Werkstatt-Blatt 2022/Sonderausgabe
Das WERKSTATT-Blatt (vorm.guernica) ist die offizielle Publikation der Solidarwerkstatt Österreich. Die aktuellen Ausgaben des WERKSTATT-Blatts sind im Abonnement erhältlich. WERKSTATT-Blatt Abo für 10 Ausgaben bestellen um Eur 12,- oder 5 Ausgaben um Eur 7,- . Ein Probeexemplar schicken wir gerne kostenlos zu. Bestellen unter: T 0732 77 10 94 oder per mail: office@solidarwerkstatt.at
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Aus dem Inhalt
Interview mit Univ.
Prof.Dr. Emmerich Talos
zum Volksbegehren
Arbeitslosengeld rauf.
Seite 4
Verkehr
Taten statt Lippenbekenntnisse
- Klimacheck
für A26!
Seite 13
Frieden
Ukraine-Krieg: Militärblöcke
spalten Neutralität
verbindet
Seite 14
unabhängig.selbstbestimmt
WERKSTATT-Blatt 1/2022 (guernica), Euro 2,-
Eintragungswoche
2. bis 9. Mai 2022!
Auf jedem Gemeindeamt/Bezirksamt/Magistrat bzw. mit Handysignatur
Kontakt: www.arbeitslosengeld-rauf.at, info@arbeitslosengeld-rauf.at
Grafik:Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf!
Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf
2
Nochmals dreißig
Jahre?
Die schwedische Klimaaktivistin
Greta
Thunberg sagte, wir hätten
dreißig verlorene Jahre hinter
uns. Dreißig Jahre lang nur
bla, bla, bla, sagte sie. Da war
sie noch nicht einmal volljährig.
Ich bin sechzig. Und
kann nur sagen, ja, sie hat
recht. Das gilt aber nicht nur
hinsichtlich Klimagerechtigkeit
und Umweltschutz. Dreißig
Jahre lang glaubte der
sogenannte Westen, die Entfesselung
verbrecherischer
Angriffskriege sei sein Privileg.
Dreißig Jahre lang hörten
wir, Arbeitslosigkeit würde
am besten damit bekämpft,
indem Arbeitslose mit dem
Sturz in die Armut bedroht
werden. Im Arbeitsministerium
wird jetzt sogar eine Absenkung
des Arbeitslosengeldes
auf vierzig Prozent des
Letztbezugs diskutiert.
Damit muss Schluss gemacht
werden. Darum unterstützt
die Solidarwerkstatt
Österreich das Volksbegehren
zur Erhöhung des Arbeitslosengeldes.
Wir leben in einer
Zeit des Umbruchs. Eine dauerhafte
Erhöhung des Arbeitslosengeldes
auf zumindest
70% würde eine Zeitenwende
markieren. Jede*r wird gebraucht.
Niemand ist überflüssig.
70 Prozent Arbeitslosengeld
bedeutet: Die Wirtschaft
ist für den Menschen da. Und
nicht der Mensch für die sogenannte
Wirtschaft.
Diese Sondernummer des
Werkstattblattes kostet uns
eine Stange Geld. Geld, das
wir nicht haben. Wir vertrauen
darauf, dass ihr uns nicht
im Stich lässt.
Boris Lechthaler
(Kassier)
Bankverbindung:
Raiffeisenbank Perg
IBAN: AT42 3477 7000 0627
4146, BIC: RZOO AT2L 777
HÖHERES ARBEITSLOSENGELD =
BESSERE LÖHNE UND GEHÄLTER!
Je niedriger das Arbeitslosengeld, desto leichter können ArbeitnehmerInnen gezwungen werden,
unfaire Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Umgekehrt gilt: Je höher das Arbeitslosengeld,
desto stärker ist die Verhandlungsmacht der ArbeitnehmerInnen und ihrer Gewerkschaften.
Damit können bessere Löhne und Gehälter durchgesetzt werden. Wir wollen keinen
Niedriglohnsektor a`la Hartz 4 in Deutschland. Ein höheres Arbeitslosengeld hilft daher nicht nur
den unmittelbar Betroffenen, sondern allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wir wollen
fair bezahlte und gute Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten!
ARMUT VERHINDERN!
Der Sozialstaat ist eine große Errungenschaft. Alle Studien zeigen: Je weniger die Menschen Angst
um ihre soziale Existenz haben müssen, desto besser geht es allen Menschen in der Gesellschaft,
desto erfolgreicher ist auch die wirtschaftliche Entwicklung. Aber der Sozialstaat in Österreich hat
noch empfindliche Lücken: eine ist das zu niedrige Arbeitslosengeld. Wer arbeitslos wird, fällt
augenblicklich auf fast die Hälfte des Letzteinkommens. Das liegt weit unter dem OECD-Durchschnitt.
Viele Arbeitslose leben unter der Armutsgrenze. Insbesondere Frauen sind aufgrund der
hohen Teilzeitrate und der oftmals niedrigeren Löhne davon betroffen. Deshalb fordern wir die
dauerhafte Anhebung des Arbeitslosengeldes auf zumindest 70 Prozent!
Foto: iStock-AleksandarGeorgiev
Foto und Text: Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf!
Foto: i stock/MachineHeadz
Foto und Text: Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf!
3 Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf
ARBEITSLOSIGKEIT BEKÄMPFEN, NICHT ARBEITSLOSE!
Immer wieder wird behauptet, die Arbeitslosen müssten mit einem niedrigen Arbeitslosengeld zur
Aufnahme einer Arbeit gezwungen werden. Das ist zynisch. Denn in den allermeisten Fällen fehlen
schlicht und einfach die Arbeitsplätze. Im Jahr 2020 kamen durchschnittlich 7 Arbeitslose auf eine
offene Stelle und selbst im Jahr 2021, als die Wirtschaft bereits wieder kräftig wuchs, mussten sich
immer noch 4 Arbeitslose um eine offene Stelle anstellen. Statt Arbeitslose zu schikanieren, muss die
Arbeitslosigkeit bekämpft werden: z.B. durch mehr Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik, Arbeitszeitverkürzung,
mehr öffentliche Investition für Umwelt, Pflege, Gesundheit, Bildung. Und nicht zuletzt:
Eine jüngste Studie der AK OÖ hat gezeigt: Eine Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70% schafft
selbst 14.000 zusätzliche Arbeitsplätze, weil dadurch die Nachfrage angeregt wird.
DAUERHAFT STATT DEGRESSIV!
Wirtschaftsverbände und Teile der Regierung fordern ein degressives Arbeitslosengeld. D.h. das Arbeitslosengeld
soll umso niedriger werden, je länger die Arbeitslosigkeit dauert. Auch das ist zynisch.
Das Verarmungsrisiko steigt mit jedem Monat Arbeitslosigkeit. Armutsgefährdung ist nach einem Jahr
Arbeitslosigkeit bereits mehr als doppelt so hoch wie im ersten halben Jahr. Es darf nicht sein, dass die
Versicherungsleistung immer weniger wird, je mehr die Existenznot der Menschen zunimmt. Auch
die psychische Not wächst, je länger die Arbeitslosigkeit dauert: Degressiv macht depressiv! Betroffen
sind davon immer mehr, denn die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich im letzten Jahrzehnt mehr als
verzehnfacht! Eine Unterschrift für das Volksbegehren „Arbeitslosengeld rauf!“ ist eine Möglichkeit,
den aktuellen Plänen zur Verschlechterung der Position von Arbeitslosen wirksam entgegenzutreten.
Foto: iStock/svetikd
Foto und Text: Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf!
Foto und Text: Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf!
Die Forderungen des
VOLKSBEGEHRENS
ARBEITSLOSENGELD
RAUF!
Wir fordern vom Nationalrat
eine Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes,
• mit der die Nettoersatzrate für
die Bemessung der Höhe des
Arbeitslosengeldes – wenigstens
auf 70 % – und entsprechend
die Notstandshilfe sofort
und dauerhaft erhöht wird
• und die Zumutbarkeitsbestimmungen
entschärft werden
sowie die Rechtsstellung
der Arbeitslosen insgesamt
verbessert wird.
Wir haben das Volksbegehren mit
knapp 25.000 Unterschriften eingereicht,
brauchen also noch über
75.000 Unterschriften, um die notwendigen
100.000 Unterschriften
zu schaffen! Bitte helfen Sie mit,
dieses Volksbegehren zu einem
Erfolg zu machen! Bewerben
Sie das Volksbegehren in Ihrem
Umfeld! Bestellen Sie Faltblätter,
Plakate, Pickerl, Tragtaschen,
verbreiten Sie das Volksbegehren
über die Sozialen Medien!
Kontakt: Volksbegehren
Arbeitslosengeld rauf!
Quellenstraße 2c, 1100 Wien
info@arbeitslosengeld-rauf.at;
www.arbeitslosengeld-rauf.at
www.facebook.com/arbeitslosengeldrauf
https://www.instagram.com/arbeitslosengeldrauf/
Wir ersuchen auch um finanzielle
Unterstützung - Vielen Dank!
