56 GESUNDHEIT & FITNESS REKTUSDIASTASE– DER SELTSAME SPALT IN DER KÖRPERMITTE Wenn nicht zusammen bleibt was zusammen gehört könnte das eine Rektusdiastase sein. Der seltsame Spalt in der Körpermitte beeinflusst Gesundheit, Haltung, Aussehen und Selbstwahrnehmung der Betroffenen. Besonders Frauen nach einer Schwangerschaft sind häufig davon betroffen. Text Anika Unterburger (Rektusdiastase-Therapeutin, www.anika-unterburger.de) © staras Bauchmuskulatur normal geschlossen Bauchmuskulatur bei Rektusdiastase
GESUNDHEIT & FITNESS 57 Als Rektusdiastase wird <strong>die</strong> Trennung (griech. Diastasis) der geraden Bauchmuskeln (lat. M. rectus abdominis) bezeichnet. Das zwischen den beiden Muskelbäuchen verlaufende Bindegewebe (lat. Linea alba) wird gedehnt und dadurch dünner und schwächer. Derzeit gilt ein Auseinanderweichen der geraden Bauchmuskeln von mehr als 2 cm als krankhafter Befund. Überraschenderweise kann jeder Mensch völlig unabhängig von Alter, Gewicht oder Geschlecht davon betroffen sein. Ja, auch Männer und Kinder, sportliche und schlanke Personen. Entweder hat sich <strong>die</strong> angeborene Rektusdiastase nicht geschlossen. Oder dauerhafter oder immer wiederkehrender Druck, wie z. B. durch das schwere Heben und Tragen, klassisches Bauchmuskeltraining, Übergewicht oder laparoskopische Eingriffe, hat <strong>die</strong> Dehnung verursacht. Eine Schwangerschaft ist jedoch <strong>die</strong> häufigste Ursache <strong>für</strong> eine Diastase bei Frauen. Die wachsende Gebärmutter übt dauerhaften Druck auf <strong>die</strong> Organe des Bauchraums und <strong>die</strong> Bauchwand aus. Der Bauch wölbt sich, um Platz <strong>für</strong> das heranwachsende Kind zu schaffen. Dieser Druck führt bei einem normalen Schwangerschaftsverlauf etwa ab dem 5. Schwangerschaftsmonat zu einer physiologischen Rektusdiastase, <strong>die</strong> sich meist innerhalb weniger Monate nach der Geburt wieder schließt. Es ist jedoch mehr als nur der wachsende Bauch, der auf das zwischen den geraden Bauchmuskeln verlaufende Bindegewebe einwirkt. Die <strong>für</strong> <strong>die</strong> Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Hormone Relaxin und Progesteron haben zur Folge, dass sich im gesamten Körper alles entspannt, weicher wird und sich ausdehnt. Die Linea alba erhält plötzlich eine neue Elastizität. Wenn nun bereits eine Diastase vorhanden war, wird <strong>die</strong>se mit jeder Schwangerschaft größer und Schwangerschaftsbeschwerden werden schlimmer. Kommt dann noch <strong>die</strong> Krafteinwirkung durch eine spontane Geburt oder <strong>die</strong> Durchtrennung des Weichteilgewebes bei einem Kaiserschnitt hinzu, ist es nicht verwunderlich, dass viele Frauen noch viele Jahre nach der Entbindung unter den Auswirkungen einer nicht geschlossenen Rektusdiastase leiden. Zu <strong>die</strong>sen Auswirkungen gehören ein nicht verschwinden wollender <strong>Baby</strong>bauch (sog. Mama- Bauch), Nabel- oder Oberbauchbrüche, Hüft- und Rückenschmerzen, Beckenbodenschwäche und Magen-/ Darmprobleme. Wenn <strong>die</strong> Rektusbäuche zu weit voneinander getrennt sind, können sie ihre Aufgabe, <strong>die</strong> Organe des Bauchraums zu schützen und zu stützen, nicht richtig erfüllen. In der Schwangerschaft bedeutet das insbesondere, dass <strong>die</strong> insuffiziente Muskulatur <strong>die</strong> Gebärmutter nicht in der richtigen Position halten kann und <strong>die</strong>se nach vorne gegen das schwache Bindegewebe kippt. Der Gebärmutterhals wird dadurch seitlich abgewinkelt, was einen Umweg <strong>für</strong> das <strong>Baby</strong> bedeutet und zu einem größeren Schwangerschaftsbauch führen kann. Je enger und stärker <strong>die</strong> beiden Muskelstränge zusammenstehen, desto besser sind <strong>die</strong> Voraussetzungen <strong>für</strong> eine natürliche Geburt und desto geringer <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit von Geburtsverletzungen und Schwangerschaftsbeschwerden. Bereits während der Schwangerschaft kann jedoch durch spezielles Training da<strong>für</strong> gesorgt werden, dass das Auseinanderweichen der Rectibäuche sehr klein bleibt oder sogar ganz vermieden wird. Die Gebärmutter kann sich zu ihrer vollen Größe entfalten und <strong>die</strong> Bauchmuskeln können sich strecken, ohne sich zu trennen. Wenn sich der Spalt nicht innerhalb weniger Monate nach der Geburt zurückbildet, ist es empfehlenswert, <strong>die</strong> Diastase gezielt zu behandeln. Eine starke und gesunde Körpermitte führt zu einer aufrechten Körperhaltung und einem kraftvollen und selbstbewussten Auftreten – <strong>die</strong> Frauen fühlen sich wieder wohl in ihrem Körper. Insbesondere kann so vermieden werden, dass das bereits ausgedünnte Bindegewebe noch schwächer wird und mit der Zeit entweder gesundheitliche Probleme verursacht oder bereits vorhandene Beschwerden verschlimmert. Hierbei spielt es keine Rolle, wann und wie sich der Bauchspalt entwickelt hat oder wie lange er bereits besteht. Es nie zu spät, eine Rektusdiastase zu schließen! Eine im September 2016 im British Journal of Sport Medicine veröffentlichte norwegische Stu<strong>die</strong> mit 300 Erstgebärenden hat ergeben, dass 33,1 % der Frauen in der 21. Schwangerschaftswoche eine Diastasis Recti hatten und 60 % der Wöchnerinnen 6 Wochen nach der Entbindung. 45,4 % der Stu<strong>die</strong>nteilnehmerinnen noch nach 6 Monaten und 32,6 % noch ein Jahr später.