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WIKO 2023 – Das Wirtschaftsmagazin für Eichstätt

Der Wirtschaftskompass Eichstätt stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

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www.wiko-ei.de<br />

AUSGABE <strong>2023</strong><br />

WIRTSCHAFTSKOMPASS EICHSTÄTT<br />

Die Zukunft<br />

war früher auch besser<br />

WIE DER<br />

WANDEL<br />

TROTZDEM<br />

GELINGT.<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

1


Wir sind der PARTNER <br />

<br />

<strong>für</strong> die WIRTSCHAFT!<br />

// logodesign<br />

// print- & graf ikdesign<br />

// klassische werbung<br />

// buch- & offsetdruck<br />

// webentwicklung<br />

// video, f ilm & fotograf ie<br />

// online-/social-mediamarketing<br />

// public relations<br />

2<br />

media<br />

BRAUN&ELBEL<br />

braun-elbel@be-media.de<br />

www.be-media.de<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Editorial<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

was wir in diesem zweiten Wirtschaftskompass <strong>Eichstätt</strong> vorhaben? Orientierung<br />

bieten. In einer Welt, die sich immer schneller zu drehen scheint.<br />

Die akuten Krisen der vergangenen Jahre scheinen überwunden oder Teil einer neuen<br />

Norma lität zu sein. Jetzt ist die Zeit, sich wieder den großen Linien zu widmen. Als<br />

Grundthema dieser Ausgabe haben wir daher den Wandel gewählt, dem wir in seinen<br />

Variationen in verschiedenen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft nachgehen.<br />

Aber hat sich die Welt nicht immer schon gewandelt? Ist diesmal wirklich alles anders?<br />

Natürlich ist nicht alles anders. Wir glauben aber, dass wir eine Zeit erleben, die eine<br />

neue Qualität und Geschwindigkeit der Veränderung mit sich bringt. Eine Zeit zudem,<br />

deren Wandel-Themen auf besondere Weise den Landkreis <strong>Eichstätt</strong> betreffen.<br />

Die Kirche etwa. Sie hat hier eine mehr als 1000-jährige Geschichte. Der Bischofssitz ist eine Art Urgrund <strong>für</strong> <strong>Eichstätt</strong>.<br />

Die Institution aber wankt. Moralisch und wirtschaftlich. Unser Autor Marco Schneider beleuchtet die Kirche<br />

vor Ort in einem der schwierigen Momente ihrer Geschichte.<br />

Und dann, natürlich, Audi und das Auto. Kaum irgendwo in der Republik hängt der Wohlstand einer Region so<br />

sehr an einem Konzern und einer Branche. Und genau diese Branche steht vor einem gigantischen Umbruch. Wir<br />

erzählen die Geschichte eines Albtraums und die Versuche, diesem zu begegnen.<br />

Eine wunderbare Ergänzung zu diesem Thema ist die Langzeit-Reportage, die Selina Yildiz und Luis Beyerbach<br />

über Gaimersheim geschrieben haben. Unter dem Titel „<strong>Das</strong>, was mal ein Dorf war“ versuchen unsere Autoren zu<br />

verstehen, was passiert, wenn ein Ort über sich hinauswächst.<br />

Aber auch die Energiewende ist ein Thema, das <strong>Eichstätt</strong>-spezifische Probleme mit sich bringt. Wir begeben uns<br />

auf eine Spurensuche: zwischen Weltrettung, Wertschöpfung und Widerstand. Zudem freuen wir uns, dass der<br />

SZ-Journalist und Spiegel-Bestsellerautor Uwe Ritzer sich einem der Megathemen von morgen widmet: dem Wasser<br />

oder viel mehr noch seiner Knappheit.<br />

Wie es in Zukunft genau kommt, das wissen natürlich auch wir nicht, nur dass sie kommt, diese Zukunft, davon<br />

gehen wir fest aus. Also sollten wir schon mal anfangen, über sie nachzudenken. Und genau das haben wir getan.<br />

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen.<br />

Ihr Jan Stephan<br />

<strong>WIKO</strong>-Redaktionsleiter<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

3


HERAUSGEBER<br />

Braun & Elbel GmbH & Co. KG,<br />

Verlag Weißenburger Tagblatt<br />

Wildbadstraße 16-18 | 91781 Weißenburg<br />

Tel. 0 91 41 / 85 90 90<br />

www.wiko-wug.de | info@wiko-wug.de<br />

In Kooperation mit der DONAUKURIER GmbH<br />

Stauffenbergstraße 2a | 85051 Ingolstadt<br />

Telefon: 08 41/ 96 66 - 0<br />

anzeigen@donaukurier.de | www.donaukurier.de<br />

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PNP Sales GmbH<br />

Stauffenbergstraße 2a | 85051 Ingolstadt<br />

(Geschäftsführer: Thomas Bauer)<br />

im Auftrag der DONAUKURIER GmbH<br />

PROJEKTMANAGEMENT<br />

Felix Oeder<br />

Tel. 0 91 41 / 85 90 25<br />

oeder@wiko-wug.de<br />

REDAKTION<br />

Jan Stephan (Leitung)<br />

Uwe Ritzer (Berater)<br />

Marco Schneider<br />

Luis Beyerbach | Selina Yildiz<br />

LAYOUT UND DESIGN<br />

be media <strong>–</strong> Werbeagentur<br />

Verlag Weißenburger Tagblatt<br />

Braun & Elbel GmbH & Co. K.G.<br />

Sven Katheder | Erik Körner<br />

info@be-media.de<br />

LEKTORAT<br />

Ingrid Philipp<br />

DRUCK UND VERTEILUNG<br />

Buch- und Offsetdruckerei<br />

Braun & Elbel GmbH & Co. K.G.<br />

Verlag Weißenburger Tagblatt<br />

Wildbadstraße 16-18 | 91781 Weißenburg<br />

Tel. 0 91 41 / 85 90 90<br />

<strong>WIKO</strong> liegt dem DONAUKURIER und seinen Heimatzeitungen<br />

im Landkreis <strong>Eichstätt</strong> am 13.10.<strong>2023</strong> bei.<br />

Alles im Fluss. Die Landschaft im<br />

Norden des Landkreises wird sich<br />

verändern, weil die Energiewende<br />

es nun ernst meint. Die Kirche<br />

muss sich verändern, weil sie<br />

solange glaubte, genau das nicht<br />

tun zu müssen. Die Automobilindustrie<br />

verändert sich gerade<br />

schon, man weiß aber nicht, ob<br />

das vor Ort gut ausgeht. Wandel,<br />

Wandel, Wandel <strong>–</strong> das Thema<br />

dieses Hefts.<br />

Auflage: ca. 28.000 Exemplare<br />

4<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

Kann die Kirche noch Armut?!<br />

<strong>Das</strong> Bistum muss kleiner werden<br />

Von Marco Schneider<br />

06<br />

Mit der richtigen Strategie gegen<br />

den Fachkräftemangel<br />

Landratsamt <strong>Eichstätt</strong><br />

32<br />

SGD Kipfenberg baut auf<br />

Glasfläschchen<br />

SGD Kipfenberg<br />

13<br />

Pulsierende Gemeinde,<br />

attraktiver Ausbildungsbetrieb<br />

Markt Gaimersheim<br />

34<br />

Zukunftsweisende Lösungen<br />

<strong>für</strong> eine nachhaltigere, vernetzte<br />

Welt<br />

14<br />

<strong>Eichstätt</strong>: Platz zum Leben<br />

und Wachsen<br />

Stadt <strong>Eichstätt</strong><br />

35<br />

INconnect<br />

60 Jahre Raffinerie Ingolstadt<br />

Gunvor Raffinerie<br />

16<br />

<strong>Das</strong>, was einmal ein Dorf war<br />

Gaimersheim: wie ein Dorf zur Stadt<br />

wird und sich verändert<br />

Von Selina Yildiz und Luis Beyerbach<br />

36<br />

„Unser Motor ist die Zukunft“<br />

Schabmüller<br />

Regional verankert, global vernetzt<br />

Christoph Liebers<br />

17<br />

17<br />

Klinikreform <strong>–</strong> Die Angst bleibt<br />

<strong>Das</strong> Gesundheitssystem braucht<br />

Reform - nur: wer überlebt sie?<br />

Von Marco Schneider<br />

43<br />

Dem Land steht eine Revolution<br />

ins Haus<br />

Die Energiewende ändert vieles<br />

Von Jan Stephan<br />

<strong>Das</strong> Märchen von der lokalen<br />

Energiewende<br />

Weit weg von der Klimaneutralität<br />

Von Jan Stephan<br />

Von Hitze und dem Blumentopfeffekt<br />

Die knappe Ressource Wasser<br />

Von Uwe Ritzer<br />

18<br />

23<br />

26<br />

Technik triftt Visionen<br />

Hubert + Freihart<br />

Mein digitales Rathaus <strong>–</strong> green IT<br />

mit Heimvorteil<br />

adKOMM<br />

Der Aufstieg und Fall einer<br />

Autostadt<br />

Wird Ingolstadt Detroit 2.0 oder das<br />

neue Silicon Valley?<br />

Von Jan Stephan<br />

Impressum<br />

47<br />

47<br />

48<br />

54<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong><br />

<strong>WIKO</strong> 5


Kann die Kirche noch<br />

Armut?!<br />

Von Marco Schneider<br />

6<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Die Kirchen könnten auch<br />

stark sein, wenn sie klein<br />

seien, hat <strong>Eichstätt</strong>s<br />

Bischof Gregor Maria<br />

Hanke einmal gesagt.<br />

<strong>Das</strong> ist Jahre her, aber<br />

schon damals war absehbar,<br />

dass sich die Zahl der<br />

Christinnen und Christen<br />

reduzieren wird. Die Dynamik<br />

aber war damals,<br />

2018, noch nicht absehbar.<br />

Immer tiefer strauchelt<br />

vor allem die katholische<br />

Kirche. Ein Reformprozess,<br />

der „synodale Weg“,<br />

soll den Fall ausbremsen.<br />

Man will sich wandeln.<br />

Aber man tut sich<br />

schwer. Und die Finanzkraft<br />

der Kirche nimmt<br />

ab. Oder doch nicht?<br />

2018 katapultierte sich die Diözese<br />

<strong>Eichstätt</strong> selbst in die internationalen<br />

Schlagzeilen. „Heiliger Bimbam!“<br />

war dort zu lesen, ein Finanzskandal<br />

erschüttert die katholische Kirche.<br />

Millionenschwere Investitionen in ungesicherte<br />

Darlehen in die USA mit<br />

Renditeversprechen im zweistelligen<br />

„ Dem Bistum fehlen<br />

durch den Skandal<br />

mindestens rund<br />

20 Millionen Euro„<br />

Bereich. Die Handschellen klicken,<br />

zwei Männer wandern in Untersuchungshaft,<br />

Bestechlichkeit, Bestechung<br />

im geschäftlichen Verkehr und<br />

Untreue. Die beiden Hauptbeschuldigten<br />

werden nach einem halben Jahr<br />

aus dem Knast entlassen, juristisch aufgeklärt<br />

ist der Skandal bis heute nicht:<br />

Trotz bereits erhobener Anklage vor<br />

dem Landgericht in München ermittelt<br />

die Staatsanwaltschaft noch immer<br />

weiter. Dem Bistum fehlen durch den<br />

Skandal mindestens rund 20 Millionen<br />

Euro in der Rücklagenkasse.<br />

Knapp 25.000 Menschen haben 1962<br />

der katholischen Kirche den Rücken<br />

Eine Kirche vor dem Aus: In Wolkertshofen will das Bistum kein Geld mehr <strong>für</strong> die Sanierung ausgeben.<br />

gekehrt, bei einer Gesamtzahl von gut<br />

26,5 Millionen. In den 1970er-Jahren<br />

erreicht die Zahl der Katholiken<br />

in Deutschland ihren Höhepunkt<br />

<strong>–</strong> knapp über 29 Millionen Mitglieder<br />

zählt die Kirche da. Seither geht<br />

es stetig bergab, zunächst in kleinen<br />

Schritten, seit den 1990er-Jahren kontinuierlich.<br />

1992 treten deutschlandweit<br />

fast 200.000 Menschen aus. Von<br />

diesen Zahlen spricht heute keiner<br />

mehr. 522.821 Getaufte drehen „ihrer“<br />

Kirche im Jahr 2022 den Rücken.<br />

Eine bestürzende Zahl. Eine Zahl, die<br />

zeigt, dass die Kirche es nicht mehr<br />

schafft, die Menschen von ihrer Botschaft<br />

zu überzeugen. Kirche müsse<br />

und könne „ein einladendes und kraftvolles<br />

Korrektiv <strong>für</strong> die Gesellschaft<br />

sein“, sagt Bischof Hanke bei seiner<br />

Silvesterpredigt im vergangenen Jahr.<br />

Man müsse nur, so wird er von seiner<br />

Presseabteilung bei der Vorstellung<br />

der Kirchenaustrittszahlen im Juni zitiert,<br />

die Hausaufgaben annehmen, die<br />

die Gläubigen einem gegeben haben.<br />

„Jede und jeder, die und der uns verlässt,<br />

hinterlässt eine Lücke. Wir vermissen<br />

diese Menschen“, sagt Hanke<br />

im Juni <strong>2023</strong> bei der Bekanntgabe der<br />

Kirchenaustrittszahlen.<br />

<strong>Das</strong> ist die geistliche Seite. Aber es gibt<br />

auch noch die wirtschaftliche Seite.<br />

Denn die Kirche ist längst mehr als<br />

eine reine religiöse Gemeinschaft. Sie<br />

ist zum Konzern geworden, bilanziert<br />

nach dem oder zumindest angelehnt<br />

an das Handelsgesetzbuch. Schätzungen<br />

gehen von einem Jahresumsatz von<br />

bis zu 150 Milliarden Euro bei beiden<br />

Kirchen und ihren nachgelagerten Unternehmen<br />

aus. Zum Vergleich: Die<br />

Autoindustrie erwirtschaftete 2022 einen<br />

Inlandsumsatz von 153 Milliarden<br />

Euro. Aber jedes Bistum verwaltet seinen<br />

eigenen Haushalt. Und der macht<br />

den <strong>Eichstätt</strong>ern zu schaffen. So weit,<br />

dass sie einen rigiden Sparkurs fahren<br />

müssen, um nicht in ein paar Jahren in<br />

die Zahlungsunfähigkeit zu schlingern.<br />

2005 verdiente man in <strong>Eichstätt</strong> gut 82<br />

Millionen Euro an der Kirchensteuer.<br />

So vermeldete es damals das Bistum,<br />

der <strong>Eichstätt</strong>er Kurier berichtete von<br />

einem Sparplan und „schmerzhaften<br />

Einschnitten“, die der damalige Diö-<br />

„ Wie emotional das<br />

Thema Geld werden kann,<br />

zeigt eine seit Jahren andauernde<br />

Diskussion„<br />

zesanverwalter Johann Limbacher <strong>–</strong><br />

Bischof Walter Mixa war gerade zum<br />

Bischof von Augsburg berufen worden<br />

<strong>–</strong> verkünden musste. Ein Stellenabbau<br />

von „120 + x“ wurde diskutiert. Man<br />

müsse die Diözese konsolidieren, um<br />

ihren wirtschaftlichen Handlungsspielraum<br />

zu erhalten. Der Investitionshaushalt<br />

umfasste seinerzeit gut<br />

elf Millionen Euro, gut fünf Millionen<br />

Euro wurden aus den Rücklagen<br />

gezapft, um liquide zu bleiben. 20<br />

Jahre später reibt man sich verwundert<br />

die Augen, ein ähnliches ja fast noch<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

7


düsteres Bild. 105 Millionen Euro<br />

erwartet Finanzdirektorin Christine<br />

Hüttinger <strong>2023</strong> aus den Kirchensteuern.<br />

Und zugleich muss sie ein<br />

Defizit von womöglich 15 Millionen<br />

Euro ausgleichen <strong>–</strong> aus den Rücklagen.<br />

Wie emotional das Thema Geld bisweilen<br />

werden kann, zeigt eine seit<br />

Jahren andauernde Diskussion um<br />

ein kleines Gotteshaus im Landkreis<br />

<strong>Eichstätt</strong>, genauer im Nassenfelser<br />

Ortsteil Wolkertshofen. Geweiht ist<br />

die Kirche dem heiligen Quirinus,<br />

einem Märtyrer aus den Anfängen<br />

des Christentums. Aus einer Zeit,<br />

in der die finanziellen Mittel <strong>für</strong><br />

Verwaltung der Kirche und Gestaltung<br />

der Seelsorge noch nicht den<br />

Diskussionsbedarf auslösten, wie es<br />

heute der Fall ist. Um das barocke<br />

Gotteshaus schwelt ein Streit um die<br />

Finanzierung einer dringend notwendigen<br />

Sanierung <strong>–</strong> und das nicht<br />

erst seit gestern. In der Festwoche zu<br />

Ehren des heiligen Willibald im Jahr<br />

2022 ziehen die Gläubigen mit Blaskapelle<br />

und Transparenten vor das<br />

Ordinariat: Sie protestieren gegen<br />

die drohende Schließung ihres Gotteshauses,<br />

des Zentrums ihrer noch<br />

lebendigen Pfarrgemeinde. Auch<br />

„ Unsere Kirche ist<br />

Halt <strong>–</strong> Glauben <strong>–</strong> Mitte<br />

<strong>–</strong> Denkmal <strong>–</strong> Hoffnung<br />

<strong>–</strong> Zukunft„<br />

wenn Manfred Funk, Sprecher der<br />

Initiative, in seinem früheren Leben<br />

Finanzchef der Kliniken im Naturpark<br />

Altmühltal war und weiß, wie<br />

man mit Geld umgeht, dreht es sich<br />

hier <strong>für</strong> die Wolkertshofener nicht<br />

allein ums Geld, um die wirtschaftliche<br />

Bedeutung. Es geht um mehr.<br />

„Rettet unsere Kirche“, steht vieldeutig<br />

auf Transparenten, die die<br />

Gläubigen mit nach <strong>Eichstätt</strong> gebracht<br />

haben. „Unsere Kirche ist<br />

Halt <strong>–</strong> Glauben <strong>–</strong> Mitte <strong>–</strong> Denkmal <strong>–</strong><br />

Hoffnung <strong>–</strong> Zukunft“ <strong>–</strong> ist auf einem<br />

selbst gestalteten Plakat zu lesen, mit<br />

dem Katholikinnen und Katholiken<br />

aus dem kleinen Ort im Schuttertal<br />

gekommen sind. Ein halbes Jahr ist<br />

es her, dass sie von den endgültigen<br />

Plänen erfuhren: kein Geld mehr<br />

da <strong>für</strong> eine Sanierung. Ausgerechnet<br />

an Weihnachten hat man ihnen<br />

dieses Geschenk unter den Christbaum<br />

gelegt. Resignieren wollen sie<br />

nicht. Vielmehr: „Wir wollen Zeichen<br />

setzen, wir wollen dem Bistum<br />

klarmachen, wie enorm wichtig St.<br />

Quirinus <strong>für</strong> unsere Pfarrgemeinde<br />

ist“, sagt Funk. Die Sanierungskosten:<br />

rund 300.000 Euro. Für Funk<br />

und seine Mitstreiter wäre es denkbar,<br />

andere kirchliche Immobilien zu<br />

8<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


veräußern, um Geld <strong>für</strong> die grundlegende<br />

Sanierung lockermachen zu<br />

können. Der Pfarrer unterstützt die<br />

Gläubigen in ihrem Protestanliegen,<br />

weit ab von den wirtschaftlichen<br />

Fragestellungen: „Wir brauchen<br />

einen Ort, an dem wir die Gemeinschaft<br />

mit Jesus und miteinander<br />

pflegen können“, sagt Slawomir Gluchowski.<br />

Ein Dreivierteljahr später<br />

meldet der Arbeitskreis: Eine Notmaßnahme<br />

ist genehmigt, die Kirche<br />

kann bis 2025 geöffnet bleiben. Eine<br />

Schonfrist <strong>für</strong> ein Gotteshaus. Aber<br />

auch ein Zeichen da<strong>für</strong>, wie es um<br />

die Kirche bestellt ist: Man rettet<br />

sich von einem Notnagel zum nächsten.<br />

Vor allem auch ökonomisch.<br />

„ 1000 weltliche<br />

Angestellte, im Ordinariat,<br />

in den Pfarreien<br />

und Lehrer ...„<br />

Die beiden großen christlichen Kirchen<br />

sind nach dem öffentlichen<br />

Dienst nach wie vor der größte Arbeitgeber<br />

in Deutschland <strong>–</strong> wenn<br />

auch ihre Bedeutung langsam abnimmt.<br />

Nicht einmal mehr die<br />

Hälfte der Bundesbürger gehören<br />

einem Bekenntnis an. Auch wenn<br />

die Einnahmen in den vergangenen<br />

Jahren <strong>–</strong> nicht zuletzt aufgrund der<br />

noch guten wirtschaftlichen Situation<br />

<strong>–</strong> gestiegen sind, weiß man in<br />

der Leitungsebene: So geht es nicht<br />

mehr weiter. Der Amtschef des Ordinariats,<br />

Thomas Schäfers, will die<br />

Strategie eines bewussten Sparens<br />

gehen: „Es geht darum, finanzielle<br />

Mittel, aber auch personelle Ressourcen<br />

so einzusetzen, dass wir zukunftsgewandt<br />

die Chancen ergreifen,<br />

die wir in der Diözese sehen.“<br />

Man will fortbestehen.<br />

Immerhin hat das Bistum <strong>Eichstätt</strong><br />

auch eine Verantwortung: Für fast<br />

1000 weltliche Angestellte, im Ordinariat,<br />

in den Pfarreien als seelsorgerliche<br />

Mitarbeiter und Lehrer in<br />

den kirchlichen Schulen. So sieht es<br />

aktuell im Personalstand aus, wie ein<br />

Sprecher der Diözese mitteilt. Dazu<br />

kommen noch 250 Priester und fast<br />

50 Diakone. Einen Vergleich, wie<br />

es in früheren Jahren ausgesehen<br />

hat, kann man bei der Diözese nicht<br />

ziehen: Entsprechende detaillierte<br />

Statistiken führe man nicht, Auswertungen<br />

seien nicht konkret möglich.<br />

Was man aber sagen kann: Von den<br />

gut 6000 Quadratkilometern Gesamtfläche<br />

zwischen Ingolstadt und<br />

Nürnberg gehört der Diözese laut einem<br />

Sprecher ein „verschwindend“<br />

kleiner Teil. Er präzisiert es sogar<br />

noch: „Es ist unter einem Prozent.“<br />

Die Sparmaßnahmen aus dem Jahr<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

9


„ Der Beginn der<br />

Wasserstoffwirtschaft in<br />

relevantem, industriellen<br />

Umfang„<br />

In <strong>Eichstätt</strong> hat die Kirche jede Menge Gebäude. Von manchen möchte man sich gerne trennen. Aber will eigentlich barocke<br />

Prunkbauten haben?!<br />

2005 waren zwischenzeitlich schon<br />

vergessen <strong>–</strong> seinerzeit eigentlich schon<br />

am Tag nach der Bekanntgabe des angekündigten<br />

Stellenabbaus. Da meldete<br />

die Diözese nämlich den Kauf<br />

von Kloster Rebdorf von den Herz-Jesu-Missionaren<br />

<strong>für</strong> einen zweistelligen<br />

Millionenbetrag. <strong>Das</strong> wäre heute<br />

nicht mehr denkbar. „Wir müssen klug<br />

erwägen und entscheiden, wie wir<br />

durch eine notwendige Konzentration<br />

das Wesentliche unter den gegebenen<br />

Verhältnissen umsetzen und fördern<br />

können“, sagt Amtschef Thomas Schäfers.<br />

Zusammengefasst: Der Gürtel<br />

muss enger geschnallt werden. Posten<br />

werden nicht mehr nachbesetzt, die<br />

Verwaltungsstruktur soll stark verschlankt<br />

werden, man will sich mehr<br />

auf die Seelsorge in den Gemeinden<br />

konzentrieren. Dazu gehört auch, sich<br />

über den Immobilienbesitz Gedanken<br />

zu machen.<br />

2600 Gebäude sind im Besitz der Kirche<br />

von <strong>Eichstätt</strong>, allein 120 verwaltet<br />

die Diözese selbst. „Langfristig soll ein<br />

diözesanes Immobilienkonzept erstellt<br />

werden.“ In der Stadt <strong>Eichstätt</strong> stolpert<br />

man (noch) an jeder Ecke über kirchliche<br />

Liegenschaften. Die prominentesten<br />

wohl: das bischöfliche Ordinariat<br />

und der gemeinhin als bischöfliches<br />

Palais bezeichnete Wohn- und Bürokomplex<br />

des Bischofs. Letzteres versucht<br />

man einer neuen Nutzung zuzuführen,<br />

denn Baulast, anstehende<br />

Sanierungen und der laufende Unterhalt<br />

verschlingen Unmengen Geld.<br />

Nur: Wer will sich ein solch barockes,<br />

pompöses Gebäude zulegen? Bischof<br />

Gregor Maria Hanke, der die Diözese<br />

ein Jahr nach den Sparbeschlüssen<br />

als oberster Hirte übernommen hat<br />

und als Benediktinerabt bekanntlich<br />

eher bescheiden lebt, will sich aus dem<br />

Haus zurückziehen.<br />

„ Er zeigt, dass die<br />

wirtschaftliche Kraft der<br />

Kirche abnimmt„<br />

Ziel: das ehemalige Schulgebäude der<br />

Maria-Ward-Realschule am Residenzplatz.<br />

Dort will man die Stabsstellen<br />

des Ordinariats bündeln und auch die<br />

Wohnung des Bischofs unterbringen.<br />

Nur: Auch das kostet Geld. „Alles ist<br />

Umstand von Prüfungen“, heißt es aus<br />

dem Ordinariat. Aber man wird auch<br />

nicht vor dem Verkauf von Gebäuden<br />

zurückschrecken. So steht es im Zukunftsplan<br />

der Diözese, den die Verantwortlichen<br />

mit einem Paukenschlag<br />

im Frühjahr vorgestellt hatten. Er zeigt,<br />

dass die wirtschaftliche Kraft der Kirche<br />

abnimmt.<br />

Nicht aber die Diskussion über die Zukunft.<br />

Denn: Die Gläubigen fühlen<br />

sich auf der Transformation ihrer Kirche<br />

zu wenig mitgenommen. <strong>Das</strong> wird<br />

im Juli deutlich, als der Diözesanrat zu<br />

einer außerordentlichen Versammlung<br />

zusammenkommt. Dazu eingeladen<br />

waren weitere kirchliche Gremien wie<br />

Diözesansteuerausschuss und Priesterrat<br />

sowie kirchliche Verbände. Denn,<br />

so wurde es bereits im Einladungsschreiben<br />

deutlich: Es sollte um den im<br />

März veröffentlichten Zukunftsplan<br />

gehen <strong>–</strong> und um eine möglichst breite<br />

Partizipation der gewählten Gremien.<br />

Angesichts der erschreckend hohen<br />

Austrittszahlen sei allen bewusst, dass<br />

man sich „von viel lieb Gewordenem“<br />

verabschieden müsse, das sei auch<br />

ein „schmerzhafter Prozess“, sagt der<br />

Diözesanratsvorsitzende Christian<br />

10<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Gärtner, der zugleich Bischof Gregor<br />

Maria Hanke aufgrund terminlicher<br />

Überschneidungen entschuldigt <strong>–</strong> ein<br />

Schritt, den viele nicht verstehen. „Wir<br />

hätten ihn gerne dabeigehabt“, sagte<br />

Gärtner. „Nehmen Sie die Abwesenheit<br />

des Bischofs nicht als vorsätzlich<br />

oder als Geringschätzung“, beeilte er<br />

sich später noch einmal zu betonen.<br />

„Wir wollen den Versuch starten,<br />

diesen Transformationsprozess miteinander<br />

zu gestalten“, so Gärtner. „Es<br />

„ Die Bitte, der Wunsch<br />

und auch die Intensive<br />

Hoffnung nach mehr<br />

Kommunikation„<br />

geht nicht nur darum, ihn von außen<br />

kritisch zu begleiten.“ Im September,<br />

bei einem weiteren Treffen zu diesem<br />

Thema, ist der Bischof dabei.<br />

In mehreren Kleingruppen tauschen<br />

sich die rund 100 Ehrenamtlichen, davon<br />

gut die Hälfte gewählte Diözesanräte,<br />

eine Stunde lang aus, mit Generalvikar<br />

Michael Alberter und Amtschef<br />

Thomas Schäfers nahmen auch zwei<br />

Mitglieder der Bistumsleitung daran<br />

teil. Im Plenum stellen sie Ergebnisse<br />

der Diskussion vor. <strong>Das</strong> wohl am häu-<br />

figsten gefallene Wort ist dann: die Bitte,<br />

ja mehr noch, der Wunsch und auch<br />

die intensive Hoffnung nach mehr und<br />

besserer Kommunikation.<br />

Eine Forderung war dabei, dass Bischof<br />

Hanke die Pfarreien besuchen<br />

und dort Kritik abholen müsse. Aber:<br />

„Es muss auch Lob <strong>für</strong> ihn geben“,<br />

sagte einer der Kleingruppensprecher.<br />

Denn: „Wir dürfen nicht nur problemorientiert<br />

sein, sondern müssen auch<br />

lösungsorientiert agieren.“ Allerdings:<br />

„Es ist schwer zu ertragen, dass Meinungen<br />

nicht wertgeschätzt werden.“<br />

Der Neumarkter Hofpfarrer Stefan<br />

Wingen betont in einer Wortmeldung<br />

als Vertreter des Diözesansteuerausschusses,<br />

also jenes Gremiums, das <strong>für</strong><br />

die kirchlichen Finanzen zuständig ist<br />

und im vergangenen Dezember erstmals<br />

in seiner Geschichte den Haushalt<br />

der Diözese ablehnte: „Wir alle<br />

sind das Bistum“, es dürfe kein Gegeneinander<br />

sein, sondern es brauche ein<br />

Miteinander. <strong>Das</strong> will man offenbar<br />

fortsetzen <strong>–</strong> auch in einem über die<br />

Mitglieder des Diözesanrats hinausgehenden<br />

Beratungsrahmen mit anderen<br />

Gremien und Verbänden. DJK-Präsident<br />

Bernhard Martini wünschte sich<br />

dazu „ein Signal der anderen Seite“, ob<br />

dieses breitere Miteinander überhaupt<br />

gewünscht sei. Generalvikar Alberter<br />

setzte dazu das Schlusswort. „Ein<br />

wesentliches Moment dieses Treffens<br />

„ Kirche ist ein Unternehmen,<br />

aber auch eine<br />

Gemeinschaft Gläubiger,<br />

die Halt sucht„<br />

war, das gegenseitige Vertrauen zu stärken.“<br />

Er nehme mit, es brauche „mehr<br />

Austausch, mehr Kommunikation“.<br />

Auch wenn er nichts Endgültiges zusagen<br />

könne, wolle er die Bereitschaft<br />

signalisieren, „auf dem Weg weiterzugehen“.<br />

Den Weg weitergehen: <strong>Das</strong> heißt auch,<br />

die Transformation auf allen Ebenen<br />

zulassen. Und ein bisschen den Menschen<br />

das Gefühl geben, die Kirche zu<br />

retten. Ihnen Hoffnung geben. Unsere<br />

Kirche ist Mitte, Halt, Glauben, Gemeinschaft,<br />

Liebe, Denkmal, Hoffnung,<br />

Zukunft“, haben die Wolkertshofener<br />

auf ihr Transparent geschrieben.<br />

Kirche ist ein Unternehmen. Aber<br />

auch eine Gemeinschaft Gläubiger, die<br />

Halt sucht. Und sie können auch klein<br />

sein, ist der Bischof überzeugt. Nur:<br />

Dann fehlt auch die finanzielle Kraft.<br />

Eine Kunstinstallation zur Schuld und dem Umgang damit: Offenbar wäscht man die Hände hier in Unschuld.<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

