von Schule und informellen Kontexten<br />
auf die berufliche Identitätsentwicklung. Weinheim: Juventa, S. 163-<br />
183.<br />
Dostal, Werner; Stooß, Friedemann; Troll, Lothar (1998): Beruf – Auflösungstendenzen<br />
und erneute Konsolidierung. In: Sonderdruck aus:<br />
Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (MittAB),<br />
Jg. 31, H. 3, S. 438-460.<br />
Driesel-Lange, Katja; Hany, Ernst (2005): Berufsorientierung am Ende des<br />
Gymnasiums: Die Qual der Wahl. Bericht aus dem Forschungsprojekt<br />
„Evaluation von Lehreraktivitäten zur Förderung geschlechtsunabhängiger<br />
Berufswahlorientierungen im Bereich Naturwissenschaft und<br />
Technik“, gefördert vom Thüringer Kultusministerium. Herausgegeben<br />
von Bärbel Kracke und Ernst Hany. Universität Erfurt. Erfurt.<br />
(Schriften zur Berufsorientierungsforschung, 1).<br />
Driesel-Lange, Katja; Hany, Ernst (2006): Berufsorientierung in der gymnasialen<br />
Mittelstufe: Wie effektiv sind einzelne Unterrichtsstunden? Bericht<br />
aus dem Forschungsprojekt „Evaluation von Lehreraktivitäten<br />
zur Förderung geschlechtsunabhängiger Berufswahlorientierungen im<br />
Bereich Naturwissenschaft und Technik“, gefördert vom Thüringer<br />
Kultusministerium. Herausgegeben von Bärbel Kracke und Ernst<br />
Hany. Universität Erfurt. Erfurt. (Schriften zur Berufsorientierungsforschung,<br />
2).<br />
345
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Driesel-Lange, Katja; Dietrich, Julia; Hany, Ernst (2006): Interventionen<br />
zur Berufsorientierung in der gymnasialen Mittelstufe: Fördern Trainings<br />
die Berufswahlkompetenz? Abschlussbericht zum Forschungsprojekt<br />
„Evaluation von Lehreraktivitäten zur Förderung geschlechtsunabhängiger<br />
Berufswahlorientierungen im Bereich Naturwissenschaft<br />
und Technik“, gefördert vom Thüringer Kultusministerium.<br />
Herausgegeben von Bärbel Kracke und Ernst Hany. Universität Erfurt.<br />
Erfurt. (Schriften zur Berufsorientierungsforschung, 3).<br />
Druckrey, Petra (2007): Qualitätsstandards für Verfahren zur Kompetenzfeststellung<br />
im Übergang Schule – Beruf. Herausgegeben von Bundesinstitut<br />
für Berufsbildung und Institut für Maßnahmen zur Förderung<br />
der beruflichen und sozialen Eingliederung e. V. Bonn, Moers.<br />
Ebach, Judith (2006): Die Erweiterung der beruflichen Orientierung von<br />
Schülerinnen am Beispiel des Ada-Lovelace-Projekts. In: Endepohls-<br />
Ulpe, Martina; Jesse, Anja (Hg.): Familie und Beruf - weibliche Lebensperspektiven<br />
im Wandel. Frankfurt am Main: Lang, S. 67-82.<br />
Eberhard, Verena; Scholz, Selina; Ulrich, Joachim Gerd (2009): Image als<br />
Berufswahlkriterium. Bedeutung für Berufe mit Nachwuchsmangel.<br />
In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, H. 3, S. 9-13.<br />
Ehlers, Jan (2007): Mentoring im Prozess der Berufsorientierung - eine<br />
theoriegeleitete Analyse seiner Möglichkeiten. In: Ehlers, Jan; Kruse,<br />
Nikolas (Hg.): Jugend-Mentoring in Deutschland. Patenschaftsprogramme<br />
im Handlungsfeld Berufsorientierung und Berufswahl. Norderstedt:<br />
Books on Demand, S. 13-141.<br />
Ehrenthal, Bettina; Eberhard, Verena; Ulrich, Joachim Gerd (2005): Ausbildungsreife<br />
- auch unter den Fachleuten ein heißes Eisen. Ergebnisse<br />
des BIBB-Expertenmonitors. Bonn. Online verfügbar unter<br />
http://www.bibb.de/de/21840.htm, zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Eichner, Renate (1996): Praxisbezogenheit und Handlungsorientierung in<br />
der Bayerischen Arbeitslehre-Konzeption. Möglichkeiten und Grenzen<br />
der Verwirklichung im Rahmen eines kooperativen Ansatzes im<br />
Lernfeld Arbeitslehre. Augsburg.<br />
Ermert, Johannes; Friedrich, Horst (1990): Berufsorientierung am Gymnasium.<br />
Analyse, Dokumentation, Handreichung. Bergisch Gladbach:<br />
Hobein (Wirtschafts- und berufspädagogische Schriften, 8).<br />
Erpenbeck, John; von Rosenstiel, Lutz (Hg., 2007): Handbuch Kompetenzmessung.<br />
Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen<br />
346
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis.<br />
2. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.<br />
Esser, Friedrich Hubert (2007): Berufsbildung in der Wissensgesellschaft –<br />
Anknüpfungspunkte für Reformen. Gütersloh: Bertelsmann.<br />
Esser, Martin (1987): Berufliche Beratung. In: Bundesanstalt für Arbeit<br />
(Hg.): Handbuch zur Berufswahlvorbereitung. Nürnberg: TransMedia,<br />
S. 114-119.<br />
Famulla, Gerd-Ewald (1985): Wozu Berufe? Über die Zukunft des Berufskonzepts<br />
von Arbeit. In: arbeiten+lernen, H. 39, S. 2-7.<br />
Famulla, Gerd-Ewald (2001): Berufsorientierung im Strukturwandel von<br />
Ausbildung, Arbeit und Beruf. Einleitungsvortrag zum „2. Hauptschultag<br />
- Kongress Berufsorientierung“, durchgeführt vom Ministerium<br />
für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes<br />
Schleswig-Holstein. Veranstaltung vom 11.10.2001. Kiel. Online verfügbar<br />
unter http://www.swa-programm.de/texte_material/swa_<br />
vortraege/vortrag_kiel.pdf, zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Famulla, Gerd-Ewald (2004): Berufsorientierung als Bildungsstandard?<br />
5. Fachtagung SWA-Programm: Gute Beispiele zur Berufsorientierung<br />
in Potsdam. Veranstaltung vom 29./30.09.2004. Potsdam.<br />
Famulla, Gerd-Ewald; Butz, Bert; Deeken, Sven; Jensen, Marion; Michaelis,<br />
Ute; Möhle, Volker et al. (Hg., 2003): Vom Konzept zur Kompetenz<br />
in der Berufsorientierung. Zwischenergebnisse des Programms „Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben“.<br />
Flensburg.<br />
Feller, Gisela (1996): Berufswahl: Berufswunsch oder Wunschberuf? Retrospektive<br />
Betrachtungen von Auszubildenden und Vergleiche an der<br />
ersten und zweiten Schwelle. In: Schober, Karen; Gaworek, Maria<br />
(Hg.): Berufswahl: Sozialisations- und Selektionsprozesse an der<br />
ersten Schwelle. Dokumentation eines Workshops des Instituts für<br />
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit in<br />
Zusammenarbeit mit dem Deutschen Jugendinstitut und dem Bundesinstitut<br />
für Berufsbildung am 13./14.07.1995. Nürnberg (Beiträge zur<br />
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung BeitrAB 202/1996), S. 173-186.<br />
Fix, Wolfgang (1989): Juniorenfirmen. Ein innovatives Konzept zur Förderung<br />
von Schlüsselqualifikationen. Berlin: Schmidt (Ausbildung, Fortbildung,<br />
Personalentwicklung, 29).<br />
Flick, Uwe (2005): Triangulation in der qualitativen Forschung. In: Flick,<br />
Uwe; Kardorff, Ernst von; Steinke, Ines (Hg.): Qualitative Forschung.<br />
Ein Handbuch. 6. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 309-318.<br />
347
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Frauenbüro der Stadt Göttingen und Projektgruppe Berufsorientierung<br />
(Hg., 2004): Dokumentation Fachtag „Berufs- und Lebensplanung für<br />
Mädchen und Jungen“. Aktuelle Aspekte aus Wissenschaft und Praxis.<br />
Northeim.<br />
Frauen geben Technik neue Impulse e. V. (Hg., 2004): Girls’Day – Mädchen-Zukunftstag.<br />
Von null auf hunderttausend. 4 Jahre Mädchen-<br />
Zukunftstag. Bielefeld.<br />
Freimuth, Angelika (1994): „Nicht für die Schule, für´s Leben lernen wir“ -<br />
Der Einfluß von Schule auf die Berufswahl von Mädchen. In: Bonnemann-Böhner,<br />
Adelheid; Welpe, Ingelore; Thege, Britta (Hg.): Berufe<br />
haben (k)ein Geschlecht. Chancen und Hindernisse in der gewerblich-technischen<br />
Berufsausbildung junger Frauen. München:<br />
Hampp, S. 35-65.<br />
Freitag, Hans-Werner (2009): Ausgewählte Daten zur Berufsbildungs- und<br />
Hochschulstatistik des Bundesamtes für Statistik. Wiesbaden. Mails<br />
vom 20.05.2009 und 04.06.2009 an Jana Voigt.<br />
Frey, Karl (1990): Die Projektmethode. 3. Aufl. Weinheim: Beltz.<br />
Fußangel, Kathrin; Schulz-Zander, Renate; Kemna, Pierre (2006): „workshop<br />
zukunft“ - Ergebnisse der projektspezifischen Evaluation. Ergebnisse<br />
der Begleitforschung zu berufsvorbereitenden Maßnahmen<br />
mit digitalen Medien. In: Böttcher, Wolfgang; Holtappels, Heinz<br />
Günther; Brohm, Michaela (Hg.): Evaluation im Bildungswesen. Eine<br />
Einführung in Grundlagen und Praxisbeispiele. Weinheim; München:<br />
Juventa, S. 213-244.<br />
Gaudig, Hugo (1969): Die Schule der Selbsttätigkeit. 2. Aufl. Regensburg:<br />
Klinkhardt.<br />
Geissler, Birgit; Oechsle, Mechtild (1996): Lebensplanung junger Frauen.<br />
Zur widersprüchlichen Modernisierung weiblicher Lebensläufe.<br />
Weinheim: Dt. Studien-Verlag.<br />
Gericke, Naomi; Krupp, Thomas; Troltsch, Klaus (2009): Unbesetzte Ausbildungsplätze<br />
– warum Betriebe erfolglos bleiben. Ergebnisse des<br />
BIBB-Ausbildungsmonitors. Herausgegeben von Bundesinstitut für<br />
Berufsbildung. Bonn (BIBB Report - Forschungs- und Arbeitsergebnisse<br />
aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung, 10).<br />
Gesellschaft für Arbeit, Technik und Wirtschaft im Unterricht (Hg., 1981):<br />
Arbeit, Technik, Wirtschaft. Das Verhältnis von Fachwissenschaft<br />
und Didaktik - Konsequenzen für Studium und Unterricht. Bericht<br />
der 3. Fachtagung der Gesellschaft für Arbeit, Technik und Wirtschaft<br />
348
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
im Unterricht e. V. in Hagen vom 22. bis 24.10.1980. Unter Mitarbeit<br />
von Gerhard Himmelmann. Bad Salzdetfurth ü. Hildesheim: Franzbecker.<br />
Glaesser, Judith (2007): Berufseintritt ohne Ausbildung. Individuelle und<br />
soziale Einflussfaktoren. In: Mansel, Jürgen; Kahlert, Heike (Hg.): Arbeit<br />
und Identität im Jugendalter. Die Auswirkungen der gesellschaftlichen<br />
Strukturkrise auf Sozialisation. Weinheim: Juventa, S. 79-92.<br />
Hainmüller, Bernd (1996): Arbeitserfahrung als Methode der Berufsorientierung.<br />
Ein Vergleich englischer und deutscher Konzepte unter Berücksichtigung<br />
der Aktionsprogramme der Europäischen Gemeinschaft<br />
zum Übergang von der Schule in die Arbeitswelt. Frankfurt am<br />
Main u. a: Lang (Freiburger Beiträge zur Erziehungswissenschaft und<br />
Fachdidaktik, 1).<br />
Hammer, Karsten; Ripper, Jürgen; Schenk, Thomas (2009): Leitfaden<br />
Berufsorientierung. Praxishandbuch zur qualitätszentrierten Berufsund<br />
Studienorientierung an Schulen. Gütersloh: Bertelsmann.<br />
Haubrich, Karin; Preiß, Christine (1996): Auf der Suche nach beruflicher<br />
Identität - junge Frauen im Berufsfindungsprozeß. In: Schober, Karen;<br />
Gaworek, Maria (Hg.): Berufswahl: Sozialisations- und Selektionsprozesse<br />
an der ersten Schwelle. Dokumentation eines<br />
Workshops des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der<br />
Bundesanstalt für Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Jugendinstitut<br />
und dem Bundesinstitut für Berufsbildung,<br />
13./14.07.1995. Nürnberg (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
BeitrAB 202/1996), S. 77-95.<br />
Hedtke, Reinhold; Weber, Birgit (2008): Lehrplandatenbank. Online verfügbar<br />
unter http://www.lehrplaene.org, zuletzt geprüft am<br />
02.01.2012.<br />
Heimann, Paul (1962): Didaktik als Theorie und Lehre. In: Die deutsche<br />
Schule, Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Bildungspolitik und<br />
pädagogische Praxis, Jg. 54, H. 9, S. 407-427.<br />
Herzog, Walter; Neuenschwander, Markus P.; Wannack, Evelyne (2006):<br />
Berufswahlprozess. Wie sich Jugendliche auf ihren Beruf vorbereiten.<br />
Bern: Haupt (PRISMA - Beiträge zur Erziehungswissenschaft aus<br />
historischer, psychologischer und soziologischer Perspektive, 2).<br />
349
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung<br />
(Hg., 2007): Qualitätsstandards zur Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit<br />
bei der Schaffung und Besetzung von Ausbildungsplätzen<br />
in Hessen (OloV). Wiesbaden.<br />
Heublein, Ulrich; Schmelzer, Robert; Sommer, Dieter (2005): Studienabbruchstudie<br />
2005. Die Studienabbrecherquoten in den Fächergruppen<br />
und Studienbereichen der Universitäten und Fachhochschulen. Herausgegeben<br />
von HIS Hochschul-Informations-System. Hannover.<br />
(A1/2005).<br />
Hillmert, Steffen (1996): Berufswahl, Jugend, Kultur. Zur Konzeption und<br />
Anwendung eines integrativen soziologischen Forschungsansatzes.<br />
Regensburg: Roderer (Theorie und Forschung, 446).<br />
Hoeckel, Kathrin; Schwartz, Robert (2010): Lernen für die Arbeitswelt.<br />
OECD-Studien zur Berufsbildung. Deutschland.<br />
Hofmann-Lun, Irene (2007): Schülerfirmen: produktionsorientiertes Lernen<br />
an allgemein bildenden Schulen. In: Deutscher Paritätischer<br />
Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V. (Hg.): Produktionsschulen.<br />
Mythos und Realität in der Jugendsozialarbeit. Berlin, S. 49-55.<br />
Hofsäss, Thomas; Drinck, Barbara (2010): Förderschülerinnen und Förderschüler<br />
am Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt. Bericht zur<br />
Basiserhebung des Schulabsolventenlängsschnitts. Erarbeitet im<br />
Rahmen der Förderinitiative 1 im Programm „Perspektive Berufsabschluss“<br />
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Unter<br />
Mitarbeit von Michael Brock. Herausgegeben von Koordinierungsstelle<br />
„Regionales Übergangsmanagement Leipzig“. Leipzig.<br />
Holland, John L. (1997): Making Vocational Choices. A Theory of Vocational<br />
Personalities and Work Environments. 4. Aufl. Odessa.<br />
Hoppe, Manfred (1980): Beruforientierung. Studien zur Praxis der Arbeitslehre.<br />
2. Aufl. Weinheim: Beltz.<br />
Hoppe, Manfred (2006): Laborunterricht. In: Kaiser, Franz-Josef; Pätzold,<br />
Günter (Hg.): Wörterbuch Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Bad<br />
Heilbrunn: Klinkhardt, S. 311-312.<br />
Hübner, Manfred (2006): Erkundung. In: Kaiser, Franz-Josef; Pätzold,<br />
Günter (Hg.): Wörterbuch Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 2. Aufl.<br />
Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 235-236.<br />
Huisinga, Richard; Lisop, Ingrid (1999): Wirtschaftspädagogik. Ein interdisziplinär<br />
orientiertes Lehrbuch. München: Vahlen (Vahlens Handbücher<br />
der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften).<br />
350
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Hundt, Dieter (2003): Tradition – Innovation – Vision. Rede von Dr. Dieter<br />
Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />
e. V. Festakt zu 50 Jahre Schule-Wirtschaft. Veranstaltung<br />
vom 08.09.2003. Berlin.<br />
Humboldt, Wilhelm von (1959): Bildung und Sprache. Eine Auswahl aus<br />
seinen Schriften. Besorgt von Clemens Menze. Paderborn: Schöningh.<br />
