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RA 03/2022 - Entscheidung des Monats

BGH-Entscheidungen aus dem Gebiet des Sachenrechts nutzen Prüfungsämter gerne als Vorlagen für Prüfungsaufgaben. Dies liegt zum einen an der Bewertung des Rechtsgebiets als anspruchsvoll und zum anderen an der relativen Seltenheit geeigneter Fälle in der Rechtsprechung, vor allem im Vergleich zum Schuldrecht. Die letzte große BGH-Entscheidung zu § 888 I BGB vom 04.12.2015, V ZR 202/14, finden Sie in der RA 09/2016, 449 ff. Auch sie ist nach wie vor examensrelevant und könnte mit der vorliegenden kombiniert werden, um einen ansprechenden Examensfall zu bilden.

BGH-Entscheidungen aus dem Gebiet des Sachenrechts nutzen Prüfungsämter gerne als Vorlagen für Prüfungsaufgaben. Dies liegt zum einen an der Bewertung des Rechtsgebiets als anspruchsvoll und zum anderen an der relativen Seltenheit geeigneter Fälle in der Rechtsprechung, vor allem im Vergleich zum Schuldrecht. Die letzte große BGH-Entscheidung zu § 888 I BGB vom 04.12.2015, V ZR 202/14, finden Sie in der RA 09/2016, 449 ff. Auch sie ist nach wie vor examensrelevant und könnte mit der vorliegenden kombiniert werden, um einen ansprechenden Examensfall zu bilden.

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EXAMENSTREFFER<br />

aus der <strong>RA</strong> und den Crashkursskripten<br />

Für einen schnellen Überblick der Examenstreffer aus <strong>RA</strong> und Crashkursskript (CK)<br />

unsere aktuelle Aufstellung für Sie:<br />

EXAMENSTREFFER ZIVILRECHT<br />

April 2021 1. Ex., Z I NRW <strong>RA</strong> 12/19, 620; <strong>RA</strong> 08/20, 400; CK ZR, Az.: III ZR 113/18, VIII ZR 315/18<br />

Januar 2021 2. Ex., Z II HE <strong>RA</strong> 06/20, 281; CK ZR, Az.: VIII ZR 18/19<br />

Januar 2021 2. Ex., AW HE <strong>RA</strong> 12/20, 617<br />

Oktober 2020 1. Ex., Z III HE <strong>RA</strong> 06/17, 291<br />

September 2020 2. Ex., Z II HE <strong>RA</strong> 09/16, 454; <strong>RA</strong> 01/18, 17; CK ZR, Az.: IX ZR 305/16<br />

August 2020 1. Ex., Z I HE, RP, SN, SA <strong>RA</strong> 01/10, 25; <strong>RA</strong> 04/10, 211; CK ZR, Az.: XII ZR 108/17<br />

August 2020 1. Ex., Z III SN <strong>RA</strong> 10/13, 709; <strong>RA</strong> 08/14, 389; CK ZR, Az.: VII ZR 241/13<br />

August 2020 1. Ex., Z I TH <strong>RA</strong> 10/13, 709; <strong>RA</strong> 08/14, 389; CK ZR, Az.: VII ZR 241/13<br />

Juni 2020 1. Ex., Z II HE <strong>RA</strong> 01/17, 10; <strong>RA</strong> 12/17, 617; CK ZR, Az.: VIII ZR 211/15, VIII ZR 271/16<br />

Juni 2020 2. Ex., Z IV RP, BW <strong>RA</strong> 02/17, 65; CK ZR, Az.: 17 U 52/16<br />

EXAMENSTREFFER ÖFFENTLICHES RECHT<br />

Dezember 2021 2. Ex., ÖR I BW <strong>RA</strong> 01/21, 29; CK BW, Az.: 11 B 1459/20<br />

Oktober 2021 1. Ex., ÖR I HE, NRW <strong>RA</strong> 07/21, 370; CK HE/NRW, Az.: 2 B 1193/21<br />

September 2021 1. Ex., ÖR II BW <strong>RA</strong> 09/19, 482; CK BW, Az.: 10 B 10515/19<br />