11


Industrie<br />

12 <strong>WIKO</strong><br />

Ausgabe <strong>2023</strong>


Anzeige<br />

SGD Kipfenberg baut auf<br />

Glasfläschchen<br />

Seit über 150 Jahren in Kipfenberg verwurzelt, aber mit fünf<br />

Produktionsstandorten, unter anderem in Indien, weltweit<br />

aktiv <strong>–</strong> das charakterisiert die SGD. <strong>Das</strong> hoch spezialisierte<br />

Unternehmen gehört zu den Global Playern in der Flaschenherstellung<br />

<strong>für</strong> die Pharmaindustrie. Von Ampullen, kleinen<br />

Injektionsfläschchen über Babyflaschen bis hin zu Spezialanfertigungen<br />

reicht die Produktpalette. Etwa 3300 Menschen<br />

arbeiten <strong>für</strong> das Unternehmen, das seinen Hauptsitz in Paris<br />

hat. Kipfenberg ist einer von fünf Produktionsstandorten weltweit.<br />

24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche wird dort<br />

gearbeitet. Außer auf die Herstellung von sämtlichen Arten<br />

von Glasbehältnissen <strong>für</strong> kosmetische und pharmazeutische<br />

Produkte hat man sich dort auf die Herstellung von Pharma<br />

Glasfläschchen spezialisiert. Diese werden in rund 50 Länder<br />

weltweit geliefert. Fünf ISO-Zertifikate kann die SGD Kipfenberg<br />

GmbH vorweisen, zu Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutz,<br />

Energie- und Qualitätsmanagement. „Zu unseren Kunden<br />

gehören fast ausschließlich Pharmakonzerne. Wir können<br />

sogar exklusiv an den Kundenwunsch angepasst produzieren<br />

und liefern. Der Kunde kann selbst entscheiden, ob er die<br />

Fläschchen vor Ort selbst abholen möchte. Andernfalls werden<br />

die Fläschchen verschifft oder<br />

per Spedition direkt versandt.<br />

Mit unseren Produkten sind<br />

wir mittlerweile führend auf<br />

dem Weltmarkt“, erklärt der<br />

Kipfenberger SGD-Geschäftsführer<br />

Reinhard Koch. Pro Minute<br />

entstehen so 1500 Flaschen,<br />

täglich zwei Millionen Stück,<br />

jährlich also rund 800 Millionen<br />

Flaschen. <strong>Das</strong> Werk in Kipfenberg<br />

ist auch in puncto Produktionsleistung und Gewinn absolut<br />

top. Über 90 Millionen Euro Umsatz werden allein dort generiert.<br />

Nicht nur die Gemeinde Kipfenberg, sondern auch der<br />

Landkreis <strong>Eichstätt</strong> und die Region um Ingolstadt profitieren<br />

wirtschaftlich vom Erfolg der SGD GmbH. Um die großen Mengen<br />

in bestmöglicher Qualität herzustellen, sind der perfekte<br />

Ablauf und das exakte Zeitmanagement maßgeblich <strong>für</strong> den<br />

Erfolg des Unternehmens. SGD Kipfenberg produziert vor Ort<br />

auf knapp 49.000 Quadratmetern in mehreren Hallen, wo die<br />

Fertigung der Flaschen im voll automatisierten Ablauf erfolgt.<br />

Rund 260 hoch qualifizierte Mitarbeiter sind in Kipfenberg beschäftigt.<br />

„Unsere Mitarbeiter sind der Schlüssel zu unserem<br />

Erfolg“, sagt Geschäftsführer Koch. „Durch Schulungen und<br />

ständige Weiterbildungsmöglichkeiten unterstützen wir unsere<br />

Mitarbeiter laufend. Derzeit haben wir 16 Auszubildende in<br />

Kipfenberg in unterschiedlichsten Fachrichtungen.“ Jährlich<br />

bietet die SGD in Kipfenberg sechs neue Ausbildungsplätze<br />

in verschiedenen Berufsfeldern an. Für das Management um<br />

Reinhard Koch ist jedoch „ganz generell ein gutes Verhältnis<br />

zwischen Arbeitgeber und den Mitarbeitern der wesentlichste<br />

Schlüssel zum Erfolg unseres Unternehmens“.<br />

Ein gutes Verhältnis<br />

schaffen<br />

Die Mitarbeiter der SGD Kipfenberg<br />

GmbH profitieren von finanzieller<br />

Unterstützung bei Weiter- und<br />

Fortbildungen, von übertariflicher<br />

Bezahlung (13 Monatsgehältern,<br />

Urlaubsgeld, …) sowie einer Gewinnbeteiligung.<br />

Außerdem bietet das<br />

Unternehmen betriebliche Altersvorsorge<br />

und Fahrtkostenzuschläge sowie<br />

eine Kantine. Homeoffice, Gleitzeit<br />

oder feste Arbeitszeiten <strong>–</strong> sofern der<br />

Betriebsablauf es zulässt. Außerdem<br />

können Mitarbeiter E-Bikes leasen<br />

oder sich im Hansefit-Firmenfitness<br />

fit halten.<br />

SGD Kipfenberg GmbH<br />

Altmühlstraße 2<br />

85110 Kipfenberg<br />

Tel. 0 84 65 / 1 71 - 0<br />

www.sgd-pharma.com<br />

Unternehmensgründung: 1871<br />

MitarbeiterInnen: 260<br />

Geschäftsführer: Reinhard Koch,<br />

Claus Meilinger<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

13


Zukunftsweisende Lösungen <strong>für</strong><br />

eine nachhaltigere, vernetzte<br />

und intelligentere Welt <strong>–</strong> wir<br />

gestalten die Zukunft, heute<br />

Große Träume starten oft an bescheidenen Orten. Für<br />

INconnect begann dieser Traum im Kellerraum eines<br />

Einfamilienhauses in Eitensheim. Aus einer kleinen Idee<br />

hat sich seit 2015 ein renommierter Arbeitgeber mit über<br />

150 Mitarbeitern entwickelt. Vertreten ist die INconnect<br />

mittlerweile an vier Standorten in ganz Deutschland:<br />

Der Hauptsitz ist in Großmehring, weitere Büros sind in<br />

Hamburg, Heilbad Heiligenstadt und Xanten zu finden.<br />

Als die Gründer von INconnect ihre ersten Schritte im<br />

Bereich Telekommunikation unternahmen, standen sie<br />

vor zahlreichen Herausforderungen. Besagter Keller<br />

symbolisierte den Ausgangspunkt mit seinen Schwierigkeiten:<br />

klein, unauffällig und spartanisch. Doch durch<br />

Hartnäckigkeit, Engagement und eine klare Vision<br />

schaffte es das Team, sich in einer umkämpften Branche<br />

zu behaupten.<br />

Mit dem Hauptaugenmerk auf dem Telekommunikationsausbau<br />

entwickelt INconnect innovative Lösungen,<br />

um den ständig wachsenden Anforderungen des<br />

Marktes gerecht zu werden. Doch die Köpfe hinter dem<br />

Unternehmen erkannten bald, dass es noch andere,<br />

ebenso wichtige Bereiche gibt, in denen sie mit ihrer Expertise<br />

entsprechende Synergien schaffen können. Dies<br />

führte zur Erweiterung ihres Angebots um die Themenfelder<br />

Elektromobilität, Flächenentwicklung und Vermessung.<br />

<strong>Das</strong> kontinuierliche Streben nach Perfektion und Innovation<br />

ermöglichte es INconnect, sich bundesweit zu<br />

etablieren. Dabei bieten die vier Standorte jeweils unterschiedliche<br />

Kompetenzen und Expertisen, um den vielfältigen<br />

Anforderungen des Marktes gerecht zu werden.<br />

Was die INconnect besonders auszeichnet, ist nicht nur<br />

Fachkompetenz, sondern auch eine offene und familiäre<br />

Unternehmenskultur. Trotz des Wachstums hat<br />

der Betrieb sich diese bewahrt und stellt den Menschen<br />

nach wie vor in den Mittelpunkt. <strong>Das</strong> Unternehmen legt<br />

großen Wert auf die Förderung und Weiterentwicklung<br />

seiner Mitarbeiter, schafft ein inklusives Arbeitsumfeld<br />

und stärkt Teamarbeit.<br />

Der bisherige Weg der INconnect ist beeindruckend<br />

und der Traum geht weiter. Mit Plänen zur Erweiterung<br />

des Dienstleistungsportfolios und der stetigen Anpassung<br />

an technologische Entwicklungen ist das Unternehmen<br />

bestrebt, seine Position am Markt weiter auszubauen<br />

und als Arbeitgeber seine Attraktivität immer<br />

noch weiter zu steigern. Zusammenfassend ist INconnect<br />

ein Paradebeispiel da<strong>für</strong>, wie aus einer kleinen Idee<br />

etwas Großes entstehen kann. INconnect steht <strong>für</strong> Engagement,<br />

Wachstum und die Leidenschaft, ständig<br />

nach Höherem zu streben. Es zeigt, dass mit Vision,<br />

Teamarbeit und Durchhaltevermögen die größten Herausforderungen<br />

gemeinsam gemeistert werden können.<br />

14 <strong>WIKO</strong><br />

Ausgabe <strong>2023</strong>


Anzeige<br />

<strong>2023</strong> steht bei der INconnect ganz<br />

unter dem Stern der E-Mobilität.<br />

Aufgrund der Aktualität dieses<br />

Themas forciert man den Ladeinfrastrukturausbau<br />

in diesem Jahr<br />

besonders. Der <strong>WIKO</strong> hat deswegen<br />

bei einem der Prokuristen der<br />

INconnect, Florian Hübner, zu dem<br />

Thema nachgefragt.<br />

Bestens vernetzt<br />

<strong>WIKO</strong>: Herr Hübner, Elektromobilität<br />

ist ein großes Thema in Deutschland, aber die Ladeinfrastruktur<br />

hinkt noch hinterher. Deren Ausbau haben Sie sich ja<br />

auf die Fahne geschrieben <strong>–</strong> wie sehen Sie die aktuelle Situation?<br />

HÜBNER: Sie haben recht, die Elektromobilität ist ein zentrales<br />

Thema in Deutschland. Nach wie vor gibt es in der breiten Bevölkerung<br />

jedoch gewisse Bedenken bezüglich E-Autos. Diese reichen von mangelnder<br />

Reichweite über zu lange Ladezeiten bis hin zu unzureichender<br />

Ladeinfrastruktur. Gerade in ländlichen Regionen oder entlang einiger<br />

Autobahnen kann die Infrastruktur noch lückenhaft sein. Der Ausbau<br />

hinkt der Entwicklung der Elektroautos damit leider tatsächlich etwas<br />

hinterher.<br />

<strong>WIKO</strong>: Woran könnte das liegen? Was sind Ihrer Meinung nach die<br />

größten Schwierigkeiten beim Ausbau?<br />

HÜBNER: Ein besonders kritischer Punkt ist die Standortakquise.<br />

Platzmangel in Städten und geringe Rentabilität in ländlichen Gebieten<br />

erschweren die Standortwahl. Hinzu kommt die Notwendigkeit eines<br />

leistungsstarken Stromnetzes, das den zusätzlichen Energiebedarf bewältigen<br />

kann. Außerdem kann die Einhaltung verschiedener Gesetze<br />

und Vorschriften den Ausbau erheblich verzögern und zusätzliche Kosten<br />

verursachen. Zudem ist die Koordination zwischen verschiedenen<br />

Akteuren ein Drahtseilakt: Kommunen, Energieversorger und private<br />

Unternehmen müssen zusammengebracht werden und entsprechend<br />

zusammenarbeiten. Ein zum Teil kniffliges Unterfangen, das wir bereits<br />

im Breitbandausbau seit Jahren meistern.<br />

<strong>WIKO</strong>: Wie trägt die INconnect dazu bei, den Ausbau zu verbessern?<br />

HÜBNER: Wir bieten hochwertige, individuelle Ladelösungen als Gesamtkonzept<br />

an und begleiten unsere Kunden entlang der gesamten<br />

Wertschöpfungskette vom Erstgespräch bis zur Endmontage. Dabei<br />

betrachten wir bei jeder Beauftragung die regionalen Strukturen und<br />

erarbeiten maßgeschneiderte Komplettpakete, sowohl <strong>für</strong> den privaten<br />

als auch den öffentlichen Gebrauch. Mit einem starken Engagement<br />

<strong>für</strong> Qualität, Nachhaltigkeit und Kundenzufriedenheit ist INconnect<br />

mehr als nur ein Unternehmen; es ist ein Partner auf dem Weg in eine<br />

grünere Zukunft.<br />

<strong>WIKO</strong>: Wie lassen sich Ihre langjährigen Erfahrungen im Breitbandausbau<br />

auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur übertragen und welche<br />

Synergien sehen Sie zwischen den beiden Bereichen?<br />

HÜBNER: Seit Jahren sind wir ein zuverlässiger und kompetenter Partner<br />

im Sektor des Breitbandausbaus. Die zahlreichen Überschneidungen<br />

in den Bereichen Standortakquise, Planung, Genehmigung und<br />

Tiefbau zwischen Breitband- und Ladeinfrastrukturausbau eröffnen<br />

spannende, neue Herausforderungen, denen wir mit großem Enthusiasmus<br />

entgegensehen.<br />

Gerade einmal acht Jahre nach dem<br />

Start im Jahr 2015 hat sich die INconnect<br />

GmbH als bedeutender Akteur<br />

auf dem deutschen Markt etabliert,<br />

der <strong>für</strong> Landkreise, Kommunen und<br />

Unternehmen in Belangen des Breitbandausbaus,<br />

der Flächenentwicklung<br />

und der Ladeinfrastruktur unentbehrlich<br />

ist. Heute beschäftigt INconnect<br />

an mehreren Standorten mehr als 150<br />

Fachkräfte und ist ein Synonym <strong>für</strong><br />

Agilität, Leidenschaft, Innovationsgeist,<br />

Ergebnisorientierung und Zuverlässigkeit.<br />

Im Bereich des Netzausbaus<br />

übernimmt die Firma alles von der<br />

ersten Planung bis zur endgültigen<br />

Umsetzung und garantiert durch<br />

beste Vernetzung attraktive Lösungskonzepte<br />

im Infrastrukturausbau.<br />

Auch bei der Flächenentwicklung,<br />

dem Ladeinfrastrukturausbau und<br />

der Vermessung zeigt INconnect ihr<br />

Können. Durch die Bündelung von<br />

Expertise ist es möglich, den Kunden<br />

ein Servicepaket zu bieten, das Zeit<br />

spart und Synergien nutzt, während<br />

es die höchsten Standards in Qualität<br />

und Kundenzufriedenheit garantiert.<br />

INconnect GmbH<br />

Junkers-Ring 17<br />

85098 Großmehring<br />

Tel. 08 41 / 99 35 25 - 0<br />

www.INconnect.de<br />

kontakt@inconnect.de<br />

MitarbeiterInnen: 150<br />

Geschäftsführer:<br />

Melanie De Matteis,<br />

Kevin-Christian Grether<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

15


Anzeige<br />

60 Jahre Raffinerie Ingolstadt<br />

Gunvor Raffinerie Ingolstadt GmbH<br />

Essostraße 1<br />

85092 Kösching<br />

Telefon 08 41 / 5 08 - 0<br />

www.gunvor-raffinerie-ingolstadt.de<br />

Der 22. April 1964 war ein großer<br />

Tag <strong>für</strong> die Region Ingolstadt: Nach<br />

gerade einmal 18 Monaten Bauzeit<br />

wurde mit der Esso Raffinerie Ingolstadt<br />

die damals größte Raffinerie<br />

Bayerns von führenden Vertretern<br />

des Konzerns, Bayerns Ministerpräsident<br />

Alfons Goppel und Wirtschaftsminister<br />

Dr. Otto Schedl<br />

offiziell eröffnet. In Betrieb gegangen<br />

war die Raffinerie bereits Ende<br />

1963.<br />

<strong>Das</strong> Unternehmen, über dem seit inzwischen<br />

mehr als zehn Jahren die<br />

Fahne der Gunvor weht, reihte sich<br />

damit in die Riege der fünf Raffinerien<br />

ein, die allesamt in den 60er-<br />

Jahren gebaut und Ingolstadt zum<br />

bayerischen Zentrum der Ölverarbeitung<br />

gemacht haben. Während<br />

andere Raffinieren im Lauf der folgenden<br />

Jahrzehnte verschwanden,<br />

ist die Gunvor Raffinerie Ingolstadt<br />

dank permanenter Investitionen in<br />

Sicherheit, Umweltschutz und Effizienz<br />

auf dem neuesten Stand der<br />

Technik und bereit <strong>für</strong> die Zukunft.<br />

Eine bewegte Geschichte hatte der<br />

Standort dennoch: Im April 2007<br />

ging die Esso Raffinerie Ingolstadt<br />

in den Besitz der Petroplus über. Mit<br />

der Insolvenz des Unternehmens im<br />

Januar 2012 begann <strong>für</strong> den Standort<br />

eine bange Zeit. Bereits im Mai<br />

2012 aber gab es einen Neuanfang:<br />

Die Gunvor Group erwarb die Raffinerie.<br />

Als einer der größten unabhängigen<br />

Rohstoffhändler der Welt<br />

ist Gunvor in den Bereichen Handel,<br />

Transport, Lagerung und Verarbeitung<br />

von Öl und anderen Energieprodukten<br />

tätig. Ideale Voraussetzungen<br />

also, um auch in Zukunft <strong>–</strong> nach<br />

60 Jahren Raffinerie-Geschichte <strong>–</strong><br />

ein verlässlicher Partner, Arbeitgeber<br />

und Nachbar <strong>für</strong> die Stadt Ingolstadt,<br />

den Landkreis <strong>Eichstätt</strong> und<br />

deren Bürger zu sein!<br />

Erzählen Sie Ihre Geschichte!<br />

Kontakt: info@wiko-ei.de<br />

Nächste Erscheinung:<br />

Oktober 2024<br />

WIRTSCHAFTSKOMPASS EICHSTÄTT<br />

16<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


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Wir gestalten die Mobilität der Zukunft.<br />

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Pionierleistungen <strong>für</strong> ganz spezielle<br />

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komplexer Bauteile über<br />

die Montage bis zur Messtechnik).<br />

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seit über 40 Jahren <strong>für</strong> höchste<br />

Qualitätsstandards und Präzision.<br />

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unserer Anlagen stehen<br />

wir unseren Kunden auch bei zukunftsträchtigen<br />

Projekten, beispielsweise<br />

im Bereich Elektromobilität,<br />

als verlässlicher Partner<br />

zur Seite. Unsere Premiumkunden<br />

aus der Automobilbranche schätzen<br />

unsere Zuverlässigkeit und<br />

Flexibilität, versichern Geschäfts-<br />

führer Helmut Häckl und Betriebsleiter<br />

Thomas Eichenseer.<br />

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Unsere Azubis werden von Anfang<br />

an bestmöglich unterstützt.<br />

So können wir die Gestalter der<br />

Automobilindustrie von morgen<br />

auf ihrem Weg begleiten und ihnen<br />

das optimale Rüstzeug <strong>für</strong> ihre berufliche<br />

Laufbahn mitgeben. Für<br />

Studierende und Bachelors bieten<br />

wir viele Vorteile und interessante<br />

Werkstudententätigkeiten, Bachelorarbeiten<br />

und Praktika an. Nach<br />

dem Studium gibt es die Chance<br />

auf Übernahme in ein dauerhaftes<br />

Arbeitsverhältnis mit attraktiven<br />

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<strong>Das</strong> beinhaltet auch<br />

die enge Kooperation mit namhaften<br />

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Dieselstraße 10<br />

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Telefon 0 84 56 / 96 77 - 0<br />

Telefax 0 84 56 / 96 77 - 5 00<br />

Regional verankert, global vernetzt<br />

Die Christoph Liebers GmbH ist genau<br />

der Mittelstand, der Deutschland<br />

groß gemacht hat. Familiengeführt,<br />

vor Ort präsent, technisch<br />

innovativ und dynamisch. Verantwortung<br />

gegenüber der Region und<br />

den Mitarbeitern ist eine Selbstverständlichkeit.<br />

„Die Zusammenarbeit<br />

mit allen Mitarbeitern gründet<br />

sich auf einen respektvollen Umgang<br />

miteinander“, heißt es in der<br />

Firmenphilosophie.<br />

Zum Engagement vor Ort gehört,<br />

dass man als Ausbildungsbetrieb<br />

aktiv ist und so <strong>für</strong> Nachwuchs im<br />

Betrieb sorgt. Die Auszubildenden<br />

erwartet ein Betrieb, der regional<br />

zu Hause ist, aber international produziert.<br />

Mit klaren, offenen Hierarchien<br />

und Chefs, die man noch persönlich<br />

kennt. Bewerbungen nimmt<br />

das Unternehmen gerne entgegen.<br />

Aktiv ist man in einem Bereich, der<br />

viele Perspektiven bietet. Die Christoph<br />

Liebers GmbH verdient ihr<br />

Geld mit Platinen und Werkzeugen<br />

<strong>für</strong> die Draht-Gestrickindustrie. Die<br />

Innovationskraft und hohe Umsetzungsqualität<br />

des Mittelständlers<br />

bescherten ihm seit Jahrzehnten<br />

Aufträge in aller Welt. <strong>Das</strong> Unternehmen<br />

beliefert mehr als 30.000<br />

Kunden in über 90 Ländern.<br />

Wie viel (Familien-)Geschichte in<br />

diesem Unternehmen steckt, erkennt<br />

man schon an den Farben<br />

des Logos <strong>–</strong> es ist kein Zufall, dass<br />

es an die Flagge Schwedens erinnert.<br />

Für Christoph Paul Liebers<br />

war das eine kleine Verbeugung vor<br />

dem Land, das seiner Familie nach<br />

der Vertreibung im Jahr 1945 eine<br />

vorübergehende Heimat bot. Nur<br />

so konnte die Wiederansiedlung in<br />

Deutschland gelingen <strong>–</strong> und damit<br />

die Fortsetzung einer inzwischen<br />

fast 150-jährigen industriellen Familiengeschichte.<br />

Nach dem Tod von Christoph<br />

Liebers im Jahr 2021 führt nun die<br />

nächste Generation der Familie die<br />

Geschäfte und will mit neuer Kraft<br />

die Zukunft gestalten. <strong>–</strong>js<strong>–</strong><br />

Christoph Liebers GmbH & Co. KG<br />

Lilienthalstraße 21<br />

85080 Gaimersheim<br />

Tel. 0 84 58 / 32 76 - 0<br />

info@liebers.de<br />

www.liebers.de<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

17


Dem Land steht eine<br />

Revolution ins Haus<br />

Von Jan Stephan<br />

Zwei Dinge stehen fest.<br />

Erstens: Die Energiewende<br />

wird die Aufgabe<br />

dieser Generation. Zweitens:<br />

Sie wird auf dem<br />

Land entschieden. <strong>Das</strong><br />

bedeutet nichts weniger<br />

als eine Revolution.<br />

Wenn es um die Energiewende geht,<br />

tut man auf dem Land gerne so, als<br />

wäre man zwangsverpflichtet, als Kleiner<br />

dem Großen den Arsch zu retten.<br />

<strong>Das</strong> ist auf interessante Art und Weise<br />

richtig und falsch zugleich.<br />

Geht es um die Einwohner, ist der<br />

Landkreis <strong>Eichstätt</strong> ein Zwerg im Vergleich<br />

zu München. Rund 1,5 Millionen<br />

Menschen in der Landeshauptstadt<br />

stehen gut 135.000 in <strong>Eichstätt</strong><br />

gegenüber. Geht es um die Fläche,<br />

sieht die Sache anders aus: Der Landkreis<br />

<strong>Eichstätt</strong> ist fast viermal so groß<br />

wie das stolze München. Da aber Fläche<br />

die Währung der Energiewende<br />

ist, macht sich das „kleine“ München<br />

vielleicht zu Recht Hoffnungen, vom<br />

großen <strong>Eichstätt</strong> gerettet zu werden.<br />

Eben alles eine Frage der Perspektive,<br />

wie der Kabarettist Helmut Schleich<br />

jetzt sagen würde und selbstverständlich<br />

recht hätte.<br />

Es braucht sehr viel mehr Platz mit PV-<br />

Platten und Rotoren Sonne und Wind<br />

zu ernten, als Öl aus einem Loch zu<br />

pumpen. Dort, wo es diesen Platz gibt,<br />

wird in den kommenden Jahren und<br />

Jahrzehnten entschieden, ob eines der<br />

größten Menschheitsprojekte glückt:<br />

die Energiewende. Und davon ist <strong>–</strong><br />

Pathos an <strong>–</strong> vielleicht tatsächlich die<br />

Zukunft der Menschheit, wie wir sie<br />

kennen, abhängig <strong>–</strong> Pathos aus.<br />

Natürlich, schneidige Ankündigungen<br />

zur Rettung der Welt gab es in den vergangenen<br />

Jahrzehnten viele, und passiert<br />

ist oft wenig. Diesmal sollte man<br />

an der Entschlossenheit der Akteure<br />

aber nicht zweifeln. Und zwar aus<br />

mehreren Gründen.<br />

Innenpolitische: Wenn der grüne Minister<br />

<strong>für</strong> Wirtschaft und Klimaschutz,<br />

Robert Habeck, die Energiewende versemmelt,<br />

ist das wie ein Jahr ohne Titel<br />

<strong>für</strong> die Bayern. Habeck könnte dann<br />

auch gleich mit dem SUV ins Ministerium<br />

fahren, Gendern übertrieben<br />

und fleischlose Ernährung doof finden.<br />

Kurzum: Es wäre politischer Selbstmord.<br />

Außenpolitische: Seit der russischen<br />

Invasion in der Ukraine ist klar, Energie<br />

kann eine Waffe sein. Sich diese<br />

Energie aus Staaten zu besorgen, <strong>für</strong><br />

deren politische Zuverlässigkeit man<br />

die Hand lieber nicht ins Feuer legt, ist<br />

auf Dauer keine Grundlage <strong>für</strong> stabile<br />

Verhältnisse. Energiepolitik ist Sicherheitspolitik<br />

geworden <strong>–</strong> und die durfte<br />

schon immer etwas kosten.<br />

Wirtschaftliche: Putin ist einer der<br />

erfolgreichsten Förderer der Energiewende.<br />

Erst seit seinem Abschied aus<br />

18<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


dem Kreis der Zurechnungsfähigen<br />

ist die deutsche Wirtschaft flächendeckend<br />

zum Fan der Erneuerbaren geworden.<br />

Es geht vielen Unternehmen<br />

nicht mehr um ein grünes Mäntelchen,<br />

es geht ihnen jetzt um Interessen. Die<br />

mittelfristige Verfügbarkeit von Energie<br />

aus verlässlichen Quellen.<br />

Diese drei Entwicklungen verbinden<br />

sich zu einem einzigen großen Rückenwind<br />

<strong>für</strong> den Ausbau der erneuerbaren<br />

Energien. Auf einmal sind Dinge möglich,<br />

die noch vor Jahren als illusorisch<br />

galten. Zum Beispiel, dass in Bayern<br />

auf dem flachen Land neue Windräder<br />

gebaut werden. Zahlreiche Windräder,<br />

sogar sehr viele in einem kleinen Bereich<br />

des <strong>Eichstätt</strong>er Landkreises. Aber<br />

dazu später mehr.<br />

Zunächst einen Sprung in die lokale<br />

Wirtschaft. Wie sieht man die neue<br />

Lust auf grüne Energie hier? Ziemlich<br />

einheitlich, kann man feststellen.<br />

„Die Themen der Zukunft werden<br />

die Energiewende, der Arbeitsmarkt<br />

und generell das Thema Souveränität<br />

und Infrastruktur sein“, sagt Thomas<br />

Hirsch. Und die Energiewende steht<br />

bei ihm aus gutem Grund am Anfang<br />

dieser Aufzählung.<br />

Der 34-Jährige ist Gründer des <strong>Eichstätt</strong>er<br />

Unternehmens Hirsch Engineering,<br />

das als eine Art Bilderbuch-<br />

Start-up des Landkreises gilt. Der<br />

Jung-Unternehmer hat als Selfmademan<br />

binnen weniger Jahre eine beeindruckende<br />

Innovationsschmiede aus<br />

dem Boden gestampft.<br />

In ganz Deutschland ist Hirsch unterwegs<br />

und in Verbänden und Gremien<br />

vernetzt. Auch international war er<br />

mehrfach als Mitglied von Wirtschaftsdelegationen<br />

der bayerischen Staatsregierungen<br />

auf Reisen. Der 34-Jährige<br />

hat den Blick über den <strong>Eichstätt</strong>er<br />

Tellerrand. Und seine Einschätzung<br />

ist klar. Hirsch: „Energie ist überall<br />

Thema.“ Von Kasachstan bis Kösching.<br />

Ganz ähnlich sieht das Manuel Karrer.<br />

„Zugang zu grüner Energie wird<br />

ein Riesenthema werden“, sagt der Bereichsleiter<br />

Beschaffung beim Autozulieferer<br />

FKT GmbH aus Pförring. „<strong>Das</strong><br />

Thema Nachhaltigkeit wird noch ein<br />

ganz großes. Wer sich dem verschließt,<br />

der kann in Zukunft überhaupt nicht<br />

mehr <strong>für</strong> die OEMs (Fahrzeughersteller,<br />

d. Red.) fertigen.“<br />

Die Automobilkonzerne wollen weg<br />

vom Schmuddelimage als Klimakiller.<br />

Neben der Umstellung vom Verbrenner<br />

auf den E-Antrieb hat man<br />

längst die Produktion der Autos im<br />

Blick. Audi hat als Ziel ausgegeben<br />

bis 2025 in Ingolstadt CO2-neutral zu<br />

produzieren. <strong>Das</strong> geht nur, wenn auch<br />

die Zulieferer ihre Teile grün anliefern.<br />

Immerhin beziehen die Hersteller 70<br />

bis 75 Prozent der Komponenten eines<br />

Fahrzeugs von Fremdfirmen.<br />

Auftragsvergaben der Automobilkonzerne<br />

werden schon jetzt von<br />

konkreten CO2-Reduktionen bei Zulieferern<br />

abhängig gemacht. Wer das<br />

nicht packt, bekommt keine Aufträge<br />

mehr. Deshalb hat man gerade im Ingolstädter<br />

Umfeld in der Wirtschaft<br />

ein starkes Interesse, Zugriff auf große<br />

Mengen grüner Energie zu bekommen.<br />

Bei der FKT GmbH in Pförring kümmert<br />

man sich um derlei Dinge selbst.<br />

„Wir haben ein Forschungsprojekt<br />

mit der Technischen Hochschule Ingolstadt.<br />

Da geht es darum, komplett<br />

grüne Energie aus Gas zu bekommen.<br />

Unter anderem aus Biogas und Wasserstoff“,<br />

erklärt Manuel Karrer. „<strong>Das</strong><br />

soll auch eine Blaupause <strong>für</strong> andere<br />

Unternehmen werden, weil das in Zukunft<br />

ein Wettbewerbsvorteil ist.“<br />

Zugriff auf grüne Energie wird also so<br />

wichtig wie Fachkräfte und gute Verkehrsanbindung?<br />

<strong>Das</strong> gibt dem Ausbau<br />

der Erneuerbaren und der zugehörigen<br />

Speichertechnik eine neue wirtschaftliche<br />

Dimension. Können Windräder<br />

auf dem <strong>Eichstätt</strong>er Jura in Zukunft<br />

helfen, Arbeitsplätze im Landkreis zu<br />

sichern? Möglich, auch wenn es bis dahin<br />

noch ein gutes Stück Weg ist.<br />

„ Der Beginn der<br />

Wasserstoffwirtschaft in<br />

relevantem, industriellem<br />

Umfang„<br />

Aber man ist in der Region in Teilen<br />

schon dabei, das große Rad zumindest<br />

mitzudrehen. Immerhin sollen in Pollenfeld<br />

und <strong>Eichstätt</strong> neun Windräder<br />

gebaut werden, die Teil der stramm<br />

vom Freistaat geförderten Wasserstoff-<br />

Initiative BayH2 sind. In der haben<br />

sich der Energiekonzern Vattenfall,<br />

Bayerns größte Raffinerie Bayernoil<br />

mit Sitz im nahen Neustadt an der<br />

Donau sowie die Bayerischen Staatsforsten<br />

zu einer Projektgesellschaft zusammengeschlossen.<br />

Deren Ziel: Ab 2025 soll erstmals in<br />

Bayern ein Elektrolyseur in industriellem<br />

Maßstab große Mengen grünen<br />

Strom in Wasserstoff umwandeln. Der<br />

Beginn der Wasserstoffwirtschaft in relevantem,<br />

industriellem Ausmaß.<br />

Zunächst soll der grüne Wasserstoff<br />

den Energiebedarf der Raffinerie decken<br />

und so Diesel und Benzin ein bisschen<br />

grüner machen, mittelfristig aber<br />

auch als Treibstoff <strong>für</strong> Brennstoffzellen-Fahrzeuge<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Zusätzlich kann man sich Wasserstoff-<br />