Hustedt, Henning (1998): Veränderungen in den kognitiven Leistungsvoraussetzungen<br />
der Schulabgänger. In: Dostal, Werner; Parmentier,<br />
Klaus; Schober, Karen (Hg.): Mangelnde Schulleistungen oder überzogene<br />
Anforderungen. Zur Problematik unbesetzter/unbesetzbarer<br />
Ausbildungsplätze. Dokumentation eines Workshops in der Bundesanstalt<br />
für Arbeit am 16.10.1997. Nürnberg (IAB Beiträge zur Arbeitsmarkt-<br />
und Berufsforschung, BeitrAB 216), S. 261-168.<br />
Imdorf, Christian (2005): Schulqualifikation und Berufsfindung. Wie Geschlecht<br />
und nationale Herkunft den Übergang in die Berufsbildung<br />
strukturieren. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2010): Schulbuchanalyse. Einseitige<br />
Sicht auf die Wirtschaft. Pressemitteilung vom 15/16.03.2010. Köln.<br />
Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. (Hg., 2009): Resilienz<br />
und Bewältigungsstrategien von jungen Menschen mit Migrationshintergrund<br />
beim Übergang von Schule in Ausbildung. Zusammenfassung<br />
der Studie und Handlungsempfehlungen. Frankfurt am Main.<br />
Isserstedt, Wolfgang; Middendorff, Elke; Kandulla, Maren; Borchert, Lars;<br />
Leszczensky, Michael (2010): Die wirtschaftliche und soziale Lage der<br />
Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2009. Herausgegeben<br />
von Bundesministerium für Bildung und Forschung. Berlin,<br />
Bonn.<br />
Jenschke, Bernhard (2006): Berufsberatung. In: Kaiser, Franz-Josef;<br />
Pätzold, Günter (Hg.): Wörterbuch Berufs- und Wirtschaftspädagogik.<br />
2. Aufl. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 102-105.<br />
Kahlert, Heike; Mansel, Jürgen (2007): Bildung und Berufsorientierung von<br />
Jugendlichen in Schule und informellen Kontexten. In: Kahlert, Heike;<br />
Mansel, Jürgen (Hg.): Bildung und Berufsorientierung. Der Einfluss<br />
von Schule und informellen Kontexten auf die berufliche Identitätsentwicklung.<br />
Weinheim: Juventa, S. 7-16.<br />
Kaiser, Franz-Josef; Pätzold, Günter (Hg., 2006): Wörterbuch Berufs- und<br />
Wirtschaftspädagogik. 2. Aufl. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.<br />
351
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Kelle, Udo; Erzberger, Christian (2006): Stärken und Probleme qualitativer<br />
Evaluationsstudien - ein empirisches Beispiel aus der Jugendhilfeforschung.<br />
In: Flick, Uwe (Hg.): Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte<br />
- Methoden - Umsetzung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S.<br />
284-300.<br />
Kerschensteiner, Georg (1968): Der pädagogische Begriff der Arbeit. In:<br />
Kerschensteiner, Georg: Texte zum pädagogischen Begriff der Arbeit<br />
und zur Arbeitsschule. Ausgewählte pädagogische Schriften, Bd. 2,<br />
besorgt von Georg Wehle. Paderborn: Schöningh, S. 46-62.<br />
Kleber, Michael; Borner, Joachim; Collasch, Ulf (2007): Dessauer Erklärung<br />
zur nachhaltigen Berufsorientierung. Bildung braucht Kontinuität,<br />
Berufsorientierung braucht Systematik: „Wir können es uns nicht<br />
leisten, Berufsorientierung dem Zufall zu überlassen.“. Dessau. Online<br />
verfügbar unter http://www.agora-des-lernens.de/dessauer-erklaerung,<br />
zuletzt geprüft am 01.01.2011.<br />
Kleinegees, Udo (2010): Ausgewählte Daten zur Berufsbildungsstatistik des<br />
Bundesamtes für Statistik. Wiesbaden. Mail vom 26.11.2010 an Jana<br />
Voigt.<br />
Klevenow, Gerd-Holger (1996): Geschlechtsspezifische Interessenschwerpunkte<br />
und berufliche Orientierungen in der Phase der Berufswahlvorbereitung.<br />
In: Schober, Karen; Gaworek, Maria (Hg.): Berufswahl:<br />
Sozialisations- und Selektionsprozesse an der ersten Schwelle. Dokumentation<br />
eines Workshops des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
der Bundesanstalt für Arbeit in Zusammenarbeit mit<br />
dem Deutschen Jugendinstitut und dem Bundesinstitut für Berufsbildung,<br />
13./14.07.1995. Nürnberg (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
BeitrAB 202/1996), S. 97-112.<br />
Klevenow, Gerd-Holger (2000): Klassifikation von Ausbildungsberufen als<br />
Basis für Berufsorientierung. Hamburg (Beiträge zur Arbeitsmarktund<br />
Berufsforschung BeitrAB 235/2000).<br />
Klippert, Heinz (1987): Berufswahl-Unterricht. Handlungsorientierte Methoden<br />
und Arbeitshilfen für Lehrer und Berufsberater. Weinheim:<br />
Beltz.<br />
Knauf, Helen; Oechsle, Mechthild (2007): Berufsfindungsprozesse von<br />
Abiturientinnen und Abiturienten im Kontext schulischer Angebote<br />
zur Berufsorientierung. In: Kahlert, Heike; Mansel, Jürgen (Hg.): Bil-<br />
352
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
dung und Berufsorientierung. Der Einfluss von Schule und informellen<br />
Kontexten auf die berufliche Identitätsentwicklung. Weinheim:<br />
Juventa, S. 143-162.<br />
Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. (Hg.,<br />
o. J.): Projektskizze der wissenschaftlichen Begleitung von Neue Wege<br />
für Jungs. Evaluation 2009-2010. Online verfügbar unter<br />
http://www.neue-wege-fuer-jungs.de/Neue-Wege-fuer-Jungs/<br />
Forschung/Evaluation-2009-2010, zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. (Hg.,<br />
2008): „Ich will das und das ist mein Weg!“ - junge Frauen auf dem<br />
Weg zum Technikberuf. Qualitative Interviews mit ehemaligen<br />
Girls’Day-Teilnehmerinnen in Ausbildung und Studium. Unter Mitarbeit<br />
von Wenka Wentzel. Bielefeld: Kompetenzzentrum Technik -<br />
Diversity - Chancengleichheit.<br />
Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. (Hg.,<br />
2010): Zukunft gestalten. Mit dem Girls’Day zu Ausbildung und Studium.<br />
Bielefeld: Kompetenzzentrum Technik - Diversity - Chancengleichheit.<br />
Kopp, Johannes; Lois, Daniel (2009): Faktorenanalyse und Skalierung.<br />
Chemnitz.<br />
Köppl, Gerhard (1994): Berufserstwahl. Analyse der Berufswahlsituation;<br />
didaktisch-methodische und organisatorische Antworten; unterrichtspraktische<br />
Beispiele - projektorientierter Unterricht. Regensburg:<br />
Wolf.<br />
Krekel, Elisabeth M.; Ulrich, Joachim Gerd (2009): Jugendliche ohne Berufsabschluss.<br />
Handlungsempfehlungen für die berufliche Bildung.<br />
Kurzgutachten. Berlin.<br />
Kremer, H.-Hugo; Sloane, Peter F. E (Hg., 2001): Konstruktion, Implementation<br />
und Evaluation komplexer Lehr-Lernarrangements – Fallbeispiele<br />
aus Deutschland, Niederlande und Österreich im Vergleich,<br />
Paderborn: EUSL (Wirtschaftspädagogisches Forum, 20).<br />
Kress, Ulrike (1998): Vom Normalarbeitsverhältnis zur Flexibilisierung des<br />
Arbeitsmarktes. Ein Literaturbericht. Nürnberg. (Mitteilungen aus der<br />
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung MittAB, 3/1998).<br />
Kromrey, Helmut (2002): Empirische Sozialforschung. Modelle und Methoden<br />
der standardisierten Datenerhebung und Datenauswertung.<br />
10. Aufl. Opladen: Leske + Budrich.<br />
353
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Kromrey, Helmut (2006): Empirische Sozialforschung. Modelle und Methoden<br />
der standardisierten Datenerhebung und Datenauswertung.<br />
11. Aufl. Stuttgart: Lucius & Lucius.<br />
Kron, Friedrich W. (2004): Grundwissen Didaktik. 4. Aufl. München:<br />
Reinhardt.<br />
Kruse, Nikolas (2007): Mentoring zur Unterstützung Jugendlicher bei der<br />
Berufsorientierung und Berufswahl - eine empirische Untersuchung.<br />
In: Ehlers, Jan; Kruse, Nikolas (Hg.): Jugend-Mentoring in Deutschland.<br />
Patenschaftsprogramme im Handlungsfeld Berufsorientierung<br />
und Berufswahl. Norderstedt: Books on Demand, S. 143-243.<br />
Kuckartz, Udo (2006): Quick and dirty. Qualitative Methoden der drittmittelfinanzierten<br />
Evaluation in der Umweltforschung. In: Flick, Uwe<br />
(Hg.): Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte - Methoden - Umsetzung.<br />
Orig.-Ausg. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 267-283.<br />
Kuckartz, Udo; Ebert, Thomas; Rädiker, Stefan; Stefer, Claus (2009): Evaluation<br />
online. Internetgestützte Befragung in der Praxis. Wiesbaden:<br />
VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />
Kühnlein, Gertrud; Paul-Kohlhoff, Angela (1996): Die Entwicklung von<br />
Berufswahlorientierungen und Lebenskonzepten bei Mädchen und<br />
jungen Frauen. Offene Fragen der Berufsbildungsforschung. In:<br />
Schober, Karen; Gaworek, Maria (Hg.): Berufswahl: Sozialisationsund<br />
Selektionsprozesse an der ersten Schwelle. Dokumentation eines<br />
Workshops des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der<br />
Bundesanstalt für Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Jugendinstitut<br />
und dem Bundesinstitut für Berufsbildung,<br />
13./14.07.1995. Nürnberg (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
BeitrAB 202/1996), S. 113-125.<br />
Kuhnke, Ralf (2005): Methodenanalyse zur Panelmortalität im Übergangspanel.<br />
Arbeitsbericht im Rahmen der Dokumentationsreihe: Methodische<br />
Erträge aus dem „DJI-Übergangspanel“. Halle.<br />
Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt; Regionaldirektion Sachsen-<br />
Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit (2007): Vereinbarung<br />
über die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung zwischen<br />
dem Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt und der Regionaldirektion<br />
Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit,<br />
Bekanntmachung vom 31.01.2007, 24-82117.<br />
354
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Kultusministerkonferenz (1969): Empfehlungen zur Hauptschule. Beschluss<br />
der 131. Sitzung vom 3./4.07.1969. In: betrifft: erziehung,<br />
H. 8.<br />
Kultusministerkonferenz, Bundesanstalt für Arbeit, Hochschulrektorenkonferenz<br />
(1992): Gemeinsame Empfehlung der Kultusministerkonferenz,<br />
der Bundesanstalt für Arbeit und der Hochschulrektorenkonferenz<br />
über die Zusammenarbeit von Schule, Berufsberatung und<br />
Studienberatung im Sekundarbereich II.<br />
Kultusministerkonferenz; Bundesagentur für Arbeit (Hg., 2004): Rahmenvereinbarung<br />
über die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung<br />
zwischen der Kultusministerkonferenz und der Bundesagentur<br />
für Arbeit.<br />
Kupka, Peter; Wolters, Melanie (2010): Erweiterte vertiefte Berufsorientierung.<br />
Überblick, Praxiserfahrungen und Evaluationsperspektiven.<br />
Nürnberg. (IAB Forschungsbericht - Aktuelle Ergebnisse aus der Projektarbeit<br />
des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung,<br />
10/2010).<br />
Lames, Martin (2000): Evaluationsforschung in historischer und zeitgenössischer<br />
Betrachtung. In: Bank, Volker; Lames, Martin (2000): Über<br />
Evaluation. Kiel: bajOsch-Hein, S. 3-47.<br />
Lamnek, Siegfried (2005): Qualitative Sozialforschung. Lehrbuch. 4. Aufl.<br />
Weinheim: Beltz.<br />
Landesarbeitsstelle Schule – Jugendhilfe Sachsen e. V. (LSJ Sachsen) – Koordinierungsstelle<br />
Berufswahlpass Sachsen (Hg., o. J.a): Lehrplanbezüge<br />
zum Berufswahlpass. Gymnasium. Dresden. Online verfügbar<br />
unter http://www.sasj.de/bwp/pages/material_arbeitshilfen.html, zuletzt<br />
geprüft am 02.01.2012.<br />
Landesarbeitsstelle Schule – Jugendhilfe Sachsen e. V. (LSJ Sachsen) –<br />
Koordinierungsstelle Berufswahlpass Sachsen (Hg., o. J.b): Lehrplanbezüge<br />
zum Berufswahlpass. Mittelschule. Dresden. Online verfügbar<br />
unter http://www.sasj.de/bwp/pages/material_arbeitshilfen.html, zuletzt<br />
geprüft am 02.01.2012.<br />
Landesarbeitsstelle Schule – Jugendhilfe Sachsen e. V. (LSJ Sachsen) –<br />
Koordinierungsstelle Berufswahlpass Sachsen (Hg., o. J.c): Lehrplanbezüge<br />
zum Berufswahlpass. Schule zur Lernförderung. Dresden. Online<br />
verfügbar unter http://www.sasj.de/bwp/pages/material_arbeitshilfen.html,<br />
zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
355
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Landesarbeitsstelle Schule – Jugendhilfe Sachsen e. V. (LSJ Sachsen) –<br />
Koordinierungsstelle Berufswahlpass Sachsen (Hg., 2007): Berufsorientierung<br />
mit Berufswahlpass. Handreichung für Lehrerinnen und<br />
Lehrer an Mittelschulen und Förderschulen in Sachsen. Dresden.<br />
Landesarbeitsstelle Schule – Jugendhilfe Sachsen e. V. (LSJ Sachsen) –<br />
Koordinierungsstelle Berufswahlpass Sachsen (Hg., 2011): Übersicht<br />
Schulen mit Berufswahlpass in Sachsen. Stand: 01.09.2011. Dresden.<br />
Online verfügbar unter http://www.berufswahlpass-sachsen.de/<br />
downloads/Uebersicht_Schulen.pdf, zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Lange, Elmar (1978): Berufswahl. Eine empirische Untersuchung der Berufswahlsituation<br />
von Hauptschülern, Realschülern und Abiturienten.<br />
München: Fink.<br />
Langness, Anja; Leven, Ingo; Hurrelmann, Klaus (2006): Jugendliche<br />
Lebenswelten: Familie, Schule, Freizeit. In: Shell Deutschland Holding<br />
(Hg.): Jugend 2006. Eine pragmatische Generation unter Druck.<br />
Frankfurt am Main: Fischer, S. 49-101.<br />
Lappe, Lothar (1996): Einführendes Statement zur Generaldiskussion: Berufswahlforschung<br />
vor den Ansprüchen der Beratungspraxis. In:<br />
Schober, Karen; Gaworek, Maria (Hg.): Berufswahl: Sozialisationsund<br />
Selektionsprozesse an der ersten Schwelle. Dokumentation eines<br />
Workshops des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der<br />
Bundesanstalt für Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Jugendinstitut<br />
und dem Bundesinstitut für Berufsbildung,<br />
13./14.07.1995. Nürnberg (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
BeitrAB 202/1996), S. 315-323.<br />
Lemmermöhle, Doris (2002): Arbeitslehre und berufsorientierende Bildung<br />
aus der Geschlechterperspektive. In: Schudy, Jörg (Hg.): Berufsorientierung<br />
in der Schule. Grundlagen und Praxisbeispiele. Bad Heilbrunn:<br />
Klinkhardt , S. 125-141.<br />
Lemmermöhle-Thüsing, Doris; Müller, Regina; Arndt, Silke (1994): Wir<br />
werden was wir wollen! Schulische Berufsorientierung (nicht nur) für<br />
Mädchen. „Frauenberufe“ - Zukunftsberufe? Eine Themeneinheit für<br />
den berufsorientierenden Unterricht. Herausgegeben von Ministerium<br />
für Gleichstellung von Frau und Mann des Landes Nordrhein-<br />
Westfalen. Düsseldorf.<br />
Leven, Ingo; Quenzel, Gudrun; Hurrelmann, Klaus (2010): Familie, Schule,<br />
Freizeit: Kontinuitäten im Wandel. In: Shell Deutschland Holding<br />
356
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
(Hg.): Jugend 2010. Eine pragmatische Generation behauptet sich.<br />
Frankfurt am Main: Fischer, S. 53-128.<br />
Lippegaus-Grünau, Petra; Stolz, Iris (2010): Handreichung zur Durchführung<br />
