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WIKO 2023 – Das Wirtschaftsmagazin für Eichstätt

Der Wirtschaftskompass Eichstätt stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

Der Wirtschaftskompass Eichstätt stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

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sammen mit Niederbayern hat man<br />

im Freistaat die wenigsten Windräder.<br />

Ausgerechnet im Kernland des selbst<br />

ernannten „Himmels auf Erden“ hinkt<br />

man in Sachen Windkraft also deutlich<br />

hinterher. <strong>Das</strong> hat ein paar nachvollziehbare<br />

Gründe <strong>–</strong> unter anderem die<br />

Alpen sowie große Natur- und Landschaftsschutzgebiete<br />

<strong>–</strong>, macht den Vergleich<br />

deswegen aber nicht prestigeträchtiger.<br />

<strong>Eichstätt</strong> mag man in Sachen Windkraft<br />

in Oberbayern weit vorne sein,<br />

aber eben nur, weil unter den Blinden<br />

der Einäugige zum König gemacht<br />

wird. <strong>Das</strong> wäre ein bisschen so, als<br />

würde sich die deutsche Nationalmannschaft<br />

die Bilanz der letzten Jahre<br />

schönreden, indem man feststellt,<br />

dass man erheblich weniger Tore als<br />

das Team aus San Marino bekommen<br />

hat. Schon irgendwie richtig, aber eben<br />

auch ein schiefer Vergleich.<br />

Wendet man den Blick nach Westen,<br />

sieht man aus <strong>Eichstätt</strong>er Perspektive<br />

schnell, dass es mit der Windkraft auch<br />

anders geht. In Weißenburg-Gunzenhausen<br />

stehen aktuell 61 Windkraftanlagen.<br />

Und das, obwohl der Landkreis<br />

<strong>Eichstätt</strong> um ein Drittel größer ist als<br />

der mittelfränkische Nachbar. Zum<br />

Vergleich: Der deutsche Landkreis mit<br />

den bundesweit meisten Windrädern<br />

ist <strong>–</strong> wenig überraschend <strong>–</strong> Nordfriesland.<br />

