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HIN UND HER<br />
Man kann auch jemandem an der Kasse in<br />
der Migros oder in der S-Bahn begegnen.<br />
Je mehr Orte man als Chance sieht, desto<br />
grösser ist die Wahrscheinlichkeit, jemanden<br />
kennenzulernen. Brehm meint aber<br />
nicht, dass wir jetzt dauernd verzweifelt<br />
unsere Umgebung nach potenziellen Kandidaten<br />
und Kandidatinnen abscannen<br />
sollen. Es braucht Gelassenheit.<br />
Ich muss ehrlich sagen, ich war beim Betrachten<br />
des Covers etwas skeptisch. Der<br />
Untertitel des Buchs lautet nämlich «Wie<br />
wir echte Liebe finden». Dieses Versprechen<br />
scheint mir doch etwas hoch gegriffen<br />
– denn gäbe es einen Leitfaden, an den<br />
man sich einfach halten kann, wäre die<br />
Liebe nicht so kompliziert, wie sie ist.<br />
Doch beim <strong>Lesen</strong> wird klar, dass Brehm<br />
nicht darauf hinaus will. Mit «echt» meint<br />
sie viel mehr, dass man die eigene Maske<br />
abnehmen und authentisch sein darf und<br />
soll. Und egal, wie viel man jetzt von solchen<br />
Ratgebern hält, das Schlusswort der<br />
Autorin scheint mir erwähnenswert als<br />
Grundsatz für die (Selbst-)Liebe: «Menschen<br />
sind es wert, geliebt zu werden.»<br />
Liebenswert grüsst<br />
Lena<br />
SMART LOVING<br />
Sharon Brehm<br />
256 Seiten, CHF 28.90<br />
SüdWest<br />
Liebe <strong>Lesen</strong>de<br />
Kennt ihr das auch? Ihr beginnt ein Buch zu<br />
lesen und denkt: «Ach nö, das ist jetzt nix für<br />
mich!» Berufsbedingt müsst ihr aber weiterlesen<br />
… Und findet das Buch ein paar Seiten<br />
später gar nicht mehr so schlecht … Und<br />
seid plötzlich begeistert. Glück gehabt,<br />
Buch. Und Glück gehabt, Marius!<br />
So erging es mir mit «Blinder Spiegel» von<br />
Salih Jamal, einem deutschen Autor mit<br />
Wurzeln in Palästina. Der kurze Roman beginnt<br />
ganz harmlos und verspricht Seifenoper-Unterhaltung:<br />
Der unstete Fluglotse<br />
Lui sieht in einer Bar eine mysteriöse<br />
Frau in einem gelben Regenmantel, die ihn<br />
fasziniert – Elle. Alles geht sehr schnell,<br />
Kommissar Zufall schlägt zu, und die beiden<br />
landen miteinander im Bett. Ach je …<br />
Aber dann, dann! Jamal entwickelt das Psychogramm<br />
einer Amour fou zwischen zwei<br />
verlorenen Seelen, die beide Nähe suchen,<br />
diese aber partout nicht zulassen können.<br />
Dunkelste Abgründe tun sich auf, und es gelingt<br />
Jamal, die obsessive Affäre zwischen<br />
Lui und der reichen, verheirateten Elle<br />
ohne jeden Voyeurismus, aber mit einer das<br />
Herz berührenden Offenheit zu beschreiben.<br />
Nein, nein, es geht nicht um Sexszenen,<br />
diese kommen wie so oft eher etwas<br />
spröde-ungelenk daher, sondern vor allem<br />
um das triste Innenleben der Protagonisten.<br />
Und um die Frage, warum zwei, die einander<br />
offensichtlich so sehr lieben, nicht<br />
zusammenkommen können.<br />
Ja, warum? Die menschliche Seele ist ein<br />
komplexes Ding, und ohne Kompromisse<br />
geht es nicht. Das wissen wir alle. Aber Theorie<br />
und Praxis sind halt zwei sehr unterschiedliche<br />
Komponenten, und in der Praxis<br />
endet es zwischen den beiden doch eher<br />
kaputten Liebenden Elle und Lui grauenvoll.<br />
Wie, könnt ihr gern selbst nachlesen.<br />
Ich empfehle es euch wärmstens!<br />
Eines Besseren belehrt,<br />
Marius<br />
Lieber Marius<br />
BLINDER SPIEGEL<br />
Salih Jamal<br />
120 Seiten, CHF 29.90<br />
Septime<br />
«Theorie und Praxis sind zwei sehr unterschiedliche<br />
Komponenten»? Damit gibst du<br />
mir eine Steilvorlage für meine Buchempfehlung,<br />
wie sie schöner kaum sein könnte.<br />
Denn wir wissen schliesslich alle: Liebe und<br />
Beziehungen sind mit theoretischen Mythen<br />
behaftet, an denen sich der moderne<br />
Mensch bewusst oder unbewusst orientiert –<br />
was den praktischen Erfolg von Beziehungen<br />
aber ernsthaft gefährden kann. So ähnlich<br />
postuliert es jedenfalls der Partnerschaftsberater<br />
Christian Thiel in seinem<br />
neuen Buch «Generation beziehungsstark».<br />
Von solchen Mythen müsse man sich lösen<br />
und sich einen objektiveren Blick auf Liebesdinge<br />
verschaffen. Dass Thiel dazu rät,<br />
dies bei einer Beziehungsberatung zu tun,<br />
ist natürlich wenig überraschend. Dennoch<br />
hat der Autor sicherlich recht, wenn er sagt,<br />
dass es sinnvoller ist, das Beziehungsschiff<br />
beim ersten Anzeichen eines schweren<br />
Sturms durchchecken zu lassen, als es jahrelang<br />
Richtung Bermudadreieck zu steuern<br />
und dann im letzten Moment auf ein<br />
Beratungswunder zu hoffen. In solchen Fällen<br />
wird der Beziehungs- wohl oft nur noch<br />
zum Trennungsberater.<br />
Ich muss gestehen, dass ich mit Thiels<br />
Grundannahme nicht so ganz einverstanden<br />
bin, die da lautet: Weil wir heute mehr<br />
denn je über Liebe und Beziehungen wissen,<br />
steuern wir auf die titelgebende Generation<br />
beziehungsstark zu. Genauso gut<br />
könnte man sagen: Weil wir heute mehr<br />
denn je über den Klimawandel wissen, werden<br />
wir zur Generation klimaneutral. Beide<br />
Aussagen sind hoffnungsvoll, aber auch<br />
ziemlich verwegen. Dennoch lohnt sich ein<br />
Blick in Thiels Buch, nicht nur für Menschen<br />
in kriselnden Beziehungen, sondern<br />
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