von Potentialanalysen im Berufsorientierungsprogramm (BOP)<br />
des BMBF. Herausgegeben von Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt-<br />
und Sozialpolitik GmbH (INBAS). Offenbach am Main<br />
(Berichte und Materialien, 19).<br />
Lippegaus-Grünau, Petra; Mahl, Franziska; Stolz, Iris (2010a): Berufsorientierung.<br />
Programme und Projekte von Bund und Ländern, Kommunen<br />
und Stiftungen im Überblick. München, Halle: Deutsches Jugendinstitut<br />
e. V.<br />
Lippegaus-Grünau, Petra; Mahl, Franziska; Stolz, Iris (2010b): Berufsorientierung.<br />
Programm- und Projektbeispiele von Bund und Ländern,<br />
Kommunen und Stiftungen. München, Halle: Deutsches Jugendinstitut<br />
e. V.<br />
Lohrenz, Hubert (2004): Schülerrolle-Schülerpersönlichkeit. In: Keck, Rudolf<br />
W.; Sandfuchs, Uwe; Feige, Bernd (Hg.): Wörterbuch Schulpädagogik.<br />
Ein Nachschlagewerk für Studium und Schulpraxis. 2. Aufl.<br />
Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 395-396.<br />
Lück, Detlev; Baur, Nina (2008): Vom Fragebogen zum Datensatz. In:<br />
Fromm, Sabine; Baur, Nina (Hg.): Datenanalyse mit SPSS für Fortgeschrittene.<br />
Ein Arbeitsbuch. 2. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für<br />
Sozialwissenschaften, GWV Fachverlage GmbH, S. 18-52.<br />
Lüders, Christian (2006): Qualitative Evaluationsforschung - was heißt hier<br />
Forschung. In: Flick, Uwe (Hg.): Qualitative Evaluationsforschung.<br />
Konzepte - Methoden - Umsetzung. Orig.-Ausg. Reinbek bei Hamburg:<br />
Rowohlt, S. 33-62.<br />
Lumpe, Alfred (2002): Der Berufswahlpass. Ein Instrument zum selbstorganisierten<br />
und eigenverantwortlichen Lernen. In: Schudy, Jörg (Hg.):<br />
Berufsorientierung in der Schule. Grundlagen und Praxisbeispiele. Bad<br />
Heilbrunn: Klinkhardt, S. 253-260.<br />
Lumpe, Alfred (2006): Von der Abschlussorientierung zur Anschlussorientierung.<br />
Aufsatz von OSchR Dr. A. Lumpe, BBS Hamburg, Projektleiter<br />
des Nordverbunds, anlässlich der Fachtagung von „Startpunkt<br />
Schule“ in Lüneburg am 05/2006.<br />
Luther, Martin (1531/1908): Predigt am 17. Sonntag nach Trinitatis, nachmittags.<br />
In: Luther Martin: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe.<br />
34. Band Zweite Abteilung. Weimar, S. 298-308.<br />
357
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Manstetten, Rudolf (1983): 2. Kapitel Historische Entwicklung. In: Twardy,<br />
Martin (Hg.): Kompendium Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaften.<br />
Düsseldorf: Verlagsanstalt Handwerk (Wirtschafts-, Berufs- und<br />
Sozialpädagogische Texte, Band 3), S. 76-110.<br />
Martial, Ingbert von (1996): Einführung in didaktische Modelle.<br />
Baltmannsweiler: Schneider.<br />
Mayring, Philipp (2007): Qualitative Inhaltsanalyse. In: Flick, Uwe; Kardorff,<br />
Ernst von; Steinke, Ines (Hg.): Qualitative Forschung. Ein<br />
Handbuch. 5. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.<br />
Meier, Bernd (2002): Biographisch orientierte Berufswahl. In: Schudy, Jörg<br />
(Hg.): Berufsorientierung in der Schule. Grundlagen und Praxisbeispiele.<br />
Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 143-156.<br />
Meyer-Haupt, Klaus (1996): Einführendes Statement zur Generaldiskussion:<br />
Berufswahlforschung vor den Ansprüchen der Beratungspraxis.<br />
In: Schober, Karen; Gaworek, Maria (Hg.): Berufswahl: Sozialisationsund<br />
Selektionsprozesse an der ersten Schwelle. Dokumentation eines<br />
Workshops des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der<br />
Bundesanstalt für Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Deutschen<br />
Jugendinstitut und dem Bundesinstitut für Berufsbildung,<br />
13./14.07.1995. Nürnberg (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
BeitrAB 202/1996), S. 309-313.<br />
Ministerium für Justiz, Arbeit und Europa des Landes Schleswig-Holstein;<br />
Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein<br />
(Hg., o. J.): Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt. Präventive und<br />
flankierende arbeitsmarkt- und bildungspolitische Maßnahmen gegen<br />
Jugendarbeitslosigkeit und für mehr Ausbildungs- und Berufsreife.<br />
Kiel.<br />
Müller, Wolfgang (1983): Die Förderung der Berufsreife und der Berufswahlreife.<br />
Eine empirische Untersuchung zur erzieherischen Wirksamkeit<br />
der vorberuflichen Förderung berufs(wahl)unreifer Jugendlicher.<br />
Heidelberg: Esprint (Schriftenreihe Wirtschaftsdidaktik, Berufsbildung<br />
und Konsumentenerziehung, 3).<br />
Müller, Wolfgang (2002): Abitur - und dann? Berufsorientierung in der<br />
Gymnasialen Oberstufe. In: Schudy, Jörg (Hg.): Berufsorientierung in<br />
der Schule. Grundlagen und Praxisbeispiele. Bad Heilbrunn, Opladen:<br />
Klinkhardt, S. 175-190.<br />
358
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Nerdinger, Friedemann W; Blickle, Gerhard; Schaper, Niclas (2008):<br />
Arbeits- und Organisationspsychologie. Mit 32 Tabellen. Heidelberg:<br />
Springer.<br />
Neubert, Andreas (2003): Juniorenfirmen: Vom Prototypen eines neuen<br />
berufsbildenden Lehr-Lernkonzeptes zur ausdifferenzierten Lernform.<br />
In: Woll, Helmut (Hg.): Juniorenfirmen und unternehmerische<br />
Kompetenz. München: Buch und Media Gesellschaft für Buch- und<br />
Mediendienstleistungen, S. 45-60.<br />
Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hg., 1997): Berufswahl<br />
ist mehr … Lebensplanung gehört dazu! Eine Handreichung<br />
zur Auseinandersetzung mit Geschlechtsrollen für Schule (Sekundarbereich<br />
I) und Jugendarbeit. Hannover.<br />
Niemeyer, Beatrix (2002): Begrenzte Auswahl. Berufliche Orientierung von<br />
Jugendlichen mit schlechten Startchancen. In: Schudy, Jörg (Hg.): Berufsorientierung<br />
in der Schule. Grundlagen und Praxisbeispiele. Bad<br />
Heilbrunn, Opladen: Klinkhardt, S. 207-220.<br />
Nissen, Ursula; Keddi, Barbara; Pfeil, Patricia (2003): Berufsfindungsprozesse<br />
von Mädchen und jungen Frauen. Erklärungsansätze und empirische<br />
Befunde. Opladen: Leske + Budrich.<br />
Nowotnick, Anja; Voigt, Jana (2009): Leipziger Mittelschülerinnen und<br />
Mittelschüler auf dem Weg von der Schule in die Arbeitswelt. Kurzfassung<br />
des Leipziger Schulabsolventenlängsschnitts, erarbeitet im<br />
Rahmen der Förderinitiative 1 im Programm „Perspektive Berufsabschluss“<br />
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Herausgegeben<br />
von Koordinierungsstelle „Regionales Übergangsmanagement<br />
Leipzig“. Leipzig.<br />
Oechsle, Mechtild (Hg., 1998): Die ungleiche Gleichheit. Junge Frauen und<br />
der Wandel im Geschlechterverhältnis. Opladen: Leske + Budrich<br />
(Geschlecht und Gesellschaft, 14).<br />
Oechsle, Mechthild (2001): Berufsorientierung und Lebensplanung. Vortrag<br />
im Rahmen der Siegel-Verleihung des Projektes „Siegel berufswahl-<br />
und ausbildungsfreundliche Schule“. Veranstaltung vom<br />
09.02.2001. Gütersloh.<br />
Oechsle, Mechthild (2005): Berufsorientierung in unübersichtlichen Zeiten.<br />
Vortrag auf der Fachtagung Berufsberatung – Schule. Veranstaltung<br />
vom 24.10.2005. Bochum. Online verfügbar unter http://www.unibielefeld.de/soz/personen/oechsle/downloads/Vortrag_Berufsorientierung_14.12.05.pdf,<br />
zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
359
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Oestreich, Paul (1921): Die elastische Einheitsschule – Lebens- und<br />
Produktionsschule. Berlin.<br />
Otto, Gunter (1985): Medien der Erziehung und des Unterrichts. In: Otto,<br />
Gunter; Schulz, Wolfgang (Hg.): Methoden und Medien der Erziehung<br />
und des Unterrichts. Stuttgart: Klett-Cotta (Enzyklopädie Erziehungswissenschaft,<br />
4), S. 74-107.<br />
Otto, Hans-Uwe; Rauschenbach, Thomas (Hg., 2004): Die andere Seite der<br />
Bildung. Zum Verhältnis von formellen und informellen Bildungsprozessen.<br />
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />
Parsons Frank (1909): Choosing a Vocation. Boston: Houghton Mifflin.<br />
Pätzold, Günter (2008): Übergang Schule – Berufsausbildung. In: Helsper,<br />
Werner; Böhme, Jeanette (Hg.): Handbuch der Schulforschung. 2.<br />
Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 593-610.<br />
Pfeifer, Harald; Wenzelmann, Felix (2009): Kosten und Nutzen der Berufsausbildung<br />
in Deutschland. Ergebnisse der BIBB-<br />
Betriebsbefragung 2007. BIBB-Fachtagung „Die Ausbildungsentscheidung<br />
von Betrieben - Ökonomische Forschungsansätze und Analysen“<br />
am 23./24.09.2009 in Bonn. Bonn.<br />
Pleiß, Ulrich (1982): Wirtschaftspädagogik, Bildungsforschung, Arbeitslehre.<br />
Heidelberg: Esprint (Schriftenreihe Wirtschaftsdidaktik, Berufsbildung<br />
und Konsumentenerziehung, 1).<br />
Porst, Rolf (2008): Fragebogen. Ein Arbeitsbuch. Wiesbaden: VS Verlag<br />
für Sozialwissenschaften.<br />
Programmstelle beim Bundesinstitut für Berufsbildung für das Programm<br />
Jobstarter des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (Hg.,<br />
2008): Jobstarter Regional. Matching professionell gestalten. Bonn.<br />
(3. Jg., H. 7, Ausg. 1/2008).<br />
Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Projektträger<br />
für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.,<br />
2005): Neue Kooperationen zwischen Schule und Arbeitswelt. Bonn.<br />
Rademacker, Hermann (2002): Schule vor neuen Herausforderungen.<br />
Orientierung für Übergänge in eine sich wandelnde Arbeitswelt. In:<br />
Schudy, Jörg (Hg.): Berufsorientierung in der Schule. Grundlagen und<br />
Praxisbeispiele. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 51-68.<br />
Rademacker, Hermann (2009): Berufsorientierung - eine Pflicht der Schule?<br />
In: Bonekamp, Waltraud; Kruse, Wilfried (Hg.): Schulische Arbeitswelt<br />
und Berufsorientierung und kommunale Koordinierung.<br />
360
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Tagungsbericht zum Jahresforum der Weinheimer Initiative am<br />
05.11.2008 in Dortmund. Dortmund, S. 24-32.<br />
Ramm, Michael (2001): Berufswahl, Berufsperspektiven und Existenzgründungen.<br />
Berufliche Orientierungen von Studierenden. Herausgegeben<br />
von Bundesministerium für Bildung und Forschung. Bonn.<br />
Rat der Europäischen Union (2009): Entschließung des Rates vom<br />
27.11.2009 über einen erneuerten Rahmen für die jugendpolitische<br />
Zusammenarbeit in Europa (2010-2018). (2009/C 311/01).<br />
Ratschinski, Günter (o. J.): Berufswahlkompetenz. Hannover.<br />
Rekus, Jürgen (2004): Unterrichtsprinzipien. In: Keck, Rudolf W.; Sandfuchs,<br />
Uwe; Feige, Bernd (Hg.): Wörterbuch Schulpädagogik. Ein<br />
Nachschlagewerk für Studium und Schulpraxis. 2. Aufl. Bad<br />
Heilbrunn: Klinkhardt, S. 498-500.<br />
Rohwer, Götz; Pötter, Ulrich 2002): Methoden sozialwissenschaftlicher<br />
Datenkonstruktion. Weinheim: Juventa.<br />
Rudowicz, Wolfgang (1996): Das Schülerbetriebspraktikum als Informations-<br />
und Entscheidungshilfe für Berufswähler und Berufswählerinnen<br />
oder Ursache von Desorientierung und Zukunftsfrust. In: Schober,<br />
Karen; Gaworek, Maria (Hg.): Berufswahl: Sozialisations- und<br />
Selektionsprozesse an der ersten Schwelle. Dokumentation eines<br />
Workshops des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der<br />
Bundesanstalt für Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Deutschen<br />
Jugendinstitut und dem Bundesinstitut für Berufsbildung,<br />
13./14.07.1995. Nürnberg (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
BeitrAB 202/1996), S. 247-256.<br />
Sächsisches Landesamt für Familie und Soziales (Hg., 2002): Orientierungshilfe<br />
zur außerschulischen Jugendbildung. Aufgaben und Qualitätskriterien<br />
außerschulischer Jugendbildung im Freistaat Sachsen.<br />
Verabschiedet vom Landesjugendhilfeausschuss am 27.03.2002.<br />
Chemnitz. Online verfügbar unter http://www.slfs.sachsen.de/lja/<br />
service/pdf/lja_oh_asjb_02.pdf, zuletzt geprüft am 11.08.2008.<br />
Sächsisches Landesamt für Familie und Soziales (Hg., 2003): Fachempfehlung<br />
zur Schulsozialarbeit im Freistaat Sachsen. Vom Landesjugendhilfeausschuss<br />
beschlossen am 12.11.2003. Chemnitz.<br />
Sächsisches Staatsinstitut für Bildung und Schulentwicklung (Hg., 1996):<br />
Handreichung für die Mittelschule. Berufsorientierung an der Mittelschule.<br />
BLK-Modellversuch „Berufsorientierender Unterricht an Mit<br />
361
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
telschulen im Freistaat Sachsen unter Einschluss von Betriebspraktika<br />
unter Berücksichtigung der Förderung von Berufstätigkeiten für Mädchen“.<br />
Radebeul.<br />
Sächsisches Staatsministerium für Kultus (Hg., 2009): Fit für die Zukunft.<br />
Mittelschulen und Gymnasien in Sachsen. Dresden. Online verfügbar<br />
unter http://www.sachsen-macht-schule.de/pdf/br_fit_fuer_die_zukunft09.pdf,<br />
zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Sächsisches Staatsministerium für Kultus (Hg., o. J.): Landesservicestelle<br />
Schule-Wirtschaft. Sachsenweites Netzwerk als Dach und Dienstleister<br />
für alle Akteure im Bereich Schule-Wirtschaft. Faltblatt. Dresden.<br />
Online verfügbar unter http://www.sachsen-machtschule.de/schule/download/download_smk/sw_fb.pdf,<br />
zuletzt geprüft<br />
am 02.01.2012.<br />
Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport (Hg.) (o. J.a): Kernziele<br />
der Klassenstufen. Dresden. Online verfügbar unter http://www.<br />
sachsen-macht-schule.de/schule/download/download_smk/sw_<br />
kernziele.pdf, zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport (Hg., o. J.b): Schuleigenes<br />
Konzept zur Berufs- und Studienorientierung. Teil A: Leitfaden<br />
zur Konzeptentwicklung. Dresden. Online verfügbar unter<br />
http://www.sachsen-macht-schule.de/schule/download/download_<br />
smk/sw_leitfaden_konzeptentwicklung.pdf, zuletzt geprüft am<br />
02.01.2012.<br />
Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport (Hg.) (o. J.c): Qualitätssiegel<br />
für Berufs- und Studienorientierung. Dresden. Online verfügbar<br />
unter http://www.sachsen-macht-schule.de/schule/5501.htm,<br />
zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport (Hg., 2010a): Das Abitur<br />
am allgemeinbildenden Gymnasium. Die Jahrgangsstufen 11 und<br />
12. Dresden. Online verfügbar unter https://publikationen.<br />
sachsen.de/bdb/showDetails.do?id=3172465, zuletzt geprüft am<br />
02.01.2012.<br />
Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport (Hg., 2010b): Viele<br />
Wege zum Erfolg. Das Sächsische Schulsystem. Dresden. Online verfügbar<br />
unter https://publikationen.sachsen.de/bdb/showDetails.<br />