IBAN: AT45 3477 7000 0627
7099, BIC: RZOOAT2L777
Finanziert durch Crowd-Funding
über www.respekt.net
Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf
4
„Derzeitiges Arbeitslosengeld
schützt nicht vor Verarmung“
Interview mit Univ. Prof. i.R. Dr. Emmerich Talos (Universität Wien)
„Die ausreichende materielle Absicherung
von Erwerbsarbeitslosen steigert nicht die Arbeitsunwilligkeit,
wie Neoliberale behaupten.
Diese verbessert vielmehr die Verhandlungsposition
von Arbeitslosen, bewahrt diese
davor, zur Sicherung ihres Lebensunterhalts
unfaire Arbeits- und Lebensbedingungen zu
akzeptieren.“
Werkstatt-Blatt: Sie engagieren
sich für das Volksbegehren
"Arbeitslosengeld
rauf!", das die Anhebung
des Arbeitslosengeldes auf
zumindest 70% des Letztbezugs
fordert. Warum halten
Sie diese Forderung für so
wichtig?
Emmerich Talos: Die Arbeitslosenversicherung
ist seit mehr als
100 Jahren ein wichtiger Bestandteil
des Leistungssystems des österreichischen
Sozialstaates. Die
Arbeitsmarktentwicklung, insbesondere
auch im Zusammenhang
mit der Corona Pandemie, hat
allerdings deutlich gemacht, dass
das derzeitige Niveau des Arbeitslosengeldes
und der Notstandshilfe
für viele erwerbsarbeitslose
Menschen nicht reicht, um sie vor
Verarmung zu schützen.
Verstärkt wird diese Problematik
nunmehr auch noch durch die
aktuelle Entwicklung von Wohlstandsverlusten
in Folge von
Preissteigerungen beim Wohnen,
von Kostensteigerungen bei Lebensmittel
und Energie. Betroffen
davon sind über BezieherInnen
von Sozialhilfe und Niedrigpensionen
hinaus vor allem auch Langzeiterwerbslose
mit Notstandshilfebezug.
Die Anhebung der Nettoersatzrate
von dem im internationalen
Vergleich äußerst niedrigen Niveau
von 55% der Nettoersatzrate
auf mindestens 70% ist daher
ein unumgänglich notwendiger
Schritt. Die Forderung der Verbesserung
der materiellen Situation
vieler erwerbsarbeitsloser
Menschen ist einer der Kernpunkte
des Volksbegehrens „Arbeitslosengeld
Rauf!“
Das Volksbegehren fordert
auch, die Zumutbarkeitsbestimmungen
zu entschärfen
bzw. die Rechtsstellung der
Arbeitslosen zu verbessern
und die Zuverdienstmöglichkeit
aufrechtzuerhalten.
Was ist damit gemeint?
Unter den schwarz/türkis/blauen
Regierungen wurden die gesetzlichen
Vorgaben für den Bezug
des Arbeitslosengeldes und
der Notstandshilfe beträchtlich
verschärft – ablesbar an den Bestimmungen
betreffend Arbeitswilligkeit,
Einhaltung der Kontrollmeldetermine,
Ablehnung
von Schulungsmaßnahmen. Nicht
zuletzt wurden die Wegzeiten
für die Hin- und Rückfahrt vom
Arbeitsplatz verlängert. Mitteilungen
des AMS traten an Stelle
rechtlich begründeter Bescheide.
In den aktuellen Auseinandersetzungen
über Änderungen
in der Arbeitslosenversicherung
wurde von Unternehmervertretungen
sogar die Forderung für
einen Vermittlungszwang für
Arbeitslose in ganz Österreich
ventiliert. In Abgrenzung dazu
läuft das Volksbegehren auf eine
Entschärfung der Zumutbarkeitskriterien
hinaus.
Darüberhinaus tritt das Volksbegehren
für die Aufrechterhaltung
der Zuverdienstmöglichkeit
für Erwerbsarbeitslose ein. Dies
bietet für die Betroffenen die
Möglichkeit der Integration in
den Erwerbsarbeitsmarkt.
Die ausreichende materielle
Absicherung von Erwerbsarbeitslosen
steigert nicht die Arbeitsunwilligkeit,
wie Neoliberale
behaupten. Diese verbessert
vielmehr die Verhandlungsposition
von Arbeitslosen, bewahrt
diese davor, zur Sicherung ihres
Lebensunterhalts unfaire Arbeitsund
Lebensbedingungen zu akzeptieren.
Sie wirkt zudem der
Ausweitung eines Niedriglohnsektors
à la Hartz IV entgegen.
Warum wurde das Instrument
eines Volksbegehrens
gewählt? Was können wir
damit bewegen?
Während Parteien und Verbände
je spezifische, unterschiedliche
partikulare Interessen vertreten,
zielen Volksbegehren darauf ab,
partei- und verbändeübergreifend
für bestimmte Anliegen zu mobilisieren
und diesbezüglich übergreifend
zusammen zu arbeiten.
Sie stellen damit als ein direkt
demokratisches Instrument eine
wichtige Ergänzung für politische
Prozesse dar.
Was wir mit dem Volksbegehren
„Arbeitslosengeld Rauf!“ bewegen
können, ist eine Sensibilisierung
für aktuelle Problemlagen
und Herausforderungen. Zugleich
kann das Volksbegehren bei einer
ausreichenden Unterstützung im
Rahmen der Eintragungswoche
vom 2. - 9. Mai einen einschlägigen
parlamentarischen Prozess
befördern und den Anstoß zu
einem spezifischen reformpolitischen
Gesetzgebungsprozess
bilden.
Wirtschaftskreise und Teile
der Regierung wollen ein
degressives Arbeitslosengeld
bei der kommenden
Arbeitsmarktreform durchsetzen,
das zwar am Anfang
höher ist, dann aber mit
Dauer der Arbeitslosigkeit
immer stärker absinkt. Was
halten Sie davon?
Dieses Modell basiert auf neoliberalen
sozialstaatlichen Kürzungsvorstellungen
mit dem angeblichen
Ziel, Anreize für die
Betroffenen zu schaffen. Allerdings
geht es bei diesem Modell
nicht um eine Verbesserung der
Bedingungen von Arbeitslosen,
sondern um Druck auf diese, um
Druck auf Annahme schlechter
Jobs. Es läuft nicht auf eine Verbesserung
ihrer sozialen und materiellen
Situation hinaus, sondern
letztlich auf eine Verschärfung des
Armutsrisikos. Das Volksbegehren
zielt darauf ab, derartigen Kürzungsoptionen
gegenzusteuern.
Eine Losung des Volksbegehrens
lautet "Arbeitslosigkeit
bekämpfen, nicht
Arbeitslose". Was sind Ihre
Vorschläge, um die nach wie
vor hohe Arbeitslosigkeit zu
bekämpfen?
Der Ausbau der Instrumente der
aktiven Arbeitsmarktpolitik und
die staatliche Förderung von Arbeitsplätzen
(z.B Aktion 20.000,
Beschäftigungsbonus unter SPÖ/
ÖVP) wären m.E. ebenso wichtig
wie die Verkürzung der Arbeitszeit
und eine adäquate soziale und
materielle Absicherung atypisch
Beschäftigter.
5
Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf
Arbeitslosengeld rauf!
Warum wir das Volksbegehren unterstützen
Keine Folge individuellen Versagens
Anstatt die Bedingungen für Erwerbslose noch weiter zu verschärfen, braucht es dringend ein Arbeitslosengeld, das
armutsfest ist. Wir kämpfen für eine Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes auf mindestens 70% und
unterstützen daher die Forderungen des Volksbegehrens. Der Verlust des Jobs ist ein Resultat unseres Wirtschaftssystems
und der Arbeitswelt, in der wir leben, keine Folge individuellen Versagens. Es ist daher nicht nur unmenschlich,
sondern auch sinnlos, bei der hohen Zahl an arbeitssuchenden Menschen den Druck auf jene zu erhöhen, die ohnehin
bereits unter höchst prekären Umständen leben. Arbeitslosenunterstützung ist keine Almose, sondern ein soziales Recht!
Josef Fenninger, Geschäftsführer der Volkshilfe
Arbeitslosigkeit darf nicht arm machen
Jeder Mensch hat das Recht auf angemessene existentielle Absicherung. Arbeitslosigkeit darf nicht arm machen – das
widerspricht der Menschenwürde und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie.
Anna Wall-Strasser, Vorsitzende der Katholischen ArbeitnehmerInnen-Bewegung Österreich
Arbeitslosengeld ist eine Versicherungsleistung
Alle die meinen, Arbeitslosen ginge es zu gut, sollten hineinschauen, wie hoch ihr Risiko ist, selbst den Job zu verlieren!
Und dann? Das Arbeitslosengeld ist eine Versicherungsleistung der ArbeitnehmerInnen und keine von der Politik
gewährte „Entschädigung“! Daher ist eine Anhebung des Arbeitslosengeldes auf ein armutsfestes Niveau unser Recht!