Pipelines vorstellen, um die Industrie<br />

im Umfeld mit dem grünen Gas regional<br />

zu versorgen. Womit man beim<br />

Thema Standortvorteil wäre. „Wir haben<br />

zuletzt immer wieder Nachfragen<br />

aus der Wirtschaft, von Unternehmen,<br />

die sich nach unserem Wasserstoff er-<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

19


kundigen“, erklärt BayH2-Projektleiter<br />

Andreas Scharf im Gespräch mit unserem<br />

Magazin. „Da gibt es ein hohes<br />

Interesse.“<br />

Während man in den Strategieabteilungen<br />

der Unternehmen also am<br />

Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft<br />

arbeitet, macht man sich in den westlichen<br />

Gemeinden des Landkreises<br />

<strong>Eichstätt</strong> ein paar Sorgen mit Blick auf<br />

die schöne neue Welt. Denn so wie es<br />

aussieht, wird man hier die Hauptlast<br />

der Energiewende tragen müssen. Hier<br />

wir die Revolution noch umwälzender<br />

als im Rest des ländlichen Raums. <strong>Das</strong><br />

hat viel mit Wirtschaftsminister Robert<br />

Habeck und nicht wenig mit Bayerns<br />

Ministerpräsident Markus Söder<br />

(CSU) zu tun.<br />

Weil unter anderem Bayern sich vor<br />

rund einem Jahrzehnt mit dem 10H-<br />

Erlass aus dem Zubau der Windkraft<br />

verabschiedete, hat der grüne Bundesminister<br />

dem Freistaat die Daumenschrauben<br />

angelegt. <strong>Das</strong> Windan-Land-Gesetz<br />

schreibt vor, dass in<br />

jedem Bundesland 1,8 Prozent der<br />

Landesfläche bis 2032 <strong>für</strong> die Windkraft<br />

zur Verfügung stehen müssen.<br />

Gelingt das nicht, gelten Windräder als<br />

privilegierte Bauvorhaben und dürfen<br />

<strong>–</strong> soweit sie die Immissonsrichtlinien<br />

einhalten <strong>–</strong> überall aufgestellt werden.<br />

Aus planerischer Sicht ist das ein<br />

Horrorszenario. Nicht mal Windkraftenthusiasten<br />

fänden es gut. Dies<br />

würde den Wildwuchs der Windkraft<br />

bedeuten. Ohne jede Steuerung und<br />

Konzentration. Auch wenn sie keiner<br />

wirklich will, als Drohkulisse ist die<br />

Landrat Alexander Anetsberger<br />

<br />

Foto: Natalie Schulda<br />

Privilegierung erfolgreich. Sich den<br />

weißblauen Himmel von internationalen<br />

Hedgefonds verspargeln zu lassen,<br />

daran will in der CSU keiner schuld<br />

sein. Also kommt die bayerische Staatspartei<br />

in Sachen Windkraft zähneknirschend<br />

in die Gänge.<br />

<strong>Das</strong> 1,8-Prozent-Flächenziel hat man<br />

an die 18 bayerischen Planungsverbände<br />

weitergereicht. Jeder <strong>für</strong> sich soll<br />

diesen Wert auf seinem Gebiet umsetzen.<br />

Für die oberbayerischen Regionen,<br />

die wenig bestehende Windkraftflächen<br />

einbringen können, ist das eine<br />

fordernde Aufgabe. In der Planungsregion<br />

10 balanciert diese aber am Rande<br />

der Unmöglichkeit. Der Landkreis<br />

<strong>Eichstätt</strong>, die Stadt Ingolstadt sowie die<br />

Landkreise Neuburg-Schrobenhausen<br />

und Pfaffenhofen an der Ilm sind hier<br />

„ Es würde mich<br />

wundern, wenn das<br />

widerstandslos über<br />

die Bühne geht.„<br />

zusammengeschlossen. In dem Gremium<br />

wird sonst festgelegt, wo in der<br />

Region Kies, Sand oder Lehm abgebaut<br />

werden oder große Gewerbegebiete<br />

entstehen dürfen <strong>–</strong> neuerdings verhandelt<br />

man hier auch die ganz große<br />

Zukunft der Windkraft in der Region.<br />

Womit man beim Kernproblem wäre:<br />

Die Zukunft der Windkraft soll zwar<br />

groß sein, aber die Flächen, die <strong>für</strong><br />

sie zur Verfügung stehen, sind klein.<br />

„Nach Anwendung der harten Ausschlusskriterien<br />

bleiben überhaupt nur<br />

noch drei Prozent Fläche, die theoretisch<br />

<strong>für</strong> Windkraft geeignet wären“,<br />

erklärt <strong>Eichstätt</strong>s Landrat Alexander<br />

Anetsberger (CSU) im Gespräch mit<br />

unserem Magazin. Und diese Flächen<br />

liegen fast ausschließlich im Nordwesten<br />

des Landkreises <strong>Eichstätt</strong>.<br />

Also dort, wo ohnehin schon rund 50<br />

Prozent der gesamten oberbayerischen<br />

Windräder stehen.<br />

„So weit, so schlecht“, kommentierte<br />

Anetsberger das Ergebnis der Erstanalyse,<br />

die im Sommer im Planungsverband<br />

vorgestellt wurde. Er weiß, dass<br />

ihm damit ein einigermaßen anstrengendes<br />

und politisch nicht ungefährliches<br />

Projekt ins Haus steht. Er selbst<br />

spricht lieber von einer „sehr herausfordernden<br />

Aufgabe, die kein Spazier-<br />

gang wird.“<br />

<strong>Das</strong> Problem: Der Planungsverband<br />

hat wenig Masse zur Auswahl. Er<br />

wird einen erheblichen Teil dieser<br />

theoretisch möglichen drei Prozent als<br />

Windkraftflächen ausweisen müssen.<br />

Andernfalls verfehlt er das 1,8-Prozent-Ziel<br />

und es droht der Spargel-<br />

Wildwuchs.<br />

„Die Gesetzeslage ist, wie sie ist, und<br />

wird nicht mehr weggehen“, stellt der<br />

Landrat im Gespräch nüchtern fest<br />

und macht damit klar, dass die Revolution<br />

nicht ausfällt. Fachlich gibt es<br />

nichts daran zu rütteln, dass fast ausschließlich<br />

der <strong>Eichstätt</strong>er Nordwesten<br />

Windflächen zu bieten hat. „Es gibt<br />

in der Planungsregion einfach einen<br />

großen Gürtel von West nach Ost, wo<br />

gar nichts geht in Sachen Windkraft“,<br />

erklärt Annetsberger. „Wir haben da<br />

in der Mitte eine Großstadt, dann zwei<br />

Flughäfen (Manching und Neuburg, d.<br />

Red.) und generell eine dichte Besiedlung<br />

und dann im Norden noch einen<br />

Naturpark …“<br />

Gemeinden wie Titting, Pollenfeld,<br />

Schernfeld, Kaldorf oder <strong>Eichstätt</strong><br />

bleiben nach dem Ausschluss-Verfahren<br />

übrig. Genau die Gemeinden, die<br />

schon viele Rotoren haben, sollen also<br />

nun die Hauptausbaulast einer ganzen<br />

Planungsregion tragen. „Es würde<br />

mich wundern, wenn das widerstandslos<br />

über die Bühne geht“, ahnt Anetsberger.<br />

„Niemand ist begeistert, wenn<br />

man ihm ein Windrad vor die Haustür<br />

stellt.“<br />

Zumal es eher nicht bei einem bleiben<br />

wird. Etwa 5000 Hektar neuer Windkraftflächen<br />

muss die Planungsregion<br />

<strong>Eichstätt</strong> ausweisen. Auf denen könnten<br />

rein rechnerisch rund 300 neue<br />

Windräder gebaut werden. Bei großzügiger<br />

Bemessung der ebenfalls möglichen,<br />

kleineren Flächen im Süden von<br />

Pfaffenhofen und bei Neuburg käme<br />

man grob überschlagen auf 200 mögliche<br />

Windradstandpunkte auf dem<br />

engen Raum des <strong>Eichstätt</strong>er Nordens.<br />

Rechenspiele, die Landrat Anetsberger<br />

nicht schätzt. „<strong>Das</strong> ganze Ausgerechne,<br />

wie viel Windräder theoretisch auf<br />

diese Fläche passen, das ist eine akademische<br />

Beschäftigung. <strong>Das</strong> hat mit<br />

dem, was tatsächlich passiert, nichts<br />

zu tun.“ Er dürfte recht behalten. Eine<br />

20<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Die Freiflächen-Photovoltaik wird es allein nicht machen. Hier gelten die Potentiale im<br />

Landkreise <strong>Eichstätt</strong> sogar als übererfüllt.<br />

Ausweisung bedeutet nicht, dass auch<br />

überall gebaut wird. Da<strong>für</strong> müssen<br />

willige Investoren, fähige Planungsbüros<br />

und windkraftfreundliche Grundstückseigentümer<br />

zusammenkommen.<br />

Allerdings gibt es <strong>für</strong> alle drei Seiten<br />

finanzielle Argumente.<br />

Wie viel mehr Anlagen es am Ende<br />

werden? <strong>Das</strong> kann zum jetzigen Zeitpunkt<br />

niemand exakt sagen. Aber:<br />

<strong>Das</strong>s es auf einer vergleichsweise kleinen<br />

Fläche im <strong>Eichstätt</strong>er Nordwesten<br />

erheblich mehr werden, steht außer<br />

Frage. Eine Verdoppelung der Windräder<br />

von 50 auf rund 100 dürfte kein<br />

unrealistisches Szenario sein. Die Revolution,<br />

sie fällt also keineswegs aus.<br />

Zumal es nicht nur mehr Windräder,<br />

sondern auch erheblich höhere werden<br />

dürften. Die neuen Anlagen bringen<br />

es auf Gesamthöhen von fast 300 Metern.<br />

<strong>Das</strong> ist in etwa sechsmal so hoch<br />

wie die Türme des <strong>Eichstätt</strong>er Doms.<br />

Eine solche Entwicklung brächte vieles<br />

mit sich. Eine Explosion der elektrischen<br />

Leistung, Investitionen von<br />

sicher einer halben Milliarde Euro aufwärts,<br />

aber eben auch eine grundlegende<br />

Veränderung des Landschaftsbilds.<br />

Deshalb sieht Anetsberger den Landkreis<br />

in der Pflicht, die Revolution zu<br />

zähmen. „Wir wollen uns hier nicht<br />

auf unsere gesetzliche Rolle zurückziehen,<br />

wir wollen das mitgestalten. Planungsbehörde<br />

sein, aber auch Initiator<br />

und Kommunikator.“<br />

Und mit dem Kommunizieren fängt er<br />

gleich an. „Man muss den Menschen<br />

sagen, dass das ein gesamtgesellschaftlicher<br />

Prozess ist, den wir gemeinsam<br />

meistern müssen. Aber es wird auch<br />

darum gehen, dass die Menschen nicht<br />

nur ein Opfer <strong>für</strong> die Allgemeinheit<br />

bringen, sondern auch ganz greifbar<br />

etwas davon haben.“ Mit ein bisschen<br />

Belohnung geht einem die Weltrettung<br />

eben leichter von der Hand. Es<br />

geht darum, dass von dem Geld, das<br />

„ Mit ein bisschen<br />

Belohnung geht einem<br />

die Weltrettung eben<br />

leichter von der Hand.„<br />

mit den Anlagen gemacht wird, auch<br />

etwas dort bleibt, wo diese Anlagen in<br />

der Landschaft herumstehen.<br />

<strong>Das</strong> lief auf den ersten Metern der<br />

Energiewende bescheiden. Oft fielen<br />

überregionale Planungsunternehmen<br />

mit dem Geld von internationalen Investoren<br />

über die Gemeinden her und<br />

baten sie, etwas <strong>für</strong> die Energiewende<br />

zu tun. Von der Wertschöpfung blieben<br />

vielfach nur Pachtzahlungen an<br />

den Grundstückseigentümer. Gerade<br />

bei großen Windparkprojekten fielen<br />

die Gewerbesteuereinnahmen geringer<br />

aus als erhofft, weil Verkäufe und<br />

Abschreibungen den Ertrag schmälerten.<br />

„Da ist in der Vergangenheit einiges<br />

schiefgelaufen“, stellt Anetsberger mit<br />

Blick auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

fest. Diesmal aber soll<br />

es anders werden <strong>–</strong> gerade deswegen<br />

wollen Landkreis und Gemeinden<br />

sich mit mehr Selbstbewusstsein einmischen.<br />

Aber wie soll das alles gehen<br />

mit dem Profit vor Ort <strong>für</strong> alle? Der<br />

<strong>Eichstätt</strong>er Landrat nennt finanzielle<br />

Beteiligungsmöglichkeiten <strong>für</strong> Bürger,<br />

relevante Einnahmen <strong>für</strong> die Kommunen<br />

und einen regional günstigeren<br />

Stromtarif <strong>für</strong> Bürger windkraftreicher<br />

Gemeinden. Alles wünschenswert <strong>–</strong><br />

bis auf den letzten Punkt aber auch<br />

nicht neu.<br />

Wie wäre es denn mit einer Revolution<br />

in der Revolution? Der Landkreis und<br />

die Kommunen als Investor, Planer<br />

und Energieproduzent? Man hat schon<br />

wildere Vorschläge gehört. Immerhin<br />

würde es sich eher um Renaissance<br />

denn Revolution handeln. Laut Bayerischer<br />

Gemeindeordnung sind die<br />

Gemeinden <strong>für</strong> Energieplanung und<br />

Energieversorgung zuständig. Man hat<br />

diese Aufgaben in der Energiewelt der<br />

Vergangenheit nur sehr gerne weiter<br />

nach oben delegiert. Vielleicht ist es<br />

nun, in einer neuen Welt, wieder Zeit,<br />

sich diesen Bereich zurückzuholen?<br />

Landrat Anetsberger scheint jener<br />

Idee nicht abgeneigt. „Grundsätzlich<br />

wäre es schon eine Option, da auch aktiv<br />

in Erscheinung zu treten und vielleicht<br />

sogar mit eigenem Personal eigene<br />

Projekte zu projektieren“, erklärt<br />

er im Gespräch mit <strong>WIKO</strong>. Warum<br />

die Gewinne Investoren und Planern<br />

überlassen, wenn sie doch auch bei<br />

einer unternehmerischen Tochter des<br />

Landkreises oder Gemeinden bleiben<br />

könnten?<br />

Mit dem Geld aus der Energiewende<br />

ließen sich dann öffentliche Leistungen<br />

wie Bäder, Jugendzentren, Sportanlagen<br />

oder öffentlicher Nahverkehr<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

21


finanzieren und kämen allen zugute.<br />

Anders übrigens als bei dem weit verbreiteten<br />

Instrument der Bürgerbeteiligung.<br />

Da profitieren nur diejenigen,<br />

die Geld zum Investieren haben <strong>–</strong> und<br />

das sind eben nicht alle.<br />

„ Es wird Gemeinden<br />

geben, da reden wir von<br />

zehn Prozent Windkraftflächen„<br />

chen zu sichern. Tatsächlich drängt die<br />

Zeit. Schon kommendes Jahr müssen<br />

die Planungsverbände nachweisen,<br />

dass sie vorankommen. Gemessen am<br />

sonstigen Tempo von Verwaltungen,<br />

ist man beim Wind-an-Land-Gesetz<br />

mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs.<br />

Auch daran zeigt sich, wie viel Druck<br />

auf dem Kessel ist.<br />

„Wir müssen jetzt in einen Prozess mit<br />

den betroffenen Kommunen gehen.<br />

Wir müssen sehen, dass das verkraftbar<br />

bleibt und wir die Auswüchse vermeiden.“<br />

Für Anetsberger bedeutet das<br />

auch: „Bei der Auswahl der Flächen<br />

darf nicht die wirtschaftliche Optimierung<br />

das alleinige Kriterium sein, sondern<br />

auch die Verträglichkeit.“<br />

Ortswechsel: <strong>Eichstätt</strong>, die Domstadt<br />

im Tal mit ihren Flächen auf der Hochebene,<br />

gehört zu den Kommunen, die<br />

das 1,8-Prozent-Ziel <strong>für</strong> die Planungsregion<br />

10 schultern werden müssen.<br />

Der <strong>Eichstätt</strong>er Oberbürgermeister Josef<br />

Grienberger (CSU) begegnet dem<br />

Thema mit demonstrativer Gelassenheit.<br />

Die Zahlen schüttelt er quasi aus<br />

dem Ärmel.<br />

„Wir haben in <strong>Eichstätt</strong> aktuell ungefähr<br />

1,8 Prozent unserer Stadtfläche<br />

<strong>für</strong> die Windkraft vorgesehen. Damit<br />

lägen wir also genau auf dem Ziel, das<br />

der Bund will. Aber nach der Sitzung<br />

des Planungsverbands ist klar, dass wir<br />

wohl einen erheblichen Anteil beim<br />

Thema Wind <strong>für</strong> die Region 10 über-<br />

Anetsberger hat eine Art Kreiswerke<br />

ins Spiel gebracht. Im Gespräch<br />

mit unserem Magazin nimmt er aber<br />

etwas Tempo heraus. „<strong>Das</strong> ist sicher<br />

eher ein Fernziel“, stellt er mit Blick<br />

auf eine eigene Energieabteilung des<br />

Landkreises fest. Jetzt müsse es erst<br />

mal darum gehen, die Revolution in<br />

geordnete Bahnen zu lenken und Flänehmen<br />

müssen.“<br />

Ganz konkret heißt das?<br />

„<strong>Das</strong> reine Flächenpotenzial bei uns<br />

entspricht rund acht Prozent der Stadtfläche.<br />

Aber da sind auch Sachen<br />

dabei, die politisch aus meiner Sicht<br />

nicht durchsetzbar sind, aber ich habe<br />

meinem Stadtrat gesagt, dass wir uns<br />

da rauf einrichten müssen, dass wir uns<br />

mit vier bis sechs Prozent Windkraftflächen<br />

auseinandersetzen müssen.“<br />

Die Reaktion?<br />

Grienberger: Es gab jetzt keine großen<br />

Proteste. Vielleicht auch, weil die <strong>Eichstätt</strong>er<br />

wissen, dass es die Berggemeinden<br />

noch härter treffen wird. „Ich denke,<br />

es wird Gemeinden geben, da reden<br />

wir wahrscheinlich von zehn Prozent<br />

Windkraftflächen“, sagt der <strong>Eichstätt</strong>er<br />

Oberbürgermeister.<br />

Auch er ist der Meinung, dass sich die<br />

Weltrettung mit einer gewissen Belohnung<br />

leichter erklären lässt. Oder anders<br />

formuliert: „Es stellt sich halt jetzt<br />

die Frage, gibt es da auch wirtschaftliche<br />

Chancen? Hat das einen Umfang,<br />

dass man sagt, wir machen zehn Windräder,<br />

da<strong>für</strong> sparen wir uns ein Gewerbegebiet<br />

…“<br />

Die Einspeisevergütung an die Kommunen<br />

sei jetzt rechtlich schon auf<br />

einem besseren Niveau: Bei einem<br />

großen Windpark mit zehn bis 15 Anlagen<br />

könnte man wohl allein über die<br />

Abgaben mit jährlichen Einnahmen<br />

von 100.000 bis 200.000 Euro <strong>für</strong> eine<br />

Gemeinde rechnen. Eine Summe, die<br />

bei modernen Windrädern sogar höher<br />

ausfallen dürfte. Grienberger: „Diese<br />

Summe ändert jetzt nicht alles, aber<br />

sie ist ein Beitrag zur Stabilisierung<br />

und Diversifizierung.“ Zumal Gewerbesteuer<br />

und eventuelle Pachteinnahmen<br />

hier noch <strong>für</strong> deutlich höhere Erlöse<br />

sorgen können.<br />

Noch besser wäre die Rendite nur,<br />

wenn man als Kommune selbst ein<br />

Windrad baut. Etwas, das unter OB<br />

Joseph Grienberger aber in <strong>Eichstätt</strong><br />

eher nicht passieren wird. „Es wird immer<br />

unterstellt, dass der Betrieb einer<br />

Windkraftanlage ein sicheres Gewinngeschäft<br />

ist, aber das ist eine Annahme.<br />

Die Windkraft ist aus meiner Sicht ein<br />

finanzielles Hochrisiko-Investment.<br />

Man ist zu 100 Prozent von etwas abhängig,<br />

das man nicht im Griff hat:<br />

dem Wetter.“ Für eine Gemeinde sei<br />

der Invest in ein Windrad aus seiner<br />

Sicht viel zu risikoreich.<br />

Am Ende sei es auch eine Frage der<br />

Zeit: „Wir müssen uns von der Illusion<br />

frei machen, alle Probleme gleichzeitig<br />

lösen zu wollen. <strong>Das</strong> geht nicht, wir<br />

müssen Prioritäten setzen.“ Warum<br />

also sollten die Kommunen auf dem<br />

Feld von Windrädern oder PV-Parks<br />

selbst aktiv werden, wenn es doch<br />

ausreichend Marktteilnehmer gibt,<br />

die diese Anlagen bauen wollen, fragt<br />

Grienberger. „<strong>Das</strong>s ein Teil des Geldes<br />

dann vor Ort bleibt, das ist doch<br />

eine Frage der Rahmenbedingungen,<br />

da müsste etwa beim Thema Gewerbesteuern<br />

der Gesetzgeber noch mal<br />

ran.“<br />

„ Die Windkraft ist<br />

aus meiner Sicht ein<br />

finanzielles<br />

Hochrisiko-Invest„<br />

Während andere von Einnahmen aus<br />

eigenen Windrädern träumen, will<br />

Grienberger die Energiewende bei der<br />

Wärme gewinnen, wo<strong>für</strong> es <strong>–</strong> siehe<br />

weiteren Artikel <strong>–</strong> durchaus Argumente<br />

gibt. „Ich finde es sinnvoll, sich auf<br />

die Wärmewende zu konzentrieren, da<br />

gibt es nämlich keine privaten Akteure,<br />

die das umsetzen. Oder glauben Sie,<br />

Vattenfall und Co warten darauf, <strong>für</strong><br />

100 Häuser mit 100 unterschiedlichen<br />

Besitzern in, sagen wir, Beilngries ein<br />

individuelles Wärmenetzkonzept umzusetzen?<br />

Nein, das macht keiner, da<br />

muss die Kommune ran.“<br />

In <strong>Eichstätt</strong> ist man beim Thema Wärmenetz<br />

schon seit 13 Jahren aktiv und<br />

arbeite daran, dass zu den zwei bestehenden<br />

noch ein drittes hinzukommt.<br />

Grienberger; „Da kann man aus meiner<br />

Sicht die Big Points machen.“<br />

Wobei man in diesem großen Spiel erst<br />

mal definieren müsste, wo<strong>für</strong> es Punkte<br />

gibt. Die Förderung der Weltrettung?<br />

Die Sicherung der Energieversorgung?<br />

Die wirtschaftliche Wertschöpfung?<br />

Oder entscheidet am Ende eine Kombination<br />

aus allen drei Faktoren, wer<br />

in der Revolution alles richtiggemacht<br />

hat?<br />

22<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


<strong>Das</strong> Märchen von der<br />

lokalen Energiewende<br />

Von Jan Stephan<br />

Man tut, was man kann,<br />

und ist im Landkreis <strong>Eichstätt</strong><br />

bis 2035 klimaneutral?<br />

Weit gefehlt. Andere<br />

tun mehr, und ohne Schönrechnerei<br />

ist die lokale<br />

Energiewende weit weg.<br />

Ungefähr die Hälfte aller oberbayerischen<br />

Windräder stehen im Landkreis<br />

<strong>Eichstätt</strong>. <strong>Das</strong> hört man oft, wenn es<br />

lokal um die erneuerbaren Energien<br />

geht. Subtext: In <strong>Eichstätt</strong> hat man<br />

die Zeichen der Zeiten erkannt. Beim<br />

Ausbau der Erneuerbaren ist man vorne<br />

dabei. <strong>Das</strong> wird schon alles mit der<br />

Energiewende.<br />

Da kann man sich dann also zwischen<br />

Altmannstein und Mörnsheim ein wenig<br />

zurücklehnen und auch von den<br />

Großkopferten dieser Welt ein bisschen<br />

Klimarettung einfordern. Muss<br />

ja nicht nur der kleine Landkreis <strong>Eichstätt</strong><br />

die Welt retten. Ist doch so, oder?<br />

Ähh, leider nein, ist ziemlich offensichtlich<br />

nicht so. Wer hinter die Kulissen<br />

der lokalen Energiewende blickt,<br />

sieht schnell, dass man erst am Anfang<br />

eines Prozesses steht, von dem längst<br />

nicht gesagt ist, ob er auch gelingen<br />

wird. Fünf Kritikpunkte.<br />

Erstens <strong>–</strong> der Windkraftvergleich:<br />

Es kommt beim Vergleichen immer<br />

darauf an, wen man sich als Referenzobjekt<br />

ausguckt. Den Nachbarn rechts<br />

mit dem Maserati unter dem Carport<br />

oder den links mit dem angerosteten<br />

Fiat Panda im Vorgarten.<br />

In Sachen Windkraft ist der Freistaat<br />

Bayern der Nachbar mit dem Panda<br />

auf dem Rasen. Und innerhalb dieses<br />

Freistaats wiederum ist Oberbayern<br />

der Rost auf der alten Schüssel. Zu-<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

23


sammen mit Niederbayern hat man<br />

im Freistaat die wenigsten Windräder.<br />

Ausgerechnet im Kernland des selbst<br />

ernannten „Himmels auf Erden“ hinkt<br />

man in Sachen Windkraft also deutlich<br />

hinterher. <strong>Das</strong> hat ein paar nachvollziehbare<br />

Gründe <strong>–</strong> unter anderem die<br />

Alpen sowie große Natur- und Landschaftsschutzgebiete<br />

<strong>–</strong>, macht den Vergleich<br />

deswegen aber nicht prestigeträchtiger.<br />

<strong>Eichstätt</strong> mag man in Sachen Windkraft<br />

in Oberbayern weit vorne sein,<br />

aber eben nur, weil unter den Blinden<br />

der Einäugige zum König gemacht<br />

wird. <strong>Das</strong> wäre ein bisschen so, als<br />

würde sich die deutsche Nationalmannschaft<br />

die Bilanz der letzten Jahre<br />

schönreden, indem man feststellt,<br />

dass man erheblich weniger Tore als<br />

das Team aus San Marino bekommen<br />

hat. Schon irgendwie richtig, aber eben<br />

auch ein schiefer Vergleich.<br />

Wendet man den Blick nach Westen,<br />

sieht man aus <strong>Eichstätt</strong>er Perspektive<br />

schnell, dass es mit der Windkraft auch<br />

anders geht. In Weißenburg-Gunzenhausen<br />

stehen aktuell 61 Windkraftanlagen.<br />

Und das, obwohl der Landkreis<br />

<strong>Eichstätt</strong> um ein Drittel größer ist als<br />

der mittelfränkische Nachbar. Zum<br />

Vergleich: Der deutsche Landkreis mit<br />

den bundesweit meisten Windrädern<br />

ist <strong>–</strong> wenig überraschend <strong>–</strong> Nordfriesland.<br />