Hier drehen sich 827 (!) Windkraftanlagen.<br />

Fazit: <strong>Eichstätt</strong> ist in Oberbayern spitze<br />

in Sachen Windkraft, nur ist Oberbayern<br />

in Sachen Windkraft extrem<br />

schlecht.<br />

Zweitens <strong>–</strong> wie viel Strom wird vor<br />

Ort produziert?<br />

Auch hier schaut man im Landkreis<br />

auf den ersten Blick ordentlich aus. 68<br />

Prozent des im Landkreis verbrauchten<br />

Stroms werden rein rechnerisch vor<br />

Ort erzeugt. Mit Windrädern (22%),<br />

Photovoltaikanlagen (25%), Biomasse<br />

(21%) oder Wasserkraft (0,45%). Diese<br />

Zahlen spuckt der Energieatlas der<br />

Bayerischen Staatsregierung aus.<br />

<strong>Das</strong> Umweltbundesamt hat sich gerade<br />

erst gefreut, dass fast 50 Prozent<br />

des deutschen Strombedarfs inzwischen<br />

im Land selbst erzeugt werden.<br />

Alles super also? Immerhin liegt man<br />

in <strong>Eichstätt</strong> fast 20 Prozent über diesem<br />

Wert. Leider nein, denn auch hier<br />

hinkt der Vergleich.<br />

Denn wenn die Energiewende gelingen<br />

soll, muss das Land die Stadt<br />

retten. In München, Hamburg, Berlin<br />

oder eben auch Ingolstadt, Augsburg,<br />

Regensburg oder Nürnberg wird weit<br />

mehr Energie verbraucht als auf dem<br />

Land. Klar, hier leben viele Menschen,<br />

hier haben große Unternehmen ihre<br />

Produktionen, hier gibt es viel energieintensive<br />

Infrastruktur.<br />

In den Metropolen des Landes wird<br />

aber nicht nur mehr Strom verbraucht,<br />

es wird auch erheblich weniger erneuerbare<br />

Energie erzeugt als auf dem<br />

Land. Klar, es fehlt bei all den Hochhäusern,<br />

Fabrikhallen und Unternehmenssitzen<br />

an Platz <strong>für</strong> Windräder,<br />

PV-Parks oder Biogasanlagen. Im Umkehrschluss<br />

heißt das: Auf dem Land<br />

muss deutlich über den eigenen Bedarf<br />

hinaus Energie produziert werden, um<br />

die industriellen und urbanen Zentren<br />

des Landes mitzuversorgen.<br />

„ In Nürnberg werden<br />

drei Prozent des Strombedarfs<br />

aus regenerativen<br />

Quellen gedeckt„<br />

Und das wird es heute auch schon in<br />

vielen ländlichen Bereichen Deutschlands,<br />

anders wäre eine immerhin<br />

50-prozentige Deckung des Strombedarfs<br />

schon jetzt gar nicht machbar.<br />

Aus dieser Perspektive bekommen die<br />

68 Prozent aus <strong>Eichstätt</strong> dann doch ein<br />

paar Kratzer im Lack.<br />

Erst recht, wenn man schaut, wie die<br />

Nachbarlandkreise so dastehen. Neuburg-Schrobenhausen<br />

kommt auf<br />

einen Deckungsgrad von 103 Prozent,<br />

Weißenburg-Gunzenhausen auf 115<br />

und Neumarkt auf 121 Prozent. Klar,<br />

es gibt auch Roth (51%) und Kelheim<br />

(54%), aber schon die 37 Prozent aus<br />

Ingolstadt sind weniger Beruhigung<br />

<strong>für</strong> <strong>Eichstätt</strong> als Beleg <strong>für</strong> die These,<br />

dass das Land die Stadt retten muss.<br />

In Nürnberg etwa werden nur drei<br />

Prozent des eigenen Strombedarfs aus<br />

regenerativen Quellen gedeckt. Und<br />

dieser Strombedarf ist zudem noch<br />

knapp viermal so hoch wie der des gesamten<br />

Landkreises <strong>Eichstätt</strong>. Regens-<br />

burg kommt auf neun Prozent, Augsburg<br />

auf 13 und München auf gerade<br />

mal zwei. So hübsch man die beiden<br />

Windräder neben der Allianz Arena<br />

auch finden mag …<br />

Fazit: <strong>Eichstätt</strong> liegt bei der regenerativen<br />

Stromerzeugung über dem Bundesschnitt,<br />

aber deutlich niedriger als<br />

vergleichbare andere ländliche Landkreise.<br />

Drittens <strong>–</strong> bei der Wärme gewinnt<br />

man die Schlacht.<br />

<strong>Das</strong> Schlachtfeld, auf dem die Energiewende<br />

gewonnen wird, ist nicht der<br />

Stromverbrauch, sondern der Wärmebedarf.<br />

Ein Umstand, der öffentlich<br />

erstaunlich beständig ignoriert wird.<br />

Zum Vergleich: Im Landkreis <strong>Eichstätt</strong><br />

werden knapp 770 Millionen Kilowattstunden<br />

Strom pro Jahr verbraucht, es<br />

müssen aber jedes Jahr 3,5 Milliarden<br />

Kilowattstunden Energie aufgebracht<br />

werden, um Häuser, Schulen und<br />

Fabriken zu heizen und mit warmem<br />

Wasser zu versorgen. Der Wärmeverbrauch<br />

macht also das gut 4,5-Fache<br />

des Strombedarfs aus.<br />

Umso verheerender, dass der Deckungsgrad<br />

aus regional Erneuerbaren<br />

hier viel schlechter ist als beim Strom.<br />

Nur 16 Prozent der Wärmeenergie im<br />

Landkreis <strong>Eichstätt</strong> kommen aus nachhaltigen<br />

Quellen. Bei denen handelt<br />

es sich im Wesentlichen um Biomasse.<br />

Von Blockheizkraftwerken mit Hackschnitzeln<br />

über von Biogasabwärme<br />

gespeiste Nahwärmenetze bis hin zu<br />

privaten Pellets- und Scheitholzheizungen.<br />

Im Gegensatz zur Stromproduktion<br />

liegt man bei der Wärmeproduktion<br />

im Landkreis unter dem bundesweiten<br />

Schnitt von rund 17,5 Prozent. Weißenburg-Gunzenhausen<br />

bringt es hier<br />

auf 28 Prozent <strong>–</strong> unter anderem wegen<br />

der hohen Dichte der nicht unumstrittenen<br />

Biogasanlagen <strong>–</strong> Neumarkt ist<br />

mit 27 Prozent ebenfalls stark, Kelheim<br />

(17%) und Roth (16%) liegen auf <strong>Eichstätt</strong>er<br />

Niveau, Schrobenhausen (12%)<br />

und Ingolstadt (3%) deutlich darunter.<br />

Fazit: Was beim Strom noch ganz gut<br />

aussieht, ist bei der viel wichtigeren<br />

Wärme fatal. Man ist immer noch zu<br />

mehr als 80 Prozent abhängig von fossilen<br />

Energieträgern.<br />

24<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>

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