Hans-Karl Schaller, PRO-GE Landesvorsitzender OÖ, Konzernbetriebsrats-Vorsitzender voestalpine, FSG
Kinder besonders betroffen
Wer seinen Job verliert, verliert fast die Hälfte seines Einkommens, die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben muss
massiv eingeschränkt werden. Davon sind Kinder besonders betroffen. Je länger dieser Zustand anhält, desto mehr
werden Selbstwertgefühl und Zuversicht beschädigt. Gleichzeitig wird auch die Wirtschaft durch das Sinken der Kaufkraft
geschwächt. Die nötige Erhöhung des Arbeitslosengeldes sollte begleitet werden von einer Schaffung zusätzlicher
Jobs in sozialökonomischen Unternehmen, bei Umweltinitiativen, im Sozialbereich verbunden mit Qualifikationsmaßnahmen,
um insbesondere Langzeitarbeitslosen den Übergang zu Beschäftigung zu erleichtern.
Stephan Schulmeister, Wirtschaftsforscher und Universitätslektor
Wer trägt das Risiko?
Arbeitslosigkeit gehört in zahlreichen Branchen zum Alltag vieler Menschen, weil das unternehmerische Risiko
zunehmend auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer übertragen wird.
Anna Daimler, Generalsekretärin der Gewerkschaft VIDA
Langzeitarbeitslosigkeit
explodiert
Im Zeitraum 2011 bis 2021 ist die Langzeitarbeitslosigkeit
in Österreich explodiert. Die Zahl derjenigen,
die länger als ein halbes Jahr arbeitslos sind, hat
sich von knapp 35.000 auf fast 133.000 vervierfacht.
Die Zahl jener, die länger als ein Jahr arbeitslos sind,
hat sich in diesem Zeitraum auf 80.000 um das 16-Fache
gesteigert. Gerade aber die Langzeitarbeitslosen
werden mit den Plänen des Arbeitsministers, ein „degressives“
Arbeitslosengeld einzuführen, völlig im
Stich gelassen. Wirtschaftsverbände drängen darauf,
für Langzeitarbeitslose das Arbeitslosengeld auf 40%
abzusenken.
Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf
6
Unerträgliche Parallelwelt
Ein Leben ohne Recht auf materielle Grundversorgung ist entwürdigend. Niemand schickt sich selbst in die Armut, in die
Armut wird man geschickt. Wer in Österreich arbeitslos wird, wird zur Verarmung verurteilt. Es ist unerträglich in einer
Parallelwelt zu leben, in denen die einen über jedes Maß hinaus mehr zum Leben verfügen als sie je verbrauchen können
und die anderen nicht mehr genug zur Finanzierung ihrer Grundbedürfnisse haben.
Gerhard Ruiss, Autor, Musiker, Wien
Menschen sind wichtiger als Konzerne
Weil es für die Menschen schon mit dem, was meist als Lohn oder Gehalt bezahlt wird, schwieriger ist und war eine
menschenwürdige Wohnung finanzieren können. Wenn das Arbeitslosengeld nicht erhöht wird, werden sehr viele
Menschen ihr Zuhause verlieren – wo sollen die denn hin? Es gibt jetzt schon keine freien Plätze in Einrichtungen
der Wohnungslosenhilfe! Wir brauchen die Erhöhung des Arbeitslosengeldes JETZT! Für die Konzerne wurde schnell
reagiert – jetzt braucht es noch schnellere Reaktion für die Menschen, denn die sollten wichtiger sein als Konzerne!
Regina Amer, Aktivistin von Hope (Homeless in Europe)
Es braucht eine gute Versicherung
Immer noch sind sehr viele Menschen unverschuldet ohne Arbeit. Die Inflation steigt stark. Die Kosten für Wohnen,
Energie und Treibstoffe explodieren. Eine Versicherung, die - wie die Arbeitslosenversicherung - nur 55 Prozent des
Schadens abdeckt, ist eine schlechte Versicherung. Es braucht daher eine Erhöhung der Nettoersatzrate, damit Arbeitslosigkeit
nicht zu Armut führt. Deswegen unterstütze ich das Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf.
Georg Erkinger, Bundesvorsitzender und Arbeiterkammerrat des Gewerkschaftlichen Linksblocks
Täglicher Existenzkampf
Ich bin 45, verheiratet, Mutter von vier Kindern und seit zwei schweren Erkrankungen in der Familie armutserfahren.
Niemand wacht eines morgens auf und beschließt, ab nun in Armut zu leben, weil es so bequem ist. Armut ist ein
täglicher Existenzkampf, der dir alles abverlangt. Doch das derzeitige Arbeitslosengeld macht genau das – es bringt
Menschen in die Armut. Knapp über 17 % der österreichischen Bevölkerung sind bereits armutsbetroffen. Und es ist
keineswegs ein Leben in jener „soziale Hängematte“, als das es gerne dargestellt wird. Ein niedriges Arbeitslosengeld
(oder gar ein degressives) bedeutet, täglich mit existenziellen Sorgen aufzuwachen. Bedeutet, nicht zu wissen, wie Notwendiges
ersetzt werden kann. Es bedeutet aber auch, ständig Beschämungen ausgesetzt zu sein. Erwerbslose darzustellen, als würden
ihnen die Anreize fehlen, ist nicht nur falsch, sondern zutiefst beschämend.
Daniela Brodesser, Autorin, Lektorin, Armuts-Aktivistin
Menschliches Gesicht nicht verlieren
Neben Pandemiegewinnern gibt es eine erhebliche Zahl von Pandemieverlierenden. Die Auswirkungen der Digitalisierung
und damit des Umbaus der Arbeitswelt wurde durch Corona verstärkt. Die Orientierung der Gesellschaft am Gemeinwohl
gebietet es, den Verlierenden und ihren Familien angemessene Lebensbedingungen zu schaffen. Die Verbesserung des
Arbeitslosengeldes ist ein notweniger Beitrag, damit das Land sein menschliches Gesicht nicht verliert.
Emerit. Univ. Prof. Paul M., Zulehner, Pastoraltheologe, Religions- und Werteforscher
Im unteren
Drittel
Mit 55% Nettoersatzrate
beim Arbeitslosengeld
liegt
Österreich innerhalb
der OECD-Staaten
im unteren Drittel
und deutlich unter
dem OECD-Durchschnitt
von 63%
(Quelle: AK).
7
Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf
Großzügigkeit lohnt sich
Es geht nicht, dass wir weiter unseren Reichtum vermehren auf Kosten des Klimas und der weltweiten Ausrottung von
Tieren und Pflanzen. Diese Verantwortung für die Zukunft der Erde, für die Natur und andere Menschen, wird nur
mittragen, wer an sich selbst erlebt, dass es Respekt und gesellschaftliche Mitverantwortung für seine/ihre Existenzsicherung
und Zukunft gibt. Menschen müssen auch in der Arbeitslosigkeit frei sein können von elementarer Existenzbedrohung.
Hier lohnt sich Großzügigkeit: Sie stiftet Sicherheit statt häuslicher Gewalt, Trunksucht und Fremdenhass,
und stärkt die Basis einer gemeinsamen Vorsorge für eine gelingende Zukunft.
Em.Univ.Prof. Marina Fischer-Kowalski, Universität für Bodenkultur, Wien
Aushungerung der öffentlichen Budgets beenden
Ich habe als Betriebsrat im Gast- und Tourismusbereich unmittelbar erlebt, welche existenziellen Nöte Arbeitslosigkeit in
einer Niedriglohnbranche unter den Kolleginnen und Kollegen auslöst. Wenn wir eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes
und eine Ausweitung der öffentlichen Ausgaben für eine ambitionierte Vollbeschäftigungspolitik fordern, müssen wir aber
auch darüber reden, dass wir aus dem Korsett des EU-Fiskalpaktes und des Europäischen Semesters ausbrechen müssen,
weil das Instrumente zur Durchsetzung von Sozialabbau und Aushungerung der öffentlichen Budgets sind.
Norbert Bauer, Betriebsratsvorsitzender einer großen Hotelkette in Wien, FCG, Vorsitzender Solidarwerkstatt Österreich
Niemanden zurücklassen!
Am Anfang der Coronakrise hat die Regierung versprochen, ‚niemanden zurückzulassen‘. Doch die Gruppe der
Arbeitslosen wurde zurückgelassen. Eine dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70% würde nach neueren
AK-Berechnungen 650 Millionen Euro kosten. Das verweigert die Regierung, während für die Unternehmen ein Vielfaches
an Milliardenbeträgen in der Krise ausgeschüttet wurde. Eine dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes ist
im Interesse aller ArbeitnehmerInnen, weil es dem Lohndumping entgegenwirkt.