Hier drehen sich 827 (!) Windkraftanlagen.<br />

Fazit: <strong>Eichstätt</strong> ist in Oberbayern spitze<br />

in Sachen Windkraft, nur ist Oberbayern<br />

in Sachen Windkraft extrem<br />

schlecht.<br />

Zweitens <strong>–</strong> wie viel Strom wird vor<br />

Ort produziert?<br />

Auch hier schaut man im Landkreis<br />

auf den ersten Blick ordentlich aus. 68<br />

Prozent des im Landkreis verbrauchten<br />

Stroms werden rein rechnerisch vor<br />

Ort erzeugt. Mit Windrädern (22%),<br />

Photovoltaikanlagen (25%), Biomasse<br />

(21%) oder Wasserkraft (0,45%). Diese<br />

Zahlen spuckt der Energieatlas der<br />

Bayerischen Staatsregierung aus.<br />

<strong>Das</strong> Umweltbundesamt hat sich gerade<br />

erst gefreut, dass fast 50 Prozent<br />

des deutschen Strombedarfs inzwischen<br />

im Land selbst erzeugt werden.<br />

Alles super also? Immerhin liegt man<br />

in <strong>Eichstätt</strong> fast 20 Prozent über diesem<br />

Wert. Leider nein, denn auch hier<br />

hinkt der Vergleich.<br />

Denn wenn die Energiewende gelingen<br />

soll, muss das Land die Stadt<br />

retten. In München, Hamburg, Berlin<br />

oder eben auch Ingolstadt, Augsburg,<br />

Regensburg oder Nürnberg wird weit<br />

mehr Energie verbraucht als auf dem<br />

Land. Klar, hier leben viele Menschen,<br />

hier haben große Unternehmen ihre<br />

Produktionen, hier gibt es viel energieintensive<br />

Infrastruktur.<br />

In den Metropolen des Landes wird<br />

aber nicht nur mehr Strom verbraucht,<br />

es wird auch erheblich weniger erneuerbare<br />

Energie erzeugt als auf dem<br />

Land. Klar, es fehlt bei all den Hochhäusern,<br />

Fabrikhallen und Unternehmenssitzen<br />

an Platz <strong>für</strong> Windräder,<br />

PV-Parks oder Biogasanlagen. Im Umkehrschluss<br />

heißt das: Auf dem Land<br />

muss deutlich über den eigenen Bedarf<br />

hinaus Energie produziert werden, um<br />

die industriellen und urbanen Zentren<br />

des Landes mitzuversorgen.<br />

„ In Nürnberg werden<br />

drei Prozent des Strombedarfs<br />

aus regenerativen<br />

Quellen gedeckt„<br />

Und das wird es heute auch schon in<br />

vielen ländlichen Bereichen Deutschlands,<br />

anders wäre eine immerhin<br />

50-prozentige Deckung des Strombedarfs<br />

schon jetzt gar nicht machbar.<br />

Aus dieser Perspektive bekommen die<br />

68 Prozent aus <strong>Eichstätt</strong> dann doch ein<br />

paar Kratzer im Lack.<br />

Erst recht, wenn man schaut, wie die<br />

Nachbarlandkreise so dastehen. Neuburg-Schrobenhausen<br />

kommt auf<br />

einen Deckungsgrad von 103 Prozent,<br />

Weißenburg-Gunzenhausen auf 115<br />

und Neumarkt auf 121 Prozent. Klar,<br />

es gibt auch Roth (51%) und Kelheim<br />

(54%), aber schon die 37 Prozent aus<br />

Ingolstadt sind weniger Beruhigung<br />

<strong>für</strong> <strong>Eichstätt</strong> als Beleg <strong>für</strong> die These,<br />

dass das Land die Stadt retten muss.<br />

In Nürnberg etwa werden nur drei<br />

Prozent des eigenen Strombedarfs aus<br />

regenerativen Quellen gedeckt. Und<br />

dieser Strombedarf ist zudem noch<br />

knapp viermal so hoch wie der des gesamten<br />

Landkreises <strong>Eichstätt</strong>. Regens-<br />

burg kommt auf neun Prozent, Augsburg<br />

auf 13 und München auf gerade<br />

mal zwei. So hübsch man die beiden<br />

Windräder neben der Allianz Arena<br />

auch finden mag …<br />

Fazit: <strong>Eichstätt</strong> liegt bei der regenerativen<br />

Stromerzeugung über dem Bundesschnitt,<br />

aber deutlich niedriger als<br />

vergleichbare andere ländliche Landkreise.<br />

Drittens <strong>–</strong> bei der Wärme gewinnt<br />

man die Schlacht.<br />

<strong>Das</strong> Schlachtfeld, auf dem die Energiewende<br />

gewonnen wird, ist nicht der<br />

Stromverbrauch, sondern der Wärmebedarf.<br />

Ein Umstand, der öffentlich<br />

erstaunlich beständig ignoriert wird.<br />

Zum Vergleich: Im Landkreis <strong>Eichstätt</strong><br />

werden knapp 770 Millionen Kilowattstunden<br />

Strom pro Jahr verbraucht, es<br />

müssen aber jedes Jahr 3,5 Milliarden<br />

Kilowattstunden Energie aufgebracht<br />

werden, um Häuser, Schulen und<br />

Fabriken zu heizen und mit warmem<br />

Wasser zu versorgen. Der Wärmeverbrauch<br />

macht also das gut 4,5-Fache<br />

des Strombedarfs aus.<br />

Umso verheerender, dass der Deckungsgrad<br />

aus regional Erneuerbaren<br />

hier viel schlechter ist als beim Strom.<br />

Nur 16 Prozent der Wärmeenergie im<br />

Landkreis <strong>Eichstätt</strong> kommen aus nachhaltigen<br />

Quellen. Bei denen handelt<br />

es sich im Wesentlichen um Biomasse.<br />

Von Blockheizkraftwerken mit Hackschnitzeln<br />

über von Biogasabwärme<br />

gespeiste Nahwärmenetze bis hin zu<br />

privaten Pellets- und Scheitholzheizungen.<br />

Im Gegensatz zur Stromproduktion<br />

liegt man bei der Wärmeproduktion<br />

im Landkreis unter dem bundesweiten<br />

Schnitt von rund 17,5 Prozent. Weißenburg-Gunzenhausen<br />

bringt es hier<br />

auf 28 Prozent <strong>–</strong> unter anderem wegen<br />

der hohen Dichte der nicht unumstrittenen<br />

Biogasanlagen <strong>–</strong> Neumarkt ist<br />

mit 27 Prozent ebenfalls stark, Kelheim<br />

(17%) und Roth (16%) liegen auf <strong>Eichstätt</strong>er<br />

Niveau, Schrobenhausen (12%)<br />

und Ingolstadt (3%) deutlich darunter.<br />

Fazit: Was beim Strom noch ganz gut<br />

aussieht, ist bei der viel wichtigeren<br />

Wärme fatal. Man ist immer noch zu<br />

mehr als 80 Prozent abhängig von fossilen<br />

Energieträgern.<br />

24<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Viertens <strong>–</strong> die Energiewende stolpert<br />

aus dem Startblock.<br />

Immer stolzere Ziele werden <strong>für</strong> die<br />

Treibhausgasneutralität ausgegeben.<br />

Deutschland will bis 2045 klimaneutral<br />

sein, Bayern bis 2040, und<br />

der Landkreis <strong>Eichstätt</strong> hat in diesem<br />

Jahr verkündet, das bis 2035 schaffen<br />

zu wollen. In zwölf Jahren also. Dann<br />

müsste man sich jetzt auf der Zielgeraden<br />

der Energiewende befinden. In<br />

Wahrheit allerdings kann man das Ziel<br />

selbst mit dem Fernglas nicht entdecken.<br />

Echte Klimaneutralität bis 2035<br />

im Landkreis <strong>Eichstätt</strong> ist Stand heute<br />

völlig illusorisch.<br />

„ Echte Klimaneutralität<br />

bis 2035 im Landkreis<br />

ist Stand heute<br />

völlig illusorisch„<br />

Warum so viel Skepsis? Nun, wegen<br />

der harten Fakten. Rechnet man die<br />

Versorgungslücken von Strom und<br />

Energiewende <strong>–</strong> die eigentliche Revolution<br />

muss erst noch kommen. Die öffentlichkeitswirksamen<br />

Ankündigungen<br />

sind nicht einzuhalten.<br />

Fünftens <strong>–</strong> die ganze Rechnung ist<br />

Unsinn.<br />

Was sich da im Energieatlas des Freistaats<br />

bis auf die einzelne Kommune<br />

hinab an Prozentzahlen herunterziehen<br />

lässt, ist gut gemeint<strong>–</strong> mit der<br />

systemischen Realität von Energieversorgung<br />

hat es allerdings nichts zu tun.<br />

Man ignoriert das Grundproblem der<br />

erneuerbaren Energie, dass sie nicht<br />

auf Knopfdruck verfügbar ist. Die<br />

Sonne scheint nicht den ganzen Tag<br />

und der Wind weht keine 365 Tage im<br />

Jahr. Man ignoriert, dass man an sonnigen,<br />

windreichen Tagen im Sommer<br />

nicht weiß, wohin mit all dem grünen<br />

Strom, und Anlagen abschalten muss,<br />

damit das Stromnetz nicht in die Knie<br />

geht. Man lässt beiseite, dass es Tage<br />

im Winter gibt, an denen man die Sonne<br />

nie zu Gesicht bekommt und kein<br />

Wärme im Landkreis <strong>Eichstätt</strong> zusammen,<br />

ergibt sich der gigantische Wert Wasserstoff <strong>–</strong><br />

Lüftchen sich regt, sodass man Strom<br />

Regenerativer<br />

von weit her holen muss, damit in<br />

von 3,2 Milliarden Kilowattstunden, <strong>Eichstätt</strong> nicht die Lichter ausgehen.<br />

Schlüsselkomponente<br />

die im Landkreis nach wie vor aus<br />

nicht regenerativen Energiequellen gewonnen<br />

werden. Lediglich ein rundes maneutralität verkauft, tut so, als ob Wer 100 Prozent Erneuerbare als Kli-<br />

<strong>für</strong> die bayerische Energiewende<br />

Viertel aller im Landkreis verbrauchten<br />

Energie in den Bereichen Wärme<br />

mal eben das Speicherproblem der Erneuerbaren<br />

Wirtschaft.<br />

gelöst hätte. Eine Leistung,<br />

Der flexible Energieträger <strong>für</strong> Bayerns<br />

und Strom stammt aus erneuerbaren <strong>für</strong> die man so ungefähr drei bis fünf<br />

Quellen.<br />

Nobelpreise bekommen würde. Die<br />

werden einstweilen aber wohl andere einem halben Atomkraftwerk entspräche.<br />

Nur <strong>für</strong> den Landkreis <strong>Eichstätt</strong>.<br />

Mit Nur regenerativem um einen Eindruck Wasserstoff zu bekommen,<br />

von welchem Energieäquiva-<br />

kann Energie Besitzer gespeichert, finden, denn transportiert es gibt natürlich und sektorenübergreifend<br />

<strong>für</strong> die Dekarbonisierung genutzt<br />

Speichertechnologien,<br />

werden. Voraussetzung<br />

aber einstweilen<br />

nur solche mit hohen Umwand-<br />

Fazit: Man ist schon Lichtjahre davon<br />

lent hier die Rede ist: mit dem jährlichen<br />

<strong>Eichstätt</strong>er Energieloch im industriellen von 3,2 Maßstab lungsverlusten. und mit CO 2-frei erzeugtem entfernt, Strom erfolgt. die aktuelle Energieproduk-<br />

ist, dass die<br />

Wasserstoffproduktion<br />

Hier Milliarden hat das Projekt Kilowattstunden BayH2 Vorbildcharakter.<br />

könnte<br />

man acht Billionen Männer rasieren,<br />

365.000 Jahre einen Fernseher oder<br />

einen Desktop-PC laufen lassen, 435<br />

Milliarden Scheiben Brot toasten oder<br />

48 Milliarden Hemden bügeln.<br />

Fazit: Trotz aller Bemühungen<br />

in Sachen<br />

Wenn die Wasserstoffwirtschaft eines<br />

Tages Realität werden sollte und überschüssigen<br />

Strom in speicherbares<br />

Gas umwandeln könnte, hätte man<br />

das Versorgungsproblem vielleicht gelöst,<br />

aber auf Kosten einer erheblich<br />

höheren Energieproduktion. Nach<br />

der Umwandlung von Strom in Wasserstoff<br />

und der Rückverwandlung zu<br />

Strom in Generatoren bleiben von 100<br />

Kilowattstunden noch 40 übrig. Der<br />

Rest wird weitgehend als Wärme frei <strong>–</strong><br />

die in Teilen genutzt werden kann und<br />

dann den Wirkungsgrad verbessert,<br />

aber das sind dann schon die Feinheiten.<br />

Der Punkt ist: 100 Prozent erneuerbare<br />

Energien sind viel zu wenig, wenn<br />

man Klimaneutralität anstrebt. Wegen<br />

der Speicherproblematik, aber auch<br />

weil komplett neue Bereiche bei einem<br />

Abschied von den Fossilen auf Strom<br />

umstellen müssten. Die Mobilität mit<br />

ihren E-Antrieben ist bei den aktuellen<br />

Strombedarfen noch kaum berücksichtigt,<br />

der Boom der Wärmepumpen<br />

wird ebenfalls <strong>für</strong> einen erheblichen<br />

Anstieg sorgen.<br />

2019 haben Wissenschaftler vom Forschungszentrum<br />

Jülich einmal grob<br />

hochgerechnet, was es denn <strong>für</strong> die<br />

Stromproduktion bedeuten würde,<br />

wenn Deutschland klimaneutral sein<br />

will. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis,<br />

dass man mindestens 80 Prozent<br />

mehr Strom brauchen würde, als<br />

heute verbraucht wird. Damit wüchse<br />

das jährliche <strong>Eichstätt</strong>er Stromloch<br />

dann schon auf 5,76 Milliarden Kilowattstunden<br />

an, was ziemlich genau<br />

tion klimaneutral sicherzustellen, man<br />

braucht aber <strong>für</strong> viele Bereiche in Zukunft<br />

noch viel, viel mehr Strom, wenn<br />

man klimaneutral<br />

werden will.<br />

BAYERNOIL<br />

Schematische Darstellung der Wasserstofferzeugung<br />

und Anwendung im Vorhaben BayH2<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

25


Von Hitze und dem<br />

Blumentopfeffekt<br />

Von Uwe Ritzer<br />

26<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Der Landkreis <strong>Eichstätt</strong><br />

verfügt über große Wasserreserven.<br />

Einerseits.<br />

Doch andererseits sinken<br />

wie in ganz Deutschland<br />

auch hier die Grundwasserstände<br />

und die<br />

Pegel der Flüsse <strong>–</strong> der<br />

Klimawandel lässt grüßen.<br />

Was ist zu tun?<br />

Katastrophenwarnungen klingen anders,<br />

dramatischer. Aber der Mitte Juni<br />

<strong>2023</strong> verbreitete Aufruf der Wasserzweckverbände<br />

Altmühltal-Denkendorf-Kipfenberg<br />

und der <strong>Eichstätt</strong>er<br />

Berggruppe ließ dennoch an Klarheit<br />

nichts zu wünschen übrig. Es sei heiß<br />

und regne zu wenig, hieß es da. Gleichzeitig<br />

steige der Wasserverbrauch. In<br />

Spitzenzeiten übersteige die Entnahme<br />

„die mögliche Förderleistung der Anlagen<br />

<strong>–</strong> was zum Absinken des Wassers<br />

in den Wassertürmen und Behältern<br />

führen kann“. Aktuell sei die Situation<br />

„noch nicht akut <strong>–</strong> kann aber in Notsituationen,<br />

also etwa, wenn Löschwasser<br />

gebraucht wird, zu Engpässen<br />

führen“. Deshalb, so die drei kommunalen<br />

Versorger, solle die Bevölkerung<br />

sparsam mit Trinkwasser umgehen.<br />

Auf Autowaschen, Pools befüllen oder<br />

das Reinigen von Terrassen mit Trinkwasser<br />

möglichst verzichten. Oder<br />

duschen, anstatt sich zu baden. Außerdem<br />

würde es helfen, wenn Grünanlagen,<br />

Gärten, Sportplätze und auch<br />

Gemüsegärten nicht mehr, zumindest<br />

aber weniger gegossen würden.<br />

Der Aufruf ist umso bemerkenswerter,<br />

weil der Landkreis <strong>Eichstätt</strong> bislang<br />

nicht zu den Regionen Bayerns oder<br />

Deutschlands zählt, die unter Wasserknappheit<br />

leiden oder wo eine solche<br />

unmittelbar bevorsteht. In weiten Teilen<br />

Nord- und Ostdeutschlands ist das<br />

der Fall, auch in Unterfranken und<br />

anderen Gebieten Nordbayerns. Im<br />

Landkreis <strong>Eichstätt</strong> aber müsse niemand<br />

Angst haben, dass in absehbarer<br />

Zeit die Trinkwasserversorgung schwächelt,<br />

sagt Stephan Daum, zuständiger<br />

Abteilungsleiter und Vize-Chef des<br />

Wasserwirtschaftsamtes Ingolstadt auf<br />

<strong>WIKO</strong>-Anfrage. „<strong>Das</strong> Grundwasserdargebot<br />

<strong>für</strong> die Trinkwasserversorgung<br />

ist <strong>für</strong> die nächsten Jahrzehnte<br />

ausreichend.“ Von der Menge her<br />

werde auch in Zukunft ausreichend<br />

Trinkwasser <strong>für</strong> die Bürgerinnen und<br />

Bürger zur Verfügung stehen. <strong>Das</strong> ist<br />

die gute Nachricht. Doch es gibt auch<br />

eine schlechte.<br />

Denn es gibt gleichzeitig einen Negativtrend.<br />

„<strong>Das</strong> Wasserwirtschaftsamt<br />

Ingolstadt beobachtet seit Jahren fallende<br />

Grundwasserstände und sehr<br />

niedrige Abflüsse in den Gewässern<br />

im Landkreis <strong>Eichstätt</strong>“, sagt Stephan<br />

Daum. Die fallenden Grundwasserstände<br />

„sind auch außerhalb<br />

von Trinkwasserbrunnen vorhanden.<br />

Wir führen dies auf die verminderte<br />

Grundwasserneubildung in den letzten<br />

Jahren zurück. Die schnee- und<br />

niederschlagsarmen Winter der letzten<br />

Jahre haben zur Verringerung der<br />

Grundwasserneubildung beigetragen.“<br />

Mit anderen Worten: Die Wasservorräte<br />

schrumpfen. Dazu muss man wissen:<br />

Knapp 65 Prozent des Trinkwassers<br />

in Deutschland wird aus Grundwasser<br />

gewonnen, weitere 16 Prozent aus<br />

Uferfiltrat. Zwei Drittel des neuen<br />

Grundwassers bilden sich während<br />

der Wintermonate, weil die Pflanzen<br />

in dieser Jahreszeit dem Boden kaum<br />

Wasser entziehen. Allein deshalb sind<br />

niederschlags- und schneearme Winter<br />

ein Problem. Der Negativtrend<br />

lässt sich auch an Flüssen und Seen<br />

ablesen, oberirdisch also: Die Altmühl<br />

oder etwa der Pfünzer Bach führen seit<br />

Jahren weniger Wasser.<br />

„ Deutschland steuert<br />

langsam, aber sicher auf<br />

einen Wassernotstand<br />

zu„<br />

<strong>Das</strong> bekanntermaßen <strong>für</strong> Mensch<br />

und Natur überlebenswichtige Allgemeingut<br />

Wasser ist nichts, was sich an<br />

Stadt-, Landkreis-, Landes- oder Staatsgrenzen<br />

hält. Insofern lohnt sich auch<br />

bei der Betrachtung und Beurteilung<br />

der Situation in einem Landkreis wie<br />

<strong>Eichstätt</strong> der Blick über den Gartenzaun.<br />

2,2 Milliarden Menschen weltweit<br />

haben der UN zufolge keinen<br />

Zugang zu sauberem Wasser, weitere<br />

knapp anderthalb Milliarden leben<br />

diesbezüglich in großer Unsicherheit.<br />

Die Hälfte der Erdbevölkerung, etwa<br />

vier Milliarden Menschen, erlebt mindestens<br />

in einem Monat pro Jahr Wasserknappheit.<br />

In Deutschland hat dies die breite Öffentlichkeit<br />

lange nicht interessiert,<br />

warum auch? Wasser war stets im<br />

Überfluss vorhanden, und im globalen<br />

Vergleich ist das immer noch so. Aber<br />

fatalerweise werden die wasserarmen<br />

Landstriche mit jedem Hitzesommer<br />

mehr. Deutschland, darin sind sich alle<br />

Experten einig, steuert langsam, aber<br />

sicher auf einen Wassernotstand zu, sofern<br />

sich im Umgang mit der Ressource<br />

Wasser nichts Gravierendes ändert. Es<br />

wird hierzulande mehr verbraucht, als<br />

sich neu bildet.<br />

Lange im Überfluss<br />

Hauptgrund <strong>für</strong> die Veränderung ist<br />

der Klimawandel. Die Erderwärmung<br />

zieht im Sommer immer längere Hitzeperioden<br />

nach sich, was höheren<br />

Wasserverbrauch <strong>für</strong> Mensch und<br />

Natur, aber auch eine höhere Wasserverdunstung<br />

nach sich zieht. Regen,<br />

auch das eine bereits spürbare Folge<br />

des Klimawandels, fällt immer häufiger<br />

als Extrem-Niederschlag auf die Erde,<br />

in solchen gewaltigen Mengen und mit<br />

einer Wucht binnen kürzester Zeit,<br />

dass der Boden das Wasser nicht mehr<br />

verarbeiten kann.<br />

Es fließt oberflächlich ab, ohne dass<br />

es in den Boden versickert und sich in<br />

den Trinkwasserkreislauf integriert. Es<br />

ist wie mit einer Zimmerpflanze. Wer<br />

sie vertrocknen lässt und dann irgendwann<br />

gießt, kann beobachten, wie das<br />

Wasser nicht in der bröselig-trockenen<br />

Erde versickert, sondern rechts<br />

und links den Blumentopf hinabfließt.<br />

Eine bedingt durch den Klimawandel<br />

um vier bis fünf Grad höhere Durchschnittstemperatur<br />

pro Jahr würde bis<br />

zu 30 Prozent weniger Niederschlag<br />

im Sommer und zehn Prozent mehr<br />

Regen im Winter bedeuten, haben Klimaforscher<br />

wie der Würzburger Professor<br />

Heiko Paeth ausgerechnet.<br />

Experten in den Stadtwerken und bei<br />

den kommunalen Wasserversorgern<br />

haben diese Negativtrends längst auf<br />

dem Schirm, denn sie kämpfen bereits<br />

damit. Bei einer im Juni <strong>2023</strong> veröffentlichten<br />

Umfrage des Branchenverbands<br />

DVGW gaben ein Drittel<br />

der öffentlichen Versorger an, dass ihre<br />

Wasserkapazitäten an heißen Tagen<br />

zu 90 Prozent oder mehr ausgelastet<br />

seien. Jeder fünfte Versorger erlebte<br />

im Hitzejahr 2022 mindestens einen<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

27


Versorgungsengpass. Auch das Wasserwirtschaftsamt<br />

Ingolstadt nennt<br />

die „Zeichen des Klimawandels klar<br />

erkennbar“, wie der stellvertretende<br />

Behördenleiter Daum einmal in einem<br />

Interview mit dem Donaukurier formulierte.<br />

Wo aber wird das Trinkwasser <strong>für</strong> den<br />

Landkreis <strong>Eichstätt</strong> überhaupt gewonnen?<br />

Der Kern der Kreisstadt, Marienstein/<br />

Rebdorf und Wasserzell schöpfen seit<br />

Beginn des Jahrtausends ihr Trinkwasser<br />

hauptsächlich aus dem sogenannten<br />

„Gewinnungsgebiet Pfünzer<br />

Forst“. Dort werden jährlich 1,2 Millionen<br />

Kubikmeter gewonnen, was<br />

nach Angaben der Stadtwerke vertretbar<br />

und nachhaltig ist. Über eine<br />

drei Kilometer lange Leitung wird das<br />

Wasser zum eigentlichen Leitungssystem<br />

transportiert, aus dem heraus die<br />

Haushalte versorgt werden. Einher mit<br />

alledem <strong>–</strong> noch eine gute Nachricht <strong>–</strong><br />

sank der Wasserverbrauch vor allem<br />

der privaten Haushalte im Einzugsgebiet<br />

der Stadtwerke über Jahre hinweg<br />

kontinuierlich; nun aber scheint wie<br />

vielerorts die Tiefstmarke erreicht.<br />

Gaimersheim und Wettstetten sowie<br />

zum Teil Großmehring werden nach<br />

Angaben des Wasserwirtschaftsamtes<br />

von den Stadtwerken Ingolstadt aus<br />

deren Brunnen der „Wasserschutzgebiete<br />

Augraben und Krautbuckel“<br />

heraus versorgt, die auch zum Teil im<br />

Landkreis <strong>Eichstätt</strong> liegen. Die Gemeinde<br />

Lenting versorgt auch die Gemeinden<br />

Hepberg und Stammham<br />

mit Wasser (Gewinnungsgebiet „Am<br />

Kalkbrenner“) und der Zweckverband<br />

zur Wasserversorgung der Altmannsteiner<br />

Gruppe aus den Brunnen<br />

Steinsdorf, Laimerstadt und Kohlmühle<br />

(die beiden Letzteren liegen nicht<br />

mehr im <strong>Eichstätt</strong>er Kreisgebiet) viele<br />

Menschen und Ortsteile im Osten des<br />

Landkreises.<br />

In Bezug auf Wasser, sagt Experte<br />

Daum vom Wasserwirtschaftsamt,<br />

könne man „nicht allgemein vom<br />

Landkreis <strong>Eichstätt</strong> sprechen“. Der<br />

„ Langfristig muss es<br />

gelingen, die Schadstoffe<br />

im Trinkwasser<br />

zu verringern„<br />

sei nämlich „kein homogenes Gebilde,<br />

sondern ist sehr unterschiedlich,<br />

was die geologische Situation betrifft“.<br />

Dementsprechend sei „das verfügbare<br />

Wasserdargebot im Landkreis auch<br />

sehr unterschiedlich ausgeprägt“. Mit<br />

anderen Worten: In einigen Gebieten<br />

des Landkreises gibt es gute, in anderen<br />

<strong>für</strong> die Neubildung ungünstigere<br />

geologische Verhältnisse.<br />

Dabei ist der in weiten Teilen des Kreisgebiets<br />

karstige Untergrund an sich gut<br />

geeignet, um Regenwasser schnell versickern<br />

zu lassen. Nicht selten erreicht<br />

es bereits nach wenigen Tagen Grundwasserschichten<br />

und füllt diese auf.<br />

Nur, das große Problem dabei ist: Auf<br />

dem Weg dorthin erfüllt der Boden seine<br />

natürliche Filterfunktion nur unzu-<br />

reichend. Soll heißen, das Regenwasser<br />

wird nicht so stark von Schadstoffen<br />

gereinigt, dass es umgehend als Trinkwasser<br />

wiederverwendet werden kann.<br />

Entsprechend aufwendig und teuer ist<br />

es, das Wasser technisch zu reinigen,<br />

um es wieder ins öffentliche Netz einspeisen<br />

zu können.<br />

Wie vielerorts in Deutschland sind<br />

auch im Landkreis <strong>Eichstätt</strong> Schadstoffeinträge<br />

das Problem, die nicht<br />

selten aus der Landwirtschaft resultieren.<br />

„Einzelne Wasserversorger haben<br />

insbesondere mit hohen Nitratwerten<br />

zu kämpfen“, sagt Stephan Daum.<br />

Dort sei der Wert von 40 Milligramm<br />

pro Liter in den Brunnen bereits überschritten;<br />

der Grenzwert liegt bei 50<br />

Milligramm Nitrat im Trinkwasser.<br />

Daum: „Langfristig muss es also gelingen,<br />

die Schadstoffe im Trinkwasser<br />

zu verringern beziehungsweise nicht<br />

weiter steigen zu lassen, um eine gesicherte<br />

Wasserversorgung zu haben.<br />

Einzelne Wasserversorger haben auch<br />

Nachweise von Pflanzenschutzmitteln<br />

im Brunnenwasser.“<br />

Die Wasserversorger versuchen nach<br />

seinen Angaben deshalb meist über<br />

Kooperationsverträge mit den Landwirten<br />

in den betroffenen Wasserschutzgebieten<br />

eine grundwasserschonende<br />

Bewirtschaftung zu erreichen.<br />

„Generell verpflichtet die EU- Wasserrahmenrichtlinie<br />

den ‚guten Zustand‘<br />

des Grundwassers herzustellen oder<br />

zu erhalten“, erläutert Experte Daum.<br />

„Dabei sind alle Akteure (z. B. Landwirtschaft,<br />

Industrie, Kommunen über<br />

Kläranlagen), die zu einer Verschlech-<br />

28<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Alles (noch) gut gefüllt - der Blick in einen regionalen Wasserspeicher.<br />