August 2021 1. Ex., ÖR II NRW <strong>RA</strong> 08/20, 427; <strong>RA</strong> 01/21, 33; CK NRW, Az.: 13 B 695/20.NE<br />

Juli 2021 2. Ex., ÖR I HE <strong>RA</strong> 11/17, 598<br />

Juni 2021 2. Ex., ÖR II BW <strong>RA</strong> 10/20, 541<br />

Juni 2021 1. Ex., ÖR I HE <strong>RA</strong> 02/20, 89<br />

Februar/März 2021 1. Ex., ÖR II TH<br />

<strong>RA</strong> 10/19, 529 f.; CK TH, Az.: 1 BvL 1/18 u.a.<br />

Februar/März 2021 1. Ex., ÖR I BW <strong>RA</strong> Telegramm 07/20, 87 f.; CK BW, Az.: 8 CN 1.19<br />

Februar 2021 1. Ex., ÖR II NRW <strong>RA</strong> 10/20, 533; CK NRW, Az.: Vf. 32-IX-20<br />

Februar 2021 1. Ex., ÖR II HE, RP, BW <strong>RA</strong> 10/19, 529; CK HE/RP/BW, Az.: 1 BvL 1/18<br />

EXAMENSTREFFER ST<strong>RA</strong>FRECHT<br />

November 2021 1. Ex., SR NRW <strong>RA</strong> 08/20, 440; CK SR, Az.: RVs 12/20<br />

Mai 2021 2. Ex., SR HE, NRW <strong>RA</strong> 02/20, 106; CK SR, Az.: 2 StR 85/19<br />

März 2021 2. Ex., SR HE, NRW <strong>RA</strong> 08/20, 440<br />

Februar 2021 1. Ex., SR HE, RP <strong>RA</strong> 07/20, 348<br />

Januar 2021 2. Ex., SR HE, NRW <strong>RA</strong> Telegramm 12/20, 129<br />

September 2020 1. Ex., SR BY <strong>RA</strong> 01/18, 48; <strong>RA</strong> 10/19, 545; CK SR, Az.: 2 StR 154/17, 3 StR 333/18<br />

September 2020 2. Ex., SR HE, NRW <strong>RA</strong> <strong>03</strong>/20, 157<br />

Juni 2020 1. Ex., SR HE <strong>RA</strong> 01/20, 48<br />

Januar 2020 2. Ex., SR NRW, HE <strong>RA</strong> 01/18, 48; <strong>RA</strong> 10/19, 545; CK SR, Az.: 2 StR 154/17, 3 StR 333/18<br />

Oktober 2019 2. Ex., SR NRW, RP <strong>RA</strong> Telegramm 01/19, 6<br />

Stand: Februar <strong>2022</strong><br />

Weitere Examenstreffer finden Sie<br />

auf unserer Homepage!<br />

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<strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2022</strong><br />

Zivilrecht<br />

125<br />

Problem: Analoge Anwendung <strong>des</strong> § 902 BGB auf den<br />

Anspruch aus § 888 I BGB<br />

Einordnung: Sachenrecht, Vormerkung<br />

BGH, Urteil vom 14.01.<strong>2022</strong><br />

V ZR 245/20 (leicht abgewandelt)<br />

EINLEITUNG<br />

BGH-<strong>Entscheidung</strong>en aus dem Gebiet <strong>des</strong> Sachenrechts nutzen Prüfungsämter<br />

gerne als Vorlagen für Prüfungsaufgaben. Dies liegt zum einen an der<br />

Bewertung <strong>des</strong> Rechtsgebiets als anspruchsvoll und zum anderen an der<br />

relativen Seltenheit geeigneter Fälle in der Rechtsprechung, vor allem im Vergleich<br />

zum Schuldrecht. Die letzte große BGH-<strong>Entscheidung</strong> zu § 888 I BGB<br />

vom 04.12.2015, V ZR 202/14, finden Sie in der <strong>RA</strong> 09/2016, 449 ff. Auch sie ist<br />

nach wie vor examensrelevant und könnte mit der vorliegenden kombiniert<br />

werden, um einen ansprechenden Examensfall zu bilden.<br />

SACHVERHALT<br />

Zugunsten <strong>des</strong> K wurde am 12.02.1999 aufgrund einer vom Verkäufer erteilten<br />