Irina Vana, Sozialwissenschaftlerin
Hälfte des Einkommens bei 20% Inflation
128.000 Haushalte in Österreich konnten sich in diesem Winter das Heizen nicht oder nur eingeschränkt leisten.
Besonders hart betroffen sind die niedrigen Einkommen bei erwerbstätigen Pendlern, Alleinerziehern, Teilzeitbeschäftigten,
Arbeitslosen, Notstands- und Mindestsicherungsbeziehern und vielen mehr. Arbeitslose verlieren nicht nur mit
einem Schlag fast die Hälfte ihres Einkommens, sie sind jetzt auch noch mit einer Teuerung von 20% bei lebenswichtigen
Gütern konfrontiert. Daher muss das Arbeitslosengeld sofort rauf!
Horst Huemer, Betriebsratsvorsitzender Bosch-Rexroth Linz, AUGE-UG OÖ
9 von 10
Arbeitslosen unter
der Armutsgrenze
Nach einer Untersuchung des
Momentum-Instituts haben 9 von
10 Arbeitslosen ein Einkommen,
das unter der Armutsgrenze liegt.
Entsprechend groß ist die prekäre
Situation. Aus dem Arbeitsklimaindex
(sh. Grafik) lässt sich entnehmen:
82% der Arbeitslosen
kommen nicht oder gerade noch
über die Runden, bei Langzeitarbeitslosen
sind es sogar 94%,
denen das Wasser bis zum Hals
steht. Arbeitslose leiden doppelt
so oft unter Depressionen wie Erwerbstätige,
Langzeitarbeitslose
sogar mehr als drei Mal so oft.
☞☞
VOLKSBEGEHREN UNTERSCHREIBEN 2. - 9. MAI 2022!
Auf jedem Gemeindeamt/Bezirksamt/Magistrat bzw. mit Handysignatur
Plakate (A4 - A0 Hoch-/Querformat), Falter, Pickerl bestellen bei: info@arbeitslosengeld-rauf.at
Vollbeschäftigungspolitik!
Eine Verschlechterung der
Arbeitslosenversicherung
trifft nicht nur die Arbeitslosen,
sie trifft alle ArbeitnehmerInnen.
Denn hohe Arbeitslosigkeit, ein
niedriges Arbeitslosengeld und
Können wir uns die Erhöhung
des Arbeitslosengeldes leisten?
Die Arbeiterkammer hat nachgerechnet. Brutto hätte eine Erhöhung
des Arbeitslosengeldes von derzeit 55% auf 70%
des Letztbezugs im Jahr 2020 zusätzliche Kosten von 860 Millionen
Euro verursacht. Berücksichtigt man jedoch die Ersparnis bei
anderen Sozialleistungen sowie zusätzlich erzeugte Steuereinnahmen,
so belaufen sich die Kosten netto nur mehr auf 656 Millionen
Euro. Können wir uns das leisten? Zwei Vergleiche machen sicher:
Es geht ums Wollen, nicht ums Können:
• Die türkis-grüne Regierung hat mit der letzten Steuerreform
mit der Senkung der Körperschaftssteuer den Großkonzernen
ein Steuerzuckerl spendiert. Das belastet das Budget mit 800
Millionen Euro im Jahr. Man vergleiche: 800 Millionen Euro
für die reichsten 10% der Haushalte sind für die Regierung kein
Problem, aber 656 Millionen Euro Arbeitslosengelderhöhung,
von denen jene profitieren, die jeden Euro zwei Mal umdrehen
müssen, sollen unfinanzierbar sein?
• Nach jüngsten Ankündigungen von RegierungsvertreterInnen
soll das österreichische Militärbudget innerhalb weniger Jahre
von derzeit 3 auf 6 Milliarden Euro jährlich erhöht werden. Diese
zusätzlichen Rüstungsausgaben würden dann das 4,5-Fache
der Kosten einer Anhebung der Nettoersatzrate auf 70% verschlingen.
Ist es wieder soweit: Kanonen statt Butter?
Lohn & Beschäftigung
BIP je Erwerbstätige/n
Einkommen je Arbeitnehmer/in
(netto real)
eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen
erschweren
die individuelle Verhandlungsposition
der ArbeitnehmerInnen am
Arbeitsmarkt und sie untergraben
die kollektive Verhandlungsmacht
der Gewerkschaften. Die Grafik
zeigt: Hand in Hand mit steigender
Arbeitslosigkeit und erhöhtem
Druck auf die Arbeitslosen nimmt
ab Mitte der 90er Jahre auch der
Druck auf die Löhne zu. Während
über viele Jahrzehnte Löhne
und wirtschaftliche Produktivität
gleichermaßen angestiegen sind,
fallen ab Mitte der 90er Jahre die
Löhne deutlich hinter die Produktivität
zurück. Diese Schere hat
sich seither nicht mehr geschlossen.
Schere öffnet sich
Der Zeitpunkt, ab dem sich diese
Schere geöffnet hat, ist nicht
zufällig. Mit dem Beitritt Österreichs
zum EU-Binnenmarkt, mit
der Liberalisierung der Güter-,
Dienstleistungs-, Kapital- und
Arbeitsmärkte hat die Macht der
Unternehmen, insbesondere der
großen Konzerne gegenüber den
Lohnabhängigen enorm zugenommen.
Den Staaten wurden
8
dadurch die wirtschaftspolitischen
Instrumente, die für eine
Vollbeschäftigungspolitik notwendig
sind, weggenommen: von
der Geld-, der Außenwirtschaftsüber
die Industrie- bis hin zur
Budgetpolitik. Während die nationalen
Parlamente zunehmend
entmündigt wurden, ist die Macht
technokratischer neoliberaler EU-
Institutionen wie der EU-Kommission
laufend gewachsen.
EU-Kommission für Reduktion
von Arbeitslosengeld
2012 hat die EU-Kommission
in einem „Arbeitspapier“ dargelegt,
welche „arbeitsmarktpolitischen
Reformen“ sie anpeilt:
„Reduktion der Arbeitslosenunterstützung“,
„Lockerung des
Kündigungsschutzes“, „Senkung
von Mindestlöhnen“, Abbau von
kollektivvertraglichen Regelungen
zugunsten „dezentralisierter“
Lohnfindung mit dem Ziel der
„Reduktion der gewerkschaftlichen
Verhandlungsmacht“ (1).
Die Solidarwerkstatt kämpft
für das glatte Gegenteil: die Reduktion
von Konzernmacht, um
der neoliberalen Verrohung der
Gesellschaft entgegentreten zu
können. Wir verbinden unser Engagement
für die Erhöhung des
Arbeitslosengeldes, für bessere
Arbeitsbedingungen und höhere
Löhne daher mit dem Ringen, aus
diesem neoliberalen EU-Korsett
auszubrechen, um wieder das
volle wirtschaftspolitische Instrumentarium
zurückzugewinnen,
das wir für eine Vollbeschäftigungspolitik
brauchen. Eine solche
Vollbeschäftigungspolitik
reicht von der Ausweitung der
öffentlichen Investitionen für Gesundheit,
Pflege, Bildung, Kinderbetreuung,
sozialen Wohnbau,
Klima- und Umweltschutz bis hin
zur Verkürzung der Arbeitszeit.
Vollbeschäftigungspolitik braucht
und stärkt die Gewerkschaften.
Und sie bringt Schwung in die
immer dringendere ökosoziale
Umgestaltung unserer Wirtschaft.
Quelle: (1) Europäische Kommission
(2012): Labour Market Developments
in Europe 2012, European Economy
Nr. 5/2012
9
Langzeitpflege
Wenn es hinten und vorne
an Zeit fehlt, wird pflegebedürftigen
Menschen in ihrer
letzten Lebensphase die Chance
auf ein menschenwürdiges
Leben genommen. Das muss
sich ändern!
Solidarwerkstatt-Kampagne: Pflege in die Sozialversicherung
Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Zuwendung
Immer mehr Angehörige
berichten, dass sie weder einen
Pflegeplatz noch mobile
Betreuung für alte Menschen
organisieren können. Vom
Pflegenotstand betroffen sind
pflegebedürftige Menschen
ebenso wie Angehörige und die
Angestellten im Pflegebereich.
Dauerbaustelle
Das
Bundespflegegeld
wurde 1993 eingeführt.
467.290 Menschen bezogen es im
Februar 2022. Die Höhe richtet
sich nach dem Pflegebedarf, der
in sieben Pflegestufen angegeben
wird und durch eine ärztliche
Untersuchung festgestellt wird.
2,741 Mrd. Euro gab der Bund für
das Pflegegeld im Jahr 2021 aus
- bei weitem nicht genug, denn
in vielen Fällen kann Pflege und
ein menschenwürdiges Leben
der Betroffenen nur sichergestellt
werden, wenn Kinder, Schwiegerkinder
und Enkel selbst pflegen
und/oder zur Pflege dazu zahlen.
Einzig die Pflege in stationären
Einrichtungen ist mit öffentlichen
Leistungen finanziell abgedeckt -
hier verbleibt den alten Menschen
nur ein kleines Taschengeld.
