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Werkstatt-Blatt 2022/Sonderausgabe

Das WERKSTATT-Blatt (vorm.guernica) ist die offizielle Publikation der Solidarwerkstatt Österreich. Die aktuellen Ausgaben des WERKSTATT-Blatts sind im Abonnement erhältlich. WERKSTATT-Blatt Abo für 10 Ausgaben bestellen um Eur 12,- oder 5 Ausgaben um Eur 7,- . Ein Probeexemplar schicken wir gerne kostenlos zu. Bestellen unter: T 0732 77 10 94 oder per mail: office@solidarwerkstatt.at

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Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf

4

„Derzeitiges Arbeitslosengeld

schützt nicht vor Verarmung“

Interview mit Univ. Prof. i.R. Dr. Emmerich Talos (Universität Wien)

„Die ausreichende materielle Absicherung

von Erwerbsarbeitslosen steigert nicht die Arbeitsunwilligkeit,

wie Neoliberale behaupten.

Diese verbessert vielmehr die Verhandlungsposition

von Arbeitslosen, bewahrt diese

davor, zur Sicherung ihres Lebensunterhalts

unfaire Arbeits- und Lebensbedingungen zu

akzeptieren.“

Werkstatt-Blatt: Sie engagieren

sich für das Volksbegehren

"Arbeitslosengeld

rauf!", das die Anhebung

des Arbeitslosengeldes auf

zumindest 70% des Letztbezugs

fordert. Warum halten

Sie diese Forderung für so

wichtig?

Emmerich Talos: Die Arbeitslosenversicherung

ist seit mehr als

100 Jahren ein wichtiger Bestandteil

des Leistungssystems des österreichischen

Sozialstaates. Die

Arbeitsmarktentwicklung, insbesondere

auch im Zusammenhang

mit der Corona Pandemie, hat

allerdings deutlich gemacht, dass

das derzeitige Niveau des Arbeitslosengeldes

und der Notstandshilfe

für viele erwerbsarbeitslose

Menschen nicht reicht, um sie vor

Verarmung zu schützen.

Verstärkt wird diese Problematik

nunmehr auch noch durch die

aktuelle Entwicklung von Wohlstandsverlusten

in Folge von

Preissteigerungen beim Wohnen,

von Kostensteigerungen bei Lebensmittel

und Energie. Betroffen

davon sind über BezieherInnen

von Sozialhilfe und Niedrigpensionen

hinaus vor allem auch Langzeiterwerbslose

mit Notstandshilfebezug.

Die Anhebung der Nettoersatzrate

von dem im internationalen

Vergleich äußerst niedrigen Niveau

von 55% der Nettoersatzrate

auf mindestens 70% ist daher

ein unumgänglich notwendiger

Schritt. Die Forderung der Verbesserung

der materiellen Situation

vieler erwerbsarbeitsloser

Menschen ist einer der Kernpunkte

des Volksbegehrens „Arbeitslosengeld

Rauf!“

Das Volksbegehren fordert

auch, die Zumutbarkeitsbestimmungen

zu entschärfen

bzw. die Rechtsstellung der

Arbeitslosen zu verbessern

und die Zuverdienstmöglichkeit

aufrechtzuerhalten.

Was ist damit gemeint?

Unter den schwarz/türkis/blauen

Regierungen wurden die gesetzlichen

Vorgaben für den Bezug

des Arbeitslosengeldes und

der Notstandshilfe beträchtlich

verschärft – ablesbar an den Bestimmungen

betreffend Arbeitswilligkeit,

Einhaltung der Kontrollmeldetermine,

Ablehnung

von Schulungsmaßnahmen. Nicht

zuletzt wurden die Wegzeiten

für die Hin- und Rückfahrt vom

Arbeitsplatz verlängert. Mitteilungen

des AMS traten an Stelle

rechtlich begründeter Bescheide.