Eintragungsbewilligung eine Auflassungsvormerkung zur Sicherung eines aus<br />

dem notariellen Kaufvertrag vom 20.10.1998 stammenden Anspruchs auf lastenfreie<br />

Übertragung <strong>des</strong> Eigentums in ein Wohnungsgrundbuch eingetragen.<br />

Am 19.07.2001 wurde zugunsten der B eine Zwangshypothek (§ 867 ZPO)<br />

in das Grundbuch eingetragen. Diese sichert bestehende Ansprüche gegen<br />

den damaligen Eigentümer, den Rechtsvorgänger <strong>des</strong> K. Am 05.<strong>03</strong>.2002 wurde<br />

K als Eigentümer der Wohnung in das Grundbuch eingetragen. Gestützt auf<br />

die Behauptung, er habe die Zwangssicherungshypothek erst bemerkt, als<br />

er seinerseits die Wohnung im Jahr 2018 verkauft habe, verlangt K von B die<br />

Zustimmung zur Löschung der Zwangssicherungshypothek. B beruft sich auf<br />

Verjährung. Zu Recht?<br />

LEITSATZ DER REDAKTION<br />

1. Der aus § 888 Abs. 1 BGB folgende<br />

Zustimmungsanspruch <strong>des</strong> Vormerkungsberechtigten<br />

ist in entsprechender<br />

Anwendung von<br />

§ 902 Abs. 1 Satz 1 BGB unverjährbar.<br />

(Rn.19)<br />

2. Ist allerdings der durch die Vormerkung<br />

gesicherte schuldrechtliche<br />

Anspruch verjährt, kann der<br />

vormerkungswidrig Eingetragene<br />

im Grundsatz die dem Schuldner<br />

zustehende Einrede der Verjährung<br />

gegen den gesicherten<br />

Anspruch erheben und die<br />

Zustimmung aus diesem Grund<br />

verweigern. (Rn.25)<br />

Der BGH wies den Fall zum OLG<br />

Dresden zurück, weil die Frage, ob<br />

K tatsächlich ein Anspruch auf Auflassung<br />

aus dem genannten Kaufvertrag<br />

zusteht, noch ungeklärt ist.<br />

Um dennoch zum Kernproblem <strong>des</strong><br />

Falles, der Verjährung <strong>des</strong> Anspruchs<br />

aus § 888 BGB vorzudringen, gehen<br />

wir hier von einem solchen Anspruch<br />

aus.<br />

LÖSUNG<br />

A. Anspruch <strong>des</strong> K gegen B auf Löschung der Zwangshypothek aus § 894 BGB<br />

K könnte einen Anspruch gegen B auf Löschung der Zwangshypothek aus<br />

§ 894 BGB haben. Dies setzt die Unrichtigkeit <strong>des</strong> Grundbuchs voraus. Dies<br />

ist der Fall, wenn die formelle Rechtslage von der materiellen Rechtslage<br />

abweicht. Nach der formellen Rechtslage ergibt sich aus dem Grundbuch das<br />

Bestehen einer Hypothek der B. Nach der materiellen Rechtslage kommt es<br />

darauf an, ob die ursprünglich zu Recht eingetragene Hypothek noch besteht.<br />

Eine Zwangshypothek im Sinne <strong>des</strong> § 867 ZPO ist eine Sicherungshypothek.<br />

Eine solche hängt in ihrer Entstehung, in ihrem Fortbestand und bei jeder<br />

Übertragung gem. § 1184 BGB stets vom Bestand der Forderung ab, welche<br />

sie sichert. Hier besteht die Forderung gegen den Rechtsvorgänger <strong>des</strong> K<br />

nach wie vor. Gem. § 216 I BGB kommt es auch nicht darauf an, ob die zu<br />

sichernde Forderung mittlerweile verjährt wäre. Folglich weicht die formelle<br />