Vorgegaukelte Autonomie
Im Unterschied zu vielen anderen
Sozialleistungen erhalten
Pflegegeldbezieher*innen eine
Geldleistung. Das schafft vermeintlich
Wahlfreiheit der Pflegedienstleistung.
Real entsteht
aber eine Lücke zwischen Finanzierungsbedarf
und Finanzierungsrealität,
da gerade in oberen
Pflegestufen oder bei speziellen
pflegeaufwendigen Erkrankungen
wie Demenz der Betrag zu
gering bemessen ist.
Pflegende Angehörige
So wird der weitaus überwiegende
Anteil an Hilfs-, Betreuungs-
und Pflegeleistungen von
Familienangehörigen erbracht.
947.000 Personen sind auf irgendeine
Art und Weise in die
Pflege und Betreuung einer/
eines Angehörigen involviert.
Knapp drei Viertel der Angehörigen-Pflege
wird von Frauen
übernommen. Viele sind noch
im Berufstätigen-Alter und verlieren
so wichtige eigene Pensionsbeiträge,
die vor Altersarmut
schützen könnten. Um prekären
Bedingungen entgegenzuwirken,
wäre die Anstellung von
Pflegenden bei Vereinen oder
Gemeinden sinnvoll - mit Sozialversicherungsschutz
und kollektivvertraglichen
Löhnen.
Die Solidarwerkstatt Österreich setzt sich
für die vollumfängliche Einbeziehung der
Pflege in die Sozialversicherung ein.
• Jede*r hat einen Rechtsanspruch auf
qualitativ hochstehende Pflegeleistungen
entsprechend des Bedarfs
• Jede*r leistet dafür einen Sozialversicherungsbeitrag
entsprechend der
jeweiligen finanziellen Leistungsfähigkeit.
Immer weniger Personal
für immer mehr Arbeit
Der Personalmangel im Pflegebereich
ist auch in der schlechten
Bezahlung der Care-Arbeit
begründet. Studien belegen, dass
es 20% mehr Personal brauchen
würde. Mehr als 1.000 Pflegebetten
stehen in Alten- und Pflegeheimen
leer - allein in Oberösterreich.
40% der Mitarbeiter*innen
im Pflegebereich waren schon
vor der Corona-Krise burnoutgefährdet.
Dazu kommt der Notstand
in der mobilen Pflege - unter
anderem mit den prekären Arbeitsbedingungen
für die (selbständig
arbeitenden) 24-Stunden-
Pfleger*innen, zumeist Frauen
aus Osteuropa.
Das Faltblatt „Pflege in die Sozialversicherung! Pflegewohlstand
statt Pflegenotstand!“ kann (auch in größeren Stückzahlen
- gegen freiwillige Spenden) bei der Solidarwerkstatt bestellt
werden. Es eignet sich gut zum Informieren im Bekanntenkreis.
Elementarbildung
10
„unszreißts!“-Proteste der Elementarpädagogik
Zukunft der Kinder adé?
Der Widerstand der Elementarpädagog*innen
gegen
die prekären Zustände
in der Kinderpädagogik
und -betreuung geht weiter.
Ende März 2022 waren
alleine in Linz 2.000
Betroffene auf der Straße.
Alltägliche Überlastung
80% der Elementarpädago-
*ginnen haben zuwenig
Zeit, um mit Kindern Bildungsaufgaben
umzusetzen, ergab eine
Studie der Arbeiterkammer OÖ.
Nur 16% haben ausreichend Zeit,
auf individuelle Bedürfnisse der
Kindern einzugehen. Die Gruppengrößen
werden größer statt
kleiner - und das nicht erst seit
den pandemiebedingten Schwierigkeiten.
Der Betreuungsbedarf
steigt, aber der Ausbau der Einrichtungen
und das Aufstocken
des Personals kommt nicht nach.
Sinnstiftende Arbeit -
Schlechte Bezahlung
90% der Beschäftigten in der
Elementarpädagogik halten ihre
Arbeit für sinnstiftend, doch nur
14% sind mit der Entlohnung
zufrieden, so die Ergebnisse der
AKOÖ-Studie.
Hintergrund EU-Fiskalpakt
Hintergrund für die völlig unzureichenden
Budgets im sozialen
Bereich ist die Einführung
neuer fiskalpolitischer Regeln
seit 2010/12 auf EU-Ebene, insbesondere
des EU-Fiskalpakts.
Strikte Defizit- und Verschuldungsvorschriften
machen aus
der „Schuldenbremse“ de facto
eine „Investitionsbremse“, die
zu Lasten wichtiger öffentlicher
Zukunftsausgaben geht. Infolge
der Coronakrise wurden diese
EU-Vorgaben zwar vorübergehend
ausgesetzt. Ab 2023 sollen
sie jedoch wieder voll wirksam
werden. Aufgrund der durch die
Krise gestiegenen öffentlichen
Verschuldung droht damit ein
noch schärferer Sozial- und Bildungsabbau
(sh. Seite 12).
Die Solidarwerkstatt Österreich
fordert für die Elementarpädagogik
mehr
Personal, kleine Gruppen
und eine Verbesserung
der Arbeitsbedingungen
ebenso wie den Ausbau
der Einrichtungen, besonders
im ländlichen Raum.
Mehr ist im Faltblatt
„Die Arbeit mit unseren
Jüngsten ist MehrWert!“
zu erfahren. Es kann bei
der Solidarwerkstatt bestellt
werden.
Der Kindergarten wäre ein idealer Ort
um Chancen-Ungleichheit zu bekämpfen
Eine Kindergartenpädagogin, die anonym bleiben möchte, beschreibt
den Alltag: „Einmal habe ich drei Kindern zur Sprachförderung
ein Buch vorgelesen, sie waren hoch konzentriert, alles war
also in Ordnung. Da zupft mich plötzlich ein Bub am Arm - er musste
dringend aufs Klo und bekam die Hose nicht auf.” Die Lesestunde
wurde natürlich sofort unterbrochen, während sie mit dem Kind
auf die Toilette gehen will, bemerkt sie eine Rangelei am anderen
Ende des Raumes. Dort sollte eine kleine Gruppe von Kindern mit
Bauklötzen spielen, schlägt sich aber stattdessen damit. Gleichzeitig
betritt eine Mutter den Raum, die dringend mit der “Tante” den
Menüplan besprechen will, der ihrer Meinung nach alles nur nicht
kindgerecht ist. “Und dann kam auch noch eine Kollegin dazu, die
mir Vorwürfe machte, weil ich mit meiner bürokratischen Arbeit im
Verzug war und irgendeine Liste von mir wollte,” so die Pädagogin.
An solchen Tagen denkt sie daran, den Job hinzuschmeißen.
(Quelle: www.moment.at)
Raphaela Keller war Vorsitzende des österreichischen Berufsverbands
der Kindergarten- und Hortpädagog*innen. Sie kämpft seit
Jahren für bessere Arbeitsbedingungen und betont, dass ihr und vielen
KollegInnen vor allem das Wohl der Kinder ein Anliegen ist:
„Bildung passiert bei Kindern ab dem Zeitpunkt, wo sie auf die Welt
kommen. Wir lernen in unserer Ausbildung alles über Entwicklungsschritte
und wie toll wir Kinder fördern könnten. Doch in der Praxis
können wir das alles nur schlecht oder gar nicht umsetzen.”
Vor allem Kindern aus bildungsfernen Familien könnte so ein anregendes
Umfeld geboten werden. Der Kindergarten ist eine Chance,
den Anschluss zu Gleichaltrigen zu halten. Im verpflichtenden Kindergartenjahr
wird die Möglichkeit einer idealen Sprachförderung
für Kinder mit Migrationshintergrund oft verspielt.
(zitiert nach www.moment.at)
11
Gesundheit
„Mehr von uns ist besser für alle!“
Absurd: Im Coronajahr 2022
sollen die Gesundheitsausgaben
real um 2,6% gesenkt
werden.
Anfang des vergangenen
Jahrzehnts befand sich
Österreich im sog „EU-Defizitverfahren“.
Durch eine Reihe
neuer Verordnungen bzw. durch
den EU-Fiskalpakt (2012) hatte
zu dieser Zeit die EU-Kommission
neue Möglichkeiten erhalten,
die EU-Mitgliedsstaaten auf
einen strikten Austeritätskurs zu
verpflichten. Austerität kommt
vom Lateinischen „austeritas“
und kann mit „Düsterkeit“ und
„Strenge“ übersetzt werden. Und
genau darum geht es: Mit entsprechender
Strenge soll Düsterkeit
in die öffentlichen Budgets, insbesondere
im Gesundheits- und
Sozialbereich, Einkehr halten.
Weniger Betten, weniger
KassenärztInnen
Die EU-Kommission entließ
Österreich 2012 erst dann aus
dem EU-Defizitverfahren, als
Österreich bereit war, eine Reihe
von Austeritätsmaßnahmen zu
beschließen. Ein davon: Österreich
musste in Hinkunft einen
„Gesundheitsdeckel“, d.h. eine
Kostenobergrenze bei den Gesundheitsausgaben
einführen.
