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Vizebürgermeister und Integrationsstadtrat
Christoph Wiederkehr
(NEOS) spricht über Ukrainisch-
Klassen, erleichterten Zugang zum
österreichischen Pass und richtet einen
Appell an Bildungsminister Polaschek.
Interview: Amar Rajković, Mitarbeit: Justyna Pikusa, Foto: Franziska Liehl
BIBER: 6,20 € für eine Tageskarte fürs
Schwimmbad ist ganz schön happig.
Finden Sie nicht?
CHRISTOPH WIEDERKEHR: Wir sind
preislich dort, wo wir vor Corona waren
(Anm. d. Red.: Das waren 5,90 €).
Aufgrund der Pandemie gab es jedoch in
den letzten zwei Jahren einen Sondertarif.
Wir haben keinen eingeschränkten
Badebetrieb mehr und haben mit der
Bonuskarte mehr Flexibilität geschaffen.
Dabei zahlt man für zehn Besuche und
bekommt drei Eintritte kostenlos dazu. Es
gibt auch Ermäßigungen für Mindestsicherungsbezieher
oder PensionistInnen.
Trotzdem gab es reichlich Kritik für den
Preisanstieg.
Es gab seit zwei Jahren keine Preiserhöhung
und die Anpassung der Tarife ist
weit unter der Inflation. Ich kenne kaum
eine Großstadt, die sich über 40 öffentliche
Bäder leistet. Junge, Alte, Familien,
es gehen alle gerne in unsere öffentlichen
Bäder.
Sie auch?
Ja, ich finde das Schafberg- aber auch
das Kongressbad, in dem wir uns gerade
befinden, sehr schön.
Sind Sie ein Fan von Deutschförderklassen?
Nicht in der jetzigen Form. In einer Klasse
mit 18 Kindern, in der kein einziges
Kind Deutsch kann, ist es nicht möglich,
mit einer Lehrperson die Inhalte zu vermitteln.
Diese von der Bundesregierung
beschlossene Struktur der Deutschförderklassen
ist nicht förderlich für den
Spracherwerb. Ich bin ein Freund der
Schulautonomie. In manchen Schulen
wird es kleine Deutschklassen geben, die
sinnvoll sind. In anderen lieber integrativ
im normalen Regelunterricht. Es sollen
die Schulstandorte selbst entscheiden
und nicht das Ministerium.
Es gibt die Kritik, dass die ukrainischen
SchülerInnen nicht gut integriert werden,
wenn sie nur unter ihresgleichen in
Deutschförderklassen bleiben. Sehen sie
das auch so?
Ich halte es in der jetzigen Phase für
die aus der Ukraine geflohenen Kinder
sinnvoll, wenn sie in eigenen Klassen
gut begleitet werden, weil wir auch
noch nicht wissen, wie viele hierbleiben
werden. Langfristig braucht es die bestmögliche
Durchmischung in den Wiener
Schulen von unterschiedlichen Ethnien
und Sprachen, damit Integration wirklich
gelingen kann.
2015 kamen die meisten syrischen Kinder
in die Neue Mittelschule, obwohl ihr
Bildungsniveau dem der AHS entsprach.
Dort hat man sie zum größten Teil abgelehnt,
weil sie kein Deutsch sprachen.
Muss man Gymnasien mehr in die Pflicht
nehmen?
Es gibt in Wien Gymnasien, die gerne
ukrainische Kinder aufnehmen würden.
Sie dürfen aber nicht, weil ihnen die
räumlichen Ressourcen für die Deutschförderklassen
fehlen. Die gesetzlichen
Rahmenbedingungen sind sehr starr.
Mein Appell an den Bildungsminister:
Bitte stellen Sie in dieser schwierigen
Zeit die finanziellen Mittel zur Verfügung
und erlauben Sie mehr Flexibilität bei den
Deutschförderklassen.
Von wie vielen ukrainischen SchülerInnen
sprechen wir?
Wir haben aktuell knapp 3000 aus der
Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche
in den Wiener Schulen. Das sind
über 100 Schulklassen. Wir sind darauf
vorbereitet, dass über den Sommer
zusätzliche Kinder im schulpflichtigen
Alter nach Wien kommen werden.
Sie werden auch alle einen Schulplatz
bekommen. Ich will nicht leugnen, dass
die Herausforderung sehr groß ist.
Darum unterstützen wir die bestehenden
Lehrkräfte zusätzlich, indem wir neues
Lehrpersonal anstellen.
Woher nehmen Sie das Personal?
Einerseits pensionierte Lehrkräfte, andererseits
Geflohene aus der Ukraine und
auch solche, die sich noch im Lehramtsstudium
befinden und Russisch oder
Ukrainisch sprechen. Das sind rund 100
zusätzliche Lehrkräfte, die wir seit dem
Ausbruch des Krieges angestellt haben.
In diesen Klassen ist eine Lehrperson, die
das österreichische Schulsystem kennt
und eine zweite die geflohen ist oder
Ukrainisch als Muttersprache hat.
Die Arbeiterkammer will den Zugang
zur österreichischen Staatsbürgerschaft
erleichtern, die ÖVP-Generalsekretärin
sieht keinen Grund dazu. Wo stehen Sie
als Wiener Integrationsstadtrat?
Ein Beispiel: Wenn ein hier geborenes
Mädchen aus Bosnien und Herzegowina
ein Jahr ERASMUS im Rahmen ihres Studiums
macht, hat sie keinen Anspruch
mehr auf die österreichische Staatsbürgerschaft.
Das entspricht nicht dem Zeitgeist,
weil junge Menschen heutzutage
viel mobiler geworden sind.
Sollten hier geborene Kinder automatisch
den österreichischen Pass erhalten?
Ich bin nicht dafür, komplett vom Prinzip
der Abstammung (ius sanguinis) in
Österreich wegzugehen. Die hier geborenen
Kinder sollen einen erleichterten
Zugang bekommen, weil in Wien immer
mehr Menschen leben, arbeiten, dabei
aber nicht demokratisch mitbestimmen
können.
Zum Abschluss die wichtigste Frage im
Bad – Pommes oder Langos?
Als Sohn eines ungarischen Vaters, ganz
klar: Langos. Mit Knoblauch.
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