do?id=39555, zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Schaeper, Hilde; Briedis, Kolja (2004): Kompetenzen von Hochschulabsolventinnen<br />
und Hochschulabsolventen, berufliche Anforderungen und<br />
362
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Folgerungen für die Hochschulreform. Projektbericht. Herausgegeben<br />
von HIS Hochschul-Informations-System GmbH. Hannover.<br />
Schaeper, Hildegard; Spangenberg, Heike (2008): Absolventenbefragungen<br />
- Erfassung relevanter Kompetenzen für Studium und Beruf. In:<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.): Kompetenzerfassung<br />
in pädagogischen Handlungsfeldern. Theorien, Konzepte und<br />
Methoden. Bonn, Berlin, S. 161-175.<br />
Schanne, Rénier (1990): Berufsanalyse als Weg zur fundierten Berufsorientierung.<br />
Pilotstudie am Beispiel der Entwicklung und Evaluation der<br />
Informationsbroschüre „Der Kraftfahrzeugmechaniker“. Nürnberg<br />
(Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung BeitrAB 135/1990).<br />
Schelsky, Helmut (1957): Die skeptische Generation. Eine Soziologie der<br />
deutschen Jugend. Düsseldorf, Köln.<br />
Schelten, Andreas (2004): Einführung in die Berufspädagogik. 3. Aufl.<br />
Stuttgart: Steiner.<br />
Schilling, Johannes (2008): Didaktik/Methodik sozialer Arbeit. Grundlagen<br />
und Konzepte. 5. Aufl. München: Reinhardt.<br />
Schlemmer, Elisabeth (2008): Was ist Ausbildungsfähigkeit? Versuch einer<br />
bildungstheoretischen Einordnung. In: Schlemmer, Elisabeth;<br />
Gerstberger, Herbert (Hg.): Ausbildungsfähigkeit im Spannungsfeld<br />
zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis. Wiesbaden: VS Verlag für<br />
Sozialwissenschaften, S. 13-33.<br />
Schmid, Reinhard; Barmettler, Claire (2001): Wegweiser zur Berufswahl.<br />
Ein Arbeitsbuch für Jugendliche bei ihrer ersten Berufswahl. Bielefeld:<br />
Bertelsmann.<br />
Schober, Karen (2001): Berufsorientierung im Wandel – Vorbereitung auf<br />
eine veränderte Arbeitswelt. Vortrag bei der 2. Fachtagung von „Schule<br />
- Wirtschaft/Arbeitsleben“. Veranstaltung vom 30./31.05.2001.<br />
Bielefeld. Online verfügbar unter http://www.sowi-online.de/reader/<br />
berufsorientierung/schober.htm, zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Schober, Karen; Rauch, Angela (1996): Geschlechtsspezifisches Rekrutierungsverhalten<br />
westdeutscher Betriebe bei der Ausbildung und Beschäftigung<br />
von Auszubildenden und Fachkräften in anerkannten<br />
Ausbildungsberufen. In: Liesering, Sabine; Rauch, Angela (Hg.): Hürden<br />
im Erwerbsleben. Aspekte beruflicher Segregation nach Geschlecht.<br />
Nürnberg (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
BeitrAB 198/1996), S. 17-45.<br />
363
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Schudy, Jörg (Hg., 2002): Berufsorientierung in der Schule. Grundlagen<br />
und Praxisbeispiele. Bad Heilbrunn, Opladen: Klinkhardt.<br />
Schulz, Wolfgang; Treder, Michael (1985): Prinzipien der Erziehung und<br />
des Unterrichts. In: Otto, Gunter; Schulz, Wolfgang (Hg.): Methoden<br />
und Medien der Erziehung und des Unterrichts. Stuttgart: Klett-Cotta<br />
(Enzyklopädie Erziehungswissenschaft, 4), S. 121-130.<br />
Schulz-Zander, Renate; Bauer, Karl-Oswald; Fußangel, Kathrin; Kemna,<br />
Pierre; Preussler, Annabell (2005): Evaluation des Projekts „workshop<br />
zukunft“. Endbericht. Herausgegeben von Institut für Schulentwicklungsforschung<br />
(IFS) der Universität Dortmund. Dortmund.<br />
Schulze, Theodor (1978): Methoden und Medien der Erziehung. München:<br />
Juventa.<br />
Schwarzer, Ralf; Jerusalem, Matthias (Hg., 1999). Skalen zur Erfassung von<br />
Lehrer- und Schülermerkmalen. Dokumentation der psychometrischen<br />
Verfahren im Rahmen der Wissenschaftlichen Begleitung des<br />
Modellversuchs Selbstwirksame Schulen. Berlin.<br />
Schwertner, Angelika (2010): Anzahl der Ausbildungsberufe. Nürnberg.<br />
Mail vom 05.08.2010 an Bärbel Nöhring.<br />
Scriven, Michael (1991): Evaluation Thesaurus. Newbury Park: Sage.<br />
Seifert, Karl Heinz (1987): Berufswahlreife. In: Bundesanstalt für Arbeit<br />
(Hg.): Handbuch zur Berufswahlvorbereitung. Nürnberg: TransMedia,<br />
S. 186-198.<br />
Seifert, Karl Heinz (1991): Studienwahl und Studienbewältigung. Ergebnisse<br />
der Laufbahnforschung bei Maturanten und Studenten. In: Schilling,<br />
Michael; Turrini, Hans (Hg.): Zur Entwicklung von akademischen<br />
Berufen, Studienmotivationen und Universitätsstudien. Untersuchungen,<br />
Überlegungen, Orientierungshilfen. 2. Aufl. Wien, Klagenfurt:<br />
Kärntner (Studien- und Berufswahl, 2), S. 86-110.<br />
Seifert, Karl Heinz (1993): Zur prädiktiven Validität von Berufswahlreifeinstrumenten.<br />
In: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie,<br />
Jg. 37, H. 4, S. 172-182.<br />
Seifert, Karl Heinz; Stangl, Werner (o. J.): Fragebogen „Einstellungen zur<br />
Berufswahl und beruflichen Arbeit“ (EbwA-HS). Handanweisung.<br />
Online verfügbar unter http://www.stangl-taller.at/STANGL/<br />
WERNER/BERUF/TESTS/EBWA/EBwAHandanweisung.pdf, zuletzt<br />
geprüft am 02.01.2012.<br />
364
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Seifert, Karl Heinz; Stangl, Werner (1986): Der Fragebogen Einstellungen<br />
zur Berufswahl und beruflichen Arbeit. In: Diagnostica, Jg. 32, H. 2,<br />
S. 153-164.<br />
Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik in der Deutschen Gesellschaft<br />
für Erziehungswissenschaft (Hg., 2009): Memorandum zur Professionalisierung<br />
des pädagogischen Personals in der Integrationsförderung<br />
aus berufsbildungswissenschaftlicher Sicht. Bonn: Pahl-Rugenstein.<br />
Settelmeyer, Anke; Erbe, Jessica (2010): Migrationshintergrund. Zur Operationalisierung<br />
des Begriffs in der Berufsbildungsforschung. Herausgegeben<br />
von Bundesinstitut für Berufsbildung. Bundesinstitut für Berufsbildung.<br />
Bonn (Schriftenreihe des Bundesinstituts für Berufsbildung,<br />
112).<br />
Skrobanek, Jan (2009): Migrationsspezifische Disparitäten im Übergang<br />
von der Schule in den Beruf. München, Halle: Deutsches Jugendinstitut<br />
e. V.<br />
Sloane, Peter F. E.; Twardy, Martin; Buschfeld, Detlef (2004): Einführung<br />
in die Wirtschaftspädagogik. 2. Aufl. Paderborn: Eusl.<br />
Sobiraj, Sonja; Korek, Sabine; Weseler, Daniela; Tanner, Grit (2010): Männer<br />
in ge-schlechtsuntypischen Berufen: Stand der Forschung und<br />
Herausforderungen für die Zukunft. In: Rigotti, Thomas; Korek,<br />
Sabine; Kathleen Otto et al. (Hg.): Gesund mit und ohne Arbeit.<br />
Lengerich: Pabst Science Publishers, S. 133-146.<br />
Solga, Heike; Kohlrausch, Bettina; Kretschmann, Claudia; Fromm, Sabine<br />
(2010): Evaluation des Projekts „Abschlussquote erhöhen – Berufsfähigkeit<br />
steigern“. Abschlussbericht. Herausgegeben von Soziologisches<br />
Forschungsinstitut (SOFI) an der Georg-August-Universität<br />
Göttingen. Nürnberg. (IAB Forschungsbericht - Aktuelle Ergebnisse<br />
aus der Projektarbeit des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung).<br />
Solga, Heike; Kretschmann, Claudia (2010): Follow-up-Studie zur Evaluation<br />
des Projekts „Abschlussquote erhöhen – Berufsfähigkeit steigern“.<br />
Discussion Paper SP I 2010-503. Herausgegeben von Wissenschaftszentrum<br />
Berlin für Sozialforschung. Berlin.<br />
Speck, Karsten (2005): Schulsozialarbeit. Begriffklärung und Bestandsaufnahme.<br />
In: Unsere Jugend, Jg. 57, H. 3, S. 99-109<br />
Stamm Margrit (2007): Geboren 1988: Bildungslaufbahnen und berufliche<br />
Identität von Jugendlichen in der Schweiz. In: Kahlert, Heike; Mansel,<br />
Jürgen (Hg.): Bildung und Berufsorientierung. Der Einfluss von Schu-<br />
365
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
le und informellen Kontexten auf die berufliche Identitätsentwicklung.<br />
Weinheim: Juventa, S. 83-100.<br />
Stark, Werner; Schubert, Christoph; Fitzner, Thilo (1997): Jugendberufshilfe<br />
im Kontext von Arbeitsgesellschaft und Berufsbildungspolitik. Eine<br />
Fachtagung. Stuttgart, Düsseldorf, Leipzig: Klett-Cotta (Protokolldienst/Evangelische<br />
Akademie Bad Boll, 97,20). S. 105<br />
Stauber, Barbara (2007): Zwischen Abhängigkeit und Autonomie: Junge<br />
Erwachsene und ihre Familien. In: Stauber, Barbara; Pohl, Axel; Walther,<br />
Andreas (Hg.): Subjektorientierte Übergangsforschung. Rekonstruktion<br />
und Unterstützung biografischer Übergänge junger Erwachsener.<br />
Weinheim: Juventa, S. 129-154.<br />
Steinke, Ines (2007): Gütekriterien qualitativer Forschung. In: Flick, Uwe;<br />
Kardorff, Ernst von; Steinke, Ines (Hg.): Qualitative Forschung. Ein<br />
Handbuch. 5. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 319-331.<br />
Steinwendner, Margitta (2007): Übersicht zu Maßnahmen der vertieften Berufsorientierung<br />
im Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer<br />
Chemnitz. Chemnitz.<br />
Stiftung Demokratische Jugend (Hg., o. J.): Bundesinitiative „wir … hier<br />
und jetzt“. Online verfügbar unter http://www.wir-hier-und-jetzt.de,<br />
zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Stiftung der Deutschen Wirtschaft e. V. (Hg., o. J.): „Zeig, was Du kannst!<br />
Erfolgreich ins Berufsleben starten“.<br />
Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland (Hg., 2011):<br />
Akkreditierte Studiengänge. Zentrale Datenbank - Statistik. Online<br />
verfügbar unter http://www.hs-kompass2.de/kompass/xml/akkr/<br />
akkr_nach_hstyp_a.htm. Datenstand 30.12.2011, zuletzt geprüft am<br />
02.01.2012.<br />
Stockmann, Reinhard (2006a): Evaluation und Qualitätsentwicklung. Eine<br />
Grundlage für wirkungsorientiertes Qualitätsmanagement. Münster:<br />
Waxmann (Sozialwissenschaftliche Evaluationsforschung, 5).<br />
Stockmann, Reinhard (2006b): Qualitätsmanagement und Evaluation im<br />
Vergleich. In: Böttcher, Wolfgang; Holtappels, Heinz Günther;<br />
Brohm, Michaela (Hg.): Evaluation im Bildungswesen. Eine Einführung<br />
in Grundlagen und Praxisbeispiele. Weinheim; München: Juventa,<br />
S. 23-38.<br />
Stooß, Friedemann (1987): Beruf. In: Bundesanstalt für Arbeit (Hg.):<br />
Handbuch zur Berufswahlvorbereitung. Nürnberg: TransMedia,<br />
S. 101-113.<br />
366
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Stooß, Friedemann (1985): Verliert der ,Beruf‘ seine Leitfunktion für die<br />
Integration der Jugend in die Gesellschaft? In: Mitteilungen aus der<br />
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (MittAB), Jg. 18, H. 2, S. 197-208.<br />
Stratmann, Karlwilhelm (1993): Die gewerbliche Lehrlingserziehung in<br />
Deutschland. Modernisierungsgeschichte der betrieblichen Berufsbildung.<br />
Frankfurt am Main: Gesellschaft zur Förderung arbeitsorientierter<br />
Forschung und Bildung (Berufserziehung in der ständischen Gesellschaft,<br />
1).<br />
Stratmann, Karlwilhelm (1999): Berufserziehung und sozialer Wandel.<br />
Frankfurt am Main: Gesellschaft zur Förderung arbeitsorientierter<br />
Forschung und Bildung.<br />
Strauss, Anselm; Corbin, Juliet (1996): Grounded Theory. Grundlagen qualitativer<br />
Sozialforschung. Weinheim: Beltz.<br />
Super, Donald E. (1957): The psychology of careers. an introduction to vocational<br />
development. New York: Harper and Brothers.<br />
Super, Donald E. (1980): A life-span, life-space approach to career development.<br />
In: Journal of Vocational Behavior, H. 16, S. 282-298.<br />
Super, Donald. E. (1981): Approaches to occupational choice and career<br />
development. In: Watts, A. G.; Super, Donald E.; Kidd, J. M. (Hg.):<br />
Career development in Britain. Cambridge: Hopson, S. 7-51.<br />
Super, Donald E. (1994): Der Lebenszeit-, Lebensraumansatz der Laufbahnentwicklung.<br />
In: Brown, Duane; Brooks, Linda (Hg.): Karriere-<br />
Entwicklung. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 211-280.<br />
Tenberg, Ralf (2006): Didaktik lernfeldstrukturierten Unterrichts Theorie<br />
und Praxis beruflichen Lernens und Lehrens. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.<br />
Tenorth, Heinz-Elmar; Tippelt, Rudolf (Hg., 2007): Lexikon Pädagogik.<br />
Weinheim: Beltz.<br />
Thege, Britta (1994): Strukturelle Aspekte des geschlechtsspezifisch getrennten<br />
Ausbildungs- und Arbeitsmarktes. In: Bonnemann-Böhner,<br />
Adelheid; Welpe, Ingelore; Thege, Britta (Hg.): Berufe haben (k)ein<br />
Geschlecht. Chancen und Hindernisse in der gewerblich-technischen<br />
Berufsausbildung junger Frauen. München: Hampp, S. 23-34.<br />
Thiel, Thomas (2008): Berufseinstiegsbegleiter. Veranstaltung vom<br />
06.11.2008. Dresden. Veranstalter: Sächsisches Staatsministerium für<br />
Kultus.<br />
367
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Thimm, Karlheinz; Bothe, Marius (2009): Elternarbeit als notwendige Ressource<br />
zur Sicherung eines gelingenden Übergangs von der Schule in<br />
den Beruf. Durchgeführt durch das Institut für Innovation und Beratung<br />
an der Evangelischen Fachhochschule Berlin e. V. im Auftrag<br />
des Projektvorhabens RÜM Berlin der SPI Consult GmbH, gefördert<br />
durch das BMBF im Rahmen des Programms „Perspektive Berufsabschluss“.<br />
Berlin.<br />
Thüringer Koordinierungsstelle „Naturwissenschaften und Technik für<br />
Schülerinnen, Studentinnen und Absolventinnen“ (Hg., 2001): Und<br />
morgen erfolgreich im Beruf … Ein Beitrag zur Berufswahlvorbereitung<br />
an Thüringer Schulen. Ilmenau.<br />
Trojahner, Iris (2008): Entwicklung von Qualitätskriterien für die Berufsund<br />
Studienorientierung. Wissenschaftliche Begleitung der Arbeit der<br />
Landesservicestelle Schule-Wirtschaft. Dresden. (Dresdner Beiträge<br />
zur Wirtschaftspädagogik, 4/2008).<br />
Trojahner, Iris (2009): Informationen zu den Qualitätskriterien für die Berufs-<br />
und Studienorientierung. Leitfaden für Antragsteller (ESF).<br />
Dresden.<br />
Uhly, Alexandra; Lohmüller, Lydia; Arenz, Ute M. (2008): Schaubilder zur<br />
Berufsbildung. Strukturen und Entwicklungen in der dualen Berufsausbildung<br />
Deutschlands. Herausgegeben von Bundesinstitut für<br />
Berufsbildung. Bonn.<br />
Voigt, Jana (2007a): Schnupperlehre. Berufsorientierung in der Metall- und<br />
Elektroindustrie. Interview mit Kirsten Karnstädt. Am 24.10.2007 in<br />
Bildungs-Werkstatt Chemnitz gGmbH.<br />
Voigt, Jana (2007b): Schnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’ und<br />
Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’. Interview mit Margitta<br />
Steinwendner. Am 12.11.2007 in Handwerkskammer Chemnitz.<br />
Voigt, Jana (2007c): Schnupperpraktikum ‚Kraftfahrzeugtechnik’. Interview<br />
mit Thomas Markert. Am 19.11.2007 in Handwerkskammer Chemnitz.<br />
Voigt, Jana (2008a): ‚Job Galaxy’ und ‚Job Galaxy Future’. Interview mit<br />
