WIKO 2023 – Das Wirtschaftsmagazin für Eichstätt

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Der Projektmanager selbst wohnt nicht in einem Einfamilienhaus, sondern zur Miete. Über das Gewerbegebiet sagt er: „Unheimlich viele Leute haben davon profitiert, alteingesessene Gaimersheimer haben Grund verkauft und hohe Einnahmen erzielt.“ Die Gewerbesteuereinnahmen seien sehr hoch. Für den Ort und seine Infrastruktur sei das vor allem positiv. Selbstverständlich stärke das Geld der Audi AG die Region finanziell enorm. In Gaimersheim ist man vor allem eines: schnell in Ingolstadt. vereins. Die erste Veranstaltung habe er noch besucht, aber sei dann gegangen. „Die haben ein Leitbild entwickelt, das heißt: Wir sind die Besten und die Schönsten und wollen richtig geile Gastronomie haben in Gaimersheim“, fasst er zusammen. Wie viele andere Anwohner hofft er, dass die staatliche Förderung am Ende sinnvoll genutzt werde. Auch ein Teil des ISEK-Programms ist es, den Einzelhandel in deutschen Innenstädten wieder zu stärken. In Gaimersheim zeigen sich diese Bestrebungen bisher noch nicht. Klassischen Einzelhandel gibt es kaum. Evi Pade-Bauch ist Geschäftsinhaberin. Ihr Laden heißt „Frau Bauch“ und ist neben dem Schuhhaus Pfisterer und dem Kinderschuhgeschäft schuhkind in der Ziegeleistraße der einzige Laden in Gaimersheim, der dem klassischen Einzelhandel zugeordnet wird. Sie verkauft Kindermode, Bücher, Spielzeuge und Babyutensilien. Wenn in Gaimersheim ein Baby geboren wird, bekommen seine Eltern von der Gemeinde einen Gutschein ihres Ladens geschenkt. Sie bezeichnet die Zusammenarbeit mit der Gemeinde als angenehm. Ihre Kundinnen sind vor allem junge Mütter. Die Väter, meint Pade-Bauch, seien auf der Arbeit in Ingolstadt, das erkenne man an den Familienaudis, die vor der Ladentür parkten. Doch ihre Kundinnen kämen häufig nicht direkt aus Gaimersheim, sondern aus Ingolstadt oder anderen Dörfern und Städten in der Umgebung. Ihr werde oft gesagt, wie angenehm es sei, in ihrem Laden zu kaufen und dass die Parkmöglichkeit direkt vor ihrer Ladentür praktisch sei. Doch warum gehen die Bemühungen, den Einzelhandel und die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu verbessern, so schleppend voran? Ein Architekt, der Vergleichbares in anderen Städten der Region beobachtet, sagt: „weil es keinen Bedarf gibt“ In den Ortskernen lebten kaum noch Anwohner, die etwas gegen viel befahrene Straßen und die Lautstärke haben könnten, die Durchfahrtsorte automatisch mit sich bringen. Teurer Grund, teure Mieten In Gaimersheim haben lange vor allem ältere Menschen im Ortskern gelebt. Viele Häuser stehen seit Jahren leer. Seit es den fußläufigen Edeka-Markt im Ortskern nicht mehr gibt, sei die Laufkundschaft fast vollends verschwunden, gibt die Ladenbesitzerin zu bedenken. Weil ihr eine weitere Boutique in Abensberg gehöre, habe sie den direkten Vergleich. „Eine belebte Fußgängerzone ist schon angenehmer“, sagt sie. Ob das wenige Leben im Ortskern die Zugezogenen stört, unterscheidet sich je nachdem, wie viel Zeit ihrer Freizeit sie in Gaimersheim verbringen. Auch inwiefern sie sich in die Marktgemeinschaft aufgenommen fühlen und ob sie das überhaupt wollen, ist unterschiedlich. „Also auf einen zugehen tut natürlich niemand, es braucht ein bisschen Eigeninitiative“, erzählt einer, der als Projektmanager in der Audi AG in Ingolstadt arbeitet und vor einigen Jahren wegen des Jobs und der Familie nach Gaimersheim gezogen ist. Doch wie sein Audi-Kollege auf dem Vatertagsfest hält er nichts davon, Audi und Airbus als große und alleinige Verantwortliche für den Wohlstand und die damit einhergehenden Unterschiede anzusehen. Er betont, es sei kein Audi-spezifisches Phänomen, wie die Zugezogenen in Gaimersheim lebten, und dass sich Ähnliches auch in anderen Regionen zeige, die von großen Konzernen profitieren. Diese Regionen wirken nach außen oft versnobt. Ein Überlegenheitsgefühl oder