Konkret bedeutet das: Die Gesundheitsausgaben
dürfen seither
nur mehr im Ausmaß des durchschnittlichen
Wachstums des
Bruttoinlandsproduktes steigen.
Völlig unberücksichtigt bleibt
Aktion am 13.12.2021 in Linz. Ein Bündnis aus BetriebsrätInnen, Betroffenen
und NGOs fordert mehr Geld für Gesundheit und Pflege.
dabei, dass der Anteil der älteren
Menschen, die mehr Bedarf an
Gesundheits- und Pflegedienstleistungen
haben, in Österreich
überproportional wächst. Unter
dem Strich führte diese „Deckelung“
daher zu einer zunehmenden
„Düsterkeit“ im österreichischen
Gesundheitsbereich. Einige
Zahlen zeigen das:
• Die Zahl der Spitalsbetten sank
zwischen 2011 und 2020 um
über 5.400 Betten, mehr als jedes
zehnte Bett in den öffentlichen
Krankenanstalten verschwand.
Viele Spitalsabteilungen, ja
ganze Krankenhäuser wurden
geschlossen und die regionale
Versorgung ausgedünnt.
• Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte
mit Kassenvertrag ist im letzten
Jahrzehnt um 300 gesunken,
obwohl die Bevölkerung seither
deutlich gestiegen ist.
Die Folgen spüren viele: lange
Wartezeiten auf Operationen (es
sei denn, man hat das notwendige
Kleingeld, um in ein Privatspital
auszuweichen), völlig überlastetes
Spitalspersonal, Fließbandmedizin
oder teure WahlärztInnen, die
sich nicht jede/r leisten kann. So
frisst sich die Zweiklassen-Medizin
schleichend in das grundsätzlich
immer noch gute österreichische
Gesundheitssystem hinein.
„Es ist 5 nach 12!“
Die Corona-Pandemie hat die
ganze Absurdität der „Deckelung“
der Gesundheitsausgaben
mit dem BIP-Wachstum vor Augen
geführt. Denn die Coronakrise
ließ einerseits die Anforderungen
an unser Gesundheitssystem
in die Höhe schnellen, zugleich
aber senkte der Wirtschaftseinbruch
das BIP. Die fatale Logik:
Trotz veritabler Gesundheitskrise
muss im Gesundheitsbereich gekürzt
werden. Und tatsächlich:
Selbst im Corona-Jahr 2020 wurden
noch über 1.000 Spitalsbetten
abgebaut. Für die Jahre 2022 und
2023 wurde ein Gesundheitsdeckel
von 3,2 Prozent beschlossen.
D.h. in diesen Jahren dürfen die
Gesundheitsausgaben nominell
maximal um 3,2% wachsen. Bei
einer Inflation von 5,8% (Prognose
WIFO) im Jahr 2022 bedeutet
das reale Kürzungen von 2,6%.
Dabei ist eine AK-Studie schon
vor der Pandemie zum Ergebnis
gekommen, dass die öffentlichen
Spitäler zumindest 20 Prozent
mehr Personal brauchen, weil
sonst die Beschäftigten ausbrennen.
Helmut Freudenthaler, Betriebsausschussvorsitzender
des
Med-Campus/Universitätsklinikum
in Linz warnt: „Wir brauchen
Entlastungsmaßnahmen
und keinen Gesundheitsdeckel.
Es ist 5 nach 12!“ Denn: „Mehr
von uns ist besser für alle!“
GESUNDHEIT FÜR ALLE STATT
ZWEI-KLASSEN-MEDIZIN!
Laut einer AK-Studie
fehlt Österreichs
Krankenhäusern
20% Personal
in allen Bereichen!
Ausbau statt Deckelung der Gesundheitsausgaben!
Unterstützt daher bitte diese Petition der Solidarwerkstatt Österreich:
https://www.solidarwerkstatt.at/medien/kampagnen/formular-wegmit-dem-deckel-gesundheit-fuer-alle-statt-zwei-klassen-medizin
Gerne schicken wir auch Unterschriftslisten zu. Bestellung bei:
Solidarwerkstatt Österreich, Waltherstraße 15, 4020 Linz,
office@solidarwerkstatt.at
Foto: pexels-cottonbro-7578797
Budgetpolitik
12
Ab 2023 wieder unter Knute des EU-Fiskalpakts?
Abbau von Spitalsbetten,
Pflegenotstand, viel zu
große Kindergruppen in Kindergärten,
Pensionsverschlechterungen,
Kürzungen bei der Mindestsicherung,
mangelnder sozialer
Wohnbau, marode öffentliche
Infrastrukturen … was haben alle
diese Missstände gemeinsam?
Es ist etwas, worüber in unseren
Medien kaum ein Wort verloren
wird: der EU-Fiskalpakt. Dieses
Regelwerk, das 2012 in Form
eines völkerrechtlichen Vertrags
zwischen den Euro-Mitgliedsstaaten
beschlossen wurde, hatte
weitreichende Auswirkungen auf
die Budgetpolitik der betroffenen
Staaten. In ein komplexes technokratisches
Regelwerk ist eine
hochpolitische Agenda verpackt,
die der damalige EZB-Chef Mario
Draghi in einem Interview mit
dem Wallstreet-Journal schnörkellos
ausgeplaudert hat: Es gehe
darum, „das Modell des europäischen
Sozialstaats zu einem Auslaufmodell
zu machen.“
„Der Fiskalpakt führt dazu, die Budgethoheit auf die EU-Kommission übergehen zu lassen
und den Sozialstaat zu strangulieren.“ (Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister)
„Auslaufmodell Sozialstaat“
Es gibt einige Hebel in diesem
Pakt, um diese neoliberale Agenda
durchzuboxen: So darf das
„strukturelle Defizit“ des Staatshaushalts
nicht größer als 0,5%
des BIP sein. Was als „strukturelles
Defizit“ gilt, ist höchst
dehnbar. Die Definitionsmacht
darüber hat die EU-Kommission.
Wer in ihren Augen gegen
diese Regel verstößt, muss sich
einem „Strukturanpassungsprogramm“
unterwerfen, das zumeist
aus einer Kombination von
Sozialabbau, arbeitnehmerfeindlichen
Arbeitsmarktreformen
und Privatisierungen besteht.
Ansonsten drohen dem „Defizitsünder“
hohe Strafzahlungen bis
zu 0,5% des BIPs. Der Fiskalpakt
hebelt also das Königsrecht jedes
demokratischen Parlaments aus:
nämlich die Entscheidung über
die Einnahmen und Ausgaben
des Staates. Der gewerkschaftsnahe
Wirtschaftswissenschaftler
Stephan Schulmeister warnte
deshalb seinerzeit eindringlich
davor, dass der Fiskalpakt dazu
führen werden, „die Budgethoheit
auf die EU-Kommission
übergehen zu lassen“ und „den
Sozialstaat zu strangulieren“.
Austerität auf Jahrzehnte?
Über eine weitere Regel im
EU-Fiskalpakt kann die Austeritätspolitik
auf Jahrzehnte einzementiert
werden: die sogenannte
Zwanzigstel-Regel. Diese besagt,
dass jener Teil der Gesamtverschuldung
des Haushalts, der 60%
des BIPs übersteigt, jedes Jahr um
ein Zwanzigstel reduziert werden
muss. Was hieße das für Österreich
derzeit konkret? Österreichs
Gesamtverschuldung liegt derzeit
aufgrund der Coronakrise bei über
80% des BIPs. D.h. in den nächsten
20 Jahren müsste alleine aufgrund
dieser Zwanzigstel-Regel
Jahr für Jahr ein Prozent des BIPs
an Schulden abgebaut werden.
Das könnte – je nach BIP- bzw.
Zinsentwicklung – massive Einschnitte
in den öffentlichen Haushalten
bedeuten. Ein Prozent des
BIPs sind in Österreich immerhin
vier Milliarden Euro. Eine gravierende
Sozialabbaupolitik könnte
die Folge sein, die sich selbst verstärkt,
weil eine sinkende öffentlichen
Nachfrage auch das BIP
nach unten zieht.
Teile und Herrsche
Aufgrund der Corona-Krise
wurden die Regeln des Fiskalpakts
vorübergehend ausgesetzt.
Ab 2023 sollen sie jedoch
wieder voll in Kraft treten. Die
EU-Kommission hat bereits im
September 2020 den EU-Staaten
in einer „technischen Note“ Ratschläge
erteilt, wie Widerstände
in der Bevölkerung gegen die
Austeritätspolitik gebrochen
werden können. Die Tipps sind
nicht originell: Unpopuläre Maßnahmen
sollten unmittelbar nach
den Wahlen durchgezogen werden,
man soll sie durch vorgeblich
unabhängige Wissenschaftler
verkaufen lassen und die
Betroffenen sollten durch eine
geschickte Teile-und-Herrsche-
Strategie so auseinanderdividiert
werden, dass kein gemeinsamer
Widerstand entsteht. Denn betroffen
seien schließlich viele.