In den aktuellen Auseinandersetzungen

über Änderungen

in der Arbeitslosenversicherung

wurde von Unternehmervertretungen

sogar die Forderung für

einen Vermittlungszwang für

Arbeitslose in ganz Österreich

ventiliert. In Abgrenzung dazu

läuft das Volksbegehren auf eine

Entschärfung der Zumutbarkeitskriterien

hinaus.

Darüberhinaus tritt das Volksbegehren

für die Aufrechterhaltung

der Zuverdienstmöglichkeit

für Erwerbsarbeitslose ein. Dies

bietet für die Betroffenen die

Möglichkeit der Integration in

den Erwerbsarbeitsmarkt.

Die ausreichende materielle

Absicherung von Erwerbsarbeitslosen

steigert nicht die Arbeitsunwilligkeit,

wie Neoliberale

behaupten. Diese verbessert

vielmehr die Verhandlungsposition

von Arbeitslosen, bewahrt

diese davor, zur Sicherung ihres

Lebensunterhalts unfaire Arbeitsund

Lebensbedingungen zu akzeptieren.

Sie wirkt zudem der

Ausweitung eines Niedriglohnsektors

à la Hartz IV entgegen.

Warum wurde das Instrument

eines Volksbegehrens

gewählt? Was können wir

damit bewegen?

Während Parteien und Verbände

je spezifische, unterschiedliche

partikulare Interessen vertreten,

zielen Volksbegehren darauf ab,

partei- und verbändeübergreifend

für bestimmte Anliegen zu mobilisieren

und diesbezüglich übergreifend

zusammen zu arbeiten.

Sie stellen damit als ein direkt

demokratisches Instrument eine

wichtige Ergänzung für politische

Prozesse dar.

Was wir mit dem Volksbegehren

„Arbeitslosengeld Rauf!“ bewegen

können, ist eine Sensibilisierung

für aktuelle Problemlagen

und Herausforderungen. Zugleich

kann das Volksbegehren bei einer

ausreichenden Unterstützung im

Rahmen der Eintragungswoche

vom 2. - 9. Mai einen einschlägigen

parlamentarischen Prozess

befördern und den Anstoß zu

einem spezifischen reformpolitischen

Gesetzgebungsprozess

bilden.

Wirtschaftskreise und Teile

der Regierung wollen ein

degressives Arbeitslosengeld

bei der kommenden

Arbeitsmarktreform durchsetzen,

das zwar am Anfang

höher ist, dann aber mit

Dauer der Arbeitslosigkeit

immer stärker absinkt. Was

halten Sie davon?

Dieses Modell basiert auf neoliberalen

sozialstaatlichen Kürzungsvorstellungen

mit dem angeblichen

Ziel, Anreize für die

Betroffenen zu schaffen. Allerdings

geht es bei diesem Modell

nicht um eine Verbesserung der

Bedingungen von Arbeitslosen,

sondern um Druck auf diese, um

Druck auf Annahme schlechter

Jobs. Es läuft nicht auf eine Verbesserung

ihrer sozialen und materiellen

Situation hinaus, sondern

letztlich auf eine Verschärfung des

Armutsrisikos. Das Volksbegehren

zielt darauf ab, derartigen Kürzungsoptionen

gegenzusteuern.

Eine Losung des Volksbegehrens

lautet "Arbeitslosigkeit

bekämpfen, nicht

Arbeitslose". Was sind Ihre

Vorschläge, um die nach wie

vor hohe Arbeitslosigkeit zu

bekämpfen?

Der Ausbau der Instrumente der

aktiven Arbeitsmarktpolitik und

die staatliche Förderung von Arbeitsplätzen

(z.B Aktion 20.000,

Beschäftigungsbonus unter SPÖ/

ÖVP) wären m.E. ebenso wichtig

wie die Verkürzung der Arbeitszeit

und eine adäquate soziale und

materielle Absicherung atypisch

Beschäftigter.

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