terung des guten Zustandes beitragen<br />

könnten, gefordert, ihre Immissionen<br />

so weit zu reduzieren, dass der Zustand<br />

des Grundwassers gut ist oder bleibt.“<br />

Die Wassermenge des Bodensees<br />

ist verschwunden, sagt die Nasa<br />

Rein quantitativ sind die Vorräte nirgendwo<br />

unerschöpflich, auch nicht<br />

im wasserreichen Landkreis <strong>Eichstätt</strong>.<br />

Wie dramatisch ist aber die Lage<br />

bundesweit? Forscher von Nasa und<br />

DLR sammeln mithilfe von Satelliten<br />

Daten über die sich stetig verändernde<br />

Schwerkraft der Erde und daraus ablesbare<br />

Veränderungen bei den Wasservorräten.<br />

Demnach hat Deutschland<br />

seit 2000 so viel Wasservorräte<br />

verloren wie kein vergleichbares Land,<br />

insgesamt in etwa die Menge des kompletten<br />

Bodensees. Andere Forscher<br />

beziffern den Verlust etwas niedriger,<br />

doch dass die Speicher sich in einem<br />

Tempo wie in kaum einem vergleichbaren<br />

anderen Land leeren, ist unstrittig.<br />

„ Deutschland hat seit<br />

2000 so viel Wasser verloren<br />

wie kein vergleichbares<br />

Land„<br />

Bereits <strong>für</strong> 2019 meldete das Deutsche<br />

GeoForschungsZentrum in Potsdam<br />

ein Wassermassendefizit von 43,7<br />

Milliarden Tonnen in Deutschland.<br />

Die Niederschläge reichen nicht aus,<br />

um die Speicher wieder vollständig zu<br />

füllen. „Wir sehen einen klaren Trend,<br />

dass es mit den Grundwasserständen<br />

ziemlich steil bergab geht“, sagt Andreas<br />

Hartmann, Professor <strong>für</strong> Siedlungswasserwirtschaft<br />

und Grundwasserexperte<br />

an der TU in Dresden.<br />

In Bayern sieht es nicht anders aus.<br />

Dem Landesamt <strong>für</strong> Umwelt zufolge<br />

sinken an knapp der Hälfte der Grundwassermessstellen<br />

im Freistaat die Pegel.<br />

Darunter, wie beschrieben, auch<br />

im Landkreis <strong>Eichstätt</strong>.<br />

<strong>Das</strong> ist kein Grund zur Panik, aber<br />

doch ein untrügliches Signal, dass auch<br />

hier etwas getan werden muss, um die<br />

Wasserversorgung langfristig sicher zu<br />

gestalten. Ein „Weiter so“ wäre vielleicht<br />

nicht kurz-, sicher aber langfristig<br />

fatal. Was getan werden muss, skizziert<br />

auf Bundesebene die Nationale<br />

Wasserstrategie. Angestoßen noch zu<br />

Zeiten von Kanzlerin Angela Merkel<br />

und im März <strong>2023</strong> von der Ampelregierung<br />

verabschiedet, soll sie sicherstellen,<br />

dass es auch in 30 Jahren und<br />

darüber hinaus überall und jederzeit<br />

hochwertiges und bezahlbares Trinkwasser<br />

gibt. „Sauberes Wasser muss<br />

immer und überall in Deutschland<br />

ausreichend verfügbar sein. Dazu<br />

müssen unser Grundwasser, unsere<br />

Seen, Bäche und Flüsse sauberer<br />

werden, außerdem müssen wir unsere<br />

Infrastruktur, Landnutzung und<br />

Stadtentwicklung an die Folgen der<br />

Klimakrise anpassen und Wasser besser<br />

in der Landschaft speichern“, sagte<br />

Bundesumweltministerin Steffi Lemke<br />

bei der Präsentation. Der natur nahe<br />

Wasserhaushalt soll gestärkt respektive<br />

wiederhergestellt werden. Die Abwasserentsorgung<br />

soll nach dem Verursacherprinzip<br />

organisiert werden.<br />

„Wasserversorgungs-Infrastruktur und<br />

Wassernutzung werden an die Folgen<br />

der Klimakrise angepasst“, heißt es in<br />

der Zusammenfassung der wichtigsten<br />

Strategieziele.<br />

„Angesichts der jetzt schon spürbaren<br />

Folgen der Klimakrise soll damit<br />

die Wasserwende eingeläutet und die<br />

Transformation in der Wasserwirtschaft<br />

beschleunigt werden“, erklärte<br />

das Bundeskabinett bei der Verabschiedung.<br />

Mit 78 Maßnahmenvorschlägen<br />

nimmt die Bundesregierung sich und<br />

alle beteiligten Akteure in die „Pflicht,<br />

bis 2050 <strong>für</strong> einen nachhaltigen Umgang<br />

mit Wasser zu sorgen.“<br />

Deutschland stünde wie seine Nachbarländer<br />

„vor erheblichen Herausforderungen,<br />

die Folgen der Klimakrise<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

29


<strong>für</strong> Mensch und Natur zwingen uns<br />

zum Handeln. Die vergangenen Dürrejahre<br />

haben deutliche Spuren in unseren<br />

Wäldern, Seen und Flüssen und<br />

in der Landwirtschaft hinterlassen.<br />

Extremwetterereignisse treten immer<br />

häufiger auf und stellen Kommunen<br />

und Länder vor große Probleme. Auch<br />

das Thema Wasserverschmutzung ist<br />

trotz vieler Erfolge noch lange nicht<br />

vom Tisch“.<br />

Für Experten unzweifelhaft muss die<br />

nach wie vor gewaltige Flächenversiegelung<br />

gestoppt werden. Zu viel<br />

Boden, in dem Regenwasser versickern<br />

könnte, wird nach wie vor überbaut<br />

und fällt daher <strong>für</strong> die Aufnahme und<br />

Weiterleitung von Wasser in den Boden<br />

hinein aus. Wasserschutzgebiete<br />

müssten ausgeweitet und in von Hochwasser<br />

gefährdeten Regionen Rückhaltesysteme<br />

gebaut werden, in denen<br />

Starkregen und heftige Niederschläge<br />

gesammelt werden können, bevor sie<br />

Schäden anrichten.<br />

Letzteres ist auch in den Städten ein<br />

Zukunftsthema. <strong>Das</strong> Land brauche<br />

mehr wassersensible Städte, so ein<br />

Ziel der Nationalen Wasserstrategie.<br />

Gemeinsam mit den Kommunen und<br />

den Fachverbänden wollen Bund und<br />

Länder ein Konzept <strong>für</strong> eine gewässersensible<br />

Stadtentwicklung entwickeln,<br />

Stichwort: „Schwammstadt“. Die bestehenden<br />

technischen Vorschriften<br />

werden dahingehend überprüft, ob sie<br />

zum Erhalt des natürlichen Wasserhaushalts,<br />

zur Klimaanpassung und<br />

Stadtnatur beitragen, und wo nötig,<br />

werden sie überarbeitet, heißt es in einer<br />

Ankündigung des Umweltministeriums.<br />

Bei vielen dieser Punkte ist man<br />

auch im Landkreis <strong>Eichstätt</strong> gefordert,<br />

auch wenn dieser über eine große Versorgungssicherheit<br />

verfügt. Was aber<br />

muss außerdem geschehen, um die<br />

Wasserversorgung im Landkreis <strong>Eichstätt</strong><br />

langfristig zu sichern?<br />

„ Für die Versorgung<br />

anderer Regionen mit<br />

Trinkwasser wäre nicht<br />

genügend Wasser da„<br />

men <strong>für</strong> Bewässerungszwecke oder<br />

großflächige Eingriffe in die Wasserschutzgebiete.<br />

Außerdem plädiert der Experte <strong>für</strong><br />

mehr Vernetzung und Zusammenarbeit<br />

der Wasserversorger untereinander<br />

und zu Aushilfe und Aufbau<br />

von Sicherheitseinrichtungen, z. B.<br />

Notbrunnen und sogenannte „Notverbünde“.<br />

Dabei werden Leitungen<br />

gebaut, über die sich die Versorger<br />

untereinander bei Bedarf aushelfen<br />

können. Einige Kommunen im Landkreis<br />

haben dies bereits getan, etwa die<br />

Verwaltungsgemeinschaft Nassenfels<br />

und die <strong>Eichstätt</strong>er Berggruppe.<br />

Dergleichen Nachbarschaftshilfe ist<br />

auch im überregionalen Maßstab ein<br />

großes Thema. Die Bayerische Staatsregierung<br />

plant neuerdings, das Gefälle<br />

zwischen dem nassen Süden und<br />

dem trockenen Norden des Freistaats<br />

über den Main-Donau-Kanal und das<br />

Fränkische Seenland als Überleiter hinaus<br />

verstärkt über Fernwasserleitungen<br />

auszugleichen. Speziell aus dem<br />

Bodensee heraus und mithilfe von Tal-<br />

Abteilungsleiter Stephan Daum vom<br />

Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt<br />

nennt gleich mehrere Handlungsfelder.<br />

Die Wasserversorger müssten<br />

„ständig überprüfen, ob die ihnen genehmigte<br />

Menge auch mit der Prognose<br />

der Bevölkerungsentwicklung<br />

übereinstimmt“, und sich an „mögliche<br />

Einflüsse der Klimaveränderung anpassen“.<br />

Außerdem müsse die technische<br />

Infrastruktur der Wasserversorgungen<br />

laufend in Schuss gehalten<br />

und ständig verbessert werden. Alte<br />

und undichte Rohrleitungen müssten<br />

ausgetauscht werden, um die Wasserverluste<br />

zu minimieren. Daum rät<br />

auch dringend, „konkurrierende Nutzungen“<br />

zu unterlassen oder nur dann<br />

zuzulassen, wenn sie verträglich seien.<br />

Als Beispiele nennt er Wasserentnahsperren<br />

im Norden und Osten Bayerns<br />

soll die Versorgung organisiert werden.<br />

<strong>Das</strong> Prinzip dahinter: Wasserreiche<br />

Regionen sollen wasserarme mitversorgen.<br />

Die Versorgung mit Trinkwasser dauerhaft<br />

zu sichern, ist eine ebenso große,<br />

wie andererseits kleinteilige Aufgabe.<br />

Viele Maßnahmen müssen ineinandergreifen,<br />

es gibt nicht den einen Knopf,<br />

den man drücken muss und alles wird<br />

gut. Vor allem Kommunalpolitiker sind<br />

gefordert, denn der sprichwörtliche<br />

Teufel steckt in Details vor Ort. Etwa,<br />

in dem keine Neubauten oder neue<br />

Baugebiete mehr genehmigt werden<br />

ohne verpflichtend vorgeschriebene<br />

Regenwasserzisternen und Brauchwasserkreisläufe.<br />

Oder aber durch<br />

standortpolitische Entscheidungen. In<br />

Nassenfels etwa werden im Schuttertal<br />

am Ortsrand Sportplätze und ein<br />

Gemeinschaftshaus (abgesegnet von<br />

der Mehrheit bei einem kommunalen<br />

Bürgerentscheid) in einem Moorgebiet<br />

gebaut. Moore sind jedoch elementar<br />

wichtig, um etwa Regenwasser im<br />

Boden zu binden. Sie speichern überdies<br />

mehr klimaschädliches Kohlendioxid<br />

als vergleichbar große Wälder.<br />

Einer im Mai 2022 vorgestellten Kartierung<br />

zufolge, verfügt der Landkreis<br />

<strong>Eichstätt</strong> insgesamt über zehn Hektar<br />

Moorgebiete. Wobei es mehr sein<br />

könnten, würde man das vorhandene<br />

Potenzial nutzen. Wer die Trinkwasserversorgung<br />

der Zukunft sichern<br />

will, dem bleibt eigentlich nichts anderes<br />

übrig.<br />

<strong>WIKO</strong>-Autor Uwe Ritzer ist Autor des<br />

Spiegel-Bestsellers „Zwischen Dürre<br />

und Flut. Deutschland vor dem Wassernotstand:<br />

Was jetzt getan werden<br />

muss“ (Penguin-Verlag <strong>2023</strong>)<br />

30<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Kommunen & Behörden<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

31


Anzeige<br />

Mit der richtigen Strategie<br />

gegen den Fachkräftemangel<br />

Fachkräftemangel? Allenthalben wird er beklagt, und<br />

ja, den Landkreis <strong>Eichstätt</strong> als einen der wirtschaftsstärksten<br />

in Bayern mit einer seit Jahren sehr niedrigen<br />

Erwerbslosenquote bei gleichzeitig hoher Arbeitskräftenachfrage<br />

trifft er besonders. Also haben sich die Verantwortlichen<br />

im Landratsamt <strong>Eichstätt</strong> entschlossen,<br />

das Problem aktiv anzugehen: mit einer eigens entworfenen<br />

Strategie <strong>für</strong> Fach- und Nachwuchskräftesicherung.<br />

Ein Teil ist dabei die Veranstaltungsreihe „Wirtschaftsimpuls“.<br />

Sie fußt auf den Ergebnissen und Handlungsempfehlungen<br />

der Wirtschaftsstrukturanalyse, die im<br />

<strong>2023</strong> waren auch Strategien erfolgreicher Fachkräftesicherung,<br />

nämlich wie man Talente gewinnen und binden<br />

kann. Bei diesen Veranstaltungen wird auf Branchen-<br />

Insights von externen Experten gesetzt, kombiniert mit<br />

den Erfahrungsberichten von ansässigen Unternehmen,<br />

um aus beiden Perspektiven heraus Herausforderungen<br />

und Lösungswege aufzuzeigen. Die Kosten dieser<br />

Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Wirtschaftsimpuls“<br />

werden komplett vom Landkreis getragen. Den hohen<br />

Zuspruch und die positive Teilnehmerresonanz bestätigen<br />

alle Beteiligten: 2024 wird es eine Fortsetzung des<br />

„Wirtschaftsimpuls“ geben. Einher mit alledem arbeitet<br />

Frühjahr 2021 <strong>für</strong> die gesamte Planungsregion 10 erhoben<br />

und 2022 veröffentlicht wurde. Ein erklärtes Ziel<br />

darin: die Weiterentwicklung und branchenübergreifende<br />

Vernetzung von Unternehmen sowie Existenzgründern<br />

im Landkreis. Vier Veranstaltungen, geografisch<br />

über das Landkreisgebiet verteilt, bieten Unternehmern<br />

Informationen zu einer breiten Palette von Themen, wie<br />

„Nachhaltigkeit“, „Wettbewerbsfähigkeit“, „Fachkräftesicherung“,<br />

„Unternehmensentwicklung“, „Innovationsförderung“<br />

oder „Digitalisierung“ an. Ein wichtiges Thema<br />

32<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Anzeige<br />

der Landkreis engagiert am Thema<br />

Nachwuchskräftesicherung. Gewissermaßen<br />

das Herzstück ist der<br />

im Juni <strong>2023</strong> erschienene „Ausbildungskompass“.<br />

Online und in 3300<br />

Exemplaren auf Papier gedruckt, will<br />

er gleichermaßen Ausbildungsbetriebe<br />

und junge Menschen, die vor der<br />

Berufswahl stehen, direkt vernetzen.<br />

Dabei geht es nicht nur um klassische<br />

Ausbildungsberufe, sondern<br />

auch um die Angebote heimischer<br />

Betriebe in Sachen Duales Studium,<br />

Praktika oder Ferienjobs. Im Juni fertiggestellt,<br />

umfasst der Ausbildungskompass<br />

insgesamt 283 Einträge<br />

von 139 ausbildenden Betrieben,<br />

Einrichtungen und Kommunen; darunter 117 Ausbildungsberufe und<br />

duale Studiengänge. <strong>Das</strong> ansprechend gestaltete Nachschlagewerk<br />

<strong>für</strong> Schüler umfasst auch die Möglichkeit einer einfachen, modernen<br />

und schnellen Bewerbung, ganz digital via Smartphone und Whatsapp.<br />

Der „Ausbildungskompass“ wurde in Schulen verteilt, liegt im<br />

Landratsamt <strong>Eichstätt</strong>, im Dienstleistungszentrum<br />

Lenting sowie<br />

bei vielen Gemeinden im Landkreis<br />

aus. Die digitale Ausgabe ermöglicht<br />

eine konkrete Umkreis-Suche<br />

und einen Berufe-Check; zudem<br />

enthält sie Vorlagen und Arbeitsmaterialien<br />

<strong>für</strong> Lehrkräfte <strong>für</strong> deren<br />

Unterricht. Der Landkreis bot ihnen<br />

auch Schulungen im Umgang mit<br />

dem „Ausbildungskompass“ an.<br />

Als praxisorientierte Ergänzung<br />

zum „Ausbildungskompass“ hat<br />

der Landkreis die „Tage der offenen<br />

Unternehmen“ ins Leben gerufen. Sie eröffnen Schülern Möglichkeiten<br />

zu ersten praktischen Erfahrungen in heimischen Unternehmen.<br />

Und sie bieten gleichzeitig die Chance, Kontakte zu knüpfen und sich<br />

in verschiedenen Berufsfeldern auszuprobieren. Dieses Projekt wurde<br />

in Zusammenarbeit mit ausgewählten Schulen und Firmen entwickelt.<br />

460 Schüler aus sieben Schulen nahmen es in Anspruch <strong>–</strong> eine hervorragende<br />

Resonanz. Angeboten wurden im Juli <strong>2023</strong> an zwei Tagen<br />

50 verschiedene Touren zu jeweils zwei Unternehmen. 49 Firmen und<br />

Einrichtungen aus neun Gemeinden haben mitgemacht und stellten<br />

ein ansprechendes Konzept <strong>für</strong> alle Interessierten auf die Beine. Dabei<br />

wurde nicht ein stupides Zuhören der Schüler verlangt, sondern diese<br />

konnten die Berufsfelder konkret austesten. Sei es bei der Herstellung<br />

eines eigenen Schlüsselanhängers, sei es beim Verlegen einer Fliese<br />

in einem Fliesenlegerunternehmen. In welchem Betrieb sie schnupperarbeiten<br />

wollten, konnten die Jugendlichen selbst auswählen oder sich<br />

überraschen lassen. <strong>Eichstätt</strong><br />

will so seine Attraktivität als moderner<br />

und zukunftsträchtiger<br />

Wirtschaftsstandort demonstrieren<br />

und ausbauen sowie<br />

gleichzeitig örtliche Unternehmen<br />

dabei unterstützen, ihren<br />

Mitarbeiterbedarf zu decken <strong>–</strong><br />

sowohl bei Fach- als auch bei<br />

Nachwuchskräften.<br />

Strategischer<br />

Weitblick<br />

<strong>Eichstätt</strong> zeigt sich entschlossen, modern<br />

und engagiert, wenn es um eine<br />

Strategie <strong>für</strong> die Fach- und Nachwuchskräftesicherung<br />

im gesamten<br />

Landkreis geht.<br />

Eines der wesentlichen Ziele der<br />

Wirtschaftsförderung ist es, die<br />

Unternehmen im Landkreis zu unterstützen.<br />

Dabei agiert die Wirtschaftsförderung<br />

<strong>Eichstätt</strong> als Bindeglied<br />

zwischen Betrieben, Arbeitssuchenden,<br />

Kooperationspartnern und anderen<br />

relevanten Stellen im Landkreis<br />

sowie darüber hinaus.<br />

Um immer auf dem neuesten Stand<br />

zu bleiben, können Interessierte den<br />

Infobrief der Wirtschaftsförderung<br />

kostenlos über die Webseite des Landkreises<br />

<strong>Eichstätt</strong> abonnieren.<br />

Landratsamt <strong>Eichstätt</strong><br />

Residenzplatz 1<br />

85072 <strong>Eichstätt</strong><br />

Tel. 0 84 21 / 70 - 0<br />

www.landkreis-eichstaett.de<br />

poststelle@lra-ei.bayern.de<br />

MitarbeiterInnen: 740<br />

Landrat: Alexander Anetsberger<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

33


Anzeige<br />

Pulsierende Gemeinde,<br />

attraktiver Ausbildungsbetrieb<br />

Markt Gaimersheim<br />

Marktplatz 3<br />

85080 Gaimersheim<br />

Tel. 0 84 58 / 32 44 - 0<br />

info@gaimersheim.de<br />

www.gaimersheim.de<br />

Sie ist so etwas wie der pulsierende,<br />

wirtschaftliche Kern des Landkreises<br />

<strong>Eichstätt</strong> und bietet vor allem<br />

eine lebenswerte Umgebung:<br />

die Gemeinde Gaimersheim. Sie ist<br />

aber auch ein vielseitiger Arbeitgeber.<br />

Allein im letzten Jahr haben 17<br />

Azubis hier ihren beruflichen Weg<br />

begonnen <strong>–</strong> etwa als Verwaltungsfachangestellte,<br />

Beamtenanwärterin,<br />

Bäderfachangestellte oder in<br />

den Kitas und Kindergärten (SEJ)<br />

des Marktes. Hinzu kommt eine<br />

breite Palette an Fort- und Weiterbildungs-<br />

sowie Qualifizierungschancen<br />

<strong>–</strong> etwa zu Fachkräften im<br />

Freizeitbad „AQUAMARIN“ oder in<br />

den Kindergärten.<br />

Als attraktiver Arbeitgeber bietet<br />

die Gemeinde mit ihrer modernen,<br />

digitalen Verwaltung nicht<br />

nur sichere Arbeitsplätze, sondern<br />

auch interessante Auf-<br />

gaben, Karrierechancen, flexible<br />

Arbeitszeiten und Homeoffice <strong>–</strong> sowie<br />

die richtige Work-Life-Balance:<br />

In enger Zusammenarbeit mit dem<br />

Personalrat wird ein Gesundheitsprogramm<br />

<strong>für</strong> Mitarbeiter, Firmenfitness<br />

und digitale Prävention neu<br />

aufgesetzt. Mit Angeboten wie<br />

Dienstfahrrädern und Fahrradleasing<br />

möchte Gaimersheim in<br />

Zukunft zur Nachhaltigkeit in den<br />

verschiedensten Bereichen einen<br />

Beitrag leisten. Eine aufstrebende<br />

Gemeinde, die als attraktiver Arbeitgeber<br />

auch weiterhin personelle<br />

Verstärkung sucht. <strong>–</strong>sz<strong>–</strong><br />

Präsentieren Sie<br />

Ihr Unternehmen<br />

in der nächsten<br />

<strong>WIKO</strong>-Ausgabe!<br />

WIRTSCHAFTSKOMPASS EICHSTÄTT<br />

Nächste<br />

Erscheinung:<br />

Oktober 2024<br />

Sie haben Fragen, Anregungen oder Kritik zum aktuellen Heft: info@wiko-ei.de<br />

34<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Anzeige<br />

<strong>Eichstätt</strong>: Platz zum Leben<br />

und Wachsen<br />

Familienfreundlichste Kleinstadt Deutschlands, lebenswerteste<br />

Region bundesweit oder wirtschaftsstärkster<br />

Landkreis Bayerns: Die Stadt und Region <strong>Eichstätt</strong> haben<br />

in den vergangenen Jahren einige Titel gewonnen. Kein<br />

Wunder, lebt es sich hier doch entspannt <strong>–</strong> und dennoch<br />

mit viel Entwicklungspotenzial.<br />

Auf halber Strecke zwischen München und Nürnberg,<br />

zentral in der Region 10 liegt <strong>Eichstätt</strong> malerisch im<br />

Altmühltal. Die gut 14.000 Einwohner/-innen genießen<br />

das Leben in der Großen Kreisstadt, die historischer Bischofssitz<br />

und Verwaltungszentrum des Landkreises ist.<br />

Neues Bau- und Gewerbegebiet<br />

Nicht umsonst zieht es im Jahr gut 800.000 Tagesgäste<br />

in die Domstadt. <strong>Eichstätt</strong> überzeugt etwa mit der Lage<br />

im Naturpark Altmühltal, die nicht nur Gästen einen schönen<br />

Urlaub, sondern <strong>Eichstätt</strong>ern/-innen einen tollen Platz<br />

zum Wohnen und Leben bietet. Egal ob im barocken Altstadtensemble<br />

mit kurzen Wegen, tollem Kulturangebot<br />

und vielfältiger Infrastruktur, inmitten moderner Architektur<br />

im neuen Wohnquartier Spitalstadt oder im Grünen<br />

und ruhig gelegen in einem von <strong>Eichstätt</strong>s Ortsteilen <strong>–</strong><br />

Wohnraum findet man hier <strong>für</strong> alle Lebenslagen. Und viel<br />

Platz zum (Auf-)Wachsen bietet sich Familien nun auch<br />

im frisch erschlossenen Baugebiet Blumenberg West, in<br />

dem aktuell Parzellen zum Kauf bereitstehen.<br />

Ansiedeln können sich derzeit auch Unternehmen im<br />

neuen Gewerbegebiet Lüften West (siehe Infokasten).<br />

Zu schätzen wissen die gut 800 ortsansässigen Unternehmen<br />

die Standortgunst <strong>Eichstätt</strong>s, die weit über die<br />

moderaten Gewerbesteuerhebesätze hinausgeht. In<br />

<strong>Eichstätt</strong> treffen starke Firmen in Maschinenbau, Bauwirtschaft<br />

oder Handwerk auf ein junges Gründerklima.<br />

Ergebnis ist zum Beispiel ein innovativer Co-Working-<br />

Space <strong>für</strong> Start-ups im Herzen der Stadt.<br />

Bildungsstadt und Fachkräftezentrum<br />

Beim Wachsen und Entwickeln bauen Unternehmer/<br />

-innen auf eine weitere von <strong>Eichstätt</strong>s Stärken: Die Bildungsstadt<br />

bietet alle Schularten und damit auch zahlreiche<br />

Absolventen/-innen als (künftige) Fachkräfte. So<br />

wird von der Kleinkindbetreuung an eine exzellente Ausbildung<br />

angeboten <strong>–</strong> bis hin zu einer staatlichen Berufsschule,<br />

einer Fachakademie <strong>für</strong> Sozialpädagogik, einer<br />

Berufsfachschule Pflege oder dem Ausbildungsseminar<br />

der Bereitschaftspolizei. Innovative Ansätze bringt zudem<br />

die Universität beispielsweise mit einem Lehrstuhl<br />

„Entrepreneurship“ ein. Schon heute nutzen viele Firmen<br />

vor Ort dieses Entwicklungspotenzial <strong>–</strong> und schlagen mit<br />

Kooperationen die Brücke zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.<br />

