FRAUENSACHE
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<strong>FRAUENSACHE</strong><br />
„Ich habe jeden Tag Schmerzen“<br />
Text Franziska Manske<br />
Endometriose<br />
und Kinderwunsch<br />
FOTO: SIMONE LOBGESANG / FAB4MEDIA<br />
Ø 6 Jahre<br />
müssen Patientinnen auf die<br />
Diagnose warten.<br />
Instagram<br />
instagram.com/<br />
anna.wilken<br />
Prof. Dr. med. Sylvia Mechsner,<br />
Leiterin des Endometriosezentrums<br />
in der Charité und behandelnde<br />
Ärztin von Anna Wilken, spricht in<br />
einem Interview über die Krankheit<br />
Endometriose.<br />
„Einfach nur“ starke Monatsblutung<br />
oder Endometriose –<br />
wie erkennt man den Unterschied?<br />
Die schwere, pathologische Dysmenorrhoe<br />
zeichnet sich durch sehr<br />
starke Schmerzen, die auf der visuellen<br />
Analogskala mit über fünf bis<br />
zehn von zehn angegeben werden,<br />
aus. Frauen „müssen“ also quasi liegen,<br />
sind arbeitsunfähig und müssen<br />
Schmerzmittel nehmen, ohne<br />
geht es praktisch nicht. Oftmals<br />
braucht es dann eben auch mehr als<br />
eine Schmerztablette oder höhere<br />
Dosierungen, und auch damit sind<br />
die Schmerzen oft nicht komplett<br />
aufgelöst. Oftmals bestehen zudem<br />
auch noch vegetative Beschwerden<br />
wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel,<br />
Kollapsneigung und vor allem auch<br />
zyklischer Durchfall. Typisch ist weiterhin,<br />
dass, wenn die Frau bereits<br />
eine Pille nimmt, die Abbruchblutung<br />
ebenfalls sehr schmerzhaft ist.<br />
Normaler Regelschmerz lässt sich<br />
durch die Einnahme von Buscopan<br />
oder 400 Milligramm Ibuprofen<br />
deutlich bessern bzw. ist dann komplett<br />
weg, auch Yoga, Ernährung und<br />
Akupressur sind dann oft schon ausreichend.<br />
Anna, du hast Endometriose,<br />
wie verlief deine Krankheitsgeschichte<br />
bis zur endgültigen Diagnose?<br />
Als ich 13 Jahre alt war, wurde der Verdacht<br />
bereits von meiner damaligen<br />
Frauenärztin geäußert. So richtig ernst<br />
genommen wurde das jedoch nicht. Ich<br />
sei zu jung, hieß es. Seitens der Ärzte<br />
habe ich sämtliche Vorwürfe erhalten.<br />
Als Scheidungskind, hieß es, würde ich<br />
nur Aufmerksamkeit wollen, und da ich<br />
sehr schlank war, wurde mir Magersucht<br />
vorgeworfen. Erst mit 19 Jahren bekam<br />
ich mittels einer Bauchspiegelung die Diagnose:<br />
Endometriose und Adenomyose.<br />
Kannst du kurz beschreiben,<br />
wie sich die Krankheit bei dir äußert?<br />
Ich habe alles an Symptomen, was man<br />
haben kann. Besonders schlimm sind<br />
zyklusabhängige und -unabhängige Bauchschmerzen.<br />
Hinzu kommen Schmerzen<br />
bei gynäkologischen Untersuchungen,<br />
die sind für mich immer<br />
ein Albtraum. Früher hatte ich auch<br />
starke Schmerzen beim Geschlechtsverkehr,<br />
was sich aber zum Glück gebessert<br />
hat. Doch Darmbeschwerden,<br />
Bauchschmerzen, Beckenproblematiken,<br />
Blasenprobleme, Rückenschmerzen<br />
und Antriebslosigkeit sind meine<br />
ständigen Begleiter.<br />
Wie gehst du mit diesen Symptomen<br />
um, und was hilft dir, wenn es mal<br />
wieder richtig schlimm ist?<br />