Franziska Freund. Am 03.01.2008 in Technische Universität Chemnitz.<br />
Voigt, Jana (2008b): ‚Schnupperlehre’. Interview mit Claudia Schilde. Am<br />
08.02.2008 in BWC Bildungs-Werkstatt Chemnitz gGmbH.<br />
Voigt, Jana (2008c): Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’. Interview<br />
mit Ulrich Kleeberg. Am 15.02.2008 in Handwerkskammer Chemnitz.<br />
368
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Voigt, Jana (2010): Eltern und Berufsorientierung. Ergebnisbericht einer<br />
Erhebung zu Wünschen und Bedarfen an Informations- und Beratungsangebote.<br />
Erarbeitet im Rahmen der Förderinitiative 1 im Programm<br />
„Perspektive Berufsabschluss“ des Bundesministeriums für<br />
Bildung und Forschung. Herausgegeben von Koordinierungsstelle<br />
„Regionales Übergangsmanagement Leipzig“. Leipzig.<br />
Voigt, Jana; Horch, Gesa (2008): Interviews mit Teilnehmenden der Orientierungsangebote<br />
‚JobGalaxy’, ‚JobGalaxy Future’, Schnupperpraktikum<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’, Schnupperpraktikum ‚Konditorei/Verkauf’,<br />
‚Schnupperlehre’, ‚Girls’Day’ [B], ‚Girls’Day’ [S]. Chemnitz,<br />
Flöha, Hainichen, Neukirchen.<br />
Wahler, Peter; Witzel, Andreas (1996): Berufswahl - ein Vermittlungsprozeß<br />
zwischen Biographie und Chancenstruktur. In: Schober, Karen;<br />
Gaworek, Maria (Hg.): Berufswahl: Sozialisations- und Selektionsprozesse<br />
an der ersten Schwelle. Dokumentation eines Workshops des<br />
Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für<br />
Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Jugendinstitut und<br />
dem Bundesinstitut für Berufsbildung, 13./14.07.1995. Nürnberg<br />
(Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung BeitrAB 202/1996),<br />
S. 9-35.<br />
Walter, Sibylle; Walther, Andreas (2007): „Context matters“: Anforderungen,<br />
Risiken und Spielräume im deutschen Übergangssystem. In:<br />
Stauber, Barbara; Pohl, Axel; Walther, Andreas (Hg.): Subjektorientierte<br />
Übergangsforschung. Rekonstruktion und Unterstützung biografischer<br />
Übergänge junger Erwachsener. Weinheim: Juventa, S. 65-<br />
96.<br />
Walther, Andreas; Stauber, Barbara (2007): Übergänge in Lebenslauf und<br />
Biographie. Vergesellschaftung und Modernisierung aus subjektorientierter<br />
Perspektive. In: Stauber, Barbara; Pohl, Axel; Walther, Andreas<br />
(Hg.): Subjektorientierte Übergangsforschung. Rekonstruktion und<br />
Unterstützung biografischer Übergänge junger Erwachsener. Weinheim:<br />
Juventa, S. 19-40.<br />
Weinert, Franz E. (2001): Vergleichende Leistungsmessung in Schulen –<br />
eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Weinert, Franz E. (Hg.):<br />
Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim, Basel, S. 17-31.<br />
Wensierski, Hans-Jürgen von; Schützler, Christoph; Schütt, Sabine (2005):<br />
Berufsorientierende Jugendbildung. Grundlagen, empirische Befunde,<br />
Konzepte. Weinheim: Juventa.<br />
369
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Wentzel, Wenka (2008): Wie beeinflusst der Girls’Day – Mädchen-<br />
Zukunftstag Strategien zur Nachwuchsgewinnung in Unternehmen<br />
und Institutionen? Herausgegeben von Kompetenzzentrum Technik-<br />
Diversity-Chancengleichheit e. V. Bielefeld.<br />
Wentzel, Wenka (2009): Evaluation des Girls’Day – Mädchen-Zukunftstags<br />
2009. Zusammenfassung der Ergebnisse. Herausgegeben von Kompetenzzentrum<br />
Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. Bielefeld.<br />
Westdeutscher Handwerkskammertag (Hg., 2002): Gründe für Ausbildungsabbrüche.<br />
Ergebnisse einer repräsentativen EMNID-Befragung<br />
von Jugendlichen, Ausbildern und Berufskolleglehrern. Düsseldorf.<br />
Online verfügbar unter http://www.handwerk-nrw.de/fileadmin/<br />
user_upload/hp_whkt/downloads/aus-weiterbildung/ziellauf-brosch<br />
_emnidbefragung_download.pdf, zuletzt geprüft am 02.01.2012.<br />
Westhoff, Gisela (1996): Berufliche Vorstellungen, Erfahrungen und Entscheidungen<br />
von Schulabgängerinnen und Schulabgängern. Aktuelle<br />
Beobachtungen zur Berufswahl an der ersten Schwelle. In: Schober,<br />
Karen; Gaworek, Maria (Hg.): Berufswahl: Sozialisations- und Selektionsprozesse<br />
an der ersten Schwelle. Dokumentation eines<br />
Workshops des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der<br />
Bundesanstalt für Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Deutschen<br />
Jugendinstitut und dem Bundesinstitut für Berufsbildung,<br />
13./14.07.1995. Nürnberg (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
BeitrAB 202/1996), S. 137-151.<br />
Wieland, Clemens (2005): Qualität beSIEGELn: Siegel Berufswahl- und<br />
ausbildungsfreundliche Schule und Netzwerk Berufswahl-SIEGEL.<br />
Online verfügbar unter http://www.netzwerk-berufswahlsiegel.de/<br />
uploads/tx_jpdown-loadbox/PraesentationBerufswahl-SIEGEL.pdf,<br />
zuletzt geprüft am 06.08.2008.<br />
Winkler, Michael (2003): Wie vorbereitet ist die Jugend auf Arbeit und Beruf?<br />
Ergebnisse und Perspektiven aus der Kompetenzforschung. Vortrag<br />
anlässlich der 4. Fachtagung des Programms „Schule – Wirtschaft/Arbeitsleben“.<br />
Veranstaltung vom 18.09.2003. Neukirchen-<br />
Pleiße. Online verfügbar unter www.swa-programm.de/tagungen/<br />
neukirchen/vortrag_winkler.pdf, zuletzt geprüft am 12.01.2011.<br />
Will, Hermann; Winteler, Adolf; Krapp, Andreas (1987): Von der Erfolgskontrolle<br />
zur Evaluation: In: Will, Hermann; Winteler, Adolf; Krapp,<br />
Andreas (Hg.): Evaluation in der beruflichen Aus- und Weiterbildung.<br />
Konzepte und Strategien. Heidelberg, S. 11-42.<br />
370
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Wissenschaftliche Begleitung des Programms „Schule - Wirtschaft/Arbeitsleben“<br />
(Hg., (2007): Innovative Wege in Arbeit und Beruf. Beiträge<br />
von Berufsorientierungsprojekten. Unter Mitarbeit von Gerd Ewald<br />
Famulla, Volker Möhle und Bert Butz et al. Baltmannsweiler: Schneider<br />
(Schule - Wirtschaft/Arbeitsleben, 1).<br />
Wissenschaftliche Begleitung Programms Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben<br />
(Hg., 2008a): Berufsorientierung als Prozess. Persönlichkeit fördern,<br />
Schule entwickeln, Übergang sichern. Unter Mitarbeit von Gerd<br />
Ewald Famulla, Bert Butz und Sven Deeken et al. Baltmannsweiler:<br />
Schneider (Schule - Wirtschaft/Arbeitsleben, 5).<br />
Wissenschaftliche Begleitung des Programms „Schule - Wirtschaft/Arbeitsleben“<br />
(Hg., (2008b): Partner der Schule - Berufs- und Lebensweltvorbereitung.<br />
Beiträge von Berufsorientierungsprojekten. Unter Mitarbeit<br />
von Gerd Ewald Famulla, Volker Möhle und Bert Butz et al.<br />
Baltmannsweiler: Schneider (Schule - Wirtschaft/Arbeitsleben, 2).<br />
Woll, Helmut (2003): Das Juniorenfirmenkonzept: Von einer handlungsorientierten<br />
Lernstrategie zur unternehmerischen Selbstständigkeit. In:<br />
Woll, Helmut (Hg.): Juniorenfirmen und unternehmerische Kompetenz.<br />
München: Buch und Media Gesellschaft für Buch- und Mediendienstleistungen,<br />
S. 39-44.<br />
Wottawa, Heinrich; Thierau, Heike (1998): Lehrbuch Evaluation. 2. Aufl.<br />
Bern: Huber.<br />
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) GmbH (Hg.,<br />
2010): Vorstudie zur Evaluation von Fördermaßnahmen für Jugendliche<br />
im SGB II und SGB III. Endbericht. Mannheim.<br />
371
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
Gesetzestexte<br />
(2005): Berufsbildungsgesetz. BBiG, vom 23.03.2005 (BGBl., S. 931), zuletzt<br />
geändert durch Artikel 15 Absatz 90 des Gesetzes vom<br />
05.02.2009 (BGBl., S. 160).<br />
(2005): Gesetz über die Hochschulen des Landes Brandenburg (Brandenburgisches<br />
Hochschulgesetz). BbgHG, in der Fassung der Bekanntmachung<br />
vom 6. Juli 2004 (GVBl., S. 394), geändert durch Art. 1 des<br />
Gesetzes vom 23. November 2005 (GVBl., S. 254).<br />
(2008): Schulgesetz für den Freistaat Sachsen. SchulG, rechtsbereinigt mit<br />
Stand vom 01.08.2008.<br />
(2008): Sozialgesetzbuch (SGB). Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe,<br />
in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.12.2006 (BGBl.,<br />
S. 3134) zuletzt geändert durch Artikel 105 des Gesetzes zur Reform<br />
des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten.<br />
(2009): Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung). HwO,<br />
in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.09.1998 (BGBl., S. 3074;<br />
2006, S. 2095), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom<br />
17.07.2009.<br />
(2009): Niedersächsisches Schulgesetz. NSchG, in der Fassung vom<br />
03.03.1998 (Nds. GVBl., S. 137), zuletzt geändert durch Artikel 1 des<br />
Gesetzes vom 18.06.2009 (Nds. GVBl., S. 278).<br />
(2009): Schulgesetz für das Land Berlin. SchulG, vom 26.01.2004 (GVBl.,<br />
S. 26), zuletzt geändert durch Artikel I des Gesetzes vom 02.03.2009<br />
(GVBl., S. 62).<br />
(2009): Sozialgesetzbuch (SGB ). Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil, vom<br />
11.12.1975 (BGBl., S. 3015) zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes<br />
über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises (E-<br />
LENA-Verfahrensgesetz) vom 28.03.2009 (BGBl., S. 634).<br />
(2009): Sozialgesetzbuch (SGB). Zweites Buch (II) - Grundsicherung für<br />
Arbeitsuchende, vom 24.12.2003 (BGBl., S. 2954) zuletzt geändert<br />
durch Artikel 8 und 9 des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung<br />
und Stabilität in Deutschland vom 02.03.2009 (BGBl., S. 416).<br />
(2009): Sozialgesetzbuch (SGB). Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung, vom<br />
24.03.1997 (BGBl., S. 594) zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes<br />
über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises<br />
(ELENA-Verfahrensgesetz) vom 28.03.2009 (BGBl., S. 634).<br />
372
Verzeichnis der verwendeten Literatur<br />
(2009): Sozialgesetzbuch (SGB). Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe, vom<br />
27.12.2003 (BGBl., S. 3022; 2004 BGBl., S. 3305), in Kraft ab<br />
01.01.2005) zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes zur Regelung<br />
des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.07.2009<br />
(BGBl., S. 2495).<br />
(2009): Bayerisches Hochschulgesetz. BayHSchG, vom 23. Mai 2006<br />
(GVBl., S. 245, BayRS 2210-1-1-WFK), zuletzt geändert durch § 1 des<br />
Gesetzes vom 7. Juli 2009 (GVBl., S. 256)<br />
Richtlinien<br />
(2000): Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus<br />
zur Durchführung von Betriebspraktika im Freistaat Sachsen.<br />
VwV-Betriebspraktika, vom 13.07.2000.<br />
(2007): Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und des<br />
Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft zur<br />
Förderung von aus dem Europäischen Sozialfonds mitfinanzierten<br />
Vorhaben der Förderperiode 2007-2013. ESF-Richtlinie SMS/SMUL,<br />
vom 31.07.2007.<br />
(2007): Richtlinie zur Berufsorientierung an allgemein bildenden Schulen.<br />
VV Berufsorientierung, Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für<br />
Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern vom<br />
07.07.2007.<br />
(2007): Verwaltungsvorschrift für Praktika zur Berufs- und Studienorientierung<br />
an allgemeinbildenden Schulen des Ministeriums für Kultus,<br />
Jugend und Sport Baden-Württemberg, vom 28.07.2007.<br />
(2008): Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus<br />
über Sponsoring, Werbung, Spenden, Erhebungen, Wettbewerbe<br />
und den Warenverkauf an Schulen. VwV Sponsoring, Spenden und<br />
Erhebungen an Schulen, vom 23.07.2008.<br />
(2009): Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus zur Förderung<br />
von aus dem Europäischen Sozialfonds mitfinanzierten Projekten<br />
im Geschäftsbereich des SMK. SMK-ESF-Richtlinie, vom<br />
10.08.2007, geändert durch Richtlinie vom 24.02.2009 (SächsABl.<br />
S. 511) mit Wirkung vom 06.03.2009.<br />
(2009): Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und<br />
Arbeit und des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und<br />
Landwirtschaft zur Förderung von aus dem Europäischen Sozialfonds<br />
mitfinanzierten Projekten der beruflichen Bildung und Fachkräfteentwicklung.<br />
ESF-Richtlinie Berufliche Bildung, vom 16.01.2009.<br />
373
Anhang<br />
Anhang<br />
Anhang 1: Männliche Auszubildende 2000, 2004, 2008 in den<br />
zwanzig am stärksten besetzten Ausbildungsberufen ..........378<br />
Anhang 2: Weibliche Auszubildende 2000, 2004, 2008 in den<br />
zwanzig am stärksten besetzten Ausbildungsberufen ...........379<br />
Anhang 3: Männliche Studierende im Wintersemester 2000/2001,<br />
2004/2005, 2007/2008 in den zwanzig am stärksten<br />
besetzten Studiengängen ...........................................................380<br />
Anhang 4: Weibliche Studierende im Wintersemester 2000/2001,<br />
2004/2005, 2007/2008 in den zwanzig am stärksten<br />
besetzten Studiengängen ...........................................................381<br />
Anhang 5: Charakteristika der in die Evaluation<br />
einbezogenen Orientierungsmaßnahmen ...............................382<br />
Anhang 6: Leitfaden Experteninterview.....................................................391<br />
Anhang 7: Fragebogen Pretest Interventionsgruppen .............................394<br />
Anhang 8: Fragebogen Pretest Kontrollgruppe ........................................398<br />
Anhang 9: Fragebogen Posttest Interventionsgruppen............................402<br />
Anhang 10: Fragebogen Posttest Kontrollgruppe ......................................406<br />
Anhang 11: Leitfaden zur Follow-up-Befragung von<br />
Teilnehmenden der Orientierungsangebote ...........................410<br />
Anhang 12: Untergliederte Übersicht der Kontrollgruppen<br />
der Evaluationsstichprobe.........................................................413<br />
Anhang 13: Untergliederte Übersicht der Interventionsgruppen der<br />
Evaluationsstichprobe................................................................414<br />
Anhang 14: Übersicht der Skalenitems.........................................................415<br />
Anhang 15: Erwartungen der Jugendlichen in der Kontrollgruppe<br />
und den Interventionsgruppen an Orientierungsmaßnahmen<br />
im Pretest und eingeschätzter Einfluss<br />
auf die Berufsfindung im Posttest............................................418<br />
Anhang 16: Begleitpersonen bei der Wahrnehmung von Orientierungsangeboten<br />
bei den Jugendlichen in der Kontroll- und der<br />
Interventionsgruppe zum Zeitpunkt des Pre- und des<br />