Wirtschaft ist in <strong>Eichstätt</strong> Chefsache: Oberbürgermeister<br />

Josef Grienberger steht Gewerbetreibenden als Ansprechpartner<br />

zur Verfügung. Foto: Stadt <strong>Eichstätt</strong><br />

Gewerbegebiet Lüften West<br />

1. 3 Hektar Fläche, 10 Parzellen (einige bereits verkauft),<br />

Verkaufspreis 99 Euro pro m²<br />

2. München und Nürnberg in einer Stunde (inklusive<br />

Flughäfen) über A9, Ingolstadt samt Ingolstadt-<br />

Manching-Airport in einer halben Stunde über B13<br />

erreichbar<br />

3. Unmittelbare Nachbarschaft zu den bestehenden<br />

Gewerbeflächen Zachenäcker einschließlich interkommunalem<br />

Gewerbegebiet, Nähe zu den Gewerbeflächen<br />

Wintershof und Sollnau<br />

4. Vorhandene Erschließung mit anpassungsfähiger<br />

Trafostation, Ringversorgung, optionaler Erdgasversorgung<br />

5. Anbindung an ÖPNV über STADTLINIE-Netz, Regionalbahn<br />

München-Nürnberg (<strong>Eichstätt</strong> Bahnhof),<br />

Radweganbindung<br />

Stadt <strong>Eichstätt</strong><br />

Marktplatz 11 • 85072 <strong>Eichstätt</strong><br />

www.eichstaett.de<br />

poststelle@eichstaett.de<br />

Ansprechpartner:<br />

Oberbürgermeister Josef Grienberger<br />

(Kontakt siehe QR-Code)<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

35


<strong>Das</strong>, was mal<br />

ein Dorf war<br />

Von Selina Yildiz und Luis Beyerbach<br />

36<br />

<strong>WIKO</strong><br />

Ausgabe <strong>2023</strong>


Gaimersheim <strong>–</strong> ein Ort,<br />

der in den letzten Jahrzehnten<br />

gewachsen ist<br />

wie kaum ein anderer in<br />

Bayern. Was mit einem<br />

Dorf passiert, wenn es<br />

zur Stadt wird. Der Versuch,<br />

das Wachstum,<br />

die Gaimersheimer und<br />

ihren Ort zu verstehen.<br />

Die Sonne strahlt an diesem Tag auf<br />

die Biertische. Vor selbst gebackenem<br />

Kuchen, Weißwürsten, Brezen, Schorle,<br />

Radler und Bier sitzen die Gaimersheimer.<br />

Freunde, Paare und Familien<br />

<strong>–</strong> einige von ihnen in bayerischer<br />

Tracht. Kinder toben zwischen den<br />

Bierbänken, die Eltern plaudern. Am<br />

18. Mai, dem Vatertag, sitzt im Vorhof<br />

des Marktmuseums eine Dorfgemeinschaft,<br />

die zusammenkommt, wenn es<br />

etwas zu feiern gibt. Eine Blaskapelle<br />

spielt, Geschirr klirrt, Kinder spielen<br />

Fangen und schreien dabei. Die Feuerwehr<br />

ist da, die Schützen, der Sportverein<br />

und auch die Gaimersheimer<br />

Bürgermeisterin sitzt zwischen den<br />

Leuten.<br />

Wer an einem der Tische Platz nimmt,<br />

stellt besser nicht die Frage, wer von<br />

den Herren denn „in der Audi“ arbeite.<br />

Audi, sagt einer leicht frustriert, sei<br />

nicht das Einzige, was Gaimersheim<br />

ausmache. Audi sei nur einer von vielen<br />

großen Arbeitgebern in der Nähe,<br />

ergänzt ein anderer. Nur einer der vier<br />

Männer am Tisch arbeitet bei dem<br />

Autobauer, er trägt dunkle Tracht und<br />

einen Filzhut. Die vier sind alte Freunde,<br />

Ur-Gaimersheimer, aktiver Teil der<br />

Vereine, der Feste <strong>–</strong> eben Teil von Gaimersheim.<br />

Im Neubaugebiet, im nördlichen Teil<br />

der Marktgemeinde, drückt sich dagegen<br />

die Stille durch die Straßen. Ein<br />

modernes Einfamilienhaus reiht sich<br />

an das nächste. Sie sind weiß und grau<br />

mit flachen Dächern, als wären sie von<br />

der Stange gekauft worden. Die Straßen<br />

leer, die Gärten gepflegt. Hunderte<br />

Häuser, aber keine Familien. Nur<br />

ein Vater spielt mit seinem Sohn Ball<br />

auf einem Fußballfeld zwischen den<br />

Straßen. Die Siedlung wirkt ruhig und<br />

weit, als könnte sie noch ewig so weitergehen.<br />

Doch der Schein trügt.<br />

Seit Jahrzehnten wirkt Gaimersheim<br />

wie ein kleiner, aber starker Magnet in<br />

Oberbayern. Im vergangenen Jahr lebten<br />

knapp über 12.000 Menschen in<br />

Gaimersheim. In 50 Jahren hat sich die<br />

Einwohnerzahl des Markts mehr als<br />

verdoppelt. <strong>Das</strong> liegt unter anderem an<br />

der Eingemeindung von Lippertshofen<br />

1976. Doch auch in der Zeit danach<br />

ist die Marktgemeinde kontinuierlich<br />

weitergewachsen.<br />

<strong>Das</strong> Dorf wächst und wächst<br />

Der Grund <strong>für</strong> dieses Wachstum steht<br />

nur wenige Kilometer entfernt von<br />

Gaimersheim: die Audi AG <strong>–</strong> mit ihrer<br />

größten Produktionsstätte weltweit.<br />

Seit 70 Jahren hat Audi seinen Hauptsitz<br />

in Ingolstadt und beschäftigt mittlerweile<br />

40.118 Angestellte in seinen<br />

Hallen (Stand 12/2022). Gaimersheim<br />

ist <strong>für</strong> Ingenieure und Manager,<br />

die bei Audi beschäftigt sind, ein praktischer<br />

Wohnort: nah genug, um in<br />

Ingolstadt zu arbeiten und weit genug<br />

entfernt, um angenehm zu wohnen.<br />

Die Marktgemeinde liegt mittlerweile<br />

so nah an den zahlreichen Ingolstädter<br />

Einkaufs- und Shoppingmöglichkeiten,<br />

dass man vom Gewerbegebiet aus<br />

zu Fuß zum Westpark gelangen kann.<br />

Null Kilometer Luftlinie.<br />

Audi in Ingolstadt, Airbus in Manching<br />

und das Edeka-Verteilzentrum<br />

in Gaimersheim sind namhafte Arbeitgeber.<br />

Sie zahlen gute Gehälter, besonders<br />

Managern und Abteilungsleitern,<br />

die sich im Speckgürtel um ihre<br />

Arbeitsstätte herum ansiedeln. So wird<br />

das frühere Dorf größer und größer.<br />

Bis der frisch gewählte Gaimersheimer<br />

Gemeinderat 2008 die Entscheidung<br />

trifft, vorerst nur noch moderat weiterwachsen<br />

zu wollen. Es scheint, als<br />

hätte Gaimersheim Zeit gebraucht, um<br />

sich auf weiteres Wachstum einzustellen.<br />

Die Marktgemeinde ist eingekesselt<br />

von Neubau- und Industriegebiet und<br />

Ingolstadt. Inmitten moderner, teurer<br />

Ortsteile ruht ein gemütlicher Marktplatz,<br />

wie er schon zu Zeiten stand, als<br />

Gaimersheim noch ein Dorf war.<br />

Ein sauber erhaltener Brunnen und<br />

einige Blumentröge zieren die Fläche<br />

vor dem Rathaus. Eine Familie ist zum<br />

Mittagessen in den Stadtkern gefahren,<br />

der Vater mit seinem Audi-E-Scooter<br />

und der Rest der Familie mit Fahrrädern.<br />

Es ist Sommer, angenehmes<br />

Wetter und trotzdem ist die Familie<br />

fast alleine hier in der Nähe des Marktplatzes.<br />

Im Außenbereich eines Dönerladens<br />

setzen sie sich. Sie besetzen vier<br />

der unzähligen Stühle, die am und in<br />

der Nähe des Marktplatzes stehen.<br />

In Sichtweite gibt es mehrere Restaurants,<br />

eine Metzgerei, eine Eisdiele,<br />

ein Hotel. Wo zu Mittag gegessen<br />

werden könnte, herrscht Leere. Die<br />

Restaurants sind entweder in der Sommerpause<br />

oder ganz geschlossen. Nur<br />

wenige Einheimische verlieren sich in<br />

der Eisdiele, die gegenüber des Maibaums<br />

liegt. Trotz der Leere ist es laut<br />

am Marktplatz. Denn eine breite Straße<br />

führt direkt durch den ehemaligen<br />

Dorfkern <strong>–</strong> und die ist zu Stoßzeiten<br />

stark befahren. Ländliche Idylle mit<br />

städtischer Fahrzeug-Klangkulisse.<br />

Ein ländlicher Ort, dessen Kern an<br />

das Dorf erinnert, das es mal war.<br />

Doch um diesen Kern herum ist eine<br />

Stadt gewachsen, sagt die Frau, auf<br />

deren Schreibtisch seit 14 Jahren alle<br />

Anliegen landen, die den Markt Gaimersheim<br />

betreffen. Es ist ein voller<br />

Schreibtisch, beladen mit Aktenordnern<br />

und Papierstapeln und er steht in<br />

einem geräumigen Büro mit Blick auf<br />

den Marktplatz.<br />

Andrea Mickel (SPD) ist seit 2008 erste<br />

Bürgermeisterin von Gaimersheim,<br />

das im Lauf seiner Geschichte abwechselnd<br />

von SPD und CSU-Vertretern<br />

regiert wurde. Seitdem die Politikerin<br />

„ Wir wollen als<br />

generationenfreundliche,<br />

zukunftsgewandte<br />

Gemeinde gesehen<br />

werden„<br />

im Amt ist, haben sich im Ort so einige<br />

soziale Verbände zusammengeschlossen,<br />

die glauben lassen, Gaimersheim<br />

ist ein Ort, dem Nachbarschaft und<br />

Gemeinschaft noch etwas bedeuten.<br />

Die Bürgermeisterin erzählt fließend,<br />

spricht bestimmt und doch herzlich,<br />

sie kennt alle Details. Seit 2016, zählt<br />

sie auf, gibt es einen aktiven Asyl-Helferkreis<br />

im Ort, der einmal im Monat<br />

ein Café der Begegnungen ausrichtet,<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong><br />

<strong>WIKO</strong><br />

37


es heißt Café International. Im Caritas-Seniorenheim<br />

St. Elisabeth gibt es<br />

täglich einen offenen Mittagstisch, und<br />

jedes Jahr wird ein Bürgerpreis <strong>für</strong> soziales<br />

Engagement und Zivilcourage<br />

verliehen. Und da ist die Tafel. Der<br />

Audi-Betriebsrat hat im Winter 2022<br />

einen Teil seiner Sonder-Weihnachtsaktion<br />

an zehn um Ingolstadt liegende<br />

Tafeln gespendet, Gaimersheim war<br />

eine davon.<br />

Unter den Topverdienern<br />

Andrea Mickel hat eine klare Vision<br />

<strong>für</strong> Gaimersheim, und die wird schnell<br />

deutlich: Familienfreundlich und<br />

traditionsbewusst soll der Markt gleichermaßen<br />

sein, aktiv und wirtschaftlich<br />

und dabei noch nachbarschaftlich<br />

sozial. Ein Ort zum Wohlfühlen. Aber<br />

kann das funktionieren? Und lebt<br />

in Gaimersheim nicht ohnehin nur<br />

eine bestimmte soziale Schicht? Viele<br />

Gaimersheimer sind im öffentlichen<br />

Dienst tätig, neben der Industrie sei<br />

dieser Sektor <strong>für</strong> den Ort besonders<br />

wichtig, erklärt die Bürgermeisterin.<br />

<strong>Das</strong> mittlere Brutto-Monatsgehalt liegt<br />

in Gaimersheim bei 4868 Euro und<br />

damit, deutschland- und bayernweit,<br />

im obersten Bereich. Eine im September<br />

2022 veröffentlichte Recherche<br />

der Wochenzeitung „Die Zeit“, die auf<br />

exklusiven Daten der Bundesagentur<br />

<strong>für</strong> Arbeit beruht und bundesweit in<br />

allen Gemeinden Brutto-Monatsgehälter<br />

vergleicht, zeigt: In nur 17 der 4252<br />

Gemeinden und Gemeindeverbänden<br />

in Deutschland sind die Gehälter höher<br />

als in Gaimersheim. Dieser Reichtum<br />

kommt nicht von ungefähr:<br />

Große Firmen zahlen in der Region<br />

hohe Gehälter. Wer bei Audi in einer<br />

höheren Position arbeitet, bekommt<br />

einen Dienstwagen, den er außerhalb<br />

auch im Privaten nutzen darf und soll.<br />

Wer verheiratet ist, bekommt in vielen<br />

Fällen ein zweites Auto gestellt. So präsentiert<br />

die Familie automatisch auch<br />

in der Freizeit den lukrativen Job des in<br />

der Realität meist männlichen Hauptverdieners.<br />

In Gaimersheim gebe es Neubauwohngebiete,<br />

in denen es selbstverständlich<br />

sei, dass es eine Tiefgarage gibt und im<br />

Garten ein Pool steht. Gepflegter Rasen<br />

und hellgrauer Kies schmückt die<br />

Vorgärten, an der Straße parken große,<br />

schwere Autos in einer Reihe hintereinander.<br />

Die Bürgermeisterin weiß vom<br />

Anspruch, den die Zugezogenen an<br />

den Ort haben. Sie weiß auch, dass es<br />

Ur-Gaimersheimer gibt, die die Augen<br />

verdrehen, wenn sie durch die mittlerweile<br />

zahlreichen Neubaugebiete an<br />

den Ortsrändern laufen. Man erkenne<br />

immer weniger Gesichter, die Anonymität<br />

ist mehr geworden. Aber die Zugezogenen<br />

tun dem Ort wirtschaftlich<br />

gut. „Wir könnten uns vieles als Gemeinde<br />

nicht leisten, wenn es nicht das<br />

Gewerbegebiet gäbe“, sagt sie.<br />

Aus ihrem Büro hat Andrea Mickel<br />

Blick auf die breite Straße, all die Stühle<br />

vor den Restaurants und auf einen<br />

prachtvollen Maibaum vor der Marienapotheke.<br />

Vor und gegenüber der Apotheke<br />

parken eine Handvoll Wagen<br />

mit Ingolstädter Kennzeichen auf den<br />

Parkplätzen an der Straße. Sie schlängeln<br />

sich Richtung Volksfestplatz, zum<br />

Rand von Gaimersheim, wo die finan-<br />

38<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


ziellen Möglichkeiten der Stadt Strahlkraft<br />

bekommen.<br />

Zwei Millionen <strong>für</strong> die Jugend<br />

2018 wurde in der Römerstraße 41 am<br />

Ortsausgang ein offener Jugendtreff erbaut.<br />

Zwei Millionen Euro hat der Gemeinderat<br />

in das 580 Quadratmeter<br />

große Haus und dessen Einrichtung<br />

gesteckt. Unter der Leitung von Sozialarbeiter<br />

Arne Proctor will der Jugendtreff<br />

an fünf Tagen die Woche jungen<br />

Menschen einen Ort der Ungestörtheit<br />

bieten. Von außen wirkt das Jugendhaus<br />

mit seinem asymmetrischen Bau<br />

und dem schrägen Dach imposant, modern<br />

und kreativ.<br />

Wer es betritt, wird überrascht: Denn<br />

der Gaimersheimer Jugendtreff ist<br />

nicht mit einem gewöhnlichen, über<br />

die Jahre mit Stickern sowie Limo- und<br />

Bierflecken zugeklebten Jugendtreff<br />

vergleichbar. <strong>Das</strong> Haus steht mitten in<br />

einer Sportanlage, was bei schlechtem<br />

Wetter <strong>für</strong> Laufbesucher sorgt, die ihr<br />

Training unterbrechen und im Jugendtreff<br />

abwarten, bis der Regen aufhört.<br />

Im Innern riecht es weder nach Rauch<br />

noch klebt der Boden, es gibt wenige<br />

Fotos und keine politischen Kritzeleien.<br />

Im Gaimersheimer Jugendtreff<br />

existiert nicht nur die wohl größte<br />

Brettspielsammlung des Landkreises,<br />

es gibt auch noch einen Boxsack, eine<br />

Tischtennisplatte, eine Musikanlage<br />

und im oberen Geschoss eine ganze<br />

Etage mit TV-Leinwand und Paletten-<br />

Sofas. Es wirkt alles sehr durchdacht.<br />

„ Als Kind war es wie<br />

auf dem Dorf, du gehst<br />

auf die Straße, und<br />

irgendwer ist immer<br />

da„<br />

Die Ideen sind da, das Geld auch, der<br />

Wille definitiv. Manche Jugendliche<br />

und junge Erwachsene kämen aus den<br />

umliegenden Dörfern in die Römerstraße<br />

gefahren, sobald einer den Führerschein<br />

hätte, erzählt der Sozialarbeiter,<br />

es gebe einige feste Gruppen, die<br />

oft gemeinsam kämen. Und doch er-<br />

reicht der Treff noch nicht so viele junge<br />

Menschen, wie er könnte. Wo sind<br />

die Jugendlichen, die diesem Jugendtreff,<br />

der so viele Möglichkeiten bietet,<br />

seine Katalogartigkeit nehmen und<br />

ihm einen Charme verleihen könnten?<br />

Ronja*(Name geändert) ist eine junge<br />

Erwachsene, die ihre gesamte Kindheit<br />

und Jugend in Gaimersheim verbracht<br />

hat. Sie ist 21 Jahre alt und studiert<br />

an der KU, lebt bei ihren Eltern und<br />

pendelt die kurze Strecke nach <strong>Eichstätt</strong>.<br />

Sie kennt ihren Heimatort gut<br />

und hat viele Veränderungen beobachten<br />

können. „Als Kind war es wie<br />

auf dem Dorf, du gehst auf die Straße,<br />

und irgendwer ist immer da, fast<br />

alle meine Schulfreunde lebten in der<br />

Nachbarschaft, einmal im Jahr gab es<br />

ein Straßenfest und an Silvester kam<br />

die ganze Nachbarschaft zum Feiern<br />

zusammen“, erzählt sie. Gaimersheim<br />

sei ihr immer eine gute Heimat gewesen,<br />

der „richtige Sweetspot“ zwischen<br />

Dorfleben mit Natur drumherum und<br />

der praktischen Nähe zu Ingolstadt.<br />

Aber so idyllisch die Kindheit mit den<br />

vielen Freunden in derselben Straße<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

39


Die Grenzen des Wachstums? Bürgermeisterin Andrea Mickel erklärt Bauprojekte auf dem Bebauungsplan.<br />

auch war, änderten sich die Dinge mit<br />

fortschreitendem Alter.<br />

Kein Club, kein Licht, es ist ruhig<br />

Es gibt kaum Ausgehmöglichkeiten in<br />

Gaimersheim, das Angebot sei „quasi<br />

nicht existent“. Die meisten Partys fanden<br />

und finden privat statt, in Schrebergärten,<br />

mit Hobby-DJ und ein paar<br />

Kisten Getränken. Im Ort gibt es keine<br />

Disco und auch keine junge Kneipe.<br />

Die einzige Bar ist die Musikbar, M-<br />

Bar genannt, sie sei meistens von älteren<br />

Stammgästen besetzt <strong>–</strong> nur auf<br />

Schulfeiern träfen die Jugendlichen<br />

dort so richtig aufeinander. Gaimersheim,<br />

erzählt Ronja, täte nicht besonders<br />

viel, um attraktiv <strong>für</strong> seine Jugendlichen<br />

zu sein.<br />

„ Ich wohnʼ halt hier,<br />

aber das ist nicht mein<br />

Zuhause.„<br />

Die wenigen Ausgehmöglichkeiten<br />

könne auch die Nähe zu Ingolstadt<br />

nicht ausgleichen, erzählt die Studentin,<br />

wenn sie wirklich feiern gehen<br />

wollten, orientierten sie sich eher an<br />

Regensburg und München. Und im<br />

Retzbachpark, fährt sie fort, wo von<br />

Zeit zu Zeit kleinere Feiern oder Zusammenkünfte<br />

von Jugendlichen stattfänden,<br />

gingen die Straßenlaternen<br />

nachts aus. Stockdunkel sei es dann<br />

dort hinten, und das frustriere einige<br />

junge Gaimersheimerinnen und Gaimersheimer.<br />

Die Gemeinde habe diesen<br />

Schritt damit begründet, dass man<br />

nicht wolle, dass sich dort spätabends<br />

noch mehr Jugendliche aufhielten.<br />

Ronja fühlt sich im Dunkeln dort nicht<br />

sicher, erzählt von Drogen, mit denen<br />

gedealt werde. Man brauche sich<br />

nichts vormachen, natürlich gebe es<br />

nachts auch Gewalt, Schlägereien, verbale<br />

Auseinandersetzungen. Es habe<br />

schon Vorfälle gegeben, in denen Frauen<br />

von jungen Männern nachts bis vor<br />

die Haustür verfolgt worden seien. Es<br />

sind die kleinen Dinge, die das Gefühl<br />

entstehen lassen, nicht mitgedacht zu<br />

werden. „Frau Mickel ist ehrlich engagiert,<br />

das merkt man einfach, sie ist<br />

sehr sichtbar im Ort. Aber meine Altersgruppe<br />

ist nicht ihre Zielgruppe“,<br />

sagt sie über die Bürgermeisterin.<br />

Die Vorfälle, über die Ronja spricht,<br />

erinnern an größere Städte, in denen<br />

Parks häufig zu einem Sicherheitsproblem<br />

werden. <strong>Das</strong> Landleben sei<br />

ohnehin nicht mehr ganz wie früher,<br />

beschreibt die Studentin vorsichtig:<br />

„Es gibt viele unbekannte Gesichter<br />

mittlerweile. Die Zugezogenen leben<br />

eher zurückgezogener, unter sich,<br />

als würden sie denken: „Ich wohn’<br />

halt hier, aber das ist nicht mein Zuhause.“<br />

Sie beobachtet, dass Kinder in den<br />

Neubauvierteln zwar immer zueinanderfänden,<br />

wie Kinder es eben täten,<br />

doch die Eltern kennten sich kaum.<br />

Ronjas Familie hätte die eigenen, zugezogenen<br />

Nachbarn schon häufiger<br />

eingeladen, am Abend <strong>für</strong> ein Getränk<br />

auf der Terrasse zusammenzukommen,<br />

doch die Angebote fruchteten nie und<br />

nach ein paar Absagen gaben sie auf.<br />

„Ich empfinde es, als würden sie den<br />

Kontakt nicht wollen, aber natürlich<br />

kann ich nicht beurteilen, ob sie vielleicht<br />

selbst das Gefühl haben, nicht<br />

willkommen zu sein.“<br />

Ein Vereinshaus <strong>für</strong> alle<br />

Sowohl die Ur-Gaimersheimer als<br />

auch die zugezogenen Gaimersheimer,<br />

40<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


so wirkt es, sind sich selbst nicht sicher,<br />

was sie nun voneinander halten sollen.<br />

Allein schon wegen der unterschiedlichen<br />

Viertel und Wohngebiete leben<br />

viele von ihnen eher aneinander vorbei.<br />

Doch es gibt einen Ort, an dem sie<br />

gelegentlich aufeinandertreffen, und<br />

im Ortskern ist der nicht zu finden:<br />

Im Schützenheim Hubertus sitzen der<br />

Vereinsvorsitzende und Erste Schützenmeister<br />

Johannes Jörg und Schatzmeister<br />

Johann Münch am Stammtisch.<br />

Sie erzählen etwas, das sich die<br />

meisten Vereine schon lange nicht einmal<br />

mehr erträumen können: „Nachwuchs?<br />

Mit dem läuft’s hervorragend,<br />

man könnt’ fast sagen, wir haben zu<br />

viel“, berichten sie mit einem stolzen<br />

Lachen.<br />

Jährlich gewinnt der Verein fast 50<br />

Mitglieder. Mittlerweile hätten sie einen<br />

zweiten Jugendtrainer beschäftigt,<br />

es kämen ständig neue Kinder hinzu<br />

und ihre Freunde brächten sie auch<br />

gleich mit. Inzwischen sind es über 400<br />

Mitglieder. Bei Hubertus wird das Vereinsleben<br />

gepflegt, aufeinander geachtet,<br />

es hängen Urkunden, Ehrungen<br />

und Fotos an den hohen Wänden. Der<br />

Verein existiert seit 1872 in Gaimersheim.<br />

„Wir als Verein halten des Öfteren mit<br />

unseren Räumlichkeiten her“, sagt der<br />

Schatzmeister. „Mittlerweile kommt<br />

der Kriegerverein zu uns, die Reservisten,<br />

die Frauen-Union hat sich angekündigt,<br />

auch die SPD hat bei uns<br />

schon eine Sitzung gehabt. Weil es<br />

nichts anderes gibt, fragen sie halt, ob<br />

sie zu uns rauskommen dürfen.“ Es<br />

wirkt, als ob sich der Gemeinderat ein<br />

Stück weit auf den Räumlichkeiten<br />

und dem Engagement des Schützenvereins<br />

ausruht.<br />

Und die „Audianer“, die in ihrer Freizeit<br />

zum Schützenstammtisch kämen,<br />

die gebe es wirklich. Neue Nachbarn<br />

„ Die haben ein Leitbild<br />

entwickelt das heißt: wir<br />

sind die besten und die<br />

schönsten und wir<br />

wollen richtig geile<br />

Gastronomie haben.„<br />

mitzubringen, wenn sie noch keinen<br />

Anschluss hätten, das sei selbstverständlich,<br />

man trinke eine Halbe zusammen,<br />

und dann passe das doch, sagt<br />

der Schatzmeister. Niemand würde<br />

ausgeschlossen, viele Zugezogene interessierten<br />

sich nur nicht unbedingt<br />

<strong>für</strong> das Vereinsleben, ließen sich auf<br />

Veranstaltungen der Schützen oder<br />

des örtlichen Trachtenvereins nicht<br />

blicken <strong>–</strong> aber, fasst er zusammen,<br />

„die, die nicht wollen, hat man ja überall“.<br />

Wenn die Zusammenkunft im Schützenheim<br />

funktioniert, könnte sie auch<br />

im Ortskern funktionieren. Doch es<br />

gibt keine Stammkneipe mehr, keinen<br />

Stammtisch, kein gemeinsames Lieblingsgasthaus:<br />

„Die Gemeinde greift<br />

zwar alles zusammen, was sie im Ortskern<br />

erwischen, aber es entwickelt<br />

sich nichts“, sagt der Schatzmeister, er<br />

klingt ein bisschen frustriert.<br />

Dabei steht in fast allen Wahlprogrammen<br />

der in Bayern vertretenen Parteien<br />

mehr oder weniger ein Ziel formuliert:<br />

eine belebte Innenstadt zu fördern.<br />

Ob konservativ, liberal oder sozialdemokratisch,<br />

Alt oder Jung <strong>–</strong> alle wünschen<br />

sich Leben in ihrem Heimatort,<br />

niemand möchte einen trostlosen Ortskern<br />

als seine Heimat bezeichnen.<br />

Fragt man Architekten, ist eine Innenstadt<br />

vor allem lebhaft, wenn Einwohner<br />

auch innerhalb der Altstadt<br />

leben und sich dort Geschäfte und<br />

Außengastronomie ansiedeln. Geschäfte<br />

laden zum Verweilen ein und<br />

die Außengastronomie prägt das Ortsbild<br />

erheblich, macht attraktiv. Bringt<br />

junge Menschen in den Ort und sorgt<br />

bei Älteren und Alleinstehenden <strong>für</strong><br />

Geselligkeit.<br />

Man trifft sich dort eben <strong>–</strong> und dann<br />

spricht man miteinander. Diese Art<br />

von Kneipe, in der jeden Abend ein<br />

Stammtisch stattfand, gab es in Gaimersheim<br />

bis 2021 auch noch: das<br />

Wirtshaus Ledl. Ein Lokal, das die<br />

beiden Schützenvereinsmitglieder in<br />

positiver Erinnerung haben. Als der<br />

Besitzer der beliebten Kneipe verstarb,<br />

schloss der Laden. Ein Verlust. Ginge<br />

es nach den beiden Ur-Gaimersheimern,<br />

würde ein Pils-Pub im leer<br />

stehenden Haus neben dem Maibaum<br />

am Marktplatz eröffnen. Die Lage <strong>für</strong><br />

einen Biergarten sei dort ideal.<br />

Plan <strong>für</strong> mehr Leben im Ortskern<br />

Auch der Bundesregierung ist das<br />

Problem des strukturellen Aussterbens<br />

deutscher Innenstädte bewusst.<br />

<strong>Das</strong> Bundesministerium <strong>für</strong> Umwelt,<br />

Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit<br />

hat deshalb ein Förderprogramm<br />

auf den Weg gebracht, an dem sich<br />

Kommunen orientieren sollen. Es<br />

nennt sich integriertes städtebauliches<br />

Entwicklungskonzept, kurz ISEK. In<br />

Gaimersheim fanden bereits mehrere<br />

Informationsveranstaltungen des Förderprogramms<br />

statt. Bürgerinnen und<br />

Bürger, die im Ortskern leben oder ein<br />

Haus besitzen, wurden eingeladen mitzudiskutieren,<br />

wie mit dem Leerstand<br />

umgegangen werden soll.<br />

Der Wirtsraum des Schützenvereins: Ersatz <strong>für</strong> die Stammkneipe und Treffpunkt <strong>für</strong> alle.<br />

„Na, das ist ganz nett, wenn das Architekturbüro<br />

aus Freising sich da vor uns<br />

hinsetzt, das unseren Ort nicht kennt“,<br />

sagt der Schatzmeister des Schützen-<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

41


Der Projektmanager selbst wohnt<br />

nicht in einem Einfamilienhaus, sondern<br />

zur Miete. Über das Gewerbegebiet<br />

sagt er: „Unheimlich viele Leute<br />

haben davon profitiert, alteingesessene<br />

Gaimersheimer haben Grund verkauft<br />

und hohe Einnahmen erzielt.“<br />

Die Gewerbesteuereinnahmen seien<br />

sehr hoch. Für den Ort und seine Infrastruktur<br />

sei das vor allem positiv.<br />

Selbstverständlich stärke das Geld der<br />

Audi AG die Region finanziell enorm.<br />

In Gaimersheim ist man vor allem eines: schnell in Ingolstadt.<br />

vereins. Die erste Veranstaltung habe<br />

er noch besucht, aber sei dann gegangen.<br />

„Die haben ein Leitbild entwickelt,<br />

das heißt: Wir sind die Besten<br />

und die Schönsten und wollen richtig<br />

geile Gastronomie haben in Gaimersheim“,<br />

fasst er zusammen. Wie viele<br />

andere Anwohner hofft er, dass die<br />

staatliche Förderung am Ende sinnvoll<br />

genutzt werde.<br />

Auch ein Teil des ISEK-Programms<br />

ist es, den Einzelhandel in deutschen<br />

Innenstädten wieder zu stärken. In<br />

Gaimersheim zeigen sich diese Bestrebungen<br />

bisher noch nicht. Klassischen<br />

Einzelhandel gibt es kaum. Evi<br />

Pade-Bauch ist Geschäftsinhaberin.<br />

Ihr Laden heißt „Frau Bauch“ und ist<br />

neben dem Schuhhaus Pfisterer und<br />

dem Kinderschuhgeschäft schuhkind<br />

in der Ziegeleistraße der einzige Laden<br />

in Gaimersheim, der dem klassischen<br />

Einzelhandel zugeordnet wird.<br />

Sie verkauft Kindermode, Bücher,<br />

Spielzeuge und Babyutensilien. Wenn<br />

in Gaimersheim ein Baby geboren<br />

wird, bekommen seine Eltern von der<br />

Gemeinde einen Gutschein ihres Ladens<br />

geschenkt. Sie bezeichnet die Zusammenarbeit<br />

mit der Gemeinde als<br />

angenehm. Ihre Kundinnen sind vor<br />

allem junge Mütter. Die Väter, meint<br />

Pade-Bauch, seien auf der Arbeit in<br />

Ingolstadt, das erkenne man an den<br />

Familienaudis, die vor der Ladentür<br />

parkten. Doch ihre Kundinnen kämen<br />

häufig nicht direkt aus Gaimersheim,<br />

sondern aus Ingolstadt oder anderen<br />

Dörfern und Städten in der Umgebung.<br />

Ihr werde oft gesagt, wie angenehm<br />

es sei, in ihrem Laden zu kaufen<br />

und dass die Parkmöglichkeit direkt<br />

vor ihrer Ladentür praktisch sei.<br />

Doch warum gehen die Bemühungen,<br />

den Einzelhandel und die Aufenthaltsqualität<br />

in der Innenstadt zu<br />

verbessern, so schleppend voran? Ein<br />

Architekt, der Vergleichbares in anderen<br />

Städten der Region beobachtet,<br />

sagt: „weil es keinen Bedarf gibt“ In<br />

den Ortskernen lebten kaum noch Anwohner,<br />

die etwas gegen viel befahrene<br />

Straßen und die Lautstärke haben<br />

könnten, die Durchfahrtsorte automatisch<br />

mit sich bringen.<br />

Teurer Grund, teure Mieten<br />

In Gaimersheim haben lange vor allem<br />

ältere Menschen im Ortskern gelebt.<br />

Viele Häuser stehen seit Jahren leer.<br />

Seit es den fußläufigen Edeka-Markt<br />

im Ortskern nicht mehr gibt, sei die<br />

Laufkundschaft fast vollends verschwunden,<br />

gibt die Ladenbesitzerin<br />

zu bedenken. Weil ihr eine weitere<br />

Boutique in Abensberg gehöre, habe<br />

sie den direkten Vergleich. „Eine belebte<br />

Fußgängerzone ist schon angenehmer“,<br />

sagt sie.<br />

Ob das wenige Leben im Ortskern die<br />

Zugezogenen stört, unterscheidet sich<br />

je nachdem, wie viel Zeit ihrer Freizeit<br />

sie in Gaimersheim verbringen. Auch<br />

inwiefern sie sich in die Marktgemeinschaft<br />

aufgenommen fühlen und ob<br />

sie das überhaupt wollen, ist unterschiedlich.<br />

„Also auf einen zugehen<br />

tut natürlich niemand, es braucht ein<br />

bisschen Eigeninitiative“, erzählt einer,<br />

der als Projektmanager in der Audi AG<br />

in Ingolstadt arbeitet und vor einigen<br />

Jahren wegen des Jobs und der Familie<br />

nach Gaimersheim gezogen ist.<br />

Doch wie sein Audi-Kollege auf dem<br />

Vatertagsfest hält er nichts davon, Audi<br />

und Airbus als große und alleinige Verantwortliche<br />

<strong>für</strong> den Wohlstand und<br />

die damit einhergehenden Unterschiede<br />

anzusehen. Er betont, es sei kein<br />

Audi-spezifisches Phänomen, wie die<br />

Zugezogenen in Gaimersheim lebten,<br />

und dass sich Ähnliches auch in anderen<br />

Regionen zeige, die von großen<br />

Konzernen profitieren.<br />

Diese Regionen wirken nach außen oft<br />

versnobt. Ein Überlegenheitsgefühl<br />

oder Geltungsbedürfnis vonseiten der<br />

Gaimersheimer Zugezogenen gegenüber<br />

den Ur-Gaimersheimern existiere<br />

aber nicht. Trotzdem könne er sich<br />

vorstellen, dass es der ein oder andere<br />

in der Gemeinde so wahrnehme. Und<br />

natürlich sorge die Situation in Gaimersheim<br />

<strong>für</strong> einen enormen Kostenanstieg.<br />

Die Mieten im Ort, auch seine<br />

eigene, seien „der absolute Wahnsinn“.<br />

Wie die beiden Männer im Schützenheim<br />

findet auch er, dass es im Ortskern<br />

einen Treffpunkt brauche und dass der<br />

Leerstand problematisch sei <strong>–</strong> doch es<br />

müssten sich eben zunächst Menschen<br />

finden, die ein neues Gewerbe aufbauen<br />

wollen. Der wenige Einzelhandel<br />

störe ihn nicht bedeutend. „Da<strong>für</strong>, dass<br />

die Gemeinde so nah an Ingolstadt ist,<br />

passiert hier noch erstaunlich viel“,<br />

findet er, zählt die Bäckereien und die<br />

Metzgerei auf, die Schuhgeschäfte und<br />

das Erlebnisbad Aquamarin als Freizeitmöglichkeit.<br />

Es kommt eben darauf an, was die<br />

Leute gewohnt sind. Für eine Speckgürtel-Siedlung<br />

auf der grünen Wiese<br />

hat Gaimersheim viel Leben, <strong>für</strong> eine<br />

Marktgemeinde im ländlichen Bayern<br />

wenig. Wie so oft ist es eine Frage der<br />

Perspektive <strong>–</strong> vor allem und ganz besonders<br />

in Gaimersheim, wo zwei Welten<br />

so derartig aufeinandertreffen.<br />

42<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Klinikreform <strong>–</strong><br />