Das Kommissionpapier listet auf:
„Arbeiter, Rentner, Beschäftigte
im öffentlichen Dienst, Kranke
und Familien mit Kindern.“
Kurzum: die Mehrheit der Bevölkerung.
Widerstand „der BürgerInnen
erste Pflicht“
Wir werden uns wehren müssen,
wenn wir nicht ab kommendem
Jahr wieder in das
neoliberale Räderwerk des Fiskalpakts
geraten wollen. Denn
wenn eines die verschiedenen
Krisen der letzten Jahre – Wirtschafts-,
Klima-, Pandemiekrise
– gezeigt haben: Die neoliberale
Kahlschlagspolitik ist krachend
gegen die Wand gefahren. Wir
brauchen eine nachhaltige Ausweitung
der öffentlichen Budgets
für Gesundheit, Pflege, Soziales,
Bildung, öffentlichen Verkehr,
Umweltschutz uvm., um eine
sozial gerechte, klimafreundliche
und friedliche Entwicklung zu
gewährleisten. Stephan Schulmeister
meinte 2012, als die Einführung
des EU-Fiskalpakts vor
der Tür stand, der Widerstand dagegen
sei „der BürgerInnen erste
Pflicht“. Angesichts der drohenden
Wiederinkraftsetzung dieses
Pakts gilt das nicht weniger.
Quellen: siehe www.solidarwerkstatt.at
13
Verkehr/Klima
A26-Bahnhofsautobahn/Linz:
Frau Ministerin, bitte konkrete
Taten statt Lippenbekenntnisse!
Klimaministerin Gewessler
hat versprochen, Großstraßenprojekte
auf ihre Klimaschädlichkeit
zu evaluieren
und – wenn diese Evaluierung
negativ ausfällt – zu stoppen.
Und so wurde etwa die Lobau-
Autobahn in Wien zuerst evaluiert
und schließlich gestoppt. Das
ist erfreulich und konsequent.
Was für die Lobau-Autobahn in
Wien gilt, muss aber auch für die
A26-Autobahn in Linz gelten.
Denn auch diese Autobahn würde
– laut Aussage der ASFINAG
selbst – 30.000 zusätzliche Autofahrten
täglich mitten ins Linzer
Stadtzentrum schleusen. Ein Experte
der Initiative Verkehrwende
jetzt! hat aber errechnet, dass
wir im Großraum Linz bis 2030
150.000 Autofahrten weniger
brauchen, um die Klimaziele im
Verkehr zu erreichen.
Dass über die A26 bereits eine
UVP durchgeführt wurde, ist
kein Gegenargument. Denn gerade
der Klimaschutz spielte bei
der UVP keine Rolle. Deshalb
Nulltarif für ALLE österreichweit!
Die Einführung des Klimatickets ist ein wichtiger Schritt in die
richtige Richtung. Doch angesichts der gewaltigen klimapolitischen
Herausforderungen müssen wir bereits nächste Schritte andenken,
um den Motorisierten Individualverkehr deutlich zu reduzieren
und den öffentlichen Verkehr zu fördern. Neben dem Ausbau von
Bahn, Bus und Bim gehört für die Solidarwerkstatt Österreich dazu
auch die Einführung des Nulltarifs im öffentlichen Verkehr. Finanzierbar
wäre das über eine 1-prozentige Mobilitätsabgabe, die auf alle
Komponenten der Wertschöpfung eingehoben wird. Konkret heißt das:
Ein/e Durchschnittsverdiener/in mit rd. 2.000 Euro im Monat könnte
für 20 Euro monatlich alle öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich
kostenlos benutzen.
Das wäre nicht nur klima- und umweltpolitisch ein großer Schritt, sondern
auch sozialpolitisch. Denn das oberste Einkommensviertel besitzt
mehr als vier Mal mehr Autos als das untereste Einkommensviertel. Unter
den negativen Folgen des Autoverkehrs - Lärm und Abgase in ihrem
Wohnumfeld – leiden dagegen Ärmere deutlich mehr.
Nähere Informationen dazu bei office@solidarwerkstatt.at
Klimacheck auch für die A26-Bahnhofsautobahn in Linz - sofort!
hat die „Initiative Verkehrswende
jetzt!“ bereits im Sommer 2021
in einem Offenen Brief Ministerin
Gewessler angefragt, warum
ausgerechnet die A26-Bahnhofsautobahn
in Linz nicht evaluiert
werden soll. Ein halbes Jahr später
kam das Antwortschreiben aus
dem Ministerium: Dieses bestätigt
inhaltlich alle Argumente der
KlimaschützerInnen: „Ausführliche
Analysen ergaben, dass der
Ausbau des Straßennetzes stets
zu mehr Verkehr führt. Klimaschädliche
Treibhausgase steigen
dadurch ebenso wie oftmals die
Belastung durch Lärm und Stau.“
Doch – man reibt sich die Augen
- aus dieser Einschätzung wird keinerlei
Konsequenz gezogen: Kein
Wort zur A26, kein Wort zur Frage
der Evaluierung. Frau Ministerin,
so geht das nicht! Sie haben selbst
bei ihrer Pressekonferenz Anfang
Dezember 2021 gesagt, dass „wir
in 20 Jahren von den heutigen Kindern
gefragt werden, was wir damals
getan haben, um ihre Zukunft
zu retten.“ Sie sind in der Verantwortung.
Der Klimaschutz braucht
keine Lippenbekenntnisse, sondern
konkrete Taten. Klimacheck
auch für die A26-Bahnhofsautobahn
in Linz - sofort!
VOLKSBEFRAGUNG UNTERSTÜTZEN:
„Kein Geld der Stadt Linz für die A26-
Bahnhofsautobahn!“
Derzeit läuft die Einleitung einer
Volksbefragung in Linz. Unter dem
Motto „Kein Geld der Stadt Linz für
die A26-Bahnhofsautobahn“ wird von
der Stadt Linz, die diese Autobahn
mitfinanziert, gefordert, das Geld für
eine klimafreundliche Verkehrswende
statt für den Bau neuer Autobahnen
auszugeben. Bitte unterstützen!
Unterschriftslisten können angefordert
werden bei info@verkehrswende-jetzt.at
oder auch online unterschrieben werden:
www.volksbefragung-a26.at
Frieden
14
Militärblöcke spalten – Neutralität verbindet!
Der Ukraine-Krieg wird derzeit dafür instrumentalisiert, die Neutralität sturmreif zu schießen und das Bundesheer für die
Teilnahme an einer zukünftigen EU-Eingreiftruppe hochzurüsten. Nur so könne man Putin Einhalt gebieten, wird uns erzählt.
Einmal abgesehen davon, dass schon jetzt USA und EU-Staaten 16-Mal mehr für das Militär ausgeben als Russland – ist diese
Erzählung stimmig?
Zunächst einmal: Der Einmarsch
Russlands in die
Ukraine ist ein völkerrechtswidriger
Angriffskrieg, der nicht zu
rechtfertigen ist. Die Russische
Föderation muss sich sofort
wieder zurückziehen. Doch so
wichtig diese Forderung ist, so
notwendig ist es auch, die Vorgeschichte
dieses Krieges zu beleuchten,
nicht um diesen Krieg
zu relativieren, sondern um daraus
politische Vorschläge zu entwickeln,
die solche Tragödien in
Zukunft verhindern helfen.
Vorgeschichte des Krieges
Wichtige Aspekte dieser Vorgeschichte
sind:
• Die NATO hat sich – trotz
gegenteiliger Versprechungen
im Zuge der deutschen Wiedervereinigung
– immer weiter
in Richtung der russischen
Grenze ausgeweitet. Russische
Proteste und Sicherheitsbedenken
wurden ignoriert.
• Die zutiefst gespaltene Ukraine
konnte unter der Regierung
Janukowitsch bis 2014 in einer
Art Neutralität zwischen
Russland und den Westmächten
die Gegensätze im Inneren
einigermaßen ausbalancieren.
Der gewaltsame Staatstreich
im Februar 2014 zerstört diese
schwierige Balance. Maßgeblich
orchestriert wurde dieser
Staatsstreich von EU und
USA, neofaschistische Milizen
fungierten als Steigbügelhalter
für den prowestlichen
Regime-Change. Unmittelbares
Ziel war es, das EU-Ukraine-Assoziationsabkommen
durchzupeitschen, das die
Ukraine für den neoliberalen
Ausverkauf des Landes an
westliche Konzerne und die
militärische Anbindung an die
EU öffnete.