Posttests .......................................................................................420<br />
375
Anhang<br />
Anhang 17: Ausbildungspläne der Jugendlichen zum Zeitpunkt<br />
des Pre-tests in der Kontrollgruppe und den<br />
Interventionsgruppen ................................................................421<br />
Anhang 18: Anzahl der von den Jugendlichen in der Kontrollgruppe<br />
und den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des<br />
Pretests genutzten Orientierungsmöglichkeiten ....................422<br />
Anhang 19: Einschätzung bislang genutzter Orientierungsmöglichkeiten<br />
durch die Jugendlichen der Kontrollgruppe und<br />
den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Pretests .......423<br />
Anhang 20: Engagement der Jugendlichen in der Kontrollgruppe<br />
und den Interventionsgruppen im Berufsorientierungsprozess<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests...............424<br />
Anhang 21: Berufswahlbezogene Wertorientierungen und<br />
Einstellungen der Jugendlichen in der Kontrollgruppe<br />
und den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des<br />
Pre- und des Posttests................................................................425<br />
Anhang 22: Veränderungen in den berufswahlbezogenen<br />
Wertorientierungen und Einstellungen der Jugendlichen<br />
in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zum Zeitpunkt des Posttests.....................................................426<br />
Anhang 23: Wunsch nach Selbstverwirklichung der Jugendlichen in<br />
der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen zum<br />
Zeitpunkt des Pre- und des Posttests......................................427<br />
Anhang 24: Präferierte Berufsfelder der Jugendlichen in der Kontrollgruppe<br />
und den Interventionsgruppen im Pretest ................428<br />
Anhang 25: Anzahl der von den Jugendlichen in der Kontrollgruppe<br />
und den Interventionsgruppen benannten Wunschberufe<br />
und -studiengänge zum Zeitpunkt des Pre- und des<br />
Posttests.......................................................................................430<br />
Anhang 26: Veränderungen in den durch die Jugendlichen in der<br />
Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
präferierten Berufsfeldern im Posttest ....................................431<br />
Anhang 27: Veränderung des erstgenannten Wunschausbildungsberufes<br />
oder -studienganges der Jugendlichen in der<br />
Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zwischen Pre- und Posttest.......................................................432<br />
Anhang 28: Sicherheit und Entschiedenheit bezogen auf berufliche<br />
Interessen der Jugendlichen in der Kontrollgruppe und<br />
den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Pre- und<br />
des Posttests................................................................................433<br />
376
Anhang<br />
Anhang 29: Einschätzung der Chancen auf eine Berufsausbildung oder<br />
ein Studium durch die Jugendlichen in der Kontrollgruppe<br />
und den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Preund<br />
des Posttests ........................................................................434<br />
Anhang 30: Anzahl der von den Jugendlichen in der Kontrollgruppe<br />
und den Interventionsgruppen genannten<br />
Unternehmen und Hochschulen zum Zeitpunkt des<br />
Pre- und des Posttests................................................................435<br />
Anhang 31: Einschätzung des individuellen arbeitswelt- und<br />
berufsbezogenen Wissens durch die Jugendlichen in<br />
der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttest...............................436<br />
Anhang 32: Informationsbereitschaft und Flexibilität im<br />
Berufsorientierungsprozess der Jugendlichen in der<br />
Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen zum<br />
Zeitpunkt des Pre- und des Posttests.....................................438<br />
Anhang 33: Eigenverantwortung für die Berufsorientierung der<br />
Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests.....439<br />
Anhang 34: Allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung der Jugendlichen<br />
in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests..............440<br />
Anhang 35: Einschätzung der Wichtigkeit von Sachkompetenz für<br />
die zukünftige Berufsausbildung/den angestrebten<br />
Studiengang und der individuellen Verfügbarkeit bei<br />
Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests.....441<br />
Anhang 36: Einschätzung der Wichtigkeit von Sozialkompetenz für<br />
die zukünftige Berufsausbildung/den angestrebten<br />
Studiengang und der individuellen Verfügbarkeit bei<br />
Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests.....442<br />
Anhang 37: Einschätzung der Wichtigkeit von Selbstkompetenz<br />
für die zukünftige Berufsausbildung/den angestrebten<br />
Studiengang und der individuellen Verfügbarkeit bei<br />
Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests.....443<br />
Anhang 38: Einschätzung der Wichtigkeit von Methodenkompetenz<br />
für die zukünftige Berufsausbildung/den angestrebten<br />
Studiengang und der individuellen Verfügbarkeit bei<br />
Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests.....445<br />
377
Anhang<br />
Anhang 1: Männliche Auszubildende 2000, 2004, 2008 in den zwanzig am stärksten besetzten Ausbildungsberufen<br />
378<br />
[ 132]<br />
132 Stand: 31.12.; Dargestellt sind hier und in den Anhängen 2, 3 und 4 die zum Zeitpunkt der<br />
Auswertung vom Statistischen Bundesamt lieferbaren Daten, z. T. nach eigener Berechnung (vgl.<br />
Freitag 2009; vgl. Kleinegees 2010).
Anhang 2: Weibliche Auszubildende 2000, 2004, 2008 in den zwanzig am stärksten besetzten Ausbildungsberufen<br />
Anhang<br />
379
Anhang<br />
Anhang 3: Männliche Studierende im Wintersemester 2000/2001, 2004/2005, 2007/2008 in den zwanzig am stärksten<br />
besetzten Studiengängen<br />
380
Anhang 4: Weibliche Studierende im Wintersemester 2000/2001, 2004/2005, 2007/2008 in den zwanzig am stärksten<br />
besetzten Studiengängen<br />
Anhang<br />
381
Anhang<br />
Anhang 5: Charakteristika der in die Evaluation einbezogenen Orientierungsmaßnahmen<br />
133 Die Reihenfolge der Orientierungsmaßnahmen ist chronologisch nach dem jeweiligen Zeitpunkt<br />
des Posttests ausgerichtet (vgl. Abbildung 2).<br />
382<br />
[ 133]
Anhang<br />
383
Anhang<br />
384
Anhang<br />
385
Anhang<br />
386
Anhang<br />
387
Anhang<br />
388
Anhang<br />
389
Anhang<br />
390
Anhang 6: Leitfaden Experteninterview<br />
Leitfaden Experteninterview<br />
Anhang<br />
Datum: …………………………………… Uhrzeit: ………………………………………<br />
Ort: …………………………………………………………………...................................................<br />
Anbieter, Träger: …………………………………………………………………………………<br />
Angebot: …………………………………………………………………………………….........<br />
Interviewpartner/in: ……………………………………………………………………………..<br />
Funktion: ………………………………………………………….....................................................<br />
Dauer des Interviews: …………………………………………….......................................................<br />
Arbeitsklima während des<br />
Interviews:<br />
sehr gut<br />
eher gut<br />
eher nicht<br />
gut<br />
gar nicht gut<br />
Einschätzung, Zwischenfälle, etc.: ………………………………………………………................<br />
………………………………………………………………………...................................................<br />
………………………………………………………………………...................................................<br />
………………………………………………………………………...................................................<br />
………………………………………………………………………...................................................<br />
Interviewauftakt<br />
� Begrüßung<br />
� Information zum Anliegen und zu den Interviewschwerpunkten<br />
(Zielgruppe, Ziele, Ablauf und Inhalte, Ergebnisse und Erfahrungen)<br />
� Einholung Aufnahmebereitschaft, Zusicherung Anonymität<br />
391
Anhang<br />
Institutionelle Rahmenbedingungen<br />
� Wie lautet die offizielle Bezeichnung der Orientierungsmaßnahme?<br />
� Wer ist Träger des Angebotes?<br />
� Was sind die Kernaufgaben des Trägers?<br />
Beschreibung des Orientierungsangebotes<br />
� Bitte beschreiben Sie das bei Ihnen verortete Orientierungsangebot!<br />
Zielgruppe<br />
� Wen genau sprechen Sie mit der Orientierungsmaßnahme an<br />
(Geschlecht, Klassenstufe, Entwicklungsstand, Vorkenntnisse, Interessen;<br />
Motivation, Migrationshintergrund Schultyp, Bezugsgruppen)?<br />
� Wie ist die Zusammensetzung der Gruppe in der Regel?<br />
� Wie viele Jugendliche werden erreicht?<br />
� Wie erfolgt der Zugang zu den Teilnehmenden (Freiwilligkeit/Zuweisung,<br />
Zugangsvoraussetzungen Öffentlichkeitsarbeit,<br />
�<br />
Standorte (lokal, regional, national) und räumliche Reichweite des Angebots)?<br />
Wie werden die Jugendlichen zur Teilnahme motiviert<br />
(finanzielle/materielle Anreize)?<br />
Intentionen und Inhalte<br />
� Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Orientierungsangebot? Welche<br />
Funktion soll das Orientierungsangebot erfüllen?<br />
� Erzählen Sie bitte den Ablauf beispielhaft (zeitlicher Umfang, Auftakt/Endveranstaltung,<br />
thematische Schwerpunkte, Kooperationen,<br />
Berücksichtigung der Interessen, Berufswünsche, Erfahrungen der<br />
Jugendlichen)!<br />
Methoden und Medien<br />
� Welche Lernorte/Lernumgebungen werden integriert?<br />
� Welche Methoden werden eingesetzt, um die Inhalte anzugehen und<br />
die Ziele zu erreichen? (Organisationsformen, Aktionsformen, didaktische<br />
Prinzipien, z. B. handlungsorientiert/kognitiv, gruppenorientiert/einzelfallspezifisch)?<br />
� Welche Medien werden eingesetzt (Buch, Bild, Ton, Film, Maschinen,<br />
Modelle)?<br />
392
� Erfolgt eine geschlechtersensible Ausrichtung?<br />
Anhang<br />
� Welche Rolle spielt Authentizität/Intensität des Arbeits- und Lebensweltbezuges?<br />
� Wie erfolgt eine Kooperation/Einbeziehung wichtiger Personengruppen<br />
und Institutionen (Unternehmen, Eltern, Hochschule, Berufsschulen)?<br />
Erfolg und Wirksamkeit des Orientierungsangebotes<br />
� Was sind Qualitätskriterien/Erfolgsindikatoren für das Orientierungsangebot?<br />
� Wie erfolgt die Ergebniskontrolle?<br />
� Wie ist die Wirksamkeit des Angebotes anhand ausgewählter Indikatoren<br />
(Welche?) einzuschätzen? Was erleben Sie persönlich als Erfolg?<br />
� Welche Stärken und Schwächen zeigen sich Was fördert/was<br />
behindert den Erfolg?<br />
� Welche Weiterentwicklungen des Orientierungsangebotes wären<br />
denkbar?<br />
Maßnahmespezifische Rahmenbedingungen und Ressourcen<br />
� Wann startete das Orientierungsangebot erstmalig?<br />
� Gab es einen Auslöser für die Durchführung der Maßnahme? Welche<br />
besonderen lokalen/regionalen/nationalen Ausgangslagen und Handlungsbedingungen<br />
spielen eine Rolle (statistische Daten, Marktanalysen,<br />
Erfahrungen aus anderen Projekten etc.)?<br />
� Gibt es Instrumente und Rahmenkonzepte zur Berufsorientierung,<br />
auf welchen die Entwicklung basierte?<br />
� Welche finanziellen/förderpolitischen Rahmenbedingungen gibt es<br />
für Ihre Orientierungsmaßnahme?<br />
� Welche personellen Voraussetzungen müssen für das Projekt erfüllt<br />
sein? Wie ist die interne Organisation/Arbeitsteilung? Welchen fachlichen<br />
Hintergrund hat das Personal?<br />
Interviewabschluss<br />
� Gibt es sonst noch etwas, was wichtig zur Orientierungsmaßnahme ist?<br />
� Dank und Verabschiedung<br />
393
Anhang<br />
Anhang 7: Fragebogen Pretest Interventionsgruppen<br />
394
Anhang<br />
395
Anhang<br />
396
Anhang<br />
397
Anhang 8: Fragebogen Pretest Kontrollgruppe<br />
Anhang<br />
398
Anhang<br />
399
Anhang<br />
400
Anhang<br />
401
Anhang 9: Fragebogen Posttest Interventionsgruppen<br />
Anhang<br />
402
Anhang<br />
403
Anhang<br />
404
Anhang<br />
405
Anhang 10: Fragebogen Posttest Kontrollgruppe<br />
Anhang<br />
406
Anhang<br />
407
Anhang<br />
408
Anhang<br />
409
Anhang<br />
Anhang 11: Leitfaden zur Follow-up-Befragung von Teilnehmenden der<br />
Orientierungsangebote<br />
Leitfaden Follow-up-Befragung<br />
Datum: ……………………………………... Uhrzeit: …………………………………….<br />
Ort:<br />
…………………………………………………………………………………………………...<br />
Angebot: ………………………………………………………………………...............................<br />
Interviewpartner/in: ……………………………………………………………………………..<br />
Schule:<br />
……………………………………………………………………….................................................<br />
Dauer des Interviews: ……………………………………………………........................................<br />
Arbeitsklima während<br />
des Interviews:<br />
410<br />
sehr gut<br />
eher gut<br />
eher nicht<br />
gut<br />
gar nicht gut<br />
Einschätzung, Zwischenfälle, etc.: ………………………………………………………………<br />
…………………………………………………………………………………………………...<br />
…………………………………………………………………………………………………...<br />
…………………………………………………………………………………………………...<br />
.…..………………………………………………………………………………………………<br />
Interviewauftakt<br />
� Begrüßung<br />
� Information zum Anliegen und zu den Interviewschwerpunkten<br />
� Einholung Aufnahmebereitschaft, Zusicherung Anonymität
Anhang<br />
Was lässt sich denn aktuell zu Deiner Berufswahl sagen? Welche<br />
Pläne hast Du nach Beendigung der Schule?<br />
� derzeitiger Wunschausbildungsberuf/Wunschstudiengang und Einflussfaktoren<br />
auf die Entscheidung für den Berufswunsch<br />
� Sicherheit mit einer eventuell bereits getroffenen Entscheidung<br />
� Schritte hin zu einer Entscheidung bzw. zu einer bestimmten Ausbildung<br />
� Einschätzung der Chancen auf eine Berufsausbildung/auf ein Studium<br />
Was waren Deine Gründe für die Teilnahme an Titel ?<br />
� Ziele, Absichten, Wünsche, Erwartungen, die mit der Teilnahme verbunden<br />
waren<br />
Inwiefern haben sich diese Wünsche und Erwartungen tatsächlich<br />
erfüllt?<br />
� Nachfrage wenn negativ: Verbesserungsvorschläge<br />
Wie schätzt Du insgesamt die Bedeutung von Titel für Deine Berufswahl<br />
ein? Welche Entwicklungen/Veränderungen haben sich in<br />
Folge der Teilnahme bei Dir eingestellt?<br />
� Wissen über Berufs- und Arbeitswelt (Berufe, Inhalte von Berufen/Studium,<br />
Arbeitsabläufe)<br />
� Einstellungen zur Berufs- und Arbeitswelt<br />
� Interesse an Berufsfeldern und an Wunschberufen<br />
� Sicherheit und Entschiedenheit in Bezug auf die beruflichen Präferenzen<br />
� Selbsteinschätzung von beruflichen Eignungen und Interessen, Zielen<br />
� Kompetenzentwicklung<br />
� Informationsbereitschaft, Bereitschaft, sich mit Problem der Berufswahl<br />
(weiter) auseinanderzusetzen<br />
Was sind Deiner Meinung nach die wichtigsten Erfahrungen, die Du<br />
