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WIKO 2023 – Das Wirtschaftsmagazin für Eichstätt

Der Wirtschaftskompass Eichstätt stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

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Gaimersheim <strong>–</strong> ein Ort,<br />

der in den letzten Jahrzehnten<br />

gewachsen ist<br />

wie kaum ein anderer in<br />

Bayern. Was mit einem<br />

Dorf passiert, wenn es<br />

zur Stadt wird. Der Versuch,<br />

das Wachstum,<br />

die Gaimersheimer und<br />

ihren Ort zu verstehen.<br />

Die Sonne strahlt an diesem Tag auf<br />

die Biertische. Vor selbst gebackenem<br />

Kuchen, Weißwürsten, Brezen, Schorle,<br />

Radler und Bier sitzen die Gaimersheimer.<br />

Freunde, Paare und Familien<br />

<strong>–</strong> einige von ihnen in bayerischer<br />

Tracht. Kinder toben zwischen den<br />

Bierbänken, die Eltern plaudern. Am<br />

18. Mai, dem Vatertag, sitzt im Vorhof<br />

des Marktmuseums eine Dorfgemeinschaft,<br />

die zusammenkommt, wenn es<br />

etwas zu feiern gibt. Eine Blaskapelle<br />

spielt, Geschirr klirrt, Kinder spielen<br />

Fangen und schreien dabei. Die Feuerwehr<br />

ist da, die Schützen, der Sportverein<br />

und auch die Gaimersheimer<br />

Bürgermeisterin sitzt zwischen den<br />

Leuten.<br />

Wer an einem der Tische Platz nimmt,<br />

stellt besser nicht die Frage, wer von<br />

den Herren denn „in der Audi“ arbeite.<br />

Audi, sagt einer leicht frustriert, sei<br />

nicht das Einzige, was Gaimersheim<br />

ausmache. Audi sei nur einer von vielen<br />

großen Arbeitgebern in der Nähe,<br />

ergänzt ein anderer. Nur einer der vier<br />

Männer am Tisch arbeitet bei dem<br />

Autobauer, er trägt dunkle Tracht und<br />

einen Filzhut. Die vier sind alte Freunde,<br />

Ur-Gaimersheimer, aktiver Teil der<br />

Vereine, der Feste <strong>–</strong> eben Teil von Gaimersheim.<br />

Im Neubaugebiet, im nördlichen Teil<br />

der Marktgemeinde, drückt sich dagegen<br />

die Stille durch die Straßen. Ein<br />

modernes Einfamilienhaus reiht sich<br />

an das nächste. Sie sind weiß und grau<br />

mit flachen Dächern, als wären sie von<br />

der Stange gekauft worden. Die Straßen<br />

leer, die Gärten gepflegt. Hunderte<br />

Häuser, aber keine Familien. Nur<br />

ein Vater spielt mit seinem Sohn Ball<br />

auf einem Fußballfeld zwischen den<br />

Straßen. Die Siedlung wirkt ruhig und<br />

weit, als könnte sie noch ewig so weitergehen.<br />

Doch der Schein trügt.<br />

Seit Jahrzehnten wirkt Gaimersheim<br />

wie ein kleiner, aber starker Magnet in<br />

Oberbayern. Im vergangenen Jahr lebten<br />

knapp über 12.000 Menschen in<br />

Gaimersheim. In 50 Jahren hat sich die<br />

Einwohnerzahl des Markts mehr als<br />

verdoppelt. <strong>Das</strong> liegt unter anderem an<br />

der Eingemeindung von Lippertshofen<br />

1976. Doch auch in der Zeit danach<br />

ist die Marktgemeinde kontinuierlich<br />

weitergewachsen.<br />

<strong>Das</strong> Dorf wächst und wächst<br />

Der Grund <strong>für</strong> dieses Wachstum steht<br />

nur wenige Kilometer entfernt von<br />

Gaimersheim: die Audi AG <strong>–</strong> mit ihrer<br />

größten Produktionsstätte weltweit.<br />

Seit 70 Jahren hat Audi seinen Hauptsitz<br />

in Ingolstadt und beschäftigt mittlerweile<br />

40.118 Angestellte in seinen<br />

Hallen (Stand 12/2022). Gaimersheim<br />

ist <strong>für</strong> Ingenieure und Manager,<br />

die bei Audi beschäftigt sind, ein praktischer<br />

Wohnort: nah genug, um in<br />

Ingolstadt zu arbeiten und weit genug<br />

entfernt, um angenehm zu wohnen.<br />