Rechtslage nicht von der materiellen Rechtslage ab, weshalb ein Anspruch<br />

aus § 894 BGB ausscheidet.<br />

Der Anspruch aus § 894 BGB ist<br />

gem. § 898 BGB unverjährbar.<br />

Die Eintragung einer Zwangshypothek<br />

kann beantragt werden, wenn<br />

der Gläubiger einen Vollstreckungstitel<br />

erlangt hat.<br />

Ein Titel ist eine öffentliche Urkunde,<br />

aus der die Zwangsvollstreckung<br />

betrieben werden kann, z.B. ein<br />

Endurteil.<br />

Sie ist eine Sicherungshypothek im<br />

Sinne <strong>des</strong> § 1184 BGB.<br />

Beachte bei langen Zeiträumen stets<br />

§ 216 I BGB, wenn Sicherungsrechte<br />

bestehen.<br />

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126 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2022</strong><br />

B. Anspruch <strong>des</strong> K gegen B auf Zustimmung zur Löschung der Hypothek<br />

gem. § 888 I BGB<br />

K könnte einen Anspruch gegen B auf Zustimmung zur Löschung der Zwangshypothek<br />

aus § 888 I BGB haben.<br />

1. Anspruch entstanden<br />

Ersterwerb einer Vormerkung vom<br />

Berechtigten gem. §§ 883 I, 885 I<br />

BGB aufgrund einer Eintragungsbewilligung:<br />

1. Zu sichernder Anspruch auf Einräumung,<br />

Löschung oder Änderung<br />

<strong>des</strong> Rechts am Grundstück.<br />

Beachte § 883 I 2 BGB<br />

2. Eintragungsbewilligung<br />

3. Eintragung der Vormerkung in<br />

das Grundbuch<br />

4. Berechtigung <strong>des</strong> Bewilligenden<br />

§ 883 II 1 BGB gilt für Zwischenverfügungen.<br />

§ 883 II 2 BGB gilt für Hoheitsakte.<br />

a) Vormerkung <strong>des</strong> K<br />

Ein solcher Anspruch setzt eine Vormerkung <strong>des</strong> Anspruchsstellers voraus.<br />

K könnte eine solche am 12.02.1999 gem. §§ 883, 885 I BGB erworben haben.<br />

Dies setzt gem. § 883 I BGB zunächst einen zu sichernden Anspruch auf<br />

Einräumung, Löschung oder Änderung eines Rechts am Grundstück voraus.<br />

Hier ergab sich ein Anspruch <strong>des</strong> K gegen den Verkäufer der Liegenschaft auf<br />

Auflassung aus dem notariellen Kaufvertrag vom 20.10.1998 gem. §§ 433 I,<br />

311b I 1 BGB.<br />

Ferner muss gem. § 885 I BGB die Eintragung der Vormerkung aufgrund einer<br />

Eintragungsbewilligung <strong>des</strong> Eigentümers erfolgt sein. Dies war vorliegend<br />

der Fall. Folglich erwarb K am 12.02.1999 eine Auflassungsvormerkung.<br />

b) Relative Unwirksamkeit <strong>des</strong> Rechtserwerbs gem. § 883 II BGB<br />

Ein Anspruch aus § 888 I BGB erfordert ferner, dass zugunsten <strong>des</strong> bereits<br />

Vorgemerkten der Rechtserwerb eines Dritten als unwirksam gilt. Gem. § 883<br />

II 1 BGB gilt dies für Verfügungen, die nach dem Erwerb der Vormerkung den<br />

Rechtserwerb <strong>des</strong> Anspruchsstellers vereiteln oder beeinträchtigen würden.<br />

§ 883 II 2 BGB erweitert diese Wirkung für Hoheitsakte, wie die hier im Wege<br />

der Zwangsvollstreckung gem. §§ 866, 867 ZPO erfolgte Eintragung einer<br />

Zwangshypothek. Indem K bei Eintragung seines Eigentums kein unbelastetes<br />

Eigentum, sondern eine mit einem Pfandrecht belastetes Grundstück<br />

erwirbt, beeinträchtigt diese dingliche Belastung den Rechtserwerb <strong>des</strong> K.<br />