durch Titel erlangen konntest?<br />
411
Anhang<br />
In wieweit findest Du das Berufsorientierungsangebot insgesamt<br />
hilfreich für die Berufswahlentscheidung?<br />
� Einschätzung des individuellen Nutzens<br />
� Bewertung im Vergleich zu anderen Angeboten (z. B. BiZ) und Informationsquellen<br />
(z. B. Lehrende, Eltern, Freunde)<br />
� Wahrnehmung weiterer Orientierungsangebote nach dem Posttest<br />
und generell sowie Einschätzung<br />
� Teilnahme an Orientierungsmaßnahmen im Freundes-/Bekanntenkreis<br />
und (vermeintliche) Gründe für Nutzung/Nichtnutzung<br />
� Ausrichtung von Titel auf spezifische Berufe und Berufsfelder (u. a.<br />
technisch-naturwissenschaftliche Berufe) – Motivation für Entscheidung<br />
für oder gegen Beruf/ Berufsfeld<br />
� momentane Einschätzung der Vorbereitung auf die Berufswahl/Berufsleben<br />
Fallen dir Verbesserungsmöglichkeiten/Vorschläge ein, wie man Berufs-<br />
und Studienorientierungsangebote noch attraktiver für Jugendliche<br />
gestalten könnte?<br />
Interviewabschluss<br />
� Gibt es sonst noch etwas, was wichtig zur Orientierungsmaßnahme ist?<br />
� Dank und Verabschiedung<br />
412
Anhang 12: Untergliederte Übersicht der Kontrollgruppen der<br />
Evaluationsstichprobe<br />
Teilgruppen<br />
Bereinigte Bruttoevaluationsstichprobe<br />
Pretest Posttest<br />
n n<br />
Kontrollgruppe 421 438<br />
Mittelschule „An der Mulde“,<br />
Rochlitz<br />
Johann-Gottlieb-Fichte-Schule,<br />
Mittweida<br />
Mittelschule „Am-Flughafen“,<br />
Chemnitz<br />
Mittelschule „G. E. Lessing“,<br />
Lengenfeld<br />
Mittelschule Milkau,<br />
Erlau, OT Milkau<br />
Albert-Schweitzer-Mittelschule,<br />
Chemnitz<br />
Johann-Mathesius-Gymnasium,<br />
Rochlitz<br />
Martin-Luther-Gymnasium,<br />
Frankenberg<br />
Johann-Wolfgang-von-Goethe-<br />
Gymnasium, Chemnitz<br />
Karl-Schmidt-Rottluff-<br />
Gymnasium, Chemnitz<br />
Parkschule, Förderschule für<br />
Lernbehinderte, Auerbach<br />
43 42<br />
36 37<br />
40 37<br />
44 44<br />
36 40<br />
43 45<br />
39 45<br />
53 52<br />
42 39<br />
28 50<br />
17 7<br />
Anhang<br />
Nettoevaluationsstichprobe<br />
Pre- u.<br />
Posttest<br />
n<br />
gesamt 238<br />
weiblich 130<br />
männlich 108<br />
gesamt 25<br />
weiblich 17<br />
männlich 8<br />
gesamt 22<br />
weiblich 14<br />
männlich 8<br />
gesamt 13<br />
weiblich 4<br />
männlich 9<br />
gesamt 29<br />
weiblich 14<br />
männlich 15<br />
gesamt 26<br />
weiblich 11<br />
männlich 15<br />
gesamt 26<br />
weiblich 13<br />
männlich 13<br />
gesamt 29<br />
weiblich 18<br />
männlich 11<br />
gesamt 33<br />
weiblich 25<br />
männlich 8<br />
gesamt 16<br />
weiblich 5<br />
männlich 11<br />
gesamt 13<br />
weiblich 7<br />
männlich 6<br />
gesamt 6<br />
weiblich 2<br />
männlich 4<br />
413
Anhang<br />
Anhang 13: Untergliederte Übersicht der Interventionsgruppen der<br />
Evaluationsstichprobe<br />
414<br />
Teilgruppen<br />
Bereinigte Bruttoevaluationsstichprobe<br />
Pretest Posttest<br />
n n<br />
Interventionsgruppe 188 99<br />
JobGalaxy 19 9<br />
JobGalaxy Future 17 3<br />
Schnupperpraktikum<br />
‚Kraftfahrzeugtechnik’<br />
10 10<br />
Schnupperlehre 33 33<br />
Schnupperpraktikum<br />
‚Konditorei/Verkauf’<br />
8 8<br />
Girls’Day [B] 36 9<br />
Girls’Day [S] 65 27<br />
Nettoevaluationsstichprobe<br />
Pre- u. Follow-<br />
Posttest up<br />
n n<br />
gesamt 83 9<br />
weiblich 55 5<br />
männlich 28 4<br />
gesamt<br />
weiblich<br />
6 1<br />
gesamt 3 2<br />
weiblich 1 1<br />
männlich 2 1<br />
gesamt 10 1<br />
weiblich 2<br />
männlich 8 1<br />
gesamt 20 1<br />
weiblich 4<br />
männlich 16 1<br />
gesamt 8 2<br />
weiblich 6 1<br />
männlich 2 1<br />
gesamt<br />
weiblich<br />
9 1<br />
gesamt<br />
weiblich<br />
27 1
Anhang 14: Übersicht der Skalenitems<br />
Skala Items<br />
Berufswahlengagement <br />
Selbstverwirklichung<br />
Sicherheit<br />
und Entschiedenheit<br />
hinsichtlich<br />
der beruflichen<br />
Interessen<br />
Anhang<br />
� Ich finde es ziemlich blöd, mich jetzt schon mit meinem späteren Beruf<br />
zu beschäftigen.<br />
� Es interessiert mich wenig, an Betriebsbesichtigungen oder Betriebspraktika<br />
teilzunehmen.<br />
� Solange ich noch in die Schule gehe, zerbreche ich mir nicht den Kopf<br />
über meine Berufswahl/ Studienwahl.<br />
� Es ist für mich nicht so wichtig, für welchen Beruf/welches Studium ich<br />
mich entscheide, da ich später noch immer wechseln kann.,<br />
� Es ist für mich vor der Berufswahl weniger wichtig zu wissen, wie die<br />
Berufsaussichten eines Berufes sind.<br />
� Da ich weiß, welchen Beruf ich am liebsten ergreifen möchte, brauche ich<br />
mich nicht (mehr) damit zu beschäftigen, welche beruflichen Möglichkeiten<br />
es sonst noch gibt.<br />
� Was meine Berufswahl angeht, so wird sich dies früher oder später von<br />
selbst ergeben.<br />
� Mir ist es wichtig, dass ich neben meinem Beruf auch noch Zeit für meine<br />
Familie haben werde.<br />
� Ich finde es wichtig, dass KollegInnen am Arbeitsplatz gut miteinander<br />
auskommen.<br />
� Das wichtigste an meinem späteren Beruf ist, dass ich ihn interessant finde.<br />
� Ich möchte neben meiner Arbeit auch noch genügend Zeit für meine<br />
Freizeit haben.<br />
� Ich finde es wichtig, dass man in seinem Beruf das Gefühl hat, etwas<br />
Sinnvolles zu tun.<br />
� Beruflich will ich einmal das machen, was ich gut kann und was mich<br />
wirklich interessiert.<br />
� Ich weiß überhaupt nicht, welche Berufe/welches Studium für mich in<br />
Frage kommen.<br />
� Ich schwanke oft, welche Berufsausbildung/welches Studium ich einmal<br />
ergreifen soll.<br />
� Ich habe noch keine Ahnung, wie es einmal sein wird, wenn ich arbeiten<br />
gehe.<br />
� Ich weiß nicht recht, was ich tun soll, um die richtige Berufsausbildung/<br />
das richtige Studium zu wählen.<br />
� Ich weiß nicht recht, wie ich die Berufsausbildung /das Studium bekommen<br />
kann, die/das ich eigentlich möchte.<br />
� Ich denke oft daran, was ich einmal beruflich machen könnte, aber ich<br />
habe mich noch nicht für eine bestimmte Tätigkeit entschieden.<br />
� Ich weiß nicht recht, wie ich mich auf meinen späteren Beruf vorbereiten<br />
soll.<br />
415
Anhang<br />
416<br />
Skala Items<br />
Informationsbereitschaft<br />
und<br />
Flexibilität<br />
im Berufsorientierungsprozess <br />
Eigenverantwortung<br />
in der Berufsorientierung<br />
Allgemeine<br />
Selbstwirksamkeitserwartung<br />
� Ich möchte möglichst viel über verschiedene Berufe wissen, damit ich<br />
mich für den richtigen Beruf entscheide.<br />
� Die Wahl des Berufsweges muss sehr gründlich überlegt werden.<br />
� Bevor man sich für einen bestimmten Beruf entscheidet, sollte man herauszubekommen<br />
versuchen, was man in diesem Beruf tun muss und ob<br />
einem dieser wirklich liegt.<br />
� Es ist besser, sich für mehrere Berufe zu interessieren, da man oft nicht<br />
weiß, ob man in seinem Wunschberuf einen Ausbildungs-/Studienplatz<br />
bekommt.<br />
� Um im Beruf vorwärtszukommen, muss man auch später noch bereit<br />
sein, weiterzulernen.<br />
� Wenn ich in meinem Wunschberuf nicht unterkommen kann, werde ich<br />
mich nach einem anderen Beruf umschauen, der zu mir passt.<br />
� Es ist wichtig, dass ich mich vor einer Bewerbung gründlich über das<br />
Berufsbild informiere, für das ich mich interessiere.<br />
� Ich muss meine berufliche Laufbahn in einem vorgegebenen Rahmen<br />
selber mitgestalten.<br />
� Die Wahl des Berufsweges muss sehr gründlich überlegt werden.<br />
� Ich muss selbst eine Menge dafür tun, damit ich später einen guten Beruf<br />
habe.<br />
� Ich bin selbst verantwortlich dafür, wie es mit mir nach der Schule weitergeht.<br />
� Ein guter Schulabschluss ist die beste Voraussetzung für einen guten Berufsstart.<br />
� Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel/Wege, mich durchzusetzen.<br />
� Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer, wenn ich mich<br />
darum bemühe.<br />
� Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten und Ziele zu<br />
verwirklichen.<br />
� In unerwarteten Situationen weiß ich immer, wie ich mich verhalten soll.<br />
� Auch bei überraschenden Ereignissen glaube ich, dass ich gut mit ihnen<br />
zurechtkommen werde.<br />
� Schwierigkeiten sehe ich gelassen entgegen, weil ich meinen Fähigkeiten<br />
immer vertrauen kann.<br />
� Was auch immer passiert, ich werde schon klar kommen.<br />
� Für jedes Problem kann ich eine Lösung finden.<br />
� Wenn eine neue Sache auf mich zukommt, weiß ich, wie ich damit umgehen<br />
kann.<br />
� Wenn ein Problem auf mich zukommt, habe ich meist mehrere Ideen, wie<br />
ich sie lösen kann.
Skala Items<br />
Geforderte/<br />
verfügbare<br />
Sachkompetenz<br />
Geforderte/<br />
verfügbare<br />
Sozialkompetenz<br />
Geforderte/<br />
verfügbare<br />
Selbstkompetenz<br />
Geforderte/<br />
verfügbare<br />
Methodenkompetenz<br />
Anhang<br />
� Spezielles fachliches Wissen zum Ausbildungsberuf/Studiengang<br />
� Breites Grundlagenwissen zum Ausbildungsberuf/Studiengang<br />
� praktische Vorkenntnisse im Beruf<br />
� Wirtschaftskenntnisse und Grundkenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge<br />
� Fähigkeit mit anderen zusammenzuarbeiten (Team)<br />
� Fähigkeit, sich ausdrücken zu können<br />
� Fähigkeit, die Sichtweisen und Interessen anderer zu berücksichtigen<br />
� Verlässlichkeit<br />
� Fähigkeit, sich selbst (positiv) darzustellen<br />
� Fähigkeit, Initiative zu ergreifen, sich einzubringen<br />
� Durchsetzungsvermögen, Beharrlichkeit<br />
� Fähigkeit, Verantwortung für den Berufsweg zu übernehmen<br />
� Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit<br />
� Kenntnis der eigenen Grenzen/Fähigkeit der realistischen<br />
Selbsteinschätzung<br />
� Fähigkeit zu kritischem Denken<br />
� Fähigkeit zur Selbstorganisation und zum selbstständigen Arbeiten<br />
� Kenntnisse im Umgang mit Medien und Computer<br />
� Fähigkeit eigene Wissenslücken zu erkennen und zu schließen<br />
� Kreativität<br />
� Fähigkeit sich auf veränderte Umstände einstellen zu können<br />
� Fähigkeit, konzentriert und diszipliniert zu arbeiten<br />
417
Anhang<br />
Anhang 15: Erwartungen der Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen an<br />
Orientierungsmaßnahmen im Pretest und eingeschätzter Einfluss auf die Berufsfindung im<br />
Posttest (Angaben in %)<br />
134 Wiedergegeben sind ausschließlich die Nennungen auf die Antwortvorgabe ‚stimmt genau’.<br />
Nicht alle vorgebenen Aspekte wurden sowohl im Pretest als auch im Posttest abgefragt, wodurch<br />
Lücken in der Darstellung entstehen. Es ist die gerundete durchschnittliche Fallzahl für<br />
alle Einzelitems angegeben.<br />
418<br />
[ 134]
Anhang<br />
419
Anhang<br />
Anhang 16: Begleitpersonen bei der Wahrnehmung von Orientierungsangeboten<br />
bei den Jugendlichen in der Kontroll- und der<br />
Interventionsgruppe zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests<br />
(Angaben in %, Mehrfachantworten möglich)<br />
420<br />
Teilgruppen Begleitung<br />
Kontrollgruppe<br />
(Vergangenheit)<br />
Geschlecht<br />
Interventionsgruppe<br />
(Vergangenheit)<br />
Geschlecht<br />
Interventionsgruppe<br />
(aktuell)<br />
Geschlecht<br />
allein<br />
Klasse<br />
Freund/<br />
Freundin<br />
Eltern<br />
Großeltern<br />
jemand anderes<br />
g 21 33 32 50 1 1 136<br />
w 15 38 43 51 74<br />
m 27 27 19 48 3 2 62<br />
g 15 46 39 34 2 4 59<br />
w 15 38 45 33 6 40<br />
m 16 63 26 37 5 19<br />
g 12 11 62 5 11 76<br />
w 6 10 71 4 10 52<br />
m 25 13 42 8 13 24<br />
n
Anhang<br />
Anhang 17: Ausbildungspläne der Jugendlichen zum Zeitpunkt des Pretests<br />
in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
(Angaben in %)<br />
421
Anhang<br />
Anhang 18: Anzahl der von den Jugendlichen in der Kontrollgruppe und<br />
den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Pretests genutzten<br />
Orientierungsmöglichkeiten (Angaben in %)<br />
Teilgruppen Anzahl n<br />
1-2 3-5 6-10<br />
mehr als<br />
10<br />
Kontrollgruppe g 25 50 22 3 225<br />
422<br />
Geschlecht<br />
Interventionsgruppe<br />
Geschlecht<br />
JobGalaxy<br />
JobGalaxy<br />
Future<br />
Schnupperpraktikum<br />
KFZT<br />
Schnupperlehre<br />
Schnupperpraktikum<br />
K/V<br />
Girls’Day [B]<br />
Girls’Day [S]<br />
w 22 50 27 2 124<br />
m 29 50 17 4 101<br />
g 17 51 28 4 78<br />
w 13 52 29 6 52<br />
m 23 50 27 26<br />
g<br />
w<br />
67 17 17 6<br />
g 100 3<br />
w 100 1<br />
m 100 2<br />
g 22 33 33 11 9<br />
w 50 50 2<br />
m 29 29 43 7<br />
g 21 74 5 19<br />
w 75 25 4<br />
m 27 73 15<br />
g 14 29 57 7<br />
w 20 40 40 5<br />
m 100 2<br />
g<br />
w<br />
13 50 38 8<br />
g<br />
w<br />
4 65 27 4 26
Anhang 19: Einschätzung bislang genutzter Orientierungsmöglichkeiten durch die Jugendlichen der Kontrollgruppe<br />
und den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Pretests (Angaben in %)<br />
Anhang<br />
135 Antworten auf die Vorgaben ‚wenig hilfreich’ und ‚gar nicht hilfreich’ sind zur Wahrung der<br />
Übersichtlichkeit in der Darstellung ausgespart.<br />
[ 135]<br />
423
Anhang<br />
Anhang 20: Engagement der Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den<br />
Interventionsgruppen im Berufsorientierungsprozess zum<br />
Zeitpunkt des Pre- und des Posttests<br />
424<br />
Teilgruppen<br />
Berufswahlengagement 136<br />
�<br />
Pretest<br />
SD<br />
Posttest<br />
� SD<br />
n<br />
Kontrollgruppe g 3,37 ,54 3,28 ,57 232<br />
Geschlecht<br />
Interventionsgruppe<br />
Geschlecht<br />
JobGalaxy<br />
JobGalaxy Future<br />
w 3,48 ,41 3,37 ,54 128<br />
m 3,25 ,64 3,16 ,58 104<br />
g 3,30 ,55 3,05 ,79 83<br />
w 3,25 ,59 3,24 ,64 55<br />
m 3,39 ,46 2,70 ,94 28<br />
g<br />
w<br />
3,36 ,85 2,98 ,90 6<br />
g 3,52 ,22 3,24 ,64 3<br />
w 3,29 2,57 1<br />
m 3,64 ,10 3,57 ,40 2<br />
Schnupperpraktikum<br />
KFZM<br />
g<br />
w<br />
m<br />
3,20<br />
3,00<br />
3,26<br />
,38<br />
,42<br />
3,13<br />
3,14<br />
3,12<br />
,67<br />
,76<br />
10<br />
2<br />
8<br />
g 3,27 ,62 2,37 ,83 20<br />
Schnupperlehre w 2,68 ,71 2,36 ,64 4<br />
m 3,41 ,52 2,37 ,88 16<br />
Schnupperpraktikum<br />
K/V<br />
g<br />
w<br />
m<br />
3,36<br />
3,31<br />
3,50<br />
,70<br />
,83<br />
,10<br />
3,18<br />
3,33<br />
2,71<br />
,98<br />
,76<br />
1,82<br />
8<br />
6<br />
2<br />
Girls’Day [B]<br />
g<br />
w<br />
3,14 ,73 3,45 ,31 9<br />
Girls’Day [S]<br />
g<br />
w<br />
3,35 ,40 3,33 ,45 27<br />
136 Zum Wortlaut der Einzelitems der Skala siehe Anhang 14. Die Antwortvorgaben sind wie<br />
folgt kodiert: 4 = ‚stimmt genau’, 1 = ‚stimmt nicht’.
