Werkstatt-Blatt 2022/Sonderausgabe
Das WERKSTATT-Blatt (vorm.guernica) ist die offizielle Publikation der Solidarwerkstatt Österreich. Die aktuellen Ausgaben des WERKSTATT-Blatts sind im Abonnement erhältlich. WERKSTATT-Blatt Abo für 10 Ausgaben bestellen um Eur 12,- oder 5 Ausgaben um Eur 7,- . Ein Probeexemplar schicken wir gerne kostenlos zu. Bestellen unter: T 0732 77 10 94 oder per mail: office@solidarwerkstatt.at
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Frieden
14
Militärblöcke spalten – Neutralität verbindet!
Der Ukraine-Krieg wird derzeit dafür instrumentalisiert, die Neutralität sturmreif zu schießen und das Bundesheer für die
Teilnahme an einer zukünftigen EU-Eingreiftruppe hochzurüsten. Nur so könne man Putin Einhalt gebieten, wird uns erzählt.
Einmal abgesehen davon, dass schon jetzt USA und EU-Staaten 16-Mal mehr für das Militär ausgeben als Russland – ist diese
Erzählung stimmig?
Zunächst einmal: Der Einmarsch
Russlands in die
Ukraine ist ein völkerrechtswidriger
Angriffskrieg, der nicht zu
rechtfertigen ist. Die Russische
Föderation muss sich sofort
wieder zurückziehen. Doch so
wichtig diese Forderung ist, so
notwendig ist es auch, die Vorgeschichte
dieses Krieges zu beleuchten,
nicht um diesen Krieg
zu relativieren, sondern um daraus
politische Vorschläge zu entwickeln,
die solche Tragödien in
Zukunft verhindern helfen.
Vorgeschichte des Krieges
Wichtige Aspekte dieser Vorgeschichte
sind:
• Die NATO hat sich – trotz
gegenteiliger Versprechungen
im Zuge der deutschen Wiedervereinigung
– immer weiter
in Richtung der russischen
Grenze ausgeweitet. Russische
Proteste und Sicherheitsbedenken
wurden ignoriert.
• Die zutiefst gespaltene Ukraine
konnte unter der Regierung
Janukowitsch bis 2014 in einer
Art Neutralität zwischen
Russland und den Westmächten
die Gegensätze im Inneren
einigermaßen ausbalancieren.
Der gewaltsame Staatstreich
im Februar 2014 zerstört diese
schwierige Balance. Maßgeblich
orchestriert wurde dieser
Staatsstreich von EU und
USA, neofaschistische Milizen
fungierten als Steigbügelhalter
für den prowestlichen
Regime-Change. Unmittelbares
Ziel war es, das EU-Ukraine-Assoziationsabkommen
durchzupeitschen, das die
Ukraine für den neoliberalen
Ausverkauf des Landes an
westliche Konzerne und die
militärische Anbindung an die
EU öffnete.
• Dieser Staatsstreich zerriss
das Land und führte letztlich
in den blutigen Bürgerkrieg,
dem seit 2014 nach UN-Schätzungen
14.000 Menschen zum
Opfer fielen. 2015 beschloss
das gewendete ukrainische
Parlament, die Stationierung
von westlichen Atomwaffen
auf seinem Territorium zuzulassen,
2018 erhielt die Ukraine
von der NATO den Status
eines Beitrittskandidaten,
2019 verankerte die Ukraine
in ihrer Verfassung das Ziel,
der NATO beizutreten. Man
muss kein „Putinversteher“
sein, um zu erkennen, dass
die damit verbundene Möglichkeit
der Stationierung von
westlichen Atomraketen in der
Ukraine, die in wenigen Flugminuten
Moskau erreichen
können, nicht nur eine Gefahr
für die Sicherheit Russlands
sondern für den Weltfrieden
wären. Erinnern wir uns: Als
1962 sowjetische Atomraketen
auf Kuba stationiert wurden,
drohten die USA mit dem
3. Weltkrieg.
• Im Dezember 2021 legte die
Russische Föderation sowohl
den USA als auch der NATO
Vorschläge für Friedensverträge
auf den Tisch. Im Kern sahen
sie die militärische Neutralität
der Ukraine vor, um den sich
zuspitzenden Konflikt zu entschärfen.
USA und EU wischten
diese Vorschläge vom Tisch.
Gemeinsames Haus Europa...
Zieht man diese Vorgeschichte
in die Betrachtung dieses
unsäglichen Krieges mit ein, so
kommt man zu einer völlig anderen
Schlussfolgerung als die
vom Aufrüstungstaumel und
Hass auf die Neutralität erfassten
Machteliten und Medien:
Militärblöcke spalten – Neutralität
verbindet!
Als die Neutralität der Ukraine
durch den prowestlichen Staatsstreich
im Jahr 2014 zerstört
wurde, wurde die Tür zur Spaltung
des Landes und zum Krieg
geöffnet. Um die Tür zu einem
nachhaltigen Frieden zu öffnen,
braucht es Verhandlungen, wie
die Ukraine wieder auf einen
Pfad der Neutralität zwischen
den Großmächten einschwenken
kann. Das muss eingebettet sein
in einen Prozess einer neuen europäischen
Friedensarchitektur
unter Einbeziehung aller Akteure,
also auch von Russlands und
den USA. Michael Gorbatschow
nannte dieses Ziel seinerzeit die
Schaffung eines „gemeinsamen
Hauses Europa“, in dem die
Staaten in ihrer Vielfalt auf Augenhöhe
kooperieren und sich
auf der Grundlage des Völkerrechts
demilitarisieren.
... statt EU-Militarisierung
Neutrale Staaten wie Österreich
können eine wichtige Rolle
spielen, um dieses „gemeinsame
Haus“ zu errichten: als „ehrliche
Makler“ zwischen den Großmächten,
als Puffer, Brückenbauer
und Dialogstifter. Die österreichische
Politik hat diesbezüglich
bisher versagt. Der Unterordnung
unter die EU-Militarisierung und
der damit verbundenen imperialen
Außenexpansion wurde
systematisch Vorrang vor einer
aktiven Friedens- und Neutralitätspolitik
eingeräumt. Jetzt den
militärisch-industriellen Komplex
mit weiteren Milliarden zu
füttern, um bei der neuen EU-
Eingreiftruppe mitzumarschieren,
heizt die Eskalationsspirale
weiter an, auch wenn formelhaft
an der Neutralität festgehalten
wird. Eine echte Neutralität, die
sich für ein „gemeinsames Haus
Europa“ engagiert, muss mit
der Unterordnung unter die EU-
Militarisierung in jeder Hinsicht
brechen. Die Waffen nieder! Ja
zur Neutralität!