Folglich war die Eintragung der Zwangshypothek gegenüber K gem. § 883 II<br />

2 BGB relativ unwirksam.<br />

Ein Anspruch <strong>des</strong> K gegen B aus § 888 I BGB besteht dem Grunde nach.<br />

2. Anspruch durchsetzbar<br />

Fraglich ist, ob der Anspruch auch durchsetzbar ist. B hat nämlich gem. § 214<br />

BGB die Einrede der Verjährung erhoben.<br />

a) Verjährung <strong>des</strong> durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs<br />

Fraglich ist, ob der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch aus § 433 I BGB<br />

verjährt ist und ob B eine solche Verjährung per Einrede einem Anspruch aus<br />

§ 888 I BGB entgegenhalten könnte.<br />

B darf dem Anspruch aus § 888 I<br />

BGB auch alle Einreden gegen den<br />

Anspruch entgegen halten, der<br />

durch die Vormerkung gesichert<br />

wird.<br />

§ 216 I BGB findet auf § 888 I BGB<br />

keine Anwendung.<br />

[14] Im Ausgangspunkt darf die Beklagte als Schuldnerin eines Anspruchs<br />

aus § 888 Abs. 1 BGB alle Einreden erheben, die dem Schuldner <strong>des</strong><br />

durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs gegen den Vormerkungsberechtigten<br />

zustehen (...). Hierzu gehört auch die Einrede der<br />

Verjährung; die Vorschrift <strong>des</strong> § 216 Abs. 1 BGB ist auf die Vormerkung,<br />

die die Erlangung <strong>des</strong> Rechts erst vorbereiten soll, nicht anwendbar (...).<br />

Ist der durch die Vormerkung gesicherte schuldrechtliche Anspruch verjährt,<br />

kann der vormerkungswidrig Eingetragene <strong>des</strong>halb im Grundsatz die<br />

dem Schuldner zustehende Einrede der Verjährung gegen den gesicherten<br />

Anspruch erheben und die Zustimmung aus diesem Grund verweigern (...).<br />

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<strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2022</strong><br />

Zivilrecht<br />

127<br />

[16] Der seitens <strong>des</strong> Klägers behauptete Kaufvertrag zwischen ihm und<br />

dem Voreigentümer vom 20. Oktober 1998 unterlag dem Schuldrecht in<br />

der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (...). War die lastenfreie<br />

Übergabe geschuldet, stellte die im maßgeblichen Zeitpunkt <strong>des</strong> Eigentumsübergangs<br />

eingetragene Zwangssicherungshypothek einen Rechtsmangel<br />

dar. Infolge<strong>des</strong>sen trat durch die Übertragung <strong>des</strong> Eigentums<br />

an dem belasteten Grundstück keine Erfüllung ein (...). Der fortbestehende<br />

Erfüllungsanspruch gegen den Voreigentümer unterlag der regelmäßigen<br />

Verjährung von 30 Jahren (§ 195 BGB aF). Diese Frist ist noch<br />

nicht abgelaufen.<br />

[17] Daran hat sich entgegen der Ansicht der Revision durch das Inkrafttreten<br />

<strong>des</strong> Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1. Januar<br />

2002 nichts geändert. (...) Maßgeblich ist insoweit aber nicht die von der<br />

Revision herangezogene, in § 196 BGB bestimmte Frist von zehn Jahren, die<br />

u.a. für Ansprüche auf Übertragung <strong>des</strong> Eigentums an einem Grundstück<br />

und damit für den ursprünglichen Erfüllungsanspruch gilt, sondern die<br />

dreißigjährige Frist <strong>des</strong> § 438 Abs. 1 Nr. 1b BGB. Auch nach geltendem<br />