Anhang 21: Berufswahlbezogene Wertorientierungen und Einstellungen der Jugendlichen in der Kontrollgruppe<br />
und den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests (Angaben in %)<br />
Anhang<br />
137 Abbgebildet sind die Summen der Zustimmungen zu den Antwortvorgaben ‚stimmt eher’ und<br />
‚stimmt genau’. Zur Formulierungen der Items siehe Anhang 14. Umkodierungen wurden nicht<br />
vorgenommen. Sofern einzelne Items nicht beantwortet wurden, ist die gerundete durchschnittliche<br />
Fallzahl angegeben.<br />
[ 137]<br />
425
Anhang<br />
Anhang 22: Veränderungen in den berufswahlbezogenen Wertorientierungen und Einstellungen der<br />
Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Posttests<br />
426<br />
[ 138]<br />
138 Es ist die gerundete durchschnittliche Fallzahl für alle Einzelitems angegeben.
Anhang<br />
Anhang 23: Wunsch nach Selbstverwirklichung der Jugendlichen in der<br />
Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt<br />
des Pre- und des Posttests<br />
Teilgruppen<br />
Wunsch nach Selbstverwirklichung 139<br />
Pretest Posttest<br />
� SD � SD<br />
Kontrollgruppe g 3,55 ,33 3,51 ,39 235<br />
Geschlecht<br />
Interventionsgruppe<br />
Geschlecht<br />
JobGalaxy<br />
JobGalaxy Future<br />
Schnupperpraktikum<br />
KFZT<br />
Schnupperlehre<br />
Schnupperpraktikum<br />
K/V<br />
Girls’Day [B]<br />
Girls’Day [S]<br />
w 3,57 ,32 3,50 ,40 129<br />
m 3,53 ,33 3,51 ,39 106<br />
g 3,62 ,32 3,55 ,37 83<br />
w 3,62 ,32 3,52 ,35 55<br />
m 3,62 ,32 3,60 ,39 28<br />
g<br />
w<br />
3,72 ,46 3,62 ,42 6<br />
g 3,50 ,44 3,50 ,44 3<br />
w 3,83 3,83 1<br />
m 3,33 ,47 3,33 ,47 2<br />
g 3,67 ,44 3,85 ,18 10<br />
w 3,58 ,59 3,60 ,12 2<br />
m 3,69 ,44 3,92 ,13 8<br />
g 3,64 ,25 3,41 ,43 20<br />
w 3,71 ,28 3,08 ,33 4<br />
m 3,63 ,24 3,50 ,42 16<br />
g 3,71 ,25 3,52 ,27 8<br />
w 3,75 ,23 3,53 ,32 6<br />
m 3,58 ,35 3,50 2<br />
g<br />
w<br />
3,49 ,30 3,53 ,41 9<br />
g<br />
w<br />
3,60 ,30 3,54 ,32 27<br />
139 Zum Wortlaut der Einzelitems der Skala siehe Anhang 14. Die Antwortvorgaben sind wie<br />
folgt kodiert: 4 = ‚stimmt genau’, 1 = ‚stimmt nicht’. Gleiches gilt für die Anhänge 28 und 32 ff.<br />
n<br />
427
Anhang<br />
Anhang 24: Präferierte Berufsfelder der Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen im<br />
Pretest (Angaben in %)<br />
140 Die Antworten auf die Merkmalsausprägungen ‚sehr hoch’/‚eher hoch’ sowie ‚eher niedrig’/‚kein<br />
Interesse’ sind zur besseren Übersichtlichkeit gruppiert ausgewertet.<br />
428<br />
[ 140]
Anhang<br />
429
Anhang<br />
Anhang 25: Anzahl der von den Jugendlichen in der Kontrollgruppe und<br />
den Interventionsgruppen benannten Wunschberufe und<br />
-studiengänge zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests<br />
(Angaben in %)<br />
430
Anhang 26: Veränderungen in den durch die Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
präferierten Berufsfeldern im Posttest (Angaben in %)<br />
Anhang<br />
431
Anhang<br />
Anhang 27: Veränderung des erstgenannten Wunschausbildungsberufes oder -studienganges der Jugendlichen in der<br />
Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen zwischen Pre- und Posttest (Angaben in %)<br />
432
Anhang<br />
Anhang 28: Sicherheit und Entschiedenheit bezogen auf berufliche Interessen<br />
der Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests<br />
Teilgruppen Sicherheit und Entschiedenheit<br />
Pretest Posttest<br />
� SD � SD<br />
Kontrollgruppe g 2,17 ,70 2,16 ,69 233<br />
Geschlecht<br />
Interventionsgruppe<br />
Geschlecht<br />
JobGalaxy<br />
JobGalaxy Future<br />
w 2,11 ,67 2,78 ,70 128<br />
m 2,24 ,74 2,15 ,69 105<br />
g 2,46 ,65 2,52 ,75 83<br />
w 2,60 ,66 2,48 ,68 55<br />
m 2,20 ,57 2,60 ,87 28<br />
g<br />
w<br />
1,95 ,76 2,59 ,74 6<br />
g 2,38 ,59 2,33 ,86 3<br />
w 2,86 3,14 1<br />
m 2,14 ,61 1,93 ,71 2<br />
Schnupperpraktikum<br />
KFZT<br />
g<br />
w<br />
m<br />
2,45<br />
3,50<br />
2,20<br />
,81<br />
,71<br />
,62<br />
2,40<br />
2,77<br />
2,30<br />
,79<br />
0,80<br />
,82<br />
10<br />
2<br />
8<br />
g 2,39 ,66 2,79 ,81 20<br />
Schnupperlehre w 3,24 ,17 2,54 ,60 4<br />
m 2,18 ,55 2,85 0,85 16<br />
Schnupperpraktikum<br />
K/V<br />
g<br />
w<br />
m<br />
2,34<br />
2,29<br />
2,50<br />
,53<br />
,46<br />
,91<br />
2,24<br />
2,20<br />
2,36<br />
,62<br />
,42<br />
1,31<br />
8<br />
6<br />
2<br />
Girls’Day [B]<br />
g<br />
w<br />
2,67 ,61 2,89 ,76 9<br />
Girls’Day [S]<br />
g<br />
w<br />
2,61 ,61 2,53 ,71 27<br />
n<br />
433
Anhang<br />
Anhang 29: Einschätzung der Chancen auf eine Berufsausbildung oder ein<br />
Studium durch die Jugendlichen in der Kontrollgruppe und<br />
den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Pre- und des<br />
Posttests (Angaben in %)<br />
434
Anhang 30: Anzahl der von den Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen genannten<br />
Unternehmen und Hochschulen zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests (Angaben in %)<br />
Anhang<br />
435
Anhang<br />
Anhang 31: Einschätzung des individuellen arbeitswelt- und berufsbezogenen Wissens durch die Jugendlichen in der<br />
Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests (Angaben in %)<br />
141 Antworten auf die Vorgaben ‚eher nicht gut bekannt’, ‚gar nicht bekannt’ sowie ‚weiß nicht’<br />
sind zur Wahrung der Übersichtlichkeit in der Darstellung ausgespart. Es ist die gerundete<br />
durchschnittliche Fallzahl für alle Einzelitems angegeben.<br />
436<br />
[ 141]
Anhang<br />
437
Anhang<br />
Anhang 32: Informationsbereitschaft und Flexibilität im Berufsorientierungsprozess<br />
der Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den<br />
Interventionsgruppen zum Zeitpunkt des Pre- und des<br />
Posttests<br />
438<br />
Teilgruppen Informationsbereitschaft und Flexibilität<br />
Pretest Posttest<br />
� SD � SD<br />
Kontrollgruppe g 3,52 ,36 3,37 ,48 236<br />
Geschlecht<br />
Interventionsgruppe<br />
Geschlecht<br />
JobGalaxy<br />
JobGalaxy Future<br />
w 3,51 ,36 3,40 ,46 130<br />
m 3,52 ,35 3,34 ,51 106<br />
g 3,54 ,35 3,52 ,40 82<br />
w 3,53 ,37 3,51 ,44 54<br />
m 3,57 ,32 3,53 ,34 28<br />
g<br />
w<br />
3,83 ,33 3,64 ,46 6<br />
g 3,50 ,44 3,50 ,44 3<br />
w 4,00 4,00 1<br />
m 3,25 ,12 3,25 ,12 2<br />
Schnupperpraktikum<br />
KFZT<br />
g<br />
w<br />
m<br />
3,60<br />
3,42<br />
3,65<br />
,28<br />
,12<br />
,30<br />
3,72<br />
3,57<br />
3,76<br />
,25<br />
,33<br />
,24<br />
10<br />
2<br />
8<br />
g 3,58 ,33 3,32 ,42 20<br />
Schnupperlehre w 3,71 ,28 3,02 ,45 4<br />
m 3,55 ,34 3,40 ,39 16<br />
Schnupperpraktikum<br />
K/V<br />
g<br />
w<br />
m<br />
3,56<br />
3,49<br />
3,75<br />
0,43<br />
0,50<br />
,12<br />
3,42<br />
3,32<br />
3,67<br />
,59<br />
,65<br />
,47<br />
7<br />
5<br />
2<br />
Girls’Day [B]<br />
g<br />
w<br />
3,56 ,26 3,57 ,43 9<br />
Girls’Day [S]<br />
g<br />
w<br />
3,42 ,37 3,56 ,37 27<br />
n
Anhang 33: Eigenverantwortung für die Berufsorientierung der<br />
Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests<br />
Teilgruppen Eigenverantwortung für die berufliche Orientierung<br />
Pretest Posttest<br />
Anhang<br />
� SD � SD<br />
Kontrollgruppe g 3,63 ,30 3,56 ,43 236<br />
Geschlecht<br />
Interventionsgruppe<br />
Geschlecht<br />
JobGalaxy<br />
JobGalaxy Future<br />
w 3,63 ,31 3,58 ,38 130<br />
m 3,62 ,30 3,53 ,50 106<br />
g 3,61 ,29 3,61 ,39 83<br />
w 3,62 ,28 3,62 ,40 55<br />
m 3,57 ,30 3,61 ,37 28<br />
g<br />
w<br />
3,61 ,46 3,77 ,41 6<br />
g 3,33 ,44 3,39 ,54 3<br />
w 3,83 4,00 1<br />
m 3,08 ,12 3,08 ,12 2<br />
Schnupperpraktikum<br />
KFZT<br />
g<br />
w<br />
m<br />
3,61<br />
3,58<br />
3,62<br />
,36<br />
,12<br />
,40<br />
3,79<br />
3,58<br />
3,85<br />
,21<br />
,12<br />
,20<br />
10<br />
2<br />
8<br />
g 3,48 ,42 3,43 ,47 20<br />
Schnupperlehre w 3,63 ,21 3,04 ,67 4<br />
m 3,44 ,46 3,53 ,37 16<br />
Schnupperpraktikum<br />
K/V<br />
g<br />
w<br />
m<br />
3,81<br />
3,81<br />
3,82<br />
,11<br />
,13<br />
,02<br />
3,57<br />
3,46<br />
3,92<br />
,59<br />
,65<br />
,12<br />
8<br />
6<br />
2<br />
Girls’Day [B]<br />
g<br />
w<br />
3,61 ,20 3,81 ,15 9<br />
Girls’Day [S]<br />
g<br />
w<br />
3,59 ,30 3,63 ,28 27<br />
n<br />
439
Anhang<br />
Anhang 34: Allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung der Jugend-lichen in<br />
der Kontrollgruppe und den Interventions-gruppen zum Zeitpunkt<br />
des Pre- und des Posttests<br />
440<br />
Teilgruppen Allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung<br />
Pretest Posttest<br />
� SD � SD<br />
Kontrollgruppe g 2,87 ,41 2,90 ,43 235<br />
Geschlecht<br />
Interventionsgruppe<br />
Geschlecht<br />
JobGalaxy<br />
JobGalaxy<br />
Future<br />
w 2,84 ,42 2,86 ,43 129<br />
m 2,89 ,41 2,96 ,43 106<br />
g 2,97 ,38 3,05 ,44 82<br />
w 2,99 ,37 2,97 ,43 54<br />
m 2,95 ,39 3,21 ,43 28<br />
g<br />
w<br />
3,04 ,28 2,95 ,28 6<br />
g 3,10 ,36 3,21 ,18 3<br />
w 2,80 3,30 1<br />
m 3,25 ,35 3,17 ,24 2<br />
Schnupperpraktikum<br />
KFZT<br />
g<br />
w<br />
m<br />
2,96<br />
3,15<br />
2,91<br />
,39<br />
,21<br />
,43<br />
3,01<br />
2,83<br />
3,05<br />
,51<br />
,04<br />
,56<br />
10<br />
2<br />
8<br />
g 3,00 ,41 3,22 ,41 20<br />
Schnupperlehre w 3,35 ,24 3,03 ,43 4<br />
m 2,92 ,40 3,26 ,40 16<br />
Schnupperpraktikum<br />
K/V<br />
g<br />
w<br />
m<br />
2,99<br />
2,94<br />
3,10<br />
,24<br />
,28<br />
3,03<br />
2,86<br />
3,45<br />
,34<br />
,21<br />
,07<br />
7<br />
5<br />
2<br />
Girls’Day [B]<br />
g<br />
w<br />
3,01 ,39 3,09 ,54 9<br />
Girls’Day [S]<br />
g<br />
w<br />
2,91 ,41 2,95 ,48 27<br />
n
Anhang 35: Einschätzung der Wichtigkeit von Sachkompetenz für die zukünftige Berufsausbildung/den angestrebten Studien<br />
gang und der individuellen Verfügbarkeit bei Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests<br />
Anhang<br />
441
Anhang<br />
Anhang 36: Einschätzung der Wichtigkeit von Sozialkompetenz für die zukünftige Berufsausbildung/den angestrebten Studien<br />
gang und der individuellen Verfügbarkeit bei Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests<br />
442
Anhang 37: Einschätzung der Wichtigkeit von Selbstkompetenz für die zukünftige Berufsausbildung/den angestrebten Studien<br />
gang und der individuellen Verfügbarkeit bei Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventionsgruppen<br />
zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests<br />
Anhang<br />
443
Anhang<br />
Anhang 38: Einschätzung der Wichtigkeit von Methodenkompetenz für die zukünftige Berufsausbildung/den angestrebten<br />
Studiengang und der individuellen Verfügbarkeit bei Jugendlichen in der Kontrollgruppe und den Interventions<br />
gruppen zum Zeitpunkt des Pre- und des Posttests<br />
444