WIKO 2023 – Das Wirtschaftsmagazin für Eichstätt

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Der Aufstieg und Fall einer Autostadt Von Jan Stephan Mit Detroit ist schon einmal eine Autostadt untergegangen. Kann das auch in Ingolstadt passieren? Es gibt jedenfalls einige Parallelen – und ganz reale Sorgen. Es ist ein großartiger Bildband, längst ikonisch. The Ruins of Detroit – Yves Marchand und Romain Meffre, fünf Auflagen, seit Langem vergriffen, im Netz nur noch als Sammlerstück für viel Geld zu haben. Verlassene Bahnhöfe, leer stehende Fabriken, einsame Ballsäle, verfallene Theater. Wie bitte können Bilder von etwas so Kaputtem so schön sein? Beim Blättern kommen aber auch andere Fragen auf. Die drängendste: Was zur Hölle ist hier passiert? Die vermutlich treffendste Antwort: Kapitalismus ist passiert. Detroit, Autowelthauptstadt des 20. Jahrhunderts, ist hier implodiert. Erst bröckelte es nur, aber als die Sache mal 48 WIKO Ausgabe 2023
ins Rutschen gekommen war, ging es schnell. Die „The Big Three“ – allesamt im Großraum Detroit zu Hause – kamen ins Wanken. Ford, Chrysler, General Motors. Drei der größten Autobauer der Welt. Am Ende war die Stadt ruiniert, wurde unter Zwangsverwaltung gestellt. Schuldenstand: 18 Milliarden Dollar, geschätzt, ganz genau wusste es keiner. Aber was haben Aufstieg und Fall Detroits in einem Wirtschaftsmagazin über den Landkreis Eichstätt zu suchen? Nun, Motown geht als Schreckgespenst in den Albträumen der Lokalpolitik um. Denn: Wie kaum eine andere Region in Deutschland hängt der Reichtum der Gegend um Ingolstadt und Eichstätt von zwei Dingen ab: Auto und Audi. Die Parallelen zu Detroit sind offensichtlich – wenn auch zwei Nummern kleiner. „Eine Monostruktur ist kein Problem“, sagt Eichstätts Landrat Alexander Anetsberger – und setzt eine bittere Wahrheit hinterher – „solange es der Branche, auf der die Monostruktur beruht, gut geht.“ Womit wir dann aber doch bei einem Problem wären. Der deutschen Automobilbranche geht es nicht gut. Sie steht vor einem historischen Umbruch, sie befindet sich in einem Wettlauf hinein in einen völlig neuen Automarkt. Und bei diesem Wettlauf sind die deutschen Hersteller bislang eher aus den Startblöcken gestolpert. Dann kamen die Japaner Zurück nach Detroit, wo es unangenehme Parallelen mit der aktuellen Situation gibt. Denn der Niedergang der Big Three war ebenfalls Folge einer verschlafenen Marktentwicklung. Als nicht mehr jeder Amerikaner Straßenkreuzer in den Abmessungen eines handelsüblichen Schlafzimmers durch die Gegend fahren wollte, als die Höhe des Kraftstoffverbrauchs nicht mehr völlig egal war, da waren japanische Konzerne wie Nissan oder Toyota zur Stelle. Sie fluteten den Markt mit Kleinwagen. Günstig in der Anschaffung, billig im Verbrauch. Die Big Three belächelten das Geschäft zuerst, dann rannten sie ihm hektisch hinterher. Ohne den Rückstand aufholen zu können. Man kam aus einer anderen Welt des Automobils, war vom Erfolg verwöhnt und von der eigenen Großartigkeit überzeugt. Das machte die Transformation schwierig. Im Autobauerland Deutschland befindet man sich gerade in einer ähnlichen Situation. Die Argumente der Kaufentscheidung bei einem Auto ändern sich. Dazu hat man arrivierte Giganten der Branche, die mit dem Sich-Ändern nicht hinterherkommen. Auch, weil mancher vor lauter Selbstbewusstsein kaum mehr fahren kann. Es sind zwei Entwicklungen, die den Markt umkrempeln. Elektromobilität und Digitalisierung. Mit beidem hat die deutsche Automobilindustrie so ihre Probleme. Die schnurrenden „ Man war vom Erfolg verwöhnt und von der eigenen Großartigkeit überzeugt„ Kraftpakete, die unter den Motorhauben von Audi, Daimler oder BMW verbaut sind, gelten zu Recht als Meisterwerke deutscher Ingenieurskunst. Nur: Ein Elektromotor ist gegen einen Verbrenner-Antrieb eine ziemlich unterkomplexe Veranstaltung. Er braucht keinen Tank, keine Kolben, keine Einspritzdüsen … Ein Verbrenner hat 1400 Teile, ein E-Fahrzeug 200. Durch die Umstellung der Antriebsart sind ganze Lieferketten bedroht. Aber eine andere Sache ist noch gefährlicher … Der entscheidende Vorteil der deutschen Autoindustrie ist in Gefahr: ihre Exzellenz in Sachen Antrieb. Der Clou beim E-Auto ist die Batterie. Und die kann man in Deutschland aktuell schlechter als bei der Konkurrenz etwa in China oder den USA. Während man in Deutschland Fahrwerksingenieure im Schnellverfahren zu Batterie-Entwicklern umschult, hat man andernorts Fachkräfte, die sich ein Arbeitsleben lang mit Batterien beschäftigen. Und es handelt sich nicht um die einzige Entwicklung, die man verschlafen hat. Auch die Digitalisierung und Vernetzung des Autos gilt nicht als Spitzengebiet deutscher Hersteller. Nicht zuletzt, weil man in Sachen IT und Informatik im ganzen Land hinterher ist. In Deutschland gibt es mehrere Autokonzerne der globalen Spitzenklasse, aber keinen einzigen der ganz großen Tech-Giganten. Die Wirtschaftsmagazin WIKO 49
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