Die Marktgemeinde liegt mittlerweile<br />

so nah an den zahlreichen Ingolstädter<br />

Einkaufs- und Shoppingmöglichkeiten,<br />

dass man vom Gewerbegebiet aus<br />

zu Fuß zum Westpark gelangen kann.<br />

Null Kilometer Luftlinie.<br />

Audi in Ingolstadt, Airbus in Manching<br />

und das Edeka-Verteilzentrum<br />

in Gaimersheim sind namhafte Arbeitgeber.<br />

Sie zahlen gute Gehälter, besonders<br />

Managern und Abteilungsleitern,<br />

die sich im Speckgürtel um ihre<br />

Arbeitsstätte herum ansiedeln. So wird<br />

das frühere Dorf größer und größer.<br />

Bis der frisch gewählte Gaimersheimer<br />

Gemeinderat 2008 die Entscheidung<br />

trifft, vorerst nur noch moderat weiterwachsen<br />

zu wollen. Es scheint, als<br />

hätte Gaimersheim Zeit gebraucht, um<br />

sich auf weiteres Wachstum einzustellen.<br />

Die Marktgemeinde ist eingekesselt<br />

von Neubau- und Industriegebiet und<br />

Ingolstadt. Inmitten moderner, teurer<br />

Ortsteile ruht ein gemütlicher Marktplatz,<br />

wie er schon zu Zeiten stand, als<br />

Gaimersheim noch ein Dorf war.<br />

Ein sauber erhaltener Brunnen und<br />

einige Blumentröge zieren die Fläche<br />

vor dem Rathaus. Eine Familie ist zum<br />

Mittagessen in den Stadtkern gefahren,<br />

der Vater mit seinem Audi-E-Scooter<br />

und der Rest der Familie mit Fahrrädern.<br />

Es ist Sommer, angenehmes<br />

Wetter und trotzdem ist die Familie<br />

fast alleine hier in der Nähe des Marktplatzes.<br />

Im Außenbereich eines Dönerladens<br />

setzen sie sich. Sie besetzen vier<br />

der unzähligen Stühle, die am und in<br />

der Nähe des Marktplatzes stehen.<br />

In Sichtweite gibt es mehrere Restaurants,<br />

eine Metzgerei, eine Eisdiele,<br />

ein Hotel. Wo zu Mittag gegessen<br />

werden könnte, herrscht Leere. Die<br />

Restaurants sind entweder in der Sommerpause<br />

oder ganz geschlossen. Nur<br />

wenige Einheimische verlieren sich in<br />

der Eisdiele, die gegenüber des Maibaums<br />

liegt. Trotz der Leere ist es laut<br />

am Marktplatz. Denn eine breite Straße<br />

führt direkt durch den ehemaligen<br />

Dorfkern <strong>–</strong> und die ist zu Stoßzeiten<br />

stark befahren. Ländliche Idylle mit<br />

städtischer Fahrzeug-Klangkulisse.<br />

Ein ländlicher Ort, dessen Kern an<br />

das Dorf erinnert, das es mal war.<br />

Doch um diesen Kern herum ist eine<br />

Stadt gewachsen, sagt die Frau, auf<br />

deren Schreibtisch seit 14 Jahren alle<br />

Anliegen landen, die den Markt Gaimersheim<br />

betreffen. Es ist ein voller<br />

Schreibtisch, beladen mit Aktenordnern<br />

und Papierstapeln und er steht in<br />

einem geräumigen Büro mit Blick auf<br />

den Marktplatz.<br />

Andrea Mickel (SPD) ist seit 2008 erste<br />

Bürgermeisterin von Gaimersheim,<br />

das im Lauf seiner Geschichte abwechselnd<br />

von SPD und CSU-Vertretern<br />

regiert wurde. Seitdem die Politikerin<br />

„ Wir wollen als<br />

generationenfreundliche,<br />

zukunftsgewandte<br />

Gemeinde gesehen<br />

werden„<br />

im Amt ist, haben sich im Ort so einige<br />

soziale Verbände zusammengeschlossen,<br />

die glauben lassen, Gaimersheim<br />

ist ein Ort, dem Nachbarschaft und<br />

Gemeinschaft noch etwas bedeuten.<br />

Die Bürgermeisterin erzählt fließend,<br />

spricht bestimmt und doch herzlich,<br />

sie kennt alle Details. Seit 2016, zählt<br />

sie auf, gibt es einen aktiven Asyl-Helferkreis<br />

im Ort, der einmal im Monat<br />

ein Café der Begegnungen ausrichtet,<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong><br />

<strong>WIKO</strong><br />

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