100 Jahre WG Eigenheim Weißenburg
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Jubiläumsausgabe – <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong><br />
Mister <strong>Eigenheim</strong><br />
Dinkelmeyer einst in den 1980er-<strong>Jahre</strong>n mit Johann<br />
Lang (linkes Bild) und heute in seinem Wintergarten<br />
Und dann schlägt Norbert Dinkelmeyer die Zeitung<br />
auf und findet seinen Traumjob. Es ist ein<br />
Samstag im Jahr 1981, als er mit seiner Frau<br />
Anneliese am Frühstückstisch sitzt und die Annoncen<br />
durchliest. Die Wohnungsgenossenschaft <strong>Eigenheim</strong><br />
sucht einen neuen Geschäftsführer. „Das ist mein neuer<br />
Arbeitsplatz“, sagt er zu seiner Frau. Die – und später<br />
halb <strong>Weißenburg</strong> – denkt sich: „Der traut sich was.“ Immerhin<br />
arbeitet er zu dieser Zeit im öffentlichen Dienst.<br />
Doch der Schritt in die Privatwirtschaft bedeutet für<br />
Norbert Dinkelmeyer nicht nur einen neuen Job. Es ist<br />
sein Lebenswerk, das er 1981 antritt.<br />
Ein Dienstagnachmittag im April 2021, Dinkelmeyer<br />
hat in sein Haus mit Wintergarten in der Nähe vom<br />
Krankenhaus geladen. Einmal die komplette Lebensgeschichte<br />
bitte. Er ist vorbereitet, hat sich Notizen<br />
gemacht. Die Wohnzimmer-Uhr tickt in seinen langen<br />
Sprechpausen. „Damit Sie auch alles aufschreiben<br />
können“, erklärt er. Dinkelmeyer – fein der Pullover,<br />
groß die Gesten – ist ein großer, schlanker Mann und<br />
für sein Alter (78) topfit. Noch heute passt er in seinen<br />
Hochzeitsanzug, erzählt seine Frau. Er raucht nicht,<br />
trinkt keinen Kaffee und fährt viel mit dem Fahrrad,<br />
das war schon während seiner Dienstzeit so. Fast jeden<br />
Tag geht er laufen, arbeitet im Garten oder bastelt an<br />
seinen Windrad-Modellen. Dinkelmeyer fotografiert<br />
gerne und engagiert sich im Verein für Denkmalpflege<br />
der Wülzburg. Klingt nach einem aktiven Rentnerleben.<br />
Nur eines darf er nicht mehr: um 7 Uhr am Schreibtisch<br />
sitzen und das <strong>Eigenheim</strong> führen.<br />
Dabei war das über Jahrzehnte seine größte Leidenschaft,<br />
besonders der kaufmännische Teil.<br />
Seine Augen leuchten noch heute, wenn er<br />
von Bilanzerstellungen spricht. „Wenn ich<br />
etwas Kaufmännisches machen kann, bin ich<br />
glücklich.“ Löhne, Abschreibungen, Bilanzen<br />
schreiben – heute hat man dafür Programme,<br />
Dinkelmeyer hat das per Hand gerechnet<br />
und danach mit der mechanischen Buchungsmaschine<br />
Olivetti eingebucht. Wenn<br />
er das sagt, dröhnt es noch heute in seinen<br />
Ohren, so laut war die Maschine. Das Kauf-<br />
Vorstand Philipp, OB Schwirzer, Dinkelmeyer, Aufsichtsratsvorsitzender Koch 1988 (v. l.)<br />
männische hatte Dinkelmeyer schon bei den Stadtwerken<br />
als Industriekaufmann gelernt. Dort hatte er auch<br />
im Bereich Buchführung sowie Kosten- und Leistungsrechnung<br />
gearbeitet. Doch für das <strong>Eigenheim</strong> braucht<br />
es mehr als gute Rechenfähigkeiten.<br />
Wer die Wohnungsgenossenschaft führt, muss einerseits<br />
kaufmännisch und andererseits wohnungswirtschaftlich<br />
denken. Natürlich muss am Ende die<br />
Rendite stimmen, aber trotzdem ist das <strong>Eigenheim</strong> als<br />
Genossenschaft verpflichtet, bezahlbaren Wohnraum<br />
zu schaffen. Wohnungswirtschaftlich zu denken, das<br />
heißt auch: Gentrifizierung, Neubau versus Revitalisierung<br />
und die aktuellen Gesetze und Regelungen<br />
kennen. Davon hatte Norbert Dinkelmeyer gerade am<br />
Anfang wenig Ahnung. Woher auch? Also fuchst er sich<br />
in das Thema Wohnen hinein. „In der Anfangszeit hat<br />
er die Samstage oft mit der Arbeit verbracht“, erzählt<br />
seine Frau Anneliese. Bei den Spaziergängen zum Bärenloch,<br />
dem Rohrberg oder auf die Wülzburg hat Dinkelmeyer<br />
immer seine wohnungswirtschaftlichen<br />
Zeitschriften im Rucksack. Die Genossenschaft<br />
war ihm so wichtig, dass er teilweise sogar Urlaub<br />
für sie gestrichen hat. Aber: „Ich war trotz<br />
der vielen Arbeit glücklich.“<br />
Norbert Dinkelmeyer kommt aus einfachen<br />
Verhältnissen. 1942 in <strong>Weißenburg</strong><br />
geboren, wächst er in einer Wohnung an<br />
der Schranne auf. Eine Toilette für drei Familien,<br />
Zeitungs- als Klopapier,<br />
der Vater Fein-<br />
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