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Lesen 01/2022

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HIN UND HER<br />

Man kann auch jemandem an der Kasse in<br />

der Migros oder in der S-Bahn begegnen.<br />

Je mehr Orte man als Chance sieht, desto<br />

grösser ist die Wahrscheinlichkeit, jemanden<br />

kennenzulernen. Brehm meint aber<br />

nicht, dass wir jetzt dauernd verzweifelt<br />

unsere Umgebung nach potenziellen Kandidaten<br />

und Kandidatinnen abscannen<br />

sollen. Es braucht Gelassenheit.<br />

Ich muss ehrlich sagen, ich war beim Betrachten<br />

des Covers etwas skeptisch. Der<br />

Untertitel des Buchs lautet nämlich «Wie<br />

wir echte Liebe finden». Dieses Versprechen<br />

scheint mir doch etwas hoch gegriffen<br />

– denn gäbe es einen Leitfaden, an den<br />

man sich einfach halten kann, wäre die<br />

Liebe nicht so kompliziert, wie sie ist.<br />

Doch beim <strong>Lesen</strong> wird klar, dass Brehm<br />

nicht darauf hinaus will. Mit «echt» meint<br />

sie viel mehr, dass man die eigene Maske<br />

abnehmen und authentisch sein darf und<br />

soll. Und egal, wie viel man jetzt von solchen<br />

Ratgebern hält, das Schlusswort der<br />

Autorin scheint mir erwähnenswert als<br />

Grundsatz für die (Selbst-)Liebe: «Menschen<br />

sind es wert, geliebt zu werden.»<br />

Liebenswert grüsst<br />

Lena<br />

SMART LOVING<br />

Sharon Brehm<br />

256 Seiten, CHF 28.90<br />

SüdWest<br />

Liebe <strong>Lesen</strong>de<br />

Kennt ihr das auch? Ihr beginnt ein Buch zu<br />

lesen und denkt: «Ach nö, das ist jetzt nix für<br />

mich!» Berufsbedingt müsst ihr aber weiterlesen<br />

… Und findet das Buch ein paar Seiten<br />

später gar nicht mehr so schlecht … Und<br />

seid plötzlich begeistert. Glück gehabt,<br />

Buch. Und Glück gehabt, Marius!<br />

So erging es mir mit «Blinder Spiegel» von<br />

Salih Jamal, einem deutschen Autor mit<br />

Wurzeln in Palästina. Der kurze Roman beginnt<br />

ganz harmlos und verspricht Seifenoper-Unterhaltung:<br />

Der unstete Fluglotse<br />

Lui sieht in einer Bar eine mysteriöse<br />

Frau in einem gelben Regenmantel, die ihn<br />

fasziniert – Elle. Alles geht sehr schnell,<br />

Kommissar Zufall schlägt zu, und die beiden<br />

landen miteinander im Bett. Ach je …<br />

Aber dann, dann! Jamal entwickelt das Psychogramm<br />

einer Amour fou zwischen zwei<br />

verlorenen Seelen, die beide Nähe suchen,<br />

diese aber partout nicht zulassen können.<br />

Dunkelste Abgründe tun sich auf, und es gelingt<br />

Jamal, die obsessive Affäre zwischen<br />

Lui und der reichen, verheirateten Elle<br />

ohne jeden Voyeurismus, aber mit einer das<br />

Herz berührenden Offenheit zu beschreiben.<br />

Nein, nein, es geht nicht um Sexszenen,<br />

diese kommen wie so oft eher etwas<br />

spröde-ungelenk daher, sondern vor allem<br />

um das triste Innenleben der Protagonisten.<br />

Und um die Frage, warum zwei, die einander<br />

offensichtlich so sehr lieben, nicht<br />

zusammenkommen können.<br />

Ja, warum? Die menschliche Seele ist ein<br />

komplexes Ding, und ohne Kompromisse<br />

geht es nicht. Das wissen wir alle. Aber Theorie<br />

und Praxis sind halt zwei sehr unterschiedliche<br />

Komponenten, und in der Praxis<br />

endet es zwischen den beiden doch eher<br />

kaputten Liebenden Elle und Lui grauenvoll.<br />

Wie, könnt ihr gern selbst nachlesen.<br />

Ich empfehle es euch wärmstens!<br />

Eines Besseren belehrt,<br />

Marius<br />

Lieber Marius<br />

BLINDER SPIEGEL<br />

Salih Jamal<br />

120 Seiten, CHF 29.90<br />

Septime<br />

«Theorie und Praxis sind zwei sehr unterschiedliche<br />

Komponenten»? Damit gibst du<br />

mir eine Steilvorlage für meine Buchempfehlung,<br />

wie sie schöner kaum sein könnte.<br />

Denn wir wissen schliesslich alle: Liebe und<br />

Beziehungen sind mit theoretischen Mythen<br />

behaftet, an denen sich der moderne<br />

Mensch bewusst oder unbewusst orientiert –<br />

was den praktischen Erfolg von Beziehungen<br />

aber ernsthaft gefährden kann. So ähnlich<br />

postuliert es jedenfalls der Partnerschaftsberater<br />

Christian Thiel in seinem<br />

neuen Buch «Generation beziehungsstark».<br />

Von solchen Mythen müsse man sich lösen<br />

und sich einen objektiveren Blick auf Liebesdinge<br />

verschaffen. Dass Thiel dazu rät,<br />

dies bei einer Beziehungsberatung zu tun,<br />

ist natürlich wenig überraschend. Dennoch<br />

hat der Autor sicherlich recht, wenn er sagt,<br />

dass es sinnvoller ist, das Beziehungsschiff<br />

beim ersten Anzeichen eines schweren<br />

Sturms durchchecken zu lassen, als es jahrelang<br />

Richtung Bermudadreieck zu steuern<br />

und dann im letzten Moment auf ein<br />

Beratungswunder zu hoffen. In solchen Fällen<br />

wird der Beziehungs- wohl oft nur noch<br />

zum Trennungsberater.<br />

Ich muss gestehen, dass ich mit Thiels<br />

Grundannahme nicht so ganz einverstanden<br />

bin, die da lautet: Weil wir heute mehr<br />

denn je über Liebe und Beziehungen wissen,<br />

steuern wir auf die titelgebende Generation<br />

beziehungsstark zu. Genauso gut<br />

könnte man sagen: Weil wir heute mehr<br />

denn je über den Klimawandel wissen, werden<br />

wir zur Generation klimaneutral. Beide<br />

Aussagen sind hoffnungsvoll, aber auch<br />

ziemlich verwegen. Dennoch lohnt sich ein<br />

Blick in Thiels Buch, nicht nur für Menschen<br />

in kriselnden Beziehungen, sondern<br />

LESEN 1/<strong>2022</strong> – ORELLFÜSSLI.CH

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