FineTobacco[+] 02|2022
FREUDE AM LEBEN. SPASS AM GENUSS
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GIN – KLASSIKER<br />
AUF NEUEN WEGEN<br />
Wohl kaum eine Spirituose hat eine derartig bewegte Geschichte wie<br />
Gin: ursprünglich eine Medizin, zwischenzeitlich ein Armeleute-<br />
Getränk, später ein Favorit der Society und schließlich ein Mode-<br />
Drink, von dem heutzutage fast täglich neue Marken und Sorten auf<br />
den Markt kommen.<br />
Text: Stephan Rack und Michael Peter<br />
Die Basis von Gin ist ein<br />
klares Destillat aus<br />
Getreide. Die Idee vergorene<br />
Getreidemaische zu hochprozentigem<br />
Alkohol zu destillieren ist alt.<br />
Da allerdings damals das Verständnis<br />
über die chemischen und physikalischen<br />
Vorgänge bei der Destillation beschränkt<br />
war, hatten die Vorläufer von<br />
Gin, Whisky, Vodka und Doppelkorn ein<br />
Problem: den schlechten Geschmack.<br />
So verfiel man auf den Gedanken den<br />
klaren Brand zu aromatisieren, vor allem<br />
mit der als Gewürz und Arznei bekannten<br />
und leicht erhältlichen Wacholderbeere.<br />
Aus den Niederlanden des 16. Jahrhundert<br />
stammen erste Belege dafür,<br />
dass Wacholderschnaps, der als „Genever“<br />
bezeichnet wurde, nicht nur<br />
als Arznei, sondern auch als Gesellschaftsgetränk<br />
weit verbreitet war.<br />
Nach England kam das Getränk Ende<br />
des 17. Jahrhunderts, wo es unter der<br />
Bezeichnung „Gin“ besonders in der<br />
Unterschicht der großen Städte populär<br />
wurde. Der niedrige Preis für Getreide-Spirituosen<br />
in Verbindung mit<br />
den sozialen Umwälzungen zu Beginn<br />
der Industrialisierung führten zu Auswüchsen,<br />
die als „Gin Craze“ bekannt<br />
wurden. Verschiedene Gesetze, die „Gin<br />
Acts“, regulierten schließlich Besteuerung<br />
und Verkauf von Gin und dämmten<br />
die schlimmsten Auswüchse ein.<br />
Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts<br />
verstand man immer mehr<br />
die Prozesse der Destillation, verbesserte<br />
die Apparaturen und konnte<br />
dadurch bessere Brände herstellen,<br />
was Gin geschmacklich interessanter<br />
machte. Die Destillateure experimentierten<br />
außerdem mit Aromen zusätzlich<br />
zum Wacholder, besonders mit<br />
den Schalen von Zitrusfrüchten wie<br />
Zitronen, Orangen oder Bergamotte,<br />
aber auch Gewürzen wie Ingwer, Koriander,<br />
Zimt, Piment, Kardamom und<br />
Sternanis bis hin zu Seetang. Diese Zusatzaromen<br />
- über 200 davon werden<br />
genutzt - werden auch als „Botanicals“<br />
bezeichnet.<br />
Gin wurde zunehmend zu einem<br />
Getränk der englischen Oberschicht.<br />
Im 19. Jahrhundert umspannte das<br />
britische Empire die Welt und in vielen<br />
wärmeren Gegenden hatten die<br />
Soldaten, Kaufleute und Beamten mit<br />
Malaria zu kämpfen. Das einzig wirksame<br />
Mittel gegen Malaria war damals<br />
das sehr bittere Chinin, das mit Wasser<br />
zu einem „Tonikum“ – englisch Tonic –<br />
verarbeitet wurde und das sich mit Gin<br />
besser trinken ließ: der Vorläufer des<br />
wohl beliebtesten Longdrinks der Welt,<br />
Gin Tonic, war entstanden.<br />
Im Zuge der Entwicklung der Cocktail<br />
Kultur ab der 2. Hälfte des 19.<br />
Jahrhunderts entdeckte man schnell<br />
die Eignung von Gin für die Herstellung<br />
von Cocktails. Der bekannte Martini<br />
Cocktail besteht aus einer Mischung<br />
von Gin und Wermut. Gin-Fizz, Collins<br />
und Negroni sind weitere bekannte auf<br />
Gin basierende klassische Cocktails.<br />
Ende des 20. Jahrhunderts erlebte<br />
Gin eine Renaissance in der Barund<br />
Clubszene, meist als Longdrink<br />
oder Cocktail und im 21. Jahrhundert<br />
begannen in ganz Europa junge und<br />
innovative Unternehmer mit der Herstellung<br />
von Gin. Einige der interessantesten<br />
Produkte wollen wir Ihnen heute<br />
vorstellen.<br />
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