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FORUM<br />
SO REDN<br />
MIR PA INS<br />
Cäcilia Wegscheider<br />
LITERATUR AUS DEM BEZIRK<br />
Lisa Pfitscher<br />
Geschichte der Hagelabwehr<br />
von Kurt Werth<br />
Nicht ganz rund?<br />
Balegget!<br />
Eines meiner Lieblingswörter und<br />
eine anscheinend wirklich harte<br />
Nuss. Vielleicht doch etwas mit eckig,<br />
mundartlich eggig, wobei das vorangehende<br />
„bal“ genau das Unförmige,<br />
nicht Regelmäßige ausdrückt? Ich<br />
suche ähnlich lautende Adjektive<br />
im Trentinischen, ohne Erfolg. Hilfe<br />
kommt von einer versierten Unterlandler<br />
Sprachwissenden – Schatz‘<br />
Standardwerk, das Wörterbuch der<br />
Tiroler Mundarten, gehört zu ihrer<br />
Bettlektüre. Der liegt – wie öfters bei<br />
besonders stramben Unterlandler und<br />
Überetscher Ausdrücken – doch in<br />
unserer Nachbarprovinz. Angelika Pedron,<br />
eine gebürtige Margreiderin, und<br />
ausgewiesene Insiderin, wenn es um<br />
die Mundarten in unserem Bezirk geht<br />
– stellt unser balegget zu trentinisch<br />
sbalénco, sbalènch und führt einige<br />
Beispiele dazu an. Im Dialekt des<br />
Cembratals findet sie balèc ‘unförmig,<br />
verzerrt, verdreht (im Kopf)’ und<br />
balènc und baléngo krumm, schief’.<br />
In der Valsugana ganz ähnlich ‘schief,<br />
krumm, launisch (!)’ balèco, so wie<br />
im Fleimstal ‘schief, verzerrt, aus der<br />
Form geraten, nicht ganz rund’.<br />
Ganz für sich darf das Trentino den<br />
Begriff aber nicht beanspruchen. Bis<br />
in die Emilia-Romagna konzentrieren<br />
sich im Norden vor allem im Veneto<br />
und im Piemontesischen verschiedene<br />
baléc, baléing, balench, baleng.<br />
Ganz ähnlich werden diese Formen zu<br />
bilenco/sbilenco gestellt im Sinne von<br />
krumm, unförmig, das sich wiederum<br />
aus dem Fränkischen link ‘links’ mit<br />
einem verstärkenden, zu „ba-“ sich<br />
veränderten Präfix „bis-”.<br />
Hagelschläge, die in Minuten ganze<br />
Ernten vernichten, führen den Menschen<br />
ihre grundlegende Ohnmacht gegenüber<br />
den Kräften der Natur vor Augen. <strong>Die</strong><br />
Geschichte der Bemühungen, dieser Bedrohung<br />
zu begegnen, ist lang und reich<br />
an Misserfolgen.<br />
<strong>Die</strong>ses Buch unternimmt einen Streifzug<br />
durch diese Entwicklung, insbesondere<br />
in Südtirol. Es berichtet vom oftmals<br />
blinden Vertrauen in Maßnahmen, die<br />
ungeeignet waren, die stets wiederkehrenden<br />
Niederlagen der Menschen gegen<br />
das Wirken der Naturkräfte abzuwenden:<br />
Glocken wurden geläutet, mit Böllern wurde<br />
geschossen und Raketen explodierten<br />
so spektakulär wie nutzlos in den Wolken.<br />
3 Fragen an<br />
den Autor<br />
Welche war Ihrer Meinung nach die kurioseste<br />
Methode der Hagelabwehr?<br />
Kurt Werth: Eigentlich waren alle aktiven<br />
Abwehrmethoden zu ihrer Zeit irgendwie<br />
kurios, weil die Einschätzung der<br />
Wirkungsweise jeder wissenschaftlichen<br />
Erkenntnis zum Trotz auf rein persönliche<br />
Überzeugung gestützt war. In Südtirol hat<br />
die Zeit von 1950 bis 1980 kuriose Hagelabwehr-Geschichte<br />
geschrieben, als man<br />
von 531 Abschussrampen insgesamt an<br />
die 132.000 Explosionsraketen in den Gewitterhimmel<br />
geschossen hat – erfolglos.<br />
Für die Wissenschaft war immer schon<br />
klar, dass die Explosion von 800 Gramm<br />
Sprengstoff auf 1800 m Höhe, einer Gewitterzelle,<br />
in der sich der Hagel in einer Höhe<br />
von mindesten 12.000 m bildet und mit<br />
100 km/h fortbewegt, nicht das Geringste<br />
anhaben kann.<br />
Erst die Versicherung und Hagelnetze boten<br />
sicheren Schutz. […]<br />
(Auszug aus dem Klappentext)<br />
Was hat Sie dazu bewogen, über dieses<br />
Thema zu schreiben?<br />
Mich hat das Thema immer schon fasziniert.<br />
Ich war als Kind beim Abschuss der<br />
allerersten Rakete am 29. Juni 1949 in St.<br />
Pauls dabei, und unweit entfernt, als am<br />
25. Juni 1980 in Lana die allerletzte abgeschossen<br />
wurde. Zudem war ich als Berater<br />
mit involviert, als sich eine massive Aufklärungskampagne<br />
in Gang gesetzt hatte,<br />
die dazu führte, dass man schließlich den<br />
sicheren Weg der Hagelversicherung und<br />
Hagelnetze ging. Zudem die Gewissheit,<br />
dass diese Geschichte endgültig in Vergessenheit<br />
geraten würde, wenn nicht jemand<br />
meiner Generation sie niederschreibt.<br />
Wie haben Sie recherchiert?<br />
Ich habe in allen Archiven des Landes<br />
recherchiert, mit Hunderten Aktiven der<br />
damaligen Zeit gesprochen, unzählige<br />
Geschichten und Episoden gesammelt,<br />
viele Hinweise aus der lokalen Fachpresse<br />
entnommen und insgesamt an die 600<br />
Internetquellen konsultiert.<br />
42 // NOVEMBER <strong>2021</strong>