Fokus Normen schaffen Sicherheit Zu klein, zu krumm, zu grün oder überreif? Nicht alle Früchte und Gemüse, die Schweizer Bauern ernten, enden direkt auf dem Teller. Normen entscheiden, in welchen Kanal sie gelangen. Verwertet aber werden sie alle. Es sei denn, sie landen via Privathaushalt im Abfall. Christian Sohm, Direktor SWISSCOFEL Äpfel wie aus dem Bilderbuch. Die meisten kommen wohl beim Konsumenten an. Erfüllen sie die hierfür nötige Norm nicht, gelangen sie in andere Kanäle. Bild: zvg 26 1/22 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus Der Zweck und Nutzen der Qualitätsnormen für Früchte, Gemüse und Kartoffeln besteht primär darin, dass alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette der Lebensmittelbranche wissen, welche Qualität gemeint ist, wenn sie im Tagesgeschäft miteinander über ein Produkt sprechen bzw. es produzieren, bestellen oder verkaufen. Heute gibt es rund 14 000 unterschiedliche Artikel auf dem Schweizer Früchteund Gemüsemarkt. Es wäre schlicht unmöglich, wenn Lieferanten und Abnehmer tagtäglich für jede Bestellung eine neue Qualitätsbeschreibung vornehmen und dafür einen neuen Preis vereinbaren müssten. Die Normen geben den Produzenten (Bauern), den Verarbeitern, dem Gross- und Detailhandel und auch der Gastronomie also die Sicherheit, dass sie bei einer Bestellung ein Produkt in einer Qualität bekommen, in der sie es weiterverkaufen, verwenden oder verarbeiten können. Die Einhaltung der Normen bedeutet nicht nur, dass ein Produkt marktfähig ist, sondern auch, dass die Vielzahl von lebensmittelrechtlichen Anforderungen eingehalten wird. Das Lebensmittelgesetz verlangt von allen Lebensmittelbetrieben ausdrücklich den Schutz der Konsumenten vor Täuschung und vor gesundheitlicher Schädigung. Dazu gehört insbesondere, dass die Früchte und Gemüse geniess bar, frisch, reif, sauber, frei von Schädlingen und Krankheiten, Beschädigungen, Schimmel und Fäulnis sein müssen und insbesondere auch, dass die lebensmittelrechtlichen Limiten in Bezug auf Mikrobiologie und andere Rückstände unbedingt eingehalten werden müssen. Dann geht es auch noch darum, die Produkte bei der Lagerung vor Verderb zu schützen. Faule und kranke Produkte können während der Lagerung gesunde Früchte und Gemüse innert kurzer Zeit anstecken und zu grossen Verlusten und im schlimmsten Fall sogar zu Totalausfällen führen. Gemeinsamer Entscheid Im Gegensatz zur EU sind die Normen für Früchte, Gemüse und Kartoffeln in der Schweiz nicht gesetzlich festgelegt. Sie werden durch die Branche selbst, in paritätischen Kommissionen mit Vertretern der Produktion, des Handels, der Verarbeitung und der Konsumentenorganisationen definiert. Letztlich geht es immer darum, jene Qualitäten zu definieren, von denen die ganze Wertschöpfungskette weiss, dass sie von den Kundinnen und Kunden gewünscht und auch gekauft werden. Im Tagesgeschäft können Abweichungen von den Normen zwischen Lieferanten und Kunden vorgängig vereinbart werden. Das findet auch in der Praxis statt, ganz besonders in einem Jahr wie dem letzten, in dem das Wetter in den Obstund Gemüsekulturen erhebliche Schäden verursacht hat. Die Normen sehen zudem bereits gewisse Toleranzen vor. Ohne vorherige Absprache und gegenseitiges Einverständnis wird nicht konforme Ware jedoch nicht übernommen. Es macht allerdings weder ökologisch noch ökonomisch Sinn, Produkte anzubauen, zu pflegen, zu schützen, zu ernten, zu kühlen, zu transportieren, zu lagern, zu rüsten, zu sortieren, zu verpacken, erneut zu transportieren und anzubieten, wenn sie dann im Laden liegen bleiben oder wenn die Konsumenten sie am Ende wegwerfen, weil sie nicht ihren Erwartungen und Ansprüchen genügen, oder nicht haltbar und geniessbar sind. Nichts soll verloren gehen Was passiert mit den Produkten, die den Normen nicht entsprechen? Grundsätzlich ist der Verkauf solcher Produkte zulässig, sofern die Bestimmungen des Lebensmittelrechts eingehalten werden. Der Verkauf findet oft in Hofläden, über kleingewerbliche Detaillisten, Marktfahrer usw. statt. Auch viele organisierte Detailhändler haben für den Verkauf von Früchten und Gemüse mit vertretbaren Mängeln besondere Verkaufssegmente eingeführt. Beispiele dafür sind «M-Budget», «Prix-Garantie», «Unique» von Coop und auch der Verkauf als Kochobst sowie als Klasse II usw. Der Grosshandel bietet solche Posten oft über die Internetplattform «Food- Bridge.ch» kostenlos gemeinnützigen Organisationen an, die sie dann ihrerseits an armutsbetroffene Haushalte weitergeben. Der Detailhandel tut das Gleiche mit unverkauften Lebensmitteln in den Filialen. Ein weiterer Absatzkanal sind die gewerblichen Verarbeiter, die in der Lage sind, solche Produkte kurzfristig zu übernehmen und zu einem haltbaren Lebensmittel (Saft, Konserven, Spirituosen usw.) weiterzuverarbeiten. Doch auch sie dürfen nur Lebensmittel verarbeiten, die den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Posten, bei denen das nicht gewährt ist, werden entweder kompostiert oder in Biogasanlagen zu Energie verarbeitet. Aussortierte Kartoffeln werden in der Regel an Tiere verfüttert und bleiben so in der Lebensmittelkette. Aussortiertes Tafelobst geht meist in die Saftherstellung. Der Früchte-, Gemüse- und Kartoffelhandel hat alles Interesse daran, den Konsumentinnen und Konsumenten tagtäglich ein attraktives Angebot an nachhaltig produzierten, frischen Früchten und Gemüse anzubieten – die Normen sind dabei lediglich ein Instrument für diesen Service. Ein wichtiger Fokus wird bleiben: Die Haushalte sollten nur jene Mengen einkaufen, die sie auch tatsächlich konsumieren wollen und können. Alles andere ist Foodwaste. SWISSCOFEL ist der Verband der Schweizer Früchte und Gemüsehändler. Die 170 Mitglieder decken zusammen rund 86 Prozent des Früchte- und Gemüsemarkts in der Schweiz ab. Weitere Informationen unter: www.swisscofel.ch <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 1/22 27