KOMPENDIUM-2.0
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5 SOZIALE UND GESUNDHEITLICHE ASPEKTE
grund (Körperschall) kann in einem entfernten
Gebäude mit dem luftgeleiteten Infraschall
interagieren, wobei Verstärkungen
möglich sind.
Exkurs 4 – was sagen dB-Werte aus?
“Schall” bezeichnet mechanische Schwingungen
und Wellen in einem elastischen Medium (z.B. in
Luft, Wasser oder Untergrund). Die von einer WEA
emittierte Schallenergie wird als Schalldruck in Pascal
(Pa) gemessen und ihr Pegel in Dezibel (dB)
angegeben. Dezibel ist die Einheit einer logarithmischen
Skala, deren Nullpunkt 20 µPa beträgt (die
menschliche Hörschwelle bei 1000 Hz). Eine Änderung
von 20 dB verändert den Schalldruck um das
10-fache, von 6 dB um das Doppelte.
Bei akustischen Messungen werden oft Schalldrucke
bei niedrigen Frequenzen und Infraschall ganz oder
teilweise ausgefiltert, um der Empfindlichkeit des
Hörens nahezukommen. Diese “Bewertungen”
werden als dB(A), dB(C), dB(G) u.ä. bezeichnet. Zur
Charakterisierung von Infraschall ist jedoch die
Kenntnis des objektiven, unbewerteten Schalldrucks
erforderlich (auch als dB(Z) bezeichnet).
Für die Einschätzung eines Gesundheitsrisikos sind
die Absolutwerte des Schalldrucks nicht hinreichend.
Ein Beispiel für nutzlosen Dezibel-Fetischismus war
im Frühjahr 2021 zu erleben: Die Bundesanstalt für
Geologie und Rohstoffe (BGR) veröffentlichte nach
heftiger Kritik eine Korrektur früherer Messwerte. In
einer Publikation aus 2017 63 waren die Pegel des
Infraschalls aus WEA auf Grund eines systematischen
Fehlers um 36 dB zu hoch angegeben (das
entspricht dem 63 fachen Schalldruck). Diese
Meldung löste zahlreiche Kommentare von interessierter
Seite aus, die mit dem Pegel des Schalldrucks
zugleich die Gesundheitsgefahr verringert sehen
wollten. Messwerte ändern jedoch nicht die Realität -
wie ein Thermometer mit falscher Skala nicht die
anliegende Temperatur ändert. Weder die Reichweite
des Infraschalls aus einer beliebigen WEA
noch die Beschwerden von Anwohnern wurden
durch die Korrektur verändert. Auch die korrigierten
Daten 64 zeigen, dass Infraschall-Peaks aus WEA
noch in mehr als 10 km Entfernung vorhanden sind.
Infraschall als Gesundheitsrisiko
Infraschall ist Bestandteil unserer Umwelt
und wird oft zusammen mit niederfrequentem
Hörschall emittiert. Natürliche Quellen
sind z.B. Gewitter, Meeresbrandung oder
Wind in einer Gras- oder Waldlandschaft.
Diese Emission ist ungefährlich, weil sie als
unstrukturiertes, “statistisches” Rauschen
auftritt. Die technische Zivilisation hat zahlreiche
Infraschall-Quellen geschaffen, etwa
durch Straßenverkehr, Flugzeugtriebwerke,
Industriemaschinen oder vibrierende Haushaltstechnik.
Von solchen Emissionen kann
bei längerer Einwirkung eine Gesundheitsgefahr
ausgehen, besonders wenn sie
periodische Änderungen beinhalten.
Der Infraschall aus aktiven Windenergieanlagen
wird – im Unterschied zu anderen
Quellen – in Form der schon genannten,
rhythmischen Pulse emittiert, die dem Hintergrundschall
(dieser ist messbar bei
ruhender Anlage) überlagert sind (Abb. 48).
Anwohner erklären, dass bereits nach
wenigen Tagen starke Schlaf- und Konzentrationsstörungen
auftreten, gefolgt von Angstund
Schwindelanfällen, verringerter Atemfrequenz
und weiteren Stressantworten.
Bei Einwirkung über Wochen und Monate
entsteht im Gehirn eine permanente Alarmsituation,
die durch den Anstieg des Stresshormons
Cortisol gekennzeichnet ist. Sie
führt u.a. zu Blutdruckanstieg, psychischer
Labilität und erhöhtem Infarktrisiko. Auch
bei Berücksichtigung individueller Unterschiede
in der Empfindlichkeit und von modifizierenden
Faktoren wie Geländestruktur,
Vegetation und Windaufkommen zeigt die
Erfahrung, dass bei hoher Exposition für die
weitaus meisten Anwohner ein erhebliches
Gesundheitsrisiko besteht.
Entscheidend für negative Wirkungen auf den
Menschen ist nicht das Maximum des
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