die Angst bleibt<br />

Von Marco Schneider<br />

Gesundheitsminister<br />

Karl Lauterbach will die<br />

Kliniken retten. Und die<br />

haben Angst, dass das<br />

ihr Untergang ist. Im<br />

Landkreis sucht man<br />

nach Strohhalmen <strong>für</strong><br />

die Häuser in <strong>Eichstätt</strong><br />

und Kösching <strong>–</strong> und nach<br />

Geld, um bis dahin die<br />

Defizite zu decken.<br />

Es ist angenehm warm, ein herrlicher<br />

Spätsommertag im Ingolstädter Westen.<br />

Vor dem Ärztehaus an der Levelingstraße,<br />

ein moderner Glasbau,<br />

herrscht reger Wochentagsbetrieb.<br />

Fünf Stockwerke hoch, Arztpraxen,<br />

direkter Zugang zum Klinikum, dem<br />

Großkrankenhaus der Region, Büros,<br />

ein kleines Café unten. Kein Parkplatz<br />

ist frei, man muss schon mehrere Runden<br />

drehen. Hier boomt das Geschäft<br />

also. <strong>Das</strong> Geschäft mit der Gesundheit.<br />

Nicht wirklich: Allein das Klinikum<br />

prognostiziert <strong>für</strong> sich ein Defizit von<br />

rund 30 Millionen Euro in diesem Jahr.<br />

Die Kliniken im Naturpark Altmühltal<br />

mit ihren Standorten <strong>Eichstätt</strong> und Kösching<br />

rechnen mit rund 20 Millionen<br />

Euro. Die Ilmtalklinik in Pfaffenhofen<br />

mit 18 Millionen Euro. Nur das Krankenhaus<br />

in Schrobenhausen bewegt<br />

sich im einstelligen Bereich <strong>–</strong> noch.<br />

Auch dort hat der Kreistag jüngst 2,5<br />

Millionen Euro locker machen müssen,<br />

um den Betrieb liquide zu halten.<br />

Mit viel Protest, weil das Geld an anderer<br />

Stelle weggekürzt werden musste.<br />

Was passiert da mit der wohnortnahen<br />

Gesundheitsversorgung? „Ein emotionales<br />

Thema“, sagte Bayerns Gesundheitsminister<br />

Klaus Holetschek (CSU)<br />

einmal im Gespräch mit dem <strong>Eichstätt</strong>er<br />

Kurier. Wenn es an die direkte<br />

Betroffenheit der Menschen gehe,<br />

dann werde man hellhörig. „Alarmstufe<br />

Rot“, mahnt die Bayerische Krankenhausgesellschaft,<br />

rechnet vor, dass<br />

die bayerischen Kliniken pro Stunde<br />

100.000 Euro Defizit anhäufen.<br />

„Die massive Unterfinanzierung von<br />

Krankenhäusern muss ein Ende haben“,<br />

mahnt der <strong>Eichstätt</strong>er Klinik-<br />

Vorstand Marco Fürsich immer wieder.<br />

Für ihn ist klar: Es geht nur mit<br />

Veränderungen. Sonst ist es schnell<br />

vorbei mit der Gesundheit. Er, der als<br />

Krankenpfleger angefangen hat, sich<br />

bis zum Chef nach oben gearbeitet hat<br />

und das Krankenhauswesen von der<br />

Pike auf kennt. Er steckt mittendrin<br />

in der Transformation der Krankenhauslandschaft,<br />

mehr noch, er will sie<br />

gestalten.<br />

Rückblende ins Jahr 2020: Im Herbst,<br />

kurz nach der Kommunalwahl, beauftragt<br />

der Verwaltungsrat eine Unternehmensberatung<br />

mit der Erstellung<br />

eines Strukturgutachtens. Bei der<br />

Vorstellung im Kreistag trifft viele das<br />

Ergebnis wie ein Blitz: Beide Kliniken<br />

können in ihrer jetzigen Form nicht<br />

erhalten bleiben. Eine groß angelegte<br />

Debatte beginnt. Am Ende, mehr als<br />

ein Jahr später, steht die mehrheitliche<br />

Entscheidung: <strong>Eichstätt</strong> bleibt Akutstandort,<br />

Kösching wird zur Fachklinik.<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

43


Augen zu und durch? Gesundheitsminister Karl Lauterbach hält seine Krankenhausreform <strong>für</strong> die Rettung der kleinen Krankenhäuser <strong>für</strong><br />

angemessen. In Kösching und <strong>Eichstätt</strong> hat mancher allerdings Angst, von Lauterbach zu Tode gerettet zu werden.<br />

Und dann steht das Unternehmen<br />

plötzlich vor noch massiveren Problemen:<br />

Die Defizite schießen massiv<br />

in die Höhe. Wie soll es weitergehen?<br />

„Die Kliniken werden kaputtgespart“,<br />

schimpft Fürsich. <strong>Das</strong> Delta in seinem<br />

Wirtschaftsplan muss er sich<br />

vom Landkreis holen <strong>–</strong> und der ächzt<br />

unter der immensen Belastung. Es ist<br />

klar, dass man sich das auch in einem<br />

finanziell gesunden Kreis wie <strong>Eichstätt</strong><br />

nicht mehr als zwei, drei Jahre lang<br />

leisten kann. Denn dann bleibt kaum<br />

mehr Luft zum Atmen. Im wahrsten<br />

Sinn des Wortes. „<strong>Das</strong> ist eine kalte<br />

Strukturbereinigung“, konstatiert <strong>Eichstätt</strong>s<br />

Landrat Alexander Anetsberger<br />

(CSU).<br />

Zurück ins Klinikum. Dort boomt nicht<br />

nur das Geschäft mit der Gesundheit.<br />

Optimale Strukturen habe man hier<br />

geschaffen, lobt einer, der es wissen<br />

muss: Bundesgesundheitsminister Karl<br />

Lauterbach (SPD). Er ist an jenem<br />

idyllischen Herbsttag gekommen, um<br />

sich vor Ort zu informieren. Und auch,<br />

um in kleiner Medienrunde die Krankenhausreform<br />

zu verteidigen.<br />

„<strong>Das</strong> Klinikum ist ein optimales Haus,<br />

die Reform zu erklären“, sagt er. Die<br />

Reform, die in einem 15-seitigen Eckpunktepapier<br />

zusammengefasst ist.<br />

„Sie machen hier Defizit bei guter Versorgung,<br />

das kann nicht richtig sein.“<br />

Spitzen gegen den Freistaat inklusive:<br />

In Ingolstadt investiere man auch<br />

millionenschwer aus dem laufenden<br />

Haushalt, obwohl da<strong>für</strong> das Land zuständig<br />

wäre. Noch mehr Lob vom Minister.<br />

Optimale Strukturen habe man<br />

geschaffen. Jochen Bocklet, der Geschäftsführer<br />

Medizin, sitzt dem Politikers<br />

gegenüber und nickt zufrieden.<br />

Und was sagt der Minister zu den Vorwürfen<br />

einer kalten Strukturbereinigung?<br />

„Wenn wir die Reform nicht<br />

hätten, würde dieser Prozess landesweit<br />

weitergehen“, widerspricht Lauterbach.<br />

Er sitzt heute ganz oben. Ganz<br />

oben im Konferenzraum des Ärztehauses,<br />

will hier in gewisser Weise Wahlkampfhilfe<br />

<strong>für</strong> den bayerischen SPD-<br />

Spitzenkandidaten Florian von Brunn<br />

leisten. „Ob das so viel Hilfe ist“, munkelt<br />

eine Journalistin am Rande des<br />

Pressegesprächs.<br />

Lauterbach ist bei Klinikgeschäftsführern<br />

und kommunalen Verantwortungsträgern<br />

in Bayern derzeit nicht<br />

gern gesehen. Zu viele be<strong>für</strong>chten ein<br />

Ausbluten ihrer Häuser. Er sieht das<br />

selbst anders: „Die Reform ist beliebt“,<br />

sagt Lauterbach und faltet die Hände,<br />

fast als würde er beten wollen. Der<br />

Genosse ist überzeugt: Die Transformation<br />

des Gesundheitswesens wird in<br />

der von ihm angestoßenen Reform gut<br />

umgesetzt. „Wenn die Reform kommt,<br />

werden die Kliniken besser dastehen.“<br />

Auch finanziell.<br />

Die Krankenhausreform, die der SPD-<br />

Politiker <strong>–</strong> selbst Arzt <strong>–</strong> anstrebt, soll<br />

<strong>für</strong> Kliniken nicht nur eine Verbesserung<br />

sein, sagt er. „Sie ist unbedingt<br />

notwendig, ohne Alternative.“ Aus<br />

ganz konkreter Erfahrung heraus spreche<br />

er darüber: Immer wieder sei er im<br />

Gespräch mit Klinikchefs, vor allem<br />

mit den kleinen. Und <strong>für</strong> die, da ist er<br />

überzeugt, ist die Reform der einzige<br />

Strohhalm zum Überleben.<br />

Viel gelegen sei ihm „an der guten Notfallversorgung<br />

auf dem Land“ <strong>–</strong> einer<br />

der wenigen Sätze von Florian von<br />

Brunn an diesem Tag. Auch wenn er<br />

es nicht offen zugeben wird: Einen<br />

Blumentopf gewinnt man mit der Klinikreform<br />

in Bayern nicht. Da hilft es<br />

auch nichts, dass Lauterbach mahnt:<br />

„Die Reform ist seit zehn Jahren überfällig.“<br />

Ein Seitenhieb auf die CDU-/<br />

CSU-geführte Bundesregierung.<br />

44<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Obwohl die Reform noch nicht greifbar<br />

ist, man nicht genau weiß, wie am<br />

Ende was in Berlin umgesetzt wird:<br />

Karl Lauterbach ist zuversichtlich, dass<br />

es gerade <strong>für</strong> das Großkrankenhaus in<br />

Ingolstadt von Vorteil sein wird. Aber<br />

er beeilt sich, auf Nachfrage, zu betonen,<br />

dass natürlich und gerade auch<br />

die kleinen Kliniken profitieren. Wenn<br />

sie sich denn in ihrer Spezialisierung<br />

besser aufstellen. Denn <strong>für</strong> den obersten<br />

Gesundheitspolitiker der Republik<br />

ist eines klar: Es gibt zu viele Angebote<br />

auf zu viele Krankenhäuser verteilt.<br />

Und zu viele Betten.<br />

Da wird er wieder mit dem Problem<br />

der kalten Strukturbereinigung konfrontiert.<br />

Lauterbach verteidigt seine<br />

Reform vehement, sieht ohne sie viele<br />

kleine Krankenhäuser vor die Hunde<br />

gehen. Mehr noch: Wenn die Krankenhäuser<br />

ihre Angebote konkretisieren,<br />

spezialisieren, sich auf ein paar wenige<br />

Felder konzentrieren und nicht jeder<br />

alles anbietet, soll und muss es funktionieren.<br />

„Ein Standbein“ <strong>für</strong> kleine<br />

Kliniken sollen diese Spezialisierungen<br />

sein <strong>–</strong> samt Zusammenschlüssen, Verbünden<br />

mit Partnern, mit den Großen,<br />

mit denen man bisher höchstens auf der<br />

Konkurrenzwelle schwimmen wollte.<br />

Von dieser Konkurrenz will man jetzt<br />

nichts mehr hören. Partner will man<br />

werden, ja vielleicht sogar mehr: Ein<br />

Strukturgutachten <strong>für</strong> die ganze Region<br />

ist in Arbeit <strong>–</strong> nach einem „Letter<br />

of intent“, einer Absichtserklärung aus<br />

dem vergangenen Jahr. In dem steht,<br />

was vor fünf Jahren so noch niemand<br />

hätte überhaupt denken wollen oder<br />

dürfen: Man wolle „jegliche Form der<br />

Zusammenarbeit“ prüfen, „insbesondere<br />

auch eine Zusammenführung<br />

in ein gemeinsames Unternehmen“.<br />

Eine Fusion. Die Kooperation solle<br />

dabei „mindestens“ die beiden unterzeichnenden<br />

Parteien <strong>–</strong> Klinikum und<br />

Kliniken im Naturpark Altmühltal, <strong>–</strong><br />

umfassen, „idealerweise“ jedoch alle<br />

kommunalen Kliniken in der Region<br />

einbinden.<br />

Ein steiniger Weg, wie schon wenige<br />

Wochen nach dieser Absichtserklärung<br />

aus dem März 2022 klar wird.<br />

Dann steht nämlich die Entscheidung<br />

im <strong>Eichstätt</strong>er Kreistag an, wie es mit<br />

den Krankenhäusern weitergeht. <strong>Das</strong><br />

Wort „Schließung“ eines der beiden<br />

Standorte hängt wie ein Damoklesschwert<br />

über allen Gesprächen <strong>–</strong> auch,<br />

weil es im ersten Aufschlag nach einem<br />

Gutachten der renommierten Beratungsgesellschaft<br />

Oberender einmal<br />

indirekt so gefallen ist: Der Landkreis<br />

könne mit beiden Krankenhäusern<br />

nicht effizient in die Zukunft gehen.<br />

Dabei ist es das, was Kommunalpolitiker<br />

über Jahre und Jahrzehnte hinweg<br />

stets betonten: eine Standortsicherheit<br />

<strong>für</strong> beide Krankenhäuser. Nur unter<br />

anderen Voraussetzungen. <strong>Das</strong> machen<br />

Landrat und Klinikchef in einer<br />

Ochsentour durch viele Gemeinden<br />

und ihre Gremien klar.<br />

In Kösching werden die beiden von<br />

zahlreichen Demonstranten erwartet,<br />

denen die wohnortnahe Gesundheitsversorgung<br />

wichtig ist. Sie wollen „ein<br />

Herz <strong>für</strong> Kösching“ zeigen, kämpfen<br />

<strong>für</strong> „ihr“ Krankenhaus, in dem sie geboren<br />

wurden, den Blinddarm herausoperiert<br />

bekamen oder am Ende selber<br />

seit Langem arbeiten. Den Standort<br />

will man nach der Entscheidung des<br />

Kreistags erhalten, nicht mehr mit<br />

einem voll ausgebauten medizinischen<br />

Angebot, aber das Mantra dieser Diskussion,<br />

die wohnortnahe Gesundheitsversorgung,<br />

soll möglich bleiben.<br />

Und wenn es eben sein muss, dann<br />

auch mit Partnern zusammen.<br />

Diese Zusammenarbeit auszuloten, ist<br />

auch Teil eines Regionalgutachtens,<br />

das die Stadt Ingolstadt und die drei<br />

Landkreise der Region 10 in Auftrag<br />

gegeben haben und das Ende des Jahres<br />

erste Ergebnisse zeigen soll. Hierzu<br />

fällt beim Besuch des Bundesgesundheitsministers<br />

kein Wort. Aber alle<br />

klammern sich daran, es ist der letzte<br />

Strohhalm: Seit Monaten bandeln die<br />

beiden Häuser in <strong>Eichstätt</strong> und Kösching<br />

mit dem Klinikum an, suchen<br />

Gemeinsamkeiten, ja einen „Verbündeten“,<br />

wie es der <strong>Eichstätt</strong>er Klinik-<br />

Vorstand Marco Fürsich ausdrückt.<br />

Denn, so sind sich die Verantwortlichen<br />

sicher: Ohne Kooperationen wird<br />

es nicht mehr gehen.<br />

Die <strong>Eichstätt</strong>er sehen sich indes auf<br />

dem richtigen Weg. „Wir haben mit<br />

unserer Agenda 2030, die wir vor drei<br />

Jahren angestoßen haben, vieles aus<br />

der Krankenhausreform bereits erahnt“,<br />

sagt der Klinik-Vorstand. „Wir<br />

sind ein wenig vor der Welle.“ So habe<br />

man das Heft des Handelns in gewisser<br />

Weise jetzt auch selbst in der Hand.<br />

„Wir betrachten uns mit als Pilotprojekt<br />

in Bayern“, ergänzt Anetsberger.<br />

Nicht zuletzt deshalb werde man auch<br />

in wenigen Tagen dem Bayerischen<br />

Gesundheitsminister die Positionen<br />

aus <strong>Eichstätt</strong> vorstellen. Auch, dass er<br />

sie mitnehmen kann auf Bundesebene<br />

<strong>–</strong> wo Bayern weiter deutlich macht,<br />

dass die Reform zwar ein richtiger Ansatz<br />

ist, aber die ländliche Situation im<br />

Freistaat verkennt. <strong>Das</strong>s man nur mit<br />

der Brille der Ballungsgebiete auf die<br />

Krankenhäuser schaut.<br />

Die Angst geht um: Was macht die Klinikreform<br />

aus Berlin nun mit den kleinen<br />

Häusern? Karl Lauterbach macht<br />

bei seinem Besuch im Klinikum klar:<br />

„Sie bekommen Planungssicherheit.“<br />

Der Erneuerungsprozess soll sie vor<br />

Insolvenz und Schließung bewahren.<br />

„Wenn wir die Reform nicht hätten…“,<br />

beginnen die Sätze des Gesundheitsministers<br />

immer wieder. Und er verweist<br />

mitten im Großkrankenhaus auf<br />

die „Level 1i“-Häuser, die man etablieren<br />

will. Eine Chance, sagt Lauterbach.<br />

„Hier können ambulante und<br />

stationäre Leistungen erbracht werden“,<br />

„sektorenübergreifend“ nennt<br />

es das Strukturpapier hochtrabend.<br />

Aber im Kleingedruckten steht: Diese<br />

Häuser „werden grundsätzlich nicht<br />

vom Rettungsdienst angefahren“. Die<br />

Angst bleibt.<br />

Baustelle: die Krankenhauslandschaft im Landkreis steht vor einem Wandel.<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

45


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46<br />

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<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

47


Der Aufstieg und Fall<br />

einer Autostadt<br />

Von Jan Stephan<br />

Mit Detroit ist schon<br />

einmal eine Autostadt<br />

untergegangen. Kann<br />

das auch in Ingolstadt<br />

passieren? Es gibt jedenfalls<br />

einige Parallelen <strong>–</strong><br />

und ganz reale Sorgen.<br />

Es ist ein großartiger Bildband,<br />

längst ikonisch. The Ruins of Detroit<br />

<strong>–</strong> Yves Marchand und Romain<br />

Meffre, fünf Auflagen, seit Langem<br />

vergriffen, im Netz nur noch als<br />

Sammlerstück <strong>für</strong> viel Geld zu haben.<br />

Verlassene Bahnhöfe, leer stehende<br />

Fabriken, einsame Ballsäle,<br />

verfallene Theater. Wie bitte können<br />

Bilder von etwas so Kaputtem so<br />

schön sein? Beim Blättern kommen<br />

aber auch andere Fragen auf. Die<br />

drängendste: Was zur Hölle ist hier<br />

passiert?<br />

Die vermutlich treffendste Antwort:<br />

Kapitalismus ist passiert. Detroit,<br />

Autowelthauptstadt des 20. Jahrhunderts,<br />

ist hier implodiert. Erst bröckelte<br />

es nur, aber als die Sache mal<br />

48<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


ins Rutschen gekommen war, ging es<br />

schnell. Die „The Big Three“ <strong>–</strong> allesamt<br />

im Großraum Detroit zu Hause <strong>–</strong><br />

kamen ins Wanken. Ford, Chrysler,<br />

General Motors. Drei der größten<br />

Autobauer der Welt. Am Ende<br />

war die Stadt ruiniert, wurde unter<br />

Zwangsverwaltung gestellt. Schuldenstand:<br />

18 Milliarden Dollar, geschätzt,<br />

ganz genau wusste es keiner.<br />

Aber was haben Aufstieg und Fall<br />

Detroits in einem <strong>Wirtschaftsmagazin</strong><br />

über den Landkreis <strong>Eichstätt</strong><br />

zu suchen? Nun, Motown geht als<br />

Schreckgespenst in den Albträumen<br />

der Lokalpolitik um. Denn:<br />

Wie kaum eine andere Region in<br />

Deutschland hängt der Reichtum<br />

der Gegend um Ingolstadt und <strong>Eichstätt</strong><br />

von zwei Dingen ab: Auto und<br />

Audi. Die Parallelen zu Detroit sind<br />

offensichtlich <strong>–</strong> wenn auch zwei<br />

Nummern kleiner.<br />

„Eine Monostruktur ist kein Problem“,<br />

sagt <strong>Eichstätt</strong>s Landrat Alexander<br />

Anetsberger <strong>–</strong> und setzt eine<br />

bittere Wahrheit hinterher <strong>–</strong> „solange<br />

es der Branche, auf der die Monostruktur<br />

beruht, gut geht.“ Womit<br />

wir dann aber doch bei einem Problem<br />

wären. Der deutschen Automobilbranche<br />

geht es nicht gut. Sie<br />

steht vor einem historischen Umbruch,<br />

sie befindet sich in einem<br />

Wettlauf hinein in einen völlig<br />

neuen Automarkt. Und bei diesem<br />

Wettlauf sind die deutschen Hersteller<br />

bislang eher aus den Startblöcken<br />

gestolpert.<br />

Dann kamen die Japaner<br />

Zurück nach Detroit, wo es unangenehme<br />

Parallelen mit der aktuellen<br />

Situation gibt. Denn der Niedergang<br />

der Big Three war ebenfalls<br />

Folge einer verschlafenen Marktentwicklung.<br />

Als nicht mehr jeder<br />

Amerikaner Straßenkreuzer in den<br />

Abmessungen eines handelsüblichen<br />

Schlafzimmers durch die<br />

Gegend fahren wollte, als die Höhe<br />

des Kraftstoffverbrauchs nicht mehr<br />

völlig egal war, da waren japanische<br />

Konzerne wie Nissan oder Toyota<br />

zur Stelle.<br />

Sie fluteten den Markt mit Kleinwagen.<br />

Günstig in der Anschaffung,<br />

billig im Verbrauch. Die Big Three<br />

belächelten das Geschäft zuerst,<br />

dann rannten sie ihm hektisch hinterher.<br />

Ohne den Rückstand aufholen<br />

zu können. Man kam aus einer<br />

anderen Welt des Automobils, war<br />

vom Erfolg verwöhnt und von der<br />

eigenen Großartigkeit überzeugt.<br />

<strong>Das</strong> machte die Transformation<br />

schwierig.<br />

Im Autobauerland Deutschland befindet<br />

man sich gerade in einer ähnlichen<br />

Situation. Die Argumente der<br />

Kaufentscheidung bei einem Auto<br />

ändern sich. Dazu hat man arrivierte<br />

Giganten der Branche, die mit dem<br />

Sich-Ändern nicht hinterherkommen.<br />

Auch, weil mancher vor lauter<br />

Selbstbewusstsein kaum mehr fahren<br />

kann.<br />

Es sind zwei Entwicklungen, die den<br />

Markt umkrempeln. Elektromobilität<br />

und Digitalisierung. Mit beidem<br />

hat die deutsche Automobilindustrie<br />

so ihre Probleme. Die schnurrenden<br />

„ Man war vom Erfolg<br />

verwöhnt und von der<br />

eigenen Großartigkeit<br />

überzeugt„<br />

Kraftpakete, die unter den Motorhauben<br />

von Audi, Daimler oder<br />

BMW verbaut sind, gelten zu Recht<br />

als Meisterwerke deutscher Ingenieurskunst.<br />

Nur: Ein Elektromotor<br />

ist gegen einen Verbrenner-Antrieb<br />

eine ziemlich unterkomplexe Veranstaltung.<br />

Er braucht keinen Tank,<br />

keine Kolben, keine Einspritzdüsen<br />

… Ein Verbrenner hat 1400 Teile,<br />

ein E-Fahrzeug 200. Durch die Umstellung<br />

der Antriebsart sind ganze<br />

Lieferketten bedroht. Aber eine andere<br />

Sache ist noch gefährlicher …<br />

Der entscheidende Vorteil der deutschen<br />

Autoindustrie ist in Gefahr:<br />

ihre Exzellenz in Sachen Antrieb.<br />

Der Clou beim E-Auto ist die Batterie.<br />

Und die kann man in Deutschland<br />

aktuell schlechter als bei der<br />

Konkurrenz etwa in China oder den<br />

USA. Während man in Deutschland<br />

Fahrwerksingenieure im Schnellverfahren<br />

zu Batterie-Entwicklern umschult,<br />

hat man andernorts Fachkräfte,<br />

die sich ein Arbeitsleben lang mit<br />

Batterien beschäftigen.<br />

Und es handelt sich nicht um die einzige<br />

Entwicklung, die man verschlafen<br />

hat. Auch die Digitalisierung und<br />

Vernetzung des Autos gilt nicht als<br />

Spitzengebiet deutscher Hersteller.<br />

Nicht zuletzt, weil man in Sachen<br />

IT und Informatik im ganzen Land<br />

hinterher ist. In Deutschland gibt es<br />

mehrere Autokonzerne der globalen<br />

Spitzenklasse, aber keinen einzigen<br />

der ganz großen Tech-Giganten. Die<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

49


In Detroit stehen circa 90.000 Häuser leer. Die Autoindustrie hat die Stadt erst groß und dann wieder klein gemacht.<br />

Global Player sitzen in den USA <strong>–</strong><br />

Google, Amazon, Meta, Apple und<br />

Microsoft <strong>–</strong> oder in China <strong>–</strong> Baidu<br />

und Alibaba. Während man andernorts<br />

auch deswegen längst autonom<br />

fährt, bastelt man hierzulande immer<br />

noch an Gesetzestexten, um das<br />

überhaupt erst möglich zu machen.<br />

Aber zurück ins Oberbayerische.<br />

Droht Ingolstadt ernsthaft ein Detroit<br />

2.0 zu werden und <strong>Eichstätt</strong> mit ins<br />

Verderben zu ziehen? Ist das nicht alles<br />

ein bisschen arg dick aufgetragen?<br />

Wahrscheinlich ist es das, ja. Es wäre<br />

der negativste aller möglichen Ausgänge<br />

der Zukunft.<br />

650.000 Menschen in einer Stadt, die<br />

in den 1950er-Jahren <strong>für</strong> rund zwei<br />

Millionen ausgebaut wurde. Mehr als<br />

ein Drittel der Fläche ist unbewohnt.<br />

Die Stadt ist sich selbst zu groß geworden.<br />

Hotels, Turnhallen, Parkhäuser,<br />

Theater verfielen. Fast 80.000 Häuser<br />

sollten in der einstigen Motor City<br />

heute leer stehen.<br />

In den 1990er-Jahren wäre man <strong>für</strong><br />

verrückt erklärt worden, hätte man ein<br />

solches Szenario prognostiziert. So viel<br />

zur Planbarkeit von Untergängen.<br />

Aber man muss es mit dem Fürchten ja<br />

auch nicht übertreiben. Also, wie steht<br />

die Automobilregion in der Region<br />

Ingolstadt/<strong>Eichstätt</strong> denn nun da? Darauf<br />

scheint es mehrere Antworten zu<br />

geben. Etwa eine offizielle. „Die meisten<br />

Firmen in der Region 10 sind aus<br />

unserer Sicht auf einem guten Weg“,<br />

schreibt Transform.10 auf Anfrage.<br />

Dabei handelt es sich um ein staatlich<br />

gefördertes und von den Kommunen<br />

mitgetragenes Netzwerk zur Unterstützung<br />

der kleinen und mittleren<br />

Unternehmen der Automobilindustrie<br />

rund um Ingolstadt.<br />

In ganz Deutschland wurden solche<br />

„ In Detroit hat man<br />

die verlassenen Ballsäle<br />

nicht als Lost-Places-<br />

Ruinen gebaut„<br />

Aber: Auch in Detroit hat man all die<br />

nun verlassenen Ballsäle und Theater<br />

nicht als ästhetische Ruinen <strong>für</strong> Lost-<br />

Places-Fotografen gebaut. Hier haben<br />

Menschen ihre Hochzeiten gefeiert,<br />

ihre Feierabende verbracht. Sie lebten<br />

im Hier und Jetzt, dachten nicht<br />

im Traum daran, dass Teile dieser<br />

Stadt einmal in einer urbanen Wildnis<br />

enden könnten. Heute leben noch<br />

50<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Netzwerke mit viel Fördergeld aus der<br />