Ich achte darauf, dass es mir gut geht,<br />
und versuche, die Symptome in mein<br />
Leben zu integrieren. Das war nicht immer<br />
so. Anfangs habe ich Depressionen<br />
bekommen und bin im Selbstmitleid fast<br />
versunken. 2017, nach meiner ersten Operation,<br />
bin ich zur Reha gegangen und<br />
habe dort gelernt, besser damit umzugehen.<br />
Damit mir das leichter fällt, habe ich<br />
der Endometriose zusätzlich einen Namen<br />
gegeben: Frieda. Und Frieda gehört<br />
jeden Tag zu meinem Leben. Doch ich<br />
versuche, mich nicht von ihr leiten zu lassen,<br />
aber sie auch nicht zu ignorieren. Mir<br />
tut Wärme sehr gut, in Form von Bädern<br />
oder auch einer Wärmflasche. Wenn die<br />
Schmerzen fast unerträglich werden,<br />
dann hilft mir Bewegung. Grundsätzlich<br />
tut mir Osteopathie oder auch eine<br />
Fußreflexzonentherapie sehr gut.<br />
Was bedeutet die Diagnose<br />
für deinen Kinderwunsch?<br />
Der unerfüllte Kinderwunsch ist sehr<br />
komplex und individuell. Bei mir spielt<br />
die Endometriose und Adenomyose mit<br />
rein, jedoch habe noch weitere Baustellen,<br />
die es aktuell erschweren.<br />
Welchen Behandlungen unterziehst du dich,<br />
um dir deinen Kinderwunsch zu erfüllen?<br />
Seit 2018 versuchen wir es mit der künstlichen<br />
Befruchtung.<br />
Gibt es einen Rat deinerseits<br />
an andere Betroffene?<br />
Mir hat es extrem geholfen, darüber zu<br />
reden und festzustellen, dass man kein<br />
schlechterer Mensch ist, weil man eine<br />
chronische Erkrankung hat. •<br />
Endometriose, wenn sie äußerlich zu sehen wäre<br />
Was bedeutet diese Krankheit<br />
für den Kinderwunsch?<br />
Viele Frauen mit Endometriose werden<br />
auch problemlos schwanger,<br />
Endometriose bedeutet nicht automatisch,<br />
dass man keine Kinder<br />
bekommen kann. Aber da unter den<br />
Frauen, die bereits erfolglos versuchen,<br />
schwanger zu werden, bis zu 40<br />
Prozent dann Endometriose haben,<br />
wissen wir natürlich, dass es auch<br />
Probleme geben kann. Das hängt<br />
von vielen Faktoren ab. Um schwanger<br />
werden zu können, werden viele<br />
Funktionseinheiten des Körpers gebraucht:<br />
Eierstöcke mit den Eizellen,<br />
Eileiter und Uterus sind da besonders<br />
wichtig, und alle Bereiche können von<br />
Endometriose betroffen sein. Zysten,<br />
zum Beispiel an den Ovarien, können<br />
durch die Größe die Eierstockfunktion<br />
stören, aber auch Operationen<br />
zur Zystenentfernung können die<br />
Eizellreserve reduzieren, Entzündungen<br />
und Verklebungen im Bauch<br />
können die Beweglichkeit der Tuben<br />
stören und letztlich kann die Adenomyose<br />
auch Einfluss nehmen. Dazu<br />
kommt dann eventuell noch das Alter<br />
der Patientin, denn je älter Frauen<br />
sind, desto eher nimmt die Eizellqualität<br />
dann auch leider ab. Daher kann<br />
man schon sagen, dass Frauen mit<br />
schwerer Endometriose und ab 35<br />
mit deutlichen Einschränkungen rechnen<br />
müssen und daher lieber auch<br />
in einem Alter anfangen sollten den<br />
Kinderwunsch umzusetzen, in dem<br />
die Eizellreserve und die Qualität<br />
noch optimal sind. •<br />
Text Lotta Boron