Geltungsbedürfnis vonseiten der Gaimersheimer Zugezogenen gegenüber den Ur-Gaimersheimern existiere aber nicht. Trotzdem könne er sich vorstellen, dass es der ein oder andere in der Gemeinde so wahrnehme. Und natürlich sorge die Situation in Gaimersheim für einen enormen Kostenanstieg. Die Mieten im Ort, auch seine eigene, seien „der absolute Wahnsinn“. Wie die beiden Männer im Schützenheim findet auch er, dass es im Ortskern einen Treffpunkt brauche und dass der Leerstand problematisch sei – doch es müssten sich eben zunächst Menschen finden, die ein neues Gewerbe aufbauen wollen. Der wenige Einzelhandel störe ihn nicht bedeutend. „Dafür, dass die Gemeinde so nah an Ingolstadt ist, passiert hier noch erstaunlich viel“, findet er, zählt die Bäckereien und die Metzgerei auf, die Schuhgeschäfte und das Erlebnisbad Aquamarin als Freizeitmöglichkeit. Es kommt eben darauf an, was die Leute gewohnt sind. Für eine Speckgürtel-Siedlung auf der grünen Wiese hat Gaimersheim viel Leben, für eine Marktgemeinde im ländlichen Bayern wenig. Wie so oft ist es eine Frage der Perspektive – vor allem und ganz besonders in Gaimersheim, wo zwei Welten so derartig aufeinandertreffen. 42 WIKO Ausgabe 2023
Klinikreform – die Angst bleibt Von Marco Schneider Gesundheitsminister Karl Lauterbach will die Kliniken retten. Und die haben Angst, dass das ihr Untergang ist. Im Landkreis sucht man nach Strohhalmen für die Häuser in Eichstätt und Kösching – und nach Geld, um bis dahin die Defizite zu decken. Es ist angenehm warm, ein herrlicher Spätsommertag im Ingolstädter Westen. Vor dem Ärztehaus an der Levelingstraße, ein moderner Glasbau, herrscht reger Wochentagsbetrieb. Fünf Stockwerke hoch, Arztpraxen, direkter Zugang zum Klinikum, dem Großkrankenhaus der Region, Büros, ein kleines Café unten. Kein Parkplatz ist frei, man muss schon mehrere Runden drehen. Hier boomt das Geschäft also. Das Geschäft mit der Gesundheit. Nicht wirklich: Allein das Klinikum prognostiziert für sich ein Defizit von rund 30 Millionen Euro in diesem Jahr. Die Kliniken im Naturpark Altmühltal mit ihren Standorten Eichstätt und Kösching rechnen mit rund 20 Millionen Euro. Die Ilmtalklinik in Pfaffenhofen mit 18 Millionen Euro. Nur das Krankenhaus in Schrobenhausen bewegt sich im einstelligen Bereich – noch. Auch dort hat der Kreistag jüngst 2,5 Millionen Euro locker machen müssen, um den Betrieb liquide zu halten. Mit viel Protest, weil das Geld an anderer Stelle weggekürzt werden musste. Was passiert da mit der wohnortnahen Gesundheitsversorgung? „Ein emotionales Thema“, sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) einmal im Gespräch mit dem Eichstätter Kurier. Wenn es an die direkte Betroffenheit der Menschen gehe, dann werde man hellhörig. „Alarmstufe Rot“, mahnt die Bayerische Krankenhausgesellschaft, rechnet vor, dass die bayerischen Kliniken pro Stunde 100.000 Euro Defizit anhäufen. „Die massive Unterfinanzierung von Krankenhäusern muss ein Ende haben“, mahnt der Eichstätter Klinik- Vorstand Marco Fürsich immer wieder. Für ihn ist klar: Es geht nur mit Veränderungen. Sonst ist es schnell vorbei mit der Gesundheit. Er, der als Krankenpfleger angefangen hat, sich bis zum Chef nach oben gearbeitet hat und das Krankenhauswesen von der Pike auf kennt. Er steckt mittendrin in der Transformation der Krankenhauslandschaft, mehr noch, er will sie gestalten. Rückblende ins Jahr 2020: Im Herbst, kurz nach der Kommunalwahl, beauftragt der Verwaltungsrat eine Unternehmensberatung mit der Erstellung eines Strukturgutachtens. Bei der Vorstellung im Kreistag trifft viele das Ergebnis wie ein Blitz: Beide Kliniken können in ihrer jetzigen Form nicht erhalten bleiben. Eine groß angelegte Debatte beginnt. Am Ende, mehr als ein Jahr später, steht die mehrheitliche Entscheidung: Eichstätt bleibt Akutstandort, Kösching wird zur Fachklinik. Wirtschaftsmagazin WIKO 43
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