• Dieser Staatsstreich zerriss
das Land und führte letztlich
in den blutigen Bürgerkrieg,
dem seit 2014 nach UN-Schätzungen
14.000 Menschen zum
Opfer fielen. 2015 beschloss
das gewendete ukrainische
Parlament, die Stationierung
von westlichen Atomwaffen
auf seinem Territorium zuzulassen,
2018 erhielt die Ukraine
von der NATO den Status
eines Beitrittskandidaten,
2019 verankerte die Ukraine
in ihrer Verfassung das Ziel,
der NATO beizutreten. Man
muss kein „Putinversteher“
sein, um zu erkennen, dass
die damit verbundene Möglichkeit
der Stationierung von
westlichen Atomraketen in der
Ukraine, die in wenigen Flugminuten
Moskau erreichen
können, nicht nur eine Gefahr
für die Sicherheit Russlands
sondern für den Weltfrieden
wären. Erinnern wir uns: Als
1962 sowjetische Atomraketen
auf Kuba stationiert wurden,
drohten die USA mit dem
3. Weltkrieg.
• Im Dezember 2021 legte die
Russische Föderation sowohl
den USA als auch der NATO
Vorschläge für Friedensverträge
auf den Tisch. Im Kern sahen
sie die militärische Neutralität
der Ukraine vor, um den sich
zuspitzenden Konflikt zu entschärfen.
USA und EU wischten
diese Vorschläge vom Tisch.
Gemeinsames Haus Europa...
Zieht man diese Vorgeschichte
in die Betrachtung dieses
unsäglichen Krieges mit ein, so
kommt man zu einer völlig anderen
Schlussfolgerung als die
vom Aufrüstungstaumel und
Hass auf die Neutralität erfassten
Machteliten und Medien:
Militärblöcke spalten – Neutralität
verbindet!
Als die Neutralität der Ukraine
durch den prowestlichen Staatsstreich
im Jahr 2014 zerstört
wurde, wurde die Tür zur Spaltung
des Landes und zum Krieg
geöffnet. Um die Tür zu einem
nachhaltigen Frieden zu öffnen,
braucht es Verhandlungen, wie
die Ukraine wieder auf einen
Pfad der Neutralität zwischen
den Großmächten einschwenken
kann. Das muss eingebettet sein
in einen Prozess einer neuen europäischen
Friedensarchitektur
unter Einbeziehung aller Akteure,
also auch von Russlands und
den USA. Michael Gorbatschow
nannte dieses Ziel seinerzeit die
Schaffung eines „gemeinsamen
Hauses Europa“, in dem die
Staaten in ihrer Vielfalt auf Augenhöhe
kooperieren und sich
auf der Grundlage des Völkerrechts
demilitarisieren.
... statt EU-Militarisierung
Neutrale Staaten wie Österreich
können eine wichtige Rolle
spielen, um dieses „gemeinsame
Haus“ zu errichten: als „ehrliche
Makler“ zwischen den Großmächten,
als Puffer, Brückenbauer
und Dialogstifter. Die österreichische
Politik hat diesbezüglich
bisher versagt. Der Unterordnung
unter die EU-Militarisierung und
der damit verbundenen imperialen
Außenexpansion wurde
systematisch Vorrang vor einer
aktiven Friedens- und Neutralitätspolitik
eingeräumt. Jetzt den
militärisch-industriellen Komplex
mit weiteren Milliarden zu
füttern, um bei der neuen EU-
Eingreiftruppe mitzumarschieren,
heizt die Eskalationsspirale
weiter an, auch wenn formelhaft
an der Neutralität festgehalten
wird. Eine echte Neutralität, die
sich für ein „gemeinsames Haus
Europa“ engagiert, muss mit
der Unterordnung unter die EU-
Militarisierung in jeder Hinsicht
brechen. Die Waffen nieder! Ja
zur Neutralität!
15
Frieden
Ostermärsche in Linz, Wien und Bregenz
Am 18. April 2022 veranstaltete
in Linz ein Bündnis
verschiedener Organisationen auf
der Grundlage eines gemeinsamen
Aufrufs (sh. unten) einen Ostermarsch
für Frieden und Abrüstung.
Eine gemeinsame Wanderung
führte vom Friedensdenkmal im
Schillerpark über verschiedene
Stationen zum Mahnmal für aktive
Gewaltfreiheit beim Neuen
Rathaus in Urfahr. Bei verschiedenen
Stationen gab es Kundgebungen,
in denen RednerInnen
aus Friedens-, Solidaritäts- und
Klimaschutzinitiativen politische
Forderungen erhoben, wie dieser
entsetzliche Krieg beendet und
ein Ausweg aus der Eskalationsspirale
gefunden werden kann.
Auch in Wien fand ein Ostermarsch
statt, der vom Friedensbündnis
ABFANG organisiert
wurde. Dieser führte von der
Russisch-Orthodoxen Kirche
zur Ukrainischen Kirche und
zur Abschlusskundgebung am
Stephansplatz (sh. www.abfang.
Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.
org). Tradition hat bereits der Bodensee-Friedensweg,
der heuer
in Bregenz stattfand. Motto: „Es
Ostermarsch für FRIEDEN und ABRÜSTUNG
geht ums Ganze! - Klima. Gerechtigkeit.
Frieden“ (sh. www.
bodensee-friedensweg.org).
• Stoppen wir gemeinsam diesen Krieg! – Die Waffen nieder!
• Nein zu einer neuen Rüstungsspirale!
• Hochrüstung und Militär verunmöglichen auch die Erreichung der
Klimaziele!
• Für einen neuen Friedensprozess in Europa unter Einschluss aller beteiligten Akteure!
• Militärblöcke spalten – Neutralität verbindet!
Der Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine ist ein
völkerrechtswidriger Krieg. Auch der Verweis auf die eigenen
Sicherheitsinteressen und die historischen Rechtsbrüche der
Nato-Staaten kann und wird ihn nicht legitimieren. Das Völkerrecht
und das Gewaltverbot der Vereinten Nationen müssen
respektiert werden. Alle grundlegenden Differenzen können
dauerhaft einzig auf dem Verhandlungstisch entschieden
werden.
Dieser Krieg darf keinesfalls in einem neuen Rüstungswettlauf
münden. Eine neue Friedensordnung für Europa muss eine
inklusive Friedensordnung sein. Das Gemeinsame Haus Europa
muss über die Grenzen der Europäischen Union hinausgehen.
Für eine neue Friedensordnung in Europa braucht es einen
neuen Verhandlungsprozess unter Einschluss der Russischen
Föderation und der USA.
Für Österreich heißt das gerade jetzt: Ja zur Neutralität und
aktiver Neutralitätspolitik. Durch eine aktive Neutralitätspolitik
kann Österreich einen wichtigen Beitrag für einen stabilen Frieden
leisten. Militärblöcke spalten – Neutralität verbindet!
Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und den
Rückzug der russischen Truppen, die bedingungslose
Einhaltung der Menschenrechte, Friedensverhandlungen
und humanitäre Hilfe für alle, die unter den kriegerischen
Auseinandersetzungen leiden, sowie freie Fluchtwege für
alle – Zivilist:innen und Soldat:innen, die sich vor dem
Krieg in Sicherheit bringen wollen.
Aufrufende Organisationen: Alternative und Grüne GewerkschafterInnen
OÖ, Friedensakademie Linz, IPPNW (Ärzte zur Verhütung des
Atomkriegs), Kinderfreunde OÖ, KPÖ Linz, Pax Christi OÖ, Solidarwerkstatt
Österreich, Sozialistische Jugend OÖ, Verein Zu-Flucht, Yes
we care Linz
Wir über uns
16
Mitglied werden in der Solidarwerkstatt Österreich!
Als Solidarwerkstatt Österreich engagieren wir uns für ein freies,
solidarisches, neutrales und weltoffenes Österreich. Für uns ist die
Unabhängigkeit vom Machtestablishment wichtig. Die Solidarwerkstatt
finanziert sich deshalb ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden,
jeder Beitrag zählt. All jene, denen also eine unabhängige politische
Organisation wie die Solidarwerkstatt Österreich wichtig ist, ersuchen
wir, uns auch finanziell zu unterstützen!
Die wichtigste Unterstützung ist freilich, Mitglied zu werden und sich
mit uns zu engagieren!
Ja, ich will
Bestellkupon
Dabei sein beim nächsten Treffen der SolidarwerkstätterInnen?
Wir freuen uns! (aktuelle Termine auf www.solidarwerkstatt.at)
Kontakt in Linz
Büro: Waltherstraße 15, 4020 Linz, office@solidarwerkstatt.at
Bürozeiten: Montag bis Freitag: 14 - 18 Uhr
T (0732) 77 10 94 oder 0664 1540742, F (0732) 77 10 94-20
Kontakt in Wien/NÖ: T: 0664 7607937, wien@werkstatt.or.at
Werkstattradio: jeden 3. Montag im Monat, 19-20h, auf www.fro.at
Nachhören auf: www.solidarwerkstatt.at >>Rubrik Werkstatt-Radio
SPENDEN: Unsere Arbeit für Frieden, Solidarität und Neutralität
finanziell unterstützen!
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