Taufe gehoben, um die zweite und dritte<br />

Ebene der Autoindustrie fit <strong>für</strong> die<br />

Transformation zu machen. Viele Betriebe<br />

und Zulieferer hätten sich schon<br />

vor Jahren Gedanken über die Zukunftsfähigkeit<br />

ihrer Geschäftsmodelle<br />

gemacht, heißt es von Transform.10.<br />

„Insbesondere die Hersteller <strong>–</strong> bei<br />

uns die Audi AG <strong>–</strong> sind Vorreiter der<br />

Transformation und passen sich den<br />

Marktveränderungen mit neuen Produkten<br />

und Dienstleistungen schnell<br />

und flexibel an.“ Na, das klingt doch<br />

hoffnungsfroh.<br />

Aber es gibt auch noch eine andere<br />

Antwort. Eine, die sich aus dem destilliert,<br />

was man in all den Gesprächen<br />

zu hören bekommt, die man <strong>für</strong><br />

diese Geschichte führt. Mal klar ausgesprochen,<br />

mal zwischen den Zeilen<br />

versteckt. Und diese Antwort geht in<br />

etwa so: Der Untergang mag weit weg<br />

erscheinen, aber es müffelt doch sehr<br />

deutlich nach Krise. Die Sorgen, die<br />

man in und rund um die Branche hat,<br />

sie sind real.<br />

Da gibt es etwa Manuel Karrer, Bereichsleiter<br />

Beschaffung bei der FKT<br />

GmbH in Pförring, der erhebliche<br />

Zweifel hat, ob das alles in die richtige<br />

Richtung geht. „Ich denke schon, dass<br />

die goldenen Zeiten in der Region ein<br />

Stück weit zu Ende gehen. Der Wohlstand<br />

der Region steht schon sehr auf<br />

den Beinen von Audi.“ Landrat Anetsberger<br />

mag derweil eine Rezession<br />

nicht ausschließen.<br />

„Viele der Belastungen, die wir im Moment<br />

haben, fallen ja nicht sofort weg,<br />

sondern bleiben erst mal.“ Er meint<br />

Fachkräftemangel, Energiepreise und<br />

eben die große Transformation in der<br />

Autobranche. Und seine Meinung zu<br />

Audi? „Es ist das bestimmende Unternehmen<br />

in der Region und befindet<br />

sich in einer besonders schwierigen<br />

Situation“, analysiert er.<br />

Auch <strong>Eichstätt</strong>s Oberbürgermeister<br />

Josef Grienberger (CSU) ist einer von<br />

denen, die offen sprechen. „Uns stehen<br />

turbulente Jahre bevor“, glaubt der<br />

Politiker. Er ordnet die bevorstehende<br />

Entwicklung allerdings auch gleich<br />

ein. „Man muss halt auch verstehen,<br />

dass die letzten 20 Jahre nicht normal<br />

waren. Seit der Finanzkrise haben wir<br />

in allen Branchen einen Vollboom.<br />

Seitdem ging es nur noch nach oben <strong>–</strong><br />

und zwar über das gesunde Maß hi-<br />

„ Der Untergang mag<br />

weit weg erscheinen,<br />

aber es müffelt doch<br />

deutlich nach Krise„<br />

naus.“ Ein Abschwung also als Rückkehr<br />

zur Normalität. „Ja“, stellt Grienberger<br />

ohne zu zögern fest. „<strong>Das</strong> wäre<br />

kein Rückschritt, sondern eine Normalisierung.<br />

Ich meine, wo sollen die<br />

Immobilienpreise bei uns denn noch<br />

hinsteigen?“<br />

OB Grienberger: „Wohin sollen die<br />

Immobilienpreise noch steigen?“<br />

Ein interessanter Gedanke. <strong>Das</strong>s der<br />

Landkreis <strong>Eichstätt</strong> zu denen mit<br />

der niedrigsten Arbeitslosenquote<br />

Deutschlands gehört, dass man dort<br />

<strong>für</strong> eine Doppelhaushälfte mit Handtuchgarten<br />

in mancher Gemeinde eine<br />

Dreiviertelmillion hinblättern muss …<br />

Sehr normal ist das <strong>für</strong> einen ländlichen<br />

Landkreis tatsächlich nicht. Nirgends<br />

in Deutschland verdient man im<br />

Schnitt besser als in Ingolstadt, geht<br />

aus einer im Juli von der Arbeitsagentur<br />

veröffentlichten Statistik hervor.<br />

Hier liegt das mittlere Einkommen bei<br />

fast 5300 Euro. <strong>Das</strong> strahlt aus in die<br />

Region.<br />

Womit man direkt wieder bei der Stadt<br />

<strong>Eichstätt</strong> wäre. Bei allem Verständnis<br />

<strong>für</strong> eine Normalisierung weiß man<br />

dort, dass Audi-Ärger auch in der Bischofsstadt<br />

ankommen würde. „Uns<br />

treffen die Audi-Probleme vielleicht<br />

weniger direkt, weil wir gar nicht so<br />

viele Unternehmen haben, die direkt<br />

<strong>für</strong> Audi arbeiten“, stellt Grienberger<br />

fest. „Aber es trifft uns von einer anderen<br />

Seite her. Wenn die Arbeitnehmer,<br />

die hier wohnen, ihr Geld von Audi<br />

nicht nach <strong>Eichstätt</strong> bringen, dann machen<br />

die Banken schlechtere Geschäfte,<br />

dann kriegt der Bau Probleme, der<br />

Einzelhandel …“<br />

Man muss das System Audi richtig verstehen,<br />

um das Ausmaß des Problems<br />

nachzuvollziehen. Dazu nimmt man<br />

am besten einen 2000-jährigen Umweg.<br />

Als die Römer den Limes durch<br />

den Landkreis bauten und große Militärstandorte<br />

errichteten, die diese<br />

Grenze bewachen sollten. Um diese<br />

Kastelle herum entwickelten sich lebhafte<br />

städtische Siedlungen als Zen -<br />

tren von Wirtschaft und Kultur. Mitten<br />

im rätischen Nirgendwo entstand<br />

ein zivilisatorisches Lebensniveau, wie<br />

man es nach dem Abzug der Römer<br />

vor Ort die nächsten gut eineinhalbtausend<br />

Jahre nicht mehr zu sehen bekommen<br />

sollte.<br />

Der Grund <strong>für</strong> diesen außergewöhnlichen<br />

Boom? Ein steter Geldfluss von<br />

außen. Alle paar Monate kam ein kaiserlicher<br />

Gesandter und brachte eine<br />

neue Truhe mit Sold aus Rom. In den<br />

boomenden Wirtschaftskreislauf vor<br />

Ort wurde beständig frisches Geld<br />

gepumpt. Ziemlich genau so ist es mit<br />

Audi und der Region. Der Autobauer<br />

mit seinen exorbitanten Gehältern<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

51


ist diese Geldpumpe, die zahlreiche<br />

nachgelagerte Geschäftszweige mitbewässert.<br />

Versiegt der Geldstrom, ist<br />

ein ganzes wirtschaftliches Ökosystem<br />

in Gefahr.<br />

„ Der Autobauer ist die<br />

Geldpumpe, die zahlreiche<br />

Geschäftsfelder<br />

mitbewässert„<br />

Was im Falle der Römer passierte? Beispiel<br />

Weißenburg: Als dort die Kastellbesatzung<br />

<strong>für</strong> mehrere Jahre abgezogen<br />

wurde, um das Imperium vor den Markomannen<br />

zu retten, verfiel binnen<br />

kürzester Zeit die blühende und auf<br />

rund 5000 Einwohner geschätzte römische<br />

Siedlung Biriciana. Detroit 0.5<br />

sozusagen <strong>–</strong> nur ein Bildband der leer<br />

stehenden Thermen, Amphitheater<br />

und Bordelle ist nicht überliefert.<br />

Natürlich hinkt der Vergleich. Als die<br />

Römer sich aus der Region zurückzogen,<br />

stand ein Feind auf der anderen<br />

Seite der Mauer und schleifte die Kastellstandorte.<br />

Jetzt, immerhin, droht<br />

nur der wirtschaftliche Untergang.<br />

Und gegen den gibt es Mittel. „Wir<br />

haben jahrzehntelang profitiert vom<br />

Boom der Automobilindustrie, und ich<br />

glaube, wir haben in dieser Zeit auch<br />

Substanz aufgebaut, von der wir jetzt<br />

profitieren können“, sagt <strong>Eichstätt</strong>s<br />

Landrat Alexander Anetsberger. „Wir<br />

müssen das Auto und das Autobauen<br />

neu denken, aber wir haben auch jede<br />

Menge Erfahrung und Know-how, das<br />

zu tun.“<br />

Und er hat schon recht. Audi unternimmt<br />

gigantische Anstrengungen,<br />

um im Rennen um die automobile Zukunft<br />

wieder nach vorne zu kommen.<br />

Und die Region hat einige Starter in<br />

ganz andere Rennen um Zukünfte geschickt.<br />

In Ingolstadt ist mit dem brigk ein<br />

Start-up-Unterstützungssystem entstanden,<br />

dessen Zweck es ist, guten<br />

Ideen zum Durchbruch zu verhelfen.<br />

Mit dem brigkair in Manching hat man<br />

die Sache noch zugespitzt. Ein hipper<br />

Start-up-Inkubator <strong>für</strong> die Urban E-<br />

Mobility seht hier auf der grünen Wiese.<br />

Man forscht in Kooperation etwa<br />

mit Airbus und jungen Wilden aus<br />

ganz Europa an autonomen fliegenden<br />

Luftdrohnen. Die könnten eines Tages<br />

Lieferungen von Paketen, Pizzen und<br />

in noch fernerer Zukunft Personen<br />

übernehmen. Ein wirklich heißes Zukunftsthema.<br />

Ein Ansatz, von dem etwa der <strong>Eichstätt</strong>er<br />

Vorzeige-Start-up-Gründer<br />

Thomas Hirsch begeistert ist. 2019<br />

war er <strong>für</strong> längere Zeit im Silicon Valley,<br />

um Kontakte zu knüpfen und sich<br />

vor allem anzuschauen, wie es gelingt,<br />

dass die Bay Area eine Innovation nach<br />

der anderen produziert. „<strong>Das</strong> war wirklich<br />

das Umfeld <strong>für</strong> Start-ups“, erzählt<br />

er, „und jetzt stelle ich fest, dass wir<br />

sowas direkt vor der Haustür haben.<br />

Da kommen inzwischen Start-ups aus<br />

ganz Europa, weil die Bedingungen so<br />

gut sind.“<br />

„ Der technologische<br />

Fortschritt wird in allen<br />

Branchen die Welt<br />

verändern„<br />

Er selbst ist auch mit an Bord. Denn die<br />

Sache mit der Transformation nimmt<br />

er ernst. „Der technologische Fortschritt<br />

wird in allen Branchen die Welt<br />

verändern. Und wir stehen da eher<br />

am Anfang. Wir brauchen Transformation.“<br />

Er selbst hat die konsequent<br />

im eigenen Unternehmen umgesetzt,<br />

52<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


indem er sich in größeren Bereichen<br />

aus der Autoindustrie verabschiedet<br />

hat. „Ich merke da jetzt schon den<br />

Umbruch, die Dynamik geht zurück“,<br />

erzählt er. Festzustellen sei das an zwei<br />

Entwicklungen: an ersten Insolvenzen<br />

und an mangelnder Nachfolge in den<br />

Unternehmen.<br />

„Wenn ich mal auf das Jahr 2030 blicke,<br />

dann stelle ich mir da generell die<br />

Frage, ob da überhaupt noch ein Auto<br />

in Ingolstadt vom Band läuft.“ Und<br />

selbst wenn: Stehen an diesem Band<br />

dann noch sehr gut bezahlte Menschen<br />

oder ist man nicht längst bei der vollautomatisierten<br />

Produktion angelangt?<br />

<strong>Das</strong> klingt dann durchaus ein bisschen<br />

nach Detroit 2.0. Denn bei Audi in Ingolstadt<br />

arbeiten mehr als 40.000 Menschen.<br />

Die meisten davon am Band.<br />

Hirsch Engineering <strong>–</strong> die Firma von<br />

Thomas Hirsch <strong>–</strong> hatte vor zwei Jahren<br />

noch 95 Prozent Kunden aus der<br />

Automobilindustrie, heute stammen<br />

85 Prozent des Unternehmensumsatzes<br />

aus anderen Bereichen. Seine Erfahrungen<br />

aus diesem Blitz-Umbau<br />

lassen ihn daran glauben, dass der<br />

ganzen Region die Transformation gelingen<br />

kann. Zum einen, weil man gute<br />

regionale Voraussetzungen hat. Die<br />

Lage zwischen den Technologieachsen<br />

Nürnberg, München, Augsburg<br />

und Regensburg ist von Vorteil. Zum<br />

anderen, weil man großes technisches<br />

Know-how in den bestehenden Unternehmen<br />

vor Ort gebunden hat.<br />

„<strong>Das</strong> wichtigste <strong>für</strong> die Transformation<br />

ist das richtige Mindset“, sagt Hirsch.<br />

„Man muss bereit sein, die Transformation<br />

als Vorreiter mitzugehen,<br />

innovative Gedanken weiterzuspinnen.“<br />

Und hier sieht er in der Region<br />

noch Nachholbedarf. „Wir brauchen<br />

jetzt Mut, um nach vorne zu gehen,<br />

aber dazu sind viele nicht bereit. <strong>Das</strong><br />

ist nachvollziehbar, weil der Mensch<br />

natürlich ein Gewohnheitstier ist, aber<br />

es ist in der aktuellen Situation vermutlich<br />

auch falsch.“<br />

Und damit wäre man wieder bei<br />

Transform.10. Jenem Netzwerk, das<br />

den Umbau der regionalen Automobilbranche<br />

vor Ort betreuen soll. Auch<br />

wenn man insgesamt veränderungswillig<br />

sei, gebe es tatsächlich Nachholbedarf.<br />

„Je größer das Unternehmen,<br />

desto besser gelingt es, sich auf neue<br />

Herausforderungen einzustellen und<br />

den Wandel voranzutreiben“, haben<br />

die Netzwerker aus Ingolstadt beobachtet.<br />

Und auf diejenigen, die sich<br />

dem Wandel verweigern, sieht man<br />

auch bei Transform.10 düstere Zeiten<br />

zukommen. „Für sie wird es schwer<br />

werden, sich weiter am Markt zu behaupten.“<br />

Was Thomas Hirsch aus seiner persönlichen<br />

Transformations-Erfahrung<br />

sagen kann: An Nischen in anderen<br />

Bereichen mangelt es nicht, aber sehr<br />

wohl fehlt es an Kenntnissen, diese zu<br />

finden. Deshalb hat er in der Phase der<br />

Transformation <strong>für</strong> sich lernen müssen,<br />

mehr an und weniger in seinem<br />

Unternehmen zu arbeiten. Hirsch war<br />

unterwegs. In diesem Verband, in jenem<br />

Netzwerk, bei diesem Vortrag.<br />

„Es geht bei einer Umstellung erst mal<br />

darum, andere Branchen kennenzulernen.<br />

Zu verstehen, was da die Anforderungen<br />

sind, wie ich mich aufstellen<br />

muss, um denen gerecht zu werden,<br />

und die Nischen zu finden, die es <strong>für</strong><br />

mich gibt.“ <strong>Das</strong>s es diese Nischen überall<br />

gibt, ist eine durchaus hoffnungsfrohe<br />

Kunde. Zumindest <strong>für</strong> die Unternehmen,<br />

die in Gefahr geraten können.<br />

Nur welche sind das eigentlich? Fragt<br />

man Manuel Karrer von der Pförringer<br />

„ Aus meiner Sicht ist<br />

es nicht gut, was da<br />

derzeit in Ingolstadt<br />

passiert„<br />

FKT GmbH, dann gibt es da eine klare<br />

Antwort. „Für die Unternehmen, die<br />

am Rockzipfel von Audi hängen, wird<br />

es sehr schwer.“ Karrer begründet das<br />

auf zwei unterschiedlichen Wegen.<br />

Erstens: weil Audi knallhart verhandelt<br />

und seinen Zulieferern wenig Luft<br />

zum Atmen lässt. Zweitens: weil Audi<br />

aus seiner Sicht strategisch falsche Entscheidungen<br />

trifft.<br />

„Aus meiner Sicht ist es nicht gut, was<br />

da derzeit in Ingolstadt passiert. Ich<br />

sehe das sehr, sehr kritisch“, sagt er im<br />

Gespräch mit unserem Magazin. Sich<br />

komplett vom Verbrenner zu verabschieden,<br />

sei die falsche Strategie. Den<br />

Verbrennermarkt werde es weltweit<br />

immer geben, glaubt Karrer. Den ohne<br />

Not aufzugeben, hält er <strong>für</strong> einen gro-<br />

ben Fehler. „Damit schenkt man eine<br />

Kompetenz her, die man sich über Jahrzehnte<br />

hinweg aufgebaut hat.“ Und die<br />

aus seiner Sicht auch nicht so schnell<br />

auf andere Felder zu übertragen ist.<br />

Eine Position, die man durchaus auch<br />

von Audianern zu hören bekommt …<br />

Inhaltlich ist diese Argumentation umstritten,<br />

aber sie zeigt eben, wie groß<br />

die Unsicherheiten in der gesamten<br />

Branche im Moment sind. Und Unsicherheiten<br />

erhöhen die Gefahr strategischer<br />

Fehlentscheidungen erheblich.<br />

Die andere Entwicklung, die Karrer<br />

am Wohlergehen der Region zweifeln<br />

lässt, ist das Verhalten von Audi.<br />

„Ich bin massiv enttäuscht“, stellt er<br />

fest. „Wir sind 20 Kilometer von den<br />

Werkstoren entfernt, das ist ja unser<br />

klarer Vorteil, aber das zählt offenbar<br />

nicht mehr. Es kommen gar keine Anfragen<br />

mehr bei uns an.“ <strong>Das</strong> liegt nicht<br />

daran, dass man die FKT-Produkte in<br />

der neuen Welt der E-Mobilität nicht<br />

mehr brauchen würde. Die Pförringer<br />

produzieren vor allem Teile <strong>für</strong> den<br />

Fahrzeuginnenraum und sind vom<br />

Umbruch wenig betroffen.<br />

<strong>Das</strong>s man bei FKT in den kommenden<br />

Jahren trotzdem investiert, hängt<br />

laut Manuel Karrer mit einem anderen<br />

großen bayerischen Autobauer zusammen.<br />

„Wir haben gerade den größten<br />

Auftrag in der Geschichte unseres Unternehmens<br />

von BMW bekommen.“<br />

In München fahre man einen anderen<br />

Kurs und gehe wieder viel stärker auf<br />

regionale Strukturen bei Zulieferern.<br />

<strong>Das</strong>s Audi im Einkauf „schon immer<br />

mit härteren Bandagen gekämpft hat“,<br />

das sei ihm nicht neu, erklärt <strong>Eichstätt</strong>s<br />

Landrat Anetsberger gegenüber<br />

<strong>WIKO</strong>, „aber ich sehe das immer noch<br />

als konstruktives Miteinander“. Experten<br />

der Branche weisen aber ebenfalls<br />

auf Probleme hin. „Wenn Audi seinen<br />

Zulieferern keine Luft mehr lässt, dann<br />

stellt sich die Frage, aus welcher Kasse<br />

sie eigentlich die Entwicklung bezahlen<br />

sollen, die Audi ja durchaus einfordert.“<br />

Wenn man <strong>für</strong> Entwickler Stundensätze<br />

zahle, <strong>für</strong> die man im eigenen<br />

Garten keinen Landschaftsgärtner finde,<br />

sei das schon ein Problem.<br />

Audi selbst sieht das naturgemäß anders.<br />

„Wir sprechen mit unseren Lieferanten<br />

<strong>–</strong> separat vom Alltagsgeschäft <strong>–</strong><br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

53


über ihre Ausrichtung im Hinblick<br />

auf die Elektromobilität“, heißt es auf<br />

Anfrage. „So führen wir zum Beispiel<br />

Zukunftsdialoge durch, um unsere Lieferanten<br />

bestmöglich auf den Wandel<br />

vorzubereiten. Gerade bei Lieferanten<br />

mit starker Spezialisierung auf die Verbrennermodelle<br />

ist eine gemeinsame<br />

Erarbeitung von individuellen Lösungen<br />

notwendig. Wir befinden uns in<br />

einer Phase des Übergangs, in der verschiedene<br />

Antriebskonzepte parallel<br />

existieren. (…) Sowohl wir als auch die<br />

Lieferanten müssen in dieser Phase<br />

beide Technologien beherrschen.“<br />

Die gute Zusammenarbeit mit Lieferanten<br />

aus der Region sei Audi wichtig,<br />

betont man dann. Grundsätzlich<br />

könnten sich aber Lieferanten aus der<br />

ganzen Welt mit einem Angebot auf<br />

eine Ausschreibung bewerben. „Wir<br />

prüfen jedes Angebot sorgfältig und<br />

gewichten die Faktoren Innovation,<br />

technologische Kompetenz, Wettbewerbsfähigkeit,<br />

Qualität, Logistik<br />

und Nachhaltigkeit gleich stark.“ Regionalität<br />

ist also schon willkommen,<br />

besser als der Rest der internationalen<br />

Branchenwelt muss es trotzdem sein.<br />

Und die Arbeitsplätze? „Wir haben bei<br />

Audi nicht nur eine Beschäftigungsgarantie<br />

bis 2029 vereinbart, sondern<br />

schaffen aktuell auch anlassbezogen<br />

neue Arbeitsplätze beispielsweise in<br />

der Produktion in Ingolstadt <strong>für</strong> den<br />

Anlauf des Audi Q6 e-tron. <strong>Das</strong> ist<br />

ein Bekenntnis zu unserem Produktionsstandort<br />

und zeigt, dass Elektromobilität<br />

die Möglichkeit bietet, neue<br />

Arbeitsplätze entstehen zu lassen.“<br />

Die Elektrifizierung sorge <strong>für</strong> hohes<br />

Beschäftigungsvolumen, neue Arbeitsplätze<br />

und mehr Sicherheit an den<br />

deutschen Standorten.<br />

Na, dann ist doch alles gut, oder nicht?<br />

Na ja, der VW-Konzern, zu dem ja<br />

Audi inzwischen gehört, hat vor einigen<br />

Monaten das Aus <strong>für</strong> Audi-Chef<br />

Markus Duesmann beschlossen, es<br />

gibt ernsthafte Probleme auf dem chinesischen<br />

Markt und der neue Super-<br />

Claim „Future is an Attitude“ soll nun<br />

doch wieder begleitet werden vom guten<br />

alten „Vorsprung durch Technik“.<br />

Der Slogan stammt übrigens aus dem<br />

Jahr 1971, da betrieb General Motors<br />

in Detroit noch sechs Werke, der in der<br />

Stadt erfundene Motown-Sound dominierte<br />

die US-amerikanischen Charts<br />

und die Theater, Ballsäle und Bahnhöfe<br />

waren noch voller Leben. Lang, lang<br />

ist es her …<br />

Impressum<br />

Herausgeber/Verlag: Braun & Elbel GmbH & Co. K.G., Verlag Weißenburger Tagblatt, Wildbadstraße 16-18, 91781 Weißenburg,<br />

Tel. 0 91 41 / 85 90 90, info@wiko-wug.de; in Kooperation mit der DONAUKURIER GmbH, Stauffenbergstraße 2a, 85051<br />

Ingolstadt; Projektleiter: Felix Oeder (Kontakt: oeder@wiko-wug.de); Redaktionsleiter: Jan Stephan; Layout & Design: Sven<br />

Katheder, Erik Körner (be media); Lektorat: Ingrid Philipp; Verteilung: <strong>WIKO</strong> liegt dem DONAUKURIER und seinen Heimatzeitungen<br />

im Landkreis <strong>Eichstätt</strong> am 13.10.<strong>2023</strong> bei; Erscheinung: 1 x jährlich (Oktober); Auflage: ca. 28.000; Druck: Buchund<br />

Offsetdruckerei Braun & Elbel GmbH & Co. K.G., Wildbadstraße 16-18, 91781 Weißenburg, Tel. 0 91 41 / 85 90 90,<br />

druckerei@weissenburger-tagblatt.com; Bildnachweise: Titel (Illustration: Erik Körner, be media); S. 3 Jan Stephan (Onur Alagöz);<br />

S. 4 (DONAUKURIER GmbH), Bild Mitte (Felix Oeder), Bild unten (Felix Oeder); S. 6 (Felix Oeder); S. 7 (Daniel Funk,); S. 8/9<br />

(Felix Oeder); S. 10 (Rudolf Hager); S. 11 (Maria Lisa Schiavone); S. 12 (Guillaume Crochez); S. 13 (SGD/Guillaume Crochez); S.<br />

14/15 (INconnect); S.16 (Gunvor); S. 17 (Schabmüller/Christoph Liebers); S. 18 (Archiv Weißenburger Tagblatt); S. 20 (Natalie<br />

Schulda); S. 21 (Felix Oeder); S. 25 (BayH2); S. 26 (Montage be media/Erik Körner); S. 28 (Stefan Eberl); S. 29 (Rössle); S. 30<br />

(Mockup be media); S. 31 (Felix Oeder); S. 32 (oben/Rebecca Färber-Engelhardt); (unten Petra Preis); S. 33 mitte (Manfred<br />

Muthig); (unten/Jürgen Frohberg); (Kasten oben/ Rebecca Färber-Engelhardt); S. 34 (Gruppenbild/MPersy); S. 35 (Nadine<br />

Winter - Fotografie); S. 36-42 (Luis Beyerbach); S. 43 (Lena Krammer); S. 44 (Marco Schneider); S. 45 (Kai Bader); S. 46 (Felix<br />

Oeder; S. 47 (oben/Ossiander Silvia); (mitte/Tim Koenig WINGMEN Media GmbH); S. 48-50 (The Ruins Of Detroid, Romain<br />

Meffre/Yves Marchand <strong>–</strong> Steidl Verlag); S. 50 (oben/Boris Roessler; unten AUDI AG/Bernhard Huber); S. 51 (Stadt <strong>Eichstätt</strong>);<br />

S. 52 (AUDI AG Ingolstadt); S. 54 (AUDI AG Ingolstadt).<br />

Die mit Namen oder Zeichen versehenen Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der <strong>WIKO</strong>-Redaktion wieder. Aus Gründen<br />

der einfacheren Lesbarkeit wird auf die geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Sämtliche Rollenbezeichnungen<br />

gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich <strong>für</strong> alle Geschlechter. Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages<br />

gestattet. Datenschutzhinweis nach DSGVO. <strong>Das</strong> Magazin und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

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durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendungen bleiben vorbehalten. Für unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird<br />

keine Haftung übernommen. Der Verlag Weißenburger Tagblatt übernimmt keinerlei Garantie und Haftung <strong>für</strong> die Richtigkeit,<br />

Aktualität und Vollständigkeit der bereitgestellten Informationen. Alle Angaben sind ohne Gewähr.<br />

54<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>


Hinter den<br />

<strong>WIKO</strong>-Kulissen<br />

Ein einziges Magazin - aber<br />

ein großes Team dahinter.<br />

Hier zeigen wir Ihnen, wer<br />

hinter der <strong>2023</strong>er-Ausgabe<br />

des <strong>WIKO</strong> <strong>Eichstätt</strong> steckt.<br />

Jan Stephan<br />

Redaktionsleitung<br />

Felix Oeder<br />

Projektmanagement<br />

Team<br />

Ein Bestsellerautor ist Teil unseres Teams.<br />

Der SZ-Journalist Uwe Ritzer hat mit seinem<br />

Buch „Zwischen Dürre und Flut <strong>–</strong> Deutschland<br />

vor dem Wassernotstand“ einen großen<br />

Erfolg gefeiert. Ritzer ist einer der renommiertesten<br />

Wirtschaftsjournalisten des Landes<br />

und hat eine Vielzahl erfolgreicher Sachbücher<br />

geschrieben.<br />

Uwe Ritzer<br />

Berater und Redaktion<br />

Marco Schneider<br />

Redaktion<br />

Celine Ritzer<br />

Redaktion<br />

Die <strong>WIKO</strong>-Redaktion verantwortet Jan<br />

Stephan. Der Lokalredakteur aus Weißenburg<br />

kennt sich aus mit dem Land, schreibt<br />

er doch seit fast zwei Jahrzehnten darüber.<br />

Neben dem <strong>WIKO</strong> <strong>Eichstätt</strong> leitet er auch<br />

den <strong>WIKO</strong> Altmühlfranken.<br />

Marco Schneider, Redaktionsleiter des <strong>Eichstätt</strong>er<br />

Kuriers, ist erstmals als Autor mit an<br />

Bord. Kaum einer kennt die Region besser<br />

als er. Mit Selina Yildiz und Luis Beyerbach<br />

haben wir auch journalistischen Nachwuchs<br />

an Bord. Beide studieren an der Katholischen<br />

Universität <strong>Eichstätt</strong>.<br />

Selina Yildiz<br />

Redaktion<br />

Luis Beyerbach<br />

Redaktion<br />

Tanja Meyerhöfer<br />

Layout und Design<br />

Während die Redaktion schreibt, kümmert<br />

sich Projektmanager Felix Oeder um das große<br />

Ganze. Die Grafikabteilung aus Sven Katheder,<br />

Erik Körner und Tanja Meyerhöfer<br />

sorgt derweil da<strong>für</strong>, dass die Texte der schreibenden<br />

Kollegen nicht nur gut zu lesen sind,<br />

sondern auch schön ausschauen. Und Ingrid<br />

Philipp ist <strong>für</strong> das Lektorat zuständig.<br />

Erik Körner<br />

Sven Katheder<br />

Ingrid Philipp<br />

Illustration<br />

Layout und Design<br />

Lektorat<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong><br />

<strong>WIKO</strong>


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EINE FATA MORGANA IN DER ASPHALTWÜSTE<br />

DIE ZUKUNFT STECKT VOLLER ENERGIE...<br />

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Ob Wallbox oder Hypercharger <strong>–</strong> wir sind Ihr Wegbereiter <strong>für</strong> Elektromobilität.<br />

Von der Vision 56 bis zur ersten <strong>WIKO</strong> Ladung unterstützen wir Sie bei Ihrem Vorhaben.<br />

Ausgabe <strong>2023</strong><br />

Kontaktieren Sie uns jetzt und gestalten Sie mit uns Ihre Ladeoase.

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