Recht setzt die vertragsgemäße Erfüllung gemäß § 433 Abs. 1 Satz 2<br />

BGB die Freiheit von Rechtsmängeln voraus. Ist das verkaufte Grundstück<br />

im Zeitpunkt <strong>des</strong> Eigentumsübergangs mit einem Rechtsmangel<br />

behaftet, kann der Käufer gemäß § 435, § 437 Nr. 1 BGB Nacherfüllung<br />

verlangen. Gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 1b BGB beträgt die Verjährungsfrist<br />

dreißig Jahre, wenn der Mangel der Kaufsache - wie hier - in einem im<br />

Grundbuch eingetragenen Recht besteht. Diese Frist ist maßgeblich<br />

für die Verjährung <strong>des</strong> Anspruchs auf Nacherfüllung, in den sich der<br />

Erfüllungsanspruch mit der mangelhaften Lieferung umwandelt (...).<br />

Verjährungsfrist nach der Rechtslage<br />

bis zum 31.12.2001: 30 Jahre<br />

gem. § 195 BGB a.F.<br />

Aktuelle Rechtslage: Aufgrund <strong>des</strong><br />

Rechtsmangels gilt § 438 I Nr. 1b BGB.<br />

Die Frist beträgt 30 Jahre.<br />

§ 196 BGB findet hingegen keine<br />

Anwendung, weil sich aufgrund<br />

<strong>des</strong> Rechtsmangels der Erfüllungsanspruch<br />

in einen Nacherfüllungsanspruch<br />

umgewandelt hat.<br />

b) Verjährung <strong>des</strong> Anspruchs aus § 888 I BGB<br />

Fraglich ist, ob der Anspruch aus § 888 I BGB verjährt ist.<br />

[19] Nach nahezu einhelliger Ansicht ist der Anspruch aus § 888 Abs. 1<br />

BGB in analoger Anwendung von § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB unverjährbar<br />

(..). Nur vereinzelt wird vertreten, dass die Verjährung <strong>des</strong> Anspruchs aus<br />

§ 888 Abs. 1 BGB derjenigen <strong>des</strong> gesicherten Anspruchs folge (...).<br />

[20] Der Senat sieht den aus § 888 Abs. 1 BGB folgenden Zustimmungsanspruch<br />

<strong>des</strong> Vormerkungsberechtigten in entsprechender Anwendung<br />

von § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB als unverjährbar an. (...)<br />

[21] Ob der Zustimmungsanspruch gemäß § 888 Abs. 1 BGB der Verjährung<br />

unterworfen sein soll, und welche Frist bejahendenfalls gelten sollte, lässt<br />

sich dem Gesetz nicht entnehmen.<br />

[22] Anders als bei dem Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 BGB)<br />

fehlt es an einer speziellen Norm, die die Verjährung ausschließt (vgl. § 898<br />

BGB). Insbesondere ist § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach Ansprüche aus<br />

eingetragenen Rechten nicht der Verjährung unterliegen, nicht direkt<br />

anwendbar, weil die Vormerkung kein im Grundbuch eingetragenes<br />

dingliches Recht, sondern ein Sicherungsmittel eigener Art darstellt<br />

(...).<br />

[23] Andererseits unterfällt der Anspruch aus § 888 Abs. 1 BGB aber auch<br />

nicht den für den jeweiligen schuldrechtlichen Anspruch maßgeblichen<br />

Verjährungsregeln. So regelt die hier maßgebliche Vorschrift <strong>des</strong> § 438<br />

Abs. 1 Nr. 1b BGB nur die Verjährung der in § 437 Nr. 1 und Nr. 3 BGB bezeichneten<br />

Ansprüche; ebenso wenig einschlägig ist der auf den ursprünglichen<br />

Auflassungsanspruch anwendbare § 196 BGB, weil der Anspruch gemäß<br />

Regelungslücke: § 898 BGB findet auf<br />

den Anspruch aus § 888 I BGB keine<br />

Anwendung, weil die Vormerkung<br />

kein dingliches Recht, sondern nur<br />

ein Sicherungsmittel eigener Art ist.<br />

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128 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2022</strong><br />

Regelungslücke: Die für den gesicherten,<br />

der Vormerkung zugrundeliegenden<br />

Anspruch geltenden Verjährungsregeln<br />

können nicht auf<br />

den Anspruch aus § 888 I BGB angewendet<br />

werden, weil dieser nur ein<br />

unselbständiger Hilfsanspruch ist.<br />

Vergleichbarkeit mit den Rechtsverwirklichungsanspruchen<br />

i.S.d.<br />

§ 902 BGB, z.B. §§ 1018, 1094<br />

Das Bewilligen einer Vormerkung<br />

ist keine Verfügung, hat aber wegen<br />

der Wirkungen in §§ 883 II, 883 III<br />

BGB bereits verfügungsähnlichen<br />

Charakter.<br />

Dies führt zur Vergleichbarkeit der<br />

Vormerkung mit einem dinglichen<br />

Recht.<br />

§ 888 Abs. 1 BGB nicht auf die Begründung oder Aufhebung eines Rechts<br />

an einem Grundstück gerichtet ist, sondern lediglich sicherstellt, dass die<br />

nach dem formellen Grundbuchrecht notwendige Bewilligung <strong>des</strong> Betroffenen<br />

(§ 19 GBO) erwirkt werden kann (...). Zudem spricht der Umstand,<br />

dass der Zustimmungsanspruch ein unselbständiger Hilfsanspruch ist<br />

(...), dafür, dass er jedenfalls nicht vor dem gesicherten Anspruch verjähren<br />

kann; eine pauschale Anwendung von § 196 BGB, wie sie die<br />

Revision für richtig hält, liegt auch aus diesem Grund fern.<br />

[24] Die Regelungslücke ist durch die entsprechende Anwendung von<br />

§ 902 Abs. 1 Satz 1 BGB zu füllen. Diese Norm erfasst in ihrem direkten<br />

Anwendungsbereich die der Verwirklichung <strong>des</strong> eingetragenen Rechts dienenden<br />

Ansprüche (...). Mit diesen Rechtsverwirklichungsansprüchen<br />

ist der Zustimmungsanspruch gemäß § 888 Abs. 1 BGB vergleichbar.<br />

Denn trotz seines akzessorischen Charakters ist er ein eigenständiger<br />

Anspruch gegen den vormerkungswidrig Eingetragenen, der zur Durchsetzung<br />

<strong>des</strong> durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs notwendig<br />

ist (...). Und obwohl die Vormerkung als Sicherungsmittel eigener Art<br />

anzusehen ist, verleiht sie dem gesicherten schuldrechtlichen Anspruch<br />

in beträchtlichem Umfang dingliche Wirkungen im Sinn einer dinglichen<br />

Gebundenheit <strong>des</strong> Grundstücks; sie bewirkt insbesondere die<br />

relative Unwirksamkeit von sogenannten Zwischenrechten (§ 883 Abs. 2<br />

BGB) und sichert dem dinglichen Recht, auf <strong>des</strong>sen Einräumung der<br />

vormerkungsgesicherte Anspruch gerichtet ist, denjenigen Rang, der<br />

ihm zugekommen wäre, wenn es selbst bereits zur Zeit der Eintragung<br />

der Vormerkung eingetragen worden wäre (§ 883 Abs. 3 BGB). Damit<br />

ist die Vormerkung in manchen Beziehungen einem dinglichen Recht angenähert<br />

(...). Das rechtfertigt es, den Zustimmungsanspruch, der ihrer<br />

Verwirklichung dient, wie die in § 902 Abs. 1 BGB geregelten Ansprüche<br />

als unverjährbar anzusehen; bestätigt wird dies durch die Überlegung,<br />

dass der Anspruch zumin<strong>des</strong>t eine gewisse Nähe zu dem nach § 898 BGB<br />

unverjährbaren Grundbuchberichtigungsanspruch aufweist (...).<br />

Folglich liegt keine Verjährung vor. Der Anspruch aus § 888 I BGB ist durchsetzbar.<br />

C. Ergebnis<br />

K hat gegen B einen Anspruch aus § 888 I BGB auf Löschung der Zwangshypothek<br />

der B.<br />

FAZIT<br />

Der Anspruch aus § 888 I BGB ist analog § 902 BGB